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Full text of "Geschichte des Osmanischen Reiches. Nach den Quellen Dargestellt"

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ALLGEMEINE  STAATENGESCHICHTE. 

Herausgegeben  von  KARL  LAMPRECHT. 

I.  ABTEILUNG :  GESCHICHTE  DER  EUROPÄISCHEN  STAATEN.  —  II.  ABTEILUNG :  GE- 

SCHICHTE  DER  AUSZEREUROPÄISCHEN   STAATEN.  —  III.  ABTEILUNG :  DEUTSCHE 

LANDESGESCHICHTEN. 


Erste  Abteilung: 


Herausgegeben 

von 

A.  H.  L.  HEEREN,  F.  A.  UKERT, 
W.  V.  GIESEBRECHT  UND  K.  LAMPRECHT. 


Siebenunddreifsigstes  Werk. 

JORGA,  GESCHICHTE  DES  OSMANISCHEN  REICHES. 

Zweiter  Band. 
(Bis   1538.) 


GOTHA  1909. 
FRIEDRICH  ANDREAS  PERTHES 

AKTIENGESELLSCHAFT. 


Prof.  Dr.  Franz  TaDsc 


GESCHICHTE  DER  EUROPAISCHEN  STAATEN. 

Herausgegeben  von 

A.  H.  L.  HEEREN,  F,  A.  UKERT,  W.  v.  GIESEBRECHT 
UND  K.  LAMPRECHT. 

Siebenunddreifsigstes  Werk. 


GESCHICHTE 

DES 

OSMANISCHEN  REICHES. 

NACH  DEN  QUELLEN  DARGESTELLT 

VON 


N.  JORGA, 

Professor  an  der  Universität  Bukarest. 


Zweiter  Band. 
(Bis   1538.) 


GOTHA  1909. 
FRIEDRICH   ANDREAS    PERTHES 

AKTIENGESELLSCHAFT. 


Vorwort. 


Bei  Abschlufs  dieses  zweiten  Bandes  der  „Geschichte  des 
osmanischen  Reiches "  halte  ich  es ,  besonders  den  über  die 
„Geschichte  des  rumänischen  Volkes"  und  den  ersten  Band 
dieses  Werkes  erschienenen  Kritiken  gegenüber,  für  meine  Pflicht, 
den  Standpunkt  dieser  Arbeiten  vor  der  Öffentlichkeit  mit 
einigen  Worten  zu  rechtfertigen. 

Ich  habe  so  wenig  den  Ehrgeiz  wie  die  Möglichkeit,  Werke 
zustande  zu  bringen,  an  denen  Spezialisten  und  besonders  solche 
in  anderen  Zweigen  der  Wissenschaft,  Philologen,  Orientalisten, 
Ethnographen  usw.,  nichts  auszusetzen  finden.  Denn  oft  mangelt 
es  mir  hier  am  Orte  meiner  Tätigkeit  an  den  erwünschten 
Quellen,  wie  an  einem  anderen  Studienorte  wieder  die  in  Bu- 
karest befindlichen  Hilfsmittel  fehlen  würden.  Aber  selbst  wenn 
mir  das  ganze  Material  zur  Verfügung  stände,  wäre  es  nicht 
mein  erstes  Bestreben,  jede  Einzelheit  mit  der  manchen  For- 
schern wohl  eigentümlichen  Liebe  zu  verfolgen.  Noch  weniger, 
in  den  Anmerkungen  alle  von  mir  benutzten  Quellen  mit  ge- 
bührender Genugtuung  aufzuzählen ;  der  Wissende  wird  erkennen 
und  ich  kann  versichern,  dafs  ich  manches  verwandt  habe,  was 
ich  der  Kürze  wegen  und  um  dem  Leser  das  Mitgehen  nicht 
zu  verleiden,  auf  seinen  ersten  Ursprung  zurückzuführen  ver- 
schmähte. Es  mag  das  vielleicht  ein  Fehler  sein,  ich  kann  und 
mag  ihm  aber  nicht  abhelfen. 

Bücher  über  die  Geschichte  eines  Volkes  und  eines  mäch- 
tigen Weltreiches  sind,  wenn  ich  nicht  irre,  von  einem  anderen 
Standpunkte  aus  als  dem  der  Chronologie  und  der  Schreibart 
orientalischer   Namen   zu   beurteilen.     Die   Zeitschriftenkritik   ist 


VI 


Vorwort. 


in  eng-en  Rahmen  gebannt,  darum  aber  braucht  sie  noch  nicht 
kleinhch  zu  sein  und  das  besprochene  Werk  auf  das  Niveau 
einer  akademischen  Dissertation  herabzudrücken,  um  es  dann 
wie  eine  solche  zu  zerfasern.  Auch  Anordnung ,  Auffassung- 
und  Form  haben  ihren  Wert ,  und  es  ist  ungerecht ,  sie  un- 
besprochen  zu  lassen,  um  der  bequemen  Jagd  nach  ,, Fehlern" 
in  Zeitangaben  und  Orthographie  fremder  Namen  obzuliegen. 

Der  Verfasser  eines  umfassenden  historischen  Werkes  lädt 
augenscheinlich  in  der  Auffassung  mancher  Leute  durch  seine 
Kühnheit  schon  eine  grofse  Schuld  auf  sich  und  begibt  sich 
mancher  Rechte.  Zwei  aber  nehme  ich  jedenfalls  für  mich  in 
Anspruch :  den  von  mir  gewählten ,  sozusagen  philosophischen 
Standpunkt  berücksichtigt  zu  sehen  und  auf  Grund  der  ge- 
gebenen Möglichkeiten  beurteilt  zu  werden.  Danach  handelten 
jene  älteren  Kritiker,  deren  Arbeit  nun  wirklich  ermunternd  und 
befruchtend  war  und  die  leider  seit  einigen  Jahrzehnten  aus- 
gestorben scheinen. 

Sie  würden  anerkannt  haben,  dafs  der  Wissenschaft  und 
ihrer  Verbreitung  in  weiteren  Kreisen  durch  meine  umfassenderen 
Werke  dennoch  ein  Dienst  geleistet  wird. 

Bukarest,  den   19.  August  1908. 

N.  Jorga. 


Inhalt. 


Seite 


Erstes  Buch.     Bildung-  des  osmanischen  Kaiserreiches  durch 

Mohammed  II i 

Erstes  Kapitel:  Eroberung  Konstantinopels 3 

Charakteristik  Mohammeds,  S.  3.  Erste  Mafsregeln  desselben  als 
Herrscher,  S.  5.  Feldzug  in  Asien,  S.  6.  Veränderungen  im  os- 
manischen Heere,  S.  7.  Konflikt  mit  dem  byzantinischen  Kaiser, 
S.  8.  Erbauung  der  osmanischen  Schlösser  am  Bosporus,  S.  9.  Ein- 
fall Turakhan-begs  in  Morea,  S.  II.  Haltung  Europas  in  der  byzan- 
tinischen Krise:  die  versprochene  päpstliche  Hilfe,  S.  13.  Unions- 
feinde in  Konstantinopel,  S.  14.  Venezianische  Politik  gegenüber 
Mohammed  II.,  S.  15  Ankunft  der  venezianischen  Schiffe  in  den 
byzantinischen  Hafen,  S.  16  Genuesische  Hilfe  wegen  Peras,  S.  17. 
Schaffung  einer  osmanischen  Artillerie,  S.  17.  Erscheinen  der 
Truppen  Mohammeds  vor  Konstantinopel,  S.  19.  Stellung  derselben 
bei  der  begonnenen  Belagerung,  S.  21.  Innere  konstantinopolitanische 
Zustände,  S.  22.  Anteil  der  ,, Lateiner"  bei  der  Verteidigung  Kon- 
stantinopels, S.  23.  Beschiefsung  der  Stadt  und  erste  geöffnete 
Breschen,  S.  24.  Überfuhrung  der  osmanischen  Schiffe  vom  offenen 
Meere  in  das  Goldene  Hörn,  S.  25.  Vorbedeutungen  der  endgültigen 
Katastrophe  Konstantinopels,  S.  27.  Vergebliche  Erwartung  der  „la- 
teinischen "  Schiffe  aus  dem  Westen.  S.  28.  Letzte  Kämpfe  zwischen 
Türken  und  Christen  vor  dem  grofsen  Sturme ,  S.  29.  Erstürmung 
Konstantinopels,  S.  30.  Eintritt  Mohammeds  II.  in  die  eroberte 
Stadt,  S.  30.  Ergebung  der  Bewohner  Peras  an  den  Sultan,  S.  34. 
Schicksal  der  cliristlichen  Schiffe,  S.  35.  Hinrichtungen  einiger 
Führer  der  Verteidigung  Konstantinopels,  S.  36.  Neue,  vom  Sultan 
geschaffene  Ordnung  in  seiner  neuen  Hauptstadt,  S.   36. 

Zweites    Kapitel:    Die    nächsten    Folgen    der    Eroberung   Konstan- 
tinopels   39 

Der  durch  den  Fall  Konstantinopels  verursachte  Eindruck  im  Westen, 
S.  39.  Klagen  der  Humanisten,  S.  40.  Päpstliche  und  venezianische 
Ermahnungen,  eine  Liga  gegen  die  Osmanen  zu  bilden,  S.  42.  Ge- 
nuesische Politik  nach  dem  Falle  Konstantinopels ,  S.  44.  Die  von 
Venedig  angeordneten  Mafsregeln,  S.  44.  Haltung  des  Königs  von 
Aragonien  und  Neapel  in  der  türkischen  Frage,  S.  46.  Neue  Stel- 
lung Mohammeds  U.  in  der  islamitischen  Welt,  S.  47.  Erhöhung 
des  Tributs  der    schon    besiegten  christliclien  Länder,    S.  48.     Frei- 


Tin 


Inhalt. 

Seite 

willige  Unterwerfung  der  Inseln  Lemnos,  Imbros  und  Thasos,  S.  49. 
Veränderungen  unter  den  hohen  osmanischen  Beamten,  S.  50.  Bauten 
und  Arbeiten  in  Konstantinopel  und  Gallipolis ,  S.  50.  Erneuerte 
Huldigung  des  Herrn  von  Lesbos ,  S.  51.  Erscheinen  der  osmani- 
schen Flotte  vor  Chios,  Rhodos  u.  a. ,  S.  51.  Verhandlungen  der 
genuesischen  Beamten  in  der  Krim  mit  dem  Sultan,  S.  52.  Erste  Tri- 
butsendung des  Fürstentums  Moldau,  S.  53. 

Drittes    Kapitel:     Erste    Kämpfe    Mohammeds    II.    an    der    Donau, 

gegen  Serben  und  Ungarn,  Eroberungen  im  Archipelagus    ...        54 

Pläne  Mohammeds  II.  gegen  Serbien,  S.  54.  Politik  des  serbischen 
Despoten  Georg,  S.  55-  Einnahme  Ostrowitzas  durch  die  Osmanen, 
S.  55.  Der  Regensburger  Tag  und  die  Kreuzzugspläne,  S.  57.  Er- 
mahnungen an  den  ungarischen  König  als  natürlichen  Vertreter  der 
Idee  eines  Krieges  gegen  den  Sultan,  S.  59-  Beziehungen  Johann 
Hunyadys  zum  liinsterbenden  byzantinischen  Reiche,  S.  59.  Unga- 
rische Vorbereitungen,  S.  59.  Frankfurter  Kreuzzugstag,  S.  60.  Sieg 
Hunyadys  bei  Kruschewatz  und  Angriff  auf  Widin,  S.  61.  Ver- 
söhnung des  serbischen  Despoten  mit  dem  Sultan,  S.  62.  Neustädter 
Zusammenkunft  und  Pläne  gegen  die  Türken,  S.  63.  Neue  ungarische 
Rüstungen,  S.  64.  Tod  des  Papstes  Nikolaus,  S.  64.  Zweiter  Zug 
Mohammeds  gegen  Serbien,  S.  65.  Einnahme  Novobrdos ,  S.  67. 
Eindruck  in  Europa,  S.  67.  Die  Erbschaft  des  Fürsten  von  Lesbos, 
Dorino  Gattilusio,  S.  68.  Eroberung  Neu-  und  Alt-Phokäas,  S.  69. 
Zänkereien  zwischen  Dorino  Gattilusio  und  seiner  Familie,  S.  69. 
Zug  gegen  Änos,  S.  70.  Angriff  der  osmanischen  Flotte  auf  Chios 
und  Lemnos,   S.    71. 

Viertes  Kapitel:    Die  Belagerung  von  Belgrad  und  die  Kämpfe  an 

der  Donau 72 

Päpstliche  und  kaiserliche  Bemühungen ,  den  Kreuzzug  zustande  zu 
bringen,  S.  72.  Ungarische  Wirren  und  ungarische  Ohnmacht,  S.  73. 
Aufbruch  Sultan  Mohammeds  gegen  Belgrad,  S.  74.  Einsetzung  des 
walachischen  Fürsten  Vlad  Tepe§  durch  Hunyady,  S.  74.  Beschrei- 
bung Belgrads,  S.  75.  Die  Verteidiger  desselben:  die  Kreuzfahrer 
Johanns  von  Capistrano,  S.  76.  Osmanische  Stürme  gegen  Belgrad, 
S.  77.  Rückzug  des  Sultans,  S.  78.  Schicksal  der  Krieger  Capi- 
stranos ,  S.  79.  Serbische  und  ungarische  Zwistigkeiten  nach  dem 
Entsätze  Belgrads,  S.So.  Tod  des  Despoten  Georg:  sein  Nachfolger, 
S.  81.  Die  vom  Erfolge  Hunyadys  im  Westen  erweckten  Hoffnungen 
einer  christlichen  Offensive,  S.  81.  Zusammenbruch  der  ungarischen 
Kriegsmacht,  S.  82.  Die  albanesische  Revolte  und  ihr  Führer,  Skan- 
derbeg,  bis  1457,  S.  83.  Gerüchte  eines  osmanisclien  Angriffs  auf 
Belgrad  und  Ragusa,  S.  85.  Erscheinen  einer  päpstlichen  Seemacht 
vor  Rhodos,  Lemnos,  Thasos  u.  a. ,  S.  85.  Tod  des  Königs  Ladis- 
laus  von  Ungarn  und  des  Papstes ;  serbische  Unterwerfungsvorschläge, 
S.  86. 

Fünftes    Kapitel:    Abrundung    des    Reiches    in  Europa    und    Asien 

unter  Mohammed  II 87 

Griechiscli-latcinische  Zustände  in  Morea,  S.  87.  Der  Despot  Deme- 
trios  und  sein  türkenfreundliches  Betragen,  S.  88.  Zug  Turakhan-begs 
nach  Morea,  S.  89.  Rückstand  des  moreotischen  Tributs  und  trübe 
Zustände  im  fränkischen  Athen ,    S.  89.     Angriff  des  Sultans    auf  die 


Inhalt.  IX 

Seite 
Halbinsel,  S.  90,  Athens  Schicksal,  S.  91.  Wiedereinnahme  der 
Inseln  Lesbos,  Imbros  und  Leranos,  S.  91.  Bruderkampf  zwischen 
den  Despoten  Demetrios  und  Thomas,  S.  92.  Erster  Zug  Sultan 
Mohammeds  gegen  das  Kroia  Skanderbegs ,  S.  93.  Zweiter  Angriff 
desselben  auf  Morea  und  Vernichtung  der  griechischen  Herrschaft  auf 
der  Halbinsel,  S.  93.  Pläne  des  Papstes  Pius  II.,  S.  95.  Wiener 
Tag,  um  den  Kreuzzug  zu  beraten,  S.  96.  Anerbieten  seitens  Venedigs 
und  einiger  kleinasiatischen  Mächte,  S.  97.  Usuii-Hassan,  der  neue 
turkmenische  Kaiser,  und  seine  Macht,  S.  98.  Zug  des  Sultans  gegen 
Sinope,  S.  100.  Angriff  auf  das  Kaiserreich  Trapezunt,  S.  lOi.  Die 
trapezuntinischen  Kaiser  der  Zeit,  S.  102.  Einnahme  Trapezunts  und 
Schicksal  der  letzten  Komnenen,   S.    103. 

Sechstes   Kapitel:   Serbische  Wirren.     Annexion  Bosniens.     Kämpfe 

Mohammeds   an   der  Donau  mit  Rumänen   und  Ungarn    ....      105 

Tod  des  serbischen  Despoten  Lazar,  S.  105.  Besetzung  Belgrads 
durch  die  Ungarn  und  Anrufung  des  päpstlichen  Schutzes  seitens  der 
Serben,  S.  106.  Zug  der  Türken  gegen  Serbien:  Einnahme  Resa- 
was  und  anderer  Schlösser,  S.  106.  Einnahme  Golubatschs,  S.  107. 
Osmanische  Streifztige  in  Ungarn  und  ungarische  Verteidigungsmafs- 
regeln,  S.  107.  Bosnische  Ansprüche  auf  Serbien,  S.  108.  Wieder- 
eroberung Semendrias  durch  die  Osmanen  und  Flucht  der  Königin 
Helena.  S.  109.  Zustände  in  Bosnien  und  der  Herzegowina,  S.  109. 
Unzufriedenheit  der  bosnischen  Gröfsen  mit  ihrem  König,  S.  iio. 
Kämpfe  unter  Belgrad;  Hinrichtung  Michael  Szilagyis  in  Konstan- 
tinopel, S.  IIO.  Einfälle  Ali-beg  Michaloglis  ins  ungarische  Banat, 
S.  III.  Türkenfeindliche  Politik  des  walachischen  Fürsten  Vlad 
fepe^,  S.  III.  Zusammenstofs  desselben  mit  den  Türken  bei  Giur- 
giu,  S.  113.  Verheerungszüge  Vlads  über  die  Donau,  S.  I13.  Zug 
Mohammeds  gegen  die  Walacliei,  S.  I14.  Angriff  des  moldauischen 
Fürsten  Stephan  auf  den  walachischen  Hafen  Chilia,  S.  115.  Ein- 
setzung Radus  als  Fürst  der  Walachei  und  Rückzug  des  Sultans, 
S.  116.  Unterbrochener  Revanchezug  des  ungarischen  Königs  Mat- 
thias, S.  117.  Einnahme  der  Insel  Lesbos,  S.  118.  Türkische  Ein- 
mischung in  die  Herzegowina  und  Vorwände  für  einen  Angriff  auf 
Bosnien,  S.  I19.  Bosnischer  Krieg  und  Tod  des  Königs  Stephan, 
S.  120.  Erscheinen  der  osmanischen  Truppen  in  Kroatien  und  der 
Herzegowina,  S.  12 1.  Folgen  der  Eroberung  Bosniens  durcli  die 
Türken;  Eindruck  in  Ungarn  und  in  Albanien;  Einnahme  der  Stadt 
Argos,  S.   122. 

Siebentes  Kapitel:   Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.      Vereinter 

Kampf  der  Christen  gegen   Mohammed   II 123 

Kreuzzugsvorbereitungen  des  Heiligen  Stuhls,  S.  1 23.  Türkisch-ungarische 
Grenzstreitigkeiten  und  Vertrag  von  Peterwardein  zwischen  Ungarn 
und  Venedig,  S.  124.  Eroberung  Jaices  durch  die  Ungarn,  S.  124. 
Christliche  Erfolge  in  der  Herzegowina,  S.  125.  Vergebliclier  An- 
griff Mohammeds  11.  auf  Jaice,  S.  126.  Belagerung  Zworniks  durch 
die  Ungarn,  S.  127.  Ankunft  venezianischer  Söldner  in  Morea,  S.  127. 
Wiedereroberung  der  Stadt  Argos,  S.  128.  Tod  Bertoldos  von  Este 
bei  Korinth ,  S.  128.  Siege  der  Türken  über  die  Reste  der  vene- 
zianischen Truppen,  S.  128.  Eintritt  derselben  in  Argos,  S.  129. 
Belagerung  Mitylenes  durch  die  Venezianer,  S.  129.  Letzte  Mafs- 
regeln  für  die  Zustandebringung  des  Kreuzzugs,  S.  13 1.  Einschiffung 
des  Dogen  und  Tod  Pius'  II.,    S.    131.     Die  venezianische  Flotte  im 


Inhalt. 

Seite 
Arcliipelagus,  S.  131.  Vereinigung  Sigismondo  Malatestas,  des  vene- 
zianischen Generals,  mit  den  albanesischen  Führern,  S.  132.  Ver- 
längerung des  moreotischen  Krieges,  S.  132.  Venezianische  Schiffe 
vor  Gallipolis,  S.  133.  Die  Flotte  Cappellos  gegen  die  türkischen 
Inseln  des  Archipelagus ,  S.  133.  Einnahme  Patras'  durcli  die  Vene- 
zianer, S.  134.  Türkische  Siege,  S.  134.  Friedensverhandlungen, 
S.  135.  Neue  Projekte  des  Sultans,  S.  136.  Verhältnisse  in  der 
Herzegowina,  S.  137.  Rückkehr  Skanderbegs  nach  Albanien,  S.  137. 
Zug  Mohammeds  gegen  denselben,  S.  138.  Kämpfe  nach  dem  Rück- 
zuge des  Sultans,  S.  139.  Neuer  Zug  desselben  gegen  Skanderbeg, 
S.  140.  Tod  des  albanesischen  Helden,  S.  141.  Die  Venezianer  in 
Kroia,  S.  141.  Verhandlungen  des  Sultans  mit  Ungarn  und  Venedig; 
ungarische  Gebietsabrundungen,  S.  142.  Tag  zu  Nürnberg  und  Kreuz- 
zugspläne, S.  142.  Türkische  Einfälle  in  Dalmatien  und  Kroatien, 
S.  145.  Unternelmiungen  gegen  Andres  seitens  der  Türken,  und 
gegen  Änos ,  Neu-Phokäa,  Alt-Phokäa  seitens  der  Christen,  S.  146. 
Zug  des  Sultans  nach  Karamanien,  S.  147.  Die  osmanische  Flotte 
in  dem  Archipelagus:  Einnahme  von  Imbros  und  Lemnos;  Plünde- 
rungen auf  der  Insel  Skyros,  S.  147.  Angriff  auf  Negroponte,  S.  147. 
Fall  der  Stadt  Negroponte  und  der  benachbarten  In-eln,  S.  149. 
Streifzug  des  Wesirs  in  Morea,  S.  150.  Eindruck  des  Verlustes  Ne- 
gropontes,  S.  151.  Friedensverhandluns^en  Venedigs  mit  dem  Sultan, 
S.  152.  Raubzüge  der  Türken  in  Dalmatien  und  Albanien,  S.  152. 
Neue  türkische  Waffentaten  in  Albanien,  S.  153.  Asiatischer  Kreuz- 
zug der  christlichen  Liga,  S.  153.  Angriff  auf  Satalieh  und  Plünde- 
rung Smyrnas;  Versuch  der  Christen  gegen  die  osmanische  Flotte, 
S.  I54.  Unternehmungen  derselben  gegen  Siki ,  Gorigo,  Myrrha, 
Makri ,  8.  155-  Haltung  der  Ungarn,  S.  155.  Der  Regensburger 
Tag  und  die  türkische  Frage,  S.  156.  Einfall  der  Türken  in  die 
österreichisclien  Grenzländer,  S.  157.  Neuer  Raubzug  derselben  in 
diese  Gegenden,  1473  t)is  1474,  S.  158.  Augsburger  Tag  und  De- 
batte wegen  der  Verteidigung  dieser  Reichsgrenze,   S.    158. 

Achtes  Kapitel:  Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Seine  letzten 

europäischen  Eroberungszüge 159 

Tod  des  Karaman-begs  Ibrahim,  S.  159.  Krieg  der  Osmanen  gegen 
seinen  Nachfolger,  Isak-beg,  S.  161.  Revolte  des  Karamanen  Pir- 
Achmed,  S.  161.  Zug  des  Sultans  gegen  denselben,  S.  161.  Neue 
karamanische  Wirren,  S.  162.  Erste  Zusammenstöfse  zwischen  den 
Interessen  Mohammeds  II.  und  denen  Usun-Hassans,  S.  163.  Unter- 
stützung der  Erben  von  Sinope  und  Karamanien  durch  denselben, 
S.  164.  Krieg  Mohammeds  gegen  seinen  Nebenbuhler,  S.  164. 
Besiegung  des  osmanischen  Vortrabs  durch  die  Truppen  Usuns,  S.  166. 
Endgültige  Niederlage  der  Turkmenen,  S.  166.  Ordnung  der  klein- 
asiatischen Verhältnisse  und  Rückkehr  des  Sultans  nach  Konstanti- 
nopel, S.  167.  Weitere  Beziehungen  Venedigs  zu  Usun  und  phan- 
tastische Kreuzzugspläne,  S.  168.  Feindliches  Betragen  des  moldauisclien 
Fürsten  Stephan,  S.  169.  Krieg  desselben  gegen  die  in  sein  Land 
eingefallenen  Tataren,  S.  169.  Vergeltungszug  Stephans  gegen  die 
den  Türken  unterworfene  Walachei,  S.  170.  Offensive  der  Donau- 
Begs ,  S.  171.  Vorbereitungen  Stephans  für  den  Zusammenstofs 
mit  der  ganzen  osmanischen  Macht,  S.  172.  Schlacht  von  Podul- 
Innalt,  S.  172.  Sendung  der  osmanischen  Flotte  gegen  die  Moldau, 
S.  173.  Einnahme  von  Caffa  und  Matrega,  S.  174.  Eroberung  des 
Zwergstaates    Mangup,    S.    174.       Unterwerfung    der    Krim -Tataren, 


Inhalt. 


XI 


Seite 
S.  175.  Versöhnung  zwischen  Stephan  und  dem  König  Matthias, 
S.  175.  Einnahme  der  Festung  Schabatz  durch  die  Ungarn,  S.  175. 
Raubzug  Vlad  '^epe^'  und  des  serbisclien  Prätendenten  Wuk  in  Bos- 
nien, S.  177.  Aufbruch  des  Sultans  gegen  die  Moldau,  S.  1 78. 
Schlacht  von  Räzboieni  oder  Valea-Albä,  S.  179.  Ergebnisse  des 
moldauischen  Zuges,  S.  180.  Einsetzung  Vlad  fepes'  als  walachischer 
Fürst  und  Tod  desselben,  S.  180.  Neue  walachische  Wirren,  S.  181. 
Schlacht  von  Kenyermezö,  S.  181.  Einfall  der  Ungarn  ins  türkische 
Bosnien  und  auch  in  Galizien,  S.  182.  Angriffe  der  Türken  auf  das 
ungarische  Banat  und  auf  die  Moldau,  S.  183.  Fortsetzung  der 
türkisch-venezianischen  Friedensverhandlungen,  S.  184.  Entsatz  des 
von  den  Osmanen  belagerten  Lepanto  und  des  Schlosses  Kokkino 
auf  Lemnos,  S.  184.  Verwüstung  der  Insel  Naxos,  S.  185.  Zustände 
in  Albanien,  S.  185.  Einfall  der  Türken  ins  Friaul,  S.  185.  Raub- 
zug der  Bosnier  jenseits  der  Save,  S.  186.  Neuer  Einfall  der 
Akindschis  ins  Friaul  und  in  die  österreichischen  Grenzgebiete,  S.  186, 
Belagerung  Skutaris  durch  Mohammed  It.,  S.  187.  Friedenssclilufs 
zwischen  Venedig  und  dem  Sultan,  S.  189.  Besetzung  Woditzas  und 
der  Inseln  Kephallenia  und  Santa-Maura;  Angriff  auf  die  benachbarten 
venezianischen  Besitzungen,  S.  190.  Krieg  Mohammeds  II.  gegen 
Rhodos,  S.  190.  Zug  ."Vchmed-Gediks  gegen  das  Königreich  Neapel 
und  Einnahme  Otrantos,  S.  192.  Italienische  Liga  gegen  die  Türken, 
S.  192.  Nürnberger  Tag  und  Beratungen  gegen  die  Osmanen,  S.  193. 
Türkische  Stieifzüge  und  türkische  Einmischung  in  das  österreichische 
Grenzgebiet,  S.  193.  Frage  des  Fürstentums  Sulkadr,  S.  194.  Zer- 
würfnis mit  dem  Sultan,  S.  195.  Aufbruch  Mohammeds  nach  Asien 
und  Tod   desselben,   S.    195. 

Neuntes    Kapitel:    Mittel    und  Ziele    des  Reichs    unter    Sultan  Mo- 
hammed II 196 

Das  politische  Ideal  des  Sultans,  S.  196.  Schonung  der  christlichen 
Untertanen,  S.  197.  Übertritte  der  Christen  zum  Islam;  Rolle 
der  Renegaten,  S.  199.  Griechische  Träumer  der  christlichen  Re- 
vanche und  griechische  Schmeichler  des  Sultans,  S.  201.  Griechen 
im  Dienste  des  osmanischen  Reiches,  S.  201.  Anteil  der  Albanesen 
an  der  Leitung  des  Reichs,  S.  202.  Serben  und  Bosniaken  in  mili- 
tärischen und  politischen  Stellungen,  S.  203.  Bulgaren,  Italiener  usw. 
unter  den  osmanischen  Beamten ,  S.  203.  Die  alten  türkischen  Fa- 
milien :  Ewrenos-ogli  und  Michal-ogli ,  S.  204.  Verschönerung  und 
Kolonisation  der  neuen  Reichshauptstadt  Konstantinopel,  S.  205.  Cha- 
rakter der  neuen  Bevölkerung,  S.  207.  Das  alte  Serail  und  die  Mo- 
scheen Mohammeds  IL,  S.  207.  Andere  Stiftungen  Mohammeds, 
S.  208.  Wiedererbauung  der  byzantinischen  Mauern,  S.  209.  Neuer 
Begriff  eines  Sultans,  S.  210.  Pracht  und  Luxus,  neue  Hofchargen, 
S.  210.  Ärzte  des  Sultans,  S.  211.  Osmanische  Hofetiquette  unter 
Mohammed  IL,  S.  211.  Interesse  des  Sultans  für  Wissenschaft  und 
Literatur,  S.  212.  Literarische  Tätigkeit  unter  seiner  Regierung, 
S.  212.  Verbreitung  einer  neuen  Lebensart  unter  den  Osmanen, 
S.  212.  Neue  Hierarchie  der  Reichsbeamten :  der  Grofswesir,  S.  213. 
Die  Sandschaks,  ihre  Pflichten  und  Einkünfte,  S.  214.  Die  Begler- 
begs,  Emins  usw.,  S.  215.  Die  Abgaben  im  osmanischen  Reiche: 
die  Kapitationssteuer,  S.  215.  Die  Zehnten  und  andere  Einkommen- 
quellen, S.  216.  Das  Kharadsch  der  autonomen  Länder,  S.  21 7, 
Ausgaben  des  Reichs:  Zahlung  der  Janitscharen,  S.  218.  Andere 
Spesen  für  das  Heer,  S.  219.     Geschenke  an  die  Janitscharen,  S.  219. 


XU 


Seite 


Inhalt. 

Ausgaben  im  Serail,  S.  220.  Allgemeine  Kriegspflicht,  S.  220.  Raub- 
züge der  Akindschis,  S.  222.  Charakter  eines  persönlichen  Kriegszugs 
des  Sultans,  S.  225.  Anzahl  und  Bewaffnung  der  Truppen,  S.  225. 
Kaiserliches  Lager,  S.  226.  Osmanische  Artillerie,  S.  227.  Tech- 
nische Kriegskunst  der  Türken,  S.  228.  Bedingungen  für  einen  Sturm, 
S.  229.     Die  osmanische  Flotte,  S.   229. 

Zweites  Buch.  Festsetzung'  der  endgültigen  Grenzen  des 
osmanischen  Kaiserreiches  von  Bajesid  II.  bis  unter 
Soliman  II 231 

Erstes  Kapitel:   Periode  der  Ruhe  nacli  den  Stürmen  der  Eroberung. 
Bajesid  II.      Seine  Einsetzung.     Kampf  mit  seinem  Bruder  Dschem 

und  dessen   Schicksal 233 

Die  Söhne  Mohammeds  II.,  S.  233.  Dschem  Sultan,  S.  233.  Bajesid 
Sultan,  S.  234.  Anhang  der  beiden  Thronfolger,  S.  234.  Bedingungen 
eines  Sultanwechsels,  S.  234.  Wirren  in  der  Hauptstadt,  S.  235. 
Eintritt  Pajesids  II.  in  Konstantinopel,  S.  236.  Aufbrucli  nach  Asien 
und  Krieg  mit  Dschem,  S.  237.  Flucht  Dschems  nach  Rhodos, 
S.  237.  Schicksale  desselben  im  fränkischen  Westen,  S.  238.  Ver- 
schwörung zugunsten  Dschems,  S.  240.  Dschem  in  Rom,  S.  241. 
Tod   Dschems,   S.   242. 

Zweites    Kapitel:    Reichspolilik    unter    Bajesid  II.      Asiatische   Ver- 
hältnisse        243 

Friedliche  Politik  des  neuen  Sultans,  S.  243.  Beziehungen  zum  Sou- 
dan,  S.  244.  Krieg  zwischen  osmanischen  und  mamelukischen  Kräften 
in  der  Gegend  des  Taurus,  S.  244.  Angriff  der  Mameluken  und 
Syrier  im  Jahre  i486,  S.  245.  Niederlage  Achmed  Chersekoglis  (Her- 
sekoglis),  S.  246.  Dritter  osmanischer  Feldzug  an  der  syrischen 
Grenze,  S.  246.  Feldzug  vom  Jahre  1488,  S.  246.  Beziehungen  des 
Soudans  zu  den  christlichen  Mächten  des  Westens,  S.  248.  Einsetzung 
der  Söhne  Bajesids  als  Verwalter  der  asiatischen  Provinzen,  S.  249. 
Kriegsbegebenheiten  in  Kleinasien,  1499  bis  1501,  S.  249.  Religiöse 
Bewegung  unter  den  anatolischen  Bauern,  S.  249.  Bauernkrieg  gegen 
das  Reicli ;  Tod  Ali-Paschas,  S.  250.  Beruhigung  Kleinasiens,  S.  25  i. 
Revolte  Ismails,  S.  251.  Siege  desselben  und  Gründung  des  sofia- 
nischen  Reiches,  S.  253.  Kämpfe  zwischen  Ismail  und  dem  Turkmenen- 
kaiser Scheibani,  S.  254.  Besetzung  Bagdads,  S.  254.  Erste  Einfälle 
der  Schiiten  in  das  Einflufsgebiet  des  osmanischen  Reichs,  S.  255. 

Drittes  Kapitel:  Bajesids  II.  Reichspolitik  an  der  Donau      .     ,     .     257 

Angriff  des  moldauischen  Fürsten  Stephan  gegen  die  Walachei,  S.  257. 
Einsetzung  Vlads  des  Mönches,  S.  258.  Nürnberger  Tag  und  die  tür- 
kische Frage,  S.  258.  Zug  Kinizsys  nach  Serbien,  S.  259.  Zug 
der  Türken  bis  Temesvär,  S.  260.  Plünderungen  der  Türken  im 
Gebiet  des  Kaisers,  S.  260.  Aufenthalt  des  Sultans  in  Sofia,  S.  261. 
Waffenstillstand  mit  Ungarn,  S.  262.  Weitere  Beziehungen  zwischen 
Ungarn  und  Türken,  S.  262.  Kreuzzugsversammlung  in  Rom,  S.  263. 
Tod  König  Matthias',  S.  263.  Angriffe  der  Türken  auf  Temesvär, 
Schabatz  und  Severin,  S.  264.  Einfall  der  Akindschis  in  Kroatien, 
S.  264.  Neuer  Angriff  auf  Severin,  S.  265.  Niederlage  des  kroati- 
schen Bans  Emerich,  S.  265.  Türkischer  Plünderungszug  in  Sieben- 
bürgen, S.  266.     Ritt  Kinizsys  nach  Serbien,  S.  267.     Belgrader  Ver- 


Inhalt.  XIII 

Seite 
schwörung,  S.  267.  Raubzug  über  die  Save,  S.  267.  Neuer  Waffen- 
stillstand mit  Ungarn,  S.  267.  Türkische  Gesandtschaft  an  den 
Kaiser,  S.  268.  Einnahme  Chilias  und  Moncastros  (Cetatea  -  Alba), 
S.  268.  Huldigung  des  moldauischen  Fürsten  Stephan  an  den  pol- 
nischen König,  S.  270.  Zerstörung  der  moldauischen  Hauptstadt  Suceava 
durch  die  Türken,  S.  270.  Sieg  Stephans  bei  Cätläbuga  und  Scheia, 
S.  270.  Kämpfe  des  polnischen  Thronfolgers  mit  den  Tataren,  S.  271. 
Waffenstillstand  Polens  mit  der  Pforte,  S.  271.  Erneuerung  des- 
selben, S.  272.  Zug  König  Johann  Albreclits  gegen  die  Moldau, 
S.  272.  Ritt  der  Donautürken  bis  Lemberg,  S.  273.  Weitere  tür- 
kische und  tatarische  Plünderungen  in  Polen,  S.  274.  Friedensschlufs 
mit  der  Moldau,  S.  274.  Fürst  Steplian  als  Vasall  der  Türken, 
S.   274.     Tod   desselben,   S.    275. 

Viertes    Kapitel:    Die  Türken    in  Albanien,    den    umliegenden   sla- 
wischen Ländern    und   in   Morea  unter  Sultan  Bajesid  II.      .      .      .      276 

Wiedereroberung  Otrantos  durch  die  Christen,  S.  276.  Türkische 
Einnahme  Novis,  S.  277.  Ragusa  und  das  Reich,  S.  277.  Bedeu- 
tung des  neuen  Kriegshafens  in  Avlona,  S.  278.  Albanesische  Un- 
ruhen, S.  278.  Venezianische  Stellung  und  Politik  in  Albanien, 
S.  2S0.  Beziehungen  des  neapolitanischen  Königs  zu  den  Albanesen, 
S.  2S0.  Waffentaten  des  Albanesenführers  Klada,  S.  281.  Raubzüge 
der  Türken  an  der  italienischen  Küste,  S.  282.  Kämpfe  der  Türken 
mit  Johann  Tschrnojewitsch,  S.  283.  Zug  des  Sultans  bis  Monastir, 
S.  283.  Einnahme  der  Festungen  Chimära  und  Sopoto ,  S.  2S4. 
Französische  Pläne  eines  neuen  lateinisclien  Kaiserreichs  Konstanti- 
nopel, S.  284.  Bewegungen  der  Albanesen  während  des  türkisch- 
venezianischen Kriegs,  S.  285.  Festsetzung  der  Venezianer  in  Zante, 
S.  287.  Die  Stratioten  im  Dienste  Venedigs,  S.  287.  Nachbar- 
schaftsverhältnisse zwischen  Türken  und  Venezianern  in  Morea,  S.  288. 
Venezianische  Besitzungen  auf  der  Halbinsel,  S.  289.  Vorwände  für 
den  neuen  türkisch-venezianischen  Krieg,  S.  290.  Schlacht  bei  Na- 
varino,  S.  291.  Kapitulation  Lepantos,  S.  292.  Ankunft  des  neuen 
venezianischen  Befehlshabers  Trevisano ;  Belagerung  des  Schlosses 
Kephallenia,  S.  293.  Bewegungen  der  türkischen  Truppen  in  Morea, 
S.  294.  Belagerung  Modons,  S.  294.  Fall  der  Stadt,  S.  296.  Ka- 
pitulation Korons ,  S.  296.  Erfolgreiche  Verteidigung  Nauplions, 
S.  297.  Ankunft  Gonzalvo  de  Cordovas  mit  den  spanischen  Schiffen; 
Einnahme  Kephallenias,  S.  297.  Venezianisch-ungarische  Liga  gegen 
die  Türken;  türkischer  Angriff  gegen  Jaice,  S.  298.  Kharaaleddins 
Flotte  in  den  venezianischen  Gewässern,  S.  298.  Französisciie  Schiffe 
segeln  bis  Clüos,  S.  299.  Friedensschlufs  zwischen  Venedig  und  den 
Osmanen,  S.  299. 

Fünftes   Kapitel:    Hof  und   Heer  Sultan  Bajesids.     Seine  Ersetzung 

durch  seinen   aufständischen   Sohn   Selim   und   sein  Tod    ....      300 

Zeremonien  für  die  Ankunft  und  die  Audienz  eines  venezianischen 
Gesandten,  S.  300.  Die  Grofswesire  Sultan  Bajesids,  S.  300.  Die 
anderen  Wesire,  S.  302.  Vorsorge  Bajesids  II.  für  seine  Hauptstadt 
Konstantinopel,  S.  303.  Einkom.men  des  Reiches  unter  Bajesid,  S.  304. 
Unzufriedenheit  der  Janitscharen  mit  der  friedlichen  Regierung  des 
Sultans,  S.  306.  Janitscharenaufstand  im  Jahre  1484,  S.  306.  Die 
Günstlinge  des  Sultans,  S.  307.  Bestechlichkeit  und  Korruption  der- 
selben, S.  308.  Die  Söhne  Bajesids,  S.  308.  Korkud  und  Selim, 
S.   309.     Selim    bei    den   Krimtataren    und    Einfall    desselben    in  Ru- 


■Xiy  Inhalt. 

Seite 
melien,  S.  310.  Schlacht  von  Sirtköi,  S.  311.  Krieg  zwischen  dem 
Sultansohne  Achmed  und  seinem  Neffen  Mohammed,  S.  31 1.  An- 
kunft Achmeds  und  seines  Bruders  Korkud  in  Konstantinopel,  S.  312. 
Zweiter  Besuch  Selims  in  Rumelien  und  Absetzung  seines  Vaters, 
S.  313.  Tod  des  enttlironten  Selim.  S.  314.  Kampf  Selims  mit 
Achmed  für  den  osmanischen  Thron,  S.  314.  Ermordung  aller  Brü- 
der und  Neffen  des  neuen  Sultans,  S.  315. 

Sechstes  Kapitel:  Sultan  Selims  Politik  in  Europa 316 

Strenge  des  Sultans  gegen  Beamte  und  Soldaten,  S.  316.  Neigungen 
Selims  zum  Kriege,  S.  317.  Furcht  der  Könige  von  Ungarn  und 
Polen  vor  seinen  Plänen,  S.  317.  Verteidigungsmafsregeln  derselben, 
S.  317.  Tatarenzüge  gegen  Polen  und  Aloldau,  S.  31S.  Walachische 
Zustände  bis  zur  Einsetzung  des  Fürsten  Neagoe,  S.  319.  Bosnische 
Akindschis  gegen  die  ungarischen  Schlösser,  S.  320.  Andere  Unter- 
nehmungen der  Türken  an  der  ungarischen  Grenze,  S.  320.  Frie- 
densverhandlungen zwischen  Ungarn  und  den  Türken,  S.  320.  Tür- 
kischer Einfall  in  Kroatien,  S.  322.  Sieg  des  neuen  moldauischen 
Fürsten  Stephan  gegen  die  Tataren,  S.  322.  Frieden  des  Sultans 
mit  Ungarn  und  Polen,  S.  323.  Neigungen  der  Venezianer  zum  Frie- 
den, S.  323.  Erneuerung  der  türkisch  -  venezianischen  Friedensakten, 
S.  323.  V'orschlag  seitens  der  Türken  wegen  eines  venezianischen 
Angritjfs  gegen  das  Königreich  Neapel,  S.  324.  Kreuzzugspläne  des 
Papstes,  des  römischen  und  des   französischen  Königs,   S.   325. 

Siebentes  Kapitel:    Eroberungen  Selims  in  Asien:    Sieg  über  den 

Schach  und   den   Soudan.     Besetzung  Syriens  und  Ägyptens      .      .      327 

Beweggründe  für  den  Krieg  gegen  Persien,  S.  327.  Feindseliges  Be- 
tragen Scliach  Ismails  gegen  Selim,  S.  329.  Persischer  Einfall  in 
Kleinasien,  S.  329.  Schlacht  von  Tschaldiran,  S.  331.  Sciiwieriger 
Rückzug  des  Sultans,  S.  332.  Zweiter  Zug  Selims  nach  Kleinasien: 
Ordnung  der  Zustände  im  Lande  Sulkadr,  S.  333.  Versuche  Schach 
Ismails,  eine  Liga  gegen  Selim  zu  bilden,  S.  333.  Kämpfe  zwischen 
Türken  und  Persern  bei  Diarbekr,  S.  334.  Friedliche  Beziehungen 
Selims  zum  ägyptischen  Soudan,  S.  334.  Unerwarteter  Aufbruch 
Selims  gegen  Syrien,  S.  335.  Schlacht  am  „  Grabe  Davids  ",  S.  336. 
Unterwerfung  der  Städte  Alep,  Damaskus  und  Jerusalem,  S.  337. 
Schlacht  bei  Gaza,  S.  337.  Schlacht  bei  Kairo,  S.  337.  Eroberung 
der  ägyptischen  Hauptstadt,  S.  339.  Gefangennahme  des  Soudans, 
S.  339.  Ankunft  einer  osmanischen  Flotte  in  dem  Hafen  von 
Alexandrien ,  S.  339.  Anerkennung  des  neuen  osmanischen  Kalifs 
durch  den  Scherif  von  Mekka,  S.  340.  Junus-beg  Pascha  von 
Ägypten,  S.  340.  Rückkehr  Sultan  Selims,  S.  340.  Ägyptische  Re- 
volte, S.  340.     Tod  Sultan  Selims,  S.  341. 


Achtes    Kapitel:    Sultan    Solimans  II.    Jugend.       Seine  Wesire    und 
Günstlinge.     Asiatische  Kriege 

Charakteristik  Sultan  Solimans,  S.  342.  Seine  „Frau",  die  Russin 
S.  344.  Begriff  der  kaiserlichen  Macht ,  S.  346.  Der  Grofswesir 
Ibrahim,  S.  347.  Tod  Ibrahims,  S.  349.  Wesir  Mustafa,  S.  349 
Wesir  Piri,  S.  350.  Beweggrund  Solimans  zum  Kriege,  S.  350.  Be 
handlung  der  Janitscharen  durch  den  neuen  Sultan,  S.  351.  Die 
Elitetruppen  unter  Soliman ,  S.  351.  Die  übrigen  Krieger,  S.  352 
Kriegsführung  der  Osmanen  in  den  ersten  Regierungsjahren  Solimans 
S.   352.     Verstärkung  der  osmanischen  Seemacht,  S.   353.     Einkünfte 


342 


Inhalt.  XV 

Seite 
des  Reiches,  S.  354.  Osmanische  Münzen,  S.  355.  Zustände  in  den 
asiatischen  Provinzen,  S.  356.  Ägyptische  Revolte  Al-Ghazalis,  S.  357. 
Hinrichtung  Schachsuwars,  S.  357.  Tod  des  Wesirs  Ferhad,  S.  358. 
Verlängerung  des  Friedens  mit  Persien,  S.  358.  Neue  Verwalter 
Ägyptens,  S.  358.  Revolte  des  Wesirs  Achmed  in  Ägypten,  S.  359. 
Verwaltung  Ibrahim-Paschas  in  dieser  Provinz,  S.  359.  Krieg  Ibra- 
hims gegen  die  aufrührerischen  Kalenders,  S.  361.  Der  neue  Schach 
Thamasp,  S.  361.  Reformen  desselben,  S.  362.  Vorwände  zu  einem 
neuen  osmanisch -persischen  Kriege,  S.  362.  Einnahme  der  Stadt 
Tebriz,  S.  363.  Ankunft  des  Sultans  auf  dem  Kriegsschauplatze, 
S.  363.  Einzug  Solimans  in  Bagdad,  S.  364.  Verdrängung  der 
Türken  aus  Tebriz,  Wiedereroberung  der  Stadt  durch  den  Sultan  und 
endgültiger  Verlust  derselben,  S.  364.  Einmischung  Soliman-Paschas 
von  Ägypten  in  die  indischen   Wirren,   S.   365. 

Neuntes  Kapitel:  Solimans  Feldzüge  in  Europa.  Beziehungen  zu 
Venedig.  Eroberung  von  Rhodos.  Kreuzzugsgedanken  und  Kreuz- 
zugstaten.    Krieg  mit  Venedig  und   Eroberungen  im  Archipelagus      366 

Erneuerung  des  Friedens  mit  Venedig ,  S.  366.  Nachbarschaflliche 
Beziehungen  zwischen  Türken  und  Venezianern  in  Morea,  S.  367. 
In  Saloniki  und  Albanien,  S.  368.  Plan  der  Osmanen,  das  dalma- 
tinische Scardona  zu  befestigen,  S.  368.  Piratentreiben  im  Archi- 
pelagus, S.  369.  Beziehungen  der  Seeräuber  zu  dem  Herzoge  des 
Archipelagus  und  den  Johannitern,  S.  369.  Angriff  auf  Rhodos, 
S.  370.  Ankunft  des  Sultans,  S.  371.  Übergabe  der  Stadt  Rhodos, 
S.  373-  Der  Grofsmeister  in  Italien,  S.  373.  Der  erste  Sandschak 
von  Rhodos  und  seine  feindselige  Haltung  gegen  die  Venezianer, 
S.  374.  Friedliche  Gesinnung  des  Sultans,  S.  375.  Einnahme  Korons 
durch  Andrea  Doria,  S.  376.  Tätigkeit  Khaireddin  Barbarossas, 
S.  377.  Zug  Kaiser  Karls  gegen  Tunis,  S.  378.  Zerwürfnis  der 
Venezianer  mit  den  Osmanen,  S.  379.  Landung  Khaireddins  auf  der 
adriatischen  Küste  Italiens,  S.  379.  Solimans  Ankunft  in  Avlona, 
S.  380.  Neue  Zusammenstöfse  zwischen  Venezianern  und  Osmanen 
auf  dem  Meere,  S.  380.  Türkischer  Angriff  auf  Korfu,  S.  381.  Er- 
oberung Klissas  und  Plünderungen  in  Morea;  türkische  Schiffe  neh- 
men die  Inseln  des  Archipelagus  ein,  S.  381.  Venezianische  Er- 
oberungen in  Dalmatien,  S.  382.  Christliche  Liga  gegen  die  Os- 
manen ,  S.  382.  Untreue  Haltung  des  spanischen  Admirals  Doria. 
S.  383.  Einnahme  Castelnuovos  und  Risanos  durch  die  Christen, 
S.  3S3.  Rachezug  Khaireddins  im  Archipelagus,  S.  383.  Unter- 
nehmungen der  türkischen  Seeräuber ;  dalmatinische  Zustände,  S.  385. 
Waffenstillstand  und  endgültiger  Frieden  zwischen  Venedig  und  dem 
Sultan,   S.   383. 

Zehntes  Kapitel:  Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch  Soli- 

man   IL     Unterwerfung  der   Moldau 385 

Türkische  Angriffe  im  ungarischen  Bosnien,  S.  385.  Allgemeine  Furcht 
wegen  eines  Zugs  des  Sultans  gegen  Ungarn,  S.  386.  Rumänische 
Berichte  darüber,  S.  386.  Einnahme  der  Festen  Schabatz  und  Semlin 
durch  die  Türken,  S.  387.  Eroberung  Belgrads,  S.  388.  Tod  des 
walachischen  Fürsten  Neagoe  und  Kämpfe  seines  Nachfolgers  Radu 
de  la  Afuma^I  gegen  die  Donaubegs,  S.  390.  Haltung  des  mol- 
dauischen Fürsten  Stephan  des  jungen ,  S.  392.  Verteidigungsmafs- 
regeln  in  Kroatien  und  Dalmatien  usw.,    S.   393.     Türkischer  Angriff 


XVI  Inhalt. 

Seite 
auf  Severin;  Reichstag  zu  Ofen,  S.  393.  Einnahme  Severins  und 
Orsovas,  S.  394.  Osmanischer  Versuch  gegen  Jaice,  S.  394.  Vor- 
bereitungen Solimans  für  die  Eroberung  Ungarns.  S.  395  •  Ungarische 
Verteidigungsmafsregeln,  S.  395-  Schwäche  des  Königs  Ludwig  II., 
S.  396.  Aufbruch  des  Sultans,  S.  397.  Einnahme  Peterwardeins 
und  Ujlaks,  S.  398.  Zusammensetzung  des  ungarischen  Heeres, 
S.  398.  Schlacht  bei  Mohacs,  S.  399.  Die  letzte  Heeresmacht  Un- 
garns, S.  402.  Einzug  Solimans  in  Ofen,  S.  402.  Rückzug  des 
osmanischen  Heeres,  S.  403.  Erwählung  der  neuen  Könige  von  Un- 
garn,  S.  404.  Kämpfe  König  Johann  Zäpolyas  gegen  den  „Tzar 
Iwan",  S.  405.  Einnahme  Jaices  und  Banjalukas  durch  die  Türken, 
S.  405.  Gesandtschaft  Hieronymus  Laskis  an  den  Sultan ,  S.  406. 
Gesandtschaft  seitens  König  Ferdinands  an  denselben,  S.  406.  Ru- 
mänische Zustände,  S.  407.  Sieg  des  moldauischen  Fürsten  Peter 
Rare?  bei  Földvar,  S.  408.  Aufbruch  Solimans  gegen  Ungarn, 
S.  40S.  Lager  beim  Mohacser  Schlachtfelde,  S.  408.  Einnahme 
Ofens  durch  die  Türken,  S.  409.  Einsetzung  König  Johanns,  S.  410. 
Ablehnung  der  Anerbietungen  König  F'erdinands  seitens  des  Sultans, 
S.  410.  Ritt  der  Akindschis  nach  Innerösterreich,  S.  411.  Belage- 
rung Wiens,  S.  41L.  Rückzug  des  Sultans,  S.  412.  Neue  walachische 
Thronstreitigkeiten,  S.  413.  Gesandte  König  Ferdinands  in  Konstan- 
tinopel, S.  414.  Deutscher  Angriff  auf  Ofen,  S.  414.  Neue  Gesandte 
Ferdinands  an  die  Pforte,  S.  415.  Aufbruch  Solimans  gegen  Karl  V., 
S.  415.  Plünderungen  der  Tataren  in  Ungarn,  S.  416.  Belagerung 
der  Feste  Güns,  S.  416.  Rückzug  Solimans,  S.  417.  Dritte  Gesandt- 
schaft Ferdinands  in  Konstantinopel;  Verhandlungen  Grittis  für  Zä- 
polya,  S.  418.  Mission  Grittis  in  Ungarn,  S.  419.  Sein  Betragen 
in  Siebenbürgen  und  seine  Hinrichtung,  S.  421.  Beziehungen  Zä- 
polyas zu  den  Donaubegs,  S.  422.  Kleinkrieg  an  der  slowenischen 
Grenze,  S.  423.  Befürchtungen,  dafs  ein  neuer  Zug  des  Sultans  gegen 
Ungarn  bevorstehe,  S.  423.  Aufbruch  Solimans,  S.  424.  Eintritt  in 
die  Moldau  und  Flucht  Peter  Rare§,  S.  425.  Einsetzung  eines  neuen 
Fürsten  und  Rückzug  des  Sultans,  S.  425. 

Elftes   Kapitel:   Osraanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen 

Soliman  II 427 

Volksleben  im  osmanischen  Reiche,  S.  427.  Bäder,  S.  428.  Trink- 
buden, S.  428.  Karawanseraien,  S.  429.  Spiele:  das  Dscherid, 
S.  429.  Musik  und  Blumen,  S.  429.  Die  Handwerker  und  ihre 
Festlichkeiten ,  S.  429.  Die  Pechlivans  und  ihre  Possen ,  S.  429. 
Die  Dschemalis  und  ihre  Lieder,  S.  430.  Die  Derwische,  S.  430. 
Die  Turlaks,  S.  431.  Die  Kalenders,  S.  431.  Die  Emire,  S.  431. 
Religiöse  Festlichkeiten,  S.  432.  Beleuchtungen,  S.  432.  Stadt- 
polizei, S.  432.  Verproviantierung  Konstantinopels;  die  Kasapen, 
die  Mortesips,  S.  433.  Justizwesen :  Kadis  und  Kadiliskers,  S.  433. 
Eingaben  an  den  Sultan,  S.  434.  Imarets  und  Schulen,  S.  434. 
Heiraten  nach  dem  Koran ,  S.  434.  Allgemeine  Ehrlichkeit  im  tür- 
kischen Volke,  S.  434.  Bestattung  der  Toten,  Almosen,  Aberglauben, 
S-  435.  Stellung  der  Juden  im  Reiche,  S.  435.  Stellung  der  Fran- 
ken, S.  436.  Stellung  der  Griechen,  S.  437.  Der  griechische  Pa- 
triarch und  die  weltliche  Macht,  S.  437.  Zugang  für  jeden  fähigen 
Mann  zu  den  Jiöchsten  Würden  des  Reiches;  einfache  Psychologie 
der  Reichsgrofsen ,  S.  438.  Bestechlichkeit  der  osmanischen  Wür- 
denträger, S.  439.     Gebrauch  des  Reichtums:    der  Luxus  in  der  Be- 


Inhalt.  XVII 

Seite 
kleidung,  S.  439.  Geputzte  Spahioglane ,  S.  44.0.  Kostbare  Gürtel 
und  Turbane,  S.  441.  Frauenkleidung.  S.  441.  Pracht  des  Serails, 
S.  442.  Das  „alte  Serail"  der  Frauen,  S.  442.  Das  vom  Sultan 
bewohnte  Serail,  S.  443.  Die  Schule  des  Serails,  S.  445.  Die  Be- 
amten des  Serails,  S.  445-  Die  persönlichen  Diener  des  Herrschers, 
S.  446.  Bedienung  desselben,  S.  446.  Audienz  beim  Sultan,  S.  448. 
Diwan  der  Wesire,  S.  448.  Öffentliche  kaiserliche  Audienzen,  S.  449. 
Empfang  eines  fremden  Gesandten ,  S.  450.  Besuch  der  Moschee 
durch  den  Sultan,  S.  451.  Begräbnis  eines  Mitgliedes  des  Hauses 
Osman,  S.  451.     Kriegszug  des  Sultans,  S.  452. 


Berichtigungen. 

S.  95,  Z.   lo  von  unten:  Correggios,  statt  Carreggios. 

S.   130,  Z.   I   von  oben:  von  Lesbos,  statt  bei  Lesbos. 

S.   141,  Z.  8  von  unten:  Tschernojewitsch,  statt  Tscherwojewitsch. 

S.   173,  Z.  3  von  oben:  Racovä^;,  statt  Racova. 

S.   208,  Z.   13  von  oben:  Gläubigen,  statt  Gläubiger. 

S.  253,  Z.   II   von  unten:  sofianische,  statt  suf hianische. 

S.  262,  Z.  8  von  unten:  Johannes  des  Eleemosinaren,  statt  Johannes  des 
Täufers. 

S.   286,  Anm.  4,  Z.   2  von  oben:  S^'^,  statt  S^ia. 

S.  287,  Z.  13  von  oben:  die  Beziehungen  in  der  Halbinsel  Morea,  statt  die 
Beziehungen. 

S.   329 — 336  überall:  Ismail,  statt  Ismael. 

S.  336,  Z.   12  von  unten:  Tschaldiran,  statt  Tschaldinan. 

Bei  den  Namen  raufs  durchweg:  Vladislav  (rumänischer  Fiirstl ,  Wladislaw 
(serbische  Dynasten),  Achmed,  Herseskogli,  Ismail,  Gedük,  berichtigt  werden. 


Erstes  Buch. 

Bildung  des  osmanischen  Kaiserreichs 
durch  Mohammed  IL 


Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II. 


Erstes  Kapitel. 
Eroberung  Konstantinopels. 


Mohammed  IL  war  gewifs  eine  aufserordentliche,  wenn  nicht 
wirklich  geniale  Persönlichkeit:  allein  seinen  seltenen  Eigen- 
schaften ist  das  neue  Werk  der  gigantischen  und  glänzenden 
Eroberung  zuzuschreiben,  und  nur  ihm  gebührt  das  Verdienst, 
die  imposanten  Kräfte  des  Reichs  für  höhere  politische  Zwecke 
verwandt  zu  haben. 

Schon  zu  Anfang  seiner  Regierung,  als  der  junge  aus  dem 
asiatischen  Verbannungsorte  Amasia  zurückgekehrte  Tschelebi 
kaum  einundzwanzig  Jahre  zählte,  sprach  man  unter  den  Lateinern 
des  Ostens,  die  bald  auch  den  Abendländern  die  Nachricht  über- 
mittelten ,  von  der  Mäfsigung  des  neuen  türkischen  Herrschers, 
der  sowohl  das  tierische  Essen,  den  übermäfsigen  Weingenufs,  den 
weichlichen  Schlaf,  Dinge,  denen  einige  seiner  Vorfahren  gefrönt 
hatten,  als  auch  die  noch  von  seinem  Vater  nicht  verschmähten 
Ergötzungen  des  Harems  und  die  bei  den  morgenländischen 
Grofsen  in  Ehre  gehaltene  Falken-  und  sonstige  Jagd  vernach- 
lässigte; nicht  einmal  an  dem  wollüstigen  Tanze  der  Juden  und 
Jüdinnen,  an  den  nasalen  Weisen  der  türkischen  Hofmusiker,  an 
den  derben,  oft  sehr  bissigen  und  dreisten  Späfsen  des  Haus- 
zwerges, des  Karagöz,  fand  er,  der  Sitte  zuwider.  Gefallen.  Aus 
seinem  energischen  Gesicht  mit  den  feingebogenen  Brauen,  der 
mächtigen  Adlernase,  dem  stark  vorspringenden  Kinne,  leuchtete 
ein  Paar  melancholischer  Augen  als  Ausdruck  der  tiefen  Ge- 
danken, in  die  er  versunken  war.  Dennoch  aber  war  er  keines- 
wegs ein  Träumer  oder  Phantast,  sei  es  auch  vom  Schlage  eines 
Karl  XII.  oder  von  der  übermenschlichen  Gröfse  eines  Napoleon. 

1* 


4  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Zwar  hatte  auch  der  OsmanenspröfsUng'  eine  ehrgeizige  Seele, 
die  er  durch  Lesen  der  ins  Arabische  übersetzten  Volksbücher 
von  Alexander  dem  Grofsen  oder  Julius  Cäsar,  dem  ersten  Kaiser 
in  Rum,  nährte  und  beflügelte  ^) ;  aber  sein  Verstand  blieb  immer 
scharf  und  ruhig ;  er  trachtete  nicht  nach  dem  Ruhm ,  alles  zu 
zerstören  und  riesige  Ruinen  als  Spuren  eines  Dämons  zu  hinter- 
lassen, vielmehr  wollte  er  systematisch  aufbauen  und  für  alle 
Zeiten  schaffen.  Ein  eiserner  Körper,  schlank  aber  ausdauernd, 
half  ihm  jede  Gefahr  und  Müdigkeit  und  Härte  des  Klimas  in 
den  sonnenverbrannten  Tälern  des  Südens  wie  in  den  undurch- 
dringlichen Wäldern  der  nördlichen  Berge  überwinden.  Für  ein 
wahrhaft  kaiserliches  Werk,  das  einen  grofsen  Plan,  emsige  täg- 
liche Tätigkeit,  selbstsichere  Ruhe  in  den  entscheidenden  Augen- 
blicken, sparsames  Ausnutzen  menschlicher  Kraft,  Schonung 
menschlichen  Blutes  und  Streben  nach  einer  harmonischen  Staats- 
bildung in  neuen  Formen  verlangte,  war  er  wie  geschaffen  ^). 

Gleich  in  den  ersten  Tagen  trat  er  als  Herr  hervor.  Zu- 
nächst schaffte  er  Ordnung  in  seiner  unmittelbaren  Umgebung. 
Des  glänzenden  höfischen  Lebens,  wie  es  die  hochgeborenen 
christlichen  und  mosleminischen  Prinzessinnen,  die  Gemahlinnen 
des  bis  zuletzt  den  Freuden  des  Lebens  zugetan  gebliebenen 
gutherzigen  Vaters  noch  bezeugten,  war  er  seit  langem  satt. 
Eine  der  Sultanswitwen,   die  Tochter  Isfendiars,  wurde  genötigt, 

1)  Vgl.  auch  die  Chronik  von  Zorzo  Dolfin,  Ausg.  Thomas. 

2)  Vgl.  über  ihn  die  Urteile  in  „Notes  et  extraits"  I-,  S.  274,  317 — 318:  das 
1453  von  dem  kundigen  Levantiner  Niccolo  Sagundino  entworfene  Bild, 
die  Lebensbeschreibung  von  Kritobulos  in  Müller,  Fragm.  hist.  graec,  letzter 
Faszikel,  auch  in  der  nicht  im  Handel  befindlichen  Sammlung  Dethier  und 
Hopf  für  die  ungarische  Akademie  vorbereitet,  Bd.  I.  Ebenda,  Bd.  III,  die  dem 
Sagundino  entlehnte  Charakterisierung  durch  den  Genuesen  A'dam  di  Montaldo, 
in  der  Mohammed  als  Wüstling  und  Trunkenbold  hingestellt  wird.  Der  Humanist 
Philelphus,  der  gute  Quellen  hatte,  stimmt  in  seinem  Epos  „Amyris"  mit 
Sagundino  überein.  Aber  in  dem  von  145 1  datierten  Schreiben  an  König  Karl  VII. 
von  Frankreich  spricht  er  mit  der  gröfsten  Verachtung  von  dem  unerfahrenen  und 
ungelehrten  Jüngling,  der  ,,totus  est  in  potu,  totus  in  venere".  Dethier-Hopf 
III,  S.  538.  Ernster  äufsert  sich  der  Venezianer  Giacomo  Langusto  in  der 
Chronik  des  Zorzo  Dolfin,  Ausg.  Thoraas.  Der  berühmte  Cyriacus  Anconitanus 
soll  sein  Lehrer  gewesen  sein. 


Eroberung  Konstantinopels.  5 

img"esäumt  Isakbeg  zu  heiraten,  den  er  in  der  ehrenvollen  Stel- 
lung eines  Beglerbegs  nach  Asien  entsandte;  ihren  acht  Monate 
alten  Sohn  Ahmed  liefs  er  ins  Wasser  werfen ,  und  der  Voll- 
strecker dieser  harten  Mafsregel,  Ewrenos'  Sohn  Ali,  war  nach 
einigen  Tagen  selbst  nicht  mehr  am  Leben  ^).  Die  serbische 
Despotentochter  Mara,  die  den  konstantinopolitanischen  Kaiser 
zu  heiraten  gedacht  hatte ,  wurde  mit  einem  anständigen  Leib- 
gedinge von  vielen  Dörfern  im  Gebiete  des  kaiserlichen  Serbiens 
ausgestattet  und  in  kaiserlichem  Triumphzuge  zu  ihrem  alten  er- 
fahrenen Vater  zurückgeschickt.  Die  Mutter  Mohammeds,  eine 
unbekannte  Sklavin  ^),  der  er  vielleicht  die  starke  Prägung  seiner 
Seele  verdankte,  war  bereits  tot.  Das  einzige  Mitglied  der  os- 
manischen  Dynastie,  welches  aufser  ihm  lebte,  der  junge  Urkhan, 
weilte  eingeschlossen  in  den  Mauern  Konstantinopels,  und  Mo- 
hammed beeilte  sich ,  dem  hinsterbenden  Schattenkaiser  dort 
jährlich  300000  Aspern,  die  er  aus  den  Einkünften  der  Städte 
am  Strymonfiusse  zu  erheben  hatte,  für  die  gute  Bewachung  des 
Staatsgefangenen  zu  versprechen.  Übrigens  brauchte  der  Sultan 
sich  vor  einem  solchen  schon  gräzisierten,  von  allen  vergessenen 
Jüngling  nicht  allzusehr  zu  fürchten.  Hofgünstlinge  duldete 
Mohammed  nicht;  Sarudsche  und  dem  ,,Illyrier",  d.  h.  Albanesen 
Saganos  ^)  liefs  er  ihre  unter  Murad  erworbenen  Würden ;  den 
um  sein  Schicksal  besorgten  alten  Khalil,  der  in  den  letzten 
Jahren  des  alten  Herrschers  alles  in  Händen  gehabt  hatte  —  zählte 
er  doch  in  seiner  Familie  sieben  Vorfahren ,  die  für  das  Glück 
und  die  Gröfse  des  Reiches  gekämpft  hatten^)  — ,  nannte  er 
ehrerbietig  seinen  ,, Vater",  seinen  ,,Lala".  Aber  er  ging  mit 
dem  Plane  um ,  alle  diese  Greise  als  die  Vertreter  einer  reser- 
vierten und  jetzt  überlebten  Politik  des  allzu  vielen  diplomatischen 
Unterhandelns  zu  entfernen  und  einen  kühneren,  rücksichtsloseren 
„neuen  Kurs"  mit  ganzen  Leuten  seines  Schlages  zu  eröffnen  ^). 


i)  Philelphus,    De    imbecillitate    et  ignavia  Turchorum ,  Cod.  monac.  lat. 

5333,  fol-   193  v°. 

2)  Dukas  S.   230.  3)  Pusculus,  in  Dethier-Hopf  III,  S.   171. 

4)  Philelphus  a.  a.   O.  fol.   190. 

5)  Vgl.    Chalkokondylas    S.    375ff.;    Dukas    S.    23iff.;    Phrantzes 
S.   233  ff.     S.   auch  „Notes  et  extraits"  II,  S.  449,  455. 


C  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Selbstverständlich  besuchten  beim  Anbruch  des  Frühlings 
145 1  die  Vertreter  aller  seiner  Vasallen ,  später  auch  die  seiner 
unabhängig-en  Nachbarn,  Mohammed  in  Adrianopel ,  und  in  der 
Khasna  häuften  sich  kostbare  Gaben  in  reicher  Mannigfaltigkeit. 
Nur  der  karamanische  Gesandte  fehlte:  sein  Herr,  obgleich  mit 
dem  Projekte  der  Eroberung  Cyperns  beschäftigt,  wollte  noch 
einmal  die  Frage  an  das  Schicksal  stellen ,  ob  er  seine  Länder 
nicht  doch  als  selbständiger  Fürst  des  ,,ewig  dauernden"  Kara- 
maniens  zu  behaupten  vermöge.  So  sollte  ihm  denn  auch  die 
Ehre  des  ersten  kriegerischen  Unternehmens  Mohammeds  gelten. 

Der  Feldzug  ging  rasch  vonstatten.  In  den  ersten  Tagen 
des  Frühlings  siedelte  Mohammed  nach  Asien  über,  Sarudsche 
blieb  als  sein  Stellvertreter  in  Europa  zurück.  Ibrahimbeg  wagte 
nicht,  das  von  ihm  zurückgewonnene  Gebiet  zu  verteidigen, 
sondern  suchte  wiederum  eine  sichere  Zuflucht  im  Gebirge. 
Mohammed,  der  von  Brussa  und  Kiutayeh  bis  nach  Karahissar 
und  Akschehr  gelangt  war,  geruhte,  ihm  Verzeihung  zu  gewähren, 
aber  nicht,  ohne  die  Gelegenheit  zu  benutzen,  die  endgültige  Zession 
des  wichtigen  Hafens  Candelore  zu  erzwingen  ^).  Auch  in  Mente- 
sche  wurde  die  Ordnung  unverzüglich  wiederhergestellt.  Um  jeden 
weiteren  Versuch  einer  Rebellion  unmöglich  zu  machen,  verfügte 
Mohammed,  dafs  der  neue  Beglerbeg  Isak  nicht  mehr  im  ent- 
fernten Angora,  sondern  in  der  ehemalig  kermianischen  Residenz 
Kiutayeh  seinen  Sitz  habe  ^).  Dadurch  bekundete  er,  dafs  sein 
Interesse  vorläufig  nicht  bis  in  das  entlegene  turkmenische  Ge- 
biet reiche,  wo  eben  damals  Usun-Hassan  oder  der  lange  Hassan 
als  Führer  der  Horde  des  Weifsen  Hammels  die  in  Turkestan 
siegreichen  Karakojunlu,  die  Nomaden  des  Schwarzen  Hammels, 
die  BlavQOTtQoßaravTai  unter  Dschihan  und  dessen  Sohn  Hassan 
Ali  geschlagen,  Armenien  an  sich  gebracht,  Ersindschan  besetzt 
und  überall  Butter  und  Kamele  als  Tribut  verlangt  hatte.  Gleich- 
zeitig hatte  nach  Abschlufs  der  eigentlichen  Timuridenära  auch 
der  Samarkander  Mehmed  Dschügi,  ein  Spröfsling  Timurs,  Bagdad 

i)  Vgl.  die  kurze  Erwähnung  bei  den  türkischen  Annalisten  —  Seadeddin  II, 
S.  127!.,  Leunclavius  Sp.  573  — ,  dann  Dukas  S.  234;  Ch  alkoko  ndy  las 
S.  376. 

2)  Seadeddin  II,  S.    130. 


Eroberung  Konstantinopels.  7 

eingenommen ,    aber   auch    dafür   schien    der   neue    Sultan    kein 
Auge  zu  haben  ^). 

Schon  im  Mai  war  der  unblutige  Sieger  nach  seinem  Adria- 
nopel zurückgekehrt,  wo  er  bald  darauf  Mafsregeln  zur  Erbauung 
eines  schöneren  marmornen  Palastes  am  Tundschaflusse  traf  ^). 
Auch  dadurch  machte  er  seine  Absicht  offensichtlich,  vor  allem 
europäischer  Herrscher,  Basileus  des  westlichen  Rum  zu  sein. 

Im  übrigen  verhef  dies  erste  Jahr  der  Regierung  Mohammeds 
sehr  ruhig.  Kurdschi -Dogan- Pascha,  den  bisherigen  Aga  der 
Janitscharen ,  setzte  er  ab  und  liefs  ihn  zur  Strafe  für  die  bei 
seiner  Thronerhebung  ausgebrochene  Revolte  dieser  ausgewählten 
Truppe  ,, geliebter  Söhne"  des  Herrschers  3) ,  und  weil  er  eine 
weitere  Meuterei  der  bei  dem  karamanischen  Feldzuge  ver- 
wandten Janitscharen,  die  lärmend  ihr  donativum  verlangt  hatten, 
nicht  zu  verhindern  gewufst  *) ,  körperlich  züchtigen.  Er  wies 
den  7000  bisherigen  Falkenträgern,  den  Tschakirdschi,  sowie  den 
Hundewärtern  andere  Aufgaben  zu  und  liefs  sie  in  die  Reihen 
der  kämpfenden  Janitscharen  eintragen  ^).  Dadurch  gab  er  zu 
verstehen,  dafs  der  neue  Kaiser  nicht  wie  seine  nächsten  fried- 
lichen Vorgänger  zahlreiche  Aufwärter  bei  der  Jagd  um  sich 
wünsche;  vielmehr  sollte  der  ganze  Hof  Waffen  tragen  und 
gebrauchen,  und  zwar  mufste  nun  ein  jeder  dieser  Adoptivsöhne 
des  Sultans,  die  aus  der  Mitte  der  christlichen  Bevölkerungen 
genommen  waren,  vom  21.  bis  zum  35.  Lebensjahre  als  Fufs- 
soldat  kämpfen,  um  dann  bis  zum  45.  Reiterdienste  zu  verrichten. 
Infolge  dieser  allgemeinen  militärischen  Organisation  der  Sklaven 
seines  Hofes  konnte  Mohammed  über  12000  Infanteristen  und 
8000  Reiter  neben  den  vielen  Tausenden  von  Spahis  '')  und  den 
Söhnen  der  mächtigeren  Familien  '')  verfügen.     Zugleich  wurden 

i)  Chalkokondylas  S.  379.     Vgl.  Vämbery  II,  S.   I3ff. 

2)  Kritobulos  (Ausg.  Dethier-Hopf)  S.  36fif. ;  Serb.  Janitschare  Kap.  xxn; 
türkische   Chroniken. 

3)  Chalkokondylas  S.  375—376,  378. 

4)  Seadeddin  II,  S.  129— 139;  Chalkokondylas  S.  377— 378.        5)  Ebenda. 

6)  Nach  Sagundino  80000,  nebst  40000  Mann  Reserve  :  „ Notes  et  extraits  " 
I-,  S.   322. 

7)  Derselbe  zählt  deren  sogar  10 000  auf:  ebenda,  S.  323. 


8  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

die  Rechnungen  der  letzten  Zeit  sorg-fältig-  revidiert,  und  rasch 
kam  aus  den  eing-ezogenen  Geldern  ein  grofser  Krieg-sschatz 
zusammen  '). 

All  das  wurde  von  den  östlichen  und  westlichen  Christen 
keinesweg-s  mit  Furcht  oder  nur  mit  besonderem  Mifstrauen  auf- 
genommen. Im  Gegenteil  waren  die  interessierten  Nachbarn  mit 
diesem  neuen  Mohammed  durchaus  zufrieden.  Kaiser  Konstantin 
hatte  einige  Ortschaften  auf  dem  asiatischen  Ufer  und  vielleicht 
das  beim  Tode  Johanns  verlorene  Heraklea  zurückerhalten  ^). 
Der  Despot  konnte  hoffen,  dafs  das  Leibgedinge  seiner  ver- 
witweten Tochter  für  immer  mit  seinem  christlichen  Serbien  ver- 
eint bleiben  werde,  er  durfte  Srebrnica  und  später  auch  Zwornik 
wieder  mit  seinen  Staaten  verbinden  ^) ;  allgemein  sah  man  ihn 
als  einen  besonderen  und  sehr  einflufsreichen  Freund  des  Sultans 
an.  In  ähnlicher  Weise  gelang  es  ihm,  den  bosnischen  König  mit 
der  Pforte  zu  versöhnen.  Seinerseits  war  seine  alte  Feindschaft  mit 
Hunyady  dadurch  beigelegt  worden,  dafs  der  älteste  Sohn  des 
Gubernators  sich  mit  der  Tochter  der  mit  dem  Grafen  von  Zilly 
verheirateten  Schwester  Georgs  verlobte.  Durch  Vermittlung  des 
serbischen  Dynasten  wurde  auch  der  türkische  Waffenstillstand 
mit  Ungarn  am  20.  November  145 1  auf  weitere  drei  Jahre  ver- 
längert: der  Sultan  versprach,  keine  neuen  Schlösser  an  der 
Donau  anzulegen,  Vladislav  als  walachischen  Fürsten  anzuerkennen 
und  dessen  Beziehungen  zu  Ungarn  kein  Hindernis  in  den  Weg 
zu  legen;  er  liefs  zu,  dafs  der  seit  lange  zwischen  Moldauern 
und  Walachen  strittige  und  jetzt  endlich  Vladislav  gehörige 
Hafen  Chilia  an  den  Donaumündungen  auch  weiterhin  von  un- 
garischen Truppen  besetzt  gehalten  wurde,  entzog  sogar  dem 
rührigen  bosnischen  Herzog  Stipan  seine  Unterstützung  und  be- 
fahl, dafs  die  145 1  nach  dem  Treffen  von  Tomba  (i.  Juli)  in 
der  Gegend  von  Konawlje  (Canale)  von  diesem  besetzten  Plätze 
den  geschädigten  Ragusanern   zurückgegeben   würden;   dagegen 


i)  Dukas  und  Kritobulos,  §  25  ff. 

2)  Chalkokondylas  S.  376  spricht  sogar  von  j)  ttj;  l4a(ag  nctQahog. 
Vgl.  Pusculus  in  Dethier-Hopflll,  S.  153  ff. ;  „La  progenja  della  cassa  de 
Octmanj",  ms.  it.  cl.  VI  der  S.-Marco-Bibliothek. 

3)  „Notes  et  extraits"  II,  S.  449,  453,  476. 


Eroberung  Konstantinopels.  9 

wurde  einzig"  ausbedungen,  dafs  die  Ungarn  ihrerseits  keine  neuen 
Befestigungen  an  der  Grenze  anlegen  und  von  allen  Tribut- 
pflichtigen, Bosnien,  Serbien  und  der  Walachei  die  vorbestimmten 
Summen  auch  weiter  jährlich  an  die  Pforte  entrichtet  werden 
sollten  ^).  Am  lO.  September  hatte  auch  die  Republik  Venedig, 
die  übrigens  an  die  Besetzung  des  bosnischen  Hafens  Narenta 
und  an  Fortsetzung  des  Krieges  gegen  die  Genuesen  mit  Hilfe 
des  Königs  von  Aragonien  und  Sizilien  dachte,  ihren  Vertrag  mit 
dem  Sultan  unter  den  gewöhnlichen  Bestimmungen  erneuert  ^). 

All  das  aber  war  in  Wirklichkeit  nur  ein  Schritt  nach  rück- 
wärts, um  dann  desto  sicherer  zu  einem  grofsen  Anlauf  ausholen 
zu  können.  Und  dieser  gelang  Mohammed  denn  auch  wider 
alles  Erwarten. 

Schon  im  Winter  des  Jahres  1451/52  eröffnete  der  Sultan 
die  Feindseligkeiten  gegen  den  Kaiser,  angeblich  weil  dieser 
für  den  weiteren  Unterhalt  seines  osmanischen  Gastes  allzu  hohe 
Forderungen  stellte  ^).  Im  Februar  war  in  Italien  die  Nachricht 
verbreitet,  dafs  die  Türken  neuerdings  eine  griechische  Festung 
besetzt  hätten  *). 

Tatsächlich  hatte  Mohammed  den  Entschlufs  gefafst,  dem 
byzantinischen  Reiche  seine  eigentliche  Lebensquelle,  die  Zoll- 
erhebung in  den  Meerengen ,  zu  verstopfen.  Dazu  glaubte  er 
als  Herr  der  ganzen  Pontusküste  von  den  Mündungen  der  Donau 
bis  unter  die  Mauern  der  kaiserlichen  Hauptstadt  vollauf  das 
Recht  zu  haben.  Und  als  echter  Türke  konnte  er  auch  auf  den 
lockenden  Gewinn  vieler  abendländischer  Dukaten  und  Florinen 
und  morgenländischer  Perperen  nicht  verzichten.  Er  wollte  auf 
dem  ihm    gehörigen  Boden    am  Bosporus    eine    neue  Zollstation 


1)  ,,Acte  §i  fragmente"  I,  S.  23  ff.  Vgl.  Dukas  S.  233  und  Teleki,  Hunyady- 
ak  Kora  X,  S,  322 — 323:  Brief  Hunyadys  an  die  Kronstädter  Kaufleute,  um  ihnen 
anzukündigen,  dafs  die  Handelswege  im  osmanischen  Reiche  nun  frei  seien.  Siehe 
auch  über  die  Verhandlungen  Kronstädter  Archiv,  Urk.   116. 

2)  „Notes  et  extraits"  I'^,  S.  269  —  270,  Commemoriali  V,  S.  65;  „Notes  et 
extraits"  11,   S.  461,  Anm.  i  ;  S.  464,  471 — 472,  476,  4S3. 

3)  Dieser  Vorvvand  wird  nur  bei  dem  ,,latinophronen"  Dukas  S.  237  an- 
gegeben. 

4)  „Notes   et  extraits"  II,   S.   462. 


10  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

mit  den  nötig-en  Befestig-ung-smauern  und  einem  Marktplatz,  ein 
wahres  oppidum,  eine  Tcoh'xy*]  neben  Güseldsche-Hissar,  der 
asiatischen  Schöpfung-  seines  Ahns  Bajesid,  errichten.  Auch 
sicherte  er  sich  dadurch  den  mit  der  gröfsten  Gefahr  für  das 
osmanische  Reich  verbundenen  Übergang  von  Asien  nach 
Europa  *), 

Am  26.  März  1452  —  die  Venezianer  freilich  hörten  davon 
erst  zu  Anfang  Mai,  aber  bereits  im  Februar  war  ein  griechischer 
Gesandter  nach  Venedig  gekommen,  um  von  den  Vorbereitungen 
des  Sultans  Kunde  zu  geben  ^)  —  begann  unter  dem  Schutze 
einer  Flottille  von  30  Schiffen  die  Arbeit,  welche  von  den  Tausen- 
den militärisch  requirierter  Tagelöhner  und  Sklaven  schnell  genug 
beendigt  wurde.  Jedem  Wesir  war  ein  Turm  als  sein  Teil  zu- 
gewiesen worden ;  einige  Vasallen ,  wie  der  in  Edremid  resi- 
dierende Sohn  Isfendiars,  wurden  nach  türldscher  Gewohnheit 
herbeigerufen,  um  persönlich  ihr  Kontingent  von  Arbeitern  zu 
bringen  und  zu  überwachen.  Mit  der  Schaufel  in  der  Hand  er- 
wiesen sich  die  von  den  Kadis  der  Dörfer  befehligten  Krieger 
und  Untertanen  ebenso  diszipliniert  und  willfährig  wie  auf  den 
Schlachtfeldern,  wo  Beute  und  Ruhm  in  Aussicht  stand.  Ein 
lehrreiches  und  merkwürdig^es  Schauspiel  für  die  umwohnende 
christliche  Bevölkerung,  die  herzuström^e ,  um  das  wunderbare 
Unternehmen  anzusehen ,  und  dem  ohnmächtigen  Kaiser  mit 
Klagen  anlag,  dafs  ihre  F'eldarbeit  aufgehalten  oder  vereitelt 
werde.  Aus  dem  reichen  von  Kataphygia,  Nikomedien  und  Ponto- 
heraklea  herübergebrachten  Material,  aus  den  Steinen  zerfallener 
Kirchen,  wie  der  des  Erzengels  Michael,  entstand  oberhalb  des 
Dorfes  Asomata  ^)  nicht  weit  von  Epibatai,  wo  Isfendiarogli  sein 
Lager  aufgeschlagen  hatte,  eine  mächtige  Ringmauer  mit  30  Tür- 
men ,  von  denen  der  des  Wesirs  Khalil  bronzene  Kanonen 
erhielt;  Feriz-Aga  wurde  mit  400  jungen  Soldaten  zum  Befehls- 
haber des  Hafens  und  Zolleinnehmer  eingesetzt  *).  Als  die 
Griechen  gegen  diese  Drohung  zuletzt   nicht   nur    durch  Missive 

l)  Kritobulos§3off.     2)GiornalediN.  Barbaro,  Wien  1S56,  Anhang. 

3)  Karä  ro  axtvog  iyyvg  rov  üvojTfQov  fi^Qovg  Tijg  tov  Aao)fi(iTov  xoturig, 
Phrantzes  S.  223.     Kajä  tö  töv  Aao)utab)v  arsröv,  ebenda  S.  233. 

4)  Dukas    S.    237  ff.      „La    progenja"    beschreibt    das    Schlofs    folgender- 


Eroberung  Konstantinopels.  H 

und  Gesandtschaften,  sondern  auf  dem  Wege  von  Repressalien 
Einspruch  erhoben,  indem  sie  die  in  Konstantinopel  befindlichen 
Türken  drei  Tage  gefangen  setzten,  begann  im  Juni  der  offene 
Krieg.  Die  griechischen  Gesandten  wurden  enthauptet,  die  fried- 
lichen Arbeiter  der  ,, neuen  Stadt",  welche  von  den  Griechen 
yiai(.ioxo7iia,  von  den  Türken  Kessen-Hissar  oder  Boghaz-Kessen  ^) 
genannt  wurde,  verwandelten  sich  sogleich  in  bewaffnete  Truppen, 
die  beinahe  alles ,  was  in  der  Umgebung  Konstantinopels  noch 
den  Christen  gehörte,  unter  die  osmanische  Fahne  brachten.  So 
gingen  Selymbria,  Perinthos,  Epibatai,  das  Schlofs  von  Mesembria, 
nach  einer  anderen  Quelle  auch  Anchialos,  Vizya,  St.  Stephanos 
bei  Selymbria  in  die  Hände  des  Sultans  über  ^).  Während  die 
Bewohner  der  letzten  Provinz  des  schwachen  Reiches  sich  furcht- 
sam in  der  Hauptstadt  versteckt  hielten,  während  der  Kaiser  sich 
noch  einmal  mit  verzweifelten  Bitten  an  die  westlichen  Mächte 
wandte  —  Konstantin  beabsichtigte  sogar,  seine  Brüder  in  den 
Okzident  zu  schicken,  und  beauftragte  seinen  alten  treuen  Phrantzes 
mit  einer  Mission  an  den  zyprischen  König  ^)  — ,  traf  Mohammed 
am  I.  September  wieder  in  Adrianopel  ein,  vollauf  zufrieden 
mit  dem  Ergebnis  dieses  ersten  europäischen  Kriegsjahres  *). 
Er  war  am  28.  August  bis  zu  den  Gräben  Konstantinopels  ge- 
drungen, welches  den  sicheren  Fall  vor  sich  zu  sehen  meinte ; 
vielleicht  waren  die  vom  Schatzmeister  gebrachten  Baiistarien 
schon  dort. 

Anfang    Oktober    wurde    dann    das    Lager    von   Pherai    nach 
Morea  verlegt.     Auch  die  dortigen  Paläologen  Thomas  und  De- 


mafsen:  „  Con  sete  tore  coperte  de  piombo,  con  uno  barbagano   ala  Marina,  con 
XVIIj  boche  de  bonbarde  grose. " 

i)   Siehe  auch   Hierax  über  den  späteren  Namen  von  Jeni-Hissar. 

2)  Kritobulos  §  90 ff.;  Dukas  S.   258;  Pusculus  S.   185. 

3)  Phrantzes  S.  223.  Andronikos  Leontaris,  der  griechische  Schatzmeister, 
kam  im  Mai  nach  Venedig.  Einen  Beglaubigungsbrief,  datiert  aus  dem  März, 
enthält  das  Archiv  von  Modena:  Lettere  principi,  Oriente,  gedruckt  von  Cave- 
doni  in  Dep.  di  st.  patria,  Modena-Parma,  Atti  e  raem.  III  (1865). 

4)  Siehe  besonders  Kritobulos,  dann  Dukas  S.  237ff.,  Phrantzes 
S.  223f.,  Chalkok  ondylas  379 — 381  ;  die  türkischen  Chroniken  „Notes  et  ex- 
traits"  r-,  S.  262  —  263,    264  Anm.  i,   271    Anm.   2;    Cor  n  et-B  arbaro. 


12  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

metrios  sollten  die  Macht  des  neuen  Türkenherrschers  empfinden. 
Die  Klagen  des  Despoten  Demetrios,  der  wiederum  einen 
Länderaustausch  mit  dem  Bruder  anstrebte,  und  des  zweiten 
Centurione  Zaccaria ,  des  Sohnes  des  1432  gestorbenen  ehe- 
maligen Fürsten  von  Achaia  und  zuletzt  Barons  von  Arkadia,  der 
neuerdings,  unter  dem  Vorwande,  seinen  griechischen  Schwager 
zu  besuchen,  von  Venedig-  nach  Morea  zurückgekehrt  war,  um 
die  Wiederbelebung  der  lateinischen  Frage  anzuregen,  kamen 
dem  Sultan  gerade  erwünscht  ').  Turakhan-beg  und  seine  beiden 
Söhne  Ahmed  und  Umur  befehligten  den  Einfall;  die  Be- 
festigungen des  Isthmus  wurden  aufs  neue  geschleift,  ohne  dafs 
man  zu  ihrer  Behauptung  eine  Schlacht  gewagt  hätte.  Denn 
die  griechischen  Herren  hatten  gar  keine  Heeresmacht  zur  Ver- 
fügung; von  den  Venezianern,  die  sie  täglich  reizten,  indem  sie 
die  Albanesen  aufhetzten  und  die  in  die  moreotischen  Täler 
niedersteigenden  Herden  ungebührlichen  Abgaben  unterwarfen, 
hatten  sie  keine  Hilfe  zu  hoffen.  Bis  an  den  messenischen 
Meerbusen  und  Mantinea  drangen  die  Asapen,  um  ihre  gewöhn- 
liche Arbeit  zu  verrichten.  Ein  glücklicher  Überfall  auf  Ahmed, 
der  Matthäos,  dem  Paläologen  und  Asanen  von  Korinth,  einem 
,,sororius"  der  Despoten,  gelang,  und  die  Gefangennahine  des 
jungen  Türken  hatten  keine  Folgen  und  dienten  kaum,  die  schwer 
geschädigten  Fürsten  einigermafsen  zu  trösten  '^).  So  hatte  der 
Sultan  auch  diesen  byzantinischen  Epigonen  leicht  klargemacht, 
dafs  sie  sich  lediglich  um  das ,  was  ihnen  noch  persönlich  zu 
eigen  gehörte,  zu  bekümmern  hätten. 

Solche  Fehden  zwischen  Griechen  und  Türken  waren  allzu 
gewöhnlich,  als  dafs  sie  die  westlichen  Mächte  besonders  hätten 
interessieren  können.    Wer  hätte  auch  vermuten  sollen,  dafs  der 

1)  Chalkokondylas  S.  378,  406  f. ;  Hopf  II,  S.  86,  117 — 119;  auch 
Sathas  I,  S.   215  f.;  „Kotes  et  extraits"  II,  S.   57. 

2)  Phrantzes  S.  236;  Chalkokondylas  S.  378,  381 — 382;  „Notes  et 
extraits"  !"■',  S.  266.  Der  Zug  wird  in  Chalkokondylas  S.  409 ff.  ganz  anders 
dargestellt:  danach  hätten  die  Despoten  selbst  Turakhan  ausdrücklich  gegen  die 
Albanesen  und  die  Trümmer  der  lateinischen  Herrschaft  herbeigerufen.  Ein  Brief  des 
„Mattheus  Paleologus  Asanus  et  sororius  domini  mei  despote"  im  Archiv  von  Modena 
a.  a.  O.  Ebenda  ein  Brief  des  Despoten  Demetrios,  des  Oberherrn  des  Asanes. 
Siehe  Norden  a.  a.  O.,  S.   733. 


Eroberung  Konstantinopels.  13 

milde  und  gelehrte  junge  Sultan  mit  den  sanften  Worten  im- 
stande sei,  das  auszuführen,  was  einem  Murad  II. ,  einem  Musa, 
einem  Bajesid  Ilderim  mifsglückt  war?  Zwar  wurde  bei  den  zu 
Ehren  des  alten  schlauen  Kaisers  Friedrich  III.,  der,  etwas  spät, 
nach  Italien  kam,  um  sich  krönen  zu  lassen,  veranstalteten  Fest- 
lichkeiten viel  von  der  natürlichen  Mission  eines  Kaisers,  ,,  die 
Christenheit  zu  retten",  geredet'),  aber  jedermann  war  sich  be- 
wufst,  dafs  das  lediglich  schöne,  pomphafte  Phrasen  eines  Hu- 
manisten waren,  der  als  solcher  ein  Freund  des  alten  Griechenland 
zu  sein  liebte.  Ebensowenig  war  der  von  F"riedrich  am  22.  Januar 
1453  aus  Neustadt  an  den  Sultan  gerichtete  Brief,  der  auf  Scho- 
nung Konstantinopels  drang,  ernst  zu  nehmen  ^).  Ein  wirkliches 
Interesse  für  die  neue  Gestaltung  der  Dinge  im  Orient  konnten 
nur  der  Papst  und  die  beiden  Handelsrepubliken  haben. 

Was  den  ersteren  betrifft,  so  hatte  Kaiser  Konstantin,  wenn 
auch  weniger  streng  als  sein  verstorbener  Bruder  Johann  VIII., 
die  Florentiner  Verpflichtungen  eingehalten,  so  sehr  er  dadurch 
den  allgemeinen  Gefühlen  seiner  konstantinopolitanischen  Be- 
völkerung ins  Gesicht  schlug.  Der  Patriarch  Gregorios  Mammas, 
ein  Freund  der  Union  ^),  war  im  August  145 1  aus  der  Residenz 
entflohen,  um  den  Ränken  des  mächtigen  Lukas  Notaras  zu  ent- 
gehen *) ;  aber  dieser  wichtige  Vorfall  änderte  die  kirchliche 
Politik  des  Kaisers,  der  sich  bei  jeder  Gelegenheit  als  hart- 
näckiger Latinophron  aufspielte,  auf  die  Dauer  nicht.  So  fühlte 
sich  denn  Nikolaus  V.,  der  neue  Papst,  einigermafsen  verpflichtet, 
den  bedrohten  Byzantinern  Hilfe  zu  schicken.  Zuvor  aber  wollte 
er  der  Wirklichkeit  der  Union  sicher  sein.  Im  Juli  ging  er  da- 
mit um,  den  Belagerten  Korn  durch  zwei  bewaffnete  Galeeren  zu 
schicken.  Ein  Kenner  der  orientalischen  Angelegenheiten,  der 
infolge  Abschlusses  der  Union  von  Florenz,  für  die  er  gestimmt 
hatte,  die  Würde  eines  Kardinals  von  S.  Sabina  erhalten  hatte, 
der  gewesene  Abt  Isidor  ^)  von  St.  Demetrios  in  Konstantinopel 

1)  Die  Rede  des  Äneas  Sylvius  in  Rinaldi  z.  J.    1452. 

2)  „Not.  et  extraits"II,  S.  481—482.  Abschrift  im  Cod.  monac.  lat.  4143,  fol.  100. 

3)  Siehe  auch  Pusculus  in  Dethier-Hopf  III,  S.    150. 

4)  Phrantzes  S.   217. 

5)  Vgl.  Pelesz,  Geschichte  der  Union  der  ruthenischen  Kirche  I,  Wien  1878, 


14  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

und  spätere  Metropolit  von  Rufsland,  als  welcher  er  Cardinalis 
Ruthenus  g-enannt  wurde  —  in  Wirklichkeit  war  er  ab  er  zum  Nach- 
folger des  seit  einiger  Zeit  gestorbenen  lateinischen  Patriarchen 
von  Konstantinopel,  Giovanni  Contarini,  ernannt^)  — ,  ging-  mit 
dem  Bischof  von  Koron  '-')  nach  Konstantinopel,  um  sich  von  der 
dortigen  Lage  Rechenschaft  zu  geben.  Er  trug  einen  gebiete- 
rischen Brief  des  Papstes  bei  sich,  der  inständig-  die  Vervoll- 
ständigung der  Union  und  die  Zurückberufung  des  Gregorios 
verlangte  ^).  In  Chios  angelangt,  nahm  er  den  dortigen  Metro- 
politen Leonard  mit  auf  sein  genuesisches  Schiff  und  fügte  den 
50  Baiistarien,  die  schon  an  Bord  waren,  andere  hinzu,  die  er 
auf  der  Insel  angeworben  hatte;  auch  wurden  Wein  und  Vorräte 
mitgeführt.  Isidor  kam  im  November  in  den  Hafen  von  Kon- 
stantinopel, zelebrierte  am  12.  Dezember  1452  die  Liturgie  in  der 
Hagia  Sophia  selbst,  und  nannte,  den  Florentiner  Beschlüssen 
gemäfs,  den  Papst  neben  dem  entflohenen  Patriarchen  Greg-or 
bei  den  Ektenien. 

Einige  hochangesehene  byzantinische  Persönlichkeiten ,  wie 
Johann  Argyropulos  und  Michael  Apostolos,  arbeiteten  in  dem- 
selben Sinne  *).  Das  war  aber  auch  alles ,  was  der  Heilige 
Stuhl ,  in  verschiedene  italienische  Angelegenheiten  verwickelt, 
vorläufig  für  das  unierte  Reich  des  Ostens  tun  konnte  und 
wollte  ^).  Darum  wurde  auch  der  Leiter  der  intransigenten  ortho- 
doxen Opposition,  der  gelehrte  Georgios  Scholarios,  nunmehr 
Mönch  Gennadios,  von  vielen  ang-esehenen  Priestern  und  Bürgern 
in  seiner  Zelle  im  Kloster  des  Pantokrators  besucht,  und  in 
allen  Wirtshäusern  sprach  das  gemeine  Volk,  über  die  Ankunft 
und  das  Betragen  des  fremden  Prälaten  entrüstet,  von  der  g-ottes- 
lästerlichen  Politik  des   ungekrönten  Scheinkaisers  Konstantin  ^). 

und  Hefele,    Die  temporäre  Wiedervereinigung  der  griech.  und  der  lat.  Kirche, 
in  der  „Tübinger  Theol.  Quartalschrift",  1848  (XXX),  S.  179  ff.  (mir  unzugänglich). 
i)  „Notes  et  extraits"  P,  S.  272 — 273;  vgl.  Dukas  S.  252  ff. 

2)  „Notes  et  extraits"  II,  S.   28. 

3)  Rinaldi,  z.  J.   1452;  Dethier-Hopf  lU,  S.  567ff. 

4)  Pusculus  S.    195 — 196;    vgl.    „Notes  et  extraits"  U,  S.  522:  Brief  des 
Isidorus;  Byz.  Zeitschrift  V,  S.   580  fr. 

5)  Vgl.  besonders  „Notes  et  extraits"  P,  S.   272 — 273. 

6)  Dukas    a.    a.  O.     Leonardus    Chiensis    erwähnt    unter    den    Parteigängern 


Eroberung  Konstantinopels.  15 

Venedig  war  in  Bosnien  engagiert;  es  mufste  einen  Krieg 
mit  dem  dortigen  König  wegen  der  Besetzung  von  Narenta  durch 
venezianische  Truppen  fürchten.  Ragusa  glaubte,  dafs  seine  ehe- 
mahge  Beschützerin  sich  mit  dem  ,,Herzeg"  verbunden  habe, 
um  der  ragusanischen  Macht  und  Unabhängigkeit  ein  Ende  zu 
setzen.  Stephan  Tschernojewitsch  war  neuerdings  in  venezianischen 
Dienst  getreten ,  um  durch  seine  ritterhchen  Taten  das  Gebiet 
von  Cattaro  abzurunden.  Anderseits  grifif  1452  der  serbische 
Despot  Skutari  an,  und  die  Venezianer  sahen  mit  Besorgnis, 
dafs  auch  Türken  in  den  vom  VVoiwoden  Altoman  und  von  Thomas 
Kantakuzenos  befehligten  Reihen  seines  Heeres  kämpften  ^).  In 
Morea  machte  nach  145 1  Nerio  degli  Acciaiuoli,  als  Vasall  des 
Sultans,  der  Republik  zu  schaffen  ^) ;  gegen  die  unruhigen,  hab- 
gierigen Despoten  beabsichtigte  sie  ernste  Mafsregeln  zu  treffen. 
Aufserdem  trachteten  die  Venezianer  danach,  den  König  von 
Zypern,  ihren  Schützling,  mit  den  Karamanen  zu  versöhnen;  zu 
dem  Zweck  wurde  auch  145 1  ein  Gesandter  nach  Konieh  ge- 
schickt ^).  Von  Mohammed  wollten  sie  eine  Ermächtigung  zur 
Kornausfuhr  erhalten,  und  soeben  war  ein  für  die  Signoria  gün- 
stiger Vertrag  geschlossen  worden  *).  Darum  wurde  zugunsten 
des  bedrängten  Kaisers  nur  der  Beschlufs  gefafst,  dafs  er  sich 
so  viele  Baiistarier,  wie  er  brauche  und  zu  bezahlen  vermöge, 
auf  venezianischem  Boden  anwerben  dürfe  und  kein  Untertan 
der  Republik  sich  in  türkische  Dienste  begeben  solle  ^). 
Wie  gewöhnlich,  wurden  Mafsregeln  für  das  Viagium  Ro- 
maniae  genommen^). 

Doch  ist  im  Auge  zu  behalten,  dafs  die  sparsame  Signoria 
ebensowenig  wie  die  anderen  westlichen  Mächte  einen  energi- 
schen  und   erfolgreichen  Angriff  auf  das  uneinnehmbare    Kon- 

der  Union  nur  Argyropulos ,  Theophilos  Paläologos ,  „  einige  wenige  Mönche  und 
andere  Laien";  in  Reufsner,  Epistolae  turcicae,  1597,  in  Bzovius,  Annales, 
in  Migne,  CIX,  usw.  Siehe  eine  Diskussion  über  die  Frage,  ob  der  Papst  die 
Griechen  unterstützen  solle  (2.  Dez.  1453),  i"  ^^^  Handschrift  von  Rom,  Biblio- 
teca  Casanatense,  D.   i,   20. 

i)  „Notes  et  extraits"  P,  S.   269 — 273. 

2)  „Notes  et  extraits"  P,  S.   265. 

3)  Ebenda.  4)  Ebenda,  S.  269  fr.  5)  Ebenda. 
6)  August   1452;  Cornet-Barbaro,  Anhang. 


16  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

stantinopel  erwarten  konnte.  Dem  im  Herbste  ang-ekommenen 
byzantinischen  Gesandten  wurde  der  wohlfeile  Rat  g-egeben,  sich 
an  den  Heiligen  Vater,  von  dem  in  Kreuzzugssachen  alles  ab- 
hänge, zu  wenden  ^).  Auch  im  Februar  1453  glaubte  die  Republik, 
dafs  sie  am  besten  tue,  wenn  sie  den  Papst  anflehe  ^).  Erst  als  die 
türkischen  Kanonen  von  Boghaz-Kessen  das  Schiff"  Antonio  Rizos, 
der  im  November  vom  Schwarzen  Meere  in  den  Bosporus  ein- 
fuhr, beschossen,  als  dessen  Besatzung  gefangengesetzt  und  ge- 
foltert wurde  —  Rizo  selbst  starb  eines  qualvollen  Todes  am 
Pfahle  — ,  wurde  für  alle  Augen  ersichtlich,  dafs  Mohammed  nie- 
manden zu  schonen  gewillt  war,  der  ihm  in  den  Weg  trat  ^). 

Schon  vor  der  Ankunft  des  Kardinals  Isidor  langte  Gabriel 
Trevisano  mit  zwei  kleinen  Galeeren  in  dem  konstantinopoli- 
tanischen  Hafen  an;  er  war  abgeschickt  worden,  um  die  mit 
kostbaren  Waren  befrachteten  Handelsschiff"e  des  Viagium 
von  Tana  vor  einem  Überfall  seitens  der  Türken,  die  sich  schon 
damals  mit  den  griechischen  Seeräubern  zu  schaff"en  machten,  zu 
sichern.  Auch  diese  Schiffe  wurden ,  weil  sie  das  Verbot  des 
Sultans  nicht  beachten  wollten,  am  neuen  Schlosse  mit  Stein- 
kugeln empfangen  und  konnten  sich  kaum  durch  die  Geschicklich- 
keit ihres  Capitano  retten ;  besser  entging  die  trapezuntische 
Flottille  der  Venezianer  der  türkischen  Feindschaft  *).  Nun  be- 
rief der  Kaiser  den  Legaten,  den  Bailo  und  andere  angesehene 
Lateiner  in  die  Sophienkirche  und  verlangte,  dafs  die  drei  Handels- 
schiffe und  die  Galeeren  Trevisanos  auf  seine  Kosten  im  Hafen  Kon- 
stantinopels blieben,  um  die  Stadt  gegen  den  zu  erwartenden  türki- 
schen Angriff"  zu  verteidigen;  und  die  Venezianer  fafsten  bei  ihrer 
Versammlung  in  der  S. -Maria-Kirche  (14.  Dezember  1452)  mit 
grofsem  Widerstreben  einen  Beschlufs  in  diesem  Sinne.  Doch  ver- 
langten sie  ihrerseits,  dafs  die  Waren  auf  die  Schiffe  zurückgebracht 
würden,  wofür  die  Capitani  sich  eidlich  verpflichteten,  ohne  kaiserliche 


i)  Cornet-Barbaro,  Aniiang. 
2)  Ebenda. 

3I   Niccolu    Barbaro;    Zorzo    Dolfin,    Ausg.     Thomas;     Philippus 
Ariminensis,  in  Dethier-Hopf  III,  S.  666 — 667;  Dukas  S.   248. 
4)  Barbaro  in  Detli  ie  r-Hop  f  S.  697  —  700. 


Eroberung  Koastantinopels.  17 

Erlaubnis  nicht  abseg^eln  zu  wollen  ^).  Einige  von  ihnen  aber 
brachen  den  Eid,  so  besonders  die  aus  Kreta,  deren  Fahrzeuge 
auch  viele  Kaufleute  mit  sich  führten.  Die  meisten  blieben 
wirklich,  und  die  venezianischen  Seeleute  wurden  in  der  Gegend 
des  alten  Hebdomanpalastes ,  wo  seit  langem  keine  Gräben 
mehr  vorhanden  waren,  sogar  zur  Befestigung  Konstantinopels 
herangezogen.  Auch  wurde  mit  ihrer  Hilfe  am  2.  April  eine 
lange  Kette  mit  Eisen  verklammerter  Balken  von  der  Punta  Kon- 
stantinopels, der  Pforte  Horaia,  bis  zu  den  zuletzt  noch  im  15.  Jahr- 
hundert verstärkten  Mauern  des  genuesischen  Pera  gelegt  ^). 

Einen  viel  stärkeren  Widerhall  hatte  die  schon  im  März 
1452  eintreffende  Xachricht  der  türkischen  Rüstungen  in  Genua. 
Denn  hier  stand  das  Los  des  blühenden  Pera  auf  dem  Spiele, 
und  man  wufste ,  dafs  die  stark  befestigte  Kolonie  an  vielen 
Mängeln,  besonders  an  Goldmangel,  leide.  Aber  erst  im  No- 
vember, als  mit  Giovanni  da  Mare  ein  letzter  verzweifelter  Hilfe- 
ruf der  Peroten  an  die  Metropole  gelangte,  wurde  das  Schiff 
Azzelino  Lercaros  mit  300  Ballistarien  nach  dem  Bosporus  ge- 
schickt ^) ;  und  die  genuesischen  Behörden  schrieben  an  den 
König  von  Frankreich,  an  die  verbündete  Republik  Florenz  um 
Hilfe  in  der  Entscheidungsstunde ,  sei  es  auch  lediglich  durch 
Gewährung  von  Subsidien.  Solange  Venedig  und  Genua  sich  in 
Italien  feindlich  gegenüberstanden,  war  ein  Zusammenwirken 
beider  Handelsmächte  absolut  ausgeschlossen  ^).  Erst  am  26.  Ja- 
nuar langten  zwei  genuesische  Galeeren  mit  700  Soldaten  in 
Konstantinopel  an.  Voll  Freude  ernannte  Kaiser  Konstantin  ihren 
Befehlshaber,  Giovanni  Giustiniano  Longo,  sogleich  zum  Ober- 
befehlshaber der  Landkräfte  ^) ,  gab  ihm  den  Titel  eines  Pro- 
tostrators  und  verlieh  ihm  den  Besitz  der  grofsen  Insel  Lemnos  ^). 

Währenddessen  hatte  Mohammed  im  tiefen  W^inter  seine 
Mafsregeln   zum  Kriege    gegen    das    griechische  Zwergreich   ge- 


i)  Barbaro  a.  a.  O.  21  Ebenda  S.   722  —  724. 

3)  Vgl.  auch  Dukas  S.   265. 

4)  „Notes  et  extraits'-  I-,  S.   274f. ;  II,  S.  47Sf. 

5)  Barbaro    S.   717.  6)  Siehe  auch  Duka<  S.   266. 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    U.  ^ 


18  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

troffen.  Derselbe  konnte  nur  eine  Absicht  haben:  die  Belag-erung- 
Konstantinopels.  Und  eben  dazu  wurden,  wie  niemals  vorher, 
Anstalten  g-emacht.  Den  ganzen  Winter  hindurch  waren  asiatische 
Truppen  aus  Mysien  und  Paphlagonien ,  den  ehemaligen  Be- 
sitzungen Isfendiars,  in  der  Umgebung  Konstantinopels  geblieben, 
um  die  Blockade  nicht  vollständig  zu  unterbrechen ;  ihr  Befehls- 
haber wird  in  keiner  Quelle  genannt;  es  scheint  keiner  der  Wesire 
gewesen  zu  sein.  Auf  dem  Meere  konnten  die  griechischen  Frei- 
beuter ruhig  ihrem  Gewinn  nachgehen  und  die  Leiden  ihres  Volkes 
durch  Verbrennung  asiatischer  Dörfer  um  Kyzikos  und  Hinmetze- 
lung  friedlicher  mosleminischer  Bauern  grausam  vergelten. 

Nun  war  Mohammeds  einzige  Sorge  auf  die  Beschaffung  der 
erforderlichen  Artillerie  gerichtet;  alles  andere  mufste  von  selbst 
mit  mechanischer  Sicherheit  und  Pünktlichkeit  an  dem  schon  im 
Herbste  vorher  angezeigten  Tage  sich  unter  den  Mauern  Konstan- 
tinopels einfinden.  Denn  der  neue  Sultan  verstand  als  erster  unter 
den  osmanischen  Herrschern  allzu  gut,  dafs  durch  den  Gebrauch 
des  Pulvers  ein  neues,  andersartiges  Zeitalter  in  der  Entwick- 
lung der  Kriegskunst  eröffnet  worden  war.  Viele  Renegaten 
konnten  ihm  von  bronzenen  Kanonen  und  den  von  ihnen  be- 
wirkten Wundern  erzählen ;  sie  hatten  an  grofsen  abendländischen 
Schlachten  und  Belagerungen,  wo  die  Steinbomben  durch  die 
von  Pulverdampf  vergiftete  Luft  über  die  Köpfe  der  erschrockenen 
Krieger  hinflogen,  teilgenommen.  Da  er  keine  Meister  in  diesem 
Fache  hatte,  war  es  ihm  sehr  willkommen,  als  ein  Flüchtling, 
Urban  genannt,  dem  die  Griechen  eine  ,,dakische",  d.  h.  eine 
ungarische  oder,  viel  wahrscheinlicher,  eine  rumänische  Herkunft 
zuschreiben,  sich  ihm  vorstellte  ^). 

Dieser  Urban  war  ein  genialer  Techniker,  mit  einfachen 
Mitteln,  aber  erfinderischem  Geiste,  so  wie  sie  in  der  Zeit  eines 
Antonio  Marini,  der  sich  ebenso  gut  auf  Hydrographie,  Keramik 
und  Bierfabrikation  als,  von  politischer  Projektenmacherei  ganz 
zu  geschweigen,  auf  vieles  andere  verstand,  nicht  selten  auftauchten 
und  sich  fleifsig  nach  einem  Gönner,  den  sie  zu  bereichern  oder 
in  seinen  Kriegen  siegreich  zu  machen  sich  anheischig  machten,^ 


l)  Chalkokondylas  S.  385. 


Eroberuug  Konstantinopels.  19 

umsahen^).  In  der  Tat  wurde  Konstantmop el ,  dank  den  Ein- 
fällen und  der  Geschicklichkeit  Urbans,  erobert.  Die  Energie 
Mohammeds,  seine  Gabe,  die  Lehren  der  Zeit  in  sich  aufzunehmen, 
hatten  in  diesem  Christen  und  Fremdlinge ,  den  ein  günstiger 
Zufall  zu  ihm  geführt  hatte,  ein  unschätzbares  Werkzeug  ge- 
funden. Wie  froh  und  stolz  war  der  Sultan,  als  er  im  Februar 
eine  riesige  Kanone  vor  sich  glänzen  sah,  die  sich  auf  30  von 
60  Ochsen  gezogenen  Karren  vorwärts  bewegte,  während  200  Sol- 
daten Wacht  um  das  kostbare  Kriegswerkzeug  hielten  und  50 
andere,  mit  300  Salahoren,  Wege  und  Brücken  bereiteten  ^). 

Im  Frühling  erschien  zuerst  Karadscha,  der  europäische 
Beglerbeg,  und  bereitete  das  Terrain  vor,  indem  er  sogar  die 
Weingärten  abholzen  liefs,  damit  die  Belagerer  frei  in  die  riesige 
Stadt  hineinschauen  konnten.  Kleinere  Abteilungen  des  Vor- 
trabs machten  sich  daran,  die  noch  von  den  Griechen  besetzt 
gehaltenen  Burgen  Therapia  und  Studion  zu  erobern;  und,  weil 
die  byzantinischen  Besatzungen  die  Übergabe  abgeschlagen  hatten, 
wurden  die  Gefangenen  gehängt,  damit  die  Konstantinopolitaner 
die  Leichen  ihrer  Stammesgenossen  sehen  könnten  ^).  Unzählige 
Boote  brachten  die  Asiaten,  Spahis,  Asapen  und  gemischtes 
Gesindel  herüber ;  unter  dem  Schutze  des  neuerbauten  Schlosses 
konnten  sie  ruhig  ihre  Landung  vollziehen ;  die  im  Winter  so 
kecken  griechischen  Piraten  waren  gänzlich  verschwunden.  End- 
lich kam  Isak-beg,  der  Vizekaiser,  selbst  aus  Asien;  auch  der 
Sohn  Isfendiars  von  Sinope,  Ismail,  stellte  sich  ein  *),  und  unter 
ihm  stand  ein  ganzes  paphlagonisches  Kontingent  ^).  Auf  allen 
Landwegen  des  Nordens  und  Westens  strömten  gleichzeitig  die 
rumelischen  Truppen  heran ;  auch  das  gut  berittene  serbische 
Kontingent    sah    man,    das    jedoch    möglichst    wenig    von    sich 


i)  Siehe  über  Marini  meinen  Aufsatz  in  den  „Melanges   Monod". 

2)  Dukas   S.   258,   266,   282—283. 

3)  Vgl.  Kritobulos    S.   72  und  Phrantzes  S.   236,    der    die    chronologi- 
sche Bestimmung  gibt.     Ebenso  Chalkokondylas  S.  383. 

4)  Chalkokondylas   S.   390  ff. 

5)  Pusculus   S.   209. 

2* 


20  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

sprechen  machte  *).  Viele  andere  christliche  Kontingfente  mufsten 
sich  unter  den  Mauern  Konstantinopels  einfinden.  Bald  wurde 
auch  das  kaiserliche  Lag-er  ein  Sammelplatz  für  alle  beutegierigen 
Elemente,  die  neben  den  Werkmeistern  und  Kaufleuten  jeder  Art 
den  gröfsten  Teil  der  sogenannten  Belagerungsarmee  bildeten  ^). 
VonGallipolis  kam  endlich  unter  dem  Befehl  Baltioglis,  des  dortigen 
Befehlshabers  und  Admirals  —  er  war  eigentlich  der  Sohn  eines 
bulgarischen  Bojaren  und  hatte  sich  durch  die  berühmte  Ge- 
sandtschaft von  1444  nach  Ungarn  ^)  und  einen  Einfall  auf  Lesbos 
im  Jahre  1449  die  Gunst  des  Sultans  erworben  *)  — ,  eine  bisher 
niemals  gesehene  osmanische  Flottille  von  mehr  als  300  gröfseren 
und  kleineren  Schiffen ,  die  den  mühsam  zusammengebrachten 
fünf  Fahrzeugen  —  Überbleibseln  der  byzantinischen  See- 
macht — ,  den  venezianischen  aufgehaltenen  Galeeren,  den  genue- 
sischen des  Giustiniano ,  den  drei  kretischen  Fahrzeugen ,  denen 
sich  ein  katalonisches  und  ein  provenzalisches ,  die  der  Zufall 
herbeigeführt  hatte,  zugesellten  ^),  unvergleichlich  überlegen  war. 
Denn  auch  das  asiatische  Arsenal  von  Nikomedien  hatte  seinen 
Anteil  geschickt  ^). 

Eine  solche  Heeresmacht  zu  schätzen,  ist  selbstverständlich 
unmöglich :  das  unstete ,  nichtmilitärische  Element  war  allzu 
stark  vertreten.  Dennoch  kann  man  so  viel  sagen,  dafs  die 
Truppen,  die  Konstantinopel  belagerten  und  einnahmen,  nicht 
zahlreicher  gewesen  sind  als  die,  welche  bei  jeder  persönlichen 
Unternehmung  des  Sultans  einberufen  oder  mitgebracht  wurden. 


i)  „Der  serbische  Janitschar" ;  auch  in  Dethier-Hopf  III — IV. 

2)  Vergleiche  Tedaldi  in  Martene-Durand,  Thesaurus  novus  I,  S.  1819: 
„  robeurs ,  gasteurs ,  raarchands,  artisans  et  autres,  faisant  le  siege  pour  gagner " ; 
vergleiche  auch  die  folgenden  Seiten. 

3)  Siehe  den  „Serbischen  Janitscharen",  Kap.  XXI. 

4)  Dukas   S.    270. 

5)  Phrantzes  S.  240. 

6)  Phrantzes  a.  a.  O.  Er  unterscheidet  zwischen  den  europäischen  Schiffen: 
30  Dreimastern  und  Dromones,  anderen  130  Fahrzeugen  und  zwischen  den  ana- 
tolischen :  18  Dreiruderern,  48  Zweiruderern,  25  Dromonen  und  anderen  219  Ein- 
heiten (im  ganzen  zählt  er  320  Schiffe).  Es  ist  dies  die  präziseste  Quelle.  Bei 
Chalkokondylas  S.  383 — 384  werden  200  kleine  Schiffe  und  nur  30  grofse 
mitgezählt.     Bei  Barbaro  S.   737:   145. 


Eroberung  Konstantinopels.  •  31 

Eigentlich  waren  auch  hier  nur  die  Janitscharen  und  die  Spahis 
der  wertvolle  und  wirklich  kämpfende  Teil  der  ungeheuren 
Menschenmassen,  die  Disziplin  oder  einfache  Beutelust  im  schönen 
lachenden  Frühlinge  des  Jahres  1453  unter  den  alten  Mauern  der 
grolsen  christlichen  Stadt  des  Ostens  zusammengeführt  hatten. 
Nach  den  feststehenden  Regeln  nahm  natürlich  jedes  angekom- 
mene Kontingent  den  ihm  vorbestimmten  Platz  ein.  Anfang 
April    erwartete    man  den  Sultan  und  dessen  Hof. 

Am  Morgen  des  2.  April  traf  der  oberste  Befehlshaber  mit 
seinem  glänzenden  Gefolge  ein.  Er  schlug  sein  Lager  zwei  und 
eine  halbe  Meile  von  den  Mauern  entfernt  in  einem  Orte  auf, 
welcher  der  Romanospforte  und  somit  dem  eigentlichen  Zentrum 
der  Mauereinfassung,  die  126  Stadien  mafs,  entsprach.  Jani- 
tscharen und  andere  Sklaven  umgaben  sein  Zelt.  Rechts  reihten 
sich  die  asiatischen  Spahis  bis  zur  Goldenen  Pforte  hinauf;  links 
bis  zur  Hölzernen  lagerten  die  Leute  von  Rum;  Saganos  war 
nach  Pera  hinbeordert  und  stand  auf  dem  Hügel  dort,  um  eine 
leichte,  vielleicht  durch  Geld  gemilderte,  jedenfalls  sehr  schonende 
Blockade  zu  markieren  ^).  Jeder  Wesir  hatte  einen  Teil  der 
Mauern  zugewiesen  erhalten ,  so  dafs  die  ganze  riesige  Belage- 
rungslinie zwischen  ihnen  und  dem  Sultane  aufgeteilt  war:  Mo- 
hammed selbst,  von  Sarudsche  und  dem  alten  erfahrenen  KhaHl 
umgeben,  hatte  das  schon  genannte  Quartier,  wo  die  Befesti- 
gungen weit  schwächer  waren,  bis  zuletzt  inne.  Saganos  war  Ga- 
lata  und  Pera,  der  Plafen  und  die  ganze  Strecke  bis  zur  Hölzernen 
Pforte  anvertraut ,  und  er  hatte  den  Auftrag ,  auf  vielen  leeren 
Weinfässern  eine  Plattform  in  der  Gestalt  einer  Brücke  zwischen 
seinem  Lager  und  dem  sogenannten  Keramiken,  einem  Häuser- 
komplex in  Konstantinopel,  zu  erbauen,  Karadscha-beg  befeh- 
ligte vor  der  ebengenannten  Pforte,  dem  Palaste  des  Porphyro- 
geneten  und  der  Pforte  Charsu.  Endlich  traf  man  den  asiatischen 
Beglerbeg,  dessen  Krieger  ihre  Zelte  von  Myriandrion  bis  zur 
Goldenen  Pforte  aufgeschlagen  hatten  ^j.  Am  6.  April  begann 
die  Belagerung. 

i)  Siehe  Phrantzes  und  Chalkokondylas. 
2)  Kritobulos  S.  63 — 64. 


23  ■  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Seinerseits  hatte  Kaiser  Konstantin  nur  4973  Soldaten  ^) 
nebst  vielen  —  bis  zu  2000  —  Lateinern,  die  verschiedenen 
Nationen  angehörten  und  sich  mifstrauisch  g-eg-enüberstanden, 
zur  Verfügung.  Die  Bevölkerung  war  gegen  ihn  gestimmt;  sie 
hatte  mehrmals  den  Ruf:  „Besser  unter  den  Türken,  als 
unter  den  Lateinern"  hören  lassen,  und  sogar  der  mächtigste 
aus  dem  byzantinischen  Beamtenadel ,  der  berühmte  Megadux 
Lukas  Notaras,  der  ,,Chirluca"  der  Italiener,  hatte  öffentlich 
dem  lateinischen  Hut  die  türkische  Mütze  vorgezogen  ^).  Eine 
mächtige  Opposition  des  Klerus,  der  reicheren  Familien,  der 
Volkskreise,  hemmte  die  Tatkraft  des  noch  jungen  Fürsten, 
der  in  Morea  oft  seine  Tapferkeit  und  sein  politisches  Talent 
bewiesen  hatte.  Diesmal  fühlte  er  sich  durch  die  grollende 
Unzufriedenheit  der  Menge  und  der  mafsgebenden  Faktoren  wie 
gelähmt. 

So  weist  denn  die  letzte  christliche  Verteidigung  Konstan- 
tinopels eher  einen  ritterlich -lateinischen  als  schwärmerisch- 
griechischen Charakter  auf.  Lateinisch  sind  die  Schiffe  im  Hafen ; 
von  Lateinern,  und  nicht  vom  griechischen  Morea,  von  dem 
trapezuntischen  Kaiser,  von  dem  iberischen  Könige,  dessen 
Tochter  Konstantin  zu  heiraten  gedacht  hatte  ^),  wird  alle  Hilfe 
erwartet:  Nahrungsmittel,  Galeeren,  Waffen,  Ballistarien.  Der 
einheimische  Patriarch  fehlt,  den  lateinischen  dagegen  sieht  man, 
mit  seinem  Metropoliten  von  Mitylene  und  vielen  Familiären 
seines  Hauses,  bei  Kynegesion  und  bis  zur  Kirche  des  Heiligen 
Demetrios  auf  den  Zinnen.  Die  Schlüssel  der  vier  Haupttore 
sind  in  den  Händen  angesehener  venezianischer  Kaufleute.  Als 
Befehlshaber  in  den  Türmen  findet  man  von  Griechen  nur  Notaras, 
an  der  kaiserlichen  Pforte  und  am  Hafen ,  dann  auf  der  Linie 
von  Petrion  an  der  Pforte  des  Heiligen  Theodosios  den  gelehr- 
ten Theophilos  Paläologos,  einen  Kantakuzenen,  Demetrios,  dessen 


i)  Phrantzes  S.  240  —  241  ;  vgl.  Dukas  S.  275  —  276.  Auch  bei  Te- 
daldi S.  896  wird  die  Anzahl  von  6 — 7000  Kriegern  ,,und  nicht  mehr"  an- 
gegeben.    Vgl.  auch  Pusculus  S.  193. 

2)  Dukas  S.  264,  291:  KqbTttov  l/nntadv  ftg  /iTQKg  rwv  Tovnxwv  fj 
'pQriyywv. 

3)  Phrantzes  S.  217. 


Eroberung  Konstantinopels.  33 

Schwieg-ersohn,  Nikephoros  Paläolog"os,  die  einflufsreichen  Kanta- 
kuzenen  Johann  und  Andronikos  *).  Nach  dem  abendländischen 
Studenten  Pusculus,  der  anwesend  war.  hätten  beide  an  der 
Chrysea,  neben  Cattarino  Contarini,  Stellung-en  g-ehabt '^).  Niko- 
laos  Gudello  und  seinen  Schwieg'ervater  Demetrios  Paläologos 
trifft  man  an  der  Pforte  Peg-e  ■^) ;  und  kaum  einig-e  andere  Griechen, 
wie  Alexios  Disypates,  Metochites ,  Philanthrochos  Paläologos, 
bilden  den  Hof  des  letzten  konstantinopolitanischen  Kaisers.  Da- 
g-egen  ist  alles  dem  Protostrator  Giustiniano  überlassen ;  im  kaiser- 
lichen Palaste,  in  den  jetzt  von  den  offiziellen  Persönlichkeiten 
verlassenen  dvd/itOQa  sind  Venezianer  zu  Hause,  und  der  Bailo 
Girolamo  Minotto  benimmt  sich  als  Herr;  auch  Dolfm  und  Gio- 
vanni Loredano,  Gritti,  Storlado ,  Molin,  Zorzi  Cornaro  hatten 
ihren  ang-ewiesenen  Platz.  Von  Bukoleon  bis  Kontoskalion,  an 
der  Pforte  des  Hippodromos  wird  katalanisch  g-esprochen :  der 
Hauptmann  ist  Pier  Zulian,  ein  Untertan  des  aragonischen  König-s ; 
an  der  Goldenen  Pforte  hört  man  auf  die  Befehle  des  Genuesen 
Manuel  und  am  Myriandrion  stehen  drei  fränkische  Brüder,  Paolo, 
Antonio,  Troilo  de'  Buzardi  (Bocchiardi) ;  an  der  Hölzernen 
Pforte  und  am  Turme  ,,der  Winde"  sind  die  Genuesen  Giro- 
lamo und  Lionardo  di  Lang-asco  neben  Manuel  dem  Paläologen 
zu  treffen;  bei  Horaia  kämpfen  Matrosen  aus  Kreta;  Gabriel  Tre- 
visano  ist  der  Turm  am  Kanäle,  das  Kynegfion,  zug-ewiesen;  der 
alte  Theodoros  Karystinos,  der  neben  dem  Deutschen  Jo- 
hann Grofs  und  dem  Kreter  Manuel  Gudelli  an  der  Kalig-aria 
die  Verteidig-ung-  betreibt,  ist  aus  Karystos,  auf  der  Insel  Euböa, 
gebürtig-,  also  venezianischer  Untertan.  Ein  Contarini,  Giacomo, 
hat  die  Mauern  am  „äufseren  Hafen"  bis  Hypsomathia  unter 
sich.  Einen  hervorragenden  Anteil  ^)  hatten  die  Genuesen  Mauricio 
Cattaneo  und  Paolo  Bocchiardo.  Auch  ein  Giovanni  del  Carretto, 
ein  de'  Fornari,  ein  Salvadego,  ein  Gattilusio,  ein  Giovanni  Dal- 
mata    werden    in    den    Kämpfen    um    Konstantinopel    genannt^) 


i)  Pusculus  S.  216.  2)  S.  215. 


i)  Pusculus  S.   216.  2)  S.   215. 

3)  Pusculus;  Leonardus  Chiensis. 

4)  Montaldo  und  Brief  des  Podesta  in  „Notices  et  cxtraits "  XI', 

79- 

5)  Leonardus  Chiensis. 


24  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Neben  dem  Kaiser  selbst  erscheint,  als  „neuer  Achilles",  der 
Spanier  Don  Francisco  de  Toledo,  angeblich  ein  Verwandter 
der  Paläolog-en  *),  Endlich  ist  der  venezianische  Befehlshaber 
aller  Seekräfte  im  Hafen,  der  Capitano  der  Handelsflotte  von 
Tana,  Aloisc  Diedo,  zu  nennen  ^). 

Sog-leich  wurde  ersichtlich ,  dafs  Mohammed  nicht  sowohl 
auf  glänzende  Heldentaten  im  alten  romantischen  Sinne,  als  viel- 
mehr auf  die  Ausnutzung'  seiner  Bombarden  und  Kanonen  aus- 
ging-, mit  denen  er  sicher  war,  in  einigen  Tagen,  wenn  nicht  die 
starke ,  hohe ,  mit  Zinnen  versehene  innere  Mauer ,  so  doch 
wenigstens  die  niedrigere  äufsere  zu  zerstören.  Dadurch  hoffte 
er  der  Belagerung  einen  neuen  ungewöhnlichen  Charakter  zu 
geben.  Am  ii.  April  wurden  drei  OAEval,  VVurfmaschinen,  dem 
kaiserlichen  Palaste  Hebdomon  gegenüber,  drei  andere  an  der 
Pforte  Pege,  zwei  an  der  Pforte  Charsu,  andere  vier  an  der  des 
Heiligen  Romanos  aufgestellt.  Und  mit  grofsem  Erfolge  wurde 
die  Zerstörungsarbeit  auch  sofort  in  Angriff  genommen  ^). 

Der  Gang  der  Ereignisse  liefs  sich  übrigens  langsam  genug 
an  und  es  erfolgen  tragische  Zwischenfälle.  Nur  einmal  versuchten 
die  Belagerten  einen  Angriff  auf  die  Türken ;  sie  wurden  zurück- 
geschlagen und  hatten  keine  Lust  mehr,  den  mifslungenen  Ver- 
such zu  erneuern  ^).  In  der  finsteren  Nacht  vom  17.  zum  18.  April 
wollten  sich  die  Türken  durch  eine  Überrumpelung  der  Stadt 
bemächtigen ;  der  Kampf  mit  den  spärlich  verteilten  Verteidigern 
dauerte  vier  volle  Stunden  und  endlich  mufsten  die  Osmanen 
sich  zurückziehen.  Am  20.  April  kamen  drei  oder  vier  genuesische 
Schiffe  mit  Vorräten  an  Bord  an ;  da  an  eben  diesem  Tage  der 
Wind  schwieg,  konnte  Baltiogli  unter  den  Augen  des  Sultans 
ihnen  eine  förmliche  Schlacht  Hefern ,  an  der  auch  die  kaiser- 
liche Galeere  teilnahm,  die  mit  dem  türkischen  Admirale  selbst 
in  Kampf  geriet.  Nach  langem ,  blutigem  Ringen  erkannte 
der   letztere    die    Unmöglichkeit,    die    christliche    Hilfsmacht  zu 


1)  Phrantzes  S.   252  f.,  286. 

2)  Ebenda;  vgl.  auch  Barbaro  S.   727  ff. ;  Pusculus  S.  215  ff. 

3)  Barbaro  S.    733;  Tedaldi  S.  899;  vgl.  auch  Pusculus  S.   225. 

4)  Kritobulos  S.  62. 


Eroberung  Konstantinopels.  35 

vernichten.  Vom  Goldenen  Hörn  kamen  die  Schiffe  des  Gabriele 
Trevisano  und  des  Zaccaria  Grioni  heraus,  um  die  Ankömmling-e 
festlich  zu  empfangen  und  in  das  sichere  Versteck  diesseits  der 
Sperrkette  zu  bringen.  Mohammed  war  gegen  den  Besiegten 
unerbittlich ;  obgleich  der  arme  bulgarische  Renegat  durch  einen 
Steinwurf  am  Auge  verwundet  worden  war,  verlor  er  seine  hohe 
Stellung  und  wurde  sofort  durch  Hamza-beg,  den  Sohn  Dschali- 
begs ,  des  unglücklichen  Kämpfers  gegen  Pier  Loredano ,  er- 
setzt 1). 

Aber  am  folgenden  Tage  (21.)  schon  wurde  ein  Teil  der  Mauern 
an  der  Romanospforte  niedergeworfen.  EiHg  arbeiteten  Griechen 
und  Franken,  die  grofse  Öffnung  durch  Tonnen  mit  Schutt  und 
Steinen  wieder  auszufüllen ;  auch  wurde  ein  neuer  Graben  da- 
hinter aufgerissen  und  aus  der  dabei  gewonnenen  Erde  ein  Damm 
gebaut.  Aber  dieser  Erfolg  der  Osmanen  war  doch  die  erste 
Andeutung  der  Katastrophe.  Täglich  schleuderten  die  Kanonen 
mächtige  Steingranaten  gegen  dieses  schwache  Mesoteicheion  und 
bald  vermehrten  sich  die  Breschen ,  die  freilich  noch  immer 
ebenso  schnell  durch  Ausfüllung  mit  Tonnen  scheinbar  aus- 
gebessert wurden. 

Da  verfiel  Mohammed  auf  ein  heroisches  Kriegsmittel,  um 
die  schon  dünn  gesäten  Verteidiger  noch  mehr  zu  zersplittern. 
Aus  ihrer  Stellung  an  den  zwei  ,,Kiones",  den  ,, Säulen",  jen- 
seit  des  Kaps  von  Galata-Pera,  wollte  er  seine  Fahrzeuge  in  das 
Goldene  Hörn  herüberbringen  und  dadurch  die  35  Stadien  lange 
Mauerlinie  gegen  das  Meer  bedrohen,  so  dafs  die  Soldaten  und 
Verbündeten  des  Kaisers  auch  dort  zu  tun  hätten.  Diese  List, 
die  der  griechische  Chronist  des  siegreichen  Sultans,  der  Im- 
briote  Kritobulos,  und  der  fleifsige  lateinische  Schüler  Fusculus 
als  denen  des  Xerxes  überlegen  rühmt,  war  für  die  Techniker 
der  Zeit  vom  Schlage  des  grofsen  Artilleriemeisters  Urban  keine 
allzu  schwierige  Aufgabe.    Etwas  Ähnliches  hatte  Antonio  Marini 


1)  Besonders  Kritobulos  S.  81  ff.  und  Barbaro  S.  741  ff.  Vgl.  Fusculus 
S.  229  ff. :  er  spricht  von  drei  genuesischen  Fahrzeugen  und  einem,  das  dem  Kaiser 
selbst  gehörte;  ebenso  Zorzo  Dolfin. 


36  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

bei  Lizza-Fusina  mit  seinem  berühmten  carro  g-emacht  ^),  auch 
hatten  die  Venezianer  letzthin  durch  ein  Verfahren  der  Art  Schiffe 
in  den  Gardasee  gebracht^).  Erst  wurden  die  kleineren,  dann 
die  grofsen  Fahrzeug^e  auf  unbeweglichen  Rädern,  die  g"ehörig 
mit  Fett  g^eschmiert  waren,  durch  die  vereinten  Anstrengung^en 
zahlreicher  Salahors  und  einig^er  Büffel  zur  Höhe  des  g'eebneten 
und  mit  Balken  versehenen  Abhang-es  des  g"rofsen,  früher  g"anz 
mit  Weing^ärten  und  Bäumen  bedeckten  Hüg^els  von  Pera  em- 
porg-ehoben,  um  dann  von  oben  mit  g'eblähten  Seg^eln  unter  dem 
furchtbaren  Jubelgeschrei  der  Mannschaft  und  der  g'ewöhnlichen 
betäubenden  Musik  der  nacchere  und  zur  entsetzten  Verwunde- 
rung- der  Christen  blitzschnell  ins  schäumende  Wasser  des  Goldenen 
Horns  herabzug-leiten  ^).  So  kamen  nicht  wenig-er  als  67  Fahr- 
zeug-e  in  den  Schlupfwinkel  der  christlichen  Flottille  hinein.  Sie 
versuchten  selbstverständlich  g^ar  nicht,  die  kaiserliche  Flottille 
im  Kampfe  zu  schlag^en  und  zu  zerstören,  doch  leisteten  sie  auf 
zweierlei  Weise  der  Belag-erung-  Vorschub.  Einmal,  da  die 
Christen  in  den  Schiffen  nun  immerfort  auf  der  Hut  sein  mufsten 
und  somit  nicht  mehr  zur  Verteidigung-  der  Stadt  abkömmlich 
Avaren,  und  dann,  wie  schon  gesagt,  weil  mehrere  Abteilungen 
der  Kaiserlichen  am  Ufer  aufgestellt  wurden,  um  die  Mauern  auf 
dieser  bestens  geschützten  Linie  zu  besetzen.  Alle  Versuche 
der  Christen,  diese  eingedrungenen  türkischen  Fahrzeuge  durch 
Feuer  zu  vernichten,  blieben  erfolglos.  Als  Giacomo  Cocco  am 
28.  April  mit  seiner  Fusta  von  Trapezunt  und  einigen  andern 
Schiffen  kurz  vor  Tagesanbruch  Feuer  zu  legen  versuchte,  wurde 
er,  angeblich  von  den  Genuesen  verraten,  mit  einem  Schufs 
empfangen,   der  ihn  und  seine  Gefährten  ins  Meer  warf,  wo  alle 

i)  „M61anges  Monod"  S.  447. 

2)  Chronik  des  Zorzo  Dolfin. 

3)  Barbaro  S.  752  spricht  ausdrücklich  von  den  „ruodoli  convexi  ...  onti 
benissimo  di  sevo";  vgl.  Krit  obulos  S.  85 — 86;  Anon.  Thyselii  ebenda,  §12; 
Pusculus  S.  234 — 238;  „Serbischer  Janitschar",  Kap.  XXVI;  Dukas  S.  271 
bis  272;  „Notes  et  extraits"  II,  S.  516;  Isidorus,  in  „Notes  et  extraits"  II, 
S.  523.  Noch  heute  werden  auf  der  Donau  und  kleineren  Flüssen  oft  von  türki- 
schen und  christlichen  Matrosen  oder  gedungenen  Knechten  Barken  auf  den 
„Jedek"  gezogen.  Hier  hatte  man  statt  des  Flusses  die  geschmierten  Räder  unter 
dem  Schiffe. 


Eroberung  Konstantinopels.  27 

ertranken ;  beinahe  hätte  auch  die  Galeere  Trevisanos ,    die    von 
diesem  selbst  befehligt  war,  dasselbe  Schicksal  g-ehabt  ^). 

Indessen  war  der  Monat  Mai  gekommen,  und  in  der  grofsen 
Stadt,  die  in  ihrem  Befestigungsumkreise  auch  viele  Gärten  und 
Felder  einschlofs,  begann  sich  der  Mangel  an  Vorräten  fühlbar 
zu  machen.  Die  Bevölkerung  glaubte  in  manchen  aufserordent- 
lichen  Umständen  Vorzeichen  des  nahen  Verderbens  zu  ent- 
decken :  das  wunderwirkende  Bild  der  Mutter  Gottes  fiel  während 
einer  Prozession  zur  Erde  und  konnte  nur  mit  Mühe  wieder  auf- 
gehoben werden ;  ein  schreckliches  Ungewitter  zerstreute  ein 
anderes  Mal  die  Menge ,  die  sich ,  Litaneien  singend ,  mit  dem 
Klerus  an  der  Spitze,  langsam  durch  die  Strafsen  bewegte;  ein 
dichter  Nebel  verbarg  während  der  ersten  Stunden  des  Tages 
den  lachenden  Frühlingshimmel ;  ein  furchtbarer  Drache  erschien 
in  der  Umgebung  und  begann  die  Tiere  zu  fressen.  Blut  flofs 
aus  den  gefischten  Austern,  und  der  Mond  nahm  sonderbare,  un- 
erklärliche Formen  an.  Man  hoffte  aber  noch  immer,  dafs  Gott 
das  endgültige  Verderben  der  von  ihm  und  seiner  heiligen 
Mutter  beständig  beschützten  Stadt  nicht  zulassen  werde,  und 
die  alte  Sage  von  dem  himmlischen  Ritter,  der  an  der  Kon- 
stantinsäule erscheinen  werde,  um  mit  der  von  einem  Engel  ihm 
zugebrachten  Keule  die  Eindringlinge  bis  an  ,,  das  persische  Ge- 
birge" zurückzuschlagen,  zu  verfolgen  und  zu  vernichten,  wurde 
wieder  in  den  Seelen  der  bedrängten  Christen  lebendig  ^). 

Aber  die  schon  seit  langem  angezeigte  Hilfe  des  befreundeten 
Europa  blieb  aus.  Schon  Ende  Februar  hatte  der  venezianische 
Senat  ,,aus  der  Ehrfurcht  Gottes,  zum  Besten  der  Christen,  zur 
Ehre  der  Signoria  und  zur  Bequemlichkeit  (commodum)  und 
Nutzen  der  Kaufleute"  den  Beschlufs  gefafst,  bis  zu  zwölf  Ga- 
leeren in  Venedig  selbst  und  in  den  Kolonien  zu  bewaffnen 
und  nach  der  gefährdeten  Metropolis  des  Ostens  zu  entsenden: 
ein  Loredano,  Giacomo,  wurde  zum  Generalkapitän  dieser  mäch- 
tigen Flotte  ernannt,  vielleicht  auch ,  weil  sein  Name    eine    gute 

i)  Barbaro  S.   759  ff. ;    Pusculus  S.   240  ff. ;    vgl.  „Notes  et  exlraits'*  P, 
S.  289,   290  Anm. 

2)  Kritobulos;  Dukas   S.    289  —  290. 


38  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Vorbedeutung-  für  das  Erg^ebnis  des  Zug^es  war.  Aber  erst  am 
7.  Mai  waren  die  Vorbereitung-en  endlich  erledigt  und  Loredano 
die  nötigen  Instruktionen  g-eg-eben;  er  hatte  Weisung-,  die  Türken 
mög-lichst  zu  schonen  und  keineswegs  ohne  Provokation  sich  mit 
ihnen  in  eine  Schlacht  einzulassen;  zug"leich  wurde  auch  ein  Ge- 
sandter, Bartolomeo  Marcello,  an  den  Sultan  abg^eordnet,  um 
eine  Versöhnung-  zwischen  dem  Kaiser  und  dem  Sultan,  sei  es 
auch  unter  den  von  dem  letzteren  vorg-eschlagenen  ,,  nicht  allzu 
schweren"  Beding-ung-en  zustande  zu  bring-en '). 

Auch  damals  aber  hatte  der  König-  von  Arag-onien,  der  von 
venezianischer  Seite  rechtzeitig-  zu  einem  Zusammenwirken  ein- 
geladen worden  war,  noch  keinen  Entschlufs  zugunsten  seines 
konstantinopolitanischen  Vetters ,  den  er  sogar  einmal  zu  er- 
setzen gedacht  hatte,  gefafst,  und  auch  der  Karamane,  der  zwar 
bereits  am  12.  Februar  seine  Allianz  gegen  den  gemeinsamen 
Feind,  wenn  der  Krieg  nur  ernst  gemeint  wäre,  angeboten  hatte, 
liefs  es  bei  diesem  blofsen  Versprechen  bewenden.  Das  von 
Venedig  angerufene  Ungarn  rührte  sich  nicht :  hier  war  König 
Ladislas  vom  kaiserlich  deutschen  Hofe  endlich  angelangt,  die 
Reichsstände  waren  mit  den  inneren  Angelegenheiten  allzu  be- 
schäftigt ^).  Kaiser  Konstantin  hatte  vergeblich  auch  die  Hilfe 
des  entfernten  französischen  Königs  angerufen ,  der  ihm  noch 
im  Sommer  1452  antwortete,  er  habe  nicht  vergessen,  dafs  der 
Patron  seines  Reiches,  Saint-Denis,  ein  Grieche  gewesen  sei,  aber 
die  inneren  Verhältnisse  Frankreichs  gestatteten  ihm  einen  Kreuz- 
zug nicht;  übrigens  hatte  dem  Könige  der  italienische  Humanist 
Franciscus  Philelphus ,  ein  Nachfolger  des  Manuel  Chrysoloras, 
imd  durch  seine  Mutter  ein  Verwandter  Ilario  Dorias  und  der 
Paläologen,  eine  schön  geschriebene  Exhortation  geschickt  und 
ihm  methodisch  bewiesen,  dafs  nichts  leichter  sei,  als  das  türkische 
Reich  mit  dessen  armseligen  60 000  Kriegern  und  damit  jede 
mosleminische  Herrschaft  in  der  Welt  zu  vernichten  ^).    Endlich, 

i)  S.  a.  Cron.  diZorzo  Dolfin,  Ausg.  Thomas  ;  auch  in  De  th  ier-Hopf  III. 

2)  Cornet-Barbaro,  Anhang.     Siehe   für  die  Politik  Alfonsos,  Cerone, 
in  Archivio  storico  per  le  provincie  napoletane,   1902. 

3)  Vgl.  Philelphi    Epistolae;  Ducange,    Fam.    byz.    S.   246  ff. ;    beide    in 
Dethier-Hopf  III  wieder  gedruckt. 


Eroberung  Konstantinopels.  39 

erst  Anfang'  Juni ,  traf  in  Venedig"  der  vom  Papste  geschickte 
Erzbischof  von  Ragusa  ein ,  um  über  die  Bewaffnung-  von  fünf 
Galeeren  unter  der  Fahne  Petri  zu  verhandeln  ^).  Auch  war  ein 
päpstlicher  Legat  vergebens  in  Albanien  gewesen,  um  den  noch 
ruhig  abwartenden,  wenn  auch  mit  den  Türken  noch  nicht  ver- 
söhnten Kastrioten  zu  einer  Diversion  nach  dem  Osten  anzu- 
stacheln ^).  Genua  selbst,  die  am  meisten  interessierte  Macht, 
hatte  zwar  sieben  Schiffe  zusammengebracht,  und  am  ii.  Juni 
wurde  auf  dem  des  Kapitäns  die  Flagge  des  Heiligen  Georg  ge- 
hifst.  Aber  diese  Seekräfte  waren  einzig  für  den  italienischen 
Krieg-,  in  den  die  Republik,  dann  Venedig-,  der  König  des  Südens 
und  der  grofse  Herzog  im  Norden  verwickelt  waren,  bestimmt  ^). 

Am  3.  Mai  wurde  aus  dem  inneren  Hafen  ein  Brigantino 
ausgeschickt,  um  Nachricht  einzuziehen,  ob  Loredano  schon  in 
den  Gewässern  des  Archipelagus  ang-elangt  sei;  die  Kundschafter 
kamen  mit  verneinender  Antwort,  die  noch  mehr  demorali- 
sieren mufste,  zurück.  Am  5.  versuchten  die  Türken  wiederum 
einen  Streich  gegen  die  christliche  Flottille,  indem  sie  auf  dem 
Hügel  des  Heiligen  Theodoros  von  Pera  eine  Batterie  aufstellten ; 
aber  nur  ein  genuesisches  Handelsschiff  kam  zu  Schaden  *) ;  die 
anderen  suchten  jenseits  der  Sperrkette  unter  den  Mauern  Peras 
eine  bessere  Stellung,  wo  sie  freilich  fortwährend  mit  Steinkugeln 
bedeckt  wurden  ^).  Erst  nach  einigen  Tagen  konnten  sie  ihre 
frühere  Stellung  wieder  einnehmen. 

Die  Sturmangriffe  am  7.  und  12.  Mai  g-elang  es  den  Griechen 
zurückzuschlagen.  Darauf  errichteten  die  Türken  eine  starke 
Bastion,  und  die  Bemannung  vermochte  die  Gräben  an  dem  be- 
drohten Punkte  bei  der  Pforte  Charsu  mit  Erde  auszufüllen.  Zu- 
gleich schlug  man  eine  Brücke  von  Pera  bis  nach  Konstantinopel 
und  hatte    nun    eine    ausgezeichnete  Basis    zur  Beschiefsung-   und 


1)  „Notes    et    extraits"  I-,    S.   28oflf. 

2)  Ebenda  U,  S.  485  und  Anm.   2. 

3)  Ebenda  S.  488—489. 

4)  Barbaro    S.    769  S. ;     Kritobulos;     Pusculus     S.     234  ff. ;     Dukas 
S.  278. 

5)  Ebenda. 


30  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

aufserdem  eine  geeignete  Ablenkung",  um  die  Arbeit  auf  der 
Landseite  zu  fördern.  Auch  wurden  in  vielen  Richtungen, 
durch  herbeigezogene  Arbeiter  der  Bergwerke  von  Novobrdo, 
Minen  gegraben  ^) ,  aber  die  Geschicklichkeit  des  Technikers 
der  Byzantiner ,  des  Deutschen  Johann  Grofs ,  vereitelte  ihre 
Wirkung  ^). 

Vom  26.  an  sah  man  bis  spät  in  die  Nacht  hinein  viele 
Feuer  im  ungeheuren  türkischen  Lager  leuchten,  besonders  an 
der  Romanospforte,  wo  der  Sultan  selbst  stand ;  zugleich  erscholl 
ein  so  mächtiges  Geschrei,  dafs  die  Belagerten  glaubten,  ,,  der 
Himmel  werde  sich  öffnen".  Am  28.  arbeiteten  die  Kanonen 
eifriger  als  bisher,  und  türkische  Herolde  riefen  aus,  jedermann 
möge  sich  zu  dem  grofsen  Sturm,  der  am  nächsten  Morgen  ver- 
sucht werden  solle,  vorbereiten,  und  zwar  an  dem  ihm  bestimmten 
Orte ;  Mohammed  selbst  ritt  überall  hin,  um  die  pünktliche  Voll- 
ziehung seiner  Befehle  zu  überwachen.  Alles  dies  wurde  auch 
in  der  belagerten  Stadt  bemerkt,  die  Glocken  ertönten  von  allen 
Kirchen  und  in  allen  Klöstern,  die  heilige  ReHquien,  ehrwürdige 
Kaisergräber  und  kostbare  Kunstgegenstände  bewahrten:  sie  sollten 
auf  die  tragische  Majestät  des  letzten  Tages  des  christlichen 
Konstantinopels  vorbereiten. 

Bereits  drei  Stunden  vor  Tagesanbruch  begann  im  türkischen 
Lager  die  Bewegung.  Die  christlichen  Hilfsvölker  und  die  unteren 
Schichten  der  Moslems  ,  die  man  mit  eisernen  Ruten  und  Peit- 
schen antrieb,  hatten  den  Auftrag,  die  Leitern  an  die  in  einem 
elenden  Zustande  befindlichen  Mauern  an  der  Romanospforte, 
die  ein  Machwerk  von  Tonnen ,  Säcken  usw.  darstellten ,  zu 
bringen.  Sie  kamen  in  Masse  um ,  aber  leisteten  dem  eigent- 
lichen Heere  diesen  wichtigen  Dienst;  solches  Material  waren 
die  osmanischen  Heerführer  nicht  gewöhnt  zu  schonen,  konnte 
es  doch  so  leicht  ersetzt  werden !  Nun  traten  unter  dem  Befehle 
Mohammeds  selbst  und  beider  Beglerbegs  die  Janitscharen,  wo 
sich  der  Sultan  befand,  an  der  Pforte  des  Heiligen  Romanos, 
wie  auch  an   denen  von  Pege  und  Kaligaria  ^)   in  Tätigkeit :    sie 

i)  Vgl.  auch  Pusculus  S.   244».;  Tedaldi  S.  897. 
2)  Leonardas  Chiensis.  3)  Tedaldi. 


Eroberung  Konstantinopels.  31 

waren  durch  die  eiserne  Disziplin  ihres  auserwählten ,  ruhm- 
bedeckten Korps  verpflichtet  zu  siegen  oder  zu  sterben.  Unter 
ihnen  ragte  ein  Riese,  Hassan  von  Lopadion,  hervor,  bis  er  end- 
lich, von  den  Christen  tödlich  getroffen,  herunterstürzte  ').  Der 
Rauch  der  donnernden  Bombarden  umgab  sie  und  verbarg  den 
Belagerten  die  rasch  Vordringenden. 

Giustiniano  war  auch  an  diesem  entscheidenden  Tage  der  oberste 
Befehlshaber;  der  Kaiser  selbst,  von  einigen  hohen  landesbürtigen 
oder  fremden  Persönlichkeiten  umgeben,  tat  sich  nicht  hervor; 
er  hatte  seine  heilige  Majestät  zu  wahren  und  konnte  sich  dem 
Handgemenge  nicht  aussetzen.  Doch  war  er  auf  den  Tod  ge- 
fafst  und  hatte  in  der  Hagia  Sophia  das  Heilige  Sakrament  ge- 
nommen. Die  Venezianer  mit  dem  Bailo  an  der  Spitze  kämpften, 
trotzdem  sie  auf  den  genuesischen  Protostrator  neidisch  waren, 
nach  Möglichkeit.  Auch  sah  man  den  türkischen  Prätendenten 
Orkhan  unter  den  Führern  der  Besatzung.  Stundenlang,  bis  zum 
Morgen,  wurde  an  der  äufseren  Palisade  heifs  gekämpft  ^).  Eine 
Kugel  traf  Giustiniano  in  die  Brust,  er  wurde  tödlich  verwundet 
weggetragen  und  von  seinen  Getreuen  auf  sein  Schiff  ge- 
bracht. 

So  entstand  eine  Lücke  in  der  Reihe  der  Verteidiger;  es 
folgte  eine  allgemeine  Verwirrung.  Niemand  hatte  genug  Au- 
torität, den  verschwundenen  Generalissimus  zu  ersetzen ;  bei  dem 
furchtbaren  Lärme  der  Kanonen  und  dem  ermunternden  Geschrei 
der  Janitscharen  wurde  kein  Kommandowort  mehr  gehört.  Die 
Türken,  einmal  schon  zurückgeworfen,  füllten  den  Raum  zwischen 
der  niedrigen  äufseren  Palisade  und  den  hohen  Mauern,  die  an 
mehreren  Punkten  stark  von  Bomben  beschädigt  waren.  Es 
glückte  einigen  von  ihnen,  auf  schnell  angelegten  Leitern  bis  an 
die  verlassenen  Zinnen  zu  gelangen,  wo  einige  Augenblicke  vor- 
her Giustiniano  gefallen  war.  Zugleich  wurde  die  kleine  Pforte, 
durch  welche  die  Genuesen  aus  dem  Mauerring  herauszukommen 
pflegten,  um  die  Palisade  und  die  äufseren  Werke  zu  verteidigen, 
besetzt;  so  kamen  mehrere  von  den  Janitscharen  in  die  Stadt. 


i)  Phrantzes  S.   285  —  286. 

2)  "E^w  toD  xdaiQOv  Iv  TOI  TiiQvßöXM,  Sagt  ausdrücklich  Dukas   S.   284. 


32  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Aber  in  dem  grofsen  Wirrwarr  entging-  dieser  Erfolg-  den 
Kriegern  beider  Nationen ,  die  im  ganzen  Umkreise  der  Mauern 
im  Todeskampf  miteinander  rangen.  Am  Ufer  waren  die  Ma- 
trosen der  grofsen  Flotte  des  Marmarameeres  gelandet,  ihnen 
folgten  nun  auch  die  der  im  Goldenen  Hörn  liegenden  Fahr- 
zeuge ;  sie  wollten  ihren  Anteil  an  der  feierlich  und  öffentlich 
versprochenen  freien  Beute  nicht  versäumen. 

Währenddessen  bildeten  sich  aus  den  bereits  in  die  Stadt 
gedrungenen  Janitscharen  Reiterabteilungen,  die  durch  die  engen 
Strafsen  mit  ihren  meistens  hölzernen  Häusern  von  einem  Platze 
zum  anderen  nach  dem  Zentrum ,  zum  Hippodromos  mit  dem 
Obeliskus  und  der  ehrwürdigen  Sophienkirche  hinstrebten;  ihre 
Absicht  war,  von  den  verheifsenen  Spolien  das  Beste  für  sich 
vorwegzunehmen.  Besonders  wurde  in  jedem  Winkel  nach  kräf- 
tigen, schönen  Sklaven,  oder  nach  reichen,  die  sich  loskaufen 
konnten,  gesucht.  Getötet  wurden  nur  die,  die  sich  widersetzten, 
und  die  mit  blutigen  Waffen  in  der  Hand  angetroffenen  Kaiser- 
lichen oder  Franken.  Die  Osmanen  waren  nicht  töricht  genug, 
sich  ihren  Gewinn  durch  sinnlose  Hinschlachtung  von  Menschen 
im  Stile  eines  Timur  zu  verderben  ^).  Nur  Kranke,  Greise  und 
kleine  Kinder  wurden  geopfert,  wenn  sie  den  räuberischen  Siegern 
vor  Augen  kamen  ^). 

Es  war  der  Tag  der  heiligen  Theodosia,  deren  Reliquien 
Konstantinopel  neben  so  vielen  anderen  bewahrte,  und  trotz  der 
frühen  Stunde,  da  ,,  der  Schlaf  für  die  Augen  der  Jünglinge  und 
Jungfrauen  süfs  ist"  ^),  waren  alle  Kirchen  bereits  voller  Menschen; 
wer  durch  die  ersten  Boten  von  dem  Unglück  benachrichtigt 
worden  war  und  der  traurigen  Kunde  Glauben  schenkte  —  denn 
manche  lachten  darüber  und  trotzten  auf  den  göttlichen  unfehl- 
baren Schutz !  — ,  vermehrte  die  immer  dichter  werdende  Menge, 
in  der  Mitglieder  aller  Stände  und  Klassen  sich  zusammendrängten. 

1)  Vgl.  das  kundige  Urteil  Dukas',  der  die  kleinasiatischen  Angelegenheiten 
und  Sitten  ausgezeichnet  kannte:  <PiXoyQrifiaTov  yä(>  ov  t6  y^vog  tovto,  et  xai 
(poveii;  nuTQixdg  Ifxn^aot,  Iv  laTg  /fQalv  aviGiv,  diä  yjivaov  unokvovai,  S.  287. 

2)  Dukas  S.   295. 

3)  '0  TiQOHvög  vTivo;  ^Svg  i'jv  iv  6(p&akfxoii  tGjv  vicov  xai  viaviSwv; 
Dukas  S.  288. 


Eroberung  Konstantinopels.  33 

Wie  Wilde,  von  lauter  Gier  angespornt,  aber  durch  Disziplin 
abgehalten  sich  gegenseitig  in  die  Haare  zu  geraten,  brachen 
die  Osmanen  in  diese  recht  eigentlich  wie  für  sie  angelegten 
Hürden  menschlicher  Beute  ein :  an  Händen ,  Kleidern  und 
Barten  wurden  die  Gefangenen  gepackt  und  fortgeschleppt.  Aufs 
schnellste  beraubte  man  die  Kirchen  und  Privathäuser  —  den 
kaiserlichen  Palast,  das  Kloster  des  Prodromos,  die  neuere,  mit 
wunderbaren  Mosaikbildern,  die  heute  noch  zu  sehen  sind,  ge- 
schmückte Mone  tes  Choras ,  mit  ihrem  berühmten  Bilde  der 
Mutter  Gottes,  und  die  Wohnung  des  Protostrators  aller  Kost- 
barkeiten wie :  Stoffe,  Teppiche,  edle  Metalle,  Perlen,  Edelsteine, 
Bücher,  die  besonders  teuren  Einbände  der  Aufmerksam- 
keit der  hastig  suchenden  Eindringlinge  empfahlen,  und  gewifs 
nahm  der  Hof  des  Sultans  bei  dieser  anarchischen  Verteilung 
den  Löwenanteil.  Viele  wählten  sich  auch  schon  die  Häuser, 
in  denen  sie  fortan  an  Stelle  der  getöteten  oder  geflohenen 
Griechen  zu  wohnen  gedachten. 

Mohammed  IL  wollte  seine  kaiserliche  Würde  —  nun  war 
er  tatsächlich  ein  Kaiser!  —  nicht  durch  sein  Erscheinen  im 
wilden  Kampfe  der  häfslichsten  Leidenschaften  entweihen.  Er 
wartete  an  der  nun  weit  geöffneten  Pforte,  vor  der  sein  Zelt 
zwei  Monate  lang  gestanden  hatte,  während  deren  er  sich  in  den 
Besitz  Konstantinopels  geträumt  hatte.  Hier  empfing  er  auch 
die  Nachricht,  dafs  der  rumische  Herrscher,  der  Melik  des  nun- 
mehr den  Gläubigen  zugefallenen  Istambul  ^) ,  nicht  mehr  am 
Leben  sei.  Nach  dem  Zeugnis  des  gleichzeitigen  Chronisten 
Dukas  soll  er  im  Augenblicke  der  Auflösung  aller  Bande  und 
des  Erlöschens  aller  Autorität  schmerzlich  ausgerufen  haben : 
,,Gibt  es  niemand  hier,  um  mir  ein  Ende  zu  machen?^)"  Er 
scheint  im  Gedränge  erstickt  worden  zu  sein.  Erst  später  suchte 
man  auf  Befehl  des  Sultans  nach  ihm ;  endlich  meldete  sich  ein 
Türke ,  der  künftige  Pascha  von  Aidin ,  und  sagte  aus ,  er  habe 


i)  Istambul  =  flg  Ttjv  ITöXtv,  wie  griech.  Istachio  (Escion-Tedaldi)   = 
Chics,   Stalimene   =   Lemnos. 

2)   Ovx   iGTi    Tig   Tüjv   /QiaTcavöiv    Tov  kaßttv  rrjv  xtcpaltjf  fxov  an    if^ov; 
S.   286. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  0 


34  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

auf  einem  Haufen  Leichen  an  der  erstbesetzten  Pforte  einen 
Mann  gesehen,  der  dem  Kaiser  Konstantin  ähnlich  war;  man 
begab  sich  dorthin  und  erkannte  bald  die  purpurnen  Schuhe, 
die  mit  dem  kostbareren  Purpur  des  Märtyrerblutes  bespritzt 
waren ,  heraus.  Der  Kopf  wurde  abgeschnitten  und  noch  am 
selben  Tage  auf  der  Säule  des  Augusteons  aufgepflanzt,  wo 
er  bis  abends  blieb  ^),  um  allen  Griechen  dadurch  kundzutun, 
dafs  sie  keinen  Herrscher  mehr  besäfsen  und  nun  im  Sultan  ihren 
Beschützer  und  Basileus  zu  erblicken  hätten.  Nach  einigen  Tagen 
wanderte  der  abgeschnittene  Kopf  in  einer  kostbaren  Büchse 
von  einem  mosleminischen  Herrscher  zum  anderen,  um  allen 
den  Sieg  Mohammeds ,  besser  als  jedes  andere  Zeugnis  es  ver- 
mocht hätte,  bekanntzugeben.  Der  Platz ,  wo  man  den  Körper 
begrub,  wenn  man  ihn  nicht  einfach  ins  Meer  warf,  ist  unbekannt 
geblieben. 

Nach  drei  Tagen  '■'),  als  die  für  die  Plünderung  vorgesehene 
Zeit  verstrichen ,  als  einige  Strafsen  gesäubert  waren ,  die  ge- 
sättigten, zufriedenen  und  ermüdeten  Türken  sich  in  ihren  Lagern 
oder  auf  den  ihnen  angewiesenen  Posten  befanden  und  die  leeren 
Kirchen  keine  türkischen  Soldaten  mehr  in  sich  bargen ,  hielt 
der  neue  Kaiser,  mosleminischen  Glaubens,  in  einfacher  Weise 
seinen  Einzug.  Er  ging  durch  die  öden  Strafsen,  wo  kein  Mensch 
zu  sehen  war^),  geradeswegs  zur  Sophienkirche,  die  er  durch 
sein  Gebet  in  eine  Moschee  verwandelte.  Er  trat  zum  Altar  und 
verrichtete  auf  dem  Stein  des  heiligen  Tisches  seine  Andacht 
an  Allah,  der  Segen  spendet  und  Sieg  verleiht  ^). 

Der  Podestä  von  Pera,  von  Saganos  ermuntert,  hatte  Babila 
Pallavicini  und  Marchione  de'  Franchi,  angesehene  Mitglieder  der 
Kolonie,  mit  einem  Dolmetscher  an  Mohammed  geschickt,  um 
für  sich  und  die  Seinigen ,  die  gegen  die  Osmanen  öffentlich 
nicht  gekämpft  hatten ,  obgleich  die  Soldaten  von  Chios ,  die 
neuen   aus  Genua  angekommenen  Baiistarien ,    viele  Bürger  und 

i)  Dukas  S.  300.  2)  Montaldo. 

3)  OtTf  üv&owTiog,    ovth  XTfjvog ,    ovt'    ÖQvtov   xQUvyduov  i]  }.ak€iv  Ivtös; 
Dukas  S.  302. 

4)  Dukas  S.  299. 


Eroberung  Konstantinopels.  35 

sogar  der  Neffe  des  g-enannten  Podestä  unter  den  Verteidigern 
Konstantinopels  gewesen  waren  '),  Schonung  zu  erflehen  ^).  Ihre 
Stellung  war  die  von  Christen,  die  sich  nicht  widersetzen  und 
dadurch  Schutz  ihrer  Person  und  Achtung  ihres  Eigentums  und 
der  von  ihnen  bewohnten  Häuser  beanspruchen  dürfen.  Sie 
wurden  ihnen  denn  auch  durch  einen  kaiserlich  türkischen  Briefe) 
feierlich  aus  Adrianopel  gewährt,  nachdem  sie  seitens  des  Sul- 
tans schwere  Vorwürfe  für  ihr  zweideutiges  Verhalten ,  das  die 
Einnahme  Konstantinopels  so  lange  verzögert  habe,  hatten  hin- 
nehmen müssen.  Doch  wurden  die  Mauern  zum  Teile  nieder- 
gerissen ;  der  Turm  Santa  Croce  hatte  dasselbe  Schicksal.  Alle 
Waffen  mufsten  abgeliefert  werden,  und  der  Sultan  drohte,  dafs 
er  auch  die  Habe  der  entflohenen  Bürger,  die  nicht  zurück- 
kehren würden,  für  seine  Khasna  einziehen  werde,  weshalb  der 
Podesta  sich  beeilte,  dieselben  unverzüglich  durch  ein  nach  Chios 
geschicktes  Schiff  zurückzurufen  ^).  Ein  ,, Sklave"  wurde  zum 
wirklichen  Verwalter  bestellt;  die  Autorität  des  Podestä  erkannte 
man  nicht  mehr  an,  und  ein  protogero  mit  vier  gewählten 
Bürgern  übte  von  jetzt  an  die  Gerichtsbarkeit  in  Pera  ^). 

Was  die  Schiffe  betrifft,  so  gingen  die  fünf  Galeeren  des 
toten  Kaisers  in  den  Besitz  seines  Nachfolgers  über ;  auch  einige 
der  fränkischen  Schiffe  wurden  zur  Beute  geschlagen.  Aber  die 
meisten  venezianischen,  kretischen  und  manche  genuesischen  Fahr- 
zeuge —  darunter  die ,  die  den  bald  darauf  in  Chios  ^),  wo  er 
auch  begraben  liegt ,  verstorbenen  Giustiniano ,  fortführten  — , 
benutzten    die    Stunde    der  Verwirrung   und    des    Siegesrausches, 


i)  „Notices  et  extraits"  XI  \  S.  74 — 79. 

2)  Dukas  S.   297. 

3)  Siehe  diesen  Akt,  in  griechischer  und  italienischer  Sprache,  im  Archiv  von 
Genua,  Oriente  (1410—830)  in  ZorzoDolfin,  in  der  Handschrift  Bibl.  Marciana, 
lat.  cl.  XIV,  c.  267,  fol.  24  vo;  vgl.  Zinkeisen  II,  S.  26  Anm.  i;  Hammer  I, 
Anhang,   S.  675  ff. ;  auch  in  mehreren  anderen  Handschriften. 

4)  Brief  des  Podestä  in  „Notices  et  extraits"  XI ',    S.   74 — 79;    vgl.  Dukas 

s.  313- 

5)  ,, Notes  et  extraits"  H,   S.   293. 

6)  Am  15.  September  beschäftigt  sich  die  genuesische  Regierung  mit  seiner 
Hinterlassenschaft;  Archiv  von  Genua,  Lett.  18,  fol.  428,  no.  1791.  Vgl.  Dethier- 
Hopf   m,  S.  813,  Anm. 

3* 


36  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel. 

um  zu  entkommen.  Auch  hatten  zahlreiche  lateinische  und  selbst 
griechische  Bürg-cr  Konstantinopels  darauf  mit  ihren  Reichtümern 
Zuflucht  g-esucht.  Unter  den  Flüchtling-en,  die  sich  auf  einfachen 
Booten  und  in  türkischen  Kleidern  als  gemeine  Reisende  zu 
retten  unternahmen,  war  auch  der  russische  Isidor,  der  lateinische 
Patriarch  Konstantinopels,  und  sein  Genosse,  der  mitylenische 
Metropolit  Leonard,  die  wirklich  entkamen,  während  der  unglück- 
liche Osmanenspröfsling  Urkhan  entdeckt  und  unverzüglich  ge- 
tötet wurde  ^). 

Als  Friedensbrecher  aber  und  erklärter  Feind  der  kaiser- 
lichen Majestät  wurde  noch  am  Tage  der  Eroberung  der  vene- 
zianische Bailo  Girolamo  Minotto  geköpft,  und  wie  es  gewöhn- 
lich mit  Staatsverbrechern  gehalten  wurde,  mufsten  ihm  auch 
sein  junger  Sohn  und  sieben  Venezianer  in  den  Tod  folgen  ^). 
Auch  der  katalanische  Konsul,  seine  zwei  Söhne  und  einige 
Kaufleute  wurden  unter  demselben  Vorwande  hingerichtet.  Dem 
einflufsreichen  griechischen  Megadux  und  eigentlichen  Leiter  der 
Angelegenheiten  in  Konstantinopel  in  den  letzten  Jahren,  Lukas 
Notaras,  der  vom  Volke  oxrjlri  Pcof-iaitov,  die  ,,  Säule  der  Griechen"  ^), 
genannt  wurde  und  sich  während  des  ganzen  Verlaufes  der  Be- 
lagerung nicht  hervorgetan  hatte ,  weil  er  seinem  Herrn  aus 
religiösen  Gründen  grollte,  schien  Mohammed  verzeihen  zu  wollen. 
Aber  einige  Stunden  darauf  fiel  der  mächtige  christliche  Wesir, 
wahrscheinlich  infolge  der  Bemühungen  byzantinischer  Feinde, 
und  sicherlich  nicht,  weil  er  dem  betrunkenen  Sieger  den  ver- 
brecherischen Mifsbrauch  seiner  zwei  Söhne  verweigerte  *) ,  mit 
diesen  durch  das  Beil  des  Henkers ;  vielleicht  auch  wollte  der 
Sultan  sich  dadurch  die  reiche  Hinterlassenschaft  des  konstan- 
tinopolitanischen  Magnaten  sichern. 

Von  allen  griechischen  Behörden  liefs  der  neue  Herrscher 
nur   die   Vorstadtvorsteher  im   Amte.     Da   er    aber    durch   eine 


i)  Dukas  S.  300 — 301  ;  Chalko k ondy las  S.  398;  Sommern  in  „Notes 
et  extraits"  I*,  S.  311.  Nach  Kritobulos  hätte  er  sich,  um  einem  solchen 
schändlichen  Lose  zu  entgehen,  von  der  Höhe  der  Mauer  herabgestürzt. 

2)  Vgl.  auch  „Notes    et    extraits"  P,    S.  288—289. 

3)  Pusculus  in  Dethier-Hopf  III,  S.    144. 

4)  Wie  Dukas  S.  302  —  305  vorgibt. 


Eroberung  Konstantinopels.  37 

von  ihm  anerkannte  Autorität  mit  seinen  christlichen  Untertanen 
in  Verbindung  treten  und  vor  allem  durch  ihre  Vermittlung'  den 
Kharadsch  erheben  wollte,  so  bedurfte  er  auch  des  Patriarchen ; 
hatten  die  Türken  doch  stets  in  eroberten  Städten  den  Bischöfen 
und  Metropoliten  alle  gerichtlichen  Privilegien,  manche  Einkünfte 
und  einen  Teil  ihrer  ehrenhaften  Stellung  gelassen.  Mohammed 
hatte  kein  Interesse,  das  hierarchische  Gefüge  der  christlich  ortho- 
doxen Kirche  zu  lockern ;  im  Gegenteile  sah  er  in  ihr  ein  aus- 
gezeichnetes instrumentum  regni,  eine  alte  ihm  und  seinen 
Zwecken  sehr  nützliche  eiserne  Organisation ,  die  in  manchen 
Beziehungen  die  in  der  Staatseinrichtung  noch  vorhandenen  Un- 
vollkommenheiten  ausgleichen  konnte.  An  den  flüchtigen  Isidor, 
den  Agenten  des  Papstes ,  den  die  Bevölkerung  hafste ,  dachte 
jetzt  niemand  mehr.  Aus  seiner  Mönchszelle,  wo  er  in  der 
letzten  Zeit  so  viele  Besuche  empfangen  hatte,  dafs  er  gewisser- 
mafsen  als  der  verborgene  Führer  der  rechtgläubigen  Orthodoxie 
erschien,  wurde  Gennadios  Scholarios  ins  kaiserliche  Quartier  be- 
rufen und  zum  Patriarchen  ernannt.  Er  speiste  mit  dem  neuen 
Basileus  und  erhielt  von  ihm  ein  Ehrenkleid,  ein  kostbares 
ÖEKaviÄiov.  Mohammed  begleitete  ihn  bis  in  die  Mitte  des  Hofes; 
auf  einem  kaiserlichen  Pferde  ritt  er  dann  nach  Hause  zurück. 
Statt  der  mosleminisch  gewordenen  Hagia  Sophia  wurde  ihm 
die  Kirche  der  Heiligen  Apostel  mit  dem  Grabe  Konstantins  und 
den  Reliquien  der  Heiligen  Andreas,  Lukas,  Timotheus,  Spiridion 
und  Margarete  ^)  angewiesen,  und  als  auch  diese  durch  den 
darin  erfolgten  Tod  eines  in  der  Halle  aufgefundenen  Türken 
profaniert  worden  war,  siedelte  Gennadios  in  das  schöne  Gebäude 
des  Pammakaristos  ^)  über.  Er  konnte  sich  durch  die  ihm 
genehmen,  in  seiner  Nähe  residierenden  Metropoliten  konsakrieren 
lassen.  In  Wahrheit  aber  war  er  durch  die  Gnade  des  neuen 
Basileus  mosleminischer  Religion  Patriarch  geworden,  und  dies 
war  das  Entscheidende.    Die  oberste  geistliche  Macht  für  Griechen 


i)  Pilgerreise  in  Cod.  mon.  lat.  8501,  fol.  79;  Ducange,  Const.  christiana, 
B,  S.   105  ff. 

2)  Siehe  Phrantzes  S.  304  ff.  Nach  Kritobulos  wäre  der  künftige 
Patriarch  erst  später  unter  den  Sklaven  in  Adrianopel  gefunden  und  Ende  1453 
auf  den  Stuhl  erhoben  worden. 


S8  Erstes  Buch.     Erstes  Kapitel.     Eroberung  Konstantinopels. 

und  morg-enländische  Christen  hatte  den  neuen  Zustand  der 
Ding-e  vorbehaltlos  anerkannt;  das  Volk  und  die  meisten  Griechen 
gehorchten  dieser  Macht,  so  dafs  also  schon  im  Anfange  der 
neuen  Ära  jeder  Keim  einer  Opposition  seitens  der  neuen  Unter- 
tanen und  Kharadschpflichtigen  erstickt  war  ^). 

Nachdem  er  dann  den  alten  verdächtig-en  Khalil ,  den  be- 
rüchtig-ten  Gönner  der  Giauren ,  Giaur-Ortak ,  verdrängt ,  beraubt 
und  gefangen  nach  Adrianopel  geschickt  hatte  ^),  ohne  vorläufig 
jedoch  den  Mut  zu  haben,  diesen  greisen  verdienstvollen  „Lala" 
seiner  Jugend  zu  töten  ^) ,  ernannte  Basileus  Mohammed  einen 
gewissen  Soliman  zum  Subaschi  von  Konstantinopel.  Er  hatte  die 
Mission,  die  Stadt  zu  säubern,  deren  Amter  ins  türkische  System 
zu  übertragen  und  türkischen  Beamten  anzuvertrauen,  und  die 
Bevölkerungsverhältnisse  durch  Zurückführen  der  früheren ,  ge- 
flohenen Bürger,  sowie  innerhalb  dreier  Monate  durch  Kolonisation 
der  privilegierten  mosleminischen  Elemente  zu  ordnen.  Ein  Kadi 
hatte  die  Pflichten  eines  Richters  zu  erfüllen.  Nur  1500  Jani- 
tscharen  wurden  als  Besatzung  zurückgelassen  *) ,  viele  Asapen 
und  Sklaven  aber  in  den  leeren  Häusern  angesiedelt.  Die 
Glocken,  die  Grjj^iavTyjQia ,  eiserne  Platten,  an  die  mit  einem 
Hammer  geschlagen  wurde,  um  die  Gläubigen  herbeizurufen, 
verbot  man.  Zunächst  richtete  der  Sultan  dann  am  18.  Juni 
seinen  Weg  nach  Adrianopel,  wo  er  seine  Residenz  nahm  ^). 

i)  Die  Rechte  des  Patriarchen  in  Gerichtssaclien  wurden  auch  Venedig  gegen- 
über im  neuen  Vertrage  garantiert;  Barbaro,  Ausg.  Cornet;  z.  J.  1454.  Vgl.  auch 
das  Zeugnis  in  der  Chronik  Dolfins:  „sei  prende  citade,  quella  lassa  in  sua  lege". 

2)  Brief  des  Podestä  a.  a.  O.,  S.   77. 

3)  Phrantzes   S.    293—294;  Kritobulos;   Chalkokondylas   S.  406. 

4)  Brief  des  Podesta  von  Pera;  Seadeddin  II,  S.   165. 

5)  Siehe  die  schon  oft  angegebenen  Quellen,  besonders  Dukas  S.  313 — 314; 
Pusculus  S.  169.  —  Kritische  Darstellungen  der  Eroberung  Konstantinopels  sind 
von  Mordtmann  (1858)  und  von  Vast  in  der  „Revue  historique"  1880,  ge- 
geben worden.  Vgl,  auch  Krause,  Die  Eroberungen  von  Constantinopel  im  13. 
und  15.  Jahrhundert  (1870);  Vlasto,  Les  derniers  jours  de  Constantinople  (Paris 
1883);  Paspatis,  IIoXiOQxla  xal  tikwaig  rijg  KiavaTccvTivovnöktwg  vnö  xBv 
'O&tüfidvoiv  iv  hu  1453  (Athen  1890);  L.  Fincati  im  „Archivio  veneto" 
XXXII,  S.  I — 36;  vgl.  Pastor  I,  zweite  Ausgabe,  S.  500  und  Anm.  2,  3;  Mordt- 
mann, Esquisse  topographique  de  Constantinople,  Lille   1892. 


Zweites  Kapitel, 
Die  nächsten  Folgen  der  Eroberung  Konstantinopels. 


Nach  vier  Tagen  Meerfahrt  gfelangten  die  aus  Konstantinopel 
flüchtig-en  Schiffe  in  den  Hafen  von  Neg^roponte  und  fanden  hier 
den  eben  angekommenen  Loredano  mit  seiner  mächtigen  Flotte 
vor,  die  nun  freilich  nichts  mehr  ausrichten  konnte  *).  Die  päpst- 
lichen Galeeren  waren  bereits  ohne  Befehl  umgekehrt,  wofür  ihre 
fünf  Kapitäne  dann  vor  Gericht  gestellt  wurden  ^). 

Aber  erst  gegen  Ende  Juni  wurde  die  Unglücksnachricht  in 
Venedig  durch  die  Galeere  Sommaripa  und  dann  auch  durch 
die  zurückgekehrten  Schiffe  des  Viagium  Roman ie  bekannt, 
wo  manche  Mitglieder  der  herrschenden  Klasse  und  viele  Leute 
aus  dem  Volke  in  qualvoller  Erwartung  sich  um  das  Schicksal 
ihrer  in  der  eroberten  Stadt  befindlichen  Verwandten  und  Freunde 
sorgten.  Noch  viel  trauriger  war  die  Hiobspost  für  Genua,  das 
so  viele  seiner  besten,  reichsten  und  fähigsten  Söhne  im  nun 
verlorenen  Konstantinopel,  in  dem  vom  Sultan  beschlagnahmten, 
mit  ungewisser  Rache  bedrohten  Pera  hatte.  Auch  in  Rom 
machten  die  ersten  Briefe  auf  den  alten ,  von  den  besten  Ab- 
sichten beseelten  Papst  Nikolaus  einen  tiefen  Eindruck.  In  allen 
Handelsstädten  und  an  den  Höfen  aller  christlichen  Fürsten  er- 
regte der  Fall  des  einst  so  mächtigen  und  blühenden  Byzanz 
Bestürzung  und  Trauer. 

Zugleich  setzten  flammende  Ermahnungen  das  Abendland 
von  den  ehrgeizigen  Absichten  des  Siegers  in  Kenntnis  und  ver- 


i)  Zorzo  D  o  If  i  n. 

2)  Cronicon  F.   33  der  k.  oft".  Bibl.  zu  Dresden,  fol.   114  v". 


40  Erstes  Buch.     Zweites  Kapitel. 

langten  unverzüg-liche  Hilfe.  Selbst  erfahrene  Politiker,  die 
der  Katastrophe  des  29.  Mai  entgangen  waren,  ein  Isidor,  ein 
Leonard  von  Chios,  der  venezianische  Kapitän  des  Meeres,  spra- 
chen ebenso  wie  die  italienischen  Kaufleute  und  Schüler  von 
den  eiligen  Vorbereitungen  des  Sultans,  der  auf  nichts  weniger 
sinne,  als  sich  der  Inseln  des  Archipelagus  zu  bemächtigen  und 
vielleicht  auch  seine  Stellung  im  Schwarzen  Meere  und  an  der 
Donau  dadurch  zu  befestigen,  dafs  er  Cafifa  und  das  genuesische 
Dominium  der  Krim,  dann  Trapezunt,  Silistrien,  Belgrad  und 
Semendria  seinen  Besitzungen  einverleibte.  Der  Grofsmeister 
der  Johanniter  fürchtete  für  den  Frühling  einen  Angriff  auf  seine 
Insel  *),  und  der  König  von  Zypern  verlangte  gleichfalls  vom 
Capitaneo  Generale  Schutz  für  sein  Reich  ^).  Im  September  be- 
suchte ein  Gesandter  des  zyprischen  Königs  viele  italienische 
Höfe  und  Städte,  um  Hilfe  gegen  die  Türken  zu  heischen^). 
Der  neue  heidnische  Basileus  Neu-Roms  habe ,  schlofs  er ,  in 
stolzen,  prahlerischen  Worten  seinen  brennenden  Wunsch  ge- 
äufsert,  das  ehrwürdige  alte  Rom  den  Händen  der  Priester  zu 
entreifsen,  in  osmanischer  Form  das  Imperium  unicum  wieder- 
herzustellen und  den  Titel  eines  ,, neuen  Alexanders"  zu  recht- 
fertigen *).  Das  türkische  Heer  wurde  auf  200000  Mann  geschätzt, 
und  nach  denselben  voreingenommenen  oder  allzu  furchtsamen 
Kundschaftern  hätte  die  Flotte  an  200  Fahrzeuge,  darunter  24 
grofse  Galeeren,  viele  Galioten  und  Boote  und  eine  grofse  Menge 
von  Transportschiffen,  gezählt  ^). 

Nun  begannen  also  die  Vertreter  des  Humanismus  als  rhe- 
torische Naturen,  die  an  dem  aus  den  besten  klassischen  Quellen 
ausgewählten  lateinischen  Material  ihre  Freude  hatten  und  keine 

i)  Sein  Brief  in  Rinaldi,  z.  J.  1453;  ^'"  anderer  Mrief  desselben  an  den 
Prior  von  Deutschland  in  der  Handschrit  3520  der  Wiener  Hofb.,  fol.  29 — 30; 
derselbe  Brief  und  ein  dritter  Cod.  lat.  mon.,   19697,  fol,    127  ff. 

2)  Archiv  von  Venedig,  Sen.  Secr.    19,  fol.  210. 

3)  Priorista,  Bibliot.  Magliabecchiana  zu  Florenz  XXV,  379  und  andere; 
vgl.  Commenaoriali  XIV,  S.  121  — 122;  15.  Jannar  1454  (==  Ausg.  Predelli  V, 
S.  83,  Nr.  272). 

4)  „Et  asserit  maxime  et  notabilissime  se  esse  facturum  et  velle  alterum  esse 
Alexandrum";  Archiv  von  Venedig,  Sen.  Secr.    19,  fol.   216  v°, 

5)  Ebenda. 


Die  nächsten  Folgen   der  Eroberung  Konstantinopels.  41 

Gelegenheit  vorübergehen  hefsen ,  ohne  dem  Kreise  der  ge- 
schulten Kundigen  heftige  Reden  im  Stile  eines  Cicero  oder 
schöne  Beschreibungen  nach  dem  Vorbilde  eines  Livius  vor- 
zutragen ,  ihr  Wehegeschrei ,  ihre  prophetischen  Ermahnungen, 
ihre  donnernden  Verwünschungen,  wie  ihre  künstlich  ausgeklügelten 
Projekte  zu  verbreiten.  145 1  schon  hatte  derselbe  Philelphus, 
der  nach  der  Einnahme  Konstantinopels  ziemlich  demütig  und 
schmeichlerisch  an  Mohammed  schreiben  sollte ,  um  die  Frei- 
lassung einer  Verwandten  von  ihm  zu  erlangen,  in  einem  schönen 
Elaborat  von  einem  dreifachen  Angriff  auf  den  Sultan,  durch  die 
Ungarn  im  Norden,  durch  P>anzosen ,  Italiener ,  i\lbanesen  und 
die  überschätzten  Kräfte  der  moreotischen  Despoten  im  Westen, 
und  endlich  durch  eine  vereinte  europäische  Seemacht  unter 
dem  obersten  Befehle  König  Karls  VII.  von  Frankreich,  ge- 
sprochen ^).  Der  Domherr  Timoteo  von  Verona  rief  zum  hei- 
ligen Werke  Venezianer  und  Genuesen ,  den  condottiere  Gia- 
como  Piccinino  ^),  Carlo  Gonzaga,  den  mächtigen  Sforza^),  die 
reichen  Florentiner  und  alle  italienischen  Fürsten  auf.  In 
demselben  Sinne  klagte  und  ermahnte  auch  der  Deutsche 
Benedikt  von  Kreyburg  ^).  Der  berühmte  Kardinal  Bessarion, 
der  Führer  der  griechischen  Unierten,  beweinte  in  einem  Briefe 
an  den  Dogen  von  Venedig  das  Los  seines  Konstantinopels, 
dieses  ,,gymnasium  optimarum  artium"  und  machte  sich  an- 
heischig zu  zeigen,  wie  leicht  die  überhandnehmende  osmanische 
Macht   zu   brechen    wäre  ^).      Andere    folgten    diesen  Beispielen : 


i)  In  dem  Cod.  lat.  mon.  5333,  fol.  25  ff.  Auch  in  D  ethi  er-Ho  p  f  III. 
Über  die  Niederlassung  des  Philelphus  in  Venedig,  Sen.  Terra  4,  fol.   135  vo. 

2)  Vgl.  Florentiner  Archiv,  Strozziane,  serie  prima  iii,  fol.  115:  ann.  1455: 
er  sei  bereit,  die  Türken  zu  bekriegen. 

3)  Wiener  Hofb.,  ms.  3210,  fol.  i — 6  v-o ;  gedruckt  in  Pez-Huebcr,  Codex 
diplomatico -historico-epistolaris,  Augsburg  -  Graz  1729.  III,  S.  367 — 368;  vgl. 
Maffei,  Verona  illustrata  II,  S.  519.  Eine  andere  Handschrift  in  der  Univ.- 
Bibliothek  von  Bologna,  ms.    182,  fol.    122  vo  und   ff. 

4)  Wiener  Hofbibliothek,  ms.  3520,  fol.  34ff. ;  cod.  mon.  lat.  27063,  fol.  ggff. ; 
gedruckt  in  Pez-Hueber  III  (V.  Bd.),  S.  362—367. 

5)  Cod.  lat.  monacensis  5333,  fol.  77  voff.  Siehe  auch  eine  Predigt  an- 
läfslich    des    Falles    Konstantinopels    in    der    Leipziger  Univ.-Bibliothek ,    ms.   940. 


43  Erstes  Buch.     Zweites  Kapitel. 

zwar  wurden  die  gfekünstelten  Phrasen  nach  Mög-lichkeit  ver- 
ändert, aber  die  Gedanken  blieben  dieselben :  g-rofsartig-,  unprak- 
tisch und  eitel. 

Während  die  Gelehrten,  mit  Opuskeln  über  die  ,,  Theologie 
Mahommeds"  und  ,,den  Stammbaum  des  osmanischen  Hauses" 
versehen  ^) ,  sich  mit  solchen  mehr  oder  weniger  glänzenden 
Übungen  beschäftigten,  während  die  östlichen  Christen  sich  mit 
Klagen,  alten  prophetischen  Zeilen  2),  mit  Erzählungen,  die  ge- 
wöhnlich einen  starken  Zusatz  von  Phantasie  enthielten,  trösteten, 
während  die  Abendländer  naive  Legenden  erfanden,  worin  von 
einem  unglücklichen  Kaiser,  einem  verräterischen  Sekretär  und 
den  siegreichen  Ränken  des  Teufels  die  Rede  war  ^) ,  während 
hier  und  da  endlich  mit  Entrüstung  der  falsche  Schmähbrief 
Mohammeds,  des  ,,  Nachfolgers  und  Rächers  Rektors  und  anderer 
Trojaner",  an  den  Papst,  als  den  ,, Vikar  des  von  den  Juden  ge- 
kreuzigten Jesus",  wie  auch,  durch  Aneas,  des  Cäsar  selbst,  ge- 
lesen wurde  *),  fanden  die  Realpolitiker  in  Italien  und  der  päpst- 
liche Hof,  der  den  ganzen  Umfang  seiner  Pflicht  sehr  wohl 
erkannte,  keine  Mittel,  um  das  Geschehene  zu  rächen  oder  wieder 
wettzumachen.  Als  der  venezianische  Ermahnungsbrief,  ein 
Meisterstück  der  Schreibkunst  •^),  in  Rom  ankam,  waren  sich  so- 
wohl der  Empfänger  als  die,  die  ihn  zum  Heiligen  Krieg  an- 
spornten, bewufst,  dafs  die  italienischen  Verhältnisse  und  der 
lombardische    Krieg,    der    ihr    natürliches    Ergebnis    war,    keine 


Eine   griechische    Predigt    des  Metropoliten    von  Lesbos,    Dorotheos,    in    BvC- 
Xqovixcc  XII. 

i)  Mailand,  Bibl.  Ambrosiana,  R.  113,  fol.  181  ff.,  205  ff.;  od.  lat.  mona- 
censis   14668,   fol.    i  ff. 

2)  Wien,  Hof  bibl. ,  cod.  hist.  LXXX — LXXXI:  TaCra  rä  yQKfxixKTtt  tvQi- 
d-r)ac(v  tig  fivTjUiiov  fxitQfiuQtviov  toD  Tii(f>ov  Tov  MfydXov  KwvaravTivov  usw. 

3)  Hdschr.  1327  der  Universitätsbibliothek  zu  Leipzig;  Wiener  Hofb.  12880, 
fol.  265  f.;  eine  Skizze  in  „Notes  et  extraits"  P,  S.  332  ff.;  ein  falscher  Brief  des 
angeblichen  Patriarchen  Samuel  von  Konstautinopel  im  „Archiv  des  Vereins  für 
siebenbürgische  Landeskunde"  II,  S.   156 ff. 

4)  Exemplar  in  Florenz,  Bibl.  Magliabecchiana  II,  4,  109,  fol.  97  vo  bis  99; 
vgl.  cod.  lat.  monac.  3507,  fol.  353  V.  Vgl.  auch  Münchener  Hof  bibl.,  Cod. 
lat.   4689,   fol.    146  und   Bauer,   Der  Türkenschreck  in  Europa,   Breslau    1877. 

5)  Auch  in  der  Bibl.  Magliabecchiana  VIII,    1282,  fol.  40  vo. 


Die  nächsten  Folgen  der  Eroberung  Konstantinopels.  4S 

Intervention  auf  dem  Grunde  des  allg-emeinen  Friedens  Christi 
zuliefsen.  Zwar  sahen  bei  einer  Audienz  im  November,  als  sich 
der  Heilige  Vater  öffentlich  über  die  türkische  Gefahr  ausliefs, 
die  florentinischen  Gesandten,  die  den  italienischen  Frieden  ver- 
mittelten ^) ,  Tränen  in  den  Augen  des  im  tiefsten  Herzen  ver- 
wundeten Greises  ^).  Aber  nicht  allein  der  Schmerz,  sondern  vor 
allem  das  Gefühl  gänzlichen  Unvermögens  zu  helfen ,  machten 
ihn  weinen.  Er  mufste  sich  damit  begnügen,  dem  Kardinal  von 
Fermo,  wie  auch  dem  von  S.  Angelo  •^),  die  Mission  zu  übertragen, 
den  König  von  Neapel  und  seine  Gegnerin  Florenz,  dann  auch 
Venedig  und  Mailand  im  Interesse  des  Friedens  und  der  heiligen 
Sache  aufzusuchen'').  Bald  erfolgte  von  Neapel,  bei  dem  die 
Entscheidung  stand,  in  der  Tat  eine  günstige  Antwort:  ein  Frie- 
denskongrefs  in  Ankona  schien  bevorzustehen  ^).  Viele  glaubten, 
dafs  wenigstens  ein  Waffenstillstand  auf  fünf  Jahre  zustande  kommen 
werde  ^).  Auch  legte  der  Papst  der  ganzen  Christenheit  eine 
Kriegskontribution  auf,  aber  freilich  fand  sich  wenig  Bereitwillig- 
keit, solche  Opfer  zu  bringen.  Die  Kardinäle  sollten  den  Zehnten 
ihrer  Einkünfte  entrichten.  Im  Sommer  des  nächsten  Jahres 
wurde  ein  dritter  Prälat,  Erzbischof  Jakob  von  Ragusa,  zum  ,,  päpst- 
lichen Kommissar  für  die  Flotte  gegen  die  Türken"  ernannt'). 
Er  kam  wirklich  nach  Venedig,  um  hier  die  längst  angekündigten 
fünf  Galeeren  des  Heiligen  Stuhles  auszurüsten;  aber,  trotz  jahre- 
langen Hinziehens,  blieb  die  Mission  resultatlos.  Nach  vielen 
Bemühungen  konnte  der  Papst  endlich  am  25.  Februar  feierlich 
den  in  Neapel  zwischen  den  Republiken  und  den  Tyrannen  der 
Halbinsel  geschlossenen  Frieden  verkündigen  ^). 


i)  Archiv  von  Genua,  Lib.  Div.   57. 

2)  „Notes  et  extraits"  II,    S.  502. 

3)  Archiv  von  Mailand,  Bolle  e  Brevi,  busta  XXXVIII. 

4)  Archiv  von  Venedig,  Sen.  Secr.   19,  fol.   206  vo. 

5)  3°-  Jiili ;   ebenda  fol.   208  vo   bis   209. 

6)  Robert  de  Marceliis    an    den  Herzog    von  Mailand;    Korn,   11.  Sep- 
tember ;   Mailänder  Staatsarchiv. 

7)  Rinaldi,  z.  J.    1453 — 1454,    und   ., Notes   et  extraits"  II,   S.   30;    Archiv 
von  Venedig,  Sen.  Secr.   19,  fol.   205:   18.  Juli   1453. 

8)  Archiv  von  Mailand,   Sez.   istorica,  Autografi   Pontefici. 


44  Erstes   Bucli.     Zweites   Kapitel. 

Genua  hatte  nichts  vom  Sultane  zu  verlangen  und  betrachtete 
sich  nicht  als  im  Krieg-e  mit  ihm  befindlich  *).  Giustiniano  wurde  als 
ein  Söldling-  des  verstorbenen  Kaisers  ang'esehen;  Pera  hatte  nicht 
öffentlich  die  Partei  der  Griechen  erg-riffen.  Nur  traf  man  g-e- 
leg-entliche  Mafsreg^eln  im  Interesse  der  in  die  Metropolis  zurück- 
gekehrten Peroten  und  einig^er  Personen,  die  seitens  der  Türken 
besonders  g-elitten  hatten.  Einen  Aug-enblick,  im  September, 
wurde  die  Idee  einer  Gesandtschaft  an  den  Sultan  ventiliert  ^). 
Aber  erst  Ende  Oktober  ^)  wurden,  besonders  um  Caffa  zu  retten, 
die  Gesandten  erwählt.  In  deren  Instruktionen  war  vorg"esehen, 
dafs  die  Republik  keinen  Tribut  zu  zahlen  g-eneigt  sei,  weil  Caffa 
tmd  die  anderen  Besitzungen  im  Schwarzen  Meere  nicht  zum 
griechischen  Reiche  gehört  hätten^).  Das  war  alles,  wozu  die 
Einnahme  Konstantinopels  die  vorsichtigen  und  durch  vieles  Un- 
glück gewitzigten  Genuesen  vermochte  ^).  Denn  die  Republik 
erinnerte  sich  noch  im  Juli  der  feindlichen  Absichten  des  Königs 
von  Neapel  *')  und  seiner  Katalanen ,  wie  auch  der  Ränke  ihrer 
Verbannten,  der  Fuorusciti  ^). 

Seinerseits  wollte  auch  Venedig,  trotz  aller  schönen  Ver- 
heifsungen,  die  es  bei  jeder  Gelegenheit  zu  verbreiten  nicht  er- 
mangelte, keine  Feindseligkeiten  gegen  den  mächtigen  Sultan 
unternehmen  ^)  und  beschränkte  sich  darauf,  in  Negroponte, 
Phittleon,  Ägina,  Modon,   Lepante,    sogar  Skutari    und    anderen 

i)  Vgl.  den  Brief  des  Niccolo  Soderini  an  den  Herzog  von  Mailand 
(Mailänder  Archiv,  Genova,  bis  1455):  „I  Genovesi  non  anno  perduto  in  Levante 
nuUa  col  Turcho,  et  vuole  buona  pace  coUoro  :  di  che  egliono  sono  tutti  di  buona 
voglia  et  molto  allegri"  (14.  August  1453). 

2)  Archiv  von  Genua,  Lett.   18,  fol.  422,  no.  992. 

3)  Divers.  Filze  20;  23.   Oktober. 

4)  Filze  C. :  „  Duo  articuli  in  instructione  data  legatis  missis  ad  regem 
Turcorum :  ,  Si  vero  rex  ipse  aut  sui  ullum  sermonem  facerent  de  censu  seu  tri- 
buto  propter  Capham  et  alias  terras  Maris  Pontici  persolvendo,  voluraus  respon- 
deatis  nos  non  fuisse  miratos  si  pro  terris  que  quondam  fuerunt  sub  imperio 
Grecorum  Excellentia  Sua  tributum  aliquando  petiit'."     Vgl.  unten,  S.   53. 

5)  Siehe  „Notes  et  extraits"  I-. 

6)  Archiv  von  Genua,  Lib.  Div.   57:   10. — 13.  Juli. 

7)  Lib,  Div.  57. 

8)  Einige  türkische  Schiffe  wurden  aber  von  Loredano  gekapert ;  Cod.  it 
monacensis  527,  fol.   503. 


Die  nächsten  Folgen  der  Eroberung  Konstantinopels.  45 

bedrohten  Kolonien  Verstärkung'en  und  Ausbesserungen  vor- 
zunehmen ^).  Auch  bHeb  Loredano  andauernd  in  den  Gewässern 
der  Levante  stehen  und  kaperte  einig-e  Piratenboote.  Die  Re- 
pubHk  fafste  den  Beschlufs,  14 — 16  neue  Galeeren  sottili,  dann 
noch  weitere  20  zu  erbauen^).  Das  Viagium  Romaniae 
wurde  für  das  Jahr  verboten  ^).  Die  falsche  Nachricht  der  Er- 
oberung-  von  Negroponte  war  angekommen  *).  Um  Mohammed 
zu  beg'ünstig'en,  g'ing-  die  Sig"noria  so  weit,  oder  fiel  vielmehr  so 
tief,  dafs  sie  die  Tragödie  ihrer  nach  der  Einnahme  Konstanti- 
nopels hingeschlachteten  Bürger  wie  ungeschehen  hinnahm.  Schon 
am  12.  Juli,  als  kaum  die  ersten  Tage  allgemeiner  Trauer  vorüber 
waren  ^),  befahl  sie  Marcello,  trotz  der  Ereignisse  die  angetretene 
Reise  an  den  Hof  des  Sultans  fortzusetzen;  er  solle  die  Be- 
teiligung von  Venezianern  an  den  konstantinopolitanischen  Wirren 
damit  entschuldigen,  dafs  die  Republik  nichts  davon  gewufst  und 
noch  weniger  sie  veranlafst  hätte;  und  da  der  Sultan  sich  auf 
eine  höhere  Machtstufe  erhoben  habe,  dürfte  ihm  der  Gesandte 
eine  Erneuerung  des  Friedens  unter  entgegenkommenderen  Be- 
dingungen anbieten.  Nur  der  Schmach  des  Kharadschs,  der 
Stellung  eines  Tributpflichtigen,  möchte  die  Signoria  um  jeden 
Preis  ausweichen;  im  übrigen  sei  sie  bereit,  unter  dem  Titel  eines 
,,cotimo"  —  cotimus  mercantiarum  —  3000  bis  5000  Dukaten 
jährlich  zu  bezahlen,  besonders  wenn  der  Sultan  in  die  Zession 
der  Inseln  Lemnos,  Imbros,  Samothrake  ,,jenseit  der  Meer- 
engen", die  dem  Kaiser  gehört  hatten,  willigen  wolle.  Auch 
den  Zoll  von  2  Prozent  auf  alle  Einfuhr  und  ebensoviel  auf  die 
Ausfuhr  ist  sie  geneigt  anzunehmen,  nicht  minder  die  richter- 
liche Kompetenz  des  Kadis  in  gemischten  Streitsachen  zwischen 


1)  Archiv  von  Venedig,  Sen.  Mar  4,  fol.  199  ff. :  4.  bis  12.  Juli;  3,  fol.  2  vo : 
9.   bis    14.  August  usw. 

2)  Ebenda  fol.  2  (9.  August)  und  auch  die  folgenden;  Sen.  Terra  3,  fol.  75  vo, 
77  vo   bis   78;  Sen.  Secr.    19,  fol.   210  vo  bis   211. 

3)  Sen.  Mar  5,  6  vo  bis   7. 

4)  Not.  Coli.   17,   7. 

5)  Am  5.  wurde  dem  Gesandten  Befehl  erteilt,  vorläufig  noch  in  Negroponte 
abzuwarten;  Sen.  Secr.  19,  fol.  203  vo.  Am  9.  November  war  er  dorthin 
zurückgekehrt ,  um  den  Winter  zu  verbringen ;  Brief  der  dortigen  Offiziere  nach 
Kreta ;    Duc.  e  lett.  ric.  Q   26. 


46  Erstes  Bach.     Zweites  Kapitel. 

Türken  und  Venezianern  oder  venezianischen  Untertanen  ^). 
Dennoch  zog"  sich  der  Abschlufs  des  Friedens  in  bedenklicher 
Weise  hin,  und  im  Dezember  wurde  höchste  Gefahr  als  vor- 
liegend erklärt  und  äufserste  Mafsregeln  zur  Verteidigung'  ge- 
troffen. Am  23.  April  1454  aber  liefs  sich  Mohammed  endHch 
herbei,  Frieden  zu  schliefsen.  Darin  wurden  die  früheren  Klau- 
seln bekräftigt,  aber  zugleich  durch  neue,  die  im  schon  an- 
gegebenen Sinne  den  Handel  und  die  Nachbarschaftsverhältnisse 
regelten,  ergänzt;  vom  Kharadsch  und  der  damit  zusammen- 
hängenden Frage  der  byzantinischen  Inseln  war  jedoch  nicht  darin 
die  Rede  ^). 

Übrigens  hatten  die  Venezianer  im  Hafen  von  Gorigos,  der 
sich  im  Besitze  des  Grofskaramanen  befand  und  für  den  Handel 
mit  Seide,  Krmz  (rote  Farbe)  und  ,,ramina"  (Alaun)  bequem  lag, 
einen  Ersatz  für  den  von  Konstantinopel  in  Aussicht  genommen 
und  deswegen  eine  Gesandtschaft  geschickt  ^). 

Vergebens  sandte  Venedig  Anfang  1454  den  Negropontiner 
Niccolö  Sagundino  an  den  König  von  Aragonien.  Zwar  folgte 
man  seiner  schönen  lehrreichen  Sposizione  in  Neapel  mit 
grofsem  Interesse;  aber  Alfonso,  der  sich  von  Kaiser  Konstantin 
schon  seit  langem  Lemnos  erbeten  hatte  ^)  und  Beziehungen  zu 
den  sich  jetzt  ruhig  verhaltenden  Albanesen  unterhielt,  deren 
Land  er  gern  besetzt  hätte  ^),  liefs  sich  zu  keiner  gemeinsamen 
Tätigkeit  überreden.  Er  verfolgte  lediglich  seine  traditionelle 
Politik  im  Osten,  indem  er  dem  wieder  in  Tätigkeit  getretenen 
Skanderbeg,  den  der  König  seinen  ,,capitanio  de  armi"  nannte, 
Raymund  Orrofas  als  ,, Vizekönig"  mit  einigen  Truppen  zu  Hilfe 

i)  Cornet  im  Anhange  des  „Diario  Barbaros";  vgl.  auch  Ljubic  X, 
S.   I3ff. ;  Sindicamenti  II,  fol.  69  vo. 

2)  Commemoriali ;  Auszug  in  dem  Werke  von  Frede  111,  Libri  Commc- 
moriali  V,  S.  91 — 92,  nr.  288.  Auch  in  Greta,  Ducali  e  lettere  ricevute,  Q.  26, 
sind  die  „capitoli  da  novo  contrati  et  conclusi"  zu  finden.  Eine  Verteidigung 
der  venezianischen  Politik  von  1453,  i"  '^^^  Rede  des  Bernardo  Giustiniani  beim 
Begräbnisse  des  Dogen  Foscari;  cod.  lat.  XI,  9  der  Bibl.  Marciana,  fol.  42  vo.; 
gedruckt  in  Orazioni,  elogi  e  vite  scritte  da  letterati  veneti  I. 

3)  Sen.  Terra  3,  fol.   78;   14.  September   1453;  Greta,  Ducali  27,  fol.  2. 

4)  Phrantzes  S.  327. 

5)  Vgl.  auch  „Notes  et  extraits"  II,  S.  45  f     Vgl.  oben  S.   28. 


Die  nächsten   Folgen  der  Eroberung  Konstantinopels.  47 

schickte  ^).  Eigentlich  war  dies  ein  Akt  der  Feindschaft  geg-en 
Venedig",  denn  Skanderbeg  hatte  schon  im  JuH  kriegerische  Ab- 
sichten gegen  den  Bailo  von  Durazzo  zu  erkennen  gegeben  ^) 
und  erst  im  Herbste  sich  eines  Besseren  besonnen  ^).  Übrigens 
hatte  der  Fall  Konstantinopels  den  jungen  Helden  von  Kroia 
so  sehr  gedemütigt,  dafs  er  schon  daran  dachte,  auf  veneziani- 
schen Schiffen  über  Alessio  nach  Italien  zu  fahren  und  Rom  und 
Neapel  zu  besuchen  •*).  Auch  zu  einem  gewissen  ,,  Lancelothus 
de  Macedonia"  unterhielt  der  König  Beziehungen^).  Zu  einem 
energischen  Vorgehen  aber  konnten  den  König  auch  die  Gesandten 
des  Grolskaramanen,  die  ersten,  die  in  Europa  erschienen,  nicht 
bestimmen  •').  Der  im  Oktober  1453  in  Neapel  weilende  türkische 
Prätendent  Daud,  der  getauft  war,  erhielt  als  fremder  Fürst  die 
üblichen  Geschenke  ''),  und  dem  Konstantinopolitaner  Flüchtlinge 
Demeter  ,,Calapa"  und  ,,dem  griechischen  Dichter  Theodor" 
wurde  keine  gröfsere  Aufmerksamkeit  zuteil  ^).  Denn  Alfons 
hatte  auf  einem  anderen  Gebiete,  gegen  die  Moslems  von  Dscherbe, 
Tunis  und  Tripolis  bessere  Gelegenheit,  seinen  christlichen  Eifer 
zu  bezeigen,  und  tat  dies  in  glänzenden,  ritterlichen  Zügen,  die 
von  den  Zeitgenossen  bewundert  und  besungen  wurden  ^). 

Inzwischen  empfing  Mohammed,  während  sein  konstantino- 
politanischer  Subaschi  an  dem  Bau  des  neuen  Palastes,  der  heute 
den  Namen  Eski-Sarai,  ,,das  alte  Sarai",  trägt  und  verdient, 
arbeiten  liefs  ^^),  in  Adrianopel   die  Gesandten  aller  christlichen 


i)  „Notes  et  extraits "  II,  S.  45  f. 

2)  Sen.  Mar  fol.   i   v». 

3)  Ebenda  fol.   6  vo;  Ljubic  X,   S.    17. 

4)  Ljubic  X,  S.   18. 

5)  Handschrift  des  Francesco  Tranchedino,  Wiener  Hof bibliothek  2398. 

6)  „Notes  et  extraits",  II,  S.   51. 

7)  Ebenda. 

8)  Neapeler  Archiv,  Esecutoriali  1442  — 1460,  fol.  345  v«  bis  346  vo,  431  vo 
bis  433;  Hopf  II,  S.   125. 

9)  Siehe  Gaspari  Pelcgrini,  Historia  Alphonsi  primi,  Aragonuni,  Neapolis 
regis,  Handschrift  der  Neap.  Nationalbibliothek  IX,  22,  fol.  49  voff.  Über  eine 
serbische  Gesandtschaft  an  den  König  „Notes  et  extraits"  II,  S.  53.  Sie  wurde 
durch  die  Sendung  Giunio  de  Gradis  erwidert. 

10)  Dukas  S.  317—318;  Kritobulos. 


48  Erstes  Buch.     Zweites  Kapitel. 

Mächte  der  Balkanhalbinsel  und  des  Archipelagus ,  Trapezunts- 
und der  Insel  Rhodos.  Jetzt  war  er  nicht  mehr  der  frühere 
„Grofsherr  und  Emir",  sondern,  wie  seine  Medaillen  ihn  nennen, 
der  ,,g-rofse  König  ganz  Romaniens  und  Anatoliens",  6  f.i[eyag\ 
f-iEXiKr^g  Ttäor^g  Po/Liav[iag]  'Aal  AvatoXf]g  ')  oder  ,,Asie  et 
Gretie  Imperator",  wie  ihn  auf  einem  anderen  bronzenen  Bilde 
der  italienische  Künstler  Constantius  betitelt  ^).  In  dieser  seiner 
neuen  Eigenschaft  hatte  er  dem  ägyptischen  Sultan  200  junge 
Gefangene  aus  der  in  Konstantinopel  gemachten  Beute  übersandt, 
imi  ihm  durch  diese  lebendige  Probe  die  grofse  Eroberung  an- 
zukündigen; mit  einem  ähnlichen  Geschenk  beehrte  er  auch 
einen  anderen  der  älteren  mosleminischen  Regenten,  den  König 
von  Tunis.  An  beide  erging  zugleich  der  Vorschlag,  die  Sache 
des  Islams  fortan  mit  vereinten  Kräften  zu  fördern  ^).  Auch  be- 
glückwünschten ihn  die  mosleminischen  Vettern  zu  seinem  Sieg 
durch  spezielle  Gesandte  *).  Selbstverständlich  war  all  dies  für 
den  Augenblick  nur  leere  Form :  der  Soudan  sah  in  Mohammed 
nur  den  ,,wohlgebornen  Melek-el-Nasr  Mohammed,  den  Sohn 
des  grofsen  Murad-beg,  des  Sohnes  Osmans"^),  und  erkannte 
ihm  keineswegs  die  vom  Eroberer  schon  zugesprochene  Superio- 
rität  an ;  im  Gegenteil  erteilte  er  ihm  wegen  seines  Betragens 
gegen  den  König  von  Zypern  eine  ,, scharfe  Rüge"  ^). 

Den  Genuesen  in  Anos ,  Chios  und  Lesbos  und  den  Grie- 
chen auf  den  kleineren  Inseln,  sowie  den  moreotischen  Despoten  — 
die  eine  bei  der  Nachricht  von  der  Katastrophe  in  Konstantinopel 
ausgebrochene  allgemeine  Revolte  der  Albanesen  unter  Peter  dem 
Lahmen ,    der    die   Venezianer    und   sogar   die   Türken    zu    Hilfe 


i)  Dethier-Hopf  III,  S.  950,  Anm. 

2)  Siehe  auch  Thuasne,  Gentile  Bellini  et  Sultan  Mohammed  II,  Paris  1888. 

3)  Nach  einem  Briefe  des  venezianischen  Capitano  del  Mar ,  30.  September, 
in  Sen.  Secr.   19,  fol.   216  vo. 

4)  Kritobulos;  vgl.   cod.   it.   monacensis   90,   fol.   5  ff . 

5)  „Eccellentissimo  Emelcar  Enasar  Mahomet,  figliulo  del  gran  Morambach, 
figliuolo  di  Ottomane";  weiter  unten:  „il  signore  Elmachar  Hassari,  figliuolo 
d'Ottoraano". 

6)  „Ammonitioni  grandi";  ebenda,  November   1453. 


Die  nächsten  Folgen  der  Eroberung  Konstantinopels.  49 

berief,  zu  bekämpfen  hatten  — ,  wurde  ein  höheres  Kharadsch  auf- 
erlegt ^).  Die  Despoten  zahlten  jetzt  loooo,  Chios  6000  Dukaten 
(vo/Aia/xaTa)  jährlich,  Lesbos  3000^). 

Doch  wurden  sie  für  die  erhöhten  Leistungen  in  der  Art 
entschädigt,  wie  die  Venezianer  es  gewünscht  hatten,  um  den 
verlangten  cottimo  zu  zahlen.  Einige  Tage  nach  dem  Falle 
Konstantinopels  hatten  die  Einwohner  der  letzten  byzantinischen 
Inseln,  Lemnos,  Imbros  und  Thasos,  nachdem  ihre  vom  Kaiser 
ernannten  Befehlshaber  auf  italienischen  Fahrzeugen  sich  ge- 
flüchtet hatten,  ihren  Metropoliten  und  den  schlauen,  verständigen 
Schreiber  Kritobulos  an  den  Admiral  Hamza  nach  Gallipolis  ge- 
schickt, um  ihre  vollständige  Unterwerfung  anzubieten.  Der  Sultan, 
davon  benachrichtigt,  hielt  es  nicht  für  nötig,  einen  moslemini- 
schen  Subaschi  in  dieses  Thema  des  Archipelagus  zu  entsenden. 
Vielmehr  wurde  die  ausgedehnte  Insel  Lemnos,  die  Residenz  des 
Metropoliten ,  mit  zwei  Städtchen ,  sechs  Burgen  und  hundert 
Dörfern,  ebenso  wie  Thasos,  gegen  eine  Tributerhöhung  bis 
2325  Dukaten^),  Dorino,  dem  Herrn  von  Lesbos,  dessen  Sohn 
am  Hofe  des  Herrschers  weilte ,  überlassen.  Der  andere  Gatti- 
lusio,  der  in  Anos  seinen  Stuhl  hatte,  erhielt  für  200  Du- 
katen*) Imbros,  das  eine  kleine  „civitas",  fünf  Schlösser 
und  nur  20  Dörfer  umfafste  ^).  Man  sieht,  dafs  Mohammed  auf 
dem  Meere  nur  dreierlei  erstrebte :  den  Ruhm  des  alten  Alexander, 
den  Reichtum  eines  Dschingis-Khan  und  die  sichere  und  be- 
queme Regierungsart  desselben. 


i)  Sen.  Secr.  a.  a.  O. ;  Sen.  Mar  5,  fol.  12  vo;  für  die  Albanesen  siehe 
Sathas  I,  S.  215  —  217.  Am  28.  September  beratschlagte  man  in  Venedig  über 
die  moreotischen  Angelegenheiten;  Sen.  Terra  3,  fol.  80.  Am  17.  Oktober  wurde 
Niccolo  de'  Canali  auf  die  Halbinsel  geschickt;  Sathas  I,  S.  217.  Der  Kardinal 
Isidor  bot  den  Venezianern  seine  Vermittlung  zum  Zweck  einer  Versöhnung  mit 
dem  Despoten  an;  Sen.  Mar  5,  fol.  13;  11.  Dezember  1453.  Siehe  auch  Sen. 
Terra  3,  fol.  92  vo.     Besonders  Chalkokondylas  S.  407. 

2)  Dukas  S.  314—315. 

3)  Dukas   S.   328.  4)  Dukas   ebenda. 

5)  Kritobulos.  Die  Beschreibung  der  Inseln  im  Traktate  „Terre  hodierne 
Grecorum  et  dominia  secularia  et  spiritualia  ipsorum",  im  Jahre  1436  geschrieben; 
in  dem  cod.   monacensis  lat.    18298,   fol.    115  ff. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  * 


50  Erstes  Buch.     Zweites  Kapitel. 

Während  die  verschiedensten  und  schreckUchsten  Gerüchte 
über  seine  Absichten,  seine  unersättliche  Ländergier,  seinen  Durst 
nach  christlichem  Blut  im  westlichen  Europa  umg^ingen ,  blieb 
Mohammed  so  den  ganzen  Sommer  in  seiner  alten  Residenz  zu 
Adrianopel,  mit  dem  Empfange  feierlicher  Botschaften  beschäf- 
tigt. Erst  gegen  Ende  des  Jahres  zog  er  wieder  nach  Pera, 
dann  nach  Konstantinopel,  wo  er  am  24.  Dezember  seinen  Ein- 
zug hielt.  Khalil  aber  war  nicht  mehr  an  seiner  Seite;  der  Al- 
banese  Saganos  war  ebenfalls  in  Ungnade  gefallen;  auch  seine 
Frau ,  die  Tochter  des  Mazuls ,  hatte  der  Sultan  fortgeschickt : 
beiden  waren  Ländereien  in  Asien  zugewiesen.  Der  einzige 
Mann,  der  jetzt  Einflufs  auf  den  Herrn  hatte,  war  der  Gemahl 
einer  anderen  Tochter  des  Saganos ,  der  Grieche  Mahmud ,  ein 
Sohn  Milhaloglis  und  Enkel  des  Archonten  Philaninos  von  Hellas, 
ein  Mann,  der  neben  persönlicher  Tapferkeit  die  geistigen  Eigen- 
schaften seines  Stammes  im  höchsten  Grade  besafs  ^). 

Mohammed  sah  sich  die  Arbeiten  an  seinem  neuen  Palaste, 
der  mit  allen  seinen  Anlagen  und  den  prachtvollen  Gärten  im 
Umfange  nicht  weniger  als  acht  Stadien  messen  sollte ,  und  die 
an  den  byzantinischen  Mauern  vorgenommenen  eiligen,  aber  auch 
groben  Reparaturen  an.  Die  entweihten  Kirchen  wurden  so  weit 
instand  gesetzt,  um  als  Moscheen  benutzt  werden  zu  können, 
und  die  meisten  Wandmalereien  und  Mosaiken  wurden  schonungs- 
los mit  Kalk  übertüncht;  beim  Kloster  Manganai  siedelten  sich 
Derwische  an ;  im  Pantokrator  arbeiteten  jetzt  türkische  Schuster, 
und  manche  der  kleineren  Gotteshäuser  wurden  der  bleiernen 
Dächer  entkleidet,  um  für  die  Wohnung  des  Sultans  Material  zu 
liefern  ^). 

In  Gallipolis  wurde  eifrig  unter  der  Aufsicht  des  neuen 
Wesirs  an  der  Vergröfserung  der  Flotte  gearbeitet  und  so  die 
Meinung  erweckt,  dafs  ein  künftiges  Unternehmen  des  Eroberers 
der  grofsen  Insel  Negroponte  gelten  werde  ^). 


i)  Besonders  Kritobulos.  Vgl.  auch  Ch  alkokondy  1  as  S.  403 — 404. 
Über  die  Ankunft  des  Sultans  in  Konstantinopel  siehe  den  Brief  aus  Venedig  an 
Antonio  de  Merliano,  undatiert,  im  Archiv  von  Mailand,  Venezia. 

2)  Dukas  S.  317 — 318. 

3)  Brief  an  Antonio  di  Merliano. 


Die  nächsten  Folgen  der  Eroberung  Konstantinopels.  51 

Aber  die  gleich  zu  Beg-inn  des  Frühling-s  1454  auslaufende 
Flotte  war  gegen  die  in  der  Nähe  liegenden  Inseln  gerichtet,  ohne 
das  verfolgte  Ziel  zunächst  erkennen  zu  lassen.  So  schickte  der 
Herr  von  Lesbos,  um  Schonung  zu  erwirken,  durch  den  Chronisten 
Dukas,  dem  wir  auch  die  Angabe  verdanken,  an  den  Sultan  das 
Kharadsch  und  ein  Geschenk  —  im  ganzen  6000  Dukaten  — , 
schöne  Stoffe  und  reichen  Mundvorrat  ^). 

Hamza ,  der  noch  immer  Admiral  war ,  nahm  endlich  vor 
Chios  mit  180  Schiffen  Stellung  (29.  Mai).  Da  die  Maona  dem 
Sultan  letzthin  40 000  Dukaten,  die  einem  Genuesen  gehörten, 
streitig  gemacht  hatte,  behandelte  Hamza  die  Insel  feindlich  und 
zerstörte  die  Weingärten  in  der  Umgebung  des  Hafens  S.  Isidoro; 
die  Stadt  Chios  selbst  aber  war  gut  befestigt  und  eine  Flotte  von 
20  Schiffen  stand  zur  Verteidigung  bereit.  Die  von  den  Ein- 
wohnern geschickten  Unterhändler  —  darunter  Quirico  Giusti- 
niano  — •  wurden  fortgeschleppt.  Die  türkischen  Schiffe  erschienen 
dann  vor  Rhodos,  in  dessen  Hafen  viele  grofse  Kriegsschiffe 
lagen  ^) ;  dann  wurde  auf  der  kleinen  Insel  Langos  und  vor  Kos, 
die  den  Johannitern  gehörte,  geraubt.  Nach  einem  Aufenthalt  von 
22  Tagen  gingen  die  Türken  wieder  zu  Schiff,  ohne  eine  Besatzung 
in  den  Schlössern  Kos  und  Racheia  zurücklassen  zu  können.  Weil 
Hamzas  Unternehmung  fast  kein  Ergebnis  aufzuweisen  hatte 
—  Chios  hatte  aber  20000  Dukaten  bezahlt  — -,  wollte  ihn  der 
Sultan ,  der  seinem  Vorgänger  Baltioglu  die  Niederlage  unter  den 
Mauern  des  griechischen  Konstantinopels  verziehen  hatte,  köpfen 
lassen  ^) ,  verwies  ihn  aber  schliefslich  als  Befehlshaber  von  Sata- 
lieh  nach  Asien  *). 

Zugleich  mit  diesem  militärischen  Besuche  im  Archipelagus 
ordnete  Mohammed  einen  weiteren  im  Schwarzen  Meere  an,  nicht 


i)  Dukas  S.  321  —  322. 

2)  Dukas;  genuesische  Mafsregeln  für  die  Verteidigung  der  Insel  im  Archiv 
von  Genua,  Div.   57:    14.  Juli   1453. 

3)  Kritobulos. 

4)  Dukas  S.  321  f.  Interessante,  präzise  Nachrichten,  die  mit  denen  des 
Kritobulos  nicht  immer  übereinstimmen.  Wichtige  Nachricht  in  Vigna,  Co- 
dice diplomatico,  I,   S.   300 ;  vgl.   S.    353 — 354. 

4* 


53  Erstes  Buch.     Zweites  Kapitel. 

sowohl  um  den  dortigen  g-enuesischen  Kolonien  seine  unmittel- 
bare Suzeränität  aufzudringen,  als  vielmehr  in  der  Absicht,  die 
alten  Nachbarn  den  Umfang  seiner  Macht  fühlen  zu  lassen. 

Durch  ein  im  November  getroffenes  Abkommen  hatte  Genua 
seine  euxinischen  Besitzungen  dem  Banco  di  S.  Giorgio  über- 
tragen, um  so  jedem  Risiko  zu  entgehen  ').  Trotzdem  hielt  sich 
die  Republik  für  verpflichtet,  für  ihre  hier  in  der  Ferne  an- 
gesiedelten Bürger  am  Hofe  des  Sultans  ein  Wort  einzulegen. 
So  wurden  denn  im  März  1454  zwei  Gesandte  abgeschickt,  um 
die  künftige  Stellung  Caffas  und  der  umliegenden  Ortschaften 
zum  osmanischen  Reiche  mit  Mohammed  zu  regeln. 

Sie  erreichten  nichts.  Einer  genuesischen  Herrschaft  im 
Schwarzen  Meere  arbeitete  der  tatarische  Khan  entgegen,  der 
sich  bis  dahin  kaum  je  an  den  osmanischen  Sultan  gewendet 
hatte,  dessen  Superiorität  ihm,  dem  Nachfolger  Timurs  und 
Dschingis-Khans ,  dem  von  Polen ,  Russen  und  Rumänen  ge- 
fürchteten ersten  Giraiden ,  sehr  wenig  genehm  war.  Hadschi- 
Girai  wollte  Caffa  für  sich  selbst  haben ;  dafür  war  er  aber  bereit, 
dem  Sultan  die  ganze  Beute,  die  Sklaven  eingerechnet,  zu  über- 
lassen. Die  Behörden  Caffas  beeilten  sich  zwar,  den  Khan  durch 
eine  Erhöhung  des  Karadschs  um  600  sommi  günstig  zu  stim- 
men. In  allen  genuesischen  Häfen  und  ebenso  in  Monkastro 
an  der  Dnjestrmündung,  das  sich  im  Besitz  des  schwachen 
moldauischen  Fürsten  Petru  Aron  befand,  wurden  Vorkehrungen 
zur  Abwendung  der  Gefahr  getroffen.  So  war,  als  die  56  bis 
60  Fahrzeuge  zählende  Abteilung  der  osmanischen  Flotte  unter 
Timur-Khodscha,  dem  Stellvertreter  des  im  Archipelagus  be- 
schäftigten Kapudan-Bascha,  erschien,  alles  in  gutem  Vertei- 
digungszustande. Die  Türken  statteten  dem  Hafen  von  Mon- 
kastro einen  Besuch  ab ,  sie  besetzten  für  kurze  Zeit  Se- 
bastopol  und  griffen  am  13.  bis  14.  Juli,  aber  nicht  allzu  ernstlich, 
Caffa  selbst  an.  Auch  auf  dem  Strande  Gotiens,  wo  in  Mangup 
oder  Theodoroi  ein  christlicher  Fürst  mit  dem  tatarischen  Namen 
Olobey  herrschte ,  wurde  Beute  gesucht.  Noch  im  Sommer 
waren  auch  diese  Schiffe  nach  Gallipolis  zurückgekehrt,  nachdem 


i)  S.  auch  „Notes  et  extraits"  P,  S.   290,  Anm. 


Die  nächsten  Folgen  der  Eroberung  Konstantinopels.  53 

sie  die  neue  Macht  des  Sultans  Mohammed  glänzend  kundg-etan 
hatten  ^). 

Endlich  wurde  im  März  1455  von  den  Vertretern  Cafifas  ein 
Vortrag-  abgeschlossen;  die  dortigen  Genuesen  verzichteten  auf 
Samastro,  das  im  geheimen  dennoch  befestigt  wurde ,  und  ver- 
pflichteten sich,  3000  Dukaten  als  Kharadsch  an  die  kaiserliche 
Khasna  zu  entrichten  ^).  Mohammed  hatte  acht  neue  Bombarden 
am  Bosporus  aufgestellt  und  gab  dadurch  kund,  dafs  er  das  Do- 
minium des  Schwarzen  Meeres  behalte. 

UmMonkastro  und  das  an  den  Mündungen  der  Donau  gelegene 
Chilia  vor  weiteren  türkischen  Angriffen  zu  sichern  und  das  Recht, 
seine  moldauischen  Fischer  auch  weiterhin  auf  dem  Meere  segeln 
zu  lassen,  zu  behalten,  mufste  auch  Petru  Aron  dem  wiederholten 
Befehle  des  Sultans  Folge  leisten  und  schweren  Herzens  sich 
zur  Zahlung  eines  jährlichen  Kharadschs  von  2000  ungarischen 
Gulden  verpflichten.  Das  Privilegium  des  Sultans ,  das  einzige 
Dokument  dieser  Art,  das  uns  überliefert  worden  ist,  ist  von 
,,Sarkhanbeglie"  (Sarukhan-beg-Ili)  datiert,  am  5.  Oktober  1456, 
als  Mohammed  schon  von  der  Belagerung  Belgrads  zurückgekehrt 
war  und  sich  augenblicklich  in  Asien  befand  ^). 


i)  Belgrano  in  „Atti  della  societä  ligure"  XIII,  S.  261  fif.;  Vigna,  Codice 
diplomatico  I,  S.  86ff.,  I02ff.,  i3off.,  136,  139  — 140,  351;  vgl.  Wolkow,  Vier 
Jahre  aus  der  Geschichte  der  Stadt  Kaffa,  in  den  „Abhandlungen  der  liter.  Ge- 
sellschaft" von  Odessa  (russisch)  YIII,  S.  109 ff. ;  meine  „Chilia  §i  Cetatea-Albä" 

2)  Hurmuzaki  IP,  S.  670 — 671 ;  Rykaczewski,  Inventarium,  Paris  1862, 
S.  139;  vgl.  S.  I3ff. ;  vgl.  „Chilia  gi  Cetatea-Albä"  S.  119 — 120.  Vgl.  auch  die 
Arbeit  von  Giurescu,  Capitula^iile  Moldovei  cu  Poarta  Otomana,  Bukarest, 
1908,  S.   5 4  ff. 

3)  Vigna  I,   S.    112  f.,   255  f.,    269,    284  f.   usw. 


Drittes  Kapitel. 

Erste  Kämpfe  Mohammeds  II.  an  der  Donau,  gegen 
Serben  und  Ungarn.    Eroberungen  im  Ärchipelagus. 


Der  Sultan  selbst  hatte  für  die  Unternehmung'en  im  Ärchi- 
pelagus kein  allzu  grofses  Interesse  übrig:  noch  dachte  er  nicht 
an  die  Thalassokrateia,  die  unbestritten  den  damals  schon  mit  ihm 
versöhnten  Venezianern  und  den  Genuesen,  die  keine  Feinde  für 
ihn  waren,  gehörte.  Als  er  sich  nach  Asien  begab  und  nach  dem 
gröfsten  Erfolge ,  den  jemals  ein  Osmanenfürst  errungen  hatte, 
Brussa,  die  alte  ehrwürdige  Residenz  seiner  Vorfahren,  aufsuchte, 
als  er  sich  am  Anblick  des  friedlich  schlummernden  Asiens  er- 
freute, durften  die  Nachbarn  wieder  hoffen,  dafs  auch  der  ge- 
fürchtete Nebenbuhler  eines  Alexander  des  Grofsen  nach  einer 
gröfseren  Anstrengung  wie  andere  Menschen  Ruhe  brauchte  '). 

Aber  in  Wahrheit  war  Mohammed  schon  entschlossen,  den 
alten  rührigen  serbischen  Despoten,  der  die  Interessen  Ungarns 
und  die  Hoffnungen  auf  die  Wiederbelebung  der  christlichen 
Herrschaft  auf  der  Balkanhalbinsel  vertrat  und  wegen  seiner  lang- 
jährigen Erfahrung  und  seines  vorsichtigen  Verfahrens  besonders 
zu  fürchten  war,  aus  seiner  gesicherten  Stellung  zu  verdrängen, 
wenn  nicht  sogar  ihn  zu  vernichten.  Ein  anderer  Beweggrund 
gesellte  sich  dazu :  ganz  Serbien  war  in  der  ersten  Periode  der 
Regierung  seines  Vaters  Murad  eine  osmanische  Provinz  geworden, 
und  nur  dem  siegreichen  Eingreifen  Hunyadys  hatte  Georg  Branko- 
witsch  die  Wiedergewinnung  des  gröfsten  Teiles  seines  Gebietes 
zu   verdanken;    so   hatte   Mohammed    einigermafsen   die    Pflicht, 

i)  über  die  asiatische  Reise,  Kritobulos,  II,  §  9. 


Erste  Kämpfe  Mohammeds  II.  a.   d.   Donau.     Eroberungen  i.  Archipelagus.     55 

diesen  Verlust  seines  Vaters  wieder  gutzumachen.  Besonders 
lockten  ihn  die  reichen  Bergwerke  von  Novobrdo ,  die  dem 
Despoten  die  Mittel  lieferten,  seine  Unternehmungen  durchzu- 
führen, sowie  der  Besitz  der  grofsen  Heer-  und  Handelsstrafse, 
die  vom  ungarischen  Belgrad  durch  die  Länder  Brankowitsch', 
die  ihr  ihren  Reichtum  verdankten,  über  Philippopolis  weiter  nach 
dem  den  Osmanen  gehörigen  Konstantinopel  führte. 

Am  1.  August  1453  waren  serbische  Gesandte  vor  dem 
siegreichen  Sultan  erschienen  und  hatten  ihm  das  neuerdings 
verlangte  höhere  Kharadsch  von  12  000  Dukaten  überbracht. 
Man  empfuig  sie  gut  und  erlaubte  ihnen,  viele  der  in  Konstanti- 
nopel erbeuteten  Christen,  besonders  Mönche  und  Nonnen,  los- 
zukaufen und  in  Freiheit  zu  setzen  ^).  Georg  war  damals  haupt- 
sächlich mit  Eroberungsprojekten  am  Adriaufer  beschäftigt :  durch 
die  mit  dem  bosnischen  ,,Herzeg"  geschlossene  Allianz  —  der 
Sohn  Stipans,  Wladislaw,  mit  dem  Vater  endlich  versöhnt,  hatte 
vielleicht  eine  Verwandte  Georgs  geheiratet  ^)  —  fühlte  er 
sich  gestärkt;  die  Serben  griften  den  im  venezianischen  Dienst 
stehenden  Tschern ojewitsch  an  ^).  Venedig  besorgte  neue  ser. 
bische  Fortschritte  in  dieser  Zenta,  deren  Besitz  der  kluge  Georg 
vor  anderen  schätzte.  Noch  mehr.  Dem  Sultan  einen  höheren 
Tribut  zu  entrichten,  um  sich  dann  frei,  vielleicht  sogar  mit  os- 
manischer  Hilfe  in  der  Fremorje  ausdehnen  zu  können,  war  für 
den  Herrn  der  Bergwerke  von  Novobrdo  gewifs  kein  grofses 
Opfer.  Er  glaubte  sich  auch  durch  den,  dank  seiner  diploma- 
tischen Geschicklichkeit  145 1  zwischen  Osmanen  und  Ungarn 
abgeschlossenen  dreijährigen  Waffenstillstand,  der  bis  1454/55 
hätte  dauern  sollen,  vollauf  gesichert. 

Mohammed  leitete,  im  Sommer  1454,  den  Angriff  persönlich. 
Seine  Absicht  war  diesmal  nur,  das  Feindesland  in  seiner  ganzen 
Ausdehnung  zu  durchkreuzen  und  zu  verwüsten.  Viele  Tausende 
wurden  auf  schnellem  Zuge  gefangengenommen  und  als  neue  christ- 


i)  Dukas  S.  315. 

2)  Vgl.  Klaic  S.   389 — 390. 

3)  Ljubic  X,  S.   19—23. 


56  Erstes  Buch.     Drittes  Kapitel. 

liehe  Bürger  nach  Konstantinopel  geführt.  Die  ihm  entgegenge- 
schickten Reiter  des  Despoten,  der  in  Semendria  eingeschlossen 
war  —  ein  Venezianer,  der  Hunyady  besuchte,  spricht  von  9000 
Mann  — ,  wurden  leicht  zurückgeworfen.  Mohammed  kam  nach 
Ostrowitza-Siwrihissar,  wo  viele  Reichtümer  desBrankowitsch  hinter- 
legt waren,  und  nahm  das  Schlofs  ohne  grofse  Anstrengungen  ein. 
Das  grofse  Heer,  das  aus  den  Janitscharen  und  den  europäischen 
Spahis  Karadscha-begs  bestand,  ging  dann  weiter  und  erblickte 
nach  einigen  Tagen  die  hohen  ausgedehnten  Mauern  Semendrias 
an  der  Donau  vor  sich.  Hier  gelang  es  dem  Sultan  ziemlich 
leicht,  die  äufseren  Werke  und  die  ganze  unbefestigte  Vorstadt 
einzunehmen.  Doch  war  es  zu  spät,  um  eine  förmliche  Belage- 
rung zu  beginnen. 

Um  im  Oktober  wieder  in  Adrianopel  zu  sein  und  nicht, 
weil  er  die  päpstlichen,  aragonischen  und  burgundischen  Rü- 
stungen gegen  Konstantinopel  gefürchtet  hätte,  liefs  der  Sultan 
den  Rückzug  antreten.  Die  Serben  verzeichnen  den  Einfall 
Mohammeds,  die  Verwüstung  des  Landes,  die  Einnahme  Ostro- 
witzas  in  ihren  Annalen  und  fügen  hinzu,  dais  der  ,,Bascha" 
Karadscha  nach  der  Abreise  seines  Herrn  einen  eigenen  Raub- 
zug unternommen  habe  ^).  Dagegen  hat  die  osmanische  Reichs- 
chronik nur  eine  kurze  Erwähnung  dieser  Vorgänge  ^).  Denn 
kein  neuer  Glanz  umstrahlte  diesmal  die  osmanischen  Wafifen. 
Der  serbische  Krieg  sollte  vielmehr  noch  einmal  beginnen  ^). 

Während  dieses  nicht  gerade  ergebnisreichen  Versuches 
Mohammeds   gegen    Serbien   dauerte    die    ewig   vergebliche  Be- 


l)  n.liHII  KhCJIHHG  II  CKOEQJIHHKa  HlIKO.IS  OyXBaTII;  Bogdan, 
Ein  Beitrag,  S.  523.  Nach  Seadeddin  hätte  der  Despote  dadurch  den  Krieg 
hervorgerufen,  dafs  er  den  Weg  nach  Usküb  geschnitten  hätte. 

2)  Zink  eisen  II,  S,   73,  Anm.  2. 

3)  „Serbischer  Janitschar."  Weil  dieser  Zug  so  wenig  bekannt  ist,  wird 
folgende  Stelle  aus  einem  Briefe  des  Antonio  Guidobono  an  den  Herzog  von  Mai- 
land Interesse  erwecken  (Archiv  zu  Mailand,  Venezia,  142 1  — 1456):  „...  De  novo 
non  c'e  cossa  veruna,  salvo  chel  Turcho  era  venuto  verso  le  parte  de  Valachia  e  del 
despoto  de  Rassa  cum  grande  zente.  El  quäle  despoto ,  credendo  voiesse  cum 
dexordine,  cum  alchune  zente,  circha  persone  VIII j™,  andö  per  assaltarli.     Ma  trovo 


Erste  Kämpfe  Mohammeds  II.   a.   d.  Donau.     Eroberungen  i.  Archipelagus.     57 

mühung-  der  christlichen  Mächte  fort,  in  ItaUen  und  im  Reiche 
Frieden  herzustellen ,  um  dann  mit  vereinten  Kräften  diesen 
jjNabuchodonosor "  nach  Asien  zurückwerfen  zu  können. 

Am  St.-Georg'stage  des  Jahres  1454  fand,  den  Ermahnungen 
des  päpstlichen  Legaten ,  Johann  von  Castiglione ,  des  Bischofs 
von  Padova  ^),  zufolge,  in  Regensburg  der  erste  Reichstag  zur  Be- 
sprechung der  Kreuzzugsangelegenheit  statt.  Der  grofse  Humanist 
und  Phrasenmacher  Aneas  Sylvius ,  der  Kardinal  Piccolomini, 
ein  feuriger  Vertreter  der  kämpfenden  christlichen  Idee,  ein  be- 
geisterter Verteidiger  des  Rechtes  des  alten  klassischen  Bodens, 
vor  barbarischer  Entweihung  bewahrt  zu  werden,  und  aufserdem 
ein  Kenner  der  Verhältnisse  im  deutschen ,  ungarischen,  pol- 
nischen und  rumänischen  Osteuropa,  schilderte  in  schönen  Wor- 
ten —  bewunderte  ihn  seine  Zeit  doch  als  den  Meister  der  Rhe- 
torik —  den  Zustand  der  Christen  in  dem  von  den  ,,  heidnischen 
Hunden"  überschwemmten  Orient  und  predigte  die  Union  aller 
Gläubigen,  den  Kreuzzug  unter  der  Fahne  des  Heiligen  Römischen 
Stuhles  und  des  Heiligen  Römischen  Reiches.  Und  die  Herzöge 
von  Burgund  und  von  Bayern,  der  Markgraf  Albrecht  von  Branden- 
burg, Dr.  Ludko,  Domherr  von  Gnesen,  als  Vertreter  des  pol- 
nischen Königs  Kasimir,  die  Gesandten  der  Herzöge  von  Sa- 
voyen  und  Österreich,  des  Deutschen  Meisters  und  einiger  Fürst- 
lichkeiten im  Reiche  lauschten  der  Rede    mit  Vergnügen,    ohne 


li  Turchi  bene  in  ordine  et  hebe  la  pezore.  Ne  remassero  prexi  et  morti  la  piu  parte 
d'essi  Ungari.  Poy  chel  predetto  Turcho  sente  chel  papa,  la  Maiestate  del  R^  d'Ara- 
gona  et  Ducha  de  Bergogna  andaveno  o  vero  mandaveno  alchuna  possanza  verso  Con- 
stantinopoli,  deliberö  de  retornare  indireto  per  provedere  ad  decta  citade  Constan- 
tinopoli.  Et  cossi  retornö  cum  una  parte  de  sue  zente  piü  utille.  Li  altri  sono 
restati  ad  danni  del  predicto  dispoto  e  de'  Valachi.  II  Biancho  sla  la  vicino  ad 
la  guarda  del  Danubio,  aspeta  grande  exercito  de  Ungari,  quali  non  porano 
meterse  inseme,  Ime  non  sia  facto  el  raccolto,  quäle  serä  facto  ad  kaiende 
d'agosto.  Queste  sono  novelle  portate  per  uno  Venetiano,  persona  intendente, 
partito  dal  Biancho  da  XVIII  di  in  qua."  —  Die  Kämpfe  um  Semendria  werden 
nur  in  dem  Briefe  Hunyadys  an  den  Kaiser  —  Fejer,  Genus  Joiiannis  Corvini, 
S.  202  ff. ;  auch  in  Hurmuzaki  II*,  S.  47 — 48  —  erwähnt:  „captaque  exteriori 
civitate  Zendero,   obsidens  circumvallavit." 

i)  Vgl.  auch  cod.  monacensis   1586,    fol.  3853.;    cod.  lat.  monacensis  9503, 
fol.   354 — 356  yo. ;  vgl.  cod.  940  der  Leipziger  Universitätsbibliothek. 


58  Erstes  Buch.     Drittes  Kapitel. 

sich  g^erade  davon  überzeugen  zu  lassen.  Der  Kaiser  hatte  auch 
den  französischen  König-  eing-eladen  ').  Doch  traf  man  Mafs- 
reg-eln,  um  den  Reichsfrieden  auf  fünf  Jahre  zu  sichern,  ein  zahl- 
reiches Heer  für  einen  Dienst  von  drei  Jahren  zusammenzubring^en, 
das  „  die  Türken  aus  Europa  verjag-en  sollte ".  Die  künf- 
tigen Soldaten  Christi  —  deren  Anzahl  auf  200000  berechnet 
wurde  — ,  sollten  sich  einer  Kommission  von  drei  Mitgliedern 
vorstellen,  um  sich  in  die  Heereslisten  eintragen  zu  lassen;  sechs 
Provisores  werden  die  Oberaufsicht  haben.  Bereits  im  Monat 
April  wurden  die  Truppen  beordert,  sich  auf  die  Donau  zu  in  Bewe- 
gung zu  setzen,  und  zugleich  sollte  eine  italienische  Flotte  nach  der 
Levante  segeln,  um  von  Gallipolis  und  Lesbos  aus  den  Versuch 
zu  machen,  die  Schiffe  des  Sultans  zu  vernichten.  An  den 
Herzog  von  Burgund,  der  dem  Kaiser  schon  145 1  seine  Neigung 
zum  Kreuzzuge  bekundet  hatte  ^),  und  an  den  von  Savoyen  wollte 
man  Aufforderungen  ergehen  lassen  und  zugleich  eine  Allianz 
mit  Ragusa,  ,,  denen  uss  der  Bulgary,  den  Albaneser,  uss  Dal- 
macien,  Croacien  und  den  Sclaven  oder  Windischen",  mit  dem 
,, Kaiser  Trapesen,  der  ouch  ein  Christ  ist",  mit  dem  ,,  Kunig 
von  Hyberny"  und  ,,  dem  Halden  Caramannus,  der  sich  gewiiget 
hant  wider  den  grofsen  Türken",  zu  verwirklichen  suchen  ^).  Der 
Friede  im  Reiche  sollte  Weihnachten  beginnen  und  fünf  Jahre 
dauern ;  die  Kämpfer  für  die  Sache  Christi  sollten,  wie  in  den  Tagen 
der  alten  Kreuzzüge,  in  ihrer  Person  und  ihren  Gütern  geschützt 
werden.  T'inem  neuen  Tage,  zu  St.  Michael  (September),  an  dem 
man  in  Frankfurt  oder  Nürnberg  zusammentreten  sollte,  wurden 
die  näheren  Bestimmungen  vorbehalten  *). 


i)  Cod.  lat.  monacensis  4143,  fol.  105  vo  ff.  Ein  Brief  des  Äneas  Sylvias  an 
den  berühmten  deutschen  Kardinal  Nikolaus  von  Kues ;  Graz,  21.  Juli  1453  im 
cod.  lat.  monacensis  27063,  fol.  84.  Vgl.  auch  Jahresbericht  des  steir.  Land- 
archivs I  (1869),   S.   56ff.  und  Hist.  Jahrbuch   der  Görresgesellschaft  XII,   S.  351  ff. 

2)  „Notes  et  extraits"  P,  S.  342  ff.  Vgl.  die  Memoiren  von  Olivier  de 
la  Marche,  Kap.  xxix. 

3)  Über  die  venezianische  Gesandtschaft  der  Giovanni  Mocenigo  an  denselben 
vgl.  oben  S.  15  und  auch  Archiv  des  Herzogs  von  Kreta,  Ducali  e  lett.  ricevute,  Q.  28. 

4)  Cod.  lat.  monacensis  5333,  fol.  97 — 100  vo ;  26604,  f'^l.  loff. ;  7384, 
fol.  6ff. ;  27063,  fol.  161  vo ;  cod.  germ.  1586;  Nürnberger  Staatsarchiv,  Bündel 
S.   I,  L.   79,  N.  26a. 


Erste  Kämpfe  Mohammeds  II.  a.   d.  Donau.     Eroberungen  i.    Archipelagus.     59 

Viel  häufiger  noch  als  den  Kaiser  rief  man  den  unmündig-en, 
kaum  fünfzehnjährig-en  König  Ladislaus  von  Ungarn  in  schöner 
ciceronischer  Prosa,  in  kunstvollen  Versen,  in  langen  Predigten 
zur  Erfüllung  seiner  christlichen  Pflichten  auf.  Zu  diesem  Zweck 
kam  der  dem  Predigerorden  angehörige  Bischof  von  Caffa,  der 
soeben  aus  Klein-Armenien  zurückgekehrt  war  und  die  Klagen 
des  Patriarchen  Garabed,  des  nationalen  Oberhauptes  ^),  und  die 
der  vier  Erzbischöfe  der  unierten  Armenier  mit  sich  brachte.  Auch 
der  Bischof  von  Padua  erschien  am  Hofe  von  Ofen  ^).  Und 
italienische  Dichter  verherrlichten  in  Hunyady,  im  ,,  Jannes  Panno- 
nius",   den  künftigen  Rächer  des  Kreuzes^). 

Im  Laufe  des  Jahres  1453  aber  hatte  der  alte  Held  andere 
Sorgen :  er  wollte  seinen  älteren  Sohn  Ladislaus  verheiraten  und 
schrieb  an  die  Venezianer  nicht  in  Sachen  der  Wiedergewinnung 
des  kaiserlichen  Konstantinopels ,  sondern  um  Edelsteine ,  die 
die  Braut  schmücken  sollten  und  für  die  die  Republik  garantieren 
mufste.  Ende  des  Jahres  beabsichtigte  er,  anderer  Zwecke  halber 
mit  einem  Geleite  von  400  Reitern  und  Fufssoldaten  nach  Italien 
zu  gehen  *).  Phrantzes  versichert,  dafs  er  1453  das  Diplom  habe 
schreiben  lassen,  durch  das  Hunyady,  falls  er  Konstantinopel 
entsetzen  wolle,  —  wenn  nicht  Selymbria  —  Mesembria  überliefert 
würde  ^).  Ohne  Erfüllung  dieser  Bedingung  habe  er  den  Bedrängten 
nicht  helfen  wollen  ^). 

Im  Februar  1454  aber  wufste  man  in  Genua  von  einem  grofsen 
Plane  des  gröfsten  Türkenfeindes  ^) ;    es  hatte  eine  Einladung  zu 


i)  „Carebetb,  generalis  omnium  Armenorum,  et  patriarche  Vagsciabat";  cod. 
lat.  monacensis  3520,  fol.   34  ff. 

2)  Cod.  lat.  monacensis  5333,  fol.  39.  Ebenda  Antwort  des  Bischofs  Johann 
von  Grofswardein. 

3)  Gedichte  von  Basinius,  Franciscus  Durantis  Fanensis,  cod.  IV 
F  24  der  Bibliothek  von  Modena;  Prophezeiungen  ungarischer  Erfolge  gegen  die 
Türken  im   cod.   marcianus  X,    299,   fol.    7  2  ff. 

4)  Sen.  Terra   3,   fol.   69  vo,   86—87.  5)   S.   326—327. 

6)  Im  Winter  1452  fürchtete  man  einen  türkischen  Einfall  in  Siebenbürgen; 
Kronstädter  Archiv,  Samml.  Schnell  II,  Nr.  33. 

7)  „Vestrum  laudabile  in  Teucros  propositum  et  christiani  nominis  defensione 
atque  tutela";  Archiv  von  Genua,  Divers.   Filze   21;   21.   Februar   1454. 


60  Erstes   Buch.     Drittes  Kapitel. 

dem  Befreiung-skampfe  erhalten  und  antwortete  in  schönen  glatten 
Worten,  ohne  etwas  fest  zu  versprechen.  Seit  dem  ii.  Januar 
tagte  eine  ungarische  Reichsversammlung-,  um  über  die  Pflichten 
des  Donaureiches  gegenüber  der  osmanischer  Invasion  zu  berat- 
schlagen. Der  Beschlufs  trug  der  aufserordentlichen  Gefahr 
Rechnung,  ohne  den  alten  Privilegien  der  Stände  für  die  Zukunft 
etwas  vergeben  zu  wollen.  Hunyady  —  der  den  noch  in  Böhmen 
weilenden  König  in  allen  Zweigen  der  Regierung  vertrat  —  wurde 
zum  Kriegshauptmann  gewählt.  Ein  grofses  Heer  sollte  zunächst 
nach  dem  vom  Kaiser  Siegmund  eingeführten  Systeme  aus  den 
Banderien,  dann  aus  den  Reitern  und  F'ufsleuten,  die  die  Jo- 
bagyen  zusammenzubringen  befehligt  wurden  ^)  gebildet  werden. 
Schwere  Strafen  wurden  für  die  vorgesehen ,  die  dem  Auf- 
gebote nicht  Folge  leisten  würden  ^).  Ladislas  liefs,  von  diesen 
Beschlüssen  benachrichtigt,  im  März  auch  einen  böhmischen 
Reichstag  über  die  türkische  Frage  beraten  und  erwirkte  von 
demselben  das  Versprechen,  6000  Fufsgänger  und  1200  ge- 
panzerte Ritter  zu  schicken  ^). 

SelbstverständHch  wurden  in  Deutschland  so  wenig  wie  im 
bedrohten  Ungarn  Mafsregeln  für  das  Zusammenbringen  des 
Heeres  getroffen.  Ruhig  konnte  der  Sultan  seine  militärische 
Reise  vom  Archipelagus  an  die  Donau  ausführen.  Die  west- 
lichen Christen  nahmen  davon  keine  Notiz ;  sie  dachten  vielmehr, 
wenn  auch  nicht  sehr  ernstlich,  an  den  neuen  Reichstag,  der  für 
den  20.  September  nach  Frankfurt  zusammenberufen  worden  war. 

Aber  der  Kaiser  erschien  auch  hier  nicht  selbst;  ,, andere 
Angelegenheiten"  hielten  ihn  zurück,  und  er  liefs  sich  durch  seinen 
Reichsmarschall ,  durch  den  Kanzler  Ulrich  und  andere  Kron- 
beamten vertreten;  König  Ladislas  hatte  seinen  böhmischen 
Kanzler  und  den  Vizekanzler  von  Ungarn  geschickt;  für  den 
Papst  waren  Aneas  Sylvius,  der  mit  seiner  gewöhnlichen,  schönen 
und    edlen    Beredsamkeit    sprach ,     und    der   Bischof  von    Pavia, 


1)  Diese  waren   aber  nicht  verpflichtet,   die  Reichsgrenze  zu  überschreiten. 

2)  Cod.    lat.    monacensis    13 192,    fol.    128    v"   ff.      Vgl.    auch    Fefsler    II,. 
S.  546,  nach  dem  Corpus  iuris  hungarici. 

3)  Fe/sler  a.  a.  O. 


Erste  Kämpfe  Mohammeds  II,  a.  d.  Donau.     Eroberungen  i.  Archipelagus.     61 

dem  diese  Versammlung-en  zu  verdanken  waren,  eing-etroffen ;  die 
anwesenden  Deutschen  waren  zahlreich.  Es  wurde  bestimmt,  dafs 
die  Regensburg-er  Beschlüsse  in  Kraft  treten  sollten.  Den  König 
von  Ungarn  ersuchte  man,  mit  den  Türken  keinen  neuen  Frieden 
schliefsen  zu  wollen.  Der  Papst  sollte  im  Einverständnisse  mit 
allen  italienischen  Mächten  eine  Flotte  rüsten.  Dem  Könige  von 
Frankreich  wollte  man  Vorstellungen  machen,  um  ihn  aus  seiner 
Gleichgültigkeit  zu  erwecken.  Der  Reichsfriede  wird  zwei  Jahre 
dauern.  Um  die  letzten  Vorkehrungen  zu  treffen ,  sollten  der 
Kaiser,  der  König  von  Ungarn,  die  beiden  Kanzler  des  letzteren 
und  die  Kurfürsten  in  Wien-Neustadt  zu  Anfang  des  neuen  Jahres, 
um  Maria  Reinigung,  eine  Zusammenkunft  haben  ^). 

Bisher  hatte  Hunyady  nichts  gegen  den  kaiserlichen  Friedens- 
brecher unternommen.  Erst  nach  dem  Frankfurter  Tage ,  als 
der  osmanische  Befehlshaber  des  nördlichen  Serbien,  ,,Feriz- 
begowitsch",  der  Sohn  Feriz-begs,  im  schon  von  früher  her  den 
Türken  gehörigen  Kruschewatz  allein  blieb ,  ging  der  Reichs- 
hauptmann —  weil  es  sich  als  unmöglich  erwiesen  hatte ,  die 
grofse  Armee  zusammenzubringen  —  mit  wenigen  Reitern  über 
die  Donau.  Auch  war  gerade  die  dreijährige  Frist  des  mit  den 
Türken  geschlossenen  Vertrags  abgelaufen  2).  Unter  Krusche- 
watz wurde  der  serbische  Beg  geschlagen  und  gefangenge- 
nommen. Beim  Rückzuge  nahm  dann  Hunyady  den  Weg  gegen 
Vidin,  um  über  Severin  nach  Ungarn  zu  kommen.  Die  mäch- 
tige Donaufestung  wurde  auch  angegriffen ,    aber  ohne  Erfolg  ^). 


i)  Cod.  lat.  monacensis  5333,  dann  26604,  fol-  10  ff.  Auch  im  Münchener 
Reichsarchive,  „Türkenhilff  de   1446  bis   15 16". 

2)  Ein  Brief  aus  Wien,  nach  den  Angaben  des  ungarischen  Kanzlers,  bestätigt, 
dafs  in  Ungarn  vor  dieser  Zeit  kein  Reichskrieg  beabsichtigt  worden  war :  „  Isto 
anno  de  regno  Ungariae  nullus  apromptuaret  se  super  Turcis :  ita  esse  iam  con- 
clusum ,  sed  ad  annum  proxime  futurum ,  propter  pacem  cum  ipsis  Turcis  per 
gubernatorem  initam";  Kronstädter  Archiv,  Samml.  Schnell  II,  Nr.   12. 

3)  Vgl.  den  schon  zitierten  Brief  an  den  Kaiser,  sowie  den  an  die  sieben- 
bürgischen  Sachsen,  Teleki  X,  S.  430;  Keve,  10.  August  1454.  Vgl.  auch  den 
undatierten  ragusanischen  Brief  an  den  König  von  Aragonien  —  Archiv  von  Ragusa, 
Lett.  Lev.,  1454 — 1460,  fol.  262  vo. :  „Quem  gubernatorem  castra  posuisse  contra 
quoddam    oppiduca  Teucrorum    in    ripis    Danubii    nuncupatum    Bdign.     Intelleximus 


63  Erstes  Buch.     Drittes  Kapitel. 

Dennoch  wurde  der  kurze  Feldzug-  Hunyadys  von  vielen  als  ein 
grofser  Sieg  der  Christen  ang-esehen ,  und  im  November  lobte 
Rag-usa  das  Unternehmen  als  ein  solches,  das  dem  ung-arischen 
Reichshauptmann  ,,  ewig-en  Ruhm"  bringen  werde  ^). 

Der  Despot  hatte  sich  an  dem  Zuge  nicht  beteiligt.  Denn 
der  alte  Herr  wufste  nur  allzu  gut,  dafs  mit  schönen  ritterlichen 
Taten  nichts  Dauerndes  gegen  die  sicher  vorwärtsschreitenden 
Osmanen  erreicht  werden  konnte ;  er  wufste  aber  ebenso ,  dafs 
Goldmünzen  für  türkische  Ohren  einen  guten  Klang  hatten. 
Und,  da  Georg  noch  genug  goldene  Dukaten  hatte,  erbot  er  sich, 
das  Kharadsch  bis  zu  30000  Dukaten  zu  erhöhen,  obwohl  der 
Sultan  ihm  ein  umfangreiches  und  nützliches  Gebiet,  das  er 
zurückzufordern  nicht  den  Mut  besafs ,  entrissen  hatte.  Seiner 
Bitte  wurde  gewillfahrt;  ohne  der  früheren  Gunst  wieder  teil- 
haftig zu  werden ,  durfte  Georg  wenigstens  wieder  in  sein  Se- 
mendria einziehen,  wo  er  sich  am  19.  November  befand.  Viel- 
leicht hatte  er  damals  schon  Frieden  mit  Mohammed  geschlossen ; 
jedenfalls  weilten  seine  Gesandten  und  die  Hunyadys  in  jenem 
Monate  an  der  Pforte,  um  dieses  Ziel  zu  erreichen.  Das  Er- 
gebnis erwartete  der  Reichshauptmann,  der  keine  Lust  zum  Kriege 
auf  eigene  Kosten  und  eigene  Gefahr  mehr  hatte ,  im  stark  be- 
festigten Belgrad  ^) ,  wohin  er  eine  Heerschau  der  ungarischen 
Kräfte  im  Winter  anberaumt  hatte  ^).  Denn  man  war  auf  einen 
neuen  rächenden  Einfall  des  Sultans  im  Herbst  oder  Winter  ge- 
fafst;  Hunyady  hatte  sogar  die  Nachricht  bekommen,  dafs  Mo- 
hammed nicht  umgekehrt  sei,  sondern  sich  zwischen  Pirot  und 
Sofia  befinde  *).     Erst  als  die  Donau  nur  so  leicht  fror,  dafs  das 


quod  oppidum  commoditate  loci  et  suis  fortissimis  meniis  in  rem  ipsius  magnanimi 
gubernatoris  futunis  est  si  ipso  potiri  contigerit."  Die  Schlacht  von  Kruschewatz  mufs 
nach  dem  i.  September  gesetzt  werden,  weil  sie  in  den  serbischen  Annalen  dem 
Jahre  6963  (i.  September  1454  bis  i.  September  1455)  zugeteilt  wird.  Siehe  auch 
die  byzantinischen  Chroniken  —  Dukas  S.  315 — 317;  Chalk  okondylas 
S.  414  und  den  Ungarn  Thuröcz  S.  265;  besonders  auch  den  oben  gedruckten 
venezianischen  Brief. 

1)  „Dipl.  Rag."  S.  561;  vgl.  S.  556—557- 

2)  „Dipl.  Rag."  S.  557,   560,   565—568. 

3)  Ebenda  S.  569;  Teleki,  a.  a.  O. 

4)  Sein  schon  zitierter  Brief. 


Erste  Kämpfe  Moliaiumeds   II.   a.   d.  Donau.     Eroberungen   i.  Archipelagus.     63 

Eis  nicht  imstande  war,  den  Feinden  als  feste  Brücke  zu  dienen  ^), 
verschwand  die  Furcht  vor  einer  blutig-en  türkischen  Rache  für 
die  Herausforderung-  Hunyadys. 

Der  Despot  hatte  mit  den  Türken  bereits  Frieden  geschlossen, 
als  Hunyady  in  der  Sicherheit,  dafs  die  Reichsgrenze  keinen  An- 
griff von  Seiten  der  durch  ihn  beleidigten  und  geschädigten  Os- 
manen  zu  gewärtigen  habe,  von  Belgrad  aufbrach.  Er  ging  zu 
dem  ungarischen  Tage  in  Ofen ,  wo ,  wie  auch  gleichzeitig  auf 
der  Reichskonferenz  in  Neustadt,  die  Mafsregeln  für  den  grofsen 
Zug  gegen  den  Sultan  getroffen  werden  sollten. 

In  Neustadt,  wo  sich,  im  Februar  1455,  der  Kaiser  selbst  ein- 
gefunden hatte  und  auch  aragonische  und  polnische  Botschafter 
eintrafen,  die  ersteren  mit  besonderem  Luxusaufwande,  um  den  Zug 
ihres  Herrn  für  den  Frühling  als  sicher  anzukündigen ,  sprach 
wieder  der  berufene  Vertreter  der  Kreuzzugsidee  und  land  neue 
künstlerische  Mittel ,  um  durch  ,,  eine  schöne  getzirde  latteini- 
sche  Red",  die  doch  etwas  ,,  erkältete  Gemüt"  mehrerer 
hoher  Herren  zu  erwärmen;  besonders  lobte  er  den  treuen  Sinn 
des  brandenburgischen  Markgrafen  Albrecht,  den  er  ,,den 
tewtzsch  Achilles"  nannte;  in  Anwesenheit  der  aragonischen  und 
burgundischen  Gesandtschaften  wies  er  auf  die  Macht  des  Reiches 
hin ,  das  allein  imstande  sei ,  einen  grofsen  Zug  gegen  die 
Türken  zur  Ausführung  zu  bringen;  er  tat  allgemein  kund,  dafs 
Hunyady,  der  aus  den  Ländern  seines  Königs  allein  40000  Mann 
aufbringen  zu  können  glaube,  nur  ebenso  viele  aus  dem  Westen 
verlange,  um  das  heilige  Werk  mutig  in  Angriff  zu  nehmen. 
In  demselben  Sinne  redete  dann,  auch  in  deutscher  Sprache, 
der  kaiserliche  Delegierte  Ulrich  Riederer.  An  Anerbietungen 
mangelte  es  nicht.  Aber  schon  stand  der  Kaiser  im  offenen 
Konflikte  mit  den  Fürsten  seines  Reiches,  und  so  gingen  die 
Vertreter  der  Kurfürsten  mit  dem  Erzbischofe  von  Trier  nach 
Wien,    um    sich   bei  dem  König    von  Ungarn,    der    mit   grofser 

l)  Vgl.  die  in  Neustadt  gehaltene  Rede  der  ungarischen  Gesandten ;  Wiener 
Hofbibliothek,  ms.  3147,  fol.  281  ff.:  „Profecto  nisi  hyems  solito  levior  Danubium, 
qui  illa  ex  parte  nobis  murus  est,  fragili  admodum  glacie  astrinxisset,  arderent 
iam  vici  nostri,   castella  quaterentur,   machinis   urbes   everterentur." 


64r  Erstes  Buch.     Drittes  Kapitel. 

Pracht  dorthin  gfekommen  war,  Rats  zu  erholen,  was  ,, wider  des 
Keysers  Willen"  war.  Von  den  72  Reichsstädten  waren  nur 
ung-efähr  30  vertreten,  ,,wan  die  Gehorsam",  sagte  der  von  Trier, 
als  Führer  der  Opposition,  ,,were  so  kleyne".  Es  wurde 
von  derselben  Seite  der  Furcht  Ausdruck  g-egeben,  ,,das  nye- 
mant  diessem  Anslag  uss  dem  Rieh  nach  kommen  werde",  weil 
,,allenthalb  im  Reich  Zwitracht  und  kein  Frid"  herrsche.  Ver- 
gebens wurde  der  Kaiser  aufgefordert,  ins  Reich  zu  kommen, 
um  den  Frieden  wiederherzustellen.  Vergebens  erboten  sich 
die  ungarischen  Gesandten,  den  Krieg  fortzusetzen,  20000  Krieger 
zu  bewaffnen  und  dem  christlichen  Heere  Vorräte  zu  liefern  ^) ; 
man  blieb  schliefslich  bei  dem  früheren  Projekte  stehen  ^). 

Seinerseits  stimmte  der  ungarische  Reichstag  zu  Ofen  am 
23.  Februar  1455  für  den  Krieg  gegen  die  Türken.  Auch  ein  bur- 
gundischer  Gesandter,  der  alte  Schwärmer  Bruder  Nikolaus  aus 
dem  Predigerorden,  hatte  sich  bei  Hunyady  eingefunden,  um  die 
Bereitwilligkeit  seines  Herrn  für  den  grofsen  erlösenden  Krieg 
zu  bezeugen;  er  glaubte  mit  Sicherheit,  dafs  der  König  von 
Aragonien  eine  Flotte  zusammenbringen  werde  ^). 

Da  starb  am  24.  März  Papst  Nikolaus.  Auf  die  Nachricht 
von  seinem  Hinscheiden  wollte  Kaiser  P'riedrich  nicht  mehr  vor 
seinen  politischen  Gegnern  in  Neustadt  erscheinen,  sondern  liefs 
ihnen  die  Antwort  zugehen,  dafs  durch  dieses  Ereignis  und  die 
Unsicherheit  in  betreff  der  welschen  Flotte  alles  bis  zum  Früh- 
linge des  Jahres  1456  aufgeschoben  werden  müsse.  Mit  man- 
cherlei Aufserungen  über  diese  Willensmeinung,  aber  im  Grunde 
recht  zufrieden,  zerstreuten  sich  dann  Ende  April  die  Mitglieder 
der  im  Februar  zusammengetretenen   ergebnislosen  Konferenz  ^). 


i)  „Antea,  propter  indutias  quas  cum  Turcis  habebamus,  non  licuisset  pugnare, 
nunc  autem,  quando  eas  ultimus  nuper  clausit  dies,  libenter  auxilium  et  operam 
nostram  pollicemur,  ad  postulata  respondere  promptissimi"  ;  Wiener  Hofbibliothek 
ms.  3147,  fol.   281  ff. 

2)  Nürnberger  Archiv  a.   a.   O.  3)  „Dipl.   Rag."   S.   572 — 573. 

4)  Nürnberger  Archiv  S.  i,  L.  79,  Bd.  V,  Nr.  4:  Bericht  über  die  Verhand- 
lungen in  Neustadt.  Ein  Brief  an  König  Karl  VII.  in  den  Wiener  Registratur- 
büchern K. ,  fol.  231  vO;  2.  Mai  1455:  „Necessarium  sit  hoc  tempore  nostro 
contra  Turchos  arraa  capessere,  qui  nostram  religionem  pessumdare  nituntur."  Vgl. 
Teleki,  X,  S.  439—440. 


Erste   Kämpfe  Mohammeds  II.   a,   d.   Donau.     Eroberungen  i.  Archipelagus.     65 

Trotzdem  der  Nachfolger  Nikolaus'  V.,  Calixtus  III,  ein  Spanier 
von  Geburt  und  ein  berühmter  Rechtsgelehrter  und  bekannter 
Türkenfeind,  gleich  beim  Antritt  seiner  Reg"iening,  am  8.  April, 
feierlich  schwor,  dafs  er  keine  Ruhe  finden  werde,  bis  er  Kon- 
stantinopel der  Christenheit  zurückgeben  könne  ,  und  schon  am 
14.  April  dem  ungarischen  Könige  seine  Absicht,  die  Türken 
aus  Europa  fortzujagen,  kundgab  ^),  waren  alle  Vorbereitungen 
für  das  Jahr  1455  dadurch  lahmgelegt.  Der  Kaiser  war  der 
Verpflichtung,  sein  Versprechen  persönlicher  Teilnahme  am  Zuge 
zu  erfüllen,  entgangen.  Schon  am  23.  April  liefs  er  den  Ge- 
sandten des  Königs  von  Ungarn  durch  Aneas  Sylvius  erklären, 
dafs  der  Krieg  erst  im  Mai  1456  beginnen  könne,  und  zwar 
unter  einem  noch  zu  erwählenden  Hauptmanne ,  dafs  er  aber 
selbstverständlich  bei  allen  Fürsten  sein  kaiserliches  Wort  ein- 
legen werde  ^). 

Zur  Zeit  dieses  Verzichtes  hatte  Sultan  Mohammed  seinen 
zweiten  serbischen  Zug  bereits  begonnen,  ohne  auf  den  ge- 
schlossenen Frieden  und  die  verheifsene  Gnade  Rücksicht  zu 
nehmen.  Denn  durch  die  ungarischen  Vorbereitungen  glaubte 
er  sich  von  seinem  Eide  und  allen  daraus  abzuleitenden  Pflichten 
entbunden. 

Im  Frühlinge  des  Jahres  1455  waren  die  üblichen  50 000 
Spahis  Asiens  und  Europas  unter  Karadscha-beg  und  dem  Begler- 
beg  Asiens  bei  Adrianopel,  wo  sich,  von  den  kriegsbereiten 
Janitscharen  umgeben,  Mohammed  befand,  versammelt.  Das 
Heer  brach  um  den  St.  Georgstag  der  Christen,  als  die  gewöhn- 
liche Zeit  für  jede  kriegerische  Unternehmung  der  Osmanen, 
auf.  In  sieben  Tagen  gelangte  es  bis  zu  dem  ,,  Lande  Kon- 
stantins "  unter  dem  Hämusgebirge.  Von  Küstendil  aus  wurde, 
statt  des  nördlichen  Weges  nach  Sofia,  der  südwestliche  geg-en 
Kratowo  eing-eschlagen.     Hier  wartete  man    auf   den    bosnischen 


i)  Vgl.  Zinkeisen  II,  S.  6iff.  und  den  erwähnten  Brief  im  Nürnberger 
Archive  a.  a.  O. :  ,,Ut  illi  ininianissirai  hostes  christiani  Hominis  non  solum  a 
civitate  constantinopolitana,  quam  nuperrime  occupaverunt ,  sed  a  finibus  Europe 
penitus   expellantur. " 

2)   Cod.  lat.  raonacensis   7384,   fol.  6. 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.     II.  O 


66  Erstes  Buch.     Drittes  Kapitel. 

Woiwoden,  der  in  der  letzten  Zeit  nicht  wenig  für  die  Aus- 
dehnung' des  Reiches  getan  hatte  und  auf  seinen  Zügen  durch 
das  in  Zwiespalt  zwischen  dem  Könige  und  den  Woiwoden 
lebende  Reich  viele  christliche  Bauern  —  es  wird  von  1 1  ooo 
gesprochen  —  in  die  Sklaverei  geschleppt  hatte. 

Es  scheint,  dafs  während  der  paar  hier  verbrachten  Tage 
einige  serbische  Grenzbefehlshaber  sich  erdreisteten,  die  nach 
Lebensmitteln  vorausgeschickten  Akindschis  zu  überfallen  und 
zu  züchtigen ;  ein  Zeuge,  der  unter  den  Janitscharen  selbst  diente, 
versichert,  dafs  die  Serben  —  die  von  Sitnitza  waren  besonders 
zahlreich  —  einen  wirklichen  Sieg  davongetragen  hätten  und  nur 
vor  dem  Eingreifen  des  Sultans  selbst  sich  „  an  die  Gewässer 
von  Trepanja"  zurückgezogen  hätten  ^). 

Endlich  erschien  Isa-beg,  der  Sohn  des  grofsen  Isak  und 
Markgraf  der  nordwestlichen  Provinzen,  und  nun  bewegte  sich 
das  Heer  weiter  gegen  das  reiche  Novobrdo,  wo  es  am  25.  Tage, 
nachdem  die  Grenze  überschritten  war,  anlangte  ^). 

Der  Despot  leistete  auch  diesmal  so  wenig  wie  1454  offenen 
Widerstand.  Städte  und  Schlösser  wurden  möglichst  mit  Besatzun- 
gen und  Lebensmitteln  versorgt,  den  Bewohnern  auf  dem  Lande 
der  Rat  erteilt,  sich  entweder  in  die  befestigten  Plätze  oder  in  die 
grofsen  Wälder  und  ins  Gebirge  zu  flüchten.  Semendria,  die  neue 
Hauptstadt  des  Reiches,  war  imstande,  einer  längeren  Belagerung 
Trotz  zu  bieten.  Georg  selbst  nahm  seine  Gemahlin  und  Kinder, 
wie  auch  einige  Mitglieder  seines  Hofes  mit  und  begab  sich 
über  die  Donau  nach  Ungarn ,  wo  er  in  den  südlichen  Land- 
schaften ausgedehnte  Ländereien  und  starke  Schlösser  hatte. 
Mit  Hunyady  seit  langem  versöhnt,  wufste  er,  dafs  ihm  hier  keine 
weitere  Gefahr  drohe  ^). 

Nicht  weniger  als  40  Tage,  während  der  Monate  Mai  und 
Juni,    dauerte    die  Belagerung  Novobrdos,    das   Mohammed  und 


i)  „Der  serbische  Janitschare."  Doch  schweigt  die  offizielle  osmanische 
Chronik,  Seadeddin  U,  S.  lyoff. ,  und  ebenso  der  offiziöse  Grieche  Krito- 
b  n  1  o  s  sorgfältig  darüber. 

2)  Die  Zeitangaben  bei  Kritobulos,  der  das  Itinerär  des  Sultans  benutzt 
zu  haben  scheint. 

3)  Die  schon  angegebenen  Quellen. 


Erste  Kämpfe  Mohammeds  IL   a.   d.  Donau.     Eroberungen  i.  Archipelagus.     67 

den  Seinig-en  reiche  Beute  versprach,  und  der  Sultan  konnte  ihr, 
trotz  ungarischer  Prahlereien,  ungestört  obliegen.  An  einen 
Entsatz  war  nicht  zu  denken.  Nur  durch  den  Geist  ritterlicher 
Aufopferung  zog  sich  die  Einnahme  der  Stadt  hin.  Erst  Anfang 
Juni  betraten  die  Türken  die  berühmte  Silberstadt  ^).  Es  wurden 
dann,  wie  gewöhnlich,  ein  Subaschi  und  ein  Kadi  zurückgelassen; 
viele  der  zu  Sklaven  gewordenen  Einwohner  mufsten  nach  dem 
entfernten  Konstantinopel  pilgern,  um  die  neue  Hauptstadt  des 
Reiches  zu  bevölkern.  Nach  einigen  Tagen  wurde  auch  das 
bosnische  Treptsche ,  das  gleichfalls  Bergwerke  besafs ,  eine  ra- 
gusanische  Handelskolonie  beherbergte  und  im  alten  Patrimonial- 
gebiete  der  Brankowitsch  lag,  eingenommen  2).  Prisren  und 
Bichor  in  Zagorien  ^)  übergaben  sich  Karadscha ,  dem  mit  den 
europäischen  Asapen  auf  Raub  und  Verwüstung  ausgeschickten 
Beglerbeg  Rums  *).  Bis  zum  Morawaflusse  hin  wurde  das  ganze 
Land  der  unmittelbaren  Autorität  des  Sultans  unterworfen  ^). 

Wahrscheinlich  im  September  zog  endlich  das  ganze  Heer 
auf  der  Hauptstrafse  über  Sofia  bis  Kossowo  aufwärts ,  dessen 
berühmtes  Schlachtfeld  Mohammed  schon  einmal,  als  junger 
Tschelebi,  in  der  siegreichen  Schlacht  gegen  Hunyady  gesehen 
hatte.  Darauf  befahl  er  den  Marsch  nach  Saloniki,  wo  er  zum 
ersten  Male  einige  Tage  weilte,  um  sich  dann  auf  dem  Handels- 
wege des  Westens  nach  Konstantinopel  zu  wenden  *'). 

Schon  am  26.  August  1455  hatte  der  vom  Falle  Novobrdos 
und  der  Unterwerfung  ,,  jenes  Teils  von  Mösien,  welchen  wir 
Serbien  nennen",  benachrichtigte  Doge  Pietro  di  Campofregoso 
von  Genua  an  den  neuen  Papst  geschrieben  und  ihm  den  Zu- 
stand   der    christlichen  Besitzungen    im    Archipelagus,    die    nun 


i)  „Dipl.  Rag.''  S.  5S0:  die  traurige  Nachricht  erfolgt  am  ii.  Juni,  aus  Ragusa 
geschickt. 

2)  Seadeddin  II,  S.  473.    Der  „serbische  Janitschare"  ist  hier  in  Novobrdo 
gefangengenommen  worden,  aber  seine  Angaben  sind  oft  falsch  oder  verworren. 

3)  Engel,  Gesch.  Serwiens,  S.  407. 

4)  Seadeddin  II,  S.   173. 

5)  Vgl.  auch  die  serbischen  Annalen  in  Bogdan,  Beitrag,  S.  523. 

6)  Über   den  Rückzug    Seadeddin  II,  S.    173;  Phrantzes  S.  384;  Chal- 
kokondylas  S.  414. 

5* 


68  Erstes  Buch.     Drittes  Kapitel. 

vom  Winke  des  auch  zum  Thalassokrator  sich  erhebenden  Mo- 
hammed abhingen,  g-eschildert ,  zu  ihrer  Rettung-  die  Hilfe  aller 
erflehend.  Er  erwähnte  auch  der  mächtigen  gegen  Chios  ge- 
sammelten Flotte  und  wies  darauf  hin ,  dafs  der  Verlust  dieser 
grofsen,  von  genuesischen  Maonesen  verwalteten  Insel  auch  den 
Untergang  der  lateinischen  Herrschaft  in  Zypern  und  Rhodos 
nach  sich  ziehen  müsse  ^). 

In  der  Tat  erregten  die  unter  sich  uneinige  Herrschaft  der 
Gattilusü  und  das  den  Maonesen  aus  Genua  gehörige  Chios 
zwischen  1454  und  56  die  Aufmerksamkeit  des  Sultans.  Einen 
Grund  zur  Dazwischenkunft  erhielt  er  aber  von  den  dortigen 
Christen  selbst;  erst  als  die  Gelegenheit  sich  darbot,  als  die 
Lösung  der  Verhältnisse  durch  die  türkische  Besetzung  einer  neuen 
Provinz  am  Ufer  oder  auf  den  Inseln  sich  von  selbst  aufdrängte, 
beseitigte  er  die  bequemen  lokalen  Autoritäten  und  setzte  seine 
Kadis  und  Subaschis  in  den  Städten  ein ,  die  er  vorläufig  nicht 
kolonisieren  konnte. 

Der  Fürst  Dorino  von  Lesbos  starb  im  Juni  1455  ^)  und 
hinterliefs  seine  Erbschaft  dem  bisherigen  Verweser,  Domenico 
Gattilusio ,  der  sogleich  mit  dem  Kharadsch  von  3000  Dukaten 
den  Chronisten  Dukas  an  den  Hof  des  Sultans  schickte,  um  über 
seine  Anerkennung  zu  unterhandeln.  Nach  der  osmanischen 
Überlieferung  verlangte  Mohammed,  dafs  der  Vasall  sich  selbst 
vor  ihm  einfinde  und  das  goldene  Ehrenkleid,  den  Brokatkaftan, 
aus  seiner  Hand  erhalte.  Selbstverständlich  mufste  derselbe 
seine  Beförderung,  die  ,, kaiserliche  Gnade",  auch  durch  Ge- 
schenke, Erhöhung  des  Tributs  und  Gebietsabtretungen  bezahlen. 
Domenico  suchte  den  Sultan  auch  wirklich  während  des  grofsen 
serbischen  Zuges  auf  und  fand  ihn  und  die  Wesire  Mahmud  und 
Seid-Ahmed  im  bulgarischen  Slatitza,  das  die  Türken  Izlati  nann- 
ten. Hier  also  trat  der  neue  Herr  von  Lesbos  seine  Rechte  auf 
die    Insel  Thasos    ab    und    versprach    den    bisherigen   Kharadsch 


i)  Archiv  von  Genua,  Oriente,    1400 — 1830;    Abschrift   aus  dem   18.  Jahr- 
hundert. 

2)  Hopf  II,  S.    152. 


Erste  Kämpfe  Mohammeds  IL   a.   d.  Donau.     Eroberungen  i.  Archipelagus.     G9 

um  1000  Dukaten  zu  erhöhen.    Auch  mufste  er  einen  schriftUchen. 
Treueid  leisten.     Nur  so  wurde  er  des  Kaftans  teilhaftig-  *). 

Im  Hochsommer  war  auch  der  neue  Admiral  Junis,  ein  junger 
Favorit  und  Spanier  von  Geburt,  von  Gallipolis  ausgelaufen. 
Trotz  eines  heftigen  Sturmes,  der  viele  Schiffe  beschädigte  oder 
zum  Untergang  brachte,  kam  er  vor  Chios  an,  ohne  dort  Feind- 
seligkeiten anzufangen ;  ebenso  vor  Lesbos,  wo  er  Nachforschun- 
gen nach  einem  Schiff,  das  der  Schwiegermutter  des  dortigen 
Fürsten  gehört  hatte,  anstellte.  Der  Zweck  dieses  zweiten  See- 
zuges nach  der  Einnahme  Konstantinopels  wurde  erst  ersichtlich, 
als  Junis,  von  den  wichtigen  Alaunwerken  bei  Foglie-Nove, 
Neu-Phokäa,  angezogen,  sich  gegen  die  asiatische  Küste  wandte. 
Hier  landeten  die  Asapen  und  drangen  ohne  vorhergehenden 
Kampf  in  die  befestigte  Stadt.  Aus  der  Bevölkerung  wurden 
nur  hundert  Kinder  für  das  Janitscharenkorps  ausgelesen  und  mit- 
genommen. Der  erste  osmanische  Befehlshaber  bUeb  in  Phokäa. 
Am  14.  November  war  der  Kapudan-Pascha  wieder  in  Gallipolis, 
und  nach  einer  Woche,  am  24.  des  Monats,  wehte  auch  über 
Alt-Phokäa  die  rote   osmanische  Fahne    mit   dem  Halbmonde  ^). 

Der  Signore  von  Anos,  ein  zweiter  Dorino  Gattilusio,  der 
Sohn  des  1455  g"estorbenen  Palamedes',  lebte  in  schlechten 
Beziehungen  zu  der  Familie  seines  verstorbenen  älteren  Bruders, 
der  Witwe,  deren  Onkel  von  mütterlicher  Seite  und  ihrem  Sohne, 
der  sich  ebenfalls  als  rechtmäfsiger  Erbe  dieser  Herrschaft  be- 
trachtete ^).  Durch  seine  Fischereien  am  Meere,  im  Häbrosflusse 
und  besonders  im  nördlich  gelegenen  See  Stentoris ,  wie  weiter 
durch  seine  Salzteiche  an  der  Küste,  war  Anos  reich  genug,  um 
die  Gelüste  der  Türken  anzureizen,  obschon  sie  zwei  Dritteile  seiner 


i)  Die  Erzählung  des  Dukas  S.  328  ff.  Über  die  venezianischen  Quellen 
Hopf  II,  S.   126. 

2)  Die  ganze  Erzählung  nur  bei  Dukas  S.  331  ff.  und  Kritobulos. 

3)  In  den  Stammtafeln  bei  Hopf,  —  vgl.  Griechenland  II,  S.  152  \  —  er- 
scheint nur  Dorino  II.,  die  mit  Lodovico  Fregoso  verheiratete  Tochter  Ginevra, 
zwei  andere  Töchter  und  der  Bastard  Lucchino  ;  Kritobulos  ist  aber  sehr  aus- 
führlich und  mufste  als  „Nesiote"   die  Verhältnisse  kennen. 


70  Erstes  Buch.     Drittes  Kapitel. 

Einkünfte  bezogen.  Als  sich  nun  die  feindliche  Schwägferin  Dorinos 
an  den  Hof  des  Sultans  begab  und  durch  den  schon  genannten 
Oheim  ihre  Klagen  vorbrachte,  entschlofs  sich  Mohammed,  der 
bereits  zurückgekehrt  war,  zu  einem  Eroberungszuge  gegen  Anos. 
Auch  Botschaften  der  Moslemins  in  Ipsala  und  Feredschik,  die 
beständig  mit  den  Christen  in  Anos  in  Zwiespalt  lagen,  bewogen 
ihn  gleichfalls  zu  diesem  Schritte. 

Um  jede  Hilfe  von  Westen  her  unmöglich  zu  machen,  wurde 
der  Zug  für  die  Mitte  des  besonders  harten  Winters  angeordnet. 
Der  Kapudan  Junis  erhielt  Befehl ,  nach  Anos  zu  segeln ,  und 
bald  erschienen  zehn  türkische  Schiffe  im  Hafen  von  Pacheia 
und  an  der  Mündung  des  Häbros.  Mit  seinem  Hofe  und  einigen 
eilig  zusammengebrachten  Reitern  begab  sich  Mohammed  unter 
grofsen  Leiden  infolge  der  Kälte  nach  Kypsella,  von  wo  aus  er 
an  die  Einwohner  von  Anos  die  Aufforderung  richtete,  sich  un- 
verzüglich zu  ergeben.  Da  Dorino ,  der  den  Winter  in  Samo- 
thrake  verbrachte,  abwesend  war,  zögerten  sie  nicht,  die  os- 
manischen  Truppen  aufzunehmen.  Der  Wesir  Mahmud  zog  zuerst 
ein  (24.  Januar);  dann  folgte  der  Sultan  selbst.  Änos  mufste 
150  Kinder  als  Rekruten  für  das  Janitscharenkorps  stellen  und 
Murad  wurde  der  erste  Subaschi  der  Stadt. 

Nachdem  der  Sultan  wieder  umgekehrt  war ,  nahm  Junis 
Imbros  ein,  dessen  Schlüssel  vom  Geschichtschreiber  und  Pane- 
gyriker  Mohammeds,  Kritobulos,  überbracht  wurden.  Ein  os- 
manisches  Schiff  kam  nach  Samothrake  und  stellte  Dorino  den 
Befehl  zu,  sich  baldigst  an  der  Pforte  einzufinden.  Er  gehorchte 
unverzüglich,  ohne  vorher  seine  von  Murad  verwaltete  Residenz 
noch  einmal  betreten  zu  haben.  Heimlich  kam  er  nach  Kon- 
stantinopel und  hoffte  seine  Inseln,  wenn  nicht  Anos  selbst, 
unter  denselben  Bedingungen  wie  sein  Vetter  von  Lesbos  zu  be- 
kommen. Aber  die  Ränke  des  neuen  Subaschi  vereitelten  seine 
Erwartungen.  Vielmehr  wurde  dem  Genueser  Herrn  eine  der 
schönsten  Provinzen,  das  entfernte  Sichna,  als  Verbannungsort 
angewiesen.  Mit  dem  Schwerte  in  der  Hand  entkam  er  aber 
seinem  türkischen  Geleite.  Er  ging  nach  Lesbos,  wo  er  keinen 
guten    Empfang   fand ,    dann    zum    venezianischen    Herzoge    des 


Erste  Kämpfe  Mohammeds  II.  a.  d.  Donau.     Eroberungen  i.  Archipelagus.     71 

Archipelag-us,  der  sich  ebenfalls  fürchtete ,  diesen  Verräter  des 
Sultans  bei  sich  zu  beherberg-en ;  endlich  blieb  Dorino  auf  der 
direkt  von  Venedig-  aus  verwalteten  Insel  Tinos,  wo  er  die  Tochter 
eines  dortigen  Archonten  heiratete  ^). 

Endlich  beschlofs  im  Frühlinge  des  Jahres  1456  ein  letzter 
Zug  die  vorläufige  neue  Ordnung  der  Verhältnisse  im  Archi- 
pelagus. Wie  die  Genuesen  gefürchtet  hatten  ^) ,  wandte  sich 
Ismail,  der  Nachfolger  des  zum  Beg  von  Karlen,  dem  uner- 
schöpflichen Piratennest,  ernannten  Junis,  gegen  Chios.  Um  der 
Gefahr  einer  endgültigen  Besetzung  und  der  Verwaltung  durch 
einen  Subaschi  zu  entgehen,  mufste  die  grofse  Insel  eine  ein- 
malige Summe  von  30000  Dukaten  zahlen  und  sich  zur  Leistung 
eines  Kharadsch  von  10 000  Dukaten  jährlich  verpflichten.  Die 
Einwohner  von  Lemnos,  die  mit  dem  Befehlshaber  Nikolaos, 
einem  Griechen  —  die  Gattilusii  von  Lesbos  hatten  auch  in 
Lemnos,  wo  sie  das  Schlofs  Kokkinon  besetzt  hielten,  ausgedehnte 
Rechte  ^)  — ,  unzufrieden  waren,  verlangten  selbst  die  Einsetzung 
eines  osmanischen  Beamten  und  erhielten  ihn  in  einem  gewissen 
Hamza.  Im  Mai  war  dieser  dritte  Zug  der  türkischen  Flotte  in 
den  Archipelagus  beendigt  *). 

Es  harrten  ihrer  andere  Aufgaben.  Alle  Kräfte  des  Reiches 
wurden  gegen  Belgrad  in  Bewegung  gesetzt ,  wo  der  Sultan  zu- 
gleich die  Serben,  die  stolzen  Ungarn,  den  Genius  Hunyadys 
und  den  schwärmerischen  Geist  der  Kreuzfahrer  aller  Nationen 
zu  bekämpfen  hatte. 


i)  Vgl.  die  schlichte  und  wahrheitsgetreue  Erzählung  des  Seadeddin  11, 
S.  168 — 170;  die  Notizen  bei  Dukas  S.  335;  das  betreffende  Kapitel  in  Kri- 
to  bul  o  s. 

2j  Archiv  von  Venedig,  Creta,  „Ducali  e  lett.  ric. ",  Q.  28. 

3)  Hopf  II,  S.   152^ 

4)  Dukas  S.  335  ff. 


Viertes  Kapitel. 

Die  Belagerung  von  Belgrad  und  die  Kämpfe 
an  der  Donau. 


Schon  im  Herbste  1455  hatte  der  neue  Papst  seine  Mafs- 
reg"ela  für  den  künftigen  allgemeinen  Krieg  gegen  die  Türken 
getroffen.  Im  November  weilte  als  Legat  der  Kardinal  von 
S.  Angelo  beim  Kaiser,  der  dem  scheuen,  vorsichtigen  Fried- 
rich nichts  Geringeres  vorschlug,  als  sich  selbst  an  die  Spitze 
des  Kreuzzuges  zu  setzen ,  und  er  schmeichelte  sich ,  sein  Ziel 
erreicht  zu  haben.  Der  eifrige  Prälat ,  den  nach  dem  Ruhme 
seines  bei  Warna  getöteten  Vorgängers  Giuliano  Cesarini  zu  ge- 
lüsten schien,  schrieb  auch  an  alle  Reichsfürsten,  um  ihnen  die 
grofse  Gefahr  vor  Augen  zu  führen,  die  aus  einem  durch 
Bosnien  nach  Deutschland  gerichteten  Einfall  des  Sultans  für  das 
letztere  entstehen  konnte  ^),  und  er  betonte  weiter,  dafs  ,,die 
Ehre  der  deutschen  Nation"  auf  dem  Spiele  stände  ^).  Von  Neu- 
stadt begab  er  sich  an  den  Hof  des  jungen  ungarischen  Königs-, 
der  noch  nicht  in  sein  Reich  zurückgekehrt  war.  Auch  hier 
liefs  er  sich  von  den  schönen  Worten  der  mafsgebenden  Fak- 
toren täuschen.  Denn  die  ungarischen  Vorbereitungen  waren 
genau  so  ernst  gemeint  wie  die  einer  starken  Seemacht,  die 
nach  der  Angabe  des  Papstes  noch  vor  dem  i.  April  ^)  absegeln 


i)  „Cum  iste  Christi  persecutor,  Christianorum  occisor,  per  regnum  Bozne, 
federe  et  tributo  ei  obnoxium,  facile  in  Germaniam  potest  copias  suas  adducere"; 
Münchener  Reichsarchiv,  Türkenhilff  a.  a.   O.,  Nr.  6. 

2)  „De  fide  et  honore  inclite  nacionis  Germanie." 

3)  „Per  totum  mensem  Martii  proxime  instantis  vel  circa  Kai.  Aprilis  ad 
summum." 


Die  Belagerung  von  Belgrad  und  die  Kämpfe  an  der  Donau.  73 

sollte  und  zu  deren  „Legat,  General-Kapitän  und  Admiral"  — 
„  legatus  et  capitaneus  generalis  marisque  admiratus "  —  schon 
im  Januar  der  Patriarch  Ludwig-  von  Aquileja  ernannt  wor- 
den war  ^). 

Zwar  fand  eine  Versammlung  der  Kurfürsten  tatsächlich  vor 
Ostern  statt.  Aber  den  damals  unter  den  Reichsfürsten  herrschen- 
den Geist  zeigten  am  besten  die  gegen  die  Erhebung  des  Zehnten 
von  den  Einkünften  des  Klerus  und  das  Aufstellen  von  Sammel- 
stöcken, um  ,,zu  den  türkischen  Sachen  Gelt  zu  versampnen",  wie 
solche,  als  päpstlicher  Beauftragter,  der  Erzbischof  von  Norwegen 
anregte,  von  den  meisten  vorgebrachten  Einwendungen  ^).  Ver- 
gebens waren  auch  alle  lediglich  zum  Schein  erfolgenden  Er- 
mahnungen des  Kaisers  an  die  Fürstlichkeiten  und  Städte.  Das 
ganze  Unternehmen  des  heiligen  Krieges  war  aussichtslos  ge- 
worden. 

In  Ungarn  hatte  Hunyady  während  des  ganzen  Jahres  1455 
mit  der  hartnäckigen  Gegnerschaft  der  Umgebung  des  Königs 
und  besonders  des  rachsüchtigen  Grafen  von  Cilly  zu  kämpfen. 
Zwar  war  Graf  Friedrich,  der  Vater,  eben  in  diesem  Jahre  ge- 
storben, aber  seinen  ganzen  Hafs  schien  der  Sohn,  Ulrich, 
geerbt  zu  haben;  mehrere  Projekte  wurden  geschmiedet,  Hunyady 
zu  ermorden.  So  legte  im  Sommer  der  beste  Mann  Ungarns 
alle  seine  Würden  nieder  und  begnügte  sich  mit  dem  Titel  eines 
Grafen  von  Bistritz  in  Siebenbürgen.  Auch  versöhnte  er  sich 
dann  feierlich  mit  seinen  Gegnern  und  gab  seine  Einwilligung 
zu  einer  Familienverbindung  —  die  freihch  der  Tod  der  Braut 
vereitelte.  Die  Politik  des  Reiches,  das  ein  von  Wüstlingen  um- 
gebenes Kind  mit  linkischen  Händen  zu  führen  suchte,  war  nicht 
mehr  die  einst  von  Hunyady  vertretene. 

So  herrschte  auch  auf  dem  für  den  Frühling  1456  aus- 
gerufenen Tage  nicht  der  Geist  Hunyadys.    Vielmehr  dachte  der 


i)  Brief  des  Papstes  an  den  Kaiser;  7.  Januar  1456;  Nürnberger  Archiv 
S.   I,  L.   79,  nr.  26^.     Ermahnung  des  Kaisers  an  die  Reichsstädte,  ebenda. 

2)  Münchener  Reichsarchiv,  Türkenhilff,  a.  a.  O.,  nr.  10,  11 ;  Nürnberg, 
Briefbücher   26,  fol.    115. 


74  Erstes  Buch.     Viertes  Kapitel. 

König  nur  an  seine  Vergnügungen.  Die  versammelten  Prälaten 
und  Edelleute  begnügten  sich,  die  bekannten  Versprechungen 
für  den  Fall  eines  grofsen  christlichen  Krieges  zu  wiederholen 
und  die  Erhebung  einer  Kontribution  von  einem  Gulden  von 
jedem  Bauernhofe  zur  Verteidigung  des  Reiches  zu  dekretieren. 
Die  Unterhaltungen,  Jagden  und  festlichen  Gelage  aber  dauerten 
fort,  bis  die  Ankunft  Mohammeds  an  der  Donau  dem  faulen 
sardanapalischen  Wesen  ein  schnelles  Ende  machte  ^). 

Am  festgesetzten  Tage  des  heiligen  Georg  sammelten  sich 
in  Adrianopel  alle  Bestandteile  des  osmanischen  Heeres  zum  Be- 
ginn eines  neuen  Unternehmens,  dessen  Leitung  sich  der  Sultan 
selbst  vorbehalten  hatte.  Es  war  allgemein  bekannt,  dafs  der 
Schlag  Ungarn  gelten  sollte.  Schon  im  Winter  war  ein  Zug  unter 
der  Führung  des  Beglerbegs  von  Rum  gegen  die  Walachei  vor- 
bereitet worden;  Hunyady  hatte  noch  im  Jahre  1455  die  guten 
Beziehungen  zum  walachischen  Fürsten  Wladislaw  erneuert,  und 
es  hat  den  Anschein,  als  sei  er  im  November  in  das  trans- 
alpinische Fürstentum  gekommen,  um  die  dortige  Donaulinie  in 
Verteidigungszustand  zu  setzen  ^).  Bereits  im  März  hatten 
Ungarns  Kundschafter  auf  der  Balkanhalbinsel,  die  treuen  Bürger 
Ragusas,  von  dem  bevorstehenden  Angriffe  Nachricht  gegeben; 
wie  im  Jahre  1453  waren  die  Bombarden  vorausgeschickt  worden 
und  befanden  sich  in  Usküb.  Der  venezianische  Bailo  Marcello, 
der  sich  im  April  in  Ragusa  einschiffte,  konnte  versichern,  dafs 
die  Türken  sich  gegen  die  ihnen  seit  langem  in  die  Augen 
stechenden  Schlösser  an  der  Donau  wenden  würden  ^). 

In  den  damaligen  Verhältnissen  konnte  Hunyady  nichts  zur 


i)  Siehe  Katona  XIII,  S.    I025ff.;  Pray,  Ann.  Reg.  Hung.  III,  S.   isyff. 

2)  Krönst.  Archiv,  Urk.,  no.  140 ;  15.  November.  Es  ist  auch  zu  bemerken, 
dafs  ein  Rumäne,  „Kaffrvvcz  Radwl  de  partibus  transsalpinis  Turcos,  huius  regni 
inimicos,  ad  regnum  istud,  una  cum  nonnullis  Wolahys  de  regne  Transsalpinarum 
importavit  civitatemque  domini  nostri  regis  Saam  (!)  vocatam  et  certas  partes 
regni  huius  per  ipsos  Wolalios  et  Turcos  spoliare  fecit,  ipsique  Wolahy  omnia 
spolya  illarum  parcium  ad  Wolahyam  asportarunt" ;  ebenda  no.  141  (auch  in 
Teleki  X,  S.  489).     Vgl.  „Dipl.  Rag."  S.  585,   589. 

3)  „Dipl.  Rag."  S.   592. 


Die  Belagerung  von  Belgrad  und  die   Kämpfe  an  der  Donau.  75 

Rettung  des  bedrohten  ungarischen  Reiches  tun.  Was  er  einzig 
ins  Werk  setzte,  um  gegen  die  Osmanen  besseren  Rückhalt  zu 
haben,  war,  dafs  er  zum  Ersatz  des  schwachen  und  schwanken- 
den Wladislaw,  der  auch  die  ihm  vorenthaltenen  siebenbürgischen 
Lehen  zurückverlangte  und  im  Frühlinge  das  Schlofs  Fogaras  an- 
gegriffen hatte,  einen  neuen  Fürsten  nach  der  Walachei  schickte. 
Ein  Sohn  Draculs ,  wie  sein  Vater  Vlad  geheifsen ,  befand  sich 
seit  einiger  Zeit  in  Siebenbürgen ;  die  ungarische  Regierung  selbst 
hatte  ihn  aus  der  Moldau,  deren  Fürst  mit  ihm  mütterlicherseits 
nahe  verwandt  war,  als  Prätendenten  herbeigezogen  und  gewährte 
ihm  Schutz.  Dank  Hunyadys  Unterstützung  drang  dieser  Vlad 
im  April  oder  Mai  1456  in  seine  walachische  Erbschaft  ein  und 
beraubte  Wladislaw,  der  vielleicht  damals  auf  seine  Veranlassung 
ermordet  wurde  —  er  liegt  im  Kloster  Dealu,  in  der  Nähe  seiner 
Hauptstadt  Tirgoviste,  begraben  —  der  seit  mehreren  Jahren  be- 
haupteten Herrschaft  ^). 

Der  Sultan  schlug  die  gewöhnliche  Heerstrafse  nach  Sofia 
ein  und  wandte  sich  von  dort  nach  dem  von  deutschen  Meistern 
für  die  örtlichen  Verhältnisse  trefflich  befestigten  ^)  Belgrad,  das, 
zwischen  der  Donau  und  der  Save  eingekeilt,  von  der  allein 
offenen  Seite  im  Westen  durch  eine  hohe  Mauer  und  einen  tiefen 
Graben,  wie  auch  durch  sein  starkes,  mit  doppelten  Mauern  um- 
gebenes Schlofs,  gegen  jeden  Angriff  ausreichend  geschützt 
schien.  Die  aus  Usküb  und  Kruschewatz  herbeigeschafften  Ge- 
schütze wurden  sofort  in  Stellung  gebracht.  Zwölf  derselben, 
von  denen  die  Christen  mit  Grauen  erzählen,  hatten  ,,an  der 
Lenng  XXXIj  Spann  und  an  der  Weyt  siben  Spann"  — 
und  nach  einigen  Tagen  waren  die  Mauern  nur  noch  ein  Trümmer- 
haufen. Belgrad  lag  nun,  wie  sich  Hunyady  selbst  in  seinem  be- 
rühmten   siegeszuversichtlichen    Briefe    ausdrückt,    gleichsam   in 


i)  Siehe  „Geschichte  des  rumänischen  Volkes"  I;  besonders  aber  „Lucruri 
nouä  despre  Vlad   fepe?"  in  „Conv.  lit."  XXXV,  und   „Indreptäri  §i    intregiri", 

S.  13  ff. 

2)  Ein  Italiener  vergleicht  das  bewunderte  Belgrad  mit  einem  mittleren 
Schlosse  Italiens:  „El  cassero ,  che  nui  chiamamo  la  ciptadella,  che  b  per  uno 
bono  castello  de  Italia."     Vgl.  auch  Jirecek,  Handelsstrafse,  S.    122  —  123. 


76  Erstes  Buch.      Viertes  Kapitel. 

freiem  Felde.  Die  Gräben  waren  zum  grofsen  Teile,  wie  die 
Konstantinopels  am  28.  Mai,  von  ung-eheuren  Mengen  Schutt 
angefüllt.  Mohammed,  der  den  Ungarn  in  Belgrad  dasselbe 
Los  wie  den  letzten  griechischen  Verteidigern  Konstantinopels 
zugedacht  hatte,  befahl  in  der  Nacht  vom  21.  zum  22.  Juli,  am 
Abende  des  Tages  der  heiligen  Margarete,  den  Sturm. 

Im  Schlosse  eingeschlossen  waren  nur  wenige  Deutsche  und 
Ungarn,  denn  Hunyady,  der,  nachdem  er  rechtzeitig  Briefe  mit 
dem  Ansuchen  um  Hilfe  im  ganzen  Reiche  verbreitet  hatte  ^), 
hingeeilt  war,  lagerte  in  Peterwardein  jenseits  der  Donau  und 
hatte  etwa  3000  Fufsleute  und  nur  hundert  Büchsenträger  bei 
sich;  auch  300  Polen  dienten  in  diesem  kleinen  Heere.  Von 
den  Grofsen  des  Reiches  befanden  sich  nur  Hunyadys  Schwager, 
Michael  Szilagyi,  Nikolaus  von  Ujlak,  Ladislaus  von  Kanizsa, 
Sebastian  Rozgonyi  ^)  und  wenige  andere  in  Belgrad  oder  in 
dessen  Nähe.  Niemals  hatte  Ungarn  seine  wesentlichen  Inter- 
essen schlechter  verstanden  und  seiner  Ehre  so  schmählich  ver- 
gessen. Der  auf  den  1.  August  angesetzte  Zug  des  Königs  v/ar 
selbstverständlich  unterblieben  ^). 

Dennoch  sollte  Belgrad  so  viel  Verteidiger  wie  kaum  eine 
andere  christliche  Stadt  haben.  Schon  am  ersten  Tage  des 
Monats  waren  auf  fünf  kleineren  Transportschiffen  einige  der- 
selben angekommen  und  hatten  unter  christlichen  Gesängen 
ihren  Einzug  in  die  noch  nicht  von  den  Türken  eingeschlossene 
Stadt  gehalten.  Am  14. ,  als  die  Bombarden  Mohammeds  ihr 
Zerstörungswerk  bereits  begonnen  hatten,  erschienen  nicht  weniger 
als  200  Boote,  die  viele  Tausende  trugen.  Es  waren  einfache 
Leute,  besonders  aus  Ungarn  selbst,  aber  auch  aus  Deutsch- 
land, Böhmen ,  dem  schismatischen  rumänischen  Siebenbürgen, 
auch  etliche  ItaUener  ,,Hantwerckgesellen",  Mönche:  ,, Prüder" 
und  andere  Soldaten  desselben  Schlages ,  ,,  gemeines  Volk  aus 
Stetten  und  Dorffern  und  Merkten".  Sie  waren  alle  durch  die 
feurige,  höchst  pathetische  und  ganz  volkstümliche  Beredsamkeit 


i)  Teleki  X,  S.   525«. 

2)  Bonfinius,  dec.  III,  1.  VIII, 

3j  Nürnberger  Archiv   S.    i,  R.    79,   no.    20a. 


Die  Belagerung  von  Belgrad  und  die  Kämpfe  an  der  Donau.  77 

des  siebzigjährigen ,  aus  den  Abruzzen  gebürtigen  Mönchs 
Giovanni  di  Capistrano  gewonnen  worden.  Der  merkwürdige 
Fanatiker  hatte  Spanien,  Frankreich,  das  deutsche  Reich,  Polen 
und  Ungarn  —  seit  1455  —  durchreist  und  vor  dem  Volke  wie 
auch  vor  hohen  Prälaten  und  Fürsten,  ja  sogar  dem  Kaiser,  auch 
auf  der  Konferenz  von  Neustadt  über  die  moralischen  Pflichten 
der  Christen,  über  den  bedrängten  gläubigen  Orient  und  über 
die  Notwendigkeit  des  Kreuzzuges  gegen  Juden,  Hussiten,  Schis- 
matiker und  Türken  gesprochen ,  viele  zum  Eintritt  in  seinen 
Franziskanerorden ,  dem  überall  neue  Häuser  gebaut  wurden, 
überredend.  Der  Papst  hatte  ihm  durch  den  Kardinal  von  Sant' 
Angelo  das  Kreuz  anvertraut  und  eine  Fahne  mit  dem  Bilde  des 
San  Bernardino  zugeschickt,  die  in  der  Schlacht  Wunder 
wirken  sollte.  Er  wurde  wie  ein  heiliger  Apostel  angesehen  und 
war  bald  der  am  meisten  verehrte  Mann  in  Belgrad. 

Am  15.  Juli  drangen  dann  Capistrano  und  der  viel  jüngere 
Hunyady  ins  Schlofs;  sie  benutzten  die  Nacht  dazu,  obwohl  die 
Verbindungen  nicht  abgeschnitten  waren.  Denn  die  wenigen 
auf  der  Donau  befindlichen  grofsen  türkischen  Fahrzeuge  konnten 
sich  kaum  dort  halten ;  sie  waren  von  der  Flottille  der  christ- 
lichen Boote ,  die  an  200  zählte ,  mehrmals  angegriffen  worden 
und  hatten  ziemliche  Verluste  erlitten ;  drei  Galeeren  waren 
untergegangen  und  andere  vier  wurden  in  dem  bedeutendsten 
Gefechte  unter  den  Mauern  von  Semlin  gekapert;  für  weitere 
christliche  Transporte  von  Lebensmitteln  und  Truppen  waren  die 
beiden  Flüsse  vollständig  frei ,  und  unter  den  Geschützen  des 
inneren  Schlosses,  des  ,,Cassero",  war  für  die  ungarischen  Fahr- 
zeuge ein  sicherer  Aufenthalt  vorhanden. 

Der  türkische  Sturm  dauerte  einige  Stunden  der  Nacht  vor 
Tagesanbruch,  dann  weiter  bis  spät  in  den  Morgen  hinein,  an. 
Die  Janitscharen  betraten  in  kleinen  Abteilungen,  die  im  ganzen 
kaum  600  Leute  ausmachten ,  dreimal  die  Stadt,  und  dreimal 
wurden  sie  von  Hunyady,  der  aus  dem  Schlosse  herzueilte, 
zurückgeworfen;  die  Menge  der  ,,Kreuzter",  der  ,,ainfältigen 
Läutten",  die  in  der  sie  beseelenden  Schwärmerei  ihr  Leben 
nicht  schonten,  trugen  wesentlich  zum  Widerstand  und  zur  Ver- 
folgung bei.    Als  die  Türken  sich  zum  dritten  Male  zurückziehen 


78  Erstes  Buch.     Viertes  Kapitel. 

mufsten,  gingen  ihnen  die  Christen  bis  zu  den  Geschützen  nach. 
Und  die  ausgezeichneten,  sonst  so  wunderbar  zäh  aushaltenden 
Soldaten  konnten  der  von  heiliger  Märtyrerwut  ergriffenen  und 
besessenen  militärischen  Plebs  nicht  widerstehen.  Sie  starben 
neben  ihren  Bombarden,  die  ins  Wasser  und  in  die  Gräben  ge- 
worfen und  zerstört  wurden.  Doch  machte  diese  Menge  vor 
der  Front  der  Janitscharen ,  in  deren  Mitte  unbeweglich  der 
Sultan  wartete ,  natürlich  halt.  Beutelust  zerstreute  die  losen, 
heterogenen  Elemente.  So  konnten  denn  die  Osmanen  sich 
ruhig  zum  Rückzuge  vorbereiten.  Am  nächsten  Morgen  waren 
an  Stelle  des  abgebrochenen  Lagers  nur  einige  Reste  zu  sehen ; 
die  Toten  waren  nach  mosleminischem  Ritus  begraben  worden, 
und  zahlreiche  Karren  führten  die  Schwerverwundeten  fort.  In 
den  Reihen  der  Abziehenden  fehlte  auch  Karadscha-beg:  eine 
Bombardenkugel  hatte  ihn  zerschmettert;  ferner  war  Hassan,  der 
Aga  der  Janitscharen ,  als  er  seinen  Herrn  mit  dem  eigenen 
Körper  deckte,  getötet  worden^).  Der  Sultan  selbst  soll  durch 
einen  Pfeil  am  Schenkel  verwundet  worden  sein  ^). 

Ihn  zu  verfolgen  wäre  eine  ebensolche  Unmöglichkeit  ge- 
wesen, wie  dieser  Erfolg  bereits  ein  grofses  Wunder  war.  Die 
Äufserung  des  Siegers,  dafs  er  unter  gewissen  Umständen  jetzt 
vermöchte,  sehr  leicht  das  ganze  türkische  Reich  einzunehmen  ^), 
entbehrte  des  Ernstes :  ,,  du  kennst  die  Gebräuche  und  das 
Geschwätz  der  Ungarn",  schrieb  ein  Deutscher  in  Beziehung 
auf  solche  Gefühlsausdrücke  ^).  In  Peterwardein,  Futtak  und 
mehreren  anderen  Plätzen ,  an  der  Donau ,  dann  weiter  hinauf 
bei  Ofen  und  Wien  warteten  die  endlich  angelangten  Reichs- 
kontigente  und  Vagabundenscharen  auf  einem  Befehl  der 
nicht  kam ,  weil  er  nicht  kommen  konnte.  Eine  vollständige 
und  klägliche  Anarchie  herrschte ,  die  der  Kreuzzugsidee  den 
Todesstreich  gab.  Es  war  für  Capistrano,  der  die  Hauptverant- 
wortung  trug   und   für  Hunyady,    auf  den   man   als   natürlichen 


i)  Chalkokondy las  S.  423. 

2)  Dieses  wird  auch  von  Dukas  S.  337:  Iv  räi  fifjQio  bestätigt. 

3)  „Totum  regnum  Thurciae  obtinere  possetn  valde  leviter." 

4)  „Tu     nosti    mores     et    clamores    Ungarorum";     cod.     mon.     lat.    27063, 
fol.    131   vo    ff. 


Die  Belagerung  von   Belgrad  und  die  Kämpfe   an   der  Donau.  79 

Befehlshaber  hinsah,  eine  unhaltbare  Lage,  Beide  entgingen  ihr 
durch  den  Tod.  Der  Reichshauptmann  erlag  am  ii.  August  in 
dem  ungesunden  Lager  der  seit  1455  wütenden  Pest,  und  Ende 
Oktober  schlofs  auch  der  neapolitanische  Mönch  in  der  Stadt 
Ujlak  die  Augen.  Mit  ihnen  waren  der  ritterliche  und  der 
heilige   Typus    des   Kreuzzugmachers    für   immer  verschwunden. 

Die  mit  dem  Kreuz  bezeichneten  Krieger  hatten  die  mit- 
gebrachten Vorräte  bald  verzehrt  und  wurden  nun  eine  wahre 
Plage  für  das  Land ,  so  dafs  die  Bauern  sich  erhoben ,  um  sie 
auszurotten.  Erst  gegen  den  Winter  kamen  einige  der  Unglück- 
lichen, um  traurige  Erfahrungen  bereichert,  zurück:  sie  hatten 
ihre  Sünden  getilgt,  aber  Vertrauen,  Mut  und  Opfersinn  waren 
ihnen  dabei  ebenfalls  erloschen  ^).  Währenddessen  war  der  ,,  Be- 
siegte "  ruhig  in  sein  Konstantinopel  zurückgekehrt;  und  er  war 
als  Vertreter  einer  reellen,  organisierten  Macht  jeden  Augenblick 
imstande,  den  an  dem  verzweifelten  Widerstände  der  Schwärmer 
zunächst  gescheiterten  Versuch  zu  erneuern  ^). 

Mohammed  hatte  in  den  neuerdings  1454 — 55  von  ihm  er- 
oberten Gebieten  Ali  als  Sandschak  zurückgelassen.    Gegen  den 


i)  Die  Briefe  der  Nürnberger  Hauptleute;  Archiv  von  Nürnberg,  Brief- 
bücher 26,   fol.   196  a— b^    202  a^    203  yo   bis  204,    204  vo,   2IO  yo ,  234  yo,    236  usw. 

2)  Von  türkischer  Seite  haben  wir  die  Erzählungen  Seadeddins  II,  S.  174 ff., 
des  „serbischen  Janitscharen"  und  des  sehr  wichtigen  und  immer  wahrheits- 
getreuen Kritobulos;  zur  selben  Kategorie  von  Quellen  gehört  auch  Chalko- 
kondylas  a.  a.  O.  Der  Brief  Hunyadys  vertritt  den  ungarischen  und  persönlich 
Hunyadyschen  Standpunkt;  er  ist  unter  anderen  in  Pray,  Ann.  Reg.  Hung.  III, 
S.  180 — 181  ;  Fej6r,  Genus  loannis  Corvini  S.  223 — 225;  Hurmuzaki  II-,  S.  59 
bis  60  (vgl.  cod.  lat.  mon.  5141,  fol.  132 — 132  yo;  4143,  fol.  115  — 116;  14610, 
fol.  201  —  201  yo)  abgedruckt.  S.  auchLjubic  X,  S.  94 — 95. —  Der  Standpunkt 
des  Capistrano  und  seiner  „ crucesignati "  ist  in  den  Briefen  des  Giovanni  di 
Tagliacozzo  vertreten  (bei  Wadding;  s.  Epistola  ad  Petri  de  Jacoviccio  [sie]  de 
Tagliacocgo  brevissima,  de  la  vita  del  beato  Johanni  de  Capistrano  ;  Rom,  Bibl.  Vittorio- 
Emmanuele,  ms.  37,  fol.  iiofl. ;  danach  auch  in  der  Erzählung  in  der  Leipziger 
Handschrift  der  Universitätsbibliothek  1092,  in  den  im  Nürnberger  Archive  befind- 
lichen Briefen  S.  i,  L.  73,  N.  16;  S.  I,  L.  79,  N.  26a;  wie  auch  im  cod.  lat.  mon. 
27063,  fol.  1310  yo,  Brief  vom  6.  Oktober).  Vgl.  auch  den  Brief  des  Stephan 
von  „ Wassen "  (Bosnien),  cod.  marc,  cl.  XIV,  246,  fol.  157  vo;  Wadding,  Annales 


80  Erstes  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Despoten  Georg"  hatte  er  damals  keinen  Grund  einzuschreiten. 
Denn  der  erfahrene  Greis  war  kein  Schwärmer  für  die  Idee  der 
Kreuzzüg-e  und  sehr  zufrieden,  durch  den  neuen  Vertrag-  von  1455 
wenigstens  einen  Teil  seiner  früheren  Besitzung-en  zurück- 
erhalten zu  haben.  Während  der  Belag'erung'  Belgrads  und  der 
darauffolgenden  Ereignisse  hielt  er  sich  vorsichtig  in  seinem, 
von  den  Greueln  einer  Eroberung  bisher  noch  verschont  ge- 
bliebenen Semendria  eingeschlossen  und»  liefs  sich  von  seiner 
abwartenden  Haltung  durch  keine  Ermahnungen  abbringen.  Nach 
Hunyadys  Tode  stellte  er  sich  mit  1500  Reitern  dem  Könige 
bei  seiner  Ankunft  vor  ^).  Es  kam  dann  sogar  zu  feind- 
schaftlichen Handlungen  und  räuberischen  Überfällen  zwischen 
dem  verstimmten  Despoten  und  Michael  Szilägyi,  dem  Schwager 
des  verstorbenen  Gubernators,  der  die  Hunyadische  Sache  jetzt 
weit  mehr  als  dessen  junge  Söhne  Ladislaus  und  Matthias  ver- 
trat. Szilägyi  liefs  Cilly  in  Belgrad  ermorden  und  behauptete 
Schlofs  und  Stadt  auch  weiter  als  Privatgut  seiner  Familie. 
Bei  einem  Überfalle  seitens  der  Serben  wurde  Michaels  Bruder 
getötet,  und  dieser  suchte  und  fand  Gelegenheit  Rache  zu  nehmen. 
Im  Dorfe  Kupinik  wurde  Georg  gefangengenommen,  nachdem 
er  heftigen  Widerstand  geleistet  und  dabei  zwei  Finger  seiner 
rechten  Hand  verloren  hatte.  Er  mufste  sich  mit  einer  be- 
deutenden Summe  Geldes  und  dem  Versprechen,  seine  ungari- 
schen Güter  abzutreten,  loskaufen,  doch  soll  er  durch  serbische 
Banditen  das  Geld  aus  den  Händen  der  Beauftragten  Szilägys 
wiederbekommen  haben.  Als  er  das  Belgrader  Schlofs  verliefs, 
war  er  noch  derselbe  heimliche  Freund  der  Türken,   oder  besser. 


Minorum  U,  S.  340  ff. ;  Katona  a.  a.  O.  S.  1033  ff. ;  die  ungarischen  Chroniken 
und  das  Zeugnis  des  Äneas  Sylvias  in  dessen  „Opera".  —  Eine  richtige 
Schätzung  der  Verhältnisse  in  dem  vom  15.  Oktober  aus  Futtak  datierten  Briefe 
der  Nürnberger  Hauptleute:  ,,Dye  nicht  alss  gross  sey  alss  jder  man  sagt,  aber 
dem  Turcken  sint  fyl  guter  Lewt  do  pliben ,  von  der  Cristen,  pey  II™  und  dem 
Turcken  sey  solicher  Zeug  angewinnen,  dass  ney  kein  Man  solchen  Czewg  gesechen 
haben,  von  Puschssen  und  Wegen  und  allerley  Czewg." 

1)  Brief  der  Nürnberger  Hauptleute:  Anfang  November.  Über  eine  angeb- 
liche Revolte  in  Novobrdo  siehe  einen  Brief  Capistranos  in  Katona  a.  a.  O. 
S.    iioi  — 1103. 


Die  Belagerung  von  Belgrad  und  die  Kämpfe  an  der  Donau.  81 

derselbe  kalte  Berechner  der  einzig"  gegebenen  Möglichkeit  *). 
Aber  die  letzten  Umgestaltungen  der  Lage  und  ihre  Anstren- 
gungen hatten  den  ins  Patriarchenalter  gelangten  Greis  doch  an  die 
Schwelle  des  Grabes  geführt.  Am  24.  Dezember  1456  segnete 
er,  wahrscheinlich  in  Semendria,  das  Zeitliche  '''). 

Er  hinterliefs  drei  Söhne,  von  denen  nur  der  mit  der  Kanta- 
kuzenin  Irene  erzeugte  jüngste,  Lazar  mit  Namen,  zur  Über- 
nahme der  Regierung  tauglich  war;  die  zwei  älteren,  Gregor  und 
Stephan,  waren  blind.  Nach  der  Herrschaft  im  serbischen 
Despotat,  das  sowohl  von  den  Ungarn  in  Belgrad,  als  auch 
von  den  Türken  in  Kruschewatz  und  in  Südserbien  zu  leiden 
hatte,  strebten  auf  der  einen  Seite  Irene  und  ihr  Bruder  Thomas, 
auf  der  anderen  Mara,  die  verwitwete  Zarin  der  Osmanen, 
die  trotzdem  eine  ,,gottesfürchtige"  Frau  war.  Nach  einigen 
Monaten  aber,  im  Mai  1457,  ^^s  der  Sultan  noch  nicht  zu  seinem 
ersten  moreotischen  Zug  aufgebrochen  war,  starb  die  Despo- 
titza  in  Rudnik  eines  plötzlichen  Todes,  angeblich  von  Lazar 
vergiftet;  Stephan  verblieb  zunächst  vielleicht  noch  bei  dem 
Bruder  —  später  floh  er  nach  Ungarn,  dann,  1460,  nach  Al- 
banien ^)  — ,  der  die  ganze  Macht  im  noch  freien  Serbien  an  sich 
gerissen  hatte,  während  Gregor,  Mara  und  Thomas  Kantakuzenos 
sich  an  den  Sultanshof  begaben,  um  gegen  den  verbrecherisch 
ehrgeizigen  Jüngling  ihre  Klagen  vorzubringen  *). 

Die  Nachricht  von  der  Entsetzung  Belgrads  hatten  der  stolze, 
kurze  Brief  Hunyadys  und  die  schwärmerischen  Erzählungen 
Capistranos    und    seiner    italienischen    Gefährten    bald    in    ganz 

1)  Vgl.  den  „Serbischen  Janitscliaren"  und  die  „Serbischen  Annalen",  dann 
die  anderen,  bei  Engel,  Geschichte  Serwiens,  S.  41 1  f.  und  bei  Fefsler  II, 
S.    568 — 570,   angegebenen   Quellen. 

2)  ,,  Sei  bische  Annalen",  auch  bei  Bogdan  a.  a.  O.  S.  523.  In  diesem  Jahre 
und  nicht  1457  fiel  dieser  Tag  auf  einen  Freitag.  Auch  ist  zu  beachten,  dafs 
schon  am  14.  "November  1457  Gesandte  Gregors  und  Maras  in  Ragusa  ein- 
getroffen waren;  „Dipl.  Rag."  S.  600.  Vgl.  auch  Archiv  von  Ragusa,  Lett.  Lev., 
1448  — 1488,   fol.    179  — 180  vo,    189 — 190,    190  vo  bis    194  vo. 

3)  Engel  S.  413;  „Dipl.  Rag."  S.  748. 

4)  „Serbische  Annalen",   Bogdan  a.   a.   O.   S.   523. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  6 


82  Erstes  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Europa  verbreitet.  In  Neustadt  liefs  Kaiser  Friedrich,  um  seiner 
hohen  Würde  genugzutun ,  eine  Prozession  abhalten ;  dasselbe 
taten  die  Venezianer  in  Venedig  und  allen  ihren  Besitzung"en. 
Calixtus  III.  stiftete  sogar  ein  neues  Kirchenfest,  um  seine  Freude 
zu  bezeigen  ^).  Einen  Augenblick  glaubte  man  sogar,  dafs  die  vom 
Papste  zusammengebrachten  Galeeren  Konstantinopel  wieder- 
erobert hätten;  das  Gerücht  stammte  aus  Rom  selbst^).  Neue 
päpstliche  Bullen  ergingen,  um  die  ganze  Christenheit  zum  heiligen 
Kriege  aufzurufen ;  in  jeder  christlichen  Gemeinde  sollte  einmal 
am  Tage  die  Kreuzzugsglocke  geläutet  werden  und  die  Gebete 
der  Gläubigen  zum  Himmel  begleiten,  um  ihm  die  Verdrängung 
der  Türken  aus  Europa  abzugewinnen  ^). 

Aber  nur  der  Papst  tat  seine  Pflicht  und  traf  ernstliche  Mafs- 
regeln,  um  im  Frühling  die  Ausfahrt  seiner  Galeeren  zu  ermög- 
lichen. Der  Kaiser  dagegen  war  zufrieden ,  dafs  die  auf  den 
Herbst  angesetzte  und  in  Wahrheit  gegen  ihn  gerichtete  Ver- 
sammlung der  Oppositionspartei  zunichte  geworden  war.  Und, 
was  Ungarn  betrifft,  so  hatte,  wie  gesagt,  Ladislaus,  der  ältere 
Sohn  Johann  Hunyadys ,  Ulrich  von  Cilly ,  den  ärgsten  Feind 
seines  Hauses,  im  November  in  Belgrad  ermorden  lassen;  der 
König  verurteilte  den  Mörder  zum  Tode  und  liefs  ihn  in  der 
Tat  im  März  1457  in  Ofen  hinrichten;  König  Ladislas,  eine  ver- 
derbte Natur,  war  nicht  der  Mann,  die  grofse  Erbschaft  des  ver- 
storbenen Gubernators  auf  sich  zu  nehmen  *). 

Obwohl  die  Verhältnisse  also  günstig  genug  lagen,  bereitete 
Mohammed  keinen  neuen  persönlichen  Zg  für  dieses  Jahr  1457  vor. 
Nicht  die  von  ihm  unter  den  Mauern  Belgrads  erlittenen  Verluste 
waren  die  Ursache  dieser  unerwarteten  Untätigkeit;  vielmehr  war 
diese  der  im  Juli  empfangenen  Wunde  und  besonders  den  Feier- 


1)  „Festum  dupplex  Transfiguracionis  domini  nostri  Ihesu  Christi  cum  gratiis 
et  indulgenciis  solemnitatis  Corporis  Christi";  cod.  lat.  mon.    18967,   fol.   214. 

2)  Nürnberger    Korrespondenz,    s.    oben;    Brief   des  Benedikt    von  Krayburg, 
cod.  lat.  mon.   27063,   fol.    131   vo  ff. 

3)  Siehe    unter  anderen  Nürnberii^er   Brief  büclier   26,   fol.    150 — 150  vo ;   cod. 
lat.    monac.    5141,   fol.    133  yo  bis    134. 

4)  Fefsler  II,   S.   564fr. 


Die  Belagerung  von   Belgrad  und  die  Kämpfe  an  der  Donau.  83 

lichkeiten   zur  Beschneidung'    seiner    zwei    älteren    Söhne  Bajesid 
und  Mustafa  zuzuschreiben  *). 

Auf  dem  Festlande  wurde  nur  der  schon  1455  ^) 
ausgebrochene  Krieg  mit  Skanderbeg  ^) ,  der  sich  „General- 
hauptmann des  Königs  von  Aragonien"*)  nannte,  von  dem  er 
über  das  venezianische  Durazzo  und  Chimara  fortwährend  Söld- 
linge, Waffen  und  Lebensmittel  erhielt,  fortgesetzt.  Zuerst  über- 
nahm Isa,  der  '<Sohn»,  d.  h.  Enkel  des  Ewrenos,  die  Führung^). 
Er  schlug  die  Albanesen,  die  Berat  angegriffen  hatten  (Juli) ;  aber 
ein  anderes  türkisches  Korps  unter  Sebalia,  der  sich  ,,  General- 
hauptmann des  türkischen  Sultans "  nannte  ") ,  hatte  nicht  den- 
selben Erfolg  zu  verzeichnen,  obgleich  er  einige  Schlösser  dem 
Skanderbeg  entrifs  (1456 — 57)  '').  Die  schwächeren  Nachbarn  und 
Verwandten  Skanderbegs  wufste  man  geschickt  gegen  ihn  auf- 
zuwiegeln **) ;  Venedig  stellte  ihm  den  alten  Arianites  ent- 
gegen, der  als  ,,  Hauptmann  in  ganz  Albanien  von  Skodra  bis 
Durazzo"  (1456)  bezeichnet  wurde.  Dennoch  gelang  es  dem 
besten  Vertreter  albanesischen  Freiheitsgeistes,  das  Gebiet  seines 
Oheims  Musa,  Dibra,  sowie  dasjenige  der  Zenebisi  und  der 
letzten  albanesischen  Balschiden,  an  sich  zu  bringen  ;  in  Rotezo, 
am  Meerufer,  im  alten  Mat  und  in  Tomornitza  herrschten  seine 
Getreuen ;  diesseits  und  jenseits  des  grofsen  scheidenden  Tomor- 
gebirges  hatten  ihm  alle  Häuptlinge  gehuldigt  ^).    Noch  im  Jahre 


i)  Seadeddin  II,  S.   179  ff.;  vgl.  Sathas,  Mon.  I,  S.  236,  nr.   157. 

2)  Im  Februar  liatte  Skanderbeg  die  venezianische  Unterstützung  angerufen ; 
Ljubic  X,  S.  27.     Vgl.  S.   28—30. 

3)  Die  ragusanische  Chronik  im  Cod.  mon.  it.  551  erwähnt  1454  die  An- 
kunft des  „Zuan  Scanderbeg"  aus  Apulien :  er  wollte  sich  nicht  zu  Stepan  be- 
geben,  der  ihn  gerufen  hatte.      Ragusa  liefs  ihn   dann  nach  Redoni   führen. 

4)  „Strenuus  genciuni  armorum  capitaneus  Maiestatis  nostre";  das  ihm  von 
König  Alfons  im  Januar  1457  erteilte  Privileg  im  neapolitanischen  Archive  „Ese- 
cutoriale"   1442 — 1460,  fol.   285. 

5)  Seadeddin  11,  S.   183;  Chalkokondylas  S.  431  f. 

6)  Ljubic  X,  S.   124. 

7)  Hopf  II,  S.  134  nach  ungedruckten  venezianischen  Quellen.  Siehe  auch 
Ljubiö  X,  S.  44;  Dezember   1454. 

8)  Siehe  auch  ebenda. 

9)  Hopf  a.   a.   O.     Über  das  Los   Dagnos  Ljubic  X,   S.   90 ff. 


84  Erstes  Buch.     Viertes  Kapitel. 

während  des  Belgrader  Zuges  soll  ein  osmanisches  Korps  unter 
Ferizbeg"owitsch ,  dem  ehemaligen  Verwalter  in  Kruschewatz, 
und  Ali ,  dem  Sohn  Michals ,  der  zum  Statthalter  Albaniens  er- 
nannt worden  war,  im  Gebirge  bei  Kroia  und  Sfetigrad  und  am 
Meere  bei  Biograd  heifs  mit  dem  kühnen,  von  den  Einwohnern 
geUebten  und  treulich  unterstützten  Helden  gekämpft  haben  '), 

Die  später  von  dem  Süditaliener  Barletti,  der  ein  Epos 
nach  antikem  Muster  dichten  wollte,  gesammelten  Sagen  wissen 
von  Treffen  mit  den  Begs  und  Kephaljas  des  türkischen  Albaniens 
zu  berichten ;  aber  ein  Ergebnis  der  verschwendeten  Tapferkeit 
war  kaum  wahrzunehmen.  So  viel  wurde  gewonnen,  dafs 
Skanderbeg  jetzt  noch  nicht  zur  Flucht  nach  Italien  gezwungen 
war.  Im  Monate  April  1457  bestätigte  Alfons  dem  Bischof 
von  Kroia  und  den  Einwohnern ,  die  damals  Frieden  genossen, 
die  alten,  ihnen  von  serbischen  und  griechischen  Machthabern 
erteilten  Besitz-  und  Handelsprivilegien  '''). 

Den  Türken  gelang  es  schliefslich,  die  meisten  Täler  zu  be- 
setzen; noch  1457  wurde  Skanderbeg  von  den  Begs  Isa  und 
Hamza  bis  nach  Alessio  zurückgedrängt;  aber  mit  päpstlichen 
Geldern  und  Truppen  und  der  Unterstützung  seines  aragonesischen 
Oberherrn  vermochte  er  dem  Feinde  eine  grofse  Niederlage  an 
der  Tomornitza  beizubringen :  Hamza  Zenevisi  der  Renegat  ging 
als  Kriegsgefangener  nach  Neapel.  Zur  Belohnung  wurde  der 
Sieger  zum  Generalkapitän  der  Kurie  in  diesen  Gegenden  er- 
nannt. Zenevisi ,  die  Dukaschine ,  die  zeitweilig  auch  die  vene- 
zianischen Ortschaften  Dagno  und  Satti  besetzt  hatten  ^) ,  der 
frühere  Despot  von  Arta,  Carlo  Musachi  Topia,  und  Leonard  III. 
Tocco  standen  ihm  im  Kampfe  mit  Sinan,  Jussun  und  Karadscha- 
beg  (1458 — 59)  zur  Seite.    Zum  ersten  Male  erschien  der  albanesi- 


1)  Chalkokondylas  S.   416. 

2)  Jirecek  im  Archiv  für  slav.  Philologie  XXI,  S.  78iT.  Siehe  Barletius, 
passim.  Vgl.  auch  das  zitierte  Werk  von  Pisko,  Skanderbeg.  Über  die  Beziehungen 
Skanderbegs  zu  Venedig  und  dem  aragonischen  König,  der  1456  Chimara  be- 
setzen liefs,  siehe  Hopf  II,  S.  133 — 134;  über  jene  zu  Ragusa:  Gesandtschaften 
des  Gazulo  und  Ninazo  —   1459  —  „Dipl-  Rag."  S.   745  ff- 

3)  Nach  einem  zwischen  Venedig  und  Skanderbeg  deswegen  1458  geschlossenen 
Vertrag;   ,,Comraemoriali"   V,   S.    139— 140,  Nr.   62. 


Die  Belagerung  von  Belgrad  und   die  Kämpfe  an  der  Donau.  85 

sehe  Stamm  unter  seinem  Siegeszeichen  seine  Einheit  bekunden 
zu  wollen  i). 

Anderseits  erschienen  1457,  obwohl  ein  neuer  und  stär- 
kerer Ang-riff"  auf  das  kaum  gerettete  Belgrad  gefürchtet  wurde, 
unter  Isa,  dem  Sohne  Hassans,  nur  einige  Scharen  an  der  Donau, 
die  nicht  viel  ausrichten  konnten  ^), 

Auch  das  Gerücht,  daß  Isabeg,  der  bosnische  Markgraf, 
sich  im  Einverständnisse  mit  Stipan,  den  die  Türken  als  ,,cher- 
zech "  anerkannt  hatten,  zur  Belagerung  Ragusas  rüste,  erwies 
sich  als  unbegründet  ^).  Kein  neues  Gebiet  wurde  im  Laufe  des 
Jahres  dem  Reiche  einverleibt. 

Auf  dem  Meere  erlitten  die  Osmanen  sogar  bedeutenden 
Schaden  und  mufsten  der  christlichen  Offensive  untätig  zuschauen. 
Schon  im  Herbste  waren  die  päpstlichen  Galeeren  vollständig  aus- 
gerüstet gewesen  und  auch  im  offenen  Meere  erschienen.  Mit 
den  neuerlichen  Subsidien,  die,  trotzdem  manche  Fürsten  sich  nicht 
scheuten,  die  Zehnten  ihres  Gebietes  zu  unterschlagen,  aus  Dalma- 
tien  allein  4000  Dukaten  zu  Kreuzzugszwecken  betrugen,  war  der 
Papst  imstande  den  Patriarchen  Ludwig  als  seinen  Admiral  mit 
einer  wirklichen  kriegerischen  Mission  zu  betrauen.  Mit  elf  Galee- 
ren und  im  ganzen  32  Schiffen  segelte  dieser  nach  Rhodos.  Von 
hier  aus  richtete  sich  die  christliche  Flotte  gegen  Lemnos ,  wo 
der  osmanische  Befehlshaber,  Murad,  der  kaum  hundert  bewaff- 
nete Leute  um  sich  hatte ,  dem  christlichen  Andränge  weichen 
mufste :  ein  gewisser  Luis ,  ein  Spanier ,  blieb  dort  als  Befehls- 
haber zurück.  Nach  einigen  Tagen  erschienen  die  neuen  Kreuz- 
fahrer vor  Thasos,  das  mit  Gewalt  genommen  wurde.  Krito- 
bulos  übergab  einem  Beauftragten  des  Patriarchen  die  Insel 
Imbros.  Auch  in  den  Gewässern  von  Samothrake,  von  Chios 
und  Lesbos  erschienen  die  rächenden  Schiffe  des  Westens,  unter 
der    Fahne    des    Heiligen    Vaters.      Erst    nachdem    sich    Ludwig 


i)  Vgl.  auch  Ljubic  X,  S.   50  ff. 

2)  Siehe  besonders  ,, Dipl.  Rag."  S.  595  ff. ;  Makus  ce  v,  Monumenta  hist.  Slav. 
merid.,  Warschau  1874,  S.  216;  Berichte  des  venezianischen  Gesandten  in  Ofen, 
Pietro   de  Tommasi,  im  Mailänder  Archive;   Missive   38;   Seadeddin  II,   S.    183. 

3)  „Dipl.  Rag."  S.   577,  602. 


86  Erstes  Buch.     Viertes  Kapitel.     Die  Belagerung  von  Belgrad  usw. 

wieder  nach  Rhodos  begeben  hatte ,  in  dessen  Hafen  er  dann 
bHeb,  ging  der  Kapudan  Ismail  gegen  den  Herrn  von  Lesbos  vor, 
obwohl  derselbe  für  zwei  Jahre  den  Tribut  gezahlt  hatte ,  und 
belagerte,  freilich  erfolglos,  die  Festung  Methymne.  Ein  schwacher 
Ersatz  für  die  Einbufse  an  Geltung,  welche  die  für  unbezwing- 
lich  gehaltenen  osmanischen  Wafifen  erlitten  hatten  '). 

Aber  dieses  verlorene  Jahr  wurde  durch  zwei  für  die  türkische 
Gebietsausdehnung  aufserordentlich  wichtige  Nachrichten  abge- 
schlossen. Am  20.  November  starb  der  junge  König  von 
Ungarn ,  der  sich  eben  zu  seiner  Heirat  mit  einer  französischen 
Königstochter  rüstete.  Und  ebenfalls  im  November  gingen 
Gesandte  Gregors,  des  ältesten  Sohnes  Georg  Brankowitsch'  — 
er  war  einer  von  den  Unglücklichen ,  die  von  Sultan  Murad, 
ihrem  Schwager,  geblendet  worden  waren  — ,  und  seiner  Schwester 
Mara,  der  Kaiserin-Witwe  der  Osmanen,  an  die  Pforte,  um  wegen 
der  Nachfolge  des  1456  verstorbenen  Despoten  zu  unterhandeln  ^). 
Auch  schlofs  der  energische  Spanier  auf  dem  Stuhle  Petri  im 
August  des  nächsten  Jahres  seine  Augen. 

Durch  diese  wichtigen  Ereignisse  wurde  der  Weg  nach  Norden 
wieder  für  die  Türken  frei.  Mohammed  aber  war  der  Meinung, 
dafs  die  Regelung  der  Balkanverhältnisse  in  Morea  und  Albanien 
vorgehe.  Zu  diesem  Zwecke  setzte  er  sich  im  Frühlinge  des 
Jahres   1458  in  Bewegung. 


i)  Die  Erzählung  bei  Kritobulos  und  Dukas  S.  337 — 338;  vgl.  Chal- 
kokondylas  S.  429.  Vgl.  auch  Hopf  II,  S.  153  S  nach  den  „Annalen" 
Magnos  und  der  Handschrift  „Guerre  dei  Turchi". 

2)  „Dipl.  Rag."  S.  600 ;  Archiv  von  Ragusa,  Lett.  Lev.  1448 — 1488,  fol.  179 
bis   180  vo,   189 — 190,   190  vo   bis   194  vo. 


Fünftes  Kapitel. 

Äbrundung  des  Reiches  in  Europa  und  Asien  unter 
Mohammed  U. 


Zuerst  wurde  die  moreotische  Frage  zu  einer  endgültig'en 
Lösung-  gebracht. 

Die  Unruhen  auf  der  Halbinsel  waren  zu  keiner  Ruhe  ge- 
kommen und  sollten  diesem  letzten  Asyl  der  griechischen  Un- 
abhängigkeit ein  jähes  und  schmähliches  Ende  bereiten  ^).  Die 
Albanesen  Peter  Buas  (albanesisch  Sachetai)  des  Lahmen,  die  sich 
seit  einigen  Jahrzehnten  in  vielen  Städten  und  Dörfern  ange- 
siedelt hatten,  wollten  sich  nicht  mehr  mit  blofser  Duldung  be- 
gnügen ;  sie  hatten  Manuel  Kantakuzenos ,  einen  nach  Morea 
zurückgekehrten  Spröfsling  des  ersten  Gründers  und  Verteidigers 
des  Despotats,  zum  Herrscher  des  Landes  ausgerufen.  Sie  boten, 
im  Herbste  1453,  das  Land,  um  die  Griechen  loszuwerden, 
der  Republik  Venedig  an  '■'),  die  sich  nicht  abgeneigt  zeigte,  und 
einen  Gesandten  schickte,  um  auf  den  Antrag  einzugehen. 
Auch  von  einer  Einmischung  der  Genuesen  und  Katalanen  in 
Morea  wurde  gesprochen  ^).  Der  letzte  Vertreter  des  Franken- 
tums  auf  der  Halbinsel ,  Centurione  IL ,  war  mit  seinen  griechi- 
schen Verwandten,  den  Paläologen,  in  Feindseligkeiten  geraten; 
schliefslich    (14S4)    wurde    er    im    Schlosse    Chlomutzi   gefangen- 

i)  Siehe  im  ganzen  auch  Theodoro  Spandugino  Cantacusino,  Com- 
mentari  della  origine  de'  principi  turchi ,  nach  der  Ausgabe  von  Florenz,  1551, 
in  dem  Sammelwerke  Sansovinos,  „Hist.  universale  dell'  origine,  etc.  de' 
Turchi"  abgedruckt. 

2)  Sathas,  Mon.  I,  S.  215  ff.  Besonders  strebte  Venedig  den  Besitz  von 
Patras,  Klarentza,  Leondari,  Vostitza  und  Korinth  an. 

3)  Ebenda  S.  220. 


88  Erstes  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

gesetzt,  erhielt  aber  sehr  bald  seine  Freiheit  wieder  ^).  Die  nach 
abendländischem  Gebrauche  beinahe  unabhäng-ig-en  Besitzer  der 
zahlreichen  Burgen ,  die  das  ganze  Land  in  Abhängigkeit  er- 
hielten, ein  Michael  Asanes  als  mächtigster  von  allen,  der  in 
Korinth  residierte,  ein  Bochalis  Leontarios,  ein  Lukanes,  ein  Melis- 
senos,  u.  a.  ^),  wollten  keine  Einmengung  ihrer  Oberherren,  der 
Despoten,  in  ihre  Angelegenheiten  dulden.  Der  Klerus,  wie  der 
Bischof  von  Muchlion  ^),  zog  die  feste  türkische  Herrschaft,  die 
der  orthodoxen  Geistlichkeit  besonders  wohlwollend  gegenüber- 
stand, dem  ,,  nationalen "  Zustand  fortwährender  Anarchie  vor. 
Die  Despoten  Demetrios  ,  der  dem  Bruder  an  Energie,  erfinde- 
rischem Geist  und  Geschmeidigkeit  weit  überlegen  war  und  sich 
verschiedentlich  Sympathien  gewonnen  hatte,  und  Thomas  lebten 
in  fortwährendem  Hader  *) ;  das  traurige  Beispiel  ihres  an  der 
Romanospforte  verblichenen  Bruders  war  ihnen  keine  Lehre  ge- 
wesen. Besonders  Demetrios  betrachtete  den  Sultan  als  seinen 
natürlichen  Beschützer  und  den  künftigen  Herrn  des  ganzen 
Landes ;  der  grofse  ungläubige  Monarch  flöfste  ihm  keinen  Ab- 
scheu ein ;  in  ihm  war  er  bereit,  den  neuen  von  desselben  Gottes 
Gnaden  regierenden  Basileus  des  Rhomäertums  anzuerkennen 
und  ihm  seine  eigene  Tochter  als  Beischläferin  oder  als  legitime 
Frau  —  der  Unterschied  war  ihm  gleichgültig,  da  er  einzig  an 
seine  täglichen  Lebensinteressen  dachte  —  zu  opfern,  wenn  es 
galt,  sich,  sei  es  auch  anderswo,  eine  seiner  Geburt  und  seiner 
Vergangenheit  entsprechende  Stellung  zu  sichern.  Die  Räuber- 
scharen verbanden  sich  zuletzt  mit  den  unzufriedenen  Archonten, 
belagerten  Demetrios  in  seiner  Hauptstadt  und  zwangen  ihn, 
wieder  die  Hilfe  Thurakhans  anzurufen,  während  Thomas  sich 
als  Vertreter  des  westlichen  Einflusses  an  Venedig  wandte  ^). 


1)  Sathas  a.  a.  O.  S.  219;  vgl.  aber  Hopf  II,  S.118.  Bei  den  Venezianern 
in  Modon  weilte  Giovanni  Asane,  ein  unehelicher  Sohn  Centuriones  I.;  Sathas 
a.  a.  O.  I,  S.   229  flf. 

2)  Siehe  die  Namen  in  dem  vom  Beg  Hassan  1454  dem  Lande  erteilten  Pri- 
vilege;  Miklosich   und  Müller  III,   S.    290. 

3)  Chalkokondylas   S.   447  ff. 

4)  Schon  im  Jahre   1454;  Sathas  a.  a.   O.  I,  S.   218  ff. 

5)  Hopf  II,  S.   118  — 119. 


Abrundung  des  Reiches  in  Europa  und  Asien  unter  Mohammed  11.  80 

So  lagen  die  Verhältnisse  in  dem  unglücklichen  Pelopon- 
nesos  ,  als,  noch  im  Winter  des  Jahres  1454,  Amur,  der  Sohn 
des  alten  Turakhanbeg,  in  Thessalien  von  Demetrios,  diesem  alten 
Anhänger  und  Verbündeten  der  Türken,  von  der  Zeit  aus,  als  er 
noch  die  Krone  Konstantinopels  erstrebte,  herbeigerufen  wurde. 
Um  Amur  zu  verpflichten,  wurde  der  bei  dem  letzten  osmanischen 
Zuge  gefangengenommene  Sohn  des  thessalischen  Markgrafen  frei- 
gelassen. Die  Spahis  drangen  bis  Ithome,  unterwegs  Beute  und 
Sklaven  mitnehmend.  Die  Albanesen  hatten,  dank  diesen  Ver- 
bündeten der  Paläologen,  das  Spiel  vollständig  verloren;  ihr 
neuer  kantakuzenischer  Despot  verschwand  vom  Schauplatze  ^). 
Durch  ein  im  Namen  des  Sultans  ausgestelltes  Privileg  verbürgte 
dessen  ,, Sklave",  der  Beg  Hassan,  allen  Mächtigen  des  Landes 
und  sogar  dem  Bua  vollständige  Sicherheit  ihres  Besitzes  und 
ihrer  Rechte  (26.  Dezember  1454)  ^).  Im  September  1455  ging 
auch  der  Fürst  von  Achaia  als  Flüchtling  nach  Italien,  um  nie- 
mals zurückzukehren  ^). 

Aber  die  so  von  der  gröfsten  Gefahr  verschont  gebUe- 
benen  Paläologen  versäumten ,  durch  Emissäre  des  Papstes, 
die  ihnen  die  baldige  Erlösung  von  den  türkischen  Bedrängern 
in  Aussicht  stellten,  angestachelt,  die  pünktliche  Zahlung  des 
Kharadsch,  was  einer  Kriegserklärung  gleichkam'*).  Im  Jahre 
1458  waren  sie  bereits  für  drei  Jahre  mit  18000  Dukaten  im 
Rückstande.  Athen,  das  von  den  letzten  Acciaiuoli  beherrscht 
wurde,  befand  sich  in  der  schlechtesten  materiellen  und  morali- 
schen Stellung.  Nach  dem  gegen  145 1  erfolgten  Tode  des 
Herzogs  Nerio ,  der  einen  jungen  Sohn ,  Francesco ,  als  Erben 
hinterlassen  hatte,  führte  die  Witwe,  eine  Fränkin  aus  dem  Hause 
Giorgio,    ein  ausschweifendes  Leben;    sie    hatte  in  Bartolommeo 

1)  Phrantzes  S.  383:  er  ist  im  Grunde  der  beste  Kenner  der  Ereignisse 
in  diesen  Gegenden;  sein  Sohn  Johann  wurde  damals  getötet;  Phrantzes  selbst 
ging  als  Gesandter  nach  Serbien;  ebenda.  Vgl.  auch  den  Athener  Chalkokon- 
dylas   S.  407 — 412. 

2)  Miklosich  und  Müller  a.  a.  O. 

3)  „Dipl.  Rag.«  S.    583- 

4)  Auch  (November  1456)  riefen  Demetrios  Asanes  und  andere  die  Venezianer 
nach  Mugla,  in  die  Schlösser  gegenüber  Ägina  und  selbst  nach  Athen;  Sathas  I, 
S.   230  —  231.     Über  die  Beziehungen  zum  Papste   H  o  p  f  II,   S.    125. 


90  Erstes  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

Contarini,  eiuem  venezianischen  Offizier  in  Nauplia,  einen  neuen, 
schönen  und  jungen  Gemahl  gefunden,  der  auch  als  Vormund  des 
rechtmäfsigen  Herzogs  den  Bürgern  Athens  aufgedrungen  wurde. 
Der  aufsereheliche  Vetter  Nerios,  Franco,  befand  sich  am  Hofe  des 
Sultans  und  erbat  sich  dessen  Anerkennung  und  Unterstützung  zur 
Wahrnehmung  seiner  Rechte  ').  Während  Mohammed  Michalogli 
an  der  Donau  streifte  2),  entschlofs  sich  Mohammed  zu  einem 
persönlichen  Zuge  nach  Morea.  Noch  im  Mai  war  das  kaiserliche 
Lager  nicht  von  Adrianopel  aufgebrochen  ^).  Sobald  aber  die 
Zelte  zusammengenommen  und  die  Kriegsfahne  erhoben  wurde, 
ging  das  Heer  eilig  nach  Südwesten  und  gelangte  bald  nach 
Thessalien,  dem  Sandschakate  Amur  Turakhanoglis.  Vergebens 
schickte  ihm  Thomas  einen  Teil  des  Kharadsch  in  Höhe  von 
3500  ,,Byzantien",  byzantinischen  Goldstücken,  nach  dem  Isth- 
mos  entgegen.  Der  Sultan  fand,  noch  im  Mai,  die  mächtige 
Festung  Korinth  mit  ihrem  dreifachen  Mauerringe  im  besten  Ver- 
teidigungszustande. Als  er  ihre  Übergabe  nicht  zu  erzwingen 
vermochte,  wurde  der  Wesir  Mahmud,  der,  nach  dem  Tode 
Karadschas ,  auch  Beglerbeg  von  Rumelien  war,  hier  zurück- 
gelassen, um  die  Belagerung  fortzusetzen.  Die  grofse  Masse  der 
Truppen  dagegen  zog  unter  dem  Befehle  des  Kaisers  über  die 
armseligen  Ruinen  des  von  Murad  zerstörten  ,  einst  so  wunder- 
baren Hexamilions  hinweg  und  ergofs  sich  in  kleineren  Banden 
in  die  Täler  der  Halbinsel.  Die  Spahis  Amurs  erschienen  bei 
Tarsos ,  Akova ,  Rupela ,  Pazenika ,  Kalavryta ,  Leondari ,  und 
zwangen  alle  diese  kleineren  Schlösser  zur  Unterwerfung.  Mo- 
hammed selbst  griff  Muchlion,  eine  Besitzung  des  Demetrios  Asanes, 
Patras  und  Vostitza  an.  Hier  und  da  hatten  die  Griechen  so  viel 
Ehrgefühl,  um  dem  mächtigen  Feinde  einige  Tage  zu  widerstehen. 
Der  Sultan  zeigte  sich  beinahe  überall  mild  und  schonend. 

Thomas  war  von  den  Türken  in  Monembasia  eingeschlossen 
worden.  Seinerseits  schickte  der  sich  in  Misithra  im  Versteck  hal- 
tende Demetrios  Matthäos  Asanes  nach  Korinth,  um  die  Stadt,  die 
den  Isthmus  beherrschte,  zu  retten.     Als  aber  das  Hauptheer  auf 

i)  Chalkokondylas  S.  451  ff.;  Hopf  II,  S.   119,    127 — 128. 

2)  Chalkokondylas  S.  441  ff. 

3)  „Dipl.  Rag."  S.   608. 


Abrundung  des  Reiches   in   Europa  und  Asien  unter  Mohammed  II.  91 

dem  Rückvveg-e  dahin  kam,  mufste  der  neue  griechische  Führer 
nach  einem  glänzenden  Widerstände,  der  vier  volle  Monate, 
bis  zum  6.  August  gedauert  hatte,  die  Stadt  endlich  über- 
geben, und  400  Janitscharen  wurden  als  Besatzung  zurück- 
gelassen. Die  Despoten  erkannten  gleichzeitig  die  unmittelbare 
osmanische  Herrschaft  in  einem  Dritteil  von  Morea  an ;  für  die 
anderen  Distrikte,  die  ihnen  noch  geblieben  waren,  verpflichteten 
sie  sich,  als  türkische  Vasallen,  ein  Kharadsch  von  3000  Dukaten  zu 
bezahlen.  Amur  wurde  zum  Sandschak  der  neuen  Provinz  ernannt. 
Mohammed  verbrachte  dann  vier  Tage  unter  den  Mauern 
von  Athen,  um  die  Verhältnisse  dort  neu  zu  ordnen.  France 
hatte  vor  1456  das  ganze  Herzogtum  erhalten,  während  die  Witwe 
Nerios  in  Megara  eingesperrt  und  dann  ermordet  wurde.  Dafür 
wurde  Athen  schon  vor  der  Ankunft  Mohammeds  von  den  Türken 
besetzt,  indem  Franco  auf  Theben  und  Böotien  beschränkt  wurde. 
Auch  schickten  die  Venezianer  von  Negroponte  dem  Sultan  kost- 
bare Gaben.  Von  Athen  ging  dieser  dann  aufwärts  bis  Usküb, 
wo  sich  das  Heer  um  die  Mitte  des  Oktober  befand.  Man  be- 
fürchtete einen  Herbstangriff  auf  Ungarn  ') ;  der  Sultan  aber 
richtete  seinen  Weg  nach  Adrianopel  ^). 

Zugleich  wurde  ein  Zug  des  Kapudans  gegen  diejenigen 
Inseln,  welche  letzthin  mit  die  Christen  aufgenommen  hatten,  an- 
geordnet. Im  Herbste  lief  Ismail  mit  150  Schiffen  aus  und  ge- 
langte am  dritten  Tage  vor  Lesbos  an,  wo  die  Söhne  Dorinos 
einander  bekämpften.  Die  von  einem  gewissen  Sergio  befehligten 
Galeeren  des  Papstes  entflohen  nach  Chios.  So  konnten  die 
Türken  das  Schlofs  Molybos  belagern,  ohne  imstande  zu  sein, 
es  zu  erobern.  Doch  versprachen  die  Herren  der  Insel  den 
Tribut  ungesäumt  zu  zahlen.  Dasselbe  taten  die  Maonesen  von 
Chios,  die  durch  die  Ankunft  der  sultanischen  Flotte  in  grofsen 
Schrecken  versetzt  worden  waren ,  und  der  Herzog  des  Archi- 
pelagus.      Dank    den    Bemühungen    des    Kritobulos    wurde   auch 


i)   „Dipl.  Rag."   S.   611. 

2)  Vgl.  Kritobulos  mit  Phrantzes  S.  388fr.;  Chalkokondylas  S.  447^-; 
Dukas  S.  340  ff. ;  Chron.  breve ,  z.  J.  Die  Erzählung  des  „serbischen  Jani- 
tscharen''  ist  die  eines  ungelehrten  und  naiven  Augenzeugen.    Vgl.  Hopf  II,  S.   128. 


93  Erstes  Buch.      Fünftes  Kapitel. 

Imbros,  für  das  der  Despot  Demetrios  durch  seinen  Ge- 
sandten Asanes  ein  Kharadsch  von  3000  Dukaten  anbot,  wieder 
gewonnen,  und  in  Lemnos  hatte  der  verständige ,  dem  neuen 
Herrn  ergebene  Grieche  denselben  Erfolg :  die  Schlösser  Kotzinon 
und  Palaiokastron  ergaben  sich  ihm  zu  Händen  ^). 

Und  schon  waren  neue  moreotische  Unruhen  ausgebrochen. 
Zu  Anfang  des  Jahres  1460  sahen  die  Osmanen  in  Patras  wie  in 
der  Ebene  unter  den  Mauern  der  Stadt  die  Scharen  des  De- 
metrios gegen  die  des  Thomas  kämpfen.  Der  vom  Papste  auf- 
gestachelte ^)  Thomas  hatte  das  1458  türkisch  gewordene  Kala- 
vryta  und  andere  Schlösser  des  Bruders  eingenommen.  Eine 
durch  den  Metropoliten  von  Sparta  vermittelte  Versöhnung  in 
Kastritzi  hatte  keine  Dauer  ^).  Thomas  beschuldigte  den  Bruder, 
dafs  er,  durch  eine  Heirat  zwischen  seiner  Tochter  und  einem 
Neffen  des  Königs  Alfons,  das  Land  den  Aragonen  in  die  Hände 
spielen  wolle  *).  Gegen  den  letzteren  wurden  der  Falkenträger 
Hamza,  ein  Albanese  aus  dem  Hause  Zenevisi^),  und  der  neue 
moreotische  Sandschak  Ahmed  mit  dem  alten  Amur  und  einem 
gewissen  Junis  abgeschickt.  Aber  auch  diese  erneute  türkische 
Dazwischenkunft  war  nicht  imstande,  den  Frieden  auf  der  Halb- 
insel wiederherzustellen  ^). 

Ein  neuer  kaiserlicher  Zug  war  folglich  zur  Notwendigkeit 
geworden.  Vor  seinem  Antritt  aber  wollte  Mohammed  mit  dem 
höchst  lästig  gewordenen  Skanderbeg  ins  reine  gekommen  sein. 

Noch  im  Frühlinge  1459  schlugen  die  türkischen  Janitscharen 
und  Spahis  den  Weg  nach  Albanien  ein ;  der  Wesir  Mahmud  hatte 


i)  Kritobulos;  Ch  al  k  o  k  o  n  dy  1  as  S.  470.  Über  ein  Komplott,  Imbros 
und  Lemnos  den  Venezianern  zuzuspielen,  s.   SathasI,   S.   231  —  232;  vgl.   Hopf 

II,  s.  152—153- 

2)  Vgl.  im  Briefe  Pius'  II.  vom  i.  Juni  1459:  ,,Peloponnesus  ferme  tota,  que 
Morea  dicitur ,  ab  Imperatore  Turchorum  rebellans ,  ad  christianam  devotionem 
redierit";  Nürnberger  Archiv  L  B,  69,   36.     Siehe  auch  Rinaldi,  zum  J.  1459. 

3)  Phrantzes  S.   391 — 392. 

4)  Sathas  I,  S.   232  —  233. 

5)  Hop  f  II,  S.   129. 

6)  ChalkokondylasS.  459—460.    Vgl.  auch  G  e  r  1  a  n  d  ,  Patras,  S.  69 —  70. 


Abrundung  des  Reiches  in  Europa  und  Asien  unter  Mohammed  II.  9S 

den  Auftrag',  den  Weg  durch  diese  schwierigen  Täler  zu  öffnen, 
und  es  gelang  ihm  nach  Überwindung  heftigen  Widerstandes 
seitens  der  Albanesen.  Darauf  konnte  sich  auch  der  Sultan  gegen 
Kroia  wenden.  Gegen  seine  überlegene  Macht  vermochte  der 
energische  Herrscher  des  christlichen  Albaniens  nicht  anzu- 
kämpfen. Er  versprach,  dem  nun  feierlich  anerkannten  Ober- 
herrn jedes  Jahr  statt  eines  in  Geld  zu  bezahlenden  Tributs 
Schafe  und  Knaben  für  den  kaiserlichen  Hof  zu  entrichten  *). 
Im  Sommer  146 1  segelte  Skanderbeg,  dessen  Stellung-  nunmehr 
unhaltbar  geworden  war,  nach  Italien  ^). 

Im  Frühling  des  Jahres  1460  wurde  Morea  das  Ziel  des  Krieges. 
Nach  einem  Marsche,  der  27  Tage  dauerte,  gelangte  Mohammed 
im  Mai  1460  von  neuem  nach  Korinth,  das  die  Griechen  wieder 
einzunehmen  gehofft  hatten.  Scheinbar  bekriegte  er  beide  Paläo- 
logen :  den  von  Demetrios  als  Gesandten  an  ihn  geschickten 
Asanes  liefs  der  Sultan  einsperren.  Demetrios  selbst  wurde  von 
Mahmud  in  seinem  Misithra  eingeschlossen;  bald  ergab  er  sich, 
und  vorher  schon  war  Asanes  seiner  Haft  entlassen  worden. 
Wie  ein  Fürst  trat  Demetrios  in  das  Zelt  des  Sultans  ein,  wie  ein 
Gleichgestellter  des  heidnischen  Kaisers,  der  sich  vor  ihm  erhob 
und  ihm  bis  zur  Tür  entgegenging";  Mohammed  bot  dem  Besiegten 
die  rechte  Hand.  Der  Despot  wurde  mit  allerlei  Gaben,  Stoffen, 
Pferden  usw.  beschenkt.  Es  war  nicht  weiter  wunderbar,  dafs  der 
osmanische  Herrscher  die  junge  Tochter  des  unglücklichen, 
demoralisierten  Paläologen  in  seinen  Harem  nehmen  wollte. 
Demetrios  erhielt  dann  nicht  nur  die  Inseln  Imbros ,  Lemnos, 
Thasos  und  Samothrake ,  sondern  auch  Anos  und  aufserdem 
Einkünfte,  die  mit  denen  seines  eigenen  Gebietes  zusammen 
nicht  weniger  als  300000  Aspern  ausmachten^).  Der  ehemalige 
Despot   starb    erst    im   Jahre    1470    als    Mönch  David    in  Adria- 


i)  Krit obulos. 

2)  Noch  Ende  des  Jahres  1460  schickte  Ragusa  Briefe  an  denselben;  „Dipl. 
Rag."  S.  748.  Siehe  auch  Ljubic  X,  S.  146 — 147.  Vorbereitungen  zu 
seinem  Empfange,  wenn  er  nach  Ragusa  kommen  sollte,  August  1461  ;  ebenda 
S.  751. 

3)  Vgl.   auch  Chalkokondylas   S.   470. 


94  Erstes  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

nopel,  nachdem  er  den  Tod  seiner  Tochter,  der  ,, Sultanin", 
noch  erlebt  hatte').  Demetrios  Asanes,  ,,  der  Urheber  dieses 
Unglücks",  wohnte  von  1460  an  in  Demotika,  wo  er  im  Jahre 
1467  verschied  ^). 

Im  Lande  des  Thomas  aber  änderte  der  Sultan  sein  Ver- 
halten gegen  die  Einwohner.  Während  Misithra ,  nachdem 
400  Janitscharen  im  Schlosse  Aufnahme  gefunden  hatten ,  sich 
jeder  Schonung  erfreute,  wurde  Kastritzi,  das  sich  erdreistete, 
eine  Verteidigung  zu  versuchen,  durch  Ermordung  von  300  Ge- 
fangenen —  einige  wurden  sogar  gepfählt  — ,  Knechtung  der 
Frauen  und  Kinder  und  Einäscherung  der  Häuser  bestraft. 
Gardiki  zögerte  nur  einen  Tag ,  seine  Übergabe  zu  vollziehen, 
und  wurde  doch  nicht  milder  behandelt  ^).  Nun  floh  dei  unglück- 
liche Thomas  aus  Kalamata  und  Marathios  nach  Mantinea,  dann, 
Ende  Juli,  über  Portolongo  nach  Korfu,  von  wo  aus  er  sich, 
am  16.  November,  nach  einem  kurzen  Aufenthalte  in  Gravosa 
bei  Ragusa  *) ,  nach  Italien  wandte ,  als  der  Sultan  ihm  Ver- 
zeihung verweigerte ,  wenn  nicht  er  selbst  oder  sein  Sohn  sich 
ihm  stellen  wollten.  Thomas'  Gattin,  die  ,,Vasilissa",  starb  hier 
auf  fremder,  venezianischer  Erde  ^).  Thomas  selbst  lebte  noch 
bis  ins  Jahr  1465  ;  sein  ältester  Sohn  Andreas  wurde  vom  Papste 
als  Nachfolger  anerkannt;  dieser  und  sein  Bruder  Manuel  waren 
Katholiken  ^).  Ein  dritter  Sohn,  Gidos,  wurde  Beglerbeg  Rums 
und  fiel  im  Kampfe  mit  Uzun- Hassan  1473  ^).  Mitte  Herbst 
war   Mohammed    wieder    in  Adrianopel  ^). 

In  Morea  waren  nur  die  venezianischen  Besitzungen  und  das 
im  Namen  des  Papstes  von  einem  katalanischen  Korsaren  besetzt 


i)  Phrantzes  S.  449. 

2)  Ebenda  S.  428 — 429. 

3)  Ebenda  S.  4l6fif. 

4)  „Dipl.  Rag."  S.   748. 

5)  Vgl.  auch  Sathas  I,  S.   233«?.;  „Dipl.  Rag."  S.   748. 

6)  Phrantzes  S.  400 ff. 

7)  Ebenda  S.  450. 

8)  Kritobulos;  Chalkoko  n  dylas  S.  47iff.;  Dukas  S.  340  und 
Phrantzes  S.  391  ff.  Vgl.  auch  die  Notiz  des  „serbischen  Janitscharen"  und 
Seadeddin  II,   S.    i83ff. 


Abrundang  des  Reiches  in  Europa  und  Asien   unter  Mohammed  II.  95 

gehaltene  Monembasia,  nebst  einem  griechischen  Schlosse,  noch 
in  den«  Händen  der  Christen  g-eblieben  ^).  Der  Despot  Tocco, 
der  in  Leukas  residierte,  sah  sich  g-enötig-t,  Angelokastron  den 
Türken  zu  überlassen  ^).  Unterweg-s  hatte  der  Sultan  den 
Tyrannen  von  Athen ,  Franco  ^) ,  und  den  Beg-  Sag-anos  er- 
morden lassen  *)  und  damit  die  ihm  überlassene  Herrschaft  dem 
moreotischen  Sandschakat  Hamzas  einverleibt. 

Unterdessen  war  nach  dem  Tode  Calixtus'  III.  der  Humanist 
und  unermüdliche  Predigfer  des  Kreuzzug^s,  der  g^ewesene  Legat 
für  Deutschland  und  Ungarn,  Aneas  Sylvius ,  als  Papst  Pius  II. 
auf  den  Stuhl  Petri  gestiegen.  Obgleich  alt  und  gebrochen, 
stand  ihm  noch  immer,  alle  anderen  Interessen  überwiegend,  das 
Ziel  des  allgemeinen  christlichen  Krieges  gegen  die  Osmanen 
vor  Augen.  Sein  Pontifikat  leitete  er  mit  einer  feurigen  Er- 
mahnung an  die  Christenheit  ein ,  und  alle  Fürsten ,  besonders 
aber  die  italienischen,  erhielten  die  Einladung  zu  einem  grofsen 
Konzile  in  Mantua  oder  Udine  ^). 

Vielleicht  schwebte  Pius  das  Bild  der  grofsen  Versammlung 
von  Piacenza  vor  Augen,  wo  Urban  II.  zu  einer  gewaltigen 
Menge  gesprochen  und  sie  für  den  Kreuzzug  begeistert  hatte. 
Als  er  aber,  von  dem  jungen  Mailänder  Plerzoge  Gian-Galeazzo 
und  den  kleinen  Herren  Faenzas ,  Carpis ,  Carreggios  usw.  um- 
geben,  im  Monat  Mai  1459  in  Mantua  anlangte,  fand  er  nur 
wenige  Vertreter  der  christlichen  Mächte  vor.  Trotzdem  wurde 
seinen  dringenden  Bitten  Gehör  geschenkt  und  ein  allgemeiner 
Zug  beschlossen.  Das  Reich  sollte  ein  starkes  Kontingent  von 
42000  Mann  zusammenbringen,  Ungarn,  wo  in  Matthias,  dem 
schon  im  März  zum  König  gewählten  jüngeren  Sohne  Hunyadys, 
ein  tapferer  und  sehr  ehrgeiziger  König  erstanden  war,  wollte 
20000  Reiter  beisteuern;  der  Herzog  Philipp  von  Burgund  erbot 
sich,   2000  Reiter  und  4000  Fufssoldaten  zu  schicken.    Der  Kaiser 


i)  Hopf  11,  S.  130 — 131. 

2)  Ebenda  S.   136.  3)  Vgl.  Hopf  II,  S.   128. 

4)  Ch  alk  o  ko  n  d  y  la  s   S.   4S3. 

5)  Siehe  auch  cod.  lat.   mon.   519,   fol.    79. 


D6  Erstes   Buch.     Fünftes  Kapitel. 

selbst  sollte  den  Generalhauptmann  spielen,  und  der  Papst  hatte 
versprochen,  persönlich  am  Kriege  teilzunehmen  '). 

Aber  nur  allzubald  begannen  die  Absagen.  Am  15.  Januar  1460 
zeigte  Pius  selbst  an,  dafs  er  verhindert  sei,  an  der  Spitze  der 
Kreuzfahrer  zu  erscheinen.  Nur  der  griechische  Kardinal  Bes- 
sarion  wurde  als  ,, Engel  des  Friedens"  ins  Reich  geschickt,  um 
Ablafs  zu  verteilen,  den  Zehnten  zu  sammeln  und  den  Kaiser 
anzuspornen  '''). 

Einen  deutschen  Reichstag  zusammenzubringen  war  bis  zum 
Monat  September  1460  unmöglich.  Dann  hielt  der  Kaiser  in 
seiner  Stadt  Wien,  wo  auch  die  Vertreter  des  Markgrafen  von 
Montferrat  und  des  burgundischen  Herzogs  erschienen  waren, 
einen  solchen  ab.  Die  Reden  Bessarions  und  des  Burgunders 
waren  noch  begeisterte  Aufrufe  zum  Kriege.  Es  wurde  von 
150000  durch  den  Papst  gespendeten  Dukaten  (20000  nach 
Ungarn),  von  den  an  200  Fürsten  geschickten  Briefen,  von  dem 
Anerbieten  des  Herzogs,  looo  Fufskämpfer  und  2000  Ritter 
oder  18000  Dukaten  zu  opfern,  von  der  Mission  des  Kardinals 
von  S.  Angelo  nach  Ungarn  und  anderer  Prälaten  nach  Frank- 
reich, England  und  Spanien  gesprochen.  Unter  den  möglichen 
Alliierten  wurden  nicht  nur  der  polnische  König ,  der  von 
„Possen",  der  Karamane  und  die  Albanesen  aufgezählt,  sondern 
auch  die  Tataren ,  ,,  in  Nahent  des  Kunigreichs  Polan  Grenitz, 
die  nicht  machmetisch  sollen  sein"  ^).  Aber  alle  ,,hochen, 
schönen,  maisterlichen  und  trefflichen  Reden  und  Furlegungen" 
hatten  keinen  Erfolg.  Man  hielt  ihnen  entgegen,  dafs  die  mantua- 
nischen  Beschlüsse  ,,die  germanische  Nation"  nicht  binden 
könnten,  und  suchte  im  Tode  der  Erzbischöfe  von  Trier  und 
Mainz,  im  ungarischen  Königswechsel ,  im  Mifstrauen  gegen  die 
Welschen  und  die  östlichen  Nachbarn,  und  im  Mangel  an  Nach- 
richten über  die  Türken,  Beweggründe  für  die  Nichtachtung  der 
schon    getroffenen    Übereinkunft.     Vergebens    sprach    Pius    noch 


i)  Vgl.  cod.  lat.  mon.  215,  fol.  172;  7080,  fol.  400 — 401  vo ;  459,  fol.  246 
bis  253  —  der  Brief  Pius'  vom  I.  Juni  1458.  Siehe  auch  cod.  lat.  monac.  4143, 
fol.   116. 

2)  Nürnberger  Archiv  L  B  69,   36.  3)  Nürnberger  Archiv  a.    a.  O. 


Abrundung  des  Reiches  in  Europa  und  Asien  unter  Mohammed  IL         97 

am  II.  Oktober,  in  einem  Briefe  an  Friedrich  III.,  von  der 
Ehrenpflicht  Deutschlands  ')  und  schlug-  den  Pfalzgrafen  Friedrich 
als  vice-capitaneus  vor  2).  Das  ganze  Projekt  erwies  sich  als 
ebenso  hohl  wie  die  Exhortationen  eines  Tribrachius  Mutinensis  ^), 
die  Prophezeiungen  Theodors  von  Rimini,  des  ,,excellente  astrol- 
logo",  der  das  ,, stolze  Tier  des  Ostens",  das  komme,  um  ,,das 
Blut  der  Schismatiker  zu  vergiefsen ",  verfluchte  *),  oder  die  von 
Donato  Belloria  di  Serravalle  dem  Legaten  in  Frankreich  erteilten 
Ratschläge  ^). 

Im  ersten  Eifer  hatte  der  Doge  von  Venedig  auch  an  die 
christlichen  Fürsten  Asiens  geschrieben,  um  ihnen  den  nahe  be- 
vorstehenden Kreuzzug  zur  Wiedergewinnung  Konstantinopels 
anzukündigen  ®),  und  Bruder  Lodovico  von  Bologna  ging  persön- 
lich, um  sie  zur  Beteiligung  zu  überreden.  Auch  erfolgte  gegen 
das  Jahr  1460  seitens  des  georgianischen  Herzogs  von  Cher- 
chere  (in  Georgien)  die  Antwort  '),  dafs  er  sich  mit  König  Georg 
von  Georgien ,  mit  dem  König  Pangratios ,  mit  Bendian ,  die 
40000,  bzw.  20000  und  weniger  Reiter  zu  geben  imstande  sei, 
schon  verständigt  habe  *).  Gregor  rechnete  ferner  auf  die  Hilfe 
des  armen  trapezuntischen  Basileus  und  seines  mächtigen  ,, Ver- 
wandten" Usun-Hassan,  des  Schwiegersohnes  des  turkmenischen 
Herrschers  von  Persien  ^). 


i)  „Erit  sine  honore  Germania  si  ad  nihilum  recidet  tanta  expectatio." 

2)  Ebenda;  vgl.  auch  cod.  monac.  lat.  519. 

3)  Bibliothek  von  Ferrara  II,  310:  „Carmen  de  apparatu  contra  Turcum." 

4)  „Quel  fiero  animale  che  d'Oriente  —  Pare  vegnir  a  spargere  sangue 
cristiano  —  De  la  meschina  chismatica  gente";  ebenda  I,  604. 

5)  Cod.  vindobon.  lat.  2152.  Vgl.  auch  eine  „oratio  Saracenorum  regi  Bo- 
Jiemie  tum  missa,  anno  Mo  CCCCo  LXo";  cod.  monac.  lat.  218.  S.  auch  Bibl. 
Ambrosiana  F.  33  Sup.,  fol.   112  vo. 

6)  „Le  cosse  che  hariti  ordinä  sul  facto  dela  recuperatione  dela  citä  de  Constan- 
tinopoli.'^ 

7)  „Gorgara,   duca  de   Charcerche,   in  Zorzavia." 

8)  „Ho  facto  pace  con  lo  re  Zorzo,  fiolo  che  fü  di  Alessandro,  e  con  Pan- 
grati,  re  de  Chotatissa,  di  Zorzavia,  e  con  Bendiano  de  la  chä  di  Lipartia,  signori 
■de  tuta  Mengarilia.  Noi  tuti  christiani  che  siamo  qui  a  queste  parte  haverao 
fato  conventione  e  concordia  insieme  andar  contra  l'Infedeli  con  tute  nostre  pos- 
sanze.   .  .  .   Insieme  con  Guglie  et  Avogarti,  li  quali   instamente  sono  soi  sugetti." 

9)  „Lo   imperador   de  Trapessunda,  inseme  con  Ugin  Cassan  Turcho,  genero 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.     II.  7 


98  Erstes  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

Diese  Verschwörung-,  die  „Anadol"  für  die  Turkmenen  und 
zum  Teile  für  die  kleinen  christlichen  Fürsten  gewinnen  wollte, 
galt  es  unschädlich  zu  machen.  1461  war  Usun-Hassan,  der 
Führer  der  Turkmenen  Akkojunlu,  „des  Weifsen  Hammels  ",  als 
Sieger  über  seinen  Gegner  Hassan-Ali,  den  Sohn  Dschihans  und 
Führer  der  Nomaden  des  ,, Schwarzen  Hammels",  in  den  armenisch- 
persischen Gebieten  um  das  alte  Tigranokerta  ansässig.  Doch 
war  er  nicht  stark  genug,  gegen  die  westlichen  Türken  Rums 
das  Werk  eines  Timur  zu  erneuern.  Ganz  Chorasan,  Kerman, 
Seistan  und  Fars,  Afghanistan  gehörten  dem  Timuriden  Ebusaid 
Mirza,  dem  Enkel  Miranschahs,  der  die  anderen  Prätendenten 
beiseite  gedrängt  hatte  und  sich  fähig  erwies,  den  in  den  letzten 
Jahren  wieder  erfolgten  Andrang  der  wilden  Horden  aus  der 
Steppe  zu  brechen.  Im  Kampfe  mit  den  von  Dschügi  be- 
fehligten Scharen  des  mächtigen  Barbarenkönigs  des  Uzbegen 
Ebulchair  und  jenen  des  Bürge-Sultans  war  er  der  Überlegene. 
Soeben  hatte  der  Nachfolger  der  grofsen  Khane  des  Ostens 
seinen  Rivalen,  Mirza  Hussein,  geschlagen  und  schickte  sich 
an,  den  besiegten  Dschügi  in  der  Festung  Schahruchie,  dem 
alten  Binaket,  zu  belagern.  Usun  mufste,  nach  der  Einnahme 
dieser  Stadt,  die  1462  auch  wirklich  erfolgte,  einen  Angriff 
auf  das  ihm  selbst  unterstehende  Aderbeidschan  erwarten  ^). 
Unter  solchen  Verhältnissen  mit  dem  Osmanenemir  einen 
schwierigen  Krieg  zu  beginnen  wäre  für  den  ,, langen  Hassan" 
ein  offenbarer  Fehler  gewesen.  Weit  eher  war  er  bereit,  seine 
christlichen  und  mosleminischen  Freunde  an  der  Pontusküste  zu 
opfern. 

Die  Streitigkeiten  zwischen  Usun,  der  als  Herausforderer  im 
alten  prahlerischen  Stile  des  Barbaren  erscheint,  und  dem  ruhig 
sein  Ziel  verfolgenden  Mohammed  hatten  schon  um  1460  be- 
gonnen.   Der  armenisch-persische  Beg  betrachtete  sich  kraft  des 


delo  diclo  imperador,  e  con  Bardebecho,  Arimenio,  [che]  hano  facto  parentä  in- 
sieme."     Archiv  von  Mailand,  Venezia,  sec.  XV  —  XVI,  s.  d.     Ähnliche  Hriefe 
auch  in  den  Werken  des  Aneas  Sylvius. 
l)  Vambery  II,   S.    i  ff. 


Abiundung  des  Reiches  in  Europa  und  Asien  unter  Mohammed   II.  99 

Schwertrechtes,  das  auch  die  Leg-itimation  des  grofsen  Vor- 
fahren g-ewesen  war,  als  echter  und  alleiniger  Nachfolger  Timurs, 
und  verlangte  vom  westlichen  Nachbarn,  den  zu  verachten  sein 
Ehrgeiz  war,  den  lange  ausstehenden  Tribut  an  den  kaiserlichen 
Oberherrn.  Er  schätzte  ihn  für  die  sechzig  Jahre  seit  dem  Tode 
Timurs ,  auf  einig-e  tausend  Sattel ,  Teppiche  und  Turbane. 
Mohammed  antwortete,  dafs  er  das  Verlangte  selbst  bringen 
werde.  Damit  waren  die  Feindseligkeiten  unvermeidlich  ge- 
worden ^). 

xA-uch  den  Tribut  Trapezunts  nahm  der  Turkmene,  dem  der 
,,  Grofskomnene "  Kaiser  Johann  die  Tochter  seines  Bruders, 
des  Kaisers  Johann,  zur  Frau  gegeben  hatte,  für  sich  selbst  in 
Anspruch  ^).  Aufserdem  hatte  er  Hussein-Beg  von  Kojunli  auf 
der  Jagd  gefangengenommen  und  seine  Stadt  besetzt  ^).  Auch 
wurde  das  armenische  Ersindchan  von  ihm  belag^ert  *). 

Im  Frühlinge  des  folgenden  Jahres  wurde,  sobald  die  mo- 
reotischen  Angelegenheiten  geregelt  waren,  der  Krieg  in  Asien 
aufgenommen.  Der  Kapudan  Kasim  und  ein  zweiter  Befehls- 
haber zur  See,  Jakub ,  standen  an  der  Spitze  einer  Flotte  von 
300  Schiffen.  Da  das  Ziel  des  neuen  Zuges  unbekannt  war  — 
soll  Mohammed  doch  sogar  dem  Kadilisker  und  dem  Obersten 
Richter  jeden  Aufschlufs  verweigert  haben  — ,  so  zitterten  alle 
christlichen  Dynasten  bis  zu  den  Moldauern  im  fernen  Lico- 
stomo  für  ihr  Schicksal.  Als  aber  der  Sultan  selbst  mit  dem 
Hofe  und  den  europäischen  Kontingenten  nach  Asien  hinüber- 
ging, wo  die  Asiaten  unter  ihrem  Beglerbeg  und  der  Sohn  des 
Karamanen  schon  mit  seinem  Gefolge  auf  ihn  warteten ,  wurde 
offenbar,  was  bevorstand  ^). 

Einige  Tage  blieb  Mohammed  inBrussa  und  besuchte  das  Grab 
seines  milden  Vaters.  Dann  wandten  sich  die  Truppen  nach  Nord- 
osten,    überschritten    den    Halys   und    machten,     da    Amastris- 


i)  Dukas  S.  339. 

2)  Chalkoko  ndylas  S.  490. 

3)  Seadeddin  II,   S.    199 — 200. 

4)  Ch  alkokondylas  S.  461. 

5)  Kritobulos. 

7* 


100  Erstes  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

Simisso  schon  mehrere  Monate  vorher  von  den  Türken  besetzt 
worden  war  i),  erst  bei  Sinope-Sinob  halt. 

Die  schöne,  vom  Meere  umgebene  Stadt  war  mit  dem  Kon- 
tinente durch  eine  Landzunge  mit  prachtvollen  Waldungen,  wo- 
hin sich  die  Emire  zur  Hasen-  und  Hirschjagd  begaben,  ver- 
bunden. Ismael,  dessen  Sohn  Hassan  dem  Angreifer,  der  durch 
die  zweite  Heirat  Sultan  Murads  ein  Verwandter  des  Hauses  Is- 
fendiars  war,  entgegenkam,  um  ihm  die  Grüfse  des  Vaters  zu 
überbringen,  verfügte  über  ein  Heer,  das  bis  auf  loooo  Mann 
geschätzt  wird,  und  über  viele  grofse  und  kleine,  gewifs  von  den 
Genuesen  erstandene  Bombarden  und  Geschütze;  unter  seinen 
Schiffen  zeichnete  sich  eines  derart  aus,  dafs  die  osmanische 
Flotte  ihm  keines  an  die  Seite  stellen  konnte.  Das  Isfendiar-Ili 
erstreckte  sich  zwar  nur  von  Penderaki  bis  nach  Paphlagonien 
und  zum  Gebiete  Turguts,  dessen  Tochter  die  zweite  Sultanin 
Mohammeds  war  und  dessen  Sohn  sich  gewöhnlich  am  Hofe  des 
Schwagers  befand,  war  aber  durch  seine  Erzbergwerke,  die  nur 
denen  Iberiens  nachstanden  und  ihm  jährliche  Einkünfte  von 
200000  goldenen  ,, Stateren"  lieferten,  ein  sehr  reiches  Land. 

Aber  Ismael-Beg  war  kein  Krieger,  und  an  das  träge  orien- 
talische Leben  in  seiner  bisher  geschützten  und  gesicherten 
Residenz  gewöhnt.  Er  wufste  aufserdem ,  dafs  jede  Gegenwehr 
von  dem  osmanischen  Eroberer  hart  und  sogar  grausam  bestraft 
wurde.  Nachdem  er  einige  Tage  dem  vom  Wesier  und  Kisil- 
Ahmed  geführten  Vortrabe  Widerstand  geleistet  hatte,  entschlofs 
er  sich,  die  Provinz  von  Philippopolis  und  Freiheit  von  allen  Ab- 
gaben und  Lasten  zu  verlangen.  Doch  bot  man  ihm  das  Gebiet 
von  Usküb  in  dem  mazedonischen  Gebirge  an ,  und  er  konnte 
nichts  tun,  als  sich  dem  Willen  des  Mächtigeren  fügen.  Aus 
dem  Palaste  des  Isfendiaroglis  raffte  Mohammed  alle  Schätze  zu- 
sammen, und  liefs  die  Bergwerke  besetzen,  die  50000  goldene 
Stateren  wert  waren.  Dann  befahl  er  seinen  neuen  Untertan  und 
Sandschak  mit  allen,  die  sein  Los  teilen  wollten,  nach  Rum  ein-       j 

1)  Kritobulos.  Seadeddin  spricht,  U,  S.  193 — 194,  von  einem  persön- 
lichen Zug,  den  Mohammed  aus  Boli  gegen  diese  Stadt  unternommen  habe,  um 
den  dortigen  Fürsten  gefangenzunehmen,  was  eine  Unmöglichkeit  ist.  Vgl.  Chal- 
kokondylas  S.  460. 


Abrundung  des  Reiches  in  Europa  und  Asien  unter  Mohammed  II.        101 

zuschififen.  Einige  Tage  darauf  zogen  die  Janitscharen  auch  in  Ka- 
stemuni ein,  wo  die  Frau  Ismails  die  Führung  hatte  ').  Des  Emirs 
Bruder,  Kisil-Ahmed,  ein  FlüchtUng  und  osmanischer  Offizier  in 
Boli  ^),  der  durch  seine  Ränke  diesen  Eroberungszug  beschleunigt 
hatte,  wurde  zum  Befehlshaber  von  Sinope  eingesetzt,  während 
Hassan,  sein  Neffe,  die  bisher  von  diesem  innegehabte  Stellung 
eines  Verwalters  von  Boli  antrat  ^).  Doch  wurde  Kisil  bald  in 
derselben  Eigenschaft  eines  Sandschaks  nach  Griechenland  be- 
ordert und  entfloh  von  dort  an  den  karamanischen  Hof  und 
zuletzt  zu  Usun-Hassan  ^). 

Nun  ging  die  F"lotte  der  Osmanen  weiter  nach  Osten  zum 
fernen  Trapezunt  hin,  das  noch  mehr  durch  seine  Schönheit  als 
durch  seine  Reichtümer  die  Aufmerksamkeit  des  Welteroberers 
auf  sich  zog.  Das  Heer  trat,  nachdem  es  Amasien,  wo  der  junge 
Sultanssohn  Bajesid  befehligte,  und  dann  Siwas  berührt  hatte, 
bald  in  die  Engpässe  des  Taurus  ein,  in  denen  es  nicht  weniger 
als  achtzehn  Tage  verblieb.  Vielleicht  niemals  hatten  die  os- 
manischen  Truppen,  und  noch  dazu  bei  regnerischem  Wetter, 
einen  so  gefährlichen  Weg  gemacht.  Wie  in  Albanien  zog, 
während  des  sultanischen  Zuges,  Wesir  Mahmud  einen  Tag  vor- 
an, bis  er  von  einem  türkischen  Mörder  am  Gesichte  verwundet 
wurde  ^).  Es  wurden  alle  möglichen  Mafsregeln  getroffen ,  um 
die  Person  des  Sultans  zu  sichern ;  die  Silichdare  schritten  ihm 
zur  Seite,  bereit,  mit  dem  Hagel  ihrer  Pfeile  den  Kaiser  zu 
schützen.  Die  ganze  Reiterei  bildete  den  Nachtrab  und  wurde 
wieder  von  anderen  Truppen  im  Rücken  gedeckt.  Ein  Über- 
fall   der    Turkmenen    des    ,,Weifsen    Hammels"    unter  Kurschid, 


i)  Kritobulos  und  Chalkokondylas  S.  485  ff.  Nach  Seadeddin  hätte 
Ismail  die  asiatischen  Besitzungen  Jenischehr,  Ainegöl  und  Jarhissar  bekommen,  was 
weniger  glaublich  ist;  II,  S.  199.  Der  türkische  Chronist  ist  aber  sehr  ausführ- 
lich :  er  setzt  die  Entsendung  Ismails  nach  Philippopolis  später  an ,  hinter  die 
Flucht  Kisil-Ahmeds ;  siehe  unten.  Vgl.  auch  den  „Serbischen  Janitscharen",  der 
die   bei  Philippopolis  befindliche   Stadt  Stenimaka  angibt. 

2)  Seadeddin  11,  S.   195 — 196. 

3)  Seadeddin  II,   S.    199;  vgl.   Chalkokondylas   S.   485. 

4)  Seadeddin  II,  S.   206. 

5)  Dasselbe  erzählt  auch  der  „  serbische  Janitschare ". 


103  Erstes  Buch.      Fünftes  Kapitel. 

dem  Neffen  Usuns,  wurde  von  Ahmed  Kedük  zurückgeworfen  '). 
Mohammed  schien  ins  Aderbeischan  selbst  einfallen  zu  wollen, 
um  Usun  für  sein  beleidigendes  Verhalten  zur  Rechenschaft  zu 
ziehen.  Die  von  Hamza-beg  befehligten  eurojDäischen  Truppen 
hatten  Kojunli  angegriffen  und  das  Gebiet  des  Wesirs  von 
Turan  und  Iran  verheert  ^). 

Usun  aber  war  ebensowenig  geneigt,  sich  auf  einen  Kampf 
mit  Mohammed  einzulassen,  wie  dieser  auf  einen  Zusammenstofs 
mit  dem  mächtigen  Turkmenen  und  einen  Zug  nach  so  ent- 
legenen Gegenden,  wo  er  sich  bald  auch  Ebusaid  gegenüber  be- 
funden hätte,  vorbereitet  war.  So  kam  denn  Sarah,  die  Mutter 
Usuns,  mit  dem  Lala  ihres  Sohns  und  verschiedenen  Gaben, 
ins  osmanische  Lager;  und  Mohammed,  dem  dieser  Besuch 
schmeichelte,  liefs  seine  Truppen  den  nördlichen  Weg  nach 
Trapezunt  nehmen,  das  durch  die  Friedensvorschläge  ihm  ge- 
wissermafsen  überlassen  worden  war;  er  behielt  aber  die  Turk- 
menin, als  Bürgschaft  für  die  Aufrichtigkeit  der  friedlichen  Ge- 
fühle ihres  doch  sehr  verdächtigen  Sohnes,  vorläufig  bei  sich. 

Die  trapezuntischen  Basileis  hatten  während  des  15.  Jahr- 
hunderts ein  trübes  und  wenig  ehrenvolles  Dasein  geführt.  Die 
Kaiserin  des  Kyr  Alexios  wurde  öffentlich  des  Ehebruchs  be- 
zichtigt. Es  war  für  ihren  Sohn  Johann  ein  Grund,  seine  beiden 
Eltern  ins  Gefängnis  zu  werfen.  Als  Alexios  die  Freiheit  wieder- 
erhielt, wollte  er  die  Thronfolge  zugunsten  seines  zweiten  Sohnes 
Alexander,  der  nach  der  hier  herrschenden  türkischen  Mode  den 
Namen  Skandarios  trug  und  mit  einer  Gattilusio  von  Lesbos  ver- 
heiratet war,  regeln.  Johann  aber  verstand  es,  sich  Unterstützung 
zu  verschaffen,  und  als  sich  die,  KaßaiCnaioi  oder  Kaßa'CiTidvoi 
genannten  trapezuntischen  Leibgardisten,  die  Herren  des  Thema 
Mega  Chaldeia  nahe  bei  Trapezunt  waren,  für  ihn  erklärten, 
stürzte  und  tötete  er  den  Vater,  um  dann  als  vollendeter  Heuch- 
ler die  Mörder  zu  verurteilen,  blenden  und  verstümmeln  zu  lassen. 
Unter  derart  anarchisch  -  politischen  und  verbrecherisch  -  morali- 
schen  Verhältnissen    bestand   Trapezunt    nur    durch    die    Unter- 

i)  Se  ad  eddin  II,  S.   202. 
2j  Ebenda  S.    199 ff. 


Abrundung  des  Reiches  in  Europa  und  Asien  unter  Mohammed  U.        103 

Stützung  der  Könige  von  Iberien,  aus  deren  Hause  auch  die  Ge- 
mahlin Johanns  stammte,  sowie  die  der  in  der  Krim  frei  walten- 
den Herren  von  Theodoroi  (Mangup)  aus  demselben  grofskom- 
nenischen  Hause  ^)  und  durch  die  mit  Geld  und  mancher  Erniedri- 
gung erkaufte  Gunst  der  benachbarten  Türken.  Doch  wurde  diese 
griechische  Insel  im  Osten  unter  Johann  einmal  vom  Scheik 
Erdebil  (Artobil)  mit  Truppen  von  Samos  und  anderen  Inseln,  dann 
nach  einiger  Zeit  wieder  von  Khidr  von  Amasia  ^)  besetzt ,  und 
20OO  Sklaven  wurden  aus  ihr  fortgeschleppt.  Darauf  erbot  sich  der 
Vatermörder  Johann,  ein  Kharadsch  von  3000  Dukaten  an  den 
Sultan  zu  entrichten,  und  erhielt  sein  ,,  Kaisertum"  zurück.  Als 
Johann  starb,  beseitigte  sein  Bruder  David  den  vierjährigen  Neffen 
und  begab  sich,  als  treuer  Vasall,  zu  Mohammed,  um  von  ihm 
als  Sultan  und  Oberherrn  bestätigt  zu  werden.  Es  war  während 
des  ersten  moreotischen  Zuges  ^).  Als  aber  David  zu  Usun  Be- 
ziehungen anknüpfte  und  durch  ein  Familienbündnis  besiegelte, 
war  sein  Los  entschieden. 

An  einen  ernstlichen  Widerstand  seitens  des  unglücklichen 
Fürsten  war  nicht  einmal  zu  denken.  Zwar  wurde  ein  Vortrab 
von  angeblich  2000  Reitern  hart  mitgenommen  ^) ,  und  die  von 
Mahmud  befehligte  Belagerung  währte  volle  28  oder  sogar 
32  Tage,  obgleich  die  Kanonen  der  Schiffe  die  Mauern  an  der 
Meerseite  stark  beschädigt  hatten  und  der  im  Zeltlager  von 
Skylolimne  stehende  Wesir  heimliche  Beziehungen  zu  Davids 
Vetter  Georg,  einem  anderen  Prätendenten  auf  die  Herrschaft, 
unterhielt.  Der  Kaiser  verlangte  von  Mohammed  nur  ein  reiches 
Leibgedinge  und  die  Ehre,  durch  seine  zweite  Tochter  mit  seiner 
sultanischen  Hoheit  in  Familienverbindung  zu  treten  ^).    Das  Los 

i)  Vgl.  die  Chronik  des  Panaretos,  „Abhandlungen  der  bayerischen  Aka- 
demie" Jahrg.  1S44,  viel  besser  im  „'EkXrivo/xvrjjnojp" ,  Jahrgang  1907,  von  Lampros 
herausgegeben. 

2)  Siehe  auch  Ch  alk  o  k  o  n  d  y  las   S.   416. 

3)  Vgl.  Chalkoko  n  dylas  S.  461  ff.,  491  ff.  Die  Chronik  von  Pan  a  r  e  t  o  s 
geht  nicht  so  weit. 

4)  „Serbischer  Janitschare." 

5)  Mischehen  zwischen  den  kaiserlichen  Prinzessinnen  Trapezunts  und  den 
benachbarten   mosleminischen  Häuptlingen  gehörten  nicht  zu  den  Seltenheiten. 


104  Erstes  Buch.     Fünftes  Kapitel.     Abrundung  des  Reiches  usw. 

des  Demetrios  Paläolog-os  war  es ,  was  er  erstrebte ;  aber  der 
Sultan  wollte  diesmal  auf  keine  Bedingungen  eingehen.  Die 
Janitscharen  zogen  durch  eine  Bresche  in  Trapezunt  ein.  Eine 
ihrem  Korps  entnommene  Besatzung  von  400  Osmanen  wurde 
in  der  Stadt  zurückgelassen;  Asapen  erhielten  in  der  unteren 
Stadt  Wohnungen.  Kasim  bekam  zur  Belohnung  das  Sandschakat 
von  Tribizund,  während  die  mächtige  militärische  Aristokratie 
von  ihren  Gütern  verdrängt  wurde,  um  den  neuen  Spahis  Khidrs 
Platz  zu  machen.  Einige  der  Bewohner  wurden  unter  die  os- 
manischen  Krieger  als  Sklaven  verteilt,  viele  andere  eingeschifft, 
um  Konstantinopel  geschickte  Meister  und  verständige  Bürger 
zuzuführen;  1500  junge  Leute  kamen  an  den  Hof  des  Sultans 
und  traten  in  die  Reihen  der  Janitscharen  ').  Das  Schicksal 
Trapezunts  war  das  einer  im  Sturm  eroberten  Stadt. 

Durch  die  engen  Täler  des  Gebirges  und  das  Land  der  be- 
rüchtigten unbändigen  Tzanen  gelangte  Mohammed  dann  in  acht- 
undzwanzig Tagen  nach  ßrussa.  Noch  vor  Ende  des  Herbstes  sie- 
delte er  nach  Europa  über.  Hier  waren  David,  die  Kaiserin,  die 
dem  Sultan  angetragene  Tochter,  der  kaiserliche  Sohn  Georg 
und  der  Vestiar  und  einflufsreichste  Rat  Georg  Amirutzi,  ein  in 
vielen  Zweigen  der  Wissenschaft  unterrichteter  Mann ,  bereits 
vor  ihm  angelangt;  Johanns  Sohn  Alexios  war  in  Lesbos  zurück- 
gelassen worden.  Die  junge  Prinzessin  trat  in  den  Harem  ein,  und 
der  vorbestimmte  Thronfolger  nahm  den  Glauben  des  Islams  an. 
Als  aber,  dank  dem  Verrate  des  Amirutzi,  ein  Brief  der  mit  Usun 
verheirateten  Tochter  Davids  zur  Kenntnis  Mohammeds  gelangte, 
liefs  dieser  alle  männlichen  Mitglieder  des  kaiserlichen  Hauses  von 
Trapezunt  ermorden;  nicht  einmal  der  Renegat  Georg  entging 
diesem  grausamen  Schicksal  ^).  Die  kaiserliche  Prinzessin  Anna 
wurde  zuerst  mit  Saganos,  dem  mazedonischen  Sandschak,  dann, 
als  dieser  seiner  Stellung  entsetzt  und  getötet  wurde,  mit  einem 
,, Sohne"  des  Ewrenos,  ,,Jyon"  (Junis),  verheiratet;  zuletzt  liefs  sie 
Mohammed  zum  Islam  übertreten  und  in  seinen  Harem  bringen  ^). 


1)  Kritobulos  und  Ch  alkoko  ndy  las  S.  497. 

2)  Chalkokondylas  S.  497 — 498.  3)  Ebenda  S.   527, 


Sechstes  Kapitel. 

Serbische  Wirren.    Annexion  Bosniens.    Kämpfe 
Mohammeds  an  der  Donau  mit  Rumänen  und  Ungarn. 


Nach  langer  Unterbrechung"  konnte  Mohammed  jetzt  auch 
wieder  an  die  nördliche  Grenze  denken ,  die  von  Ungarn  und 
Rumänen  angegriffen  worden  war. 

Der  Despot  Lazar  freilich  hatte  sich  mit  Mohammed  zu 
stellen  gewufst,  indem  er  den  Tribut  mit  2000  Dukaten  zu 
erhöhen  versprach,  und  war  sogleich  bestätigt  worden  ').  Auch 
wird  ihm  ein  Angriff  auf  die  Ungarn,  denen  er  die  Festung 
Kowin  (Keve)  entrissen  haben  soll,  zugeschrieben.  Jedenfalls 
wurde  auch  seitens  des  neuen  ungarischen  Königs  nichts  gegen 
ihn  unternommen.  Unvorhergesehen  starb  aber  Lazar  schon  am 
20.  Januar   1458. 

Seine  Witwe  Helene,  eine  Tochter  des  Thomas  Paläologos, 
war  nicht  imstande,  das  zerrüttete  und  geschwächte  Serbien  zu 
halten.  Um  so  weniger,  als  es  an  Bewerbern  um  die  Erbschaft 
nicht  fehlte.  Einer  derselben,  Gregor,  weilte  bei  dein  Sultan, 
bis  er  das  Kleid  eines  Mönches  des  Klosters  Chilandar  auf  dem 
Athos  anzog;  er  starb  erst  1460  ^).  Georgs  ältester  Sohn  kam,  ob- 
gleich blind,  mit  türkischer  Hilfe  in  seine  Erbschaft  ^),  sein  Sohn 
Wuk  soll  in  Semendria  eingezogen  sein  *)  —  später  flieht  er 
nach  Ungarn  und  schliefslich  nach  Albanien  ^)  — ;  Stephan,  ein 


i)  Chalkok  ondy  las  S.  414 — 416. 

2)  Engel,  Geschichte  von  Serwien,  S.  415. 

3)  „Mon.  Hung.  Hist.",  Acta  extera  IV,  S.   12. 

4)  Ebenda  S.   18. 

5)  Engel,  Geschichte  von  Serwien,  S.  413. 


106  Erstes  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

zweiter  Bruder  Lazars,  weilte  ebenfalls  in  Semendria.  Auch  die 
Gräfui-Witwe  von  Cilly,  die  „Kantakuzenin"  der  rag"usanischen 
Quellen,  die  1461  nach  Rag-usa  kam  '),  machte  von  sich  reden  ^). 
Ferner  sprach  man  in  Kreisen,  die  die  ung-arischen  Ang'elegen- 
heiten  am  besten  kannten ,  laut  von  der  Absicht  Szilagyls ,  das 
ihm  anvertraute  und  neuerdings  verstärkte  Belgrad  mit  Semendria 
und  dem  den  Brankowitschs  verbliebenen  Teile  Serbiens  ver- 
einigen zu  wollen  ^).  Jedenfalls  besetzten  Truppen  aus  Belgrad 
drei  Schlösser,  darunter  das  von  Lazar  eroberte  Kowin  und  das 
sehr  wichtige  Golubatsch  *).  Helena  wandte  sich  auf  den  Rat 
ihres  Vaters,  der  in  engen  Beziehungen  zur  Kurie  stand,  an  Papst 
Pius  und  stellte  sich  unter  den  Schutz  des  Heiligen  Stuhles  (März). 
Der  päpstliche  Legat  in  Ungarn,  der  Kardinal  von  S.  Angelo, 
erschien,  um  die  Oberherrschaft  des  Papstes  über  Serbien  öffent- 
lich zu  verkündigen  ^).  Aber  nur  der  Sultan  war  imstande,  seine 
angeblichen  Rechte  auf  das  schutzlos  daliegende  Land  durch- 
zusetzen. 

Zur  Zeit,  als  er  sich  zum  ersten  Kriege  gegen  die  Paläologen  in 
Morea  rüstete  (1458),  schickte  Mohammed  den  Wesir  Mahmud  und 
dessen  Bruder  „ Amolulo  Angelowitsch",  der  sich  als  Prätendent  auf- 
spielte*'), nach  Serbien,  um  das  ganze  Land  in  Besitz  zu  nehmen; 
der  Sandschak  von  Vidin  mufste  dem  Wesir  Beistand  leisten; 
auch  die  Donauflottille  wurde  zur  Hilfe  herbeigezogen ').  Es 
wurde  den  Türken  leicht,  am  10.  Mai  die  Festung  Resawa  ein- 
zunehmen, und  viele  Schlösser,  die  noch  von  einheimischen  Woi- 
woden  gehalten  wurden,  erlitten  dasselbe  Schicksal.  Vor  Se- 
mendria angelangt,  drangen  die  Türken  in  die  Stadt  ein,  aber 
die  Besatzung  des  starken  Schlosses  hielt  sich  wacker.  Nach 
längerem  Widerstände    ergab  sich  auch  das  schon  vorher  ange- 


1)  „Dipl.  Rag."  S.  749,  752. 

2)  Siehe  auch  über  die  Gräfin  „Mon.   Hung.  Hist. "  a.  a.  O.  V,  S.  98 — 99. 

3)  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.   12,   16 — 17,  20,  28,  auch  S.  65 — 66. 

4)  Ebenda  S.   19. 

5)  Raynaldus,  und  Theiner,  Monumenta  Slavorum  meridionalium. 

6)  „Mon.  Hung.  Hist."  a.  a.  O.,  S.   18. 

7)  „Mon.  Hung.  Hist."  a.  a.  O.,  S.   27 — 28. 


Serbische  Wirren.     Annexion   Bosniens.      Kämpfe  Mohammeds  usw.       107 

griffene  Golubatsch.  Auch  Ostrowitza  wurde  berannt  *),  und  die 
Bergwerke  von  Rudnik,  wo  viele  Ragusaner  hausten,  gingen  in 
türkische  Hände  über  ^).  Bis  in  die  nächste  Umgebung  Belgrads 
drangen  sie  vor  ^).  Erst  Anfang  September  kam  der  Zug  zum 
Abschlufs;  er  hatte  einen  vollen  Erfolg  gehabt.  Mahmud  hatte 
sich  wieder  nach  Kossowo  zurückgezogen,  während  König  Matthias 
sich  schon  der  Donau  näherte. 

Auch  die  ungarischen  Grenzprovinzen  an  der  Donau  und  der 
Sau  waren  von  xA^sapen,  trotz  den  von  Michael  Szilägyi  schon 
im  Winter  getroffenen  Mafsregeln,  betreten  worden  und  viele 
Gefangene  folgten  den  Türken  auf  ihrem  Heimwege.  König 
Matthias,  der  bald  nach  seiner  Wahl  mit  alten  Feinden  und  ge- 
wesenen Freunden  seines  Hauses,  ja  mit  seinem  eigenen  Oheim 
Michael  Szilägyi ,  der  die  Macht  für  sich  selbst  erstrebte ,  zu 
kämpfen  oder  zu  hadern  hatte,  raffte  eilig  einige  Truppen  zu- 
sammen und  kam  an  die  Donau ,  die  er  auch  überschritt ,  um 
Belgrad  zu  verstärken  und  es  dadurch  vor  der  Gefahr,  türkisch 
zu  werden,  zu  retten.  Im  Monat  Oktober  1458,  als  der  Sultan, 
den  Mahmud  hier  erwartete,  in  Usküb  anlangte,  weilte  der  junge 
ungarische  Herrscher  in  der  seit  1456  weltberühmten  „  Nandor- 
alba",  nachdem  er  die  in  Südungarn  streifenden  Türken  zurück- 
geworfen hatte.  Szilägyi  drang  mit  3000  Ungarn  in  das  ihm 
wohl  und  rühmlich  bekannte  Schlofs  ein.  Wie  1456,  sammelten 
sich  auch  diesmal  viele  Tausende  Kreuzfahrer  jenseits  der  Donau  ^). 
Aber  Matthias  liefs  den  ihm  so  verhafsten  und  für  das  Reich 
doch  so  unentbehrlichen  Oheim  in  Belgrad,  das  so  manche 
Tragödie  der  Art  schon  gesehen  hatte ,  gefangennehmen ,  und 
rühmte  sich  laut  dieser  Tat^).  Zum  Glück  für  den  Sieger,  dachte 
Mohammed  nicht  daran,  den  König  anzugreifen,  und  Matthias 
selbst   hatte    keine  Lust,    sich  aul   Unternehmungen  einzulassen. 


1)  Ebenda  a.   a.   O.,   S.    I5ff. ;   Brief  des   Szilägyi  vom    14.   Mai;   S.   25. 

2)  Vgl.    die  Angabe    der  „Serbischen  Annalen"  und    die    in    den  Hauptlinien 
richtige  Erzählung  bei   Seadeddin  II,   S.    186  ff.      Vgl.   Kritobulos. 

3)  „Mon.  Hung.  Hist."  a.  a.  O.,  S.   35  —  36. 

4)  Ebenda  a.  a.  O.,  S.   37. 

5)  Fefsler  III,   S.   16. 


108  Erstes  Buch.      Sechstes  Kapitel. 

Diejenigen ,    die  ein  feindliches  Zusammentreffen  beider  erwarte- 
ten, wurden  enttäuscht  *). 

Helenas  Stellung'  aber  war  durch  die  Ereignisse  immer  un- 
haltbarer geworden,  wenn  sie  sich  auch  noch  in  Semendria  be- 
fand. Um  auf  die  serbische  Erbschaft  Anspruch  zu  erheben, 
kam  im  Jahre  1459  der  seit  1455  unter  dem  Schutz  des  Papstes 
stehende  König  Stephan  Thomas  von  Bosnien  nach  Ungarn,  den 
Johann  Hunyady  selbst  in  sein  Reich  eingesetzt  und  der  des 
öfteren  erklärt  hatte,  lieber  in  den  Reihen  des  grofsen  christ- 
Hchen  Heeres  fallen  zu  wollen  als  den  von  ihm  mit  Sicherheit 
vorhergesehenen  Angriff  der  Türken  auf  ihn  und  die  Vernichtung 
Bosniens  mit  Augen  ansehen  zu  wollen  ^).  Stephan  hatte  schon 
1458  um  Serbien  Krieg  gegen  die  Beamten  Helenas  im  südwest- 
lichen Winkel  angefangen  und  auch  gegen  die  dort  eingenisteten 
Türken  gekämpft.  Nicht  nur  drei  oder  fünf  Schlösser  waren  ihm 
zugefallen,  sondern  auch,  vor  dem  22.  Februar  ^),  das  hochwichtige 
Srbrnica,  das  dadurch  wieder  an  einen  slawischen  Herrscher 
kam.  Der  Sultan  scheint  ihm  diesen  neuen  Besitz  bestätigt  zu 
haben,  wofür  er  einen  Tribut  von  9000  Dukaten  an  die  Pforte 
entrichtete  *).  Stephans  gleichnamiger  Sohn  hatte  sich  gegen 
das  Ende  des  Jahres  1458  mit  Jelatscha  (Helena),  der  einzigen 
Tochter  des  verstorbenen  Despoten,  verlobt.  Vater  und  Sohn 
erschienen  auf  dem  im  Dezember  nach  Szegedin  berufenen  un- 
garischen Reichstage,  der  sich  besonders  mit  der  Frage  des 
Türkenkrieges  beschäftigte.  Er  fafste  Beschlüsse  über  die  Aus- 
hebung von  Husarenbanderien  auf  den  Besitzungen  des  Königs 
und  der  Prälaten,  von  Reitern  auf  den  Gütern  der  Edelleute,  der 
Szekler,  Kumanen,  Sachsen  usw.  und,  wenn  nötig,  der  gesamten 
streitbaren  Bevölkerung,  und  auch  die  bosnischen  Fürsten  er- 
reichten,   was  sie  erstrebten.     Die  ganze  Erbschaft  der  Branko- 


i)  „Dipl.  Rag."  S.  612. 

2)  Siehe  auch  seine  1456  Venedig  gegenüber  abgegebene  Erklärung:  „Quo- 
tidie  indesinenter  ruinam  regni  nostri  nobis  inferri  a  Turcorum  Imperatore  ex- 
pectamus";  Ljubic  X,  S.  88.     Vgl.  Klaiö  S.  401  ff. 

3)  Das  Datum  in  Klaic  S.  405. 

4)  „Mon.  Hung.  Hist. ",  Acta  extera  IV,  S.  6,   11,   29. 


Serbische  Wirren.     Annexion  Bosniens.     Kämpfe  Mohammeds  usw.       109 

witschs,  von  denen  zwei,  Stephan,  der  jetzt  aus  Ung-arn  flüch- 
tete, und  Wuk,  der  jung-e  Sohn  Greg-ors,  noch  lebten,  wurde 
den  Mitg-liedern  dieser  anderen  serbischen  Dynastie  verHehen  ^). 
Durch  die  am  i.  Mai  1459  g'eschlossene  Heirat  des  jung^en 
Stephan  mit  Jelatscha,  der  Tochter  Lazars,  erhielt  die  Union 
Bosniens  mit  Donauserbien  verstärkte  Rechtskraft. 

Doch  sollte  das  bosnische  Interregnum  Serbien  nicht  vor 
dem  schliefslichen  Unterg-ang-  retten.  Im  Monat  Juli  1459  wurde 
Semendria  von  den  Türken  wiedererobert;  Alibeg-  Michalogli 
erhielt  das  neue  Sandschakat  ^).  Helena,  von  ihren  Woiwoden 
verraten  ^),  durfte  mit  ihren  Schätzen  nach  Ung'arn  ziehen.  Bald 
darauf  beg-ab  sie  sich  nach  Italien,  wo  sie  ihren  ebenfalls  flüchti- 
g-en  Vater  antraf;  der  Heilig'e  Stuhl  gewährte  ihr  seinen  be- 
sonderen Schutz,  und  sie  starb  als  Nonne  erst  im  Jahre  1474  *). 

Die  natürliche  Folge  der  völligen  Eroberung  Serbiens  mufste 
ein  Vernichtungskrieg  auch  gegen  Bosnien  sein. 

In  diesem  Lande  war  Stipan,  „Herzog  von  S.  Sabbas,  Herr  von 
Chum  und  dem  Meeresufer,  Graf  von  Sdrina  und  Grofs-Wojwode 
des  ganzen  bosnischen  Reiches  "  ^),  für  Stephan  Thomas  der  alte 
Nebenbuhler  geblieben,  der  mit  osmanischer  Hilfe  sein  Gebiet, 
sowohl  auf  Kosten  des  Königs,  als  auch  Ragusas  —  Venedig 
wagte  er  nicht  anzugreifen,  wenn  dieses  ihn  auch  beschuldigte, 
vom  Sultan  die  Belehnung  mit  der  Zenta  und  Cattaro  verlangt 
und  erhalten  zu  haben  — ,  zu  vergröfsern  suchte  '').  Vergebens 
hatte  die  an  den  bosnischen  Zuständen  stark  interessierte  Republik 
noch  146 1   eine  Verständigung  zwischen  den  beiden  Fürsten,  die 


1)  Katona  XIV,  S.  166 — 168.  Vgl.  „Mon.  vaticana  Hungariae"  I,  Bd.  VI, 
S.   iff. ;   „Acta  extera"  IV,  S.  30  ff. 

2)  Vgl.  „Serbische  Annalen"  in  Bogdan  a.  a.  O.,  S.  524,  Kritobulos 
und  den  ,,  Serbischen  Janitscharen  ". 

3)  Siehe  Chalkokondylas   S.  460. 

4)  Engel  a.  a.  O.,  S.  415;  vgl.  Phrantzes  S.  446 — 447. 

5)  So  zeichnet  er  in  einem  Briefe  an  den  Herzog  von  Mailand ;  Blagaj, 
25.  September  1458;  „Mon.  Hung.  Hist."  VII,  S.  287—288.  Daselbst  (S.  288  bis 
289)  wird  auch  sein   Sohn  Wlatko   erwähnt. 

6)  Vgl.  Ljubic  X,  S.  94,   115. 


110  Erstes  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

doch  von  derselben  Gefahr  bedroht  waren  und  be\veg"Hch  darüber 
klagten,  zustande  zu  bring-en  versucht  ").  In  sich  zerspalten,  er- 
warteten die  bosnischen  Staaten  wie  gelähmt  den  Todesstreich 
von  der  schonungslosen  Hand  der  Türken.  Der  1460  unter- 
nommene Einfall  derselben  ins  Gebiet  Cherzeks,  der  40000  Du- 
katen entrichten  mufstc ,  schien  gleichsam  der  Anfang  vom 
Ende  zu  sein  ^). 

Als  der  alte  König  am  10.  Juli  1461  während  des  Kampfes 
mit  dem  neuen  kroatischen  Ban  Paul  starb  ^)  und  der  junge 
Stephan  den  Thron  bestieg,  ohne  sich  beim  Sultan  einzufinden, 
war  es  offenbar,  dafs  ein  entscheidender  kaiserlicher  Zug  erfolgen 
mufste.  Auch  hatte  Stephan  Tomasche  witsch  seine  Vorkehrungen 
getroffen ;  es  war  ihm  gelungen,  den  von  den  serbischen  Osmanen 
angegriffenen  Stipan  auf  seine  Seite  zu  bringen,  und,  als  er  in  der 
starken  Festung  Jaice  seine  Residenz  nahm ,  war  der  bosnische 
König  von  allen  Baronen,  Knezen  und  Woiwoden  des  Reiches  um- 
geben. Sie  waren  auch  zugegen,  als  ihn  der  Papst,  allen  Gegen- 
vorstellungen seitens  des  neidischen  Königs  von  Ungarn  *)  zum 
Trotz ,  krönen  liefs ,  was  sein  Vater  nicht  erlangt  hatte ;  auch 
Wlatko,  der  tapfere  ältere  Sohn  Stipans,  weilte  damals  in  Jaice. 
Stephan  nahm  den  Titel  eines  Königs  von  Serbien,  Kroatien  und 
Dalmatien  an  und  suchte  sich  mit  Festen  und  leeren  Titeln  über 
die  Nähe  der  letzten  Tage  seines  Lebens  und  seines  Reiches 
hinwegzutäuschen  ^). 

Nur  der  Zufall  rettete  ihm  noch  für  einige  Zeit.  Schon 
während  des  Frühlings  1460  hatten  unter  Belgrad,  w^o  der  Ban 
Simon  Nagy  von  Macsö  befehligte ,  Kämpfe  stattgefunden ,  und 
die  Ungarn  fürchteten  sogar  eine  Belagerung  der  Stadt  ^).  Ehe 
Sultan  Mohammed  sich  gegen  Trapezunt  wendete,  erhielt  er  die 
Nachricht,  dafs  Ali-beg  den  in  sein  Gebiet  eingefallenen  Szilägyi, 
den    Oheim    des    ungarischen    Königs    —    der    sich    letzthin   mit 


i)  Ljubic  X,  S.    i64ff.  2)  Ebenda  S.   igaff.;  Klaiö  S.  411— 412. 

3)  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  85. 

4)  „Mon.  Hung.  Vaticana"  I,  VI,  S.   18  — 19. 

5)  Klaic  a.  a.  O.,  S.  4i4ff. 

6)  „Mon.  Hung.  Hist."  a.  a.   O.,  S.   7 7  ff. 


Serbische   Wirren.     Annexion  Bosniens.      Kämpfe  Mohammeds  usw.        111 

Matthias  versöhnt  hatte  *)  — ,  mit  einem  der  Edelleute,  die  ihn 
begleiteten,  an  der  bulgarischen  Donau  gefang-engenommen 
habe.  Die  Gefangenen  wurden  nach  Konstantinopel  gebracht 
und  hier  im  Januar  146 1  auf  Befehl  des  Sultans  wie  gemeine 
Friedensbrecher  geköpft  ^).  Damit  war,  wenn  auch  in  bescheide- 
nem Umfange,  der  Krieg  mit  Ungarn  eröffnet. 

Matthias  dachte  freilich  noch  nicht  daran,  unter  seiner  eige- 
nen Führung  oder  wenigstens  unter  seinem  Namen  einen  Reichs- 
krieg gegen  die  Türken  zu  führen.  Wollte  er  doch  nicht  ein- 
mal den  von  Ali-beg  Michalogli  1460  —  61  gemachten  Einfall 
rächen,  der,  nachdem  Kulpa  und  Szava- St. -Demeter  verbrannt 
worden  waren,  bis  Futtak  gelangte;  der  türkische  Befehlshaber  an 
der  ungarischen  Donau  wurde  schliefslich  von  Michael  Szilägyi 
und  Peter  Sokoli  zurückgeschlagen. 

Als  Ali  dann  wieder  ins  Temesvärer  Banat  eindrang,  mufste 
er  sich  vor  den  vom  Woiwoden  Pongracz  befehligten  sieben- 
bürgischen  Truppen  zurückziehen  ^).  Matthias  hielt  sich  nicht  für 
verpflichtet  und  berufen,  diesen  Friedensbruch  seitens  der  Türken 
zu  rächen.  Er  überliefs  die  gefährliche  Aufgabe,  dem  Sultan 
an  der  Donau  Unannehmlichkeiten  zu  bereiten,  seinem  walachi- 
schen  Vasallen  Vlad,  dem  seine  Grausamkeit,  seine  perverse  Lust, 
Menschen  pfählen  zu  lassen,  den  Beinamen  des  Tepes  („Pfählers") 
eingetragen  haben. 

Vlad  hatte  nach  dem  Entsätze  Belgrads  im  September  1456 
die  Oberhoheit  des  Königs  Ladislas  anerkannt,  der  die  Politik 
des  Cillyers  gegen  die  Hunyadys  vertrat.  Darum  nahm  sich 
Ladislaus  Hunyady  der  Sache  des  Prätendenten  Dan  an,  des 
Bruders  des  Fürsten  Vladislav,  des  ermordeten  Vorgängers 
Vlads.  Dan  weilte  in  den  sächsischen  Städten  Siebenbürgens 
und  wurde  von  ihnen  unterhalten.    Als  Vlad  sich  bewufst  wurde, 


1)  Kronstädter  Archiv,    Stenner   I,   nr.    15.      Brief  vom   Montag   vor  Pfingsten 
(26.  Mai)    1460. 

2)  „Serbischer  Janitschare"  ;  „Mon.  Hung.  Hist."   a.   a.   O.,   S.   67;  Fefsler 
m,  S.  24. 

3)  Bonfinius,   dec.  El,   1.   IX. 


112  Erstes  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

dafs  durch  die  Erwählung-  des  bald  auch  mit  dem  Oheim  ent- 
zweiten König-s  Matthias  und  die  Ausrufung  eines  Gegenkönigs 
in  der  Person  des  Kaisers  Friedrich  durch  die  Gegner  des  Hauses 
Hunyady,  der  Frieden  Ungarns  für  lange  Zeit  in  Frage  gestellt 
und  seine  Kraft  gelähmt  sei,  begann  er,  die  Siebenbürger  zu 
reizen  und  zu  schädigen.  Am  2.  März  1460  schritt  infolgedessen 
Dan  zum  Einfall  in  die  Walachei ,  und  zwar  mit  Wissen  und 
Willen  des  Königs  Matthias ;  denn  die  Sache  Friedrichs  hatte  er 
letzthin  verlassen.  Doch  nahm  ihn  Vlad  gefangen  und  liefs  ihn 
kaltblütig  hinrichten ,  nachdem  er  seiner  eigenen  Begräbnisfeier 
beigewohnt  hatte.  Dans  Anhänger,  selbst  die  Frauen  mit  den 
Kindern  an  der  Brust,  wurden  gepfählt.  Da  die  Siebenbürgen! 
in  ihren  Städten  noch  weiteren  Prätendenten  Zuflucht  gewährten, 
so  unternahm  Vlad  im  Frühlinge  und  im  August  1460  grausame 
Verheerung-szüge  in  die  Gegend  von  Kronstadt  und  die  des  01t- 
landes,  um  Hermannstadt.  Er  galt  damals  als  treuer  türkischer 
Vasall  '),  und  man  erinnerte  sich,  dafs  er  wie  sein  Bruder  Radu, 
beide  Söhne  Vlad  Draculs ,  als  Geisel  für  den  Vater  am  Hofe 
Murads  erzogen  worden  war. 

Dann  aber  trat  eine  Wendung  in  der  Politik  Vlads  ein.  Der 
„Untertan"  Mohammeds  hatte  keinen  Tribut  entrichtet,  und  der 
Sultan  war  nicht  gesonnen,  an  seinen  Grenzen  kleine  christliche 
Fürsten  zu  dulden,  die  sich  als  saumselige  Tributzahler  erwiesen. 
Aufserdem  hatte  Vlad,  als  ein  Anhänger  der  alten  Hunyadyschen 
Politik,  wie  sie  durch  den  verstorbenen  Helden  Johann  selbst  und 
nach  ihm  durch  Szilagyi  vertreten  worden  war,  neuerdings  mit 
dem  Könige,  der  sich  mit  seinem  Oheim  versöhnte,  Frieden  ge- 
schlossen ^).  Um  den  nützlichen  Nachbar  für  immer  an  sich  zu 
fesseln,  verlobte  ihm  Matthias  eine  Verwandte  ^). 


1)  Ljubic  X,  S.  165;  Februar  1461 :  ,,Tolse  [Maometto]  tuta  la  Vlachia, 
la  quäl  se  tegniva  cum  li  Hungari,  la  quäl  anchora  signoriza  al  presente.''  Auch 
in  „Mon.  Hung.  Hist."  a.  a.   O.  S.  68. 

2)  Aber  schon  im  Juni  1460  war,  nach  der  Verständigung  zwischen  Matthias 
und  Szilagyi,  Befehl  ergangen,  walachischen  Kaufleuten  keine  Schwierigkeiten  in 
den  Weg  zu  legen ;  Kronstädter  Archiv  a.   a.  O. 

3)  Bogdan,  Vlad  fepei?,  S.   78  ff. 


Serbische  Wirren.     Annexion  Bosniens.     Kämpfe  Mohammeds  usw.        113 

Als  die  Kunde  davon  an  die  Pforte  gelangte,  erging-  an 
Vlad  durch  Katabolinos,  den  bekannten  griechischen  Kanzler  des 
Reiches,  der  schon  manchem  christlichen  Fürsten  solche  ver- 
hängnisvolle Weisung  überbracht  hatte,  ein  Ultimatum,  das  von 
ihm  den  —  seit  seiner  Erhebung  1456  —  rückständigen  Tribut 
für  fünf  Jahre,  in  Höhe  von  10  000  Dukaten,  also  jährlich  2000, 
wie  auch  die  Moldau  bezahlte  ^) ,  ein  jährliches  Geschenk 
von  500  Kindern  und  50  Pferden,  wie  es  von  eroberten  Städten 
erhoben  wurde,  die  Abtretung  der  von  den  Türken  innegehabten 
Donaufestungen  Giurgiu,  Turnu  (Klein-Nikopolis),  als  einer  Raja, 
einer  Verproviantierungszone,  und  das  Erscheinen  des  Fürsten  am 
kaiserlich  osmanischen  Hofe  forderte.  Als  Antwort  griff  Vlad  den 
bei  Giurgiu  auf  ihn  lauernden  Beg  Hamza,  den  Befehlshaber  von 
Nikopolis  und  Vidin ,  auf  und  liefs  ihn  vor  den  Toren  seiner 
Hauptstadt  Tirgoviste  pfählen.  Dasselbe  Schicksal  hatten  noch 
andere  Gefangene.  Alle  an  der  Donau  und  am  Meere  befind- 
lichen türkischen  Festungen  vom  entfernten  Jeni-Saleh  (Dobrud- 
scha)  und  der  Umgebung  Chilias  an,  dann  Hirsova,  Tutrakan, 
Marotin ,  Giurgiu,  Rustschuk,  wo  der  Schlofshauptmann  getötet 
wurde,  weiter  die  Umgebung  von  Nikopolis,  dessen  Subaschi,  einen 
Sohn  des  Firuz,  dasselbe  Los  ereilte  —  Vlad  liefs  ihn  köpfen  — , 
auch  Turnu,  Svischtov,  Samovit,  Gigen,  Rachowa  (Orechowo),  wo 
ein  neuer  walachischer  Hauptmann  eingesetzt  wurde,  sahen  die 
sengenden  und  brennenden  Rumänen  des  Woiwoden  erscheinen, 
der  dem  Könige  eine  stark  übertriebene  Zahl  seiner  kriegerischen 
Opfer  zu  übermitteln  sich  beeilte  2).  Am  11.  Februar  1462  stand 
Vlad  bluttriefend  an  der  Donau  und  rief  die  ihm  geschuldete 
ungarische  Hilfe  an. 

Diese  kam  selbstverständlich ,  allen  Versicherungen ,  die 
Matthias  auch  dem  venezianischen  Gesandten  gegenüber  abgab 
und  dem  nach  Siebenbürgen  hin  erteilten  Befehle  zum  Trotz, 
nicht  2);    Matthias    hatte    noch   vollauf   in  Ungarn  selbst  mit  den 


1)  Dukas  S.   345;  meine  „Acte  ?i  fragmente"  IIP,  S.    12. 

2)  Vlad  1.'epe$  S.  78  f.     Vgl.  auch  meine  im  Drucke  befindliche  „Gesch. 
des  rumänischen  Kriegswesens." 

3)  Zeitschrift  „Colunina  lui  Traian"    1883,   S.   34 — 35. 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    11.  8 


114  Erstes  Buch.      Sechstes  Kapitel. 

Anhängern  Friedrichs  und  den  umherstreifenden  böhmischen 
Rotten  Giskras  zu  tun.  Auch  hatte  der  König-  um  so  mehr  An- 
lafs  vorsichtig  zu  sein,  als  man  im  Frühhnge  dieses  neuen  Jahres 
allgemein  glaubte ,  dafs  Mohammed ,  der  Schiffe  für  die  Donau 
sammelte,  Belgrad  angreifen  werde.  Als  er  aber,  am  26.  April, 
seine  Residenz  verliefs,  wurde  bald  ersichtlich,  dafs  er  es  nur  auf 
Bestrafung  der  Walachei  abgesehen  habe ,  was  freilich  die  Ein- 
beziehung Sieberftjürgens  in  die  Feindseligkeiten  nicht  ausschlofs, 
wie  das  schon  Murad  II. ,  zu  den  Zeiten  des  Vlad  Dracul, 
getan  hatte.  Mitte  Mai  stand  entweder  Mohammed  oder  jeden- 
falls der,  wie  gewöhnlich,  vom  Wesir  Mahmud  geführte  Vortrab 
in  Nikopolis,  Auch  war  eine  die  Morawa  abwärts  gesegelte 
serbische  Flottille  unter  den  Mauern  Vidins  erschienen  und  er- 
leichterte den  Übergang  über  die  Donau.  Der  geringe  Wider- 
stand der  mit  Pfeilen  bewaffneten  rumänischen  Bauern  konnte  die 
beste,  vom  ersten  Kriegsführer  befehligte  Armee  der  Welt  nicht 
auf  die  Länge  abhalten.  Mahmud  gelangte  mit  120  Bom- 
barden  als  erster  auf  das  niedrige,  sumpf-  und  waldreiche  walachi- 
sche  Ufer  (Anfang  Juni). 

Die  Osmanen  waren  an  den  Kampf  in  Ländern  mit  starken 
Festungen  und  befestigten  Residenzen  gewöhnt.  Solche  einzu- 
nehmen war  nicht  immer  leicht,  aber  wenn  sie  sich  einmal  in  den 
Händen  der  Türken  befanden,  waren  diese  wenigstens  versichert, 
dafs  ihnen  eine  neue  Provinz  für  die  Dauer  gehöre.  Die  Ru- 
mänen lebten  jedoch  zum  gröfsten  Teile  auf  dem  Lande  in 
Dörfern;  die  wenigen,  meist  von  Sachsen  und  Ungarn  erbauten 
Städte  lagen  unter  dem  Gebirge  und  bildeten  einen  ausgedehn- 
ten Halbkreis ;  aufser  an  der  langen ,  mit  Buden  umsäumten 
Handelsstrafse  waren  nur  kleine  bäuerliche  Häuser  zu  sehen ; 
höchstens  erhob  eine  Palisade  oder  ein  niedriger  Graben  den 
Anspruch,  gegen  leichtere  Überfälle  zu  schützen.  Nur  der  Hafen 
Bräila,  dessen  hölzerne  Häuser  die  Asapen  niederbrannten,  war 
einigermafsen  befestigt,  und  oben  im  Argeser  Gebirge  ragte 
die  neue,  von  Tepes  selbst  gebaute  Feste  Poienarl  auf,  deren 
Trümmer  noch  heute  auf  einem  hohen  F'elsen  zu  sehen  sind. 
Einem  Volk  gegenüber,  das  in  solchen  Verhältnissen  lebte,  war 
Mohammed  einigermafsen  in  Verlegenheit. 


Serbisclie  Wirren.     Annexion  Bosniens.     Kämpfe  Mohammeds  usw.        115 

Er  schlug-  die  Richtung-  auf  die  gewöhnUche  Residenz  des 
Fürsten  ein  —  in  diesem  Lande  pflegte  sich  der  Herrscher  wie  in 
Bosnien  von  einem  Orte  zum  anderen  zu  begeben,  um  Recht  zu 
sprechen  • — ,  und  war  verwundert,  als  Tirgoviste  offen  und  von 
allen  Bewohnern  verlassen  vor  ihm  lag.  Die  Familien  der  Landes- 
bojaren hielten  sich  in  einem  von  einem  tiefen  Teich  umgebenen 
Schlosse,  sehr  wahrscheinlich  Snagov  —  nicht  weit  von  Bukarest — , 
an  das  sich  so  viele  Erinnerungen  an  Tepes  knüpfen,  versteckt. 
Der  Sultan  erblickte  voll  Grausen  die  von  der  Sonne  des 
Sommers  und  dem  Unwetter  des  Winters  g-edörrten  Gebeine 
seiner  Krieger;  auf  den  Pfählen  nisteten  die  Vögel  des  lachen- 
den lalomitatales. 

Während  des  ganzen  Zuges  kam  es  zu  keiner  Schlacht. 
Nur  die  türkische  Chronik  weifs  von  einem  Angriff  der  rumäni- 
schen Bojaren  auf  das  Hauptheer,  das  sie  lediglich  für  den  Vor- 
trab gehalten  hätten ,  zu  erzählen  ^).  Vlad  war  verschwunden. 
Aber  in  einer  finsteren  Nacht  wagte  er  einen  Überfall  auf  das 
sultanische  Lager.  In  der  daselbst  entstehenden  grofsen  Un- 
ordnung fielen  viele  von  den  Osmanen  durch  türkische  Hand. 
Ali-beg  Michalogli  ^),  zu  dessen  Zuständigkeit  damals  alle  Kriegs- 
unternehmungen an  der  Donau  gehörten  und  der  als  ein  guter 
Kenner  des  Landes  hier  den  Führer  spielte,  gab  vor,  die  bei 
Tagesanbruch  verschwundenen  Rumänen  verfolgt  zu  haben;  er 
brachte  einige  abgeschnittene  Köpfe  mit  und  rühmte  sich,  die 
kühne  Tat  gerächt  zu  haben. 

Es  war  das  noch  vor  der  Ankunft  in  Tirgoviste.  Vlad  aber 
begab  sich  in  der  gröfsten  Eile  nach  Chilia,  das  sein  Nachbar, 
Stephan,  der  neue,  sehr  unternehmende  und  schon  damals  eine 
ehrgeizige,  doch  keineswegs  abenteuerliche  Politik  treibende  Fürst 
der  Moldau,  mit  allen  seinen  Kräften  belagerte ;  er  wollte,  die  Ver- 
wicklungen Vlads  benutzend,  seinem  Fürstentume  die  natürliche 
Grenze  gegen  Süden    verschaffen,    um    die    es    seit    einiger    Zeit 


i)  Seadeddin  II,   S.   212  —  213. 

2)  Nach  Seadeddin  II,  S.  212  fälschlich:  „Ali  der  Sohn  desEwrenos";  auch 
Skander,  der  Bruder  Alis,  dann  Bali-beg,  der  Sohn  des  Malkotsch,  Nassuch,  der 
Sandschak  von  Albanien,  und  Umur,  der  Sohn  Dauds,  befanden  sich  im  Heere j 
ebenda  S.   213. 


116  Erstes  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

mit  der  Walachei  kämpfte.  Vlad  kam  in  die  Stadt,  und  am 
22.  Juni  wurde  Stephan  am  Fufse  verwundet. 

Währenddessen  drangen  die  von  Omar,  dem  Sohne  Tura- 
khanbegs  und  früheren  Sandschak  von  Morea,  befehUgten  Asapen 
in  die  Täler  der  Karpathen,  um  Beute  zu  suchen  und  für  den 
Unterhalt  des  mächtigen  Heeres  zu  sorgen.  Es  war  der  einzige 
Erfolg  der  Türken.  Im  Juni  war  die  Hitze  nicht  nur  in  der  walachi- 
schen  Steppe,  sondern  auch  in  der  Nähe  des  Gebirges  unerträg- 
lich. Der  osmanische  Chronist  klagt  mit  folgenden  Worten  darüber : 
„  Sechs  Meilen  Weges  war  kein  Tropfen  Wasser  zu  fmden,  und 
es  war  so  heifs,  dafs  die  Erde  wie  Feuer  brannte,  und  das  Eisen 
schien  sich  wie  Wachs  zu  erweichen  und  das  Herz  der  Krieger 
brannte  von  grofser  Hitze  und  Durst  ')."  Im  osmanischen  Lager 
begann  sich  Hungersnot  bemerklich  zu  machen  und  der  Rück- 
zug war  zu  einer  Notwendigkeit  geworden.  Mohammed,  der 
sicherlich  auch  der  Walachei  dasselbe  Regime  wie  dem  griechi- 
schen Despotat  von  Morea,  dem  serbischen  Lande  und  dem 
Kaisertum  von  Trapezunt  zugedacht  hatte  —  nämlich  Verwaltung 
durch  einen  über  mehrere  Subaschis  gebietenden  Beg  und  Auf- 
teilung des  besten  Bodens  an  die  Spahis  — ,  war  zuletzt  zufrieden, 
den  vor  ihm  erschienenen  Bruder  Vlads,  Radu  „den  Schönen", 
wie  er  vor  allem  seines  Lasters  wegen  genannt  wurde ,  zum 
Fürsten  des  Landes  einzusetzen.  Von  diesem  geleitet  ging  der 
Sultan  zurück  nach  Nikopolis.  Am  ii.  Juli  war  er  bereits  wieder 
in  Adrianopel;  die  vor  Chilia  erschienenen  Schiffe  kamen,  nach- 
dem sie  das  Schlofs  acht  Tage  lang  vergebens  angegriffen 
hatten  —  besonders  weil  der  schwer  verwundete  Stephan  sich 
zurückzog  — ,  gleichzeitig  in  den  Hafen  von  Gallipolis  zurück  ^). 

Als  nun  König  Matthias  selbst  in  Siebenbürgen  —  er  kam 
im  November  nach  Kronstadt  —  erschien,    waren  viele  Bojaren 


i)  Seadeddin  II,  S.   212. 

2)  Chalkokondylas  S.  5046.;  der  „Serbische  Janitschare" ;  die  italienischen 
Berichte  in  Makuscev  II  (im  serbischen  „Glasnik",  2.  Serie,  XIV — XV);  in 
meinen  „Acte  §i  Fragmente "  III  ^;  in  den  ungarischen  „Acta  extera'MV,  S.  142  ff., 
auch  in  der  rumänischen  Zeitschrift  „Columna  lui  Traian",  Jahrgang  1883.  Einige 
Nachrichten  ungarischen  Ursprungs  in  Teleki  XI,  S.  28  fi'.  Eine  kleine  Notiz  in 
Dukas    S.    343 — 345.      Die    türkischen    Annalisten    haben    ein    ganzes    Kapitel; 


Serbische  Wirren.     Annexion   Bosniens.      Kämpfe  Mohammeds  usw.       117 

auf  Radus  Seite  übergetreten,  denn,  da  er  den  Zufluchtsort  Sna- 
g-ov  überrumpelt  und  dort  wertvolle  Geiseln  in  seine  Hände  ge- 
bracht hatte,  so  mufsten  ihm  die  Mächtigen  des  Landes,  ob  sie 
wollten  oder  nicht  —  freilich  liebten  sie  den  blutdürstigen  Vlad 
ebensowenig  — ,  huldigen.  Stephan  hatte  den  Krieg  mit  der 
Walachei  eingestellt;  die  Zeit,  ihn  für  seinen  1461  gemachten 
Einfall  ins  Szeklerland,  wo  er  den  flüchtigen  Petru  Aron  gesucht 
hatte,  zu  züchtigen,  war  für  König  Matthias  noch  nicht  gekommen. 
Der  junge  Herrscher  konnte  nicht  mehr  tun,  als  den  bisherigen 
Freund  Vlad,  der  nach  Siebenbürgen  geflohen  war,  in  sein 
Fürstentum  mit  dem  Böhmen  Giskra  schicken.  Als  dieser  nun 
unter  dem  Schutze  der  Ungarn  bis  Rucär  gedrungen  war,  schrieb 
er  an  den  Sultan  und  machte  ihm,  um  wieder  als  Fürst  geduldet 
zu  werden,  gegen  jenen  gerichtete  Anerbietungen.  Radu  aber 
fing  die  Briefe  auf  und  übermittelte  sie  dem  König,  der  Vlad 
unverzüglich  ergreifen  und  als  Verräter  der  christlichen  Sache,  als 
untreuen  Vasallen  und  undankbaren  Verwandten  nach  Visegräd, 
wo  er  lange  Jahre  in  Gefangenschaft  schmachtete,  bringen  liefs  ^). 

Der  Feldzug  gegen  die  Walachei  hatte  seinen  Zweck  nicht 
erreicht ;  Janitscharen  und  Spahis  waren  erschöpft  zurückgekehrt, 
viele  waren  den  rumänischen  Pfeilen ,  andere  dem  Hungertode 
und  der  ausgebrochenen  Seuche  zum  Opfer  gefallen.  Mohammed 
aber  war  dadurch  keineswegs  entmutigt.  Wenige  Tage  schon, 
nachdem  er  in  Adrianopel  angelangt  war,  befahl  er  dem  Kapudan, 
den  Fürsten  von  Lesbos,  der  —  aufser  den  venezianischen 
Offizieren  und  Schutzbefohlenen  —  in  den  Gegenden  des  Ostens 
noch  allein  die  christliche  Herrschaft  vertrat,  anzugreifen.  Zu- 
gleich traf  er  Mafsrcgeln,  um  durch  sein  eigenes  Erscheinen  an 


Seadeddin  S.  2i2ff. ;  Leunclavius  Sp.  584!?.  Über  die  Kämpfe  um  Chilia  s. 
die  moldauischen  Landeschroniken  in  Bogdan,  Cronicele  Moldovene^ti  (1891) 
und  ..Cronice  inedite"  (1895).  Vgl.  meine  Ausführungen  in  „Chilia  §i  Cetatea 
alba"  S.  I22ff.;  „Istoria  lul  Stefan- cel-Mare"  S.  75  ff.  und  „Gesch.  des  rum. 
Volkes"  I,  S.   338 ff. 

i)  Siehe  auch  die  Äufserungen  des  Papstes  in  den  seinem  Sekretär  Gobel- 
linus  zugeschriebenen  Denkwürdigkeiten.  Vgl.  zu  dem  ganzen  Zug  des  Sultans 
auch  Rinaldi,  z.  Jahre. 


118  Erstes  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

der  Spitze    der  Landtruppen    das  Unternehmen    seines  Admirals 
zu  erleichtern. 

Die  geg-en  Lesbos  auslaufende  Flotte  zählte  24  Dreiruderer 
und  hundert  kleinere  Schiffe,  und  führte  nicht  weniger  als  2000 
Steinkug^eln  mit.  Der  Sultan  selbst  war  mit  einigen  leichten 
Truppen  aufgebrochen.  Am  dritten  Tage  befand  sich  die  vom 
Wesir  Mahmud  befehligte  Seemacht  bereits  vor  der  Stadt  Mity- 
lene,  deren  Belagerung  sogleich  in  Angriff  genommen  wurde. 

Auf  der  Insel  hatte  Nicolö  Gattilusio  die  Herrschaft  an  sich 
gerissen  und  seinen  Bruder  Domenico  ermorden  lassen;  der 
dritte  Gattilusio,  Lucchino,  war  es,  dessen  Ränke  den  Sultan  als 
Feind  nach  Lesbos  führten.  Mohammed  warf  Nicolö  vor,  dafs 
er  den  Tribut  von  3000  Dukaten  nicht  pünktlich  entrichtet,  ohne 
Erlaubnis  des  Oberherrn  die  Macht  usurpiert  und,  endlich,  die 
katalanischen  Seeräuber,  die  seine  Burgen  besetzt  hielten,  her- 
beigezogen habe,  um  einen  Abfall  vom  osmanischen  Reiche  zu 
versuchen. 

Die  Osmanen  bestürmten  die  Stadt  zwei  Wochen  hindurch 
vergebens;  die  Belagerten  zeigten  sich  einer  Ergebung  nicht  im 
geringsten  geneigt.  Der  Sultan  selbst  mufste  aus  seinem  Lager  nach 
der  Insel  übersetzen,  und  sein  Erscheinen  raubte  den  Lateinern  den 
Mut:  sie  brachten  ihm  die  Schlüssel  der  Festung  (16.  September). 
Mohammed  liefs  nur  die  300  „  Piraten "  köpfen  oder  gar  zwei- 
teilen; die  griechischen  Einwohner  wurden  dagegen  teils  zum 
Dienste  im  osmanischen  Heere,  teils  zur  Ansiedlung  in  Konstan- 
tinopel bestimmt;  einige  blieben  auch  in  ihrer  Heimat,  die 
fortan  das  Sandschakat  des  Samioten  Ali,  des  Sohnes  eines  be- 
rühmten Kadis,  bildete.  200  Janitscharen  und  300  Asapen 
blieben  bei  ihm.  Der  Sultan  selbst  weilte  vier  Tage  in  der 
neuen  Eroberung  ^). 

Die  Gattilusü  wurden  nach  Konstantinopel  übergeführt  und  ge- 
fangengehalten. Nicolö  und  Lucchino,  der  Erbe  von  Anos,  sahen 
sich  bald  mancherlei  Anschuldigungen  ausgesetzt  und  dem  Ge- 
richt  des  Kadis    unterstellt.     Sie    glaubten    durch  Annahme    des 


l)  Kritobulos;  C  h  alk  o  k  o  n  dy  1  as  S.  520  ff.;  Dukas  S.  346;  italienische 
Übersetzung  S.  511  — 512. 


Serbische  Wirren.     Annexion  Bosniens.     Kämpfe   Mohammeds  usw.       119 

mosleminischen  Glaubens  einen  Ausweg-  aus  ihrer  üblen  Lag-e  g;e- 
funden  zu  haben,  aber  schon  nach  kurzer  Zeit  safsen  sie  wieder 
hinter  Schlofs  und  Rieg-el  und  wurden  als  Verräter  hing-erichtet. 
Aus  dem  vor  kurzem  noch  so  blühenden  Geschlechte  der  Gatti- 
lusii  war  nur  die  schöne  Witwe  des  trapezuntischen  Kaisers 
Alexios,  unter  den  Beischläferinnen  des  Harems,  übrig  ge- 
blieben '). 

Noch  im  Jahre  1462  kam  Vladislaw,  derjenig-e  von  den  drei 
Söhnen  Stipans,  der  lang-e  Zeit  mit  ragusanischer  Hilfe  für  seine 
und  seiner  Mutter  Sache  gegen  den  Vater  gekämpft  hatte,  an 
die  Pforte  und  versprach  1 00 000  Dukaten  zu  zahlen,  wenn  ihm 
die  Länder  des  Cherzeks  überlassen  würden  ^).  Auf  diese  An- 
regung hin  verlangte  Mohammed  von  Stipan  die  Festen  Clo- 
buch,  Misevach  und  Zazvina,  deren  Besitz  ihm  zur  Sicherung 
des  Weges  nach  dem  Königreich  Bosnien  und  dem  Kroatien  des 
Bans  Paul  unentbehrlich  erschien  ^). 

Zu  Anfang  des  neuen  Jahres  wufste  der  König,  dafs  der 
Sultan  gegen  ihn  rüste ;  er  verlangte  Hilfe  von  den  Venezianern, 
die  er  dabei  auch  an  die  Sicherheit  ihres  Dalmatiens  und  Istricns 
zu  denken  ermahnte.  Aber  als  sich  Mohammed  unter  dem  wenig 
wahrscheinlichen  Verwände  gegen  ihn  in  Bewegung  setzte,  dafs 
Stephan  Thomaschewitsch  die  Zahlung  des  Tributs  von  50000  Du- 
katen verweigert  hätte,  weil  er  den  Türken  wegen  des  Verlustes 
Semendrias  grolle,  stand  er,  von  vielen  seiner  Woiwoden  und 
von  der  ganzen  patarenischen  Bevölkerung,  die  die  katholisie- 
rende  Politik  des  Königs  verabscheute,  verlassen,  allein  da.  Auch 
die  Berichte  Ali  Michaloglis,  der  den  König  öfteren  Friedens- 
bruches und  letzthin  noch  der  Einnahme  einer  türkischen  Festung 
„Agac"  (Agatsch?)  beschuldigte,  waren  für  diesen  Kachezug  des 
Sultans  Veranlassung  gewesen  *). 


i)  Siehe  auch  Seadeddinll,  S.  216 — 217  und  die  kurze  Erwähnung  bei 
dem  „Serbisclien  Janitschare";  vgl.  besonders  die  Erzählung  Leonards  von 
Chios,  „De  Lesbo  a  Turcis  capta  epistola  Pio  Papae  II.  missa",  Ausg.  Hopf, 
Königsberg   1866.     Vgl.  Hopf,  Griechenland  U,  S.   153. 

2)  Ljubic  X,   S.   227.  3j  Ebenda,   S.   228. 

4)  Seadeddin  II,  S.  218. 


120  Erstes  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

Die  türkischen  Kräfte  sammelten  sich  in  Usküb,  wo  der  al- 
banische Isa-beg  sich  an  sie  anschlofs.  Das  Heer  ging  über 
Vucitrn;  von  hier  aus  erging-  an  Ali-beg  Michalogli  Befehl,  sich 
gegen  die  Save  zu  wenden ,  um  durch  seine  Anwesenheit  die 
Ungarn  in  Zaum  zu  halten  ').  Zuerst  erfolgte  die  Einnahme  Podrin- 
jes,  dessen  Woiwode  geköpft  wurde.  Bobovac  er  gab  sich,  bevor 
Mohammed  die  zur  Beschiefsung  nötigen  Kanonen  hatte  giefsen 
lassen.  Dem  Wesir  Mahmud  wurde  wiederum  die  gefährliche 
Ehre  zuteil,  den  aus  einigen  tausend  aus  erlesenen  Reitern  be- 
stehenden Vortrab  zu  führen ;  als  Hauptmann  der  kühnsten  Asa- 
pen  wurde  ihm  der  turakhanische  Amurbeg  oder  Omar  beigegeben. 
Mahmud  drang  dann  in  der  Richtung  der  neuen  Hauptstadt  Jaice 
weiter,  die  hoch  auf  einem  Felsen  erbaut,  von  den  reifsenden 
Bächen  Pliva  und  Vrbas  und  einer  starken  Mauer  eingeschlossen, 
allen  Anstrengungen  Trotz  zu  bieten  imstande  schien.  Aber  nicht 
einmal  hier  glaubte  sich  der  von  den  meisten  Woiwoden  schmäh- 
lich verlassene  Herrscher  sicher  und  flüchtete  sich  vor  den 
schnell  reitenden  Asapen  des  Beglerbegs  von  Rum  nach  dem 
nördlich  gelegenen  Kljuc. 

Doch  war  die  Aussicht,  den  Feinden  in  diesem  gebirgigen 
inneren  Lande  zu  entschlüpfen,  gering.  Bald  erschienen  die 
Rotten  Omars  und,  als  Stephan  sie  an  der  Brücke  energisch  an- 
greifen liefs,  eilte  Mahmud  selbst  herbei,  um  den  Kampf  zu- 
gunsten der  Türken  zu  entscheiden.  Der  König  mufste  sich  er- 
geben, nachdem  er  das  Versprechen  erhalten  hatte,  dafs  sein 
Leben  geschont  werden  solle,  und  liefs  allen  Hauptleuten  seiner 
Burgen  schriftlichen  Befehl  zukommen,  keinen  vergebUchen 
Widerstand  mehr  zu  versuchen. 

Mit  diesem  wichtigen  Gefangenen,  dem  er  auch  dessen  Oheim 
Radivoj  und  seinen  13jährigen  Sohn  gesellte,  kehrte  Mahmud 
um  und  liefs  Jaice  eng  einschliefsen.  Die  bosnische  Hauptstadt 
vermochte  nicht  länger  zu  widerstehen.  Auch  Mohammed  langte, 
ohne  Gelegenheit  zum  Kampfe  gehabt  zu  haben,  unter  den  Mauern 
Jaice's  (Juni  1463)  an.  Er  trat  dem  gewesenen  Herrn  Bosnien 
nicht  mit  jener  ritterlichen  Freundlichkeit  entgegen,  die  er  sonst 


i)  Katona  XIV,  S.  624. 


Serbische  Wirren.     Annexion  Bosniens.     Kämpfe  Mohammeds  usw.        131 

gekrönten  Besiegten  zu  bezeigen  gewohnt  war.  Dafs  Thomasche- 
witsch ,  der  Erbe  von  Serbien  und  Bosnien ,  der  Schützling  des 
Papstes .  sich  als  Mönch ,  wie  Gregor  oder  die  serbischen  Prin- 
zessinnen, in  ein  Kloster  zurückziehen  oder  nach  der  Zeremonie 
des  Übertritts  zum  Islam  friedlich  und  treu  ein  asiatisches  Sand- 
schakat  verwalten  werde,  glaubte  er  nicht.  Um  die  Bedenken 
seines  Gewissens  zu  beschwichtigen,  holte  der  Sultan  zuerst  den 
Richterspruch  eines  allgemein  verehrten  Geistlichen  seines  Glau- 
bens gegen  den  unglücklichen  Gefangenen  ein,  dann  liefs  er 
Thomas  köpfen.  Seine  Überreste  wurden  nicht  weit  von  Jaice 
begraben.  Als  man  sie  neuerdings  im  sogenannten  „  Königs- 
grabe  "  auffand  —  der  abgeschlagene  Kopf  ruhte  auf  der  Brust 
der  Leiche  aus  — ,  erhielten  sie  einen  neuen  Ruheort  im  dortigen 
Franziskanerkloster  ^). 

Andere  Abteilungen  des  türkischen  Heeres  drangen  in  Kroatien 
ein  und  nahmen  den  Ban  Paul  gefangen,  der  als  Gefangener  starb 
und  vielleicht  desselben  Loses  wie  sein  königlicher  Nachbar  teil- 
haft wurde  ^).  Mahmud  kam  auch  ins  Land  Stipans,  und,  obwohl 
dessen  Residenz  Blagaj  erfolgreich  widerstand,  mufste  sich  der 
„Cherzech"  fortan  mit  der  Hälfte  seines  Herzogtums  begnügen, 
während  die  andere,  wie  das  südliche  Bosnien,  Minetbeg,    dem 

i)  über  den  bosnischen  Zug  Seadeddin  11,  S.  217  ff. ;  Kritobulos;  die 
Notizen  bei  dem  „Serbischen  Janitscharen";  Chalkokondylas  S.  5 30 ff.  Vgl. 
Klaic  S.  428ft".  —  I474  schreibt  der  Papst:  „Bosnie  regem  cruentus  hostis  pro- 
pria  manu  truncavit"  (Nürnberger  Archiv  S.  w.  165/2  1).  Über  die  Ausgrabung  des 
Leichnams,  Giro  Truhelka,  Geschichte  und  Denkwürdigkeiten  von  Jajce,  Serajewo 
1888  (mir  unzugänglich).  Nach  der  schon  zitierten  ragusaiiischen  Ghronik  wäre  König 
Thomas  „sotto  Blagaj"  getötet  worden.  —  Die  Königin  Maria  ging  nach  Ragusa 
mit  vielen  böhmischen  Edelleuten  und  dem  mächtigen  Woiwoden  Ivanis ;  sie  starb 
in  Ungarn.  Katharina,  die  Witwe  Stephans  I.  (gestorben  1478),  verbrachte  ihre 
letzten  Tage  in  Rom.  Ihre  Kinder,  Sigismund  und  Katharina,  mufsten  zum  Islam 
übertreten;  Klaic  S.  437  ff.  Vgl.  auch  Ljubic  X,  S.  384 — 385;  „Mon.  Hung. 
Hist."  V,  S.  44;  dann  ebenda  S.  177  — 178,  179 — 184.  Vergebens  suclUe  die  un- 
glückliche Mutter  sie  1470  loszukaufen,  als  der  vierzehnjälirige  Knabe  und  die 
zehnjährige  Tochter  den  christlichen  Glauben  noch  nicht  abgeschworen  hatten. 
Die  Ansprüche  ihrer  Familie  hinterliefs  die  sterbende  Königin  dem  Heiligen 
Stuhle;  Rinaldi  z.  J. 

2)  Vgl.  Ljubic  X,  S.  271,  310 — 311.  Über  den  „casus"  des  Paul  s.  auch 
ebenda  S.  375,  378;  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  30;  VU,  S.   292—293. 


133  Erstes  Buch.     Sechstes  Kapitel.     Serbische  Wirren  usw. 

neuen  Sandschak  des  Westens,  anvertraut  wurde.  Besonders  nach 
dem  1466  erfolg-ten  Tode  des  alten  Stipan  ging,  wie  später  um- 
ständlicher gezeig't  werden  wird ,  die  noch  christlich  g-ebliebene 
Herzegowina  dem  Verderben  entg'egen,  so  dafs  um  das  Jahr  1480 
nichts  mehr  vom  Staate  des  grofsen  Sandali  übrig  war  '). 

Da  Bosnien  als  ein  Bestandteil  des  Königreiches  Ungarn 
galt,  so  konnte  kein  ungarischer  König  eine  Festsetzung  der 
Türken  in  diesem  Lande  ohne  weiteres  hinnehmen.  Matthias 
mufste  seine  Feindschaft  gegen  Kaiser  Friedrich  und  alle  anderen 
Ziele  seines  Ehrgeizes  hintanstellen  und  den  Osmanen  den  Krieg 
erklären. 

Anderseits  sah  sich  Skanderbeg,  der  mehr  als  einmal  Bot- 
schaften nach  Venedig  geschickt  hatte,  um  seine  Stellung  in  Albanien 
zu  befestigen  —  der  Führer  Albaniens  hatte  auch  der  Republik 
Satti,  das  er  den  Türken,  von  Alessio  aus,  genommen  hatte 
(1458)^),  zediert^)  — ,  durch  die  Einnahme  der  Herzegowina  in 
seinen  Lebensinteressen  bedroht.  Er  mufste  der  natürliche  Ver- 
bündete der  Ungarn  sein. 

Endlich  hatten  die  durch  die  letzten  Siege  kühn  geworde- 
nen Begs  des  Westens  sich  nicht  gescheut,  das  venezianische 
Gebiet  in  Morea  wie  eine  serbische  oder  griechische  Provinz  zu  be- 
handeln *).  Ewrenos'  „Sohn"  Isa  hatte  in  diesem  selben  Jahre  1463, 
am  3.  April,  Argos  eingenommen,  dessen  Bewohner  am  25.  Juli 
nach  Konstantinopel  überführt  wurden.  Noch  im  November  1462 
hatte  Amur  Turakhanogli,  der  populärste  unter  allen  Befehls- 
habern, ein  Schlofs  in  der  Nähe  Lepantos,  Galata  genannt,  an- 
gegriffen.    Auch  unter  Modon  hausten  Asapen  ^). 

Das  bedeutete  den  Krieg"  mit  Venedig. 


1)  Klaiö  S.   435 — 436,  442ff.;    Seadeddin  II,    S.   223  —  224;    Chalko- 
ko  n  d  y  1  as   a.   a.   O. 

2)  „Commemoriali"  V,  S.    139 — 140,  Nr.  62;  Ljubic  X,  S.    144. 

3)  Ljubic  X,  S.   206 — 207,  225 — 226,   264(1. 

4)  Vgl.  Hopf  II,  S.   154. 

5)  Chalkokondylas    S.    544  —  545;  Phrantzes    S.    414 — 415;    Krito- 
bulos;  „Chron.  breve". 


Siebentes  Kapitel. 

Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.    Vereinter  Kampf 
der  Christen  gegen  Mohammed  II. 


Bereits  im  Frühling-  1463  war  Kardinal  Bessarion  nach  Venedig' 
gekommen,  um  hinsichtlich  der  Projekte  des  schwärmerischen 
alten  Papstes  Pius  II.  mit  der  Republik  zu  verhandeln.  Er  setzte 
durch ,  dafs  die  Venezianer  für  ihr  Gebiet  der  Erhebung  des 
Zehnten  vom  Klerus  zustimmten.  Auch  erfolgte  die  Einsegnung 
der  Fahne ,  die  dem  bevorstehenden  Kreuzzuge  vorangetragen 
werden  sollte,  und  eine  feierliche  Prozession  kündigte  den  Ve- 
nezianern und  der  ganzen  Welt  die  grofsen  Taten  an ,  die  in 
Aussicht  standen  ^).  Darauf  aber  beschränkte  sich  die  ganze 
Tätigkeit  des  Heiligen  Stuhls  in  diesem  Frühlinge.  Von  den 
grofsen  westlichen  Fürsten,  dem  Könige  von  Frankreich  und 
dem  Herzoge  zu  Burgund,  verlautete  nichts. 

So  waren  denn,  sowohl  Venedig,  dessen  30  Galeeren  starke 
Flotte  unter  Alvise  Loredano  sich  bereit  hielt,  wie  auch  Ungarn, 
v/o  der  Reichstag  von  Tolna  letzthin  energische  Mafsnahmen  zum 
Zusammenbringen  eines  Heeres  beschlossen  hatte  ^) ,  auf  ihre 
eigenen  Kräfte  angewiesen. 

Schon  im  Mai  stand  der  König  mit  einem  kleinen  Heere 
an  der  südlichen  Grenze  im  Lager  von  Batta,  um  einen  türki- 
schen Angriff  vorkommendenfalls  zurückschlagen  zu  können. 
Während   Mohammed   in   Bosnien  kämpfte,   streiften    ungarische 


i)  Zinke isea  II,  S.   281  ff.     Vgl.  „Cronaca  Zena'-  fol.  266. 
2)  Fefsler  III,  S.  35  ff. 


124  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

Banderien  umher  und  suchten  Ali  Michalogli  zu  schädigen,  wo 
sie  konnten.  Doch  brach  man  den  Kampf  schon  im  Früh- 
sommer wieder  ab  *). 

Erst  als  im  Herbst  die  Venezianer  ihre  Absicht  kundgaben, 
die  Türken  energisch  zu  bekriegen,  liefs  sich  Matthias  zu  neuen 
Feindseligkeiten  bewegen.  Durch  einen  am  12.  September  in 
Peterwardein  abgeschlossenen  Vertrag  verpflichteten  sich  beide 
Teile,  der  Kreuzzugsidee  in  gemeinsamem  Wirken  zu  dienen, 
und  die  Republik  versprach  vierzig  Galeeren  auszurüsten  ^). 

Doch  war  in  diesem  ersten  Jahre  des  gemeinsamen  Krieges 
nur  die  Aktion  des  Königs  von  Ungarn  von  Bedeutung. 

Matthias  verfiel  nicht  in  den  vom  Vater  so  oft  begangenen 
Fehler,  von  einem  grofsen  Kriegszuge  die  Eroberung  der  Balkan- 
halbinsel und  die  Verdrängung  der  Türken  aus  Europa  zu 
erhoffen.  Mannigfache  Verluste  und  grofse  Katastrophen  hatten 
den  allzu  stolzen  und  wohl  auch  eiteln  Spröfsling  Hunyadys 
gewitzigt.  Auch  hatte  ihn  das  Beispiel  der  Rumänen  gelehrt, 
dafs  mit  geringen  Mitteln  gegen  die  Türken  bescheidenere,  aber 
dauernde  Erfolge  zu  erreichen  seien.  So  brach  er  denn  mit 
nur  4000  Kriegern  auf  und  wandte  sich,  umgeben  und  beraten 
von  bosnischen  Flüchtlingen,  geradeswegs  nach  der  ehemaligen 
königlichen  Hauptstadt  Jaice. 

Der  Sultan  hatte,  wie  gewöhnlich,  nur  kleine  Besatzungen 
von  Janitscharen  in  den  Burgen  und  befestigten  Städten  zurück- 
gelassen. Jaice  hatte  selbstverständlich  nicht  mehr  als  400  solcher 
Verteidiger.  Es  kam  noch  dazu,  dafs  bei  der  Nachricht  von  der 
Annäherung  des  rächenden  christlichen  Heeres  die  besonders  von 
Franziskanern  aufgewiegelte  christliche  Bevölkerung  lateinischen, 
freilich  nicht  auch  die  patarenischen  Glaubens ,  sich  gegen  die 
„Heiden"  erhob.  Schon  am  i.  Oktober,  vier  Tage  nach  seiner 
Ankunft,  konnte  Matthias  in  die  Stadt  Jaice  einziehen,  aber  die 
im    Schlosse    befindlichen   430   Janitscharen,    alles    ausgewählte 


i)    Fefsler  III,  S.   37  ff. 

2)    Ljubic     X,     S.     272  ff.;     Auszug     in     „  Commemoriali '•     V,     S.     150, 
Nr.  93. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     135 

Krieger  '),  deren  Führer  von  den  ungarischen  Quellen  „  Haram- 
beg"  genannt  wird,  während  es  in  Wirklichkeit  der  Haramba- 
scha  Eliasbeg  war,  leisteten  langen,  hartnäckigen  Widerstand. 
Der  König  blieb  daher  in  Jaice,  um  über  die  pünktliche  Durch- 
führung der  Vorkehrungen  zur  Belagerung  zu  wachen.  Erst 
nach  drei  Monaten ,  am  26.  Dezember ,  ergaben  sich  die  aus- 
gehungerten Türken,  um  dem  bevorstehenden  Sturme  vorzu- 
beugen, dem  sie  nicht  hätten  die  Spitze  bieten  können.  Matthias, 
zufrieden,  an  seinem  nahen  Krönungstage  in  seinem  festlichen  Ge- 
folge Helden  dieser  Art  aufziehen  lassen  zu  können,  verschonte  ihr 
Leben,  wie  er  auch  die  Besatzungen  anderer  benachbarter  Burgen, 
die  bereits  genommen  worden  waren,  geschont  hatte.  Auch 
dachte  er  nicht  daran,  weiter  zu  gehen;  er  war  froh,  dem  unüber- 
windlichen Sultan  so  leicht  eine  ganze  Provinz  entrissen  zu  haben 2). 

Dieser  glückliche  Erfolg  fand  im  bedrängten  Lande  des 
„  Cherzechs "  einen  starken  Widerhall.  Stipan  \var  gleich  nach 
dem  Abzüge  Mohammeds  vom  Meeresufer  her  zurückgekehrt  und 
hatte,  aufser  drei  Schlössern,  sein  ganzes  Land  wieder  in  Besitz 
genommen.  Besonders  hatte  sich  sein  Sohn  Wlatko  ^)  hervor- 
getan, indem  er  nicht  nur  das  alte  Gebiet  seines  Hauses,  sondern 
auch  einen  Teil  des  den  Pawlowitschs  und  Kowatschewitschs  ge- 


i)  „Re  vera  optimi  milites,  ad  bella  doctissirai",  sagt  der  Vizekanzler  Lukas 
Propst  von  Erlau  als  Augenzeuge,  dessen  „aus  Zaitza ,  in  festo  beati  Stephani 
protomartyris,  anno  Domini  LXIIJo"  datierter  Brief  (Nürnberger  Archiv  S.  101/3) 
einen  hochwichtigen  Beitrag  zu  unserer  Kenntnis  von  der  Eroberung  Jaices  durch 
die  Ungarn  bildet.  Ebenda  wird  auch  eine  Missive  des  Königs  an  denselben  Hof- 
richter, „Ludovicus  de  Palat[io]^',   aufbewahrt. 

2)  „Serbischer  Janitschare"',  der  selbst  in  Zvecaj,  wo  er  befehligte,  von  den 
Ungarn  gefangengenommen  wurde.  Dann  Bonfinius,  dec.  III,  Hb.  IX.  Vgl. 
„Dipl.  Rag."  S.  620  ff. :  ein  Diplom  Matthias'  aus  Jaice;  14.  Dezember  1463,  und 
S.  759  ff.  Vgl.  auch  Katona  a.  a.  O.,  S.  652  ff.,  666  ff.  Matthias  wurde  von  den 
Ragusanern  eingeladen,  ihre  Stadt  zu  besuchen.  Auch  erwartete  man  den  Über- 
gang der  Truppen  über  den  Narentaflufs  ;  „Dipl.  Rag."  S.  769.  Siehe  auch  Krito- 
balos  und  Seadeddin  11,  S.  218 ff.  Besonders  der  Bericht  des  Königs  an  den 
Papst:  „Matthiae  epistolae  ad  romanos  pontifices"  I  (Mon.  Vaticana  I,  Bd.  VI), 
S.  25  ff;  Mätyäs  Kirälyi  Levelei,  Ausg.  Fraknöi  I,  S.  45  ff. 

3)  Seit  1455  wurde  er  von  Venedig  unterstützt;  „Commemoriali"  V,  S.  134 
bis   135,  Nr.  43. 


136  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

hörigen  Gebiets,  bis  in  die  Umgebung-  von  Srbrnica,  sich  aneignete ; 
mit  ihm  schlofs  der  ungarische  König  einen  Vertrag  ab,  in  dem  er 
den  tüchtigen  jungen  Prinzen  unter  seinen  speziellen  Schutz 
nahm  ^).  Stipan  selbst  hatte  sich  bei  König  Matthias  einge- 
funden und  ihm  geholfen,  Jaice  einzunehmen  ^).  Hätte  sich  der 
ältere  Sohn  des  Herzogs  nicht,  einem  durch  die  Venezianer  zu- 
stande gebrachten  Vertrag  zuwider,  gegen  den  Vater  und  den 
dritten  Bruder,  Stephan,  der  einer  zweiten  Ehe  des  Vaters  ent- 
sprungen war ,  erhoben ,  um  statt  des  ihm  schon  gewährten 
Viertels  ein  Drittel  der  Herrschaft  zu  fordern,  so  wäre  die  ganze 
Herzegowina  in  den  früheren  Zustand  zurückgekehrt  ^). 

Ein  neuer  Zug  des  Sultans  gegen  Bosnien  war  durch  diese 
Vorgänge  zu  einer  Notwendigkeit  geworden.  In  der  Tat  wandte 
sich  Mohammed  im  Frühling  1464  nach  Nordwesten.  Viele  der  an 
die  Ungarn  gefallenen  Festungen  mufsten  seine  kaiserliche  Herr- 
schaft von  neuem  anerkennen.  Dann  begann  er,  im  Vertrauen 
auf  seine  grofsen  bronzenen  Kanonen,  die  Belagerung  Jaices. 
Aber  bald  erkannte  er,  dafs  es  vergeblicher  Zeitverlust  war,  hier 
zu  liegen;  das  von  Sandali  erbaute  Schlofs  schien  jedem  An- 
griffe trotzen  zu  können :  zwei  Stürme  wurden  abgeschlagen.  Nach 
zwanzig  Tagen  mufste  Mohammed  abziehen;  er  hinterliefs  dem 
ebenfalls  Mohammed  genannten  Sohne  Minetbegs  den  Auftrag, 
die  Königsstadt  weiter  zu  bekriegen  *).  Der  gröfste  Teil  der 
Burgen  aber  war  wieder  an  den  Sultan  gekommen.  Von  un- 
garischer Seite  wird  versichert,  dafs  König  Matthias  im  Frühling 
Emerich  Zäpolya  als  „  bosnischen  Gubernator "  ^)  abgesandt 
habe ,  und  der  Lobredner  des  Corvinus  setzt  hinzu,  Mohammed 
sei    eilig    geflüchtet,    weil    er    des    Glaubens    war,    dafs    diese 


1)  Vgl.  Ljubic  X,  S.  278 f.,   281,  286. 

2)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   5. 

3)  Ebenda;  vgl.  auch  Katona  XIV,  S.  657;  „Dipl.  Rag."  S.   7695. 

4)  Kritobulos;  Seadeddin  II,  S.  234  ff. ;  B  on  finius,  Ende  der  UI.  De- 
kade. Urkundliche  Quellen  fehlen  uns  leider  ganz ;  s.  aber  Mätyäs  Kiräly  Levelei  I, 
S.  63. 

5)  Siehe  ein  Schreiben  des  Königs,  undatiert,  in  „Epistolae  Matthiae  ad 
romanos  pontifices"  S.   71  —  72. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der   Christen  usw.      137 

Ungarn  nur  der  Vortrab  eines  mächtig'en  Heeres  seien.  Noch 
im  Juni  aber  war  von  keiner  Bewegung"  des  Königs  die  Rede. 
Vielmehr  blieb  Matthias  den  ganzen  Sommer  mit  anderen  An- 
gelegenheiten beschäftigt.  Erst  im  Oktober  kam  die  Nach- 
richt nach  Venedig ,  dais  die  Ungarn  ihr  Lager  bei  Futtak  ver- 
lassen hätten  und  wiederum  in  Bosnien  eingefallen  seien  ^).  Sie 
belagerten  Zwornik  an  der  Save,  und  Matthias  hatte  hier  kein 
besseres  Glück  als  Mohammed  letzthin  vor  Jajce.  Zwar  gelang 
es  einem  Heeresteil,  unter  Zäpolyas  Leitung,  die  grofse  Berg- 
werkstadt Srbrnica  einzunehmen.  Aber  als  der  Führer  dieser 
glücklichen  Unternehmung  dann  wieder  unter  den  Mauern  Zwor- 
riiks  kämpfte,  wurde  er  durch  einen  Pfeil  schwer  am  Auge  ver- 
wundet. Auch  war  es  zu  spät  im  Jahre,  und  der  Winter  streng. 
Aufserdem  kam  die  Nachricht,  dafs  dem  eingeschlossenen  Is- 
kender  Michalogli  sein  Bruder  Ali,  Isaks  Sohn  Isa,  der  turak- 
hanische  Amur  und,  als  Vertreter  des  Sultans,  der  grofse  Wesir 
Mahmud  in  Person  zu  Hilfe  eilten.  So  setzte  man  denn 
schleunigst  über  die  Save ,  womit  der  christliche  Zug  des 
Jahres   1464  sein  Ende  gefunden  hatte  ^). 

Viel  grofsartiger  begannen  die  Venezianer  ihren  moreoti- 
schen  Krieg.  Auf  der  Flotte  des  Alvise  Loredano  schifften  sich 
im  Mai  1463  mehrere  Tausende  von  Kriegern,  unter  Leitung  des 
berühmten  Condottiere  Bertoldo  von  Este ,  eines  Sohnes  des 
Markgrafen  Taddeo,  ein.  In  einem  neuen  Ermahnungsschreiben, 
vom  selben  Jahre,  hatte  ihn  Philelphus  zum  Kampfe  aufgerufen 
und  darin,  indem  er  die  Schwäche  des  kaum  mehr  als  52000 
Mann  befehligenden  Sultans  hervorhob,  den  Weg  über  Durazzo 
als    den    besten    empfohlen  ^).     Loredano  verfügte    über    32   Ga- 


i)  Vgl.  Ljubic  X,  S.   311. 

2)  Vgl.  auch  Katona  a.  a.  O. ,  S.  725  ff.  „Mon.  Hung.  Hist."  IV, 
S.  257,  277  ff.,  286,  303  ff.  Über  die  durch  Serben  und  den  Fürsten  der  Walachei 
vermittelten  türkischen  Friedensanerbietungen  1465  s.  Matyas  Kiräly  Levelei  I, 
S.  78,  86.  Über  die  angebliche  Vorbereitung  zu  einem  neuen  türkischen  Einfall 
in  demselben  Jahre,   ebenda  S.   82 — 83. 

3)  „De  imbecillitate  et  ignavia  Turchorum",  cod.  lat.  monac. ,  5333, 
fol.   19  ff. 


128  Erstes  Bach.     Siebentes  Kapitel. 

leeren  und  andere  Schiffe ;  nur  selten  hatte  Venedig-  solche 
Macht  aufg-ebracht  '). 

Der  erste  Erfolg-  Bertoldos  war  die  Wiedereroberung-  von 
Argos  (5.  Aug-ust),  wo  300  Schützen  aus  Kreta  zurückgelassen 
wurden  ^).  Dann  schritt  er  zur  Wiederherstellung-  des  Hexamilions, 
wie  sie  auch  der  erfahrene  griechische  Rhetor  in  Mailand  vor- 
g-eschlag-en  hatte.  In  acht  Tagen  war  die  Mauer  beinahe  fertig- 
gestellt, wie  sie  in  der  Zeit  der  Paläologen  gestanden  hatte. 
Dadurch  hofften  die  Venezianer  die  Ankunft  osmanischer  Hilfs- 
truppen zu  verhindern.  Nun  machten  sie  sich  an  die  Belagerung 
Korinths,  wo  Sinanbeg  kaum  400  Janitscharen  befehligte.  Als  dieser 
die  Nachricht  erhielt,  dafs  der  vom  Sultan  eiligst  abgeschickte 
Amur-beg  sich  nähere,  machte  er  einen  tapfern  Ausfall  und  Ber- 
toldo  wurde  im  Kampf  tödlich  verwundet  (20.  Oktober) ;  er  starb  am 
4.  November.  Am  13.  des  Monats  stand  der  kranke  Alvise  Lore- 
dano  mit  der  Flotte  ganz  machtlos  in  den  Gewässern  des  Isthmus^). 

Sein  letzter  Versuch ,  diesem  verunglückten  Zuge  eine 
günstige  Wendung  zu  geben,  war  eine  Fahrt  in  den  Archi- 
pelagus.  Die  nach  Nauplion  in  Winterquartier  gegangenen  Über- 
reste der  Landtruppen  konnten  zwar  den  herbeigeeilten  Begler- 
beg  von  Rum,  Daud,  zurückschlagen*),  gingen  aber  dann, 
infolge  der  Härte  des  Klimas,  mannigfacher  Entbehrungen  und 
der  immer  wiederholten  Angriffe  des  rastlosen  Feindes,  zugrunde  ^). 
Der  Wesier  Mahmud  konnte  alle  abtrünnigen  Burgen  und 
Städte  —  viele  Griechen  hatten  bei  Ankunft  der  Lateiner 
die    osmanischen    Befehlshaber    fortgejagt    —    zurückerobern  ^). 


i)  „Cron.  Zena"  fol.   266  f.     Ebenso  auch  in  den  anderen  Chroniken. 

2)  Sathas,  Monumenta  VI,  S.  95 — 96:  Brief  des  Sekretärs  des  Sigismondo 
Malatesta;  Dresdener  Chronik  F.  33,  fol.  117.  Der  Priester  in  Argos,  der 
die  Stadt  den  Türken  überliefert  hatte,  wurde  mit  dem  Tode  bestraft.  Auch 
wurden  die  Städte  Misithra  und  Leondari,  aber  keine  Burgen,  erobert ;  Dresdener 
Chronik  F.   33. 

3)  Ein  Brief  von  ihm,  ,,ex  Galea,  apnd  Eximillia",  im  Archiv  von  Kreta, 
„Duo.  e  lett.  ricevute"  Q.  31. 

4)  Brief  des  Sekretärs. 

5)  „Cron.  Zena"  a.  a.  O. ;  vgl,  Kritobulos;  Seadeddin  II,  S.  229ff.; 
Chalkokondylas  S.   558«.;  vgl,  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.   241. 

6)  Kritobulos. 


Wie Jerbelebang  der  Kreazzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     139 

Auch  das  geschwächte  Despotat  der  Tocco  von  Arta  erlitt 
seine  Strafe  ^). 

Für  den  Frühling-  trafen  die  Venezianer  keine  neuen  Vor- 
bereitung-en,  und  die  Türken  konnten  sich  des  wichtig^en  Arg^os 
wieder  bemächtig-en.  Turakhans  Sohn,  Araur-beg-,  kam  nach 
Modon,  um  von  hier  aus  den  Kolonien  der  zu  erklärter  Feind- 
schaft übergegang-enen  grofsen  Republik  des  Westens  Schaden 
zuzufügen.  Bei  Modon  wurde  das  Schlofs  „der  Mühlen"  (Myloi, 
Molini)  niedergebrannt;  bei  Koron  und  Lepanto  wurde  geraubt 
und  geplündert  ^).  Doch  fiel  Monembasia  in  diesem  Jahre  an 
die  Christen  ^),  Das  türkische  Vostitza  war  noch  1463  nieder- 
gebrannt worden  *). 

Die  unter  den  Befehlen  des  Nachfolgers  Loredanos  stehende 
Flotte  besetzte,  vom  Korsaren  Comino  gerufen,  die  Insel  Le- 
rino  ^),  wie  auch  einige  Plätze  auf  der  Insel  Lemnos  ''),  unter  anderen 
das  starke  Palaiokastron,  aber  als  sie  sich  in  den  Gewässern  von 
Licsbos  befand  und  einige  Tage  lang  eine  Belagerung  Mitylenes 
versuchte  ^) ,  kam  die  Kunde  von  der  Ankunft  der  unter  den  Be- 
fehlen des  Wesirs  stehenden  osraanischen  Schiffe,  darunter 
45  Galeeren  (18.  Mai).  Diese  bereiteten  den  christlichen  Erfolgen 
im  Archipelagus  ein  schnelles  Ende  *).  Der  einzige  Gewinn  blieb, 
dafs    einige    tausend   Einwohner    von   Lesbos    nach   Negroponte 


1)  Chalkokondylas  S.  551  ff.  Vgl.  ,,Moa.  Hang.  Hist."  a.  a.  O. 
S.  32.  Am  23.  Januar  1465  war  Loredano  im  Hafen  von  Modon;  Archiv  des 
Herzogs  von  Kreta,  ,,Dac.  e  lett.  ricevute"  Q.  31.  Siehe  auch  ,,Commemoriali" 
XV,  fol.  91  vo;  Ausg.  Predelli,  S.  150  — 151  (Zvistand  der  venezianischen  Be- 
sitzungen in  Morea). 

2)  Chron.  F.  33  von  Dresden  fol.  118;  sehr  umständliche  Erzählung.  Vgl. 
Chalkokondylas  a.  a.   O. 

3)  Phrantzes  S.  415. 

4)  Ebenda;   Sathas,  Monumenta  VI,  S.  95. 

5)  Chron.  F.  33  von  Dresden.     Vgl.   Hopf  II,  S.   153  ff. 

6)  Ebenda;  Chalkokondylas  S.   565;  Phrantzes  S.  415. 

7)  Vgl.  auch  Hopf  II,   S.    155. 

8)  Ebenda;  Kritobulos.  Siehe  aach  Sathas  I,  S.  244.  Vgl.  da^u 
■Giacomo  Barbarigo  (Sathas  VI,  S.  6):  ,,QaeUa  (l'armada  da  Mar)  ad  ogni 
volontä  del  Turcho  su  la  piü  vincta  imprexa  del  mondo  ce  abandonara,  zioe  ad 
ogni  segno  et  voce  che  fesse  levar  el  Turcho  de  armata  che  uxisse  del  strecto, 
se  ne  andera. " 

Jorga,  Geschichte  d;s  osmanischcn  Reiches.     II.  9 


130  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

Übergeführt  worden  waren  (Mai)  ').  Nach  dem  Mifs erfolge  bei  Les- 
bos  wurde  Orsato  „  wie  toll "  ^)  und  starb  bald  darauf  in  Ver- 
zweiflung-. 

Noch  in  demselben  Jahre  1464  aber  dachten  die  Venezia- 
ner an  eine  weit  gröfsere  Unternehmung.  Schon  im  Oktober 
des  Vorjahres  hatte  Pius  II.  an  die  Republik  geschrieben,  um 
seine  in  Bälde  bevorstehende  Abreise,  wie  auch  die  des  Herzogs 
von  Burgund  und  vieler  Kreuzfahrer  aus  verschiedenen  Ländern 
anzuzeigen.  Im  Januar  ertönte  dann  wieder  der  Ruf  des  Papstes 
an  alle  treuen  und  tapferen  christlichen  Fürsten  ^).  Am  27.  No- 
vember 1463  war  Orsato  Giustiniani  zum  neuen  Generalkapitän 
ernannt  worden,  und  eine  Woche  darauf  segnete  Kardinal 
Bessarion  seine  goldene  Fahne  ein.  Orsato  segelte  auch 
sofort  nach  dem  bedrohten  Morea  ab.  Am  7.  Februar  1464 
wurde  beschlossen ,  dafs  der  neue  Doge  Cristoforo  Moro  mit 
vier  Räten  am  Kreuzzuge  teilnehmen  solle;  die  Tage  Dandolos 
schienen  wiederzukehren :  handelte  es  sich  doch  von  neuem  um 
eine  lateinische  Eroberung  Konstantinopels,  und  Philelphus  arg- 
wöhnte ,  dafs  Pius  II.  dort  einen  seiner  Neffen  zum  Kaiser  ein- 
zusetzen beabsichtige  ,  „  einen  Piccolomini  an  Stelle  der  Paläo- 
logen " !  ^).  Zehn  Galeeren  wurden  für  den  Kardinal  Bessarion 
und  andere  Mitglieder  des  Heiligen  Collegios  sowie  die  Teilnehmer 
an  dem  bevorstehenden  Kreuzzug  instand  gesetzt.  Lauro  Que- 
rini schrieb  im  März  aus  Kreta  und  gab  Aufschlufs  über  die 
türkischen  Verhältnisse  ^). 

Aber  der  Frühling  ging  hin,  ohne  dafs  der  Papst,  seinem 
Versprechen  gemäfs,  in  Ancona  erschienen  wäre :  erst  Ende  Juli 
fand  er  sich  ein.  Am  30.  des  Monats  schiffte  sich  der  Doge 
auf  einer    prachtvollen,    festlich  geschmückten    Galeere    ein;    am 


1)  ,,Cron.  Zena";  Chron.   F.   33  von  Dresden. 

2)  Chron.  F.    33  von   Dresden. 

3)  Archiv  von  Nürnberg  S.    10,   165/2  1. 

4)  Bibliothek  von  Parma,  ms.  216,  fol.  144:  „Quo  Orientale  illud  nobilissi- 
mumque  imperium  in  tercium  sororis  fdium  nescio  quem  transferret:  a  Paleologis 
in  Piccolominos" ;  Brief  an  den  Nachfolger  Pius',  Papst  Paul;   17.  Kai.  Oct.  1464. 

5)  „De  Turci   potentia";   Bibl.   Marciana,   cl.   XIV,   265,   fol.   96 ff. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      131 

4.  August  war  er  bei  S.  Niccolö  del  Lido,  am  9.  verliefs  er  mit 
18  Galeeren  den  istrischen  Hafen  Pola;  am  13.  sah  Ancona  die 
stolze  Flotte  in  seinen  Hafen  einlaufen.  Der  Papst  aber  war 
sicher  mehr  vor  Aufregung  als  Freude  und  Hoffnung  gefährlich 
erkrankt,  und  in  der  Nacht  vom  14.  zum  15.  August  verschied 
der  gröfste  aller  gelehrten  „  Tragedianti "  der  humanistischen 
Zeit  auf  diesem  letzten  und  höchsten  Schauplatze  seines  Ehrgeizes. 
Die  Venezianer  liefsen  sich  freilich  überall  dahin  vernehmen, 
dafs  die  Scham,  selbst  nichts  für  den  heiligen  Krieg  vorbereitet 
zu  haben,  seinem  Leben  ein  Ende  gemacht  habe  ^).  Nur  einen 
türkischen  Prätendenten,  einen  angeblichen  jüngeren  Bruder  des 
Sultans,  hatte  er  vielleicht  gewonnen;  jedenfalls  hielt  sich  ein 
solcher  bei  ihm  auf  2). 

Durch  diesen  Todesfall  war  die  ganze  Unternehmung  aus- 
sichtslos geworden.  Der  Doge  kehrte  bald  darauf  nach  Venedig 
zurück,  von  wo  als  neuer  Kapitän  des  Meeres  Giacomo  Lore- 
dano  —  Orsato  war  schon  am  10.  Juli  in  der  Levante  vor 
Kummer  über  seinen  Mifserfolg  gestorben  — -  mit  elf  Galeeren 
auslief  (27.  August).  Zunächst  sollte  er  eine  Demonstration 
gegen  den  Grofsmeister  von  Rhodos  veranstalten,  der  „Mohren" 
aus  Ägypten  treubrüchig  festgehalten  halte.  Dann  gingen  die 
venezianischen  Schiffe  nach  Chios,  Lemnos  und  Tenedos  und 
erschienen  auch  in  den  Dardanellen,  wo  sie  von  den  das  Ufer 
besetzt  haltenden  Türken  lebhaft  angegriffen  wurden  ^).  Nach 
dem  von  der  Pest  heimgesuchten  Morea,  wo  jetzt,  nach  dem 
Tode  Bertoldos,  ein  anderer  Condottiere  und  Fürstenspröfsling, 
Sigismondo  von  Rimini ,  aus  dem  Hause  der  Malatesta ,  den 
Oberbefehl  führte  *) ,  wurden  nur  wenige  Hilfstruppen,  die  unter- 
wegs mannigfaches  Mifsgeschick  hatten,  abgeordnet.  Das  Wich- 
tigste,  was    die  Republik  gegen  die  Türken   tat,    war   die  Über- 

1)  „Cron.  Zena";  vgl.   Ljubic  X,   z.  J. 

2)  Ljubic  X,  S.    309. 

3)  „Der  Sekretär"  in  Sathas  VI,  S.  99.  Siehe  das  Urteil  Antonio  Duodos, 
ebenda  S.  104  :  .,E1  tentar  passar  el  stretto  al  Dardanello  von  he  al  proposito,  perche 
h^  di  certo  dano  e  de  nula  sperata  vittoria :  che  dove  zuocha  le  bonbarde  vicine 
non  val  la  valentisia  deli  homeni."      Vgl.   auch  „Mon.   Hung.   Hist."   IV,   S.  318. 

4)  Vgl.  besonders  Sathas,  Monumenta  VI,  S.  92  ff. 

9* 


133  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

Sendung  der  von  Pius  II.  gesammelten  37000  Dukaten  und 
anderer  Hilfsgelder  aus  dem  eigenen  Schatze  an  König  Matthias 
als  den  Vorkämpfer  der  Christenheit  *). 

Sigismondo  Malatesta  hatte  mehrmals  feierlich  gelobt,  ganz 
Morea  für  die  Republik  zu  gewinnen.  Und  wirklich  fand  er  auf 
der  Halbinsel  bedeutenden  Anhang  unter  Griechen  und  Alba- 
nesen.  Peter  und  Alexios,  zwei  der  mächtigen  Bua,  die  über 
viele  Katunen  im  Gebirge  verfügten  und  mehrere  hundert  tapfere 
berittene  Stratioten  in  den  Dienst  Venedigs  stellen  konnten  — 
ein  dritter  Bua  war  zum  Renegaten  geworden  und  hatte  den 
Namen  Hamza  angenommen  —  ,  fochten  unter  der  Fahne  San 
Marcos.  Der  einflufsreiche  Michael  Ralli,  „der  erste  Mann  in 
Morea"  („  il  principal  homo  de  quela  Amorea  "),  sein  Verwandter 
Michael  Ralli  Drimi  und  der  Protostrator  Isaak  hatten  sich 
gleichfalls  für  die  Republik  erklärt  und  ihr  die  Anhängerschaft 
der  tapferen  Tzakonen  und  Mainoten  von  beiden  „  Brazi "  (di 
Maina  und  di  Zacconia)  gesichert.  Die  Dämonoianni,  die  Bokalis 
standen  auch  unter  dem  venezianischen  Schutze  ^).  Die  Venezi- 
aner waren  noch  im  stark  befestigten  Nauplion,  dann  in  Manti- 
nea,  Monembasia  und  Vatica  geblieben.  Doch  wurde  ein  An- 
griff auf  Misithra  zurückgeschlagen,  und  zwei  der  rühmlichst  be- 
kannten Condottieri  des  kleinen  Heeres  fielen  hier  ^).  Aber 
auch  ein  Versuch  des  moreotischen  Sandschaks  Umur,  den  Ein- 
dringling zu  verjagen,  blieb  erfolglos  ■*). 

Die  christlichen  Söldlinge  und  Strationen  verbrachten  den 
Winter  in  Nauplion,  dann  in  Mantinea.  Im  Juni  1465  standen 
sie  unter  Kalamata  im  selben  südlichen  Winkel,  während  Umur 
sich  von  Misithra  nach  Muchlion  bep"ab  ^).    Zu  einem  Zusammen- 


i)  „Cron.  Zena"  und  die  anderen  venezianisciien  Chroniken;  ,,Moii.  Hung. 
Hist."  a.  a.  O.  S.  285  fif.  Sein  Vertrag  mit  Venedig,  17.  März  1464;  „Comme- 
moriali"  V,  S.    152 — 153,  Nr.  98. 

2)  Hopf  II,  S.    155-156. 

3)  Vgl.  die  Berichte  des  Harbarigo  in  Sathas,  Monumenta  VI,  S.  i  ff.  und 
ebenda  S.  93.     Vgl.  Chalkokondylas  a.  a.  O. 

4)  Ebenda.  Vgl.  über  die  moreotischen  Vorgänge  auch  Mättyas  Kiraly  Levelei 
I,  S.   84—85. 

5)  Ebenda  S.   2.     Brief  des  Proveditore  Barbadigo,  „ex  Mantegna",    18.  Juni 


Wiederbelebung   der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     133 

stofse  aber  zwischen  Venezianern  und  Türken  kam  es  nicht; 
beide  Parteien  begnügten  sich  mit  mihtärischen  Märschen ,  die 
meist  durch  den  Bedarf  an  Proviant  veranlafst  wurden ;  selten 
Nvurde  ein  Überrumpelungsversuch  unternommen.  Die  Türken 
gewannen  dabei  ein  oder  zwei  Schlösser.  Dennoch  waren  die 
Christen  bald  völlig  entmutigt  und  flohen  bei  der  ersten  Nach- 
richt von  einer  türkischen  Angriffsbewegung  *).  Schliefslich 
mufsten  sie  sich  bis  in  die  Umgebung  Korons  zurückziehen, 
während  Umur  nach  Athen -Stines  ging,  um  die  Beute  zu  ver- 
teilen ^).  Von  dort  aus  unternahm  er  im  Winter  einen  grofsen 
Beutezug,  der  ihm  viele  Sklaven  einbrachte,  und  ging  zur  Pforte  ^). 

Die  Flotte  blieb  bei  all  diesen  Ereignissen  tatenlos  und 
schien  ihre  Mission  lediglich  darin  zu  suchen ,  sich  gegen  die 
stretti  zu  wenden,  sobald  die  Nachricht  kam,  dafs  die  Schifte 
des  Sultans  ihre  Arsenale  und  Häfen  verlassen  wollten  •*).  Nur 
bei  Gallipolis  kam  es  zu  Zusammenstöfsen  der  Venezianer  mit 
den  Türken;  diese  aber  wufsten  ihre  Küste  wohl  zu  verteidigen  ^). 
Endlich  wurde  dem  müden  und  demoralisierten  Malatesta  die  Er- 
laubnis erteilt,  mit  etwa  50  seiner  Gefährten  zurückzukehren ''), 
ohne  in  Morea  etwas  anderes  erreicht  zu  haben  als  die  Über- 
führung der  Reste  des  berühmten  spätgriechischen  Denkers  Ge- 
misthius  Plethon  nach  Italien. 

Giacomo  Barbarigo  ersetzte  ihn  in  der  Führung  des  ge- 
schwächten moreotischen  Heeres,  das  seit  langem  schon  nur  noch 
„Gesindel",  eine  zentaia  war.    Der  neue  Seehauptmann,  Vittorio 

1465  an  die  Regierung  Kretas,  „Ducali  e  lett.  ricevute"  31:  ,,Amarbej  ^  pur 
nel  luoco  uxato,  al  Muchlj.  ...  Pur  se  ha  di  stratioti  circa  1600 ;  stemo  uniti  al 
meglio  potemo;  fin  4  zorni  se  reduremo  verso  el  Misistra''  usw.  Siehe  ebenda 
einen  Hefehl  des  Dogen  vom  17.  August,  Q.  30;  den  Bericht  vom  22.  November 
über  die  Übeln  Zustände  in  Monembasia. 

i)  „Queste  gente  sono  si  impaurite,  che  il  solo  nome  di  Turchi  gli  meteno 
in  fuga";  ebenda  S.   24. 

2)  Ebenda  S.   58. 

3)  Ebenda  S.  63,  84. 

4)  Ebenda  S.  63:  Winter   1465  — 1466;   vgl.  Chron.  F.   33,  fol.    122. 

5)  Chron.  F.   33. 

6)  Sathas  VI,  S.  81. 


134  Erstes   Buch.      Siebentes  Kapitel. 

Capello,   besetzte    Aulis,   gegenüber   Euböa,    wandte   sich    dann 
gegen    die  Inseln  Imbros,    Thasos   und  Samothrake,    die   leicht 
erobert    und    von    den    Matrosen    hart     mitgenommen     wurden 
(August)  *) ,    und    erschien   sogar   vor   Athen ,    wo    die    auf  seine 
Schiffe    genommenen    250  Stratioten    unter   Beteiligung    der  Be- 
mannung die  Stadt  angrifien,  verbrannten  und  aufser  500  Sklaven 
viel  Vieh  erbeuteten  ^).     Auf  diesen  Erfolg  neidisch,  wagte  Bar- 
barigo  den  früher  gefafsten  Plan,  Patras,  Klarentza  und  das  ehe- 
malige   Fürstentum   von    Achaia    zu    unterwerfen,    ins    Werk    zu 
setzen.     Es  gelang  ihm  in  der  Tat,  Patras  zu  erobern,  aber  bei 
unvorsichtiger  Verfolgung  der  Türken  Umurs  geriet  er  in  einen 
Hinterhalt    und   fiel   am    12.   August    1466,    noch   am  Tage    der 
Einnahme  von  Patras,  bei  Siderokastron.    Die  Leiche  wurde  auf 
den   Zinnen  zur   Schau    gestellt  ^).     Dadurch    wurden  die  Vene- 
zianer   so  entmutigt,  dafs   der  gedemütigte  und  kranke  Capello, 
der  bald   darauf  verschied,    das  Unglaubliche  schreiben  konnte: 
„  Sie  haben  nicht  den  Mut,  einem  Türken  ins  Gesicht  zu  sehen, 
so    dafs    250  Türken    ihrer  4000  werfen    und  zum  Seeufer  jagen 
konnten^)."     Michael  Ralli,    „der  Grofse ",    der  ihn  verteidigen 
wollte,  wurde  gefangengenommen  und  gepfählt.    Der  Erzbischof 
von  Patras  starb  ebenfalls  am  Pfahle  ^).     Doch  retteten  sich  von 
seinem    2000   Mann   zählenden    Korps    die    meisten.      Erst    zwei 
Monate    später   verbreitete    sich    das    falsche    Gerücht,    dafs    die 
grofse    türkische    Flotte    Loredano ,    der   sich    nach    Negroponte 
flüchten  mufste,  geschlagen  habe  *').    Capello  ereilte  das  Schick- 
sal so  vieler   seiner  Vorgänger  und  Amtsgenossen:  er  starb  vor 
Anstrengungen  und  Gram  während  des  unglücklichen  Krieges  im 
April   1467. 

1)  „Cron.  Zena'"  fol.   271. 

2)  „Cron.  Zena"  a.  a.  O. ;  ebenda  S.  99;  Phrantzes  S.  425  ff. 

3)  „Cron.  Zena"  a.  a.  O. ;  auch  Kritobulos  und  Phrantzes;  Chron. 
F.  33,  fol.   123. 

4)  „Cron,  Zena":  „Le  sue  zenti  dell'  armada,  et  maxime  i  stradioti  non 
haveano  animo,  ne  volto  de  guardar  uno  Turco,  per  modo  che  250  Turchi  rom- 
pete  et  cazarno  fm  alla  Marina  homini  1111™  armadi  de  coraza." 

5)  Ebenda;  Phrantzes  a.  a.  O.  Siehe  auch  Sathas  I,  S.  2370.;  „Mon. 
Hung.  Hist."  V,  S.  32—33- 

6)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  42—43;  vgl.  S.  48-49. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.      Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      135 

Schon  1466,  noch  vor  diesem  Ereignisse,  schrieb  ein  kundi- 
ger Berater  Venedigs,  dafs,  trotz  dreier  Kriegsjahre,  die  früheren 
Zustände  unverändert  gebheben  seien  ').  Des  unrühmhchen  und 
unsinnigen  Kampfes  müde,  beg^annen  sich  einzelne  Gemeinden 
mit  den  benachbarten  Türken  zu  verständigen,  um  sich  die 
MögHchkeit  bürgerUcher  Existenz  zu  verschaffen.  So  handelten, 
aufser  vielen  albanesischen  Ansiedlungen,  Korfu,  Lepanto,  Mo- 
nembasia  und  sogar  Negroponte ,  dessen  Bailo  Anfang  Februar 
1466  bei  Lykona  eine  Unterredung  mit  Umur  hatte  ^). 

Dann  erfolgten  Auseinandersetzungen  mit  der  Republik, 
die  von  selten  der  Mächtigen  in  Morea  und  an  der  Pforte  ^), 
ja  Mahmuds  selbst,  eröffnet  wurden.  Letzterer  fragte,  was  für 
eine  Ursache  die  venezianischen  Freunde  gehabt  hätten,  diesen 
unglücklichen  Krieg,  der  trotz  aller  Unterstützung  durch  Floren- 
tiner und  Genuesen  ^)  dem  osmanischen  Schatze ,  zufolge  der 
Verminderung  der  Zolleinkünfte,  grofsen  Schaden  verursachte, 
zu  beginnen.  Der  Despot  Leonard  von  Arta  und  die  Ragusaner 
schickten  Gesandte  und  Emissäre  nach  Venedig,  um  über  die  Be- 
dingungen eines  Vertrags  zu  verhandeln.  Venedig  wies  das  nicht 
zurück ;  zwar  verlangten  die  Venezianer  zuerst  ganz  Morea  und  Les- 
bos,  später  nur  „  Misithra,  Patras,  Arkadien  und  das  Mecresufer  bis 
Modon  "  ^) ,  endlich  beschränkten  sie  ihre  P'orderungen  auf  den 
früheren  Besitzstand :  Koron ,  Modon ,  Nauplion ,  Argos  und  das 
Gebiet  von  Lepanto  ^)  für  sich  selbst ,  sowie  das  türkische 
Bosnien  für  den  ungarischen  Alliierten  und  Berücksichtigung  der 
anderen  Mitglieder  der  Liga  '^).  Als  aber  König  Matthias ,  der 
nur  Interesse  am  Eingang  der  Subsidien  an  den  Tag  legte,  ohne 
dagegen  Garantien  für  künftige ,  christliche  Unternehmungen  zu 
geben,  sich  nicht  von  der  Stelle  bewegte,    sei  es  dafs  er  nicht 


1)  „Siamo   a  quello   se  era  il  primo  zorno";  Sathas   VI,   S.    102. 

2)  Ebenda  S.   71,   73,  81. 

3)  Siehe  auch  „Mon.  Hang.  Hist."  VII,  S.  291 — 292. 

4)  Siehe  auch  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  370 ;  V,  S.    15. 

5)  „Mon.  Hung.  Hist."  a.  1.  O.   S.    10. 

6)  Ebenda;  vgl.  S.   14.     Vgl.  auch  S.   26;  Ljubic  X,  S.  327 ff. 

7)  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  341  ff. 


136  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

wollte  oder  nicht  konnte,  da  nahm  die  Friedensfrage  einen  ernsteren 
Charakter  an.  ^Die  Ende  1465  befohlenen  Mafsnahmen  zur  Aus- 
rüstung' einer  stärkeren  Flotte,  die  erneute  Wahl  Aloisio  Lore- 
danos  zum  Seehauptmann  und  das  Projekt,  im  Frühlinge  1466 
das  Hexamilion  wieder  herzustellen,  blieben  ohne  weitere  Folge, 
ebenso  die  Absicht,  sich  mit  dem  Karamanen,  mit  Usun-Hassan 
und  sogar  mit  dem  Soudan,  „  einem  Albanesen  aus  Morea",  ins 
Einvernehmen  zu  setzen  ').  Denn  im  Grunde  wünschte  Venedig 
nichts  sehnlicher  als  den  Frieden,  und  man  jubelte,  als  der  Bailo 
aus  seiner  Haft  entlassen  wurde  ^). 

Der  Sultan  schien  seinerseits  den  moreotischen  Krieg,  der 
für  Venedig  so  grofse  Ausgaben  und  den  Verlust  vieler  seiner 
besten  Bürger  bedeutete ,  nicht  ernst  zu  nehmen.  Man  hatte 
den  Eindruck,  als  ob  er  sich  lediglich  zu  verteidigen  wünsche 
und  keinerlei  Angriffsprojekte  oder  Gelüste  hege  ^).  So  war  es 
auch  in  der  Tat.  Die  wenigen  Schlösser  auf  der  Halbinsel  ver- 
ohnten  nicht,  dafs  sich  der  Sultan  selbst  oder  auch  nur  ein  Wesir 
in  Bewegung  setzte.  Er  war  im  übrigen  überzeugt,  dafs  die  Halbinsel 
mit  der  Zeit  ihm  von  selbst  zufallen  würde.  Nach  Westen  dagegen 
lockten  wichtigere  Aufgaben;  er  wollte  sich  —  und  darin  be- 
zeugte er  erneut  seinen  staatsmärnischen  Blick  —  den  Weg 
nach  Deutschland,  wie  anderseits  nach  Istrien  und  Friaul,  den 
italienischen  Provinzen  Venedigs,  erschliefsen. 

j  In  dieser  Gegend  bcsafs  der  alte  ,,Cherzech"  Stipan  in  seinen 
letzten  Jahren  nur  einen  geringen  Teil  seines  früheren  Gebietes. 
Die  in  der  Nachbarschaft  ansässigen  Türken  entrissen  ihm  die 
Schlösser  im  Süden;  und  1464  schlug  ihm  der  ungarische  Be- 
schützer vor,  ihm  sein  Gebiet  gegen  Agram,  40000  Dukaten 
und    einige  Güter    in   Ungarn    einzutauschen.     Ohne  Antwort   zu 


i)  „Gli  nc  dicde  tpcrauza,  fcio  che  questo  Soldar.o  heAlbanesede  laMoica"; 
,,Mon.  Hui;g.  Hist.^'  a.  a.  O.  S.   370.     Vgl.   S.   349— 350;  Sathas  VI,  S.    14. 

2)  „Mon.  Hung.  Hisi."  a.  a.  O.  S.  327. 

3)  Vgl.  ,.Mon.  Htng.  Hist."  IV,  S.  370:  „De  la  se  iä  pocha  txtima  de  la 
gueiia  de  la  Signoria'';  V,  S.  74:  „Perstp.dtndcsi  che  lo  Turcho  ron  debia 
offenc'eie  alc  lor  ttire,  si  loio  ncn  li  dsro  irclcstia,  havtr.do  veduto  qncslo  per 
passata  txpcrienza." 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      137 

erwarten,  besetzte  er  ihm  zwei  Burgen,  worüber  sich  Stipan  bitter 
bei  Venedig,  dem  er  gern  seine  Länder  an  der  Bocche  di  Cat- 
taro  überlassen  hätte  *),  beklagte.  In  Narenta  und  Kraina  traten 
auch  die  Venezianer  als  Eroberer  auf  ^).  Nur  Castelnuovo,  sein  Novi, 
war  ihm  geblieben,  und  hier  schlofs  er  auch  im  Laufe  des  Jahres 
1466,  wahrscheinlich  im  April,  seine  Augen.  Von  seinen  Söhnen 
war  Wladislaw  von  den  türkischen  Freunden  schon  aller  seiner  Be- 
sitzungen beraubt  worden  ^) ;  die  zwei  anderen,  Wlatko,  der  sich 
nunmehr  „  Cherzech "  nannte,  und  „Graf"  Stephan  lebten  in 
gutem  Einvernehmen  und  suchten  sich  von  der  väterlichen  Erb- 
schaft soviel  wie  möglich  zu  retten.  Im  Jahre  1469  bemühte 
sich  das  Ungarn  ergebene  Ragusa,  sie  mit  dessen  König,  der  im 
Unrecht  gegen  sie  war,  zu  versöhnen  *) 

Um  eines  solchen  elenden  Gewinnes  willen  war  ein  Ein- 
schreiten des  Sultans  nicht  erforderlich.  Anders  stand  es  mit 
dem  von  den  Venezianern  unterstützten,  von  Aragon  in  Obhut 
genommenen  und  von  Ungarn  aufgestachelten  Skanderbeg. 

Anfang  des  Jahres  1462  weilte  dieser,  aus  Neapel,  wo  er 
unter  Roberto  Orsini  gedient  hatte,  zurückgekehrt  —  nannte  er 
sich  doch  gewöhnlich  königlich  aragonischer  Generalhaupt- 
mann •^)  — ,  wieder  in  seinem  Kroia ,  wo  er  auch  den  flüchtigen 
Erben  Serbiens,  Stephan  Brankowitsch ,  beherbergte.  Er  stand 
auch  mit  Stipan  damals,  als  dieser  noch  alles  Heil  von  Ungarn 
erhoffte,  in  den  besten  Beziehungen;  später  verlangte  Skander- 
begs  Beschützer,  der  König  von  Neapel,  von  den  Söhnen  Stipans 


i)  Ebenda  IV,  S.  388—389;  Ljubic  X,  S.  349. 

2)  Ljubic  X,  S.  337,  346;  vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  Y,  S.  43. 

3)  Einer  Gesandtschaft,  die  er  an  die  Republik  schickte,  gehörte  auch  ein 
Manoli  Kantakuzenos   an;  Ljubic  X,   S.   347;  s.   auch  S.   374. 

4)  Vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  5,  6,  7  ff.,  13 ;  Lj  ubic  X,  S.  336 ff.,  350 ff., 
374,  396ff.,  431  ff-;  „Dipl-  Rag-"  S.  629,  774—775,  785,  787ff.,  796—797- 

5)  „Georgius  Castriota,  alias  Skanderbeg,  dominus  Albanie  ac  generalis 
capitaneus  Regie  Maiestatis  in  partibus  Grecie";  „Mon.  Hung.  Hist."  IV, 
S.  116 — 117.  Höchstwahrscheinlich  sind  die  Briefe,  die  das  Jahr  1461  an- 
geben, „more  veneto"  datiert.  Nach  Hopf  kämpft  er  im  Reiche  Neapel  im 
Laufe  des  Jahres  1461  und  kehrt  im  Juli  1462  über  Ragusa  zurück;  II,  S.  153"^; 
vgl.  Chron,  F.  33. 


138  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

das  starke  Schlofs  Novi,  indem  er  ihnen  vier  andere  im  König- 
reiche anbot  und  versprach,  Novi  wieder  zurückzug^eben,  wenn  er, 
infolge  der  ihm  vom  Sultan  vorgeschlagenen  Familienverbindung, 
ganz  Bosnien  sein  eigen  nennen  werde  *).  Skanderbeg  bean- 
spruchte von  Venedig  Geld,  italienische  Truppen,  eine  Galeere 
und  den  Schutz  der  mächtigen  Republik  für  seinen  achtjährigen 
Sohn.  Tatsächlich  wurden  looo  Söldlinge  nach  Albanien  ge- 
schickt und  an  Skanderbeg  zur  Fortführung  des  mit  den  Türken 
wieder  begonnenen  Krieges  2000  Dukaten  gezahlt.  Bis  1464 
stand  der  Condottiere  Cimarosto  an  der  Spitze  der  italienischen 
Hilfsschar:  Venedig  war  froh,  sich  derart  Luft  und  dem  Sultan 
und  seinen  Befehlshabern  zu  schaffen  zu  machen.  Skanderbeg 
schlug  den  gegen  ihn  ausgezogenen  Beg,  machte  aber  von  1464 
bis   1466  der  Signoria  Vorschläge  zum  Frieden  '■^). 

Dennoch  ging  Mohammed  im  Frühling  des  Jahres  1466  — 
im  Jahre  1465  war  der  Sultan  krank  gewesen  —  über  Bitolia- 
Monastir  ^)  wider  die  albanischen  Berge  vor.  Die  Pässe  wurden, 
nicht  ohne  hartnäckigen  Kampf,  gewonnen,  und  schnell  ein  Weg 
ins  Innere  eröffnet.  Unterwegs  raubten  und  plünderten  die 
Türken,  in  der  Hoffnung,  Skanderbeg  dadurch  zur  Unterwerfung 
zu  zwingen.  Aber  erst  der  Angriff  auf  Kroia  konnte  entscheidend 
sein ;  und  wie  früher  Jaice,  hielt  sich  das  von  Albanesen,  vielen 
Venezianern  und  vielleicht  auch  einigen  Söldlingen  des  Königs 
von  Aragon  *)  verteidigte  Schlofs  so  gut ,  dafs  der  Sultan  von 
seinem  Vorhaben,  mit  dessen  Eroberung  seine  Herrschaft  im 
venezianischen  Albanien  zu  begründen,   abstehen  mufste.    Im  Juli 


i)  Vgl.  Matyäs  Kiräly  Levelei  I,   S.    142  — 143. 

2)  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  203,  229  —  233,286,  306 — 308,351;  LjubicX, 
S-  319,  334  ff->  359ff-»  362,  365.  Über  das  Verhältnis  der  Venezianer  zu  Lek  Da- 
kaschin  und  Iwan  Tschernojewitsch  Ljubic  X,  S.  3230".  Über  die  Details  der 
Kämpfe  Skanderbegs  gegen  Balabanbeg  im  Jahre  1464,  wie  sie  bei  Oronitsch, 
Ochrida  usw.  stattfanden,  s.  Hopf  II,  S.  156^,  nach  Rinaldi  1465,  Nr.  18, 
aber  auch  nach  dem  oft  verdächtigen  Barletti.  Vgl.  „Matthiae  epistolae  ad  ro- 
manos  pontifices"  S.  29 — 30.  Über  die  päpstlichen  Ermahnungen  an  König 
Matthias  (1465)  ebenda  S.   59 — 60. 

3)  Seadeddin  II,  S.   238 — 239. 

4)  Siehe  über  ein  Hilfegesuch  Skanderbegs  nach  Neapel,  in  Mai  „Dipl.  Rag." 
S.  774— 775. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      139 

erfuhren  die  Venezianer  durch  einen  Gesandten  Skanderbeg's, 
dafs  „  Kroia  g-erettet  sei "  ^).  Der  Sultan  hatte  sich  zurück- 
gezogen, Hefs  aber  Avlona,  das  einem  Angriffe  gegen  Otranto 
Vorschub  leistete,  stark  befestigen  und  mit  400  Janitscharen  be- 
setzen ;  die  dadurch  ebenfalls  bedrohten  Venezianer  hatten  nicht 
den  Mut  dieses  „  neue  Schlofs ''  der  Türken  am  Meeresufer  anzu- 
greifen und  zu  zerstören ,  trotzdem  Skanderbeg  sogleich  An- 
erbietungen in  diesem  Sinne  gemacht  wurden  ^).  Im  Innern 
gründete  Mohammed  die  Stadt  Elbassan  und  sorgte  für  ihre 
mosleminische  Besiedelung  ^).  Mit  dem  grofsen  türkischen  Heere 
gingen  3000  albanesische  Gefangene  fort  ^).  Die  venezianischen 
Besitzungen  waren  nur  wegen  des  Anschwellens  der  fiumare 
noch  nicht  angegriffen  worden  ^). 

Aber  auch  nach  dem  Abzüge  des  Sultans  ging  der  Klein- 
krieg in  Albanien  fort,  und  zwar  in  allen  Winkeln  des  gebirgigen 
Landes ,  das  für  schnelle  Überfälle  und  schlaue  Überrumpelung 
wie  geschaffen  war.  Am  7.  September  kam  die  Nachricht  nach 
Venedig,  dafs  der  Befehlshaber  der  Türken,  Balaban-beg,  ein 
albanischer  Renegat  ^) ,  eine  grofse  Niederlage  erlitten  habe  '^). 
Sie  sollte  bald  gerächt  werden.  Im  November  klagten  die  Ve- 
nezianer, dafs,  infolge  der  eben  erfolgten  Verjagung  Skander- 
begs,  nur  noch  Kroja,  mit  seinen  von  der  Republik  bezahlten 
Verteidigern,  die  christliche  Herrschaft  im  Lande  vertrete  ^). 


j)  „Locus  Croye  conservatus  sit";  Ljubic  X,  S.   371. 

2)  Ljubic  X,  S.  372—373;  vgl.  auch  S.  367,  369. 

3)  S  eade  ddin  II,  S.  239.  Kritobulos  erwähnt  die  Kolonisation  und 
Befestigung  Ebbassans  gleichfalls.  Siehe  auch  Phrantzes  S.  425.  Über  Avlona 
auch  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.   228. 

4)  „Cron.  Zena". 

5)  Ebenda.  Vgl.  die  serbische  Chronik  bei  Bogdan,  S.  524,  wo  die  neu. 
erbaute   Stadt  IxOHIOXB  genannt  wird. 

6)  Nach  Barletti. 

7)  „Cron.  Zena";  Kritobulos. 

8)  „Pulso  ex  ea  d.  Scanderbego,  nihil  superest  ex  omni  dicione  eins  nisi 
oppidum  Croie,  conservatum  a  nostris  peditibus  et  custoditum  usque  ad  presens"; 
Ljubic  X,  S.  384;  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  41 — 42.  Über  einen  Erfolg 
Skanderbegs,  der  et%vas  später  400  Türken  getötet  haben  soll,  ebenda  S.  47  ff.  Im 
Februar   1467  hielt  Balaban  Kroia  eng  eingeschlossen,  ebenda  S.   73. 


140  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

Im  April  1467  suchte  der  verdrängte  Fürst  von  Albanien,  der 
von  Venedig-  2000  Dukaten  erhalten  hatte,  wieder  in  sein  Land  ein- 
zudringen; die  geängsteten  Ragusaner,  deren  Tribut  bereits  zwei- 
mal, 1453  und  1458,  und  zwar  auf  5000  Dukaten  erhöht  worden 
war'),  antworteten,  dafs  sie  ihm  keine  Hilfe  leisten  könnten. 
Denn  eben  hatte  sich  Mohammed  IL  von  seinem  Lager  in 
Philippopolis  von  neuem  nach  dem  widerspenstigen  Albanien 
gewandt,  dessen  Unabhängigkeit  seinen  Plänen  gegen  die  reichen 
westlichen  Christen  einen  Riegel  vorschob.  Im  Mai  wuirde  in 
den  Tälern  des  Hochlandes  arg  geplündert.  Wieder  belagerten 
die  Türken  Kroia,  wo  Skanderbeg  sich  nicht  mehr  befand:  er 
hatte  200  aragonische  Soldaten  mit  sich  und  schien  den  Ve- 
nezianern verdächtig,  weil  König  Ferdinand  von  Neapel,  sein 
Oberherr,  mit  den  Türken  in  gutem  Einverständnisse  lebte  ^). 
Auch  diesmal  ergab  sich  das  Schlofs  nicht,  und  Mohammed  sah 
sich  zum  dritten  Male  in  seiner  militärischen  Laufbahn  nach  den 
Mifserfolgen  vor  Belgrad  und  Jaice  und  bei  der  ersten  Belagerung 
Kroias  gezwungen,  sich  vor  den  starken  Mauern  einer  gut  ver- 
teidigten Festung  der  Christen  zurückzuziehen  ^). 

Der  von  ihm  zurückgelassene  Beg,  w^ahrscheinlich  derselbe 
Balaban,  den  Skanderbeg  1466  besiegt  hatte,  machte  auch 
einen  Versuch  auf  das  venezianische  Durazzo ,  in  dessen 
Hafen  acht  Kriegsschiffe  der  RepubUk  standen  *).  Im  August 
jedoch  verzichtete  er  auf  eine  Belagerung.  Den  von  ihm  ein- 
gesetzten muselmanischen  Neffen  Skanderbegs,  den  Sohn  einer 
Schwester  desselben,  der  seine  Residenz  in  Redoni  am  Meere 
aufgeschlagen  hatte,  griff  der  Oheim  an  und  köpfte  ihn  an  Bord 
einer   venezianischen  Galeere   eigenhändig  ^).     Durch   diesen  Er- 

i)  Chronik  von  Ragusa  1452  — 1 510 ;  Hofbibliothek  von  München  it.  551.  Vgl. 
„Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  95. 

2)  Bericlit  an  den  Herzog  von  Mailand,  unter  dem  falschen  Datum  147 1  in 
„Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  225—226,  abgedruckt;  Ljnbiö  X,  S.  389,  395 
bis  396.  Siehe  auch  ebenda  S.  387  —  388,  388 ff.;  „Mon.  Hung  Hist."  V, 
S.   59 — 60. 

3)  Die  serbische  Chronik  bei  Bogdan  S.  524  erwähnt  die  Plünderung  des 
Tomornitzagebietes, 

4)  „Cron.  Zena". 

5)  Ebenda:  „Et  solum  haveva  lasato  uno  nepote  de  Scandr,  il  quäl  h  rene- 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      141 

folg"  g-cwann  Skanderbeg-  seine  frühere  Stellung-  wieder,  und 
Kroia  selbst  gehörte  ihm  von  neuem.  Er  dachte  jetzt  an  einen 
neuen  Krieg  gegen  die  benachbarten  Begs  und  schickte  mit  dem 
Erzbischofe  Paul  Angelo  von  Durazzo  seinen  jungen  Sohn  Johann 
nach  Venedig-,  um  Hilfe  zu  verlangen  ^).  Doch  starb  er  zu  An- 
fang des  folgenden  Jahres,  angeblich  am  i8.  Januar,  im  veneziani- 
schen Alessio,  als  er  sich  eben  gegen  raubende  türkische  Schaaren 
wenden  wollte  ^),  seinem  Volke,  das  ihn  in  Liedern  besang,  die 
dauernde  Erinnerung  seiner  Taten  hinterlassend  ^).  Die  Musachis, 
die  Spano,  deren  einer,  Alexius,  der  Republik  seine  Dienste  als 
Friedensvermittler  angeboten  hatte,  sowie  Strexi,  Nikolaus  Skura, 
dem  der  Berg-  Benda  über  Kroia  gehörte,  und  die  wieder  mit 
den  Türken  im  Einverständnis  stehenden  Tscherwojewitsch  und 
Pastrowitsch  *)  teilten  sich  in  das  Land,  ohne  die  Rechte  der 
Witwe  Andronika,  einer  Tochter  der  Arianites,  ihres  unmündigen 
Sohnes  —  mit  dem  sie  sich,  in  das  Skanderbeg  vorzeiten  von 
König  Ferdinand  versprochene  Trani  flüchtete  ^)  —  und  ihrer 
Brüder  zu  berücksichtigen.  Dadurch  sah  sich  Venedig  gezwungen, 
Kroia  im  Jahre  1469  für  sich  selbst  zu  besetzen  **).  Das  Land 
befand    sich   so    im  Zustande    vollständiger  Anarchie,    weil  auch 


gato ,  con  cavalli  1300,  el  quäl  se  haveva  ridutto  in  forteze  al  Caoredondo,  che 
h  tra  Durazzo  et  Croia."  Über  Redoni  s.  Ljubic  X,  S,  399:  „locus  Rhodo- 
norum  ". 

1)  Ljubic  X,  S.   399. 

2)  LjubicX,  S.  404  —  405;  3.  Februar  1468:  „Mortuus  est  magnificus  quondani 
Scandarbegus'';  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  93:  „  Scanderbeg  he  passato  de  questa 
vita;  havea  la  febre,  et,  essendo  corsi  certi  Turchi  nel  paese,  volsi  niontar  a 
cavalo ,    e  mori    in   tre  giorni";    vgl.  auch  Phrantzes  S.  430;  siehe  Hopf  II, 

s.  157. 

3)  Vgl,  Chron.  F.  331,  fol.  136:  „I  popoli  cantavano  le  sue  imprese  con 
dolcissimi  versi,  a  tal  che  ancora  era  solito  che  ogni  otto  giorni  le  fanciulle  della 
cittä  si  radunavano  insieme  et  in  mezzo  le  strade  cantavano  le  lodi  del  morto 
principe." 

4)  Über  die  damaligen  Stämme  der  Albanier  siehe  den  1455  geschlossenen 
Vertrag  zwischen  Venedig  und  Stephan  Tschernojewitsch.  „Commemoriali"  V, 
S.   125—126,  Nr.   18.     Auch  S.   132,  Nr.  38. 

5)  Hopf  U,  S.   157. 

6)  Ljubic  X,  S.  404,  440;  vgl.  auch  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  41  bis 
42,  84. 


148  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

die  Brüder  Dukaschin  sich  untereinander  befehdeten  und  Alexius 
Dukaschin  die  Türken  hineingebracht  hatte  ^). 

Währenddessen  waren  einmal  durch  den  Vize-Bailo  Antonio 
Michele,  dann  durch  Spano,  durch  einen  Juden  und  den  zu  diesem 
besonderen  Zwecke  an  die  Pforte  abgesandten  Leonard  Boldü  die 
Verhandlungen  mit  dem  Sultan  fortgesetzt  worden.  Doch  bHeben 
sie  ergebnislos  ^).  Seinerseits  hatte  der  mit  den  böhmischen  An- 
gelegenheiten beschäftigte  König  von  Ungarn  den  gleichen 
Wunsch:  Ende  1467  glaubte  man,  dafs  der  Waffenstillstand  mit 
dem  osmanischen  Reiche  schon  abgeschlossen  sei;  und  auch  1468 
stellte  sich  ein  türkischer  Gesandter  in  Grofswardein  ein  ^).  Übri- 
gens scheute  sich  Matthias  nicht,  das  ihm  gehörige  Bosnien  auch 
auf  Kosten  seiner  christlichen  Alliierten  zu  erweitern ;  er  besetzte 
Klissa  und  entrifs  dem  hinfälligen  Stipan  einige  Burgen,  behielt  die 
Erbschaft  des  jungen  Wlatko  für  sich  und  liefs  in  Narenta  die 
Fahnen  San-Marcos  niederholen  *).  Auch  mit  den  Frangepani 
von  Segna  und  besonders  mit  dem  Grafen  Stephan,  der  mit  den 
Brüdern  in  Fehde  lag,  stiefs  er  feindlich  zusammen,  weil  er  seiner 
kroatischen  Herrschaft  günstigere  Grenzen  zu  schaffen  trachtete  ■^). 
An  ein  tatkräftiges  Zusammenwirken  mit  Venedig  war  nicht  mehr 
zu  denken. 

Auch  die  Kreuzzugsprojekte  des  neuen  Papstes  Paul,  eines 
Venezianers  von  Geburt,  erwiesen  sich  als  eitel,  obgleich  deut- 
sche Reichstage,  italienische  Friedensverhandlungen,  Rüstungen 
für  die  ., welsche"  Flotte  und  das  deutsche  Landheer,  und  eine 
Verständigung  mit  Ungarn  an  der  Tagesordnung  blieben.  Zwar  liefs 
König  Matthias  im  Herbste  1466  in  der  Tat  in  Regensburg  eine 
Flottille  von  24  Schiffen  erbauen,  aber  die  Türken  bekamen  sie 
niemals    zu    Gesicht ').     Im   November    1466   wurde    ein  Tag   in 


1)  Cliron.  F.   33  von  Dresden,   fol.    125. 

2)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   14,   15;  Ljubic  X,  S.  379,  402 — 403. 

3)  Siehe    auch   Ljubic    X,    S.    376 — 377,    402 — 403,    406;    „Mon.    Hung. 
Hist."  V,   S.   9,   77,   79—80,  95. 

4)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  47. 

5)  Ebenda ;  s.  weiter  unten. 

6)  Matyäs  Kiraly  Levelei  I,  S.   152  ff. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.      Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      143 

Nürnberg"  abg"ehalten ,  auf  dem  sich  der  neue  Hauptmann  der 
zur  Rettung  Ung-arns  vor  angeblich  drohender  Gefahr  in  Aus- 
sicht g-enommenen  christhchen  Heerscharen  ,  der  schon  im  JuU 
vom  Kaiser  ernannte  Ulrich  von  Grafeneck,  einer  der  Gefährten 
des  alten  Himyady  zur  Zeit  der  Belag-erung-  Belg-rads,  vorstellte, 
und  man  beschlofs,  im  Reiche,  das  sich  eines  fünfjährigen  Friedens 
erfreuen  sollte,  jeden  hundertsten  Mann  auf  drei  Jahre  zum  Kreuz- 
zug"  auszuheben ;  die  Gesandten  des  König-s  Matthias  erklärten 
dessen  Bereitwilligkeit,  5000  Krieger  zu  stellen,  eine  Gold-  und 
Silbermünze  des  heiligen  Krieges  anzuerkennen ,  für  die  Dauer 
desselben  dem  Generalhauptmann  die  Schlösser  Belgrad,  Salan- 
kemen  („  Sallkeyina"),  Severin,  Orsova  („  Urszasan  ")  und  andere 
anzuvertrauen  ^)  und  auch  sein  eigenes  Kontingent  dem  gemein- 
samen Oberberbefehlshaber  den  Eid  der  Treue  leisten  zu  lassen. 
Nachdem  in  jeder  Kirche  dreimal  wöchentlich  Gebete  für  das  Ge- 
lingen des  Unternehmens  abgehalten  sein  würden,  sollten  die  P'eind- 
seligkeiten  im  Frühling  1468  beginnen,  ohne  sich  auf  gewagte 
Kämpfe  umfassenderer  Art  im  Stile  Johann  Hunyadys  einzulassen  : 
„  das  er  auch  kleinen  Storm,  Strit,  noch  grosse  Slahen  mit  auff- 
geworffen  Bauern  gein  den  Türken  wolt  furnemen".  Die  Ein- 
künfte der  Maut  im  Reich  wurden  zur  Deckung  der  Kosten 
vorgesehen.  Vor  den  versammelten  deutschen  Fürsten,  Albrecht 
und  Friedrich  von  Brandenburg,  Otto  von  Bayern,  Eberhard  von 
Württemberg,  rühmte  sich  der  Papst  durch  seinen  Vertreter,  den 
Erzbischof  von  Kreta,  Fantino  della  Valle,  dafs  er  Ungarn  bereits 
140000  Dukaten  geschickt  habe  „und  sunst  etlichen  Stetten 
yenhalb  Mers  an  die  Turcken  stossen,  de  Kornn  und  ander 
notdürftige  Ding  auch  zugesandt  habe".  Zwei  von  jenen,  Otto 
und  Eberhard ,  erboten  sich,  persönlich  gegen  die  Türken  zu 
ziehen.  Auch  König  Georg  Podiebrad  von  Böhmen,  obschon 
ein   hussitischer  Ketzer,    war    doch    als  frommer  Christ  und  An- 


l)  Siehe  auch  den  Brief  des  Kaisers  an  Albert  von  Sachsen;  Dresdener 
Archiv  9321  :  ,,Iamque  regem  prefatum  dispositum  dicto  capitaneo  nonnulla  castra 
et  loca  regni  sui  munitissima  concedere  velle,  per  que  tute  et  absque  ulla  offensa 
exercitum  ducere  per  Ungariam  nutu  suo  libere  possit."  Ulrich  geriet  bald  mit 
dem  Legaten ,  dem  Patriarchen  von  Aquileja ,  in  Streit ;  siehe  seine  Protestation 
im  cod.  germ.  monacensis   1586,  fol.  44. 


144  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

hänger  der  von  seinem  „  welschen  "  Günstling-e  Antonio  Marini  von 
Grenoble  gehegten  und  ausgearbeiteten  Kreuzzugspläne,  die  er 
König  Matthias  mitgeteilt  hatte,  einer  solchen  Unternehmung  sehr 
zugetan '). 

Der  zweite,  auf  den  St.  Veitstag  1467  berufene  Reichstag 
beriet  über  die  Höhe  der  Kontingente,  die  die  einzelnen  Mächte 
stellen  sollten.  Der  Papst  liefs  wissen,  dafs  Venedig  44  Galee- 
ren, 6  Galeassen  und  6  Transportschiffe  für  die  nächste  Kam- 
pagne rüste,  König  Alfons  „treffenliche  Hilff"  verspreche  und 
der  Herzog  von  Mailand  für  den  Frieden  gewonnen  sei.  Man 
sprach  von  dem  aus  „  einer  zimlichen  Zal  Herren ,  Rittern  und 
Knecht  und  sust  andern "  zu  bestehenden  deutschen  Friedens- 
tribunal, und  beschlofs,  dafs  die  verschiedenen  Truppen  sich  im 
Frühling  am  St.  Georgstage  vor  Prefsburg  oder  Korneuburg 
einfinden  sollten.  Matthias  und  der  „Obris-Haubtman  des  Zugs 
wider  die  Türken",  der  im  April  Venedig  besucht  hatte  ^),  waren 
eng  befreundet;  im  Mai  befanden  sich  beide  bei  dem  von  den 
„Prüder",  den  Hussiten,  belagerten  Gofsdelan  2).  Endlich,  am 
20.  Juli,  befahl  der  machtlose  Kaiser  die  Einstellung  aller  Privat- 
fehden und  schrieb  einen  dritten  Reichstag  nach  Regensburg 
aus.  In  Italien  wurde  am  25.  April  1468  wirklich  der  Friede 
ausgerufen  *),  und  nach  der  mifsglückten  Reichsversammlung  von 
Nürnberg  (Frühling  1468)  sprach  man  von  einem  neuen,  am 
I.   Oktober   1469  abzuhaltenden  Reichstage^). 

Wieder  verlor  man  nur  Zeit,  und  die  ungarischen  Gesandten, 
Bischof  Balthasar  von  Syrmium  und  Siegmund  von  Pösing,  trafen 
den  Kern  der  Sache,  wenn  sie  sagten,    dafs  „  ein  Reichstag  nur 


i)  Siehe  meinen  Aufsatz:  „Un  auteur  de  projets  de  croisades,  Antoine 
Marini"  in  den  „Melanges  Monod". 

2)  „Mon.  Hung.  Hist.''  V,  S.  53. 

3)  Von  hier  aus  schrieb  Ulrich:  „Nachdem  ich  zu  Nuremberg  am  nechsten 
abgeschiden  bin,  haben  die  Türken  ob  XL'"  Cristenmenschen  auss  Sibenbiirgen 
und  etlichen  Gegenden  daran  gelegen  in  die  Turckej  getriben  und  andern  vil 
mercklichen  Schaden  und  Verderben  getan."  Verräter  spielten  dem  Könige  doch 
die  Feste  Schabatz  in  die  Hände;  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  67. 

4)  Lj  ubic  X,  S.  407. 

5)  Ebenda  S.  429.     Vgl.  auch  Katona  XV,  S.   i  flF. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzagsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      145 

immer  einen  anderen  bereitet "  ').  Zug-leich  erklärten  sie  im 
Namen  des  König-s,  dafs  Ungarn  nicht  willens  sei,  sich  zuerst 
der  Vernichtung-  durch  die  Türken  auszusetzen  ^).  Auch  die 
Prophezeiung,  dafs  die  Deutschen  in  kurzem  den  Feind  im  eigenen 
Lande  sehen  würden  ^),  sollte  sich  schnell  bewahrheiten.  Noch 
im  Laufe  des  Jahres  1468  erschienen,  als  der  Kaiser  in  Rom 
weilte  und  vom  Papste  das  heilige  Schwert  empfing,  die  Asapen 
Isabegs  von  Bosnien  vor  Skardona,  Zara  und  Spalato ,  wo  sie 
auf  venezianischem  Gebiete  viele  dalmatinische  Sklaven  er- 
beuteten, dann,  gegen  den  Dezember  hin,  vor  Sebenico.  In 
den  Grafschaften  von  Segna  und  Modrufs  wurde  geplündert. 
Auch  die  Fiumaner  sahen  die  grausamen  Gäste,  und  man  fürch- 
tete für  die  Sicherheit  Istriens  und  der  venezianischen  Provinz 
Friaul  *).  Das  nächste  Jahr  führte  diese  kühnsten  Beutemacher 
der  Welt  —  sie  schienen  ,, durch  die  Luft  geflogen  zu  sein"  — 
bis  zum  Schlosse  Lubiana,  das  dem  Kaiser  gehörte;  sie  über- 
schritten die  Grenze  Kroatiens  und  machten  den  Untertanen  der 
Grafen  von  Segna  und  Korbau  einen  neuen  Besuch  °).  König 
Matthias  suchte  durch  Besetzung  Segnas  und  Ernennung  des 
rohen ,  aber  tüchtigen  Blasius  Magyar  zum  Ban  von  Bosnien, 
Slawonien  und  Kroatien,  diese  seine  südliche  Grenze  zu  sichern  ^). 
Der  Kaiser  begnügte  sich  dagegen  mit  einer  Reise  ins  verheerte 
Kroatien  (1470)  ^). 

1)  „Semper  dieta  dietam  parat." 

2)  „Si  pereundum  sit,  saltem  Sua  Maiestas  prima  non  fiat";  s.  Nürnberger 
Archiv  S.  i,  L.  79,  Bd.  5,  Nr.  4;  cod.  lat.  monac.  26604,  fol-  loff. ;  cod.  germ. 
monac.   1348,  fol.  9  ff.,   15  voff. 

3)  ,,A  suis  subditis  Alamanie  principes  maledictiones  audient  et  clamores 
contra  eos  ad  celum  ascendentes."  Zur  Geschichte  dieser  Projekte  und  Reichs- 
lage s.  Nürnberger  Archiv  S.  101/103,  S.  i,  R.  79,  Nr.  26a;  S.  i,  L.  209;  S.  i, 
L.  79,  Bd.  5,  Nr.  4,  23;  Innsbrucker  Landarchiv  K.  Archiv  6  A.,  Urk.  II,  363; 
Dresdener  Archiv  9321  ;  cod.  lat.  monac.  16225;  Münchener  Reichsarchiv,  „Türken- 
Jiilff"  de  a.    1416  ad   1518,  Nr.   12. 

4)  Ljubic  X,  S.  413 — 414,  419 — 420,  422ff.,  427ff.,  429,  432;  „Mon. 
Hung.  Hist."  V,  S.  77,  87,  90,  looff.,  117,  ii9ff.,  122  — 123,  131  — 133, 
135,   148. 

5)  Ebenda  S.  447 — 448,  453 ff.,  459,  461,  466;  vgl.  Katona  XV,  S.  405  ff". 

6)  Vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.    163  ff.,   174  ff. 

7)  Ebenda  S.   171. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanlschen  Reiches.    II.  10 


146  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

Schon  1468  hatten  die  türkischen  Seeräuber  Andros  ange- 
grififen  und  den  Herrn  der  Insel,  Giovanni  Sommaripa,  getötet  *). 
Ende  des  Jahres  wurden  wiederum  4000  türkische  Reiter  nachMorea 
geschickt^),  doch  Hefs  sich  keine  Partei  auf  bedeutendere  Unter- 
nehmungen ein.  Auf  dem  Meere  dagegen  konnten  die  Venezi- 
aner, unter  Niccolö  de  Canale ,  im  August  1469,  Anos  mit  26 
Galeeren  überfallen  und  es  nach  einer  Belagerung  von  sieben 
Tagen  einnehmen.  Die  Seeleute  der  Republik  hausten  in  der 
blühenden  Stadt  fünf  Stunden  hindurch  viel  ärger  als  die  Türken ; 
ihre  Beute  wurde  auf  ungefähr  200000  Dukaten  geschätzt,  und  sie 
schleppten  2000  Gefangene  fort,  die  sie  zum  Austausch  gegen 
türkische  Gefangene  verwenden  konnten.  Nicht  einmal  die  von  den 
Türken  verehrten  Nonnen  verschonten  die  rohen  Matrosen  ^). 
Auch  das  reiche  Foglie  Nuove  (Neu-Phokäa)  erlitt  das  gleiche 
Schicksal ,  dagegen  wurde  das  Alte  Phokäa  vergeblich  an- 
gegriffen. Aus  Freude  über  den  unverhofften  Sieg  läutete  man 
während  dreier  Tage  in  Venedig  und  im  ganzen  Gebiete  der 
Signoria  die  Glocken  und  zündete  auf  der  Spitze  der  Türme  und 
auf  den  Plätzen  Feuer  an.  Die  grofse  Stadt  jubelte,  den  ge- 
fürchteten Türken  einmal  empfindlichen  Schaden  zugefügt  zu 
haben  ^).  Der  Prälat  Rodrigo  von  Calahorra  benutzte  freilich 
die  Gelegenheit,  um  von  der  Idee  eines  allgemeinen  Konzils,  das 
den  Kreuzzug  gegen  die  Türken  ins  Werk  setzen  wollte,  abzu- 
raten und  diese  Mission  dem  Papste  allein,  als  ,,dem  alleinigen 
Haupt  und  Monarchen  der  christlichen  Republik",  vorzubehalten^). 

Seit  1466 — ^"j  wütete  die  Pest  auf  der  ganzen  Balkanhalb- 
insel ^\.     Der  Sultan    hatte    sich    nach   dem    zweiten    albanischen 


i)   Ljubic  X,   S.  413;  vgl.   Hopf,  Andros,   das  betreffende  Kapitel. 

2)  „Moii.  Hung.  Hist."  V,  S.  87. 

3)  Siehe  Chron.  F.  33  in  Dresden:  ,, Molti  hanno  creduto  che  per  (}uesto 
mancamento  fossero  puniti  nella  presa  di  Negroponte." 

4)  ,,Cron.  Zena. "  Dasselbe  Datum  in  Phrantzes  S.  447.  Vgl.  „Mon. 
Hung.  Hist."  V,  S.  228.  Über  beiderseitige  Angriffe  auf  die  Inseln  s.  die  Notizen 
in  Sanudo  und  Sabellico  bei  Zinkeisen  II,  S.   315  ff. 

5)  „Ut  unicum  caput  et  monarcham  Reipublice  Christiane";  Bibl.  Marciana, 
lat.  Jan.  (.^)  90.  Daselbst  werden  auch  ,,plurimc  nobiles  mulieres",  die  in  Änos 
gefangen  worden  seien,  erwähnt. 

6)  Vgl.  auch  Phrantzes  S.  429. 


WiederbeJebung  der  Kreuzzugsidee.      Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     147 

Zuge  an  die  Ufer  der  walachischen  Donau,  nach  Vidin  und  Niko- 
polis  und  später  in  die  Dobrudscha  begeben  müssen,  um  der  furcht- 
baren Krankheit  zu  entgehen  ').  Dann  (1468)  brach  er  nach  Kara- 
manien  auf,  um  den  dort  ausgebrochenen  Aufstand  zu  dämpfen 
und  den  ehemahgen  Staat  der  Karamanen  in  ein  Sandschakat 
zu  verwandeln.  Die  Venezianer  frohlockten,  als  sie  hörten,  dafs 
ihr  Feind  sich  ,, sechs  Monate  Weges"  von  ihnen  entfernt  habe  ^). 
Nach  einem  Jahre,  im  Herbste  1469  aber,  fafste  er  den  Ent- 
schliifs,  einen  grofsen  Schlag  gegen  die  Venezianer  zu  führen, 
zu  dem  Zwecke,  ihnen  Negroponte  zu  entreifsen. 

Die  Konzentration  der  türkischen  Schiffe  kam  den  Venezianern 
rechtzeitig  zur  Kenntnis,  und  sie  verfügten  im  Februar  1470 
den  Bau  von  14  Galeeren  in  Venedig  selbst  und  weiteren  14  in 
den  Kolonien ;  400  Büchsenschützen  wurden  nach  Negroponte 
beordert.  Erst  am  2.  Juni  fuhren  die  iio  Galeeren  und  3  Gale- 
assen  nebst  gegen  200  anderen  Fahrzeugen  des  Sultans  aus  den 
Meerengen  aus,  während  das  Heer  sich  auf  dem  Landwege  nach 
Westen  wandte.  Die  türkische  Flotte  nahm  Imbros  (am  8.  Juni) 
und  Lemnos,  mit  Ausnahme  des  starken  Palaiokastron,  das  fünf 
Tage  hindurch  vergebens  belagert  wurde  ^).  Am  15.  des  Monats 
plünderte  man  auf  der  Insel  Skyros ,  konnte  aber  das  Schlofs 
nicht  einnehmen^).  Endlich  am  25.  hielten  die  Schiffe  am  Ein- 
gang des  Eurippus  °). 

Der  Sultan  selbst  und  einer  seiner  Söhne,  wahrscheinlich 
Dschem,  waren  mit  einem  Teile  der  Flotte  angekommen  ^).  Es 
dauerte  einige  Wochen,  bis  alle  osmanischen  Kräfte  unter  Negro- 
ponte vereinigt  waren.  Die  Janitscharen  gingen  über  die  von 
den  Türken  in  Boötien  gebaute  Brücke ,  die  die  Insel  mit  der 
„Starea"    bei    der    S.   Marcokirche    verband.     Das    karmesinrote 


i)  Kritobulos;  vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  93. 

2)  Vgl.  „Mon.  Hung.   Hist."  V,  S.  84. 

3)  Phrantzes   S.   447;   Nanni  de  Itro ;   s.  unten. 

4)  Nanni  de  Itro. 

5)  „Ad  columpnas  super  portam  S.  Marci  Nigroponti  insule";  ebenda. 

6)  „Imperator  ...  in  mari  accessit  cum  trecentis  milibus  hominum,  non  ex- 
pectando  exercitum  qui  supra  portam  S.  Marci  fuit,  quorum  Im.  sexaginta  milia"; 
ebenda. 

10* 


148  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

Zelt  des  Herrschers  wurde  bei  der  Kirche  S.  Chiara  aufgeschlagen, 
und  eine  Bombarde  begann  von  hier  aus  die  Pforte  „Christi"  zu 
beschiefsen ,  während  eine  andere  am  „Galgen"  aufgestellt 
wurde;  bei  der  Kirche  S.  Francescos  stand  der  Wesir.  Die 
Pforte  „Tempil"  wurde  von  zwei  an  den  Fornaci  stehenden 
Bombarden  beschossen.  Auch  an  der  Giudeccapforte  waren 
türkische  Kanonen  zu  sehen  *). 

Der  venezianische  Generalkapitän  Niccolö  de'  Canale ,  der 
nach  dem  Abzüge  der  Türken  bei  Lemnos  und  Imbros ,  dann 
bei  Palaiokastron  und  Skyros  weilte  ^)  und  sich  am  2.  Juni  in 
den  Gewässern  von  Tenedos  befand ,  wäre  gewifs  imstande  ge- 
wesen, das  Unternehmen  Mohammeds  zu  vereiteln.  Statt  sich 
aber  vor  der  Hauptstadt  der  Insel  zu  decken,  ging  er  mit 
34  Schiffen  zunächst  nach  Kreta  und  schickte  den  Golflcapitän 
nach  Modon,  damit  er  sich  dort  mit  anderen  Fahrzeugen  der 
verschiedenen  Kolonien  vereinige.  Erst  am  29.  Mai  brach 
Canale  nach  dem  nun  schon  längst  belagerten  Negroponte  auf, 
und  am  8.  Juni  waren  endlich  die  45  Galeeren  und  10  andere 
Fahrzeuge  ^)  beisammen. 

Der  Sultan  bediente  sich  derselben  Taktik  wie  1453  vor 
Konstantinopel.  Eine  Brücke  verband,  wie  gesagt,  die  Insel  mit 
dem  festen  Lande,  wo  es  von  Türken  wimmelte.  Durch  die  ver- 
einten Kräfte  von  Menschen  und  Tieren  wurden  30  grofse  Schiffe 
in  die  euböische  Meerenge  geschleppt  und  sofort  die  Belage- 
rung in  Angriff  genommen;  ohne  grofse  Opfer  bemächtigte  man 
sich  der  Vorstädte.  Doch  verweigerte  die  Besatzung  des  Schlos- 
ses auf  mehrfache  Aufforderung  die  Übergabe.  Noch  mehrere 
Wochen  vergingen  bis  zur  Übergabe ,  denn  den  Belager- 
ten standen  reiche  Mengen  Proviant  zur  Verfügung.  Ein 
Komplott  des  dalmatischen  Condottiere  Thomas  und  seines 
Freundes   Luca    di  Cortulia   zu   verräterischer    Übergabe    Negro- 


i)  Vgl.  auch  Chron.  F.  33  von  Dresden,  fol.   127  — 128. 

2)  Siehe  die  Äufserung  der  Einwohner  über  ihre  Anzahl:  „Quelli,  non  sa- 
pendo  in  latino  dire  il  numero  delle  galee,  toccandosi  i  capelli,  mostravano  che 
il  numero  era  grande";   Chron.  F.  33  von  Dresden,  fol.   125  ff. 

3)  Vgl.  die  Angabe  N  a  n  n  i  s :  „44  galeis  et  XVj  navibus  et  cum  4  galeis  de 
Cipro  et  Rhodo  et  una  Genuensium." 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee,      Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.      149 

pontes  wurde  entdeckt;  es  gelang,  die  Urheber  zu  verhaften,  und 
sie  starben  am  Galgen.  Der  Nachfolger  des  Thomas,  ein 
Florentiner,  flüchtete  zu  den  Türken.  Am  7.  und  8.  Juli  wurden 
zwei  Stürme  zurückgeschlagen,  am  10.  ein  dritter.  Doch  hatten 
die  Türken  durch  die  Verräter  erfahren,  dafs  die  Mauern  auf  der 
Landseite  an  der  Burchiopforte  schwächer  seien ,  und  setzten 
die  Beschiefsung  derselben  hartnäckig  fort.  Da  erschien  die 
venezianische  Flotte,  die  den  Osmanen  durch  die  Anzahl  und  die 
Pracht  der  Schiffe  imponieren  mufste.  Es  galt  zwischen  einem 
heroischen  Sturme  und  dem  Rückzuge  zu  wählen. 

Die  Feigheit  Canales,  der  bei  S.  Chiara,  eine  Meile  von  der 
Brücke  entfernt,  den  ruhigen  Zuschauer  spielte,  gab  den  Ausschlag : 
das  einzige  Schifif  eines  gewissen  Ottobono  erzwang  sich  den  Weg 
bis  vor  die  Mauern.  Canale  folgte  auch  dem  Rate,  die  Brücke  zer- 
stören zu  lassen,  nicht.  So  flüchteten  denn  die  Griechen  bald  von 
den  bedrohten  Zinnen.  Dadurch  ermutigt,  drangen  in  der  ersten 
Stunde  des  Tages  die  Janitscharen  durch  die  Porta  Giudecca  und 
die  schon  genannte  Porta  Burchiana  in  die  Stadt ,  wo  die  Ver- 
teidigung sich  noch  lange  hinzog.  Die  eroberte  Hauptstadt  Euböas 
erlitt  das  Schicksal  Konstantinopels  (12.  Juli)  ^).  Der  heldenmütige 
Verteidiger  Polo  Erizzo  wurde  durch  die  Mitte  geschnitten  ^). 
Die  anderen  Rettori,  Calbo,  Badoer  und  Bondimero,  waren  schon 
während  des  Kampfes  gefallen.  Canale  folgte  den  türkischen 
Schiffen  bis  Chios,  ohne  eine  Seeschlacht  zu  versuchen. 

Zugleich  mit  Negroponte  wurden  auch  die  Inseln  Skiathos, 
Skopelos,  wie  Fitileo  und  das  ganze  Gebiet  von  Euböa  ^),  in  Be- 
sitz genommen.  Ein  Versuch  der  Wiedereroberung,  den  Canale, 
der  gleich  darauf  nach  Friaul  verbannt  und  durch  Pier  Mocenigo 
ersetzt  wurde,  doch  noch  wagte,  mifslang  (24.  September).  Die 
Venezianer   hatten   dabei  den  Verlust  zweier  Schiffskapitäne  und 


i)  Nanni  erwähnt  der  entsetzlichen  Bluttat  Mohammeds,  der  „omnes  supra 
XVj  annos  occidit",  und  sagt:  „Maior  crudelitas  nunquam  visa  est." 

2)  „Lo    fece   sigare,    dicendogli    che    gli    haveva    promesso  di  perdonar  alla 
testa  et  non  a  i  fianchi";  Chron.  F.   33  von  Dresden,  fol.    129 — 130. 

3)  Nanni  a.  a.  O. ;  s.  den  Brief   des  Sekretärs  Malatestas  in  Sansovino, 
fol.   248  v-off. 


150  Erstes  Bucl).      Siebentes  Kapitel. 

dreier  Galeeren  zu  beklagen ;  auch  Giovanni  Tron,    der  Sohn  des 
künftigen  Dogen,  fiel  '). 

Unverzüglich  ging  nun  der  neue  Wesir  nach  Morea  weiter. 
Er  fand  die  meisten  Städte,  so  die  1469  eingenommenen  und 
befestigten  ^)  Vostitza  und  Kalamata,  von  ihren  Einwohnern  ver- 
lassen oder  niedergebrannt.  Die  Venezianer  hielten  sich  in 
Kataphygi,  Koron  und  Modon  versteckt.  Ihre  Schiffe  hatten  nicht 
den  Mut,  die  Fahrzeuge  der  Türken  anzugreifen.  Als  der  neue 
Seeadmiral  von  Lemnos,  wo  er  12  Galeeren  zurückliefs ,  nach 
Modon  zurückkehrte,  drohten  die  Matrosen,  denen  man  den  Sold 
schuldig  war,   mit  Übertritt  zu  den  Türken  ^). 

Laut  ertönte  in  Venedig,  aber  auch  fast  nur  in  Venedig, 
die  Klage  über  die  Katastrophe   von  Negroponte.     Wieder  ver- 

i)  Siehe   auch  Chron.  F.  33  von  Dresden,  fol.    130 — 131. 

2)  Phrantzes  S.  447. 

3)  „Desmontorno  in  terra  tutte  le  zvirme  fori  de  Modon  con  una  bandiera 
biancha,  menazando  de  voler  andar  in  Turchia";  „Cron.  Zena".  Über  die  Ein- 
nahme Negropontes  s.  auch  „Georgii  Flisci  Gennensis  ad  Ferdinandum  Sicilie 
regem  Eubois";  cod.  monac.  lat.  526,  fol.  112  ff.;  „Epistola  lugubris  et  mesta, 
simul  et  consolatoria  de  infelice  expugnacione  ac  misera  irrupcione  et  invasione 
insule  Euboye ,  dicte  Nigropontis ,  a  perfido  crucis  Christi  hoste ,  Turchorum  im- 
piisimo  principe,  etc.,  ad  reverendum  patrem  .  . .  dd.  Bessarionem  .  . .  a  Roderico 
Sancii,  episcopo  Palentino,  Hyspano,  pro  Sanctitate  domini  nostri  Pauli  secundi, 
Pontificis  Maxim i ,  in  castro  suo  S.  Angeli  de  Urbe  castellano";  cod.  lat.  monac. 
18770,  fol.  97.  Eine  dritte  ungedruckte  Quelle  ist  die  „Epistula  Henrici  Dalmeni, 
cubicularii  Pape ,  et  Henrici  Steynwyc,  decretorum  doctoris,  ad  nescio  quem 
principera  vel  prelatum  harum  parcium";  Bibl.  Ambros.  A  E  XII,  40  (n'  12). 
Eine  vierte  der  „Processus  atque  transitus ,  scilicet  expugnacio  Euboe  et  Nigro- 
pontj ,  missa  a  d.  Nanne  de  Itro  ad  nobilem  atque  fidissimum  virum  capita- 
neum  Dyrachii,  qui  hoc  exordire  vidit  et  ad  regem  Ferdinandum  misit  vel  scripsit, 
rex  Pape  et  duci  Mediolani  misit,  etc."  (cod.  lat.  monac.  21640).  Vgl.  Münchener 
Reichsarchiv,  „Türkenhilff",  Nr.  13.  Die  beste  Quelle  ist  der  Brief  der  ve- 
nezianischen Signoria  an  ihre  Gesandten  in  Rom,  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  184 
bis  185.  Ein  angeblicher  Brief  des  Sultans  an  den  neapolitanischen  König  Fer- 
dinand, datiert  ,,Nigroponti ,  XX  lune  Marthatin,  anno  Domini  CCCCLIIV  (sie)" 
und  die  ebenso  erdichtete  Antwort  des  Königs  im  cod.  lat.  monac.  21640, 
fol.  334 fif.;  Castelnuovo,  4.  September  1475.  Ferdinand  weist  darin  die  ihm  von 
Mohammed  durch  seinen  Gesandten  Khaireddin  angetragene  Freundschaft  zurück.  Doch 
beschliefst  Nanni  seine  Erzählung  mit    der  Angabe,    dafs  wirklich    eine  Gesandt- 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     151 

fafsten  Humanisten  die  üblichen  Verwünschungen  gegen  den 
blutgierigen  Sultan  und  Ermahnungen  zu  einem  allgemeinen 
christlichen  Kriege ,  der  wenigstens  das  bedrohte  Ungarn ,  das 
ebenfalls  gefährdete  Reich  und  das  vor  jedem  anderen  Preise 
Mohammed  verführerisch  lockende  Italien  mit  Rom  und  seinen 
Priestern,  die  der  heidnische  Gegner  schon  dem  Tode  geweiht 
habe,  retten  möge. 

Aber  trotz  seines  grofsen  Schmerzes  scheute  sich  Venedig  doch, 
die  Hilfe  der  christlichen  Mächte  allzu  stark  bittend  in  Anspruch  zu 
nehmen,  wie  auch  Mafsregeln  für  die  Rächung  der  euböischen  Un- 
taten zu  treffen.  Papst  Paul,  wie  (seit  147 1)  sein  Nachfolger  Sixtus  IV. 
der  sich  als  ein  neuer  Schwärmer  für  die  Kreuzzugsidee  erwies, 
empfingen  freilich  die  gewöhnlichen  venezianischen  Missiven 
und  Gesandten;  vor  dem  letzteren  sprach  in  schönen  lateini- 
schen Phrasen  Bernardo  Giustiniani  ^).  Am  i.  Januar  147 1  wurde 
aufserdem  ein  Bündnis  zum  Zwecke  der  Türkenbekämpfung  mit 
dem  König  von  Neapel  abgeschlossen :  die  Republik  verpflichtete 
sich,  jährlich  50  Galeeren  und  8  Schiffe  gegen  20  Galeeren  und 
4  Schiffe  des  Königs  zu  stellen;  dem  Papste  wollte  man  den 
Vorschlag  machen ,  der  Liga  beizutreten  und  das  Gewonnene 
nach  dem  Mafse  der  gebrachten  Opfer  zu  verteilen  ^).  Der 
Despot  Tocco,  der  Herzog  des  Archipelagus,  dann  Ragusa  und  An- 
kona,  und  weiter  Wlatko,  der  von  den  Türken  seiner  Herrschaft  be- 
raubte ,,Cherzech",  Goiko  und  Iwan  Balschitsch  werden  als  weitere 
Mitglieder  des  christlichen  Bundes  genannt  ^).  Noch  im  April  ver- 
sprach der  Grofsmeister  von  Rhodos,  zwei  bis  vier  Schiffe  zu 
den  anderen  stofsen  zu  lassen  ■*).    Auch  Herzog  Karl  der  Kühne 


Schaft  an  Ferdinand  abgegangen  sei:  „respondit  rex  ut  ex  copiis  que  d.  lo.  Eheycher 
ostendet".  Siehe  auch  eine  „Lamentatio  Nigropontis"  in  der  Handschrift  3471 
der  Hofbibliothek  zu  Wien,  fol.  98  vo.  Die  übrige  Bibliographie  bei  Hopf  II, 
S.  158.  Die  Erzählung  Rizzardos,  von  Cicogna  veröffentlicht  (Venedig  1844),  ist 
mir  nicht  zugänglich  gewesen. 

i)  Cod.  lat.  monac.  461,  fol.  51 — 60  (vgl.  auch  Rinaldi  und  Sanudo). 
In  derselben  Handschrift  auch  der  vom  17.  August  1470  datierte  Brief  des  Dogen 
an  Paul. 

2)  „Commemoriali'-  V,  fol.   200 flf. 

3)  Ebenda  S.  203. 

4)  Ebenda  S.  204,  Kr.  36. 


153  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

von  Burgund  schlofs  sich  für  die  Frist  von  fünf  Jahren  den  schon 
genannten  Mächten  und  Fürsten  an  *). 

Gleichzeitig  aber  bemühte  sich  Venedig  wieder  um  den  Ab- 
schhifs  des  seit  langem  ersehnten  Friedens  mit  dem  Sultan  und 
war  froh,  in  den  serbischen  Prinzessinnen  Mara  und  Katherina,  die 
sich  in  der  Türkei  aufhielten,  Vermittlerinnen  zu  finden  ^).  Auch 
angebliche  Vorbereitungen  Mohammeds ,  der  im  Frühlinge  des 
neuen  Jahres  68  Galeeren  und  80  Fusten  nach  Lesbos  geschickt 
haben  sollte,  trugen  zur  Beschleunigung  der  Verhandlungen  bei. 
Ein  Kenner  der  Verhältnisse  durfte  äufsern ,  dafs  Venedig  den 
Eroberer  Negroponte  keinesfallss  zu  reizen  beabsichtige  und  jeder 
Venezianer  ,,den  Frieden  erhoffe  und  erwünsche"  ^).  Isabeg 
von  Bosnien  konnte  mit  Unterstützung  des  Bans  Paul  in  diesem 
selben  Jahre  147 1  straflos  die  venezianischen  Besitzungen  in 
Dalmatien  bis  vor  Spalato,  Sebenico  und  Zara  so  schonungs- 
los verheeren,  dafs  man  die  Befürchtung  aussprach,  die  Republik 
werde  im  entvölkerten  Dalmatien  keine  Matrosen  mehr  finden  ^). 
Auch  das  von  den  Venezianern  beherrschte  und  verteidigte  Al- 
banien entging  seinem  Schicksale  nicht.  Auch  hier  wurden  von 
den  eben  ernannten  zwei  Sandschaks  zahlreiche  Sklaven  und  Her- 
den erbeutet  ■'').  Sogar  einen  Angriff  auf  Spalato  oder  Skutari,  die 
Hauptstadt  des  christlichen  Albaniens ,  befürchtete  man  und 
sprach ,  wahrscheinlich ,  von  der  Erbauung  eines  neuen  Kastells 
unterhalb  Biograd  am  Meere  ^).  Auf  Kreta  traf  man  ebenfalls 
eilige  Verteidigungsmafsnahmen  ^). 

Trotz  langer  Bemühungen  liefs  der  Sultan  den  veneziani- 
schen Gesandten  nicht  vor  sich,  und  als  man  an  der  Pforte  gar 
in  Erfahrung  brachte,  dafs  er  gekommen  sei,  um  die  Rückgabe 
Negropontes  zu  verlangen,  wurde  seine  Behandlung  noch  schnöder**). 

i)  „Commemoriali"  V,  S.  208,  Nr.   51. 

2)  „Mon.  Hang.  Hist."  V,  S.  188—189,  219,  222;  vgl.  S.  264—265; 
„Cron.  Zena"  fol.   278». 

3)  „Ne  anchor  la  prefata  Signoria  se  curera  molestar  esso  Turcho  altramente, 
per  non  lo  provocar  ...  Cadauno  spera  et  brama  pace";  „Mon.  Hung.  Hist." 
V,  S.  214;    vgl.  S.   210. 

4)  Ebenda  S.  216 — 217;  „Cron.  Zena"  fol.  278. 

5)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  217.  6)  Ebenda  S.   218,   226. 
7)  Ebenda.  8)  Ebenda  S.  227  ff. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     153 

Selten  hat  ein  mächtiger  Staat  mit  rühmUcher  Vergangenheit  so 
dringend  um  Frieden  gebettelt,  selten  ist  er  ihm  so  rücksichts- 
los verweigert  worden. 

Im  F'rühling  1474  versuchte  der  neue  Beglerbeg  von  Rum, 
Soliman  der  Eunuche  (türkisch:  Hadum),  die  Einnahme  Skutaris; 
freilich  mufste  er  nach  drei  Monaten  (genau  96  Tagen)  wieder  ab- 
ziehen *).  Mocenigos  Dazwischenkunft,  die  Allianz  mit  IwanTscher- 
nojewitsch  und  die  in  den  See  Boiana  eingedrungenen  veneziani- 
schen Handelsschiffe  retteten  die  Stadt.  Dem  Könige  von 
Ungarn  hatte  die  Republik  wieder  13  000  Dukaten  geschickt,  um 
ihn  zur  Hilfeleistung  zu  veranlassen;  vergebens.  Auf  der  Rück- 
kehr brannten  dann  die  Türken  das  verlassene  Dagno  ganz  aus. 
Gegen  Ende  des  Jahres  1474  fürchtete  man  in  Venedig  ein  Er- 
scheinen der  Feinde  im  Adriatischen  Meere  selbst  ^). 

Und  doch  hatten  wenigstens  auf  dem  Meere  die  veneziani- 
schen Hauptleute,  im  Verein  mit  einigen  Galeeren  des  Königs 
von  Neapel  und  der  Inseln  Zypern  und  Rhodos,  die  asiatischen 
Verwicklungen  der  Türken  zu  benutzen  verstanden,  um  in  ,,Tur- 
chia"  zu  plündern.  Palatscha  wurde  1472  verwüstet.  Das  Kastell 
Kokkinon  auf  Lemnos,  das  durch  ein  Erdbeben  zerstört  worden 
war,  wurde  wieder  aufgebaut.  Beladen  mitStratioten,  erschienen  die 
venezianischen  Schiffe  vor  den  Küsten  Cariens,  mit  ihren  schönen 
Ruinen,  und  vor  Delos;  man  bewunderte  die  Trümmer  des  an- 
tiken Tempels  und  das  marmorne  Amphitheater,  die  Säulen  und 
den  15  Ellen  hohen  Kolofs.  Am  Kap  Malia  vereinigten  sich  dann 
die  venezianischen  Galeeren  mit  den  17  aus  Neapel  und  warteten 
auf  die  Schiffe  des  Papstes.  Die  gesamte  Flotte  wandte  sich  nun 
wieder  nach  Asien,  wo  die  Johanniter  gegenüber  der  Insel  Kos 
im  Kastell  S.  Pietro  für  die  den  Türken  entflohenen  christ- 
lichen Sklaven  einen  Zufluchtsort  geschaffen  hatten.  Obwohl  zur 
Verwendung  der  Reiterei  keine  Gelegenheit  war,  siegten  die  Ve- 
nezianer zuletzt.  Auch  einigen  kleinen  Inseln  an  der  Küste 
stattete  Mocenigo  seinen  feindlichen  Besuch  ab. 


i)  Barletius  in  Sansovino  und  „Cron.  Zena". 
2)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   263—264. 


154  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

Nachdem  man  einig-e  Zeit  in  Samos  zugebracht  hatte,  fuhren 
die  17  Galeeren  des  Königs  von  Neapel,  die  46  Venedig-s,  die 
20  päpstHchen  und  die  2  rhodischen  am  Kap  Chelidoni  ver- 
einigten Fahrzeuge  gegen  SataUeh  ab.  Hier  wurden,  obwohl  der 
Hafen  durch  eine  starke  Flotte  gesperrt  war,  die  äufseren  Türme 
und  damit  die  burgi  eingenommen^).  Auch  die  ersten  Mauern 
erstieg  man  noch,  wobei  der  Johanniterführer  fiel,  doch  erwiesen 
sich  die  inneren  Befestigungen  als  zu  stark  für  die  leichten  und 
nicht  einheitlich  ausgebildeten  Truppen,  die  über  keine  Artillerie 
verfügten.  Bei  der  Rückkehr  nach  Rhodos,  wohin  sie  die  reiche 
Beute  jeder  Art  brachten,  hörten  die  Christen  durch  einen 
,, persischen"  Gesandten,  der  nach  Italien  segelte,  von  dem  Auf- 
bruche Usuns,   der  ins  türkische  Gebiet  eingefallen  war. 

Darauf  ergingen  überSmyrna  die  Greuel  der  christlichen  Rache 
(Oktober).  Umsonst  weinten  die  mosleminischen  Frauen  in  den 
Moscheen ,  die  bald  zerstört  werden  sollten ;  die  Stadt ,  die  auf 
der  Höhe  besonders  stark  bevölkert  war,  wurde  eingenommen 
und  viele  christliche  Sklaven  befreit.  Die  Beute  bestand  vor  allem 
in  ,, goldenen  und  silbernen  Kleidern  und  kostbaren  Gefäfsen". 
Ein  Angriff  Balabans,  des  Sandschaks  von  Aidin,  wurde  zurück- 
geschlagen, und  Smyrna  ging  in  Flammen  auf.  Ebenso  wurde 
im  Spätherbste  Klazomenai  behandelt,  dessen  Einwohner  zum 
gröfsten  Teile  geflohen  waren. 

Nun  verbrachte  Mocenigo  den  Winter  als  wirklicher  Sieger 
in  Nauplion  ^).  Ihm  stand  zur  Seite  der  Kardinal  Oliverio  Ca- 
raffa,  ein  Neapolitaner,  der  während  des  ganzen  ,, heiligen 
Krieges"  als  Legat  des  Papstes  fungiert  hatte ^).  Die  Christen, 
durch  solche  Siege  ermuntert,  waren  so  keck  geworden,  dafs 
"Venedig  seine  Flotte  nach  Konstantinopel  beorderte  und  ein 
Antonello  von  Misithra  im  FrühUng    1473  den  Versuch  machte, 


i)  Vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  240—244. 

2)  Vgl.  auch  den  Brief  des  Sekretärs  Malatestas  in  Sansovino  fol.  249  vo  flf. 
Über  die  Einnahme  Smyrnas  die  Briefsammlung  Giosafatte  Barbaros  (Titel  unten), 
S.  53- 

3)  Vgl.  auch  den  schliefslichen  Bericht  Mocenigos  bei  seiner  Rückkehr  in  der 
venezianischen  Chronik  cod.  nionac.  it.   527,  fol.   531   vo. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     155 

die  türkische  Flotte  in  GalHpolis  zu  verbrennen;  das  Wagnis 
mifslang-  übrigens  und  Antonello  wurde  gepfählt  ^). 

Wenige  Wochen  später  ergaben  sich  dem  Befehlshaber  der 
venezianischen  und  neapolitanischen  Galeeren,  der  im  Einver- 
ständnisse mit  den  rebellischen  Karamanen  handelte  ,  die  zwei 
Häfen  Siki  („Sichino")  (26.  Mai)  und  das  mit  doppelten  Mauern 
umgebene  Gorigo  (7.  Juni),  dessen  Subaschi,  der  über  130  Ja- 
nitscharen  verfügte,  keinen  ernstlichen  Widerstand  leistete  ;  Se- 
lefkeh,  dessen  Mauern  alt  waren,  und  Myrrha  folgten,  so  dafs 
am  15.  Juli  1473  in  Venedig  grofses  Frohlocken  über  diese  un- 
erwarteten Siege  herrschte  ^).  Selbstverständlich  wurden  die  er- 
oberten Plätze  dem  karamanischen  Prätendenten  überlassen. 

Auch  Makri,  gegenüber  der  Insel  Rhodos,  wurde,  Mitte 
August,  eingenommen  und  zerstört^).  Es  wurde  ein  Angriff 
gegen  Candelore  geplant.  Der  Papst  war  mit  10  Schiffen  unter 
dem  Erzbischofe  von  Spalato  an  den  letzten   Erfolgen  beteiligt. 

Erst  der  Sieg  Mohammeds  gegen  Usun,  wie  auch  der  im 
Herbste  gegen  die  Königin- Witwe  Catarina  Cornaro,  die  Vene- 
zianerin und  Schützling  Venedigs  war,  eingetretene  Aufstand 
der  Griechen  auf  Zypern  zwang  den  Capitaneo  Mocenigo ,  den 
Eroberungszug  zu  unterbrechen.  Als  diese  Empörung  zugunsten 
eines  aragonischen  Bastards ,  mit  dem  die  Tochter  des  letzten 
Königs  verlobt  wurde,  ausbrach,   verlor  die  Liga  an  Halt. 

Ungarn  hatte  zu  derselben  Zeit  einen  Krieg  gegen  Polen 
um  die  böhmische  Erbschaft  Podiebrads  zu  bestehen.  So  ant- 
wortete König  Matthias    auf   das    sanfte  Drängen    des    veneziani- 


i)  Siehe  die  schon  erwähnten  venezianischen  Chroniken.  Auch  jene  Malipieros 
im  „Archivio   storico  italiano"    1843. 

2)  Ebenda,  und  die  von  Cornet  in  „Le  guerre  dei  Veneti  nell'  Asia" 
1470 — 1474,  Wien  1856;  vgl.  auch  Gios.  Barbaro,  Lettere  al  senato  veneto, 
Ausg.  Cornet,  ebenda  1856,  S.  36ff.  und  Coriolano  Cippico,  Petri  Mocenici 
imperatoris  gestorum  libri  III,  Venedig  1477.  Siehe  auch  Chron.  F.  33,  die 
bei  dieser  Gelegenheit  Cippico  als  „Coriolano  Ceppio  Traurino"  erwähnt.  Vgl. 
fol.  143.  Vgl.  Zinkeisen  II,  S.  351,  Anm.  i.  Über  die  Einnahme  des  „castello 
et  terra  di  Strovisi"  bei  Korfu  „Cron.  Zena"  fol.  279  v°.  —  Vgl.  über  die  Be- 
ziehungen mit  dem  asiatischen  Kriege  das  folgende  Kapitel. 

3)  Ebenda;   Barbaro   S.   68. 


156  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

sehen  Gesandten  Giovanni  Emo  mit  der  traditionellen  diplo- 
matischen Rhetorik;  da  er  infolgedessen  —  aufser  im  Jahre  1474  — 
keine  Subsidien  mehr  erhielt,  gab  er  sich  nicht  einmal  den  An- 
schein,  den  Türkenkrieg-  wieder  aufnehmen  zu  wollen.  Auch 
ein  1473  zwischen  beiden  Mächten  abgeschlossener  Vertrag  hatte 
keine  Bedeutung  für  eine  gemeinsame  Verteidigung  gegen  die 
Türken  ^).  Nur  als  die  Bosnier  1475  bis  Varasdin  streiften, 
schickte  der  ungarische  Herrscher  Ladislas  Vitez  an  den  Papst 
ab,  um  ihm  von  der  ,, Verblendung  der  Christen",  dem  Er- 
scheinen neuer  tatarischer  Feinde  im  Osten ,  der  Absicht  des 
Sultans,  in  Italien  einzufallen,  Kunde  zu  geben ;  pflegten  doch, 
liefs  er  sagen,  die  türkischen  Krieger  bei  jedem  Sturme  der  An- 
rufung Mohammeds  des  Propheten  den  Schrei:  ,, Roma,  Roma" 
folgen  zu  lassen  ^) ;  Vitez  betonte  auch ,  dafs  Soliman  der  Eu- 
nuche  sich  nur  darum  von  Skutari  zurückgezogen  habe,  weil  der 
König  gegen  die  Türken  aufzubrechen  bereit  gewesen  sei.  Doch 
begnügte  sich  Matthias  dann,  die  Gesandten  Usun-Hassans  durch 
seine  Agenten  nach  Italien  —  Venedig,  Rom  —  begleiten  zu 
lassen  und  bei  dieser  Gelegenheit  seine  alten  Versprechungen 
zu  erneuern,  ohne  je  ernstlich  an  ihre  Erfüllung  zu  denken. 

Selbstverständlich  verschonten  die  Akindschis  Isabegs  von 
Bosnien  auch  die  dem  Kaiser  gehörigen  Provinzen  nicht.  Dieser 
schien,  durch  seine  vor  1470  gemachten  Erfahrungen  gewitzigt,  jetzt 
doch  einiges  Interesse  für  die  Türkenfrage  zu  hegen.  Eine  neue, 
auf  den  Dreikönigstag  147 1  berufene  Reichsversammlung  tagte 
vom  16.  Juni  bis  zum  21.  August  in  Regensburg.  Neben  vielen 
Bischöfen ,  den  sächsischen  und  bayrischen  Herzögen  und  den 
Herren  von  Württemberg  waren  auch  die  Vertreter  Venedigs, 
des  ungarischen   und  des  polnischen  Königs ,   ja  sogar  des  bur- 


1)  Mailänder  Archiv,  „Ungheria"  bis   1490. 

2)  „lam  vero  in  Italiam  invadere  statuit  et  romana  dignitate  potiri  ...  Italic 
imperio  inhiat  .  .  .  Vocera  illam  sacrilegam  ,  Alala  Machmet ,  Machmet ,  Roma, 
Roma^,  non  aliud  profecto  quam,  expugnato  eo  oppido,  universa  belli  mole  Italiam 
petere.  .  .  .  O  bone  Deus ,  quantum  erat  per  Italiam  metus  cum  Scodra  obside- 
batur";  cod.  lat.  monac.  461,  fol.  51  —  60.  Auch  die  „Cron.  Zena"  spricht  von 
diesem  angeblichen  Kriegsgeschrei:   ,, Cridando:  Roma,  Roma." 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen   usw.      157 

gundischen  Herzogs  anwesend;  der  Kaiser  selbst  führte  den  Vor- 
sitz. Schon  in  den  ersten  Tagen  langten  die  aus  höchster 
Not  heraus  in  übertriebenem  Stil  und  Zahlenüberschwang  ver- 
fafsten  Briefe  der  Verteidiger  der  deutschen  Grenzen  an  und 
gaben  Kunde  von  dem  letzten  Verheerungszuge  des  bosnischen 
Sandschaks  in  das  Tal  der  Save ,  in  die  Gegend  von  Cilly  und 
in  Krain  ')  bis  in  die  Vorstädte  Laibachs  hinein;  sie  zählten  die 
verbrannten  Klöster,  Kirchen,  ,,guete  Margkt"  und  Dörfer  =')  auf; 
die  verängsteten  Schreiber  wähnten,  der  Sultan  selbst  weile  unter 
den  Mauern  Belgrads  ^). 

Der  Reichstag  aber  begnügte  sich ,  noch  einmal  feierlich 
den  Reichsfrieden  zu  dekretieren  und  Mafsnahmen  zur  Auf- 
bringung eines  Heeres,  dessen  Vortrab  allein  aus  4000  Mann 
Fufsvolk    und  zahlreicher  Reiterei  bestehen    sollte,    zu  treffen^). 

Im  folgenden  Jahre  geschah  jedoch  nichts,  dieses  Heer,  von 
dem  seit  zwanzig  Jahren  vergeblich  gesprochen  wurde ,  auf  die 
Füfse  zu  bringen,  so  sehr  dazu  Anlafs  gewesen  wäre.  Denn  die 
bosnischen  Türken  Isakbegs,  von  den  Unzufriedenen  im  Lande 
herbeigerufen,  hatten  den  Weg  nach  Lubiana  und  Krain  nicht 
vergessen.  Schon  Ende  April  1472  sprach  man  von  ihrer  be- 
vorstehenden Ankunft.  Niemand  wagte,  ihnen  den  Eintritt 
in  die  Reichsländer  zu  wehren.  In  den  ersten  Tagen  des 
Juli,  zur  Erntezeit,  gelangten  sie  nach  Kärnten  und  ver- 
wüsteten ,,den  gantzen  Poden  anhalb  der  Tra  (Drau),  zwischen 
Petau    und    Marpurk,    bis    nochent    gegen    Windischgretz";    sie 


i)  Es  werden  die  Ortschaften  „Pletriach,  Gairach,  Kloster  Sirich,  Michelstett, 
Munchendorff''  erwähnt. 

2)  5  Märkte  und  200  Dörfer  werden  gezählt. 

3)  Briefe  im  cod.  monac.  germ.  1585,  fol.  115.  Die  Nachrichten  in  den 
fol.    124,   136  v'O  scheinen  einer  späteren  Zeit  anzugehören. 

4)  Nürnberger  Archiv  L.  B.  69,  36,  S.  i,  L.  38,  Nr.  49;  S.  i,  R.  79,  Nr.  20a 
und  26  a;  Münchener  Reichsarchiv,  „Türkenhilff"  1444 — 15 18,  Nr.  14;  cod.  lat. 
monac.  26632,  fol.  499  vo  fif. ;  cod.  lat.  monac.  3507.  Vgl.  auch  „Mon.  Hung.  Hist." 
V,  S.  197,  208,  214,  216,  219:  „Se  li  Turchi  piglasero  questa  volta  de  Frioli, 
in  pochi  anni  seriano  fin  in  Lombardia";  Makuschew  I,  S.  169 — 171.  Siehe 
die  Beschlüsse,  wie  auch  die  des  Landtags  zu  Bozen  im  cod.  germ.  monac.  1586, 
fol.  169.  Zu  vergleichen  die  Briefe  des  Bischofs  Campano,  der  den  Legaten  be- 
gleitete,  in   dessen  „Epistolae". 


158  Erstes  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

nahmen  Pleyburg"  ein  und  gingen  in  der  Richtung  auf  St.  Veit 
weiter;  Lichtenberg  mufste  sie  einlassen.  Als  man  von  der  An- 
näherung „eynes  grossen  Weida"  sprach,  ergriff  die  Einwohner 
die  Verzweiflung  über  diese  unerwartete  himmlische  Plage  und 
sie  verliefsen  Häuser  und  Felder.  ,,Sy  sint",  schreibt  einer  der 
ihre  Leiden  mit  eigenen  Augen  ansah,  ,,sy  sint  verlassen; 
sy  wolden  gerne  fliehen,  sy  wissen  nicht  wohyn  erweren  mögen  '). " 

Ebenso  verging  ein  zweites  Jahr.  Im  Herbste  1473  er- 
schienen die  Türken  um  den  St.  Nikolaustag  im  Savetale  und 
gingen  wiederum  gegen  Windischgrätz  vor,  während  eine  andere 
Rotte  Pertschach  und  Feldkirch  angriff.  Die  Verheerungen 
dauerten  fünf  Tage  und  waren  schonungslosester  Art.  Die  toten 
Bauern  ,,liggen  noch  alle  nacket  upp  demme  Velde  .  .  .  wie 
Kleu",  sagt  der  gleichzeitige  Bericht  aus  Villach  vom  St.  Ko- 
lomanstag  (13.  Oktober),  und  fügt  hinzu:  ,,Und  iss  sero  grot 
Jamer,  dat  ny  keyn  kristenen  Menschen  in  dissem  Landt  er- 
denket nocher  gehört  heth^)." 

1474  traten  in  Wolfsberg,  Judenburg  und  Innsbruck  Land- 
tage zusammen ,  um  die  Verhinderung  neuer  türkischer  Einfälle 
zu  beraten.  Doch  wiederholten  sich  diese  nicht  mehr.  Der 
Papst  wandte  sich  nun  von  neuem  an  die  deutschen  Fürsten 
und  kennzeichnete  Mohammed  als  einen  ehrgeizigen  Tyrannen, 
der  allein  in  der  Welt  regieren  wolle  ^). 

Auch  tagte  während  der  Osterferien  eine  neue  Versamm- 
lung zu  Augsburg,  die  jedoch  erst  später  feierlich  eröffnet 
wurde.  Der  päpstliche  Legat,  der  Patriarch  Markus  von  Aqui- 
leja,  brachte  die  bekannten  Ideen  Pius'  II.  aufs  neue  vor;  man 
sprach  vom  Verfall  ,,der  gantzen  orientischen  Kirchen",  von  der 

i)  Nürnberger  Archiv  S.  101/103;  Leipziger  Stadtbibliothek  Rep.  II,  fol.  loa, 
fol.  277  vo.  Siehe  auch  Innsbrucker  Archiv  P.  A.  Urk.  II,  S.  364:  Brief  Sixtus'  IV. 
zugunsten  Siegmunds  von  Österreich  an  den  neuen  Herzog  von  Burgund ;  auch 
Katona  XV,  S.  622 ff. 

2)  Leipziger  Stadtbibliothek  a.  a.  O.  Vgl.  cod.  lat.  mon.  4143,  fol.  124, 
und  Nürnberger  Archiv  S.  101/103:  Brief  des  Kaisers  an  Herzog  Albrecht  wegen 
des  Ausbleibens  des  Kontingentes. 

3)  „Id  enim  studet  ut  solus  ipse  dominus  et  princeps  nominetur";  Nürnberger 
Archiv  S.  w.   165/2.  1. 


Wiederbelebung  der  Kreuzzugsidee.     Vereinter  Kampf  der  Christen  usw.     159 

grausamen  Verheerung-  Krains,  das  den  Türken  geg^en  60000  (!) 
Sklaven  g-egeben  haben  sollte.  Aber  über  die  Bekräftig-ung-  des 
Reichsfriedens  kam  auch  diese  Versammlung'  nicht  hinaus  '). 
Im  Oktober  tag-te  ein  ung-arischer  Reichstag-,  der  die  Einkünfte 
der  Salzwerke ,  einen  vor  jeder  Haustür  zu  erhebenden  Gulden 
und  die  Subsidien  der  Gespanschaften  der  Sache  des  Türken- 
krieg-s  bestimmte  ^). 

Alles  das  waren  aber  von  Mohammeds  Standpunkt  aus  nur 
Streifereien  des  Grenzbeg-s,  die  er  duldete ;  sie  bildeten  keinen 
Bestandteil  der  grofsen  Reichspolitik  des  Kaisers  selbst,  den 
seit  147 1  die  asiatischen  Verhältnisse  ganz  in  Anspruch 
nahmen. 


ij  Nürnberger  Archiv  L.  B.  69,  36;  I,  209,  S.  i ,  R.  79,  Nr.  26a;  „An- 
schläge", Innsbrucker  Archiv,  Brixener  Archiv,  Lade  50,  Nr.  12;  Graz,  Univer- 
sitätsbibliothek cod.  1088,  4°:  „Tractatus  quidam  de  Turcis":  Rettung  der  Welt 
von  den  Türken  nicht  durch  den  Kaiser ,  sondern  wahrscheinlich  durch  den  un- 
garischen König. 

2)  Cod.  lat.  monac.  13192,  fol.  150;  vgl.  Fefslerlll,  S.  105 — 106.  Über 
neue  Einfälle  im  Jahre  1475  siehe  auch  Zinkeisen  II,  S.  370.  Nach  Megisser 
undValvassor  behandelt  Hammer  I,  S.  520 — 521,  diese  „Raids"  der  Türken 
ausführlich. 


Achtes  Kapitel. 

Die  Kriege  Mohammeds  11.  in  Asien.    Seine  letzten 
europäischen  Eroberungszüge. 


Die  Verwicklungen  in  „Anadol"  wurden  durch  den  Ent- 
schlufs  Mohammeds  II.  veranlafst,  auch  hier  die  kaiserliche 
Politik  der  Landesaneig'nung'  und  Beseitigung  der  alten  Dynastien 
anzuwenden. 

Der  alte  Karamane  Ibrahim-beg  verschied  während  eines 
häuslichen  Streites  mit  seinen  ehelichen  Söhnen,  Pir-Ahmed, 
Karaman,  Kassim ,  Alaeddin,  Soliman  und  Nur-Sofi,  denen  er 
einen  sechsten  von  einer  Sklavin,  wie  der  osmanische  Moham- 
med selbst,  geborenen  Sohn  Isak  vorziehen  wollte;  er  hatte  ihm 
schon  Selefkeh  mit  seinem  Schatze  anvertraut.  Die  darüber 
aufgebrachten  anderen  Prinzen  schlössen  den  Vater  in  seiner 
Residenz  Konieh  ein,  aus  der  es  ihm  zu  entkommen  gelang; 
auf  der  Flucht  aber,  in  der  Festung  Kivala,  starb  der  Greis,  und 
sein  Tod  schürte  den  Bruderkrieg  um  so  heftiger  auf. 

Pir-Ahmed  nahm  Konieh  in  Besitz  und  entfernte  Isak,  als 
Verwalter  einer  inneren  Provinz,  aus  seiner  Stellung;  zugleich 
haderte  er  mit  den  rechtmäfsigen  ebenbürtigen  Brüdern.  Soli- 
man und  Nur-Sofi  wandten  sich  an  die  osmanische  Pforte.  Doch 
erwies  sich  Isak  allein  als  gefährlich ;  er  ging  an  den  Hof  des 
Turkmenenkaisers  Usun  und  kehrte  im  Gefolge  dieses  mächtigen 
Khans  der  Barbaren  zurück ,  der  Ersindschan  und  Siwas  be- 
setzte. Auch  in  Karamanien  hausten  die  Nomaden  als  Feinde ; 
gegen  20000  Ochsen,  behauptete  man,  seien  ihnen  zur  Beute 
gefallen.  Aber  Isak-beg,  der  Prätendent,  war  zufrieden,  auf  dem 
Herrscherstuhle  seiner  Vorfahren  zu  sitzen. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     161 

Obwohl  er  mit  Hilfe  des  geschworenen  Feindes  der  os- 
manischen  Dynastie  zur  Macht  gelangt  war,  wufste  der  neue 
Herrscher  Karamaniens  sehr  wohl,  dafs  er  ohne  die  Aner- 
kennung des  Stiltans  sich  nicht  halten  könne.  Darum  bot  er 
diesem  durch  seinen  Gesandten,  den  Sohn  eines  berühmten 
,, Doktors"  des  Islams,  die  Städte  Akschehr  und  Begschehr  unter 
der  Bedingung  an ,  dafs  seine  beiden  am  Hofe  Mohammeds 
befindlichen  Brüder  sich  ihrer  als  Leibgedinge  erfreuen  sollten. 
Die  einzige  Antwort  war  der  Befehl,  sogleich  alles  Land  bis  zum 
Flusse  Dschihar-Schenbih    an    das  osmanische  Reich   abzutreten. 

Als  er  diese  Forderimg  zurückwies,  griff  ihn  der  Beg  von 
Antiochien  mit  anderen  Grenztruppen  an,  die  Pir- Ahmed  als 
rechtmäfsiger  Erbe  Karamaniens  begleitete.  Bei  Ermenek  oder 
Beg-Basar  erlitt  der  Usurpator  eine  Niederlage  und  floh  so  eilig 
in  das  Land  seines  Gönners  zurück,  dafs  seine  Familie  schutzlos 
in  Seleflceh  blieb.  Die  Stadt  wurde  vom  Sieger  grofsmütig  dem 
kleinen  Sohne  des  Besiegten  überlassen.  Das  übrige  Land,  mit 
Ausnahme  der  beiden  von  Isak  den  Osmanen  angetragenen  Städte 
und  der  Burgen  Saichlan  und  Iglun,  überwies  er  Pir-Ahmed. 

Es  war  das  letzte  Mal,  dafs  Mohammed  in  die  Überlassung 
Karamaniens  an  einen  Spröfsling  der  alten  Dynastie  willigte. 
Als  in  Pir-Ahmed  der  karamanische  Unabhängigkeitssinn  erwachte, 
stand  des  Sultans  Entschlufs,  ihn  zu  beseitigen  und  Karamanien 
zu  einem  Sandschakat  des  türkischen  Anadols  zu  machen,  fest  ^). 

Die  Empörung  Pir-Ahmeds  war  1463,  noch  vor  dem  Aus- 
bruche des  Krieges  gegen  Venedig,  erfolgt.  Einige  Jahre  wurde 
der  aufständische  Karamane  noch  geduldet.  Die  im  April  1465 
verbreitete  Nachricht,  dafs  der  Sultan  gegen  Karamanien  rüste, 
envies  sich  als  unbegründet  ^).  Aber  im  Herbste  ging  Moham- 
med wirklich  nach  Asien  hinüber.  Pir-Ahmed  floh  vor  ihm 
nach  Larendah,  wo  er  sich  einschlofs.  Erst  nach  hartem  Kampfe 
verjagte  ihn  der  Wesir  Mahmud  aus  diesem  letzten  Zufluchts- 
orte.   Zahlreiche  Rebellen  mufsten  mit  dem  Tode  büfsen.     Auch 


i)  Nur  nach  Seadeddin  U,   S.   224  ff. 

2)  ,,Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  323 — 324.     Vgl.  auch   S.   350. 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    U.  11 


163  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

die  Leute  Durg^uds  wurden  für  ihr  Verhalten  gestraft.  Konieh 
gab  seine  besten  Kaufleute  und  Werkmeister  an  das  osmanische 
Istambul  ab.  Mohammeds  ältester  Sohn,  Mustafa,  wurde  als 
Nachfolger  der  Karamanen  in  der  verarmten  und  erniedrigten 
Stadt  zurückgelassen.  Im  Monat  November  war  der  ganze  Kriegs- 
zug beendigt.  Über  Kara-Hissar  kehrte  der  Sieger  nach  Kon- 
stantinopel zurück  *). 

1467  gewann  Usun-Hassan  einen  entscheidenden  Sieg  über 
Ebusaid,  den  grofsen  Herrscher  Transoxianiens,  der  den  Feinden 
ausgeliefert  wurde  und  von  ihrer  Hand  starb  ^).  Durch  diesen 
Erfolg  in  Geltung  und  Anmafsung  erhoben,  konnte  der  Turkmene 
die  Vertreibung  seines  Schützlings  nicht  ruhig  hinnehmen ;  Pir- 
Ahmed  kehrte  in  sein  Land  zurück,  und  im  Jahre  1470,  nach 
der  Einnahme  Negropontes ,  kämpfte  der  gewesene  Grofswesir 
Mahmud  gegen  ihn.  Da  der  ausschweifende  und  habgierige  Wesir 
auch  mit  Uweisbeg  von  Varsach  bald  in  Zwiespalt  geriet,  ver- 
mochte er  dem  Gegner  wenig  anzuhaben.  Darauf  kam  Isakbeg 
von  Bosnien  nach  Asien ;  er  verjagte  den  Karamanen  und  den 
diesmal  mit  ihm  verbündeten  Bruder  Kassum  nach  Mesopotamien. 
Akserai,  die  neue  Residenz  der  karamanischen  Fürsten,  erlitt  das 
Schicksal  Koniehs.  Zwei  andere  Söhne  des  verstorbenen  Ibrahim 
lagen  damals  bereits  in  Adrianopel  begraben.  Durch  einen  Zug 
Gedik-Ahmeds  wurde  ferner  Alaja-Candelore  dem  letzten  Emir 
Kisil-Arslan,  der  nach  Europa  übersiedeln  mufsle,  entrissen,  und 
nach  einigen  Monaten  waren  auch  Seletkeh  und  andere  Besitzungen 
der  letzten  Karamanen  eingenommen^).     Im  Mai   147 1   kam  die 

i)  Seadeddin  II,  S.  241  ff.;  vgl.  die  Notiz  in  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  374. 
Die  serbische  Chronik  bei  Bogdan  a.  a.  O.,  S.  524,  setzt  erst  in  das  Jahr  6976 
den  Feldzug  in  Karamanien  und  die  Einnahme  ,,Gavalas  und  vieler  anderer  Bur- 
gen".    Vgl.   Hammer  I,  a.  J.    1466. 

2)  Vämbery  II,  S.    17 — 18. 

3)  Seadeddin  II,  S.  248  fT.  Vgl.  aber  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  374. 
Am  3.  Juni  1468  glaubte  man  in  Italien,  dafs  der  Sultan  selbst  in  Asien  sei: 
„Abest  in  Asia,  in  regionibus  longinquis  et  distantibus  " ;  ebenda  IV,  S.  408.  Sprach 
man  doch  schon  von  seinem  verlorenen  Prestige:  „existimatio  amissa  in  partibus 
Asie  et  illius  res  nimius  prospere  geste";  ebenda  S.  450.  Doch  höhnten  die  Os- 
manen  ihrerseits  auf  Usun,    der  nur   10 — 12000  Mann  aufbringen  könne;  ebenda 

V,  s.  79. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     163 

Nachricht  nach  Venedig-,  dafs  „der  Sohn  des  Sultans",  d.  h. 
Bajesid,  den  Karamanen  g-eschlagen  habe  und  die  Osmanen 
einen  Rebellen  in  Syrien  unterstützten  '). 

Usun-Hassan  hatte  die  Wahl,  sich  mit  diesem  neuen  Zustande 
der  Dinge  zufrieden  zu  geben,  oder  seine  ,, kaiserlichen"  Ober- 
herrschaftsrechte durch  einen  Krieg  geltend  zu  machen.  Er 
entschied  sich,  durch  Venedig-,  Ungarn  und  den  Papst  an- 
gestachelt, für  das  letztere.  So  schienen  die  Zeiten  Timurs, 
an  dessen  Stelle  nun  Usun  waltete,  zurückkehren  zu  sollen ; 
aber  Mohammed,  der  den  Ehrgeiz  Bajesids  I.  geerbt  hatte  und  die 
gleichen  Zwecke  verfolgte,  verfügte  über  eine  Macht,  die  sich 
mit  der  des  östlichen  Khans  turkmenischen  Ursprungs  wohl 
messen  konnte. 

Bereits  in  den  Jahren  1467  und  1468  war  Usun-Hassan  in 
das  ehemals  trapezuntische  Gebiet  eingefallen ;  in  Europa  glaubte 
man,  dafs  die  kaiserliche  Stadt  des  Grofskomnenen  in  seiner  Ge- 
walt sei  2).  Damals  begann  sein  Name  unter  den  Christen  im 
Westen  bekannter  zu  werden.  Man  erzählte  von  seiner  Körper- 
kraft, obgleich  er  schon  etwa  50  Jahre  alt  war,  von  dem  Kreuze, 
das  er  auf  der  rechten  Schulter  trage ,  von  seiner  Freundschaft 
für  alle,  die  an  Jesus  glauben  ^).  Er  sollte  Sinope  eingenommen 
haben  und  Konstantinopel  angreifen  wollen,  den  Venezianern  g-rofs- 
mütig  Gallipolis  angeboten  und  dem  Soudan  seinerseits  Vorschläg-e 
gemacht  haben,  auf  die  dieser  andere  mosleminische  Herrscher  sich 
jedoch  nicht  habe  einlassen  wollen  *).  In  Wirklichkeit  kam  im 
Frühling  des  Jahres  147 1  ein  Gesandter  des  Königs  Konstantin 
von  Georgien  nach  Venedig,  um  von  den  Absichten  des  Khans, 
mit  dem  sich  dieser  christliche  König  verbündet  hatte,  Kunde 
zu  geben  ^).  Nicht  lange  darauf  erschien  auch  eine  Gesandt- 
schaft Usuns ,    von    einigen  polnischen  Sendlingen  geleitet,    und 


i")  „Mon.  Hung.  Hist.'"  V,  S.  217.  2)  Ebenda  S.  93. 

3)  „Qui,  ut  dicitur,  est  homo  potens  in  dominus  et  corpore,  etatis  L,'^  an- 
norum,  crucem  in  humero  dextro  deferens,  cristianorum  amicissimus";  cod.  lat. 
monac.   18770,  fol.   192. 

4)  Ebenda. 

5)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  212;  Coruet,  Guerre  S.   25. 

11* 


164  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

nun  (September)  schickte  die  Republik  ihrerseits  Cattarino  Zeno 
an  den  „persischen"  Hof,  um  über  den  gemeinsamen  Kriegs- 
plan zu  verhandeln.  Cattarino  Zeno  war  der  erste  venezianische 
Gesandte  im  turkmenischen  „Persien"  ^). 

Bereits  im  Juni  147 1  sprach  man  von  Rüstungen  Moham- 
meds gegen  die  „persischen  Eindringlinge"  ins  ehemalige 
Kaiserreich  Trapezunt  ^).  Tatsächlich  aber  wurde  der  Angriff 
gegen  das  ehemalige  Gebiet  der  Komnenen  erst  im  Mai  1472 
durch  einen  vor  längerer  Zeit  zu  Usun  geflüchteten  Neffen  Kaiser 
Davids,  dem  auch  georgische  Scharen  folgten,  eröffnet;  der 
Kapudan  schickte  9  Galeeren  und  25  Fusten,  um  Trapezunt  von 
der  Seeseite  zu  verteidigen  *).  Usun  selbst  stieg  noch  etwas 
später,  im  Hochsommer,  aus  seinen  armenischen  Bergen  nieder. 
PZnde  August  überschritten  seine  langjährigen  Gäste ,  Kisil-Ah- 
med,  der  Erbe  von  Sinope,  und  Khasum ,  der  Karamane,  der 
Bruder  und  Gefährte  des  schon  gestorbenen  Isak-beg,  die  os- 
manische  Grenze.  Tokat  fiel  schnell  in  ihre  Gewalt.  In  den 
letzten  Tagen  des  Septembers  belagerten  sie  Cäsarea,  nachdem 
sie  die  geringe  Truppenmacht  des  in  Amasieh  befindlichen 
jungen  Sultans  Mustafa  zerstreut  hatten;  die  Stadt  wurde  ein- 
genommen. Überall  ging  man  aufs  grausamste  vor.  Als  man 
nach  Angora  kam,  vermochte  die  Burg  Widerstand  zu  leisten. 
Usun-Hassan  selbst  wahrte  seine  kaiserliche  Würde ,  indeni  er 
sich  in  Erwartung  eines  wenigstens  einigermafsen  seiner  würdigen 
Gegners  in  seinem  Lager  von  Ersindschan  aufhielt  *) ;  nur  sein 
Wesir  Omer-beg  Begtaschogli  und  Mirza  Jussufdsche,  ein  Neffe 
des  Khans,  begleiteten  die  beiden  Prätendenten  ^). 

So  sah  sich  Mohammed  denn  genötigt,  auf  dem  bedrohten 
asiatischen  Boden  zu  erscheinen.  Nachdem  er  den  Rat  des  er- 
fahrenen   Mahmud    eingeholt    hatte,    bot    er    nicht    nur    das   ge- 


i)  Cornet,  ebenda  S.  28ff.;  „Mon.  Hang.  Hist."  V,  S.  212,  214,  2i7ff.; 
Dlugosz  XIV,  S.   569;  vgl.  meine  „Chilia  §i  Cetatea-Albä"  S.   132  —  134. 

2)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  219. 

3)  Ebenda  S.  239 ff.  Vgl,  „Da  nuove,  da  ogni  canto  sona  la  perdeta  de 
Trabesunda";  Brief  vom  6.  Juli  1472  im  Archiv  des  Herzogs  von  Kreta,  „Miss. 
e  lett.  ricevute"   1472 — 1474. 

4)  Ebenda.  5)  Seadeddin  II,  S.   256 ff. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     165 

wohnliche  Heer,  sondern  alle  kriegsfähig-en  jungen  Leute  auf. 
In  Konstantinopel  wurden  grofse  Verteidigungsmafsnahmen  ge- 
troffen; nur  drei  Tore  blieben  offen,  die  anderen  wurden  ver- 
mauert; der  ?Iafen  sollte  durch  eine  eiserne  Kette  gesperrt 
werden  ').  Als  seinen  Stellvertreter  liefs  Mohammed  den  jungen 
Sultan  Dschem  unter  der  Obhut  erfahrener  Ratgeber  in  Europa 
zurück.  Am  5.  Oktober  begann  der  Übergang  des  grofsen 
Heeres;  Mohammed  selbst  stand  am  12.  auf  dem  Boden  Asiens. 
Er  ging  jedoch  nur  bis  Karahissar,  wo  ihm  Mustafa  entgegen- 
kam, und  übertrug  diesem  die  Leitung  des  Winterkriegs  gegen 
Kassum,  der  auch  den  bei  Usun  befindlichen  Pir-Ahmed  vertrat. 
Der  Sultan  selbst  wandte  sich  wieder  nach  Konstantinopel,  und 
Usun  bezog  Winterquartiere  am  Euphrat,  um  von  dort  auch 
die  Länder  des  Sudans  beunruhigen  zu  können.  Prinz  Mustafa 
und  der  Beglerbeg  des  Ostens ,  Daud ,  hatten  im  Kampfe  mit 
dem  jungen  Karamanen  und  den  Neffen  Usuns  Erfolg.  Dieser, 
wenn  nicht  auch  Kassum,  fiel  in  die  Hände  der  Sieg"er  und  wurde 
geköpft  ^).  Jussufdsche  hatte  sein  Leben  schon  im  Januar  ver- 
loren, während  Kassum  noch  im  Frühlinge  des  Jahres  1473  für 
seine  Sache  kämpfte.  Nur  später  erlag  auch  er  der  osmanischen 
Übermacht.  Die  Allianz  mit  dem  Heere  der  christlichen  Liga 
liatte  dem  Besiegten  kaum  genützt  ^). 

Usun  aber  bereitete  für  den  Frühling'  1473  einen  grofsen 
Zug  vor.  Venedig  schickte  ihm,  nach  dem  Verlangen  des  turk- 
menischen Gesandten,  auf  drei  Schiffen  einige  Bombarden  und  100 
Artilleristen  unter  Tommaso  di  Imola ;  Giosafatte  Barbaro ,  der 
,, persisch"  sprach,  begleitete  sie  *).  Aber  auch  von  türkischer  Seite 
wurden  während  des  ganzen  Winters  Vorbereitungen,  wie  sie  bis- 
her kaum  gesehen  waren,  für  einen  neuen  Zug  des  Sultans  getroffen. 

1)  ,,Mon.   Hung.   Hist."   V,   S.    247. 

2)  Ebenda  S.  244;  Seadeddin  II,  S.  258fif.  ;  ,,Cron.  Zena'-  z.  J.  1472. 
Unediertes  im  Archiv  des  Herzogs  von  Kreta,  „Missive  e  lettere  ricevute",  1472 
bis  1474;  s.  besonders  den  Brief  vom  18.  Januar  1473:  „El  prender  del  nepote 
del  prefato  s.  Uson  Cassan,  el  quäle  con  do  altri  crano  sta  conduti  a  Constanti- 
nopoli  e  fati   morire.''' 

3)  Siehe  oben   S.    155. 

4)  Cornet,  Lettere  S.  8  ff . ;    Guerre  S.   39  ff.     „Cronaca"  F,  33,    fol.    140. 


166  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

Im  April  begab  sich  dieser  auf  der  „Strafse  von  Nikäa", 
der  alten  g^rofsen  Handelsstrafse ,  nach  Jenischehr ;  die  Spahis 
von  Rum  waren  bei  Gallipolis  über  die  Meerenge  gesetzt  und 
stiefsen  erst  dort  zu  dem  Herrscher.  Aus  Amasieh  kam  Sultan 
Bajesid  nach  Kasabad,  um  sich  dem  Vater  vorzustellen ;  Mustafa 
stand  als  Sandschak  in  Konieh.  Das  ganze  Heer  ging  bis 
Sivvas,  wo  es  für  mehrere  Wochen  haltmachte.  Seinerseits  war 
Usun  in  seinem  Lager  bei  Bir'  am  Euphrat ;  der  Krieg  mit  dem 
Soudane  verhinderte  ihn  gegen  den  „bösen  Sultan  der  Griechen" 
selbst  aufzutreten  ;  er  schickte  nur  seinen  Sohn  mit  vielen  Reitern 
nach  Malatieh,  während  Kassum,  mit  3000  Mann,  Selefkeh,  Gorigo 
und  Anamur  belagerte  '). 

Bald  aber  schienen  manche  Zeichen  auf  eine  Wieder- 
kehr der  Katastrophe  aus  den  Schreckenstagen  Timurs  hin- 
zudeuten. Zuerst  wurde  Bajesid,  der  Sohn  Mohammeds,  mit 
seinem  kleinen  Heere  bei  Karahissar  von  Prinz  Seineb  geschla- 
gen''^).  Ali-beg  Michalogli,  der  an  der  Spitze  der  Akindschis 
nach  Persarmenien  geschickt  worden  war,  gelangte  bis  zum 
Euphrat.  Er  war  nicht  glücklicher  und  durfte  sich  in  eine  Festung 
mit  den  Überbleibseln  seiner  Scharen  einschliefsen  ^).  Has-Murad. 
der  junge  Begier- beg  von  Rumelien,  wollte  sich  nun  nicht 
weniger  unternehmend  zeigen  und  ruhte  nicht,  bis  er  die 
Ufer  des  mächtigen  Grenzflusses,  an  dem  die  leichte  Reiterei 
der  Turkmenen  auf  ihn  warteten,  vor  sich  sah.  Hier  nun 
liefs  Usun  die  Feinde  umzingeln :  Murad  fiel  mit  Prinz  Seinel 
(Görseinel)  im  Kampf.  Omarbeg,  der  Sohn  Turakhans,  Hadschi- 
beg,  Ahmed  Tschelebi  und  andere  Führer  wurden  gefangen  ins 
Lager  des  Khans  gebracht;  auch  ein  Bruder  Alis  verlor  sein 
Leben,  ein  anderer  die  Freiheit;  er  selbst  mufste  verwundet  sein 
Heil  in  der  Flucht  suchen  ■*). 

Inzwischen  hatte  sich  auch  Mohammed ,  ohne  von  dieser 
Niederlage  zu  wissen,  in  Bewegung  gesetzt;   schon  in  der  Nähe 


i)  Cornet,   Lcttere  S.  31  ff.;  Guerre  S.  83  ff. 
2)  Cornet,  LeUere  S.  34.  3)  Ebenda  S.  64—65. 

4)  Cornet,  Lettere  S.    74  —  75;  „Mon.   Hung.   Hist.''  V,   S.  248—249;    das 
T^alum  in    der   serbisciien  Chronik,  Bogdan  S.   524. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.   in  Asien.      Letzte   europ.  Eroberungszüge.      167 

von  Baiberd  stiefs  er  auf  die  Turkmenen.  Usun,  der  Kasa-Hissar 
eing^enommen  hatte  und  sich  nun  gegen  Konieh  wandte  ^),  war  mit 
seinen  beiden  Söhnen,  Ugurlu  Mohammed  und  Görseinel,  bei  ihnen. 
Sein  Sieg-  hatte  ihn  zuversichtlich  g-emacht.  Unvorsichtig-  grififen 
die  .,  persischen "  Prinzen  die  von  den  Spahis  gebildeten  Flügel 
an,  die  unter  der  Führung  der  Sultanssöhne  Mustafa  und  Baje- 
sid  standen.  Sie  waren  trotz  ihrer  schnellen  Pfeile  und  knmimen 
Schwerter  nicht  imstande,  solche  Truppen  zu  werfen,  und  die 
oshianische  Artillerie  lichtete  die  ,, persischen"  Reihen.  Bald 
wurde  Sultan  Mustafa  der  Kopf  des  zwanzigjährigen  Görseinel 
gebracht.  Auch  Bajesid  tat  seine  Pflicht.  Usun  floh  vor  dem 
Sieger,  der  den  Tag  gewonnen  hatte,  ohne  sich  von  der  Stelle 
zu  rühren  und  ohne  seine  Janitscharen  ins  Handgemenge  ge- 
worfen zu  haben  (lo.  August)  '^), 

Mohammed  machte  eine  sehr  grofse  Anzahl  von  Gefangenen, 
doch  liefs  er  die  Gelehrten  —  darunter  den  Kanzler  Usuns  — ,  dann 
die  Führer  der  ,, Schwarzen  Horde",  die  nur  gezwungen  an  dem 
Kampfe  teilgenommen  hatte,  und  endlich  die  Prinzen  aus  dem 
Blute  Timurs  und  dem  seines  Sohnes  Miranschah  frei;  auch 
Pir- Ahmed  verschonte  er.  Aber  viele  andere  Turkmenen  wurden 
mitleidlos  hingeschlachtet. 

Über  Kara-Hissar  (Schahin-Karahissar),  das  sich  ihm  ergab, 
wandte  sich  Mohammed  nach  Konstantinopel  zurück,  wo  er  noch 
im  Frühherbste  eintraf.  Im  Laufe  des  nächsten  Jahres  gelang 
es  Gedik- Ahmed,  mit  asiatischen  Scharen  Ermenek,  Meian 
(Minan),  wo  sich  die  Familie  Pir-Ahmeds  befand,  die  nach  Ko- 
nieh überführt  wurde,  und  schliefslich  Selefkeh  zu  besetzen. 
Sultan  Mustafa  kam  aus  seiner  karamanischen  Residenz,  um  De- 
welu-Karahissar  zu  übernehmen.  Kassum  verschwand,  und  Pir- 
Ahmed  starb  einige  Monate  darauf  als  Flüchtling  in  der  Gegend 
von  Damaskus  ").    Die  im  Sommer   1475   umlaufenden  Gerüchte, 

1)  Cornet,  Lettere  S.  47  ff.,   52. 

2)  Cornet,  Guerre  S.  82  ff. :  Briefe  Usuns  und  Kassums.  Vgl.  S.  iii: 
Usuns  Pferd  wurde  getötet.  Das  Datum  ist  nach  Hammer  der  26.  Juli;  vgl. 
Zinkeisen  II,  S.  355,  Anm.  Nach  den  serbischen  Annalen :  4.  August.  Vgl. 
den  Brief  des   Sekretärs  Malatestas,   fol.    251  ff. 

3)  Se  ad  eddin  U,  S.  282  ff.  Vgl.  die  parteiischen  Nachrichten  Gios.  Bar- 
baros   in  Cornet,   Guerre   S.    121  ff. 


168  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

dafs  Usun  selbst  kriegsbereit  in  Ersindschan  stehe  und  die  Fort- 
setzung des  Krieges  beabsichtige,  erwiesen  sich  als  falsch  ^).  Die 
Grenze  gegen  Persien  wurde  vom  jungen  Bajesid  aufs  beste  ge- 
schützt, und  es  gelang  ihm  auch,  den  Turkomanen  ,,Trul"  zu 
entreifsen  ^). 

Damit  war  auch  der  christlich-turkmenischen  Liga  gegen 
den  Sultan  ein  Ende  gemacht.  Vergebens  wurden  noch  im 
Laufe  des  Jahres  1474  Paul  Ogniben  und  nach  ihm  Ambrosio 
Contarini  nach  Tebris  geschickt,  um  über  den  Krieg  mit  Mo- 
hammed zu  verhandeln.  Vergebens  langten  über  Kaffa  Gesandte 
Usuns  und  des  Königs  Georg  von  Iberien  in  Europa  an,  die  am 
16.  Juli  mit  aufserordentlichem  Pomp  in  Venedig  empfangen 
wurden  und  sich  weiter  nach  Rom  und  Neapel  begaben.  Ver- 
gebens erstattete  auch  der  damals  aus  Persien  zurückgekehrte 
Cattarino  Zeno  seine  sposizione  an  den  venezianischen  Senat  ^). 
Der  Plan,  durch  eine  Gesandtschaft  Trevisanos  die  Tataren  der 
Krim  für  einen  Krieg  an  der  Donau  gegen  ihre  Glaubensbrüder 
zu  gewinnen,  hatte  lediglich  den  Erfolg,  dafs  Venedig  im 
April  1476  feierlich  die  erste  tatarische  Gesandtschaft  bewill- 
kommen konnte  *).  Am  wenigsten  ernst  gemeint  war  das  Pro- 
jekt des  Zaren  Iwan  ,  der  im  Monat  Juni  1472  durch  den  Ve- 
nezianer Gianbattista  Volpe  als  seinen  Prokurator  eine  Ehe  mit 
der  Paläolögin  Zoe,  der  Tochter  Thomas',  eingegangen  war  ^), 
sich  als  ,,rechtmäfsigen  Erben"  Konstantinopels  aufzuspielen^). 
Die    alten  Kreuzzugsideen    waren    nicht  mehr  zum  Leben  zu  er- 

i)  „Mon.   Huug.  Hist.''  V,  S.   269. 

2)  Seadeddin  11,  S.  313  —  314.  Zu  vergleichen  wären  die  mir  unzugäng- 
lichen ,,Lettres  historiques  et  politiques  ecrites  tant  par  Mehemet  U.  que  par 
Usum-Cassan  &c.,  traduites  du  grec  et  de  l'arabe  &c."  par  M.  B*  de  M*  (Barbier 
du  Mesnard) ;  Paris   1 764 ;   2  Tle. 

3)  ^S^-  ,)Cron.  Zena''  mit  „Guerre  dei  Veneti"  S.  23ff. ;  „Mon.  Hung. 
Hist.''  V,  S.  259—260. 

4)  „Cron.  Zena"  fol.   284  v" ;  vgl.  Cornet,  Guerre  S.  98. 

5)  Nürnberger  Archiv  S.  i,  L.  209:  verschiedene  Geleitbriefe  für  den  Brautzug; 
Cornet  a.  a.  O. 

6)  „Guerre"  S.  106 — 107:  „Occupatores  imperii  Orientis,  quod,  si  succes- 
sores  mares  deessent,  iure  ad  Excellentiam  Suam  per  illum  matrimonium  suum 
pertinent.'' 


Die  Kriege  Mohammeds  II.   in  Asien.     Letzte  europ.   Eroberungszüge.      169 

wecken,  und  durch  seinen  letzten  glänzenden  Sieg  hatte  Mo- 
hammed II.  bewiesen,  dafs  keine  Macht  der  Welt  ihm  Trotz  zu 
bieten  imstande  sei  '). 

Er  nahm  jetzt  mit  der  ihm  eigenen  kalt  rechnenden  Sicher- 
heit die  endgültig-e  Festsetzung  seiner  Grenzen  in  Europa  in  An- 
griff. Zuerst  galt  es,  ein  Heer  gegen  die  Moldau  zu  schicken, 
die  schon  lange  keinen  Tribut  mehr  entrichtete,  seit  einiger  Zeit 
den  walachischen  Vasallen  des  Sultans  befehdete  und  mit  der 
donauischen  Dynastie  der  kühnen  Michalogli  im  offenen  Kampfe 
sich  befand.  Aufserdem  war  Stephan  ein  Freund  Usuns,  der 
ihm  auch  noch  nach  der  verlorenen  Schlacht  in  prahlerischen 
Worten  geschrieben  hatte  ^). 

Dieser  Fürst  der  Moldau  war  zu  einem  wirklichen  Herrscher 
und  Kriegsführer  emporgewachsen ;  er  wufste  die  wirtschaftlichen 
Interessen  seines  Landes  ausgezeichnet  wahrzunehmen  und  er- 
strebte für  die  Moldau  den  Ruhm,  ein  Zufluchtsort  der  aus  der 
Balkanhalbinsel  geflüchteten  slawischen  Kultur  und  ein  Zentrum 
religiöser  Baukunst  zu  sein.  Vor  allem  war  er,  nachdem  er  die 
Ränke  der  verschiedenen  Kronprätendenten  vereitelt  hatte,  be- 
flissen, den  bedeutenden  Hafen  Chilia  in  seine  Gewalt  zu  be- 
kommen, und  es  gelang  ihm,  durch  einen  raschen  Winterüberfall 
im  Januar  1465.  Ende  des  Jahres  1467  war  er  zu  den  sieben- 
bürgischen  Rebellen  gegen  die  Autorität  des  Königs  Matthias  in 
Beziehungen  getreten  und,  als  dieser  ihn  nun  während  des 
darauffolgenden  Winters  angriff,  wurde  er  bei  dem  Markte  Baia 
umzingelt,  verwundet  und  in  die  Flucht  geschlagen  ^).  Dann 
fiel  Stephan  ins  Szeklerland  ein,  um  sich  einen  Prätendenten, 
seinen  Vorgänger  Peter  Aron,  vom  Halse  zu  schaffen. 

Im  Jahre   1469  ergofs  sich    ein  grofser  Verheerungszug  der 


1)  Über  die  Schlacht  bei  Terdschan  s.  auch  Angiolello  und  Cattarino  Zeno 
in  der  Sammlung  von  Ramusio,  Viaggi  II;  Cornet,  La  Reppublica  di  Venezia 
e  la  Persia;  vgl.  auch  L.  Thuasne,  Djem-Sultan,  Paris  1892;  „Cronaca"  F.  33, 
fol.   145  ff. 

2)  Vgl.  Hurmuzaki  IP,  S.  124—125,  Nr.  ein;  „Mon.  Hung.  Hist."  VII, 
S.   293—295;  „Chilia  §i  Cetatea-Alba"  S.    133,  Anm.   i. 

3)  „Gesch.  des  rumänischen  Volkes"  I,  S.  343 ff. ;  „Istoria  lul  Stefan -cel- 
Mare"  S.   102  ff. 


170  Erstes  Buch.     Achtes   Kapitel. 

Krimschen  Tataren  über  die  Moldau,  deren  Züchtig'ung  in  den 
waldlosen  Tälern  Bessarabiens  erfolg'te.  Es  geschah  das  ung-e- 
fähr  zu  der  Zeit,  als  die  Venezianer  auf  den  sonderbaren  Ge- 
danken kamen,  nicht  allein  die  Moslemin  in  Syrien,  Karamanien 
und  dem  weiten  Turkmenengebiete  gegen  die  Osmanen  aufzu- 
bieten, sondern  sogar  die  seit  geraumer  Zeit  zum  mosleminischen 
Glauben  übergetretenen  Nomaden,  meistens  türkischen  Ursprungs, 
die  den  grofsen  Tatarennamen  geerbt  hatten  und  von  ihrer  Halb- 
insel aus,  wo  sie  gewöhnlich  mit  den  Genuesen,  als  den  Herren 
der  Küste,  in  gutem  Einverständnisse  lebten,  ebenso  leicht  die 
moskowitischen  wie  die  litauisch-polnischen  und  gelegentlich, 
wenn  auch  schwerer,  die  moldauischen  Landstriche  jenseits  des 
Dnjestrs  verwüsteten.  Andere  räuberische  Banden  ihres  ,, Khans" 
Mamak  plünderten  gleichzeitig  in  der  Gegend  von  Zitomir  und 
Trembowla.  Eminek,  Mamaks  Bruder,  fiel  in  dem  Treffen  vom 
20.  August  1469  in  moldauische  Gefangenschaft,  in  der  er  bis 
1473  blieb.  Stephan  wagte  es  sogar,  die  Gesandten  des  ,,  ta- 
tarischen Kaisers"  zu  verstümmeln  und  zu  pfählen  *)  und  erbaute 
nicht  weit  vom  Dnjestr,  am  trägen  Räut-Flusse,  die  starke 
Festung  Orheiü  ^).  Das  schönste  der  moldauischen  Klöster, 
Putna,  in  der  heutigen  österreichischen  Bukowina,  verdankte  dem 
Wunsche  Stephans,  das  Andenken  an  diesen  Sieg  über  die  häfs- 
lichen  heidnischen  Reiter  zu  verewigen,  seine  Entstehung. 

Der  Einfall  der  Tataren  war  nicht  ohne  Einverständnis  mit 
den  Begs  der  Donau  und  mit  dem  walachischen  Fürsten  Radu 
erfolgt,  denn  als  Feind  des  ungarischen  Königs  konnte  Stephan 
von  den  Osmanen  angegriffen  werden,  ohne  dafs  sie  hätten  be- 
sorgen müssen,  dadurch  den  gefährlichen  Krieg  mit  Ungarn 
wieder  zu  erneuern.  Einige  türkische  Fahrzeuge  waren  im  Sommer 
1469,  als  Stephan  gerade  mit  den  Tataren  zu  schaften  hatte, 
vor  Chilia  erschienen;  eine  Festsetzung  der  Leute  der  Micha- 
logli  in  der  Ortschaft  Saline  stand  in  Aussicht.  Aus  Zorn 
darüber  fiel  der  Moldauer  im  Winter  1470  über  seinen  wa- 
lachischen Nachbar  her  und  am  27.  Februar  brachte  er  das 
hochwichtige  Bräila  in  seine  Hände.     König  Kasimir   von  Polen 

i)  ,,Istoria  lui  Stefan-cel-Mare"  S.    118  ff.  2)  Ebenda. 


Die  Kriege   Mohammeds   II.   in  Asien.      Letzt."   europ.  Eroberungszüge.      171 

kam  im  Aug"ust  bis  Lemberg"  und  wollte  bis  Kamieniec  in  Podolien 
dringen,  um  Stephan  noch  einmal  den  Eid  der  Treue  abzunehmen. 

Anfang-  147 1  erregte  Radu  g"egen  seinen  zum  offenen  Feinde 
gewordenen  Nachbar  eine  Rebellion  der  moldauischen  Bojaren 
und  erschien  selbst  in  der  südlichen  Moldau.  Der  bedrohte 
Fürst  derselben  liefs  die  Verräter  köpfen  und  zwang  durch  den 
Sieg  bei  Soci ,  im  südwestlichen  Teile  des  Fürstentums ,  die 
Walachen  zum  Rückzuge.  Radu  befestigte  seine  Grenze  durch 
Errichtung  der  Festen  Cräciuna  am  Putnaflusse  und  Teleajin 
am  gleichnamigen  Gewässer;  auch  seine  neue  Residenz  BucurestI 
(Bukarest),  in  der  Nähe  des  türkischen  Giurgiu,  wurde  mit  pri- 
mitiven Befestigungen,  Schanzen  und  Palisaden  versehen. 

Stephan  aber,  der  neuerdings  den  polnischen  Bewerber  um 
die  Krone  Ungarns,  den  Prinzen  Kasimir,  gegen  Matthias  unter- 
stützt hatte,  liefs  sich,  obwohl  allein  die  Szekler  Siebenbürgens 
auf  seiner  Seite  standen  und  sie  ihm  ihre  Hilfe  im  Kriege  zu- 
gesagt hatten  *),  von  solchen  Vorbereitungen  und  Mafsnahmen 
nicht  entmutigen.  Am  8.  November  1473  stand  er  am  Grenz- 
flusse Milcov,  und  zehn  Tage  später  kam  es  an  der  Grenze,  am 
Flüfschen  Rimnic,  zur  entscheidenden  Schlacht.  Der  besiegte 
Radu  flüchtete  sich  in  das  türkische  Nest  Giurgius;  seine  Frau  Maria 
und  zwei  Töchter  derselben  begleiteten  den  Sieger  in  die  Moldau, 
nachdem  dieser  den  früheren  (vor  1453)  Fürsten  des  Landes, 
Laiotä,  offiziell  Basarab,  der  seit  den  sechziger  Jahren  in  Sieben- 
bürgen lebte,  in  Bukarest  eingeset/.t  hatte,  ohne  Ungarn  und  Türken 
oder  die  Bojaren  der  Walachei  um  ihre  Zustimmung  anzugehen. 

Diese  Machtstellung  des  Moldauers  und  seines  walachischen 
Schützlings  konnte  nicht  von  Dauer  sein ;  der  Streich  gegen 
Radu  war  lediglich  deshalb  geglückt,  weil  die  Michaloglis  gegen 
Usun  in  Asien  abwesend  waren.  Als  sie  zurückkehrten,  wurde 
Laiotä  bereits  im  Dezember  nach  der  Moldau  gejagt  und  der 
,,rechtmäfsige"  Fürst  Radu  wieder  in  sein  Erbsteil  eingesetzt. 
Doch  hatten  die  Asapen  der  Donaubegs  nicht  den  Mut,  Stephan 
selbst,  der  bis  Vasluiü  gekommen  war,  anzugreifen.  Jedenfalls 
aber  war  der  beabsichtigte  Zug  des  neuen  Beglerbegs  von  Rum, 

i)  Siehe  auch  Dluijosz  XIV,   S.  621. 


173  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

des  Bosniers  Soliman  Hadum,  überflüssig  geworden,  und  er  konnte 
das  ganze  Jahr  1474  dem  albanesischen  Krieg  gegen  Skutari 
widmen.  Als  Radu  starb,  wurde  Basarab-Laiotä,  dem  dieser  jähe 
Tod  zur  Last  geschrieben  werden  darf,  der  treue  Vasall  des 
Sultans,  so  dafs  die  Streitigkeiten  an  der  Donau  wieder  beigelegt 
schienen  (Mai-Juni   1474). 

Der  Sultan  aber  wollte  mehr  als  diese  Huldigung.  An 
Stephan  erging  die  Aufforderung,  Chilia  zurückzugeben  und  für 
seine  kriegerischen  Taten  durch  die  Überlieferung  Moncastros 
(Cetatea-Albä)  Sühne  zu  leisten ;  selbstverständlich  sollte  er  auch 
den  rückständigen  Tribut  entrichten.  Diese  Ansprüche  erfuhren 
eine  stolze  Abweisung.  Stephan  verständigte  sich  mit  Blasius 
Magyar,  einem  der  siebenbürgischen  Woiwoden,  und  nahm  am 
I.  Oktober  die  Festung  Teleajin  (wahrscheinlich  Välenl-de-munte) 
ein,  einige  Tage  darauf  verjagte  der  Szeklergraf  Stephan  Bäthory 
Laiotä  und  setzte  wahrscheinlich  einen  zweiten  Basarab,  den  Sohn 
des  ersten,  an  dessen  Stelle. 

Als  die  Nachricht  davon  in  Konstantinopel  ankam,  wo  der 
Sultan  sich  von  den  kriegerischen  Strapazen  in  Asien  ausruhte, 
beorderte  er  Soliman,  der  sich  noch  in  Albanien  befand,  nach 
der  Moldau,  um  an  dem  bäuerischen  Rebellen  ein  glänzendes 
Exempel  zu  statuieren. 

Stephan  erwartete  ihn  bei  dem  in  einer  Hügellandschaft 
gelegenen  Städtchen  Vasluiü,  wo  noch  jetzt  seine  Kirche  und 
die  Trümmer  seines  Wohnhauses  zu  sehen  sind.  Einige  Ungarn 
Bäthorys  und  5000  Szekler  waren  bei  ihm  geblieben,  die  folg- 
lich nicht  zu  dem  eigentlichen  Zwecke  gekommen  waren,  ihm 
in  dieser  entscheidenden  Schlacht  beizustehen ;  an  die  Mit- 
wirkung eines  polnischen  Kontingents  ist  schon  darum  nicht  zu 
denken ,  weil  alles  sich  viel  zu  schnell  entwickelte  und  Polens 
Rüstungen  immer  längere  Zeit  brauchten.  Im  ganzen  verfügte 
er  über  kaum  30000  Krieger,   meistens  freie  moldauische  Bauern, 

Soliman  kam  mit  Ali  und  Iskender  Michalogli  über  Niko- 
polis  und  vereinigte  sich  mit  dem  nunmehr  christenfeindlichen 
Laiotä.  Sie  fanden  die  Wege  durch  das  Frühlingswetter,  das  dort  in 
den  Donaustrichen  oft  schon  im  Januar  vorübergehend  eintritt,  ver- 


Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     173 

dorben  und  unbenutzbar  gemacht.  Auch  der  grofse  Handelsweg, 
der  über  Vasluiü  führte,  war  in  diesem  Zustande.  Als  die  Türken 
an  Vasluiü  vorbeiwaren ,  gelangten  sie  an  das  Flüfschen  Racova, 
das  sich  durch  mannigfach  sich  kreuzende  und  mit  undurchdring- 
lichen Wäldern  erfüllte  Täler  schlängelte.  In  den  Nebeln  des  an- 
brechenden lo.  Januar  1475  wurde  Soliman  plötzlich  von  den 
Moldauern  angegriffen.  Ein  Regen  von  Pfeilen,  die  Wirkung 
einiger  Bombarden  gaben  den  Ausschlag:  die  Osmanen  ver- 
loren sich  auf  fluchtartigem  Rückzuge  in  dem  labyrinthischen 
Lande  und  wurden  mitleidlos  hingemetzelt,  die  walachischen 
Bauern  vereinigten  sich  mit  den  moldauischen,  um  vereinzelte 
Scharen  zu  überfallen  und  zu  vernichten.  Durch  ein  stolzes 
Siegesschreiben  Stephans  erhielt  das  westliche  Europa  Kunde 
von  dieser  bedeutenden  Niederlage  des  Beglerbegs  von  Ru- 
melien,  der  1474,  als  er  vor  Skutari  kämpfte,  so  manche  Grofs- 
macht  um  die  nächste  Zukunft  hatte  zittern  machen.  Die  alte  Kaiserin 
Mara  klagte,  dafs  die  Türken  noch  niemals  eine  solche  Nieder- 
lage erlitten  hätten;  war  doch  das  ganze  Heer  des  Westens  wie 
vernichtet!  Ali  Michalogli  wurde  zur  Strafe  abgesetzt  und  in 
den  Kerker  geworfen  *). 

So  mufste  denn  Mohammed  selbst  gegen  den  siegreichen 
Feind  auf  den  Plan  treten.  Er  brach  in  der  Tat  aus  Konstanti- 
nopel auf  und  machte  einige  Tageraärsche  nach  Norden;  weiter 
vorzudringen  hinderte  ihn  die  Gicht  ^).  Das  Landheer  unter  dem 
Beglerbeg  Soliman  setzte  den  Marsch  nicht  fort  ^).  Nur  einige 
Scharen  streiften  in  der  Umgegend  der  moldauischen  Häfen  *). 
Die  Flotte  aber  segelte  am  19.  Mai  nach  den  nördlichen  Ufern 
des  Schwarzen  Meeres  ab.  Sie  zählte  180  Galeeren,  3  Gale- 
assen  und  ungefähr  300  andere  Fahrzeuge  ^). 

Die  Einnahme  von  Chilia,  das  von  Stephan  zerstört  worden 
war,  und  Cetatea-Albä  sollte,  da  eine  Beteiligung  des  Landheeres 
dazu  unumgänglich  nötig  schien,  erst  auf  der  Rückfahrt  erfolgen. 
Gedik  Ahmed,  der  Oberbefehlshaber,    dem  der  Admiral  Tscha- 


i)  Vgl.  „Colamna  lul  Traian"  1883,  S.  84;  „Acte  §i  fragmente''  IIP,  S.  84 

2)  „Mon.  Hung.  Hist. ",  V,  S.   266 — 267. 

3)  Ebenda  S.  270.     4)  Ebenda.     5)  Ebenda  S.  269. 


l/l  Erstes  Bach.     Achtes  Kapitel. 

kirdschi-Jakub  unterstellt  war  '),  wandte  sich  also  mit  der  ganzen 
Flotte  gegen  Kaffa,  ohne  dafs  man  die  Absicht,  sich  der  g^rofsen 
Handelsstadt  zu  bemächtigen ,  den  Genuesen  irg'endwie  kund- 
g-etan  hätte. 

In  Kaffa  befand  sich  zurzeit  nur  das  g'ewöhnliche  Söldner- 
volk von  Polen,  Ung^arn,  Rumänen  und  Griechen,  die  mit  ent- 
stelltem tatarischem  Namen  orgusii  genannt  wurden;  ein  ta- 
tarischer Prätendent  weilte  ebenfalls  in  seinen  Mauern;  aber 
keine  fremde  Hilfe  war  in  Aussicht  genommen ,  schon  weil  die 
Einwohner  eine  Annektierung  seitens  der  christlichen  Nachbarn 
fürchteten.  Im  Hafen  lagen  keinerlei  Kriegsschiffe.  Unter 
solchen  Umständen  war  an  ernsten  Widerstand  nicht  zu  denken, 
um  so  weniger,  als  die  Tataren  sich  als  Feinde  erwiesen.  Schon 
nach  vier  Tagen  wurde  die  Stadt  mit  Leichtigkeit  genommen 
und  die  Bevölkerung,  die  stürmisch  die  Übergabe  verlangt  hatte, 
nach  den  bewährten  osmanischen  Grundsätzen  behandelt;  nur 
die  fremden  Soldaten  wurden  hingerichtet.  Das  ganze  zu  Kaffa 
gehörige  Gebiet  erklärte  sogleich  seine  Unterwerfung  "'^).  Das 
venezianische  Tana  hatte  dasselbe  Schicksal  ^).  Später  wurde 
auch  Matrega,  das  den  Ghizulfi  gehörte,  erobert  ^). 

Erst  im  Dezember  machten  sich  einige  türkische  Scharen 
von  Kaffa  nach  dem  von  den  Tataren  und  den  christlichen 
Nachbarn  Mangup,  von  den  Türken  Menküb  genannten  Theodori 
auf.  Hier  residierten  die  letzten  Spröfslinge  der  trapezunti- 
schen  Komnenen ;  ihre  Herrschaft  beschränkte  sich  auf  ein 
Schlofs  und  mehrere  Dörfer  in  dessen  Umgebung  —  im  ganzen 
,,30000  Häuser".  Olobeg  von  Mangup  hatte  viel  von  sich 
reden  machen;  einer  seiner  Vorgänger,  Alexius,  hatte  die  Ge- 
nuesen bekriegt.  Anfang  1475  regierte  Isak,  eine  unkriegerische 
Natur;  seine  Schwester  Maria  hatte  vor  kurzem  Stephan  geheiratet, 
und  ihr  zweiter  Bruder  Alexander  lebte  ebenfalls  am  moldauischen 
Hofe.  Von  seinem  Schwager  nach  Mangup  geschickt,  um  den 
dort  befindlichen  Isak  zu  ersetzen,  liefs  er  ihn  töten.    Nun  gingen 


i)  Ebenda  S.   269.  2)  „Mon.  Hung.  Hist. "  V,  S.  345. 

3)  Ebenda  S.  345 — 346;  Seadeddin  II,  S.   292!!. 

4)  Seadeddin  II,  S.  313;    Acte    §i  fragmente  III ',  S.  63 ;    Heyd,    Com- 
merce  du  Levant  11,   S.   405. 


Die  Kriege  Mohammeds  11.  in  Asien.      Letzte  europ.  Eroberungszüge.      175 

die  Türken  gegen  Alexander,  seine  Familie  und  seine  moldau- 
ische Leibtruppe  mit  unerbittlicher  Grausamkeit  vor:  alle  Mit- 
glieder des  komnenischen  Hauses  wurden  beseitigt  und  kaum 
die  Frauen  geschont  '). 

Darauf  überliefs  Gedik  das  ganze  Land  den  Tataren,  deren  Khan 
Mengli  aus  seinem  Gefängnisse  in  Konstantinopel  die  Oberhoheit 
des  Sultans  unter  Bedingungen,  die  uns  ckirch  keine  sichere  Quelle 
überliefert  sind,  anerkannte  ''').  Nur  Kaffa  blieb  von  Janitscharen 
besetzt.  Maiigup  war  verödet,  seine  Kirchen  und  Paläste  zerstört^). 

Bereits  am  12.  August  hatte  sich  Stephan,  der  auch  dies- 
mal vergebens  die  polnische  Hilfe  erwartet  hatte,  feierlich  mit 
König  Matthias  ausgesöhnt,  um  gemeinsam  mit  ihm  in  den  Türken- 
krieg zu  treten.  Vielleicht  hatte  Ungarn  seit  1465  einen  vor  den 
christlichen  Mächten  sorgfältig  geheim  gehaltenen  Waffenstill- 
stand auf  zehn  Jahre  gehabt  und  das  Reich  war  erst  jetzt  seiner 
Verpflichtungen  ledig.  Jedenfalls  war  Matthias  entschlossen,  sich 
von  nun  an  den  östlichen  Interessen  seines  Reiches  zu  widmen. 

Gedik  hatte  einige  Teile  seines  Heeres  zu  seinem  Versuch 
gegen  Chilia  und  Cetatea-Albä  entsandt;  aber  die  ausposaunte, 
neue  Unternehmung  des  Sultans  war  auf  das  folgende  Jahr  ver- 
schoben worden.  So  fiel  zum  ersten  Male  nach  vielen  Jahren 
den  Christen  die  Offensive  zu. 

Ein  Projekt  Vlad  Tepes',  den  der  König  den  türkischen 
Friedensboten  zu  zeigen  pflegte  *),  wieder  in  seine  Walachei  ein- 
zudringen, wurde  durch  Laiotäs  Unterwerfung  vereitelt.  Stephan 
fühlte  sich,  trotz  seiner  persönlichen  Tapferkeit  und  der  aus- 
gezeichneten Eigenschaften  seiner  Bauern ,  nicht  stark  genug, 
gegen  die  Donautürken  vorzugehen;  auch  war  ihm  Laiotä  ver- 
dächtig geblieben,  und  Giurgiu,  Turnu  usw.  diesem  zuliebe  an- 
zugreifen, schien  ihm  aus  diesem  doppelten  Gesichtspunkte  wenig 
in   seinem    Interesse    gelegen    und    gewagt.      Matthias    dagegen, 

1)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   346. 

2)  Vgl.   Hammer,   Geschichte   der  Krim,   S.   32  —  35. 

3I  Alle  Zeugnisse    in  Vigna,    Codice   diplomatico  ;    vgl.   .,Matthiae  Epistolae 
ad  romanos  pontifices"'   S.    loo — loi  ;  „Mon.   Hung.   Hist."  VII,   S.  308. 
4)  Bonfinius,  Decas  IV,  lib.  II,  S.  401   der  Ausgabe  von   1680. 


176  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

der  auf  der  Donau  bis  Petenvardein  herabkam,  unternahm  die 
Belagerung-  der  westlich  von  Belgrad  erbauten  Festung-  Schabatz, 
deren  hölzerne  Türme  mit  Erde  aufgefüllt  waren  ^) ,  und  in  die 
die  Türken  ihre  in  Ungarn  und  Deutschland  gemachten  Sklaven 
vorläufig  zu  bringen  pflegten  '''). 

Schabatz  war  schon  im  Dezember  1475  eingeschlossen  worden, 
als  die  türkischen  Truppen  ihre  Winterquartiere  bezogen  hatten. 
Von  dem  Projekt,  mit  2000  Siebenbürger  Rumänen,  die  ,,mehr 
als  jedes  andere  Volk  im  Kampfe  gegen  die  Türken  gelobt 
werden  und  aus  der  Erbschaft  des  Vaters  des  Königs  sind", 
,,12000  Reitern,  20000  Fufsleuten  und  einigen  Geschützen" 
Stephans,  ferner  8000  berittenen  Bojaren  und  30 000  (!)  ge- 
meinen Soldaten  aus  der  Walachei  gegen  Konstantinopel  vor- 
zudringen, war  selbstverständlich  nicht  mehr  die  Rede.  Es  galt 
vorläufig  nur  die  Abwesenheit  der  Michaloglis  zu  benutzen,  um 
diese  seit  147 1  begehrlich  betrachtete,  auf  einer  Insel  in  der  Save 
gelegene  Schabatz,  den  Sammelplatz  der  räuberischen  Akind- 
schis  ^) ,  in  seine  Gewalt  zu  bringen  und  dann  mit  dieser  Feste, 
Belgrad  und  Severin  die  serbische  Flufslinie  gegen  türkische 
Einfälle  zu  sichern.  Bis  Ende  Dezember  weilte  Matthias  in  Bel- 
grad selbst;  am  2.  Februar  stand  er  vor  Schabatz  selbst*). 
Auch  die  umliegenden  Festungen  der  Türken  griffen  ungarische 
Scharen  an  ^).  Ali  und  Skender,  die,  um  Schabatz  zu  retten, 
(2.  bis  3.  Februar)  erschienen  waren,  hatten  nicht  den  Mut, 
gegen  den  König  ins  Feld  zu  ziehen  ^).  Nach  einigen  Wochen, 
am  15.  Februar,  dem  41.  Tage  der  Belagerung,  ergab  sich  end- 
lich die  Festung.  Für  die  Osmanen  war  es  ein  geringer  Verlust, 
für  Matthias  aber  eine  ausgezeichnete  Gelegenheit ,  wieder  in 
ganz  Europa   von   seiner  Tapferkeit    und    seinen  Opfern    für  die 


1)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  344. 

2)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   347. 

3)  Vgl.  „Matyas  Kiräly  Levelei"  I,  S.  271.     Die  Beschreibung  in  „Mon,  Hung. 
Hist."  VII,  S.  211.    Vgl.  italienische  Berichte  in  meinen  „Studii  §i  documente  XVI. 

4)  „Mätyäs  Kiräly  Levelei"  I,  S.  323(1. 

5)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  287  —  288. 

6)  „Mdtyas  Kirälj'  Levelei"  I,  S.   331  ff. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.   in   Asien.     Letzte   europ.   Eroberungszüge.      177 

„christliche"  Sache    reden    zu    machen').     Schabatz   wurde    mit 
Christen  besiedelt. 

Darauf  wurde  der  Rückzug"  ang^etreten.  Doch  erfolg"te  noch 
während  des  Winters  von  Truppen,  die  unter  dem  Kommando 
Vlads  Tepes  und  des  serbischen  Prätendenten  Wuk  standen,  des 
Sohnes  Gregors,  der  weg-en  seiner  Kühnheit  auch  Zmej,  ,,der 
Drache",  hiefs  und  als  Schwag-er  des  berühmten  Bischofs  Jo- 
hann von  Grofs- Wardein  seinen  Aufenthalt  bei  Salankemen  hatte  ^), 
ein  unerwarteter  Vorstofs  g"eg-en  Bosnien.  Hier  hatte  der  Sultan 
einen  Renegfaten,  Matthias,  ang-eblich  aus  dem  Blute  der  alten 
Könige,  zum  Herrn  eing"esetzt,  während  die  Ung^arn  im  alten 
Nikolaus  Ujlaky  ihren  bosnischen  ,, König-"  sahen.  Doch  trat 
dieser  in  den  folg-enden  Kämpfen  nicht  hervor  ^).  Vlad  und 
Wuk  g-ing-en  über  die  Save  und,  während  der  Nacht,  auf  wenig- 
bekannten Weg-en  weiter.  Der  Vortrab  überrumpelte  in  türki- 
scher Verkleidung-  an  einem  Markttage  Srebrnica,  und  1 27000 
Aspern,  fünf  salme  (Pfund)  reinen  Silbers  und  viele  seidene 
Stoffe  fielen  ihm  zur  Beute.  Kuslat  kam  g-leichfalls  in  die  Ge- 
walt der  schnell  vordring-enden  Bandenführer.  Sie  verwüsteten 
das  g-anze  Land  und  schonten  selbst  der  christlichen  Bauern 
nicht,  die,  an  die  Türken  g-ewöhnt,  ihre  Habe  tapfer  verteidigten ; 
die  Moslemin  wurden  von  dem  grausamen  Vlad  gliedweise  zer- 
stückelt und  auf  Pfähle  gesteckt,  ,,um  den  anderen  Schrecken 
einzujagen".  Kein  osmanischer  Befehlshaber  hatte  Mufse,  hinter 
ihnen  herzueilen:  Ali-beg,  dem  verziehen  worden  war,  weilte  auf 
Befehl  Solimans  in  den  Schluchten  des  ,, Schwarzen  Gebirges", 
in  Montenegro,  wo  er  überwinterte  *). 


1)  Ebenda  S.  333  ff.  Ein  Brief  von  ilim  an  den  Papst,  16.  August  1475, 
Bibliothek  von  Florenz  „ Strozziane  ",  la  serie,  iii,  fol.  152  (vgl.  „  Studii  ^i  doc." 
a.  a.  O.).  Ausführliche  Darlegung  der  Operationen  vor  Schabatz  in  Bonfiuius. 
Aus  den  Rechnungen  der  Apostolischen  Kammer  sind  die  dem  ungarischen  Le- 
gaten Balthasar  von  Piscia  und  den  Tschernojewitsch  in  Albanien  geschickten  Geld- 
summen zu  ersehen;  reg.  1472  — 1476,  fol.  216  vo,  228.  Siehe  auch  den  päpst- 
lichen Brief  an  den  Erzbischof  von  Regensburg  als  Legaten  für  Deutschland,  Bi- 
bliothek von  Parma,   ms.  885. 

2)  Engel,  Geschichte  von  Ser^vien,  S.  431,  444 — 445. 

3)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  317—318.     Siehe  auch  Klaic  S.  442. 

4)  Ein  im  Königsberger  Archive  befindlicher  Brief  wurde  von  mir  in  „Lucruri 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  i-2 


178  Erstes  Buch,     Achtes  Kapitel. 

Aber  die  dem  Bischof  von  Erlau  als  päpstlichem  Leg-aten, 
den  Venezianern  und  anderen  Freunden  von  Kreuzzugsprojekten 
versprochene  gemeinsame  Unternehmung  des  Königs  und  seiner 
rumänischen  „Vasallen"  ^)  blieb  aus.  Dagegen  brach  Moham- 
med im  Mai  1476  ^)  nach  der  Donau  auf,  um  den  Moldauer  als 
einen  Verräter,  der  die  Forderungen  seines  Kaisers  abzulehnen 
gewagt  hatte,  an  Land  und  Leben  zu  züchtigen.  Nach  der  Save 
wandten  sich  Asapen,  die  dann  auch  am  Rande  des  Banats 
plünderten  ^),  wo  wiederum  die  Michalogli  die  Grenze  verteidigten. 
Bei  Semendria  stiefsen  auch  später  die  Grenzwächter  beider 
Reiche  zusammen. 

Matthias  beschäftigte  sich  indessen  mit  den  Vorbereitungen 
zu  seiner  zweiten  Heirat  mit  Beatrix  von  Neapel.  Doch  wurde 
der  ins  Temesvärer  Banat  gemachte  Einfall  noch  im  Laufe  des 
Jahres  von  Wuk,  den  Jakschitsch,  Döczy  u.  a.  gerächt  und  sie 
drangen  bis  zu  der  Stelle  vor,  wo  Michael  Szilägyi  gefangen- 
genommen worden  war  ^).  Hinwieder  konnten  die  Bosnier  un- 
gestört Dalmatien  beunruhigen,  und  es  bedurfte  ernster  Vor- 
sichtsmafsnahmen ,  um  die  Reise  der  ungarischen  Königin  zu 
sichern  ^).  Auch  wurden  die  erst  kürzlich  von  König  Matthias 
bei  Semendria  gebauten  Schlösser  zerstört  ^). 

Anfang  Juli  stand  der  über  Warna  gekommene  Sultan  in 
der  Dobrudscha  an  der  Donaufurt  bei  Isaktsche,  das  die  Ru- 
mänen Oblucita  nannten.  Als  er  auf  die  linke  Seite  des  Flusses 
in  die  Moldau  übergesetzt  war,  kam  ihm  Laiotä  entgeg-en,  der 
seiner  Politik  wieder  eine  veränderte  Richtung-  gewiesen  hatte. 
Gleichzeitig    brachen  die  Tataren  des  ,, Vasallenkaisers"  Mengli- 


nouä  usw."  abgedruckt.  Eine  Andeutung  auch  in  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  345. 
Anderen  Nachrichten  zufolge  wäre  Ali  im  Dezember  in  Semendria  gewesen;  ebenda 
S.   291. 

1)  Stephan  nannte  sich,  und  war  auch,  unabhängiger  Fürst;   Hurmuzaki  YIII, 
S.  10 — II,  nr.  XVII.   Vgl.  auch  ,,Epistolae  ad  romanos  pontifices"  S.  loi — 102,  104 £f. 

2)  Ein    angebliches    Aufgebot    der    Krieger    zum    11.   März    im    mailändischen 
Archive  „Potenze  estere,  Tnrchia". 

3)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   316—318. 

4)  Bonfinius,  decas  IV,  lib.  IV,  S.  422 — 423. 

5)  Ebenda  S.  425.  6)  Ebenda. 


Die  Kriege  Mohammeds   II.   in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.      170 

Girai  gegen  die  moldauische  Hauptstadt  Suceava  hia  ins  Land 
ein ;  kein  Heer  Stephans  hinderte  sie  in  ihrem  Plünderungswerk, 
und  die  Fürstin  Maria,  die  geborene  Prinzessin  von  Mangup,  floh 
vor  ihnen  nach  dem  stark  befestigten  Hotiu;  die  im  Lager  von 
Kamieniec,  jenseits  des  Dnjestrs  stehenden  polnischen  Edelleute 
rührten  sich  nicht. 

Mohammed  überschritt  den  Sereth,  der  die  Moldau  in  ihrer 
ganzen  Länge  durchfliefst ;  auf  dem  rechten  Ufer  ging  er  gerades- 
wegs  auf  Suceava  los.  Stephan  verliefs  nun  seine  Stellung  bei 
lasi,  einer  nicht  weit  vom  Pruth  belegenen  neueren  Stadt  aus 
dem  15.  Jahrhundert,  und  wandte  sich,  den  Flufs  gleichfalls  über- 
schreitend ,  nach  dem  Gebirge :  drei  Stunden  oberhalb  der  am 
Fufs  der  felsigen  Höhen  erbauten  Stadt  Piatra  nahm  er  im  Ur- 
wald an  einem  Flüfschen ,  nach  dem  die  Ortschaft  Valea-Albä, 
,,der  weifse  Flufs ",  hiefs,  während  sie  später,  nach  der  grofsen, 
hier  gelieferten  Schlacht,  Räzboienl  genannt  wurde,  Stellung. 
Von  dem  am  24.  Juli  erreichten  und  eingeäscherten  Roman  und 
dem  Schlosse  Neamt  her,  das  nicht  angegriffen  wurde,  gelangte 
das  kaiserliche  Heer  am  26.  Juli  nach  dem  Hinterhalte  der  Mol- 
dauer, 

Das  rumänische  Heer  bestand  fast  nur  aus  Bojaren,  weil  die 
meisten  Bauern  Erlaubnis  erhalten  hatten,  sich  auf  das  andere  Ufer 
des  Sereth  zu  begeben,  um  ihre  von  den  Tataren  mit  Fortführung 
in  die  Sklaverei  bedrohten  Familien  zu  schützen.  Die  moldaui- 
schen Edelleute  gaben  ein  glänzendes  Beispiel  der  Aufopferung  für 
Vaterland  und  Glauben.  Ihre  Geschütze  taten  den  angreifenden 
Türken  grofsen  Abbruch  ') ;  selbst  die  Janitscharen ,  an  deren 
Spitze  sich  Mahmud-i\ga  aus  Trapezunt  befand,  warfen  sich  zur 
Erde,  um  den  Kugeln  zu  entgehen.  Der  Sultan  mufste  persön- 
lich die  Anstrengungen  seiner  Getreuen  leiten.  Der  Kampf 
dauerte  bis  zum  Abend  und  in  die  Nacht  hinein,  weil  die  über- 
wundenen Moldauer  sich  nicht  zurückziehen  wollten.  Nach 
heifsem  Ringen  waren  die  moldauischen  Bojaren  gröfstenteils  hin- 
gemetzelt; kaum  konnte  Stephan  selbst  dem  Schicksal  des 
gleichnamigen  Königs  von  Bosnien  entgehen.    Mohammed  setzte 


i)   Seadeddin  U,   S.   300 — 301. 

12' 


180  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

seinen  Marsch  nach  der  Landeshauptstadt  Suceava  fort,  die  sich 
ihm  sofort  ergab  und  verbrannt  wurde. 

Der  Rückzug-  gestaltete  sich,  wie  immer  in  so  entlegenen  und 
systematisch  von  ihren  Verteidigern  selbst  verwüsteten  und  ver- 
lassenen Landstrichen,  schwierig  genug.  Auch  waren,  wie  beim 
Zuge  Stipans  gegen  die  Herzegowina,  die  ,,  Eroberer"  kaum  aus 
dem  Lande  abgezogen ,  als  Stephan,  der  sich  im  Hochgebirge 
versteckt  gehalten  hatte,  wieder  in  sein  Land  herabkam. 

Für  die  Türken  war  der  Zug  ergebnisloser,  als  der  1462 
gegen  die  Walachei  unternommene.  Zwar  hatte  Mohammed 
einen  Prätendenten ,  Alexander ,  den  Sohn  Petru  Arons ,  der 
wahrscheinlich  schon  seit  1456  als  Geisel  der  Moldau  am  os- 
manischen  Hofe  weilte ,  mitgebracht ;  aber  zu  seiner  Einsetzung 
kam  es  nicht.  Da  Neamt,  Hotin  und  Cetatea-Albä,  die  einzigen 
starken  Festungen,  nicht  angegriffen  und  in  Roman  und  Suce- 
ava, deren  Schlösser  sich  kampfioereit  hielten  ^),  keine  Janitscharen 
zurückgelassen  wurden,  so  hatte  der  Angriff  auf  Stephan  nur  die 
eine  Folge,  dafs  die  mächtige  und  tapfere  Klasse  der  Bojaren 
wesentlich  geschwächt  und  das  Land  erbarmungslos  geplündert 
worden  war. 

Ja  seitens  der  Moldauer  und  der  unter  ihrem  neuen  Haupt- 
mann Bathory  zu  einem  Rachezuge  gegen  die  Türken  auf- 
gebrochenen Siebenbürger  wurde  sogar  ein  Versuch  gewagt, 
die  Walachei  aus  dem  politischen  Verbände  des  osmanischen 
Reiches  herauszureifsen.  Laiotä,  der  in  das  Land  seines  könig- 
lichen Nachbars  einfallen  sollte,  sah  sich  bald  den  Scharen  Bä- 
thorys  gegenüber,  der,  nachdem  er  im  August  an  den  moldau- 
ischen Pässen  Wacht  gehalten  hatte ,  nun  gekommen  war,  um 
den  ,,  jungen  Bassarab "  ^)  oder  Vlad  Tepes  wieder  einzusetzen. 
Wie  vor  ihm  Radu,  floh  auch  der  schwache  Laiotä  nach  Giurgiu. 
Tirgoviste  und  Bukarest  wurden  von  den  Angreifern  leicht  ge- 
nommen, und  gegen  Mitte  November  1476  schworen  sich  der 
mit  einem  neuen  Heere  herbeigeeilte  Stephan  und  der  in  seiner 
Herrschaft     wiederhergestellte    Vlad     Treue     und     Brüderschaft. 


i)  Vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   319  ff. 

2)  ,,Indreptäri  §i  intregiri"  S.   19;  nach  Kronstädter  ungedruckten  Briefen. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     181 

Der  Moldauer  liefs  seinem  jetzigen  Verbündeten  eine  kleine 
-Garde  zurück,  die  ihn  freilich  nicht  zu  schützen  vermochte,  als 
Truppen  der  Michalogli  ihn  angriffen;  an  einem  Dezembertage 
wurde  er  bei  Bukarest,  wahrscheinlich  in  Balten! ,  getötet.  In 
seinem  Kloster  Snagov  wurde  der  grausame  Türkenbekämpfer 
unter  einem  Steine,  der  keine  Inschrift  trägt,  zur  letzten  Ruhe 
gebettet.  Gleichzeitig  gingen  die  Türken  gegen  Schabatz  vor  ') 
und  nahmen  die  feste  Stadt  in  einem  Winterfeldzuge  wieder  in 
Besitz  ^). 

Das  an  der  rumänischen  Donau  herrschende  Chaos  war  damit 
noch  zu  keinem  Ende  gediehen.  Anfang  November  1477  weilte 
Laiotä  wieder  als  Flüchtling  in  Siebenbürgen,  —  hatte  er  doch 
gleich  nach  seiner  Rückkehr  nach  Bukarest  den  dort  stehenden 
königlichen  Offizieren  treue  Anhänglichkeit  versprochen.  Sein 
Sohn,  der  ,, junge  Basarab",  herrschte  von  Stephans  Gnaden  in 
der  Walachei. 

In  der  ersten  Zeit  zahlte  er  den  Türken  keinen  Kharadsch. 
Seine  Stellung  änderte  sich  erst ,  als  die  zwei  Michaloglis ,  im 
Herbste  des  Jahres  1479,  einen  Einfall  in  Siebenbürgen  ver- 
suchten. Schon  im  Frühling  ^)  waren  die  Türken  in  der  Walachei 
und  der  zweite  Basarab  verhielt  sich  nicht  anders  als  der  erste : 
er  schaffte  ihnen  Lebensmittel  und  wies  ihnen  den  Weg.  Er 
führte  sie ,  obwohl  Matthias  mit  den  Türken  einen  Waffenstill- 
stand geschlossen  hatte  und  den  Serben  Peter  Döczy  an  den 
Sultan  schickte  ^),  durch  den  Rotenturmpafs  in  die  reiche  Gegend 
von  Hermannstadt,  das  die  Akindschis  unverzüglich  verheerten; 
sie  brannten  200  Dörfer  nieder.  Um  das  Land  vor  dem  Schick- 
sale, das  drei  Jahre  vorher  die  Moldau  gehabt  hatte,  zu  retten, 
eilte  Bäthory  mit  dem  Befehlshaber  des  Banats,  einem  geborenen 
Rumänen,  Paul  dem  Knezen,  Kinizsy,  und  den  serbischen  ,,Pribe- 
ken "  Wuks    und    der   Familie    Jakschitsch    herbei  ^).      Auf  dem 


i)  „Mon.  Hung.  Bist."  V,  S.  340.  2)  Seadeddin  II,  S.  304. 

3)  Brief  der  Kronstädter  an   Stephan:    26.  April;   Kronstädter  Archiv, 

4)  „Mätyäs  Kiräly  Levelei"  I,   S.   382 — 383,  419. 

5)  Über  die  Jakschitsch  s.  auch  Bonfinius  S.  420:  sie  kämpfen  1474  gegen 
die  ins  Land  eingefallenen  Polen. 


182  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

„Kornfelde"  (Kenyermezö,  Cimpul-Pinii) ,  nahe  dem  Passe,  der 
ins  Banat  hinüberführt  —  also  hatten  die  Osmanen  die  Absicht 
gehabt,  einer  Schlacht  durch  schnellen  Rückzug  auszuweichen  — , 
wurden  sie  tapfer  ang-efallen ;  nach  einem  Ringen  von  vier 
Stunden  wurde  das  kleine  Heer  der  Plünderer,  als  es  dämmerte, 
in  die  Flucht  geschlagen,  13.  Oktober,  am  Kolomanstage.  Die 
Rumänen  Basarabs,  4 — 5000  Kriegsknechte  zu  Fufs,  die  unter 
ihren  aufgepflanzten  Spiefsen  schössen,  wurden  fast  vernichtet. 
Nach  Ofen  kam  die  Nachricht,  dafs  die  beiden  Michalogli  tot  und 
ihr  Kriegsgefährte  Balibeg  Malkotsch-Ogli  von  Semendria  schwer 
verwundet  sei^);  in  Wahrheit  aber  war  nur  Isa,  ein  anderer  Ge- 
fährte Alis  und  Skenders,  tödlich  verletzt,  nachdem  er  ,,nit  an- 
ders gestanden  gestanden  dann  alls  ain  vesste  Steinmäur"^).  Nach 
einigen  Tagen  fand  man  ihn  tot  im  Walde  und  brachte  dem 
auch  verwundeten  Bäthory  seinen  Kopf.  Junge  Verwandte  der 
Michalogli  befanden  sich  unter  den  Gefangenen  ^). 

Als  die  Türken  1480  ihre  Verheerungszüge  nach  Ungarn 
ausdehnten,  mufsten  sie  den  Versuch  schwer  genug  büfsen.  Der 
König  verfolgte  sie ;  er  kam  ins  bosnische  Banat  und  schickte 
(November  1480)  mehrere  Scharen  von  Pribeken  und  anderen 
Beutemachern  aus,  die  die  türkische  Provinz  Bosnien,  die  Vrbosna, 
bis  ins  ,,Cherzechland"  durchritten  und  brandschatzten^).  Der 
Beglerbeg  Daud  schwebte  mit  seinem  Sohne  in  Gefahr  in  Ge- 
fangenschaft zu  geraten.  Doch  nahm  er  dann  den  Christen 
die  Beute  gröfstenteils  wieder  ab ;  die  Gefangenen  töteten  die 
Ungarn ,  um  sie  nicht  ihren  Glaubensgenossen  überlassen  zu 
müssen.  Die  bosnischen  ,,Walachen",  besonders  die  von  Po- 
litze    und  Radobila,    hatten    dem    König  Hilfe  geleistet.     Gleich- 

i)  ,,Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  395;  „Epistolae  ad  romanos  pontifices", 
S-  135—137;  „Matyas  Kiraly  Levelei"  I,  S.  449 ff-;  vgl.  S.  452,  453—455-  Vgl. 
Bonfinius  S.  445 — 448;  Seadeddin  II,  S.  319  —  320.  Isa-beg,  den  Sohn 
Hassans,  nennt  auch  das  1475  verfafste  Siegesschreiben  Stephans  von  der  Moldau. 

2)  Cod.  lat.  monac.  14668,  fol.  59ff. ;  14668 ,  434,  fol.  154  ff.  Über  diese 
ungarisclien  Kämpfe  s.  auch  einen  Brief  im  Nürnberger  Archiv  an  Albrecht  von 
Brandenburg. 

3)  Vgl.  auch  die  Darstellung  der  ungarischen  Gesandten  auf  dem  Nürnberger 
Tage  von   1479;  cod.  lat.  monac.  26604,  fol.   7  vo  ff. 

4)  „Matthiae  epistolae  ad  romanos  pontifices"  S.   148  ff. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     183 

zeitig  hatte  Kinizsy  die  Gegend  von  Semendria  bis  Krusche- 
watz  verwüstet;  viele  christliche  Familien  wurden  damals  nach 
Ung-arn  hinübergebracht. 

Zu  Lande  und  auf  der  Donau  kämpfte  man  mit  Glück 
gegen  Malkotsch  ^).  Nach  türkischer  Version  wurden  jedoch  die 
Ungarn  sowohl  bei  Semendria  wie  in  Bosnien  geschlagen  ^). 
Matthias  rechtfertigte  sich  übrigens  bei  seinem  ,,  älteren  Bruder 
und  Blutsverwandten"  Mohammed,  indem  er  die  ganze  Schuld 
auf  Daudbeg  wälzte  ^). 

Aber  bereits  148 1  versuchten  die  Michaloglis  Orsova  ein- 
zunehmen; der  Woiwode  von  Siebenbürgen  hielt  sich  bereit, 
einen  neuen  Einfall  zurückzuwerfen.  Im  Mai  gingen  die  Donau- 
türken jedoch  gegen  die  Moldau  vor  und  brannten  bis  in  den 
Bezirk  Bacäu  hinein :  Basarab  selbst  führte  sie  gegen  Stephan  *). 
Die  Nachricht  vom  Tode  Mohammeds  II.  veranlafste  sie,  mehr 
als    die  Furcht  vor  dem  heranrückenden  Stephan,    zur  Umkehr. 

Ein  Krieg  mit  Ungarn  lag  jedenfalls  nicht  in  der  Absicht 
des  Sultans  und  spielte  in  seinem  wohlüberdachten  Ausdehnungs- 
plane keine  Rolle;  andererseits  setzte  auch  König  Matthias  keinen 
Ehrgeiz  darein,  sich  im  schwierigen  Kampfe  gegen  Mohammed  II. 
auszuzeichnen ;  er  befolgte  standhaft  die  schwankende  Politik  des 
Haschens  nach  kleinen  Erfolgen  auf  möglichst  verschiedenen 
Gebieten,  um  mit  fremdklingenden  Namen  von  Siegen  und  Er- 
oberungen zu  prahlen.  In  ihm  lebte  nichts  von  dem  ritterlichen 
Sinne  und  christlichen  Enthusiasmus  des  Vaters,  nichts  von  der 
grofsen  Politik  der  Angiovinen  des  14.  Jahrhunderts;  vielmehr 
ähnelte  er  in  Eitelkeit  und  Unbeständigkeit  dem  vielbeschäftig- 
ten Kaiser  und  König  Siegmund,  dem  unruhigen  Phantasten,  dem 
es  vor  allem  darauf  ankam,  sich  selbst  hervorzutun. 


i)  Ebenda  S.  154  ff. ;  vgl.  auch  S.  167,  1 76  ff. ,  igoff. ;  „Mätyas  Kiraly 
Levelei"  ü,  S.  43  —  45  ,  46  ff.,  65  ff.  195  ff.;  „  Mon.  Hung.  Hist."  Vü,  336  ff. 
Handschriftlich  sind  die  Briefe  Matthias'  vom  18.  Januar  148 1  in  cod.  lat.  monac. 
26604,  fol.    I — 3   und  Nürnberg  L.   B.  69,   36  zu  finden. 

2)  Bogdan,  Relatiile  I,  S.    163. 

3)  „Matyäs  Kirdly  Levelei"  II,   S.   388  —  390. 

4)  Siehe   auch  „  Mdtyäs   Kirdly  Levelei"  II,   S.    123  ff. 


184  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

Der  Sultan  wufste  ihn  sehr  richtig-  einzuschätzen  und  war 
sich  durchaus  klar,  dafs  ein  solcher  Mann  nicht  gefährlich  sei. 
Er  konnte  seinem  Ziel,  der  venezianischen  Republik  ganz  Al- 
banien und  die  moreotischen  Besitzungen  zu  entreifsen,  und  deren 
Zession  in  dem  zu  schliefsenden  Vertrage  zu  erzwingen,  ohne 
Rücksicht  auf  ihn  nachstreben.  Vergebens  vermittelte  im 
Jahre  1475  der  Herzog  Leonard  von  Santa  Maura,  um  für  seine 
venezianischen  Freunde  bessere  Bedingungen  zu  erlangen  ^). 
Auch  die  Sendung  Girolamo  Zorzis  vom  selben  Jahre  hatte 
keinen  Erfolg;  im  August  erhielt  er  die  Weisung,  nicht  weiter 
auf  das  Zustandekommen  des  Friedens  hinzuarbeiten,  da  die 
Signoria  fest  entschlossen  sei,  Lemnos,  Kroia  und  die  Maina 
nicht  aufzugeben  ^).  Lieber  als  in  einen  solchen  Verlust  zu 
willigen,  wollte  man  dem  ungarischen  Könige  die  hohen  Summen, 
die  er  zu  verlangen  nicht  müde  wurde,  gewähren  ^).  Auch  die 
erneuten  Bemühungen  Matthias'  waren  nutzlos  gewesen. 

Noch  1477,  gleich  nach  dem  Zuge  des  Sultans  gegen  die 
Moldau,  nahmen  die  Türken  den  Angriff  auf  sämtliche  veneziani- 
schen Grenzländer  auf*).  Im  Mai  ging  der  rumelische  Beglerbeg 
nach  Lepanto,  das  die  Osmanen  Ainebacht  benannten ;  doch  kam 
ihm  der  Generalkapitän  der  Republik  mit  elf  Galeeren  zuvor,  und 
erst  drei  Tage  später  erschien  die  osmanische  Flotte.  So  mufste 
die  Belagerung  nach  einigen  Wochen  am  25.  Juli  aufgehoben  wer- 
den. Soliman,  der  Besiegte  von  Podul-Innalt,  verlor  seine  hohe 
Stellung  an  Daud.  In  Venedig,  wo  man  grofse  Vorbereitungen 
für  einen  neuen  moreotischen  Krieg  getroffen  hatte ,  rief  die 
Nachricht  vom  Entsätze  Lepantos  grofse  Begeisterung  hervor, 
und  eine  feierliche  Prozession  wurde  zum  Dank  für  das  frohe  Er- 
eignis veranstaltet  ^).  Die  Freude  steigerte  sich,  als  kurz  darauf 
der  türkische  Angriff  auf  das  Schlofs  Kokkinon  (Kotzino)  auf 
Lemnos  unterblieb,  sobald  Loredano,  der  Verteidiger  Lepantos, 
Truppen  auf  der  kleinen  Nachbarinsel  Psara  landen  liefs  ^).  Immer- 

i)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  268  ff.,  2720.,  275  ff. 

2)  „Cron.   Zena"  fol.   282  vo  bis   283.  3)  Ebenda  fol.    284  vo. 

4)  Vgl.  auch  Bonfinius,  decas  IV,  liber  V,  S.  438. 

5)  Vgl,  „Cron.  Zena"  fol.   285  vo-  Cronaca  F.   33,  fol.   155  ff. 

6)  Cronaca  F.  33,  a.  O. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.   in  Asien.      Letzte  europ.  Eroberungszüge.      185 

hin  hatten  die  Türken  auf  Chios  den  rückständigen  Tribut  erhoben 
und  die  Insel  Naxos,  den  Sitz  des  Herzogs  des  Archipelagus, 
der  als  venezianischer  Vasall  galt,  verwüstet  *),  ohne  freilich  ihre 
dauernde  Besetzung  zu  versuchen. 

In  Albanien  war  die  Stellung  der  Venezianer  keineswegs  so 
günstig.  Im  Juli  wufste  man,  dafs  Kroia  und  eine  zweite  Feste 
von  den  Reitern  der  albanesischen  Sandschaks  bedrängt  wür- 
den^), an  deren  Spitze  der  kühne  Ahmed  Gedik  stand  ^). 
Die  Venezianer  waren  im  Bunde  mit  Nikolaus  Dukaschin  und 
verfügten  über  einige  tausend  Albanesen,  zu  denen  im  Septem- 
ber noch  frische  Truppen  aus  Italien  kamen.  Infolgedessen 
hielten  sich  die  Christen  für  stark  genug,  gegen  die  Feinde, 
die  in  der  Ebene  von  Tirana,  vier  Meilen  von  Kroia  entfernt, 
ihre  Zelte  hatten,  eine  offene  Schlacht  versuchen  zu  können. 
Aber  der  Verrat  der  Albanesen  entschied  den  Tag  zu  ihren 
Ungunsten :  etliche  hundert  Italiener,  darunter  der  General  Fran- 
cesco Contarini  und  acht  Offiziere ,  blieben  auf  dem  Kampf- 
platz *). 

Zu  einem  weiteren  Schlag  gegen  das  hartnäckige  Venedig, 
das  in  keinen  Frieden ,  wie  ihn  der  Sultan  wünschte ,  willigen 
wollte,  sollte  der  grofse  Einfall  der  Bosnier  in  Friaul  werden. 
Hier  hatte  die  Signoria  durch  einen  berühmten  Meister  an  allen 
Flüssen  Dämme  erbauen  lassen  und  einige  Truppen  zu  deren 
Verteidigung  bestellt.  Aber  der  Akindschiführer  Umur  kümmerte 
sich  wenig  darum :  in  einem  Treffen  am  Ufer  des  Isonzo  fiel 
der  Befehlshaber  Girolamo  Novello  und  sein  Sohn,  die  sich  von 
dem  schlauen,  beutelustigen  Türken  hatten  umringen  lassen, 
und  von  Venedig  aus  sah  man  mit  Entrüstung  die  Dörfer  zwischen 
den  Flüssen  Isonzo  und  Tagliamento  brennen;  Verona  zitterte 
für  sein  Schicksal.     Als    endlich  Vittorio  Soranzo    mit  mehreren 


1)  Ebenda. 

2)  „Mon.  Hiing.  Hist."  V,  S.  359. 

3)  Seadeddin  II,  S.   310. 

4)  Siehe  die  beiden  schon   zitierten  venezianischen  Chroniken;   vgl.   den  Brief 
des  Sekretärs  Malatestas  in  Sansovino,  fol.   253. 


186  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

Tausenden  g^uter  Söldlinge  und  einer  kleinen  Flottille  in  Friaul  er- 
schien, waren  die  Akindschis  mit  ihrer  Beute  schon  verschwunden  ^). 
Der  angenommenen  Gewohnheit  folgend  —  auch  schon  im 
Herbste  1476  war  ein  grofser  Raubzug  unternommen  worden  — , 
waren  andere  Bosnier  jenseits  der  Save,  ,,bey  Gurgkfeld"  in  der 
Steiermark,  aufgetreten  und  hatten  ,,  den  Sackmann  aussgelassen, 
hinab  auf  Agram,  Warasdin,  Fenstritz,  Sussenheim  und  in  das 
Traafeld",  so  grausam,  dafs  sie,  ,, alles  erslagen  und  nyembt 
gefangen"  hatten.  Sie  nahmen  durch  das  schwergeprüfte  Krain 
ihren  Rückweg  und  begegneten ,  trotz  aller  Projekte ,  Verein- 
barungen und  Landtagsbeschlüsse,  nirgends  den  Truppen  des 
Kaisers,  des  Erzbischofs  von  Salzburg,  der  benachbarten  baye- 
rischen Fürsten  oder  des  in  Tirol  waltenden  Siegmund  von  Öster- 
reich; alle  diese  vom  Unglücke  noch  verschonten  Herren  be- 
gnügten sich  damit,  den  armen  Bauern  und  Bürgern  ,,ein  christ- 
lich getrews  Mitleiden"  zu  schenken  ^).  Die  vom  Kaiser  auf 
den  I.  März  1478  nach  Kreisingen  einberufene  Reichsversammlung 
tat  nichts  zur  Rettung  der  gefährdeten  Länder  ^). 

Ein  zweiter  Einfall  der  bosnischen  ,,  Sackmannen"  erfolgte 
1478  und  brachte  ihnen  noch  gröfseren  Gewinn  als  der  erste. 
Den  Isonzo  im  Friaul  überschritten  sie  am  22.  Juli  und  drangen 
über  Cormons  in  die  deutschen  Reichsprovinzen  *),  Im  Juli 
waren  die  vom  Skenderbeg  Michalogli  ^)  geführten  Akindschis 
auf  dem  Marsche  ,,in  das  Geiltal  oder  herabwertz  gen  Kernden"; 
sie  schlugen  für  kurze  Zeit  ihr  Lager  unter  Trapurg  und  Linz 
auf,  nachdem  sie  sich  der  ,,  Klausen  zu  Velach"  bemächtigt 
hatten.     Im    Geiltale,    Drautale   und    Gurktale,    dann    in   ,,  andren 


i)  Die  schon  zitierten  Chroniken.  Auch  Bonfinius  S.  438;  Brief  des  Se- 
kretärs Malatestas,  Sansovino,  fol.  254 — 255.  Speziell  in  „M.  Ant.  Sabellici 
de  pugna  inter  Venetos  et  Turcas  ad  Sontium  amnem  commissa"  in  Lonicerus, 
Chronica  turcica  II,  S.   105  — 112  („Hist.  rer.  venet. "  S.   792  ff.). 

2)  München,  Reichsarchiv,   „Türkenhilff  de  anno    1446  bis  15 18",  Nr.  21   bis 

29,   36. 

3)  Innsbrucker  Archiv,   Siegmund  IV,   a.   35. 

4)  Beide  venezianische  Chroniken;  Bonfinius  S.  438 — 439;  Sabellicus 
a.   a.   O. 

5)  „Ir  Haubpman  ...  mit  Namen  Stawderbeck ,  Ilertzog  zu  Wossen  und 
Haubtman  über  alles  Durckes  Veldt";   cod.   germ.   monac.    15S6. 


Die  Kriege  Mohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     187 

Täler  und  Gepirg"  wurden  die  rasch  wieder  entweichenden  mit- 
leidlosen Gäste  erblickt ;  die  Einwohner  von  Villach  verhandelten 
mit  ihnen  und  sahen  sich  dann  grausam  betrogen;  sie  schienen 
bis  Windischg-rätz  dringen  zu  wollen.  Nach  einigen  Wochen 
erschienen  sie  auf  dem  Rückwege  vor  Laibach ;  das  ganze 
Land  war  ihnen  verteidigungslos  überlassen.  Die  Landtage,  die 
zur  Beratung  über  Abwehr  der  Türkengefahr  berufen  wurden, 
schwangen  sich  zu  keinem  ernsten  Entschlufs  auf,  und  ebenso- 
wenig glückte  das  Vorhaben  des  Kaisers,  einen  Reichstag  zu- 
sammenzubringen. Auch  die  ,, Blödigkeit",  die  tödliche  Krank- 
heit des  bayerischen  Herzogs  Ludwig  stand  allen  Plänen  hindernd 
im  Wege  *).  Auf  dem  Reichstage  von  Freisingen  waren  nur 
wenige  Fürsten  vertreten;  nützliche  Mafsnahmen  ergaben  sich 
aus  seinen  Verhandlungen  nicht  ^). 

Die  eigentliche  Heeresmacht  des  osmanischen  Reiches  aber 
war  damals  in  Albanien  tätig,  wohin  Mohammed  II.  in  Person 
einen  letzten  entscheidenden  Zug  unternommen  hatte. 

Schon  am  14.  Mai  1478  waren  die  Akindschis  vor  Skutari 
erschienen;  der  zweite  Michalogli,  Ali,  stand  an  ihrer  Spitze, 
und  bald  gesellte  sich  Malkotsch,  in  dessen  Augen  das  Feuer 
der  Schwärmerei  geheimnisvoll  leuchtete,  zu  ihm ;  auch  Skender 
hat  sich  im  Lager  vermutlich  einen  Augenblick  sehen  lassen. 
Gegen  Ende  des  Monats  übernahm  Daud,  der  Beglerbeg  Rums, 
<^en  Befehl  über  die  europäischen  Reiter,  und  Anfang  Juni  führte 
Mustafa-Pascha  seine  Asiaten  herbei.  Bald  ergab  sich  das 
während  des  ganzen  Winters  schon  eingeschlossene  Kroia:  dort 
brachen  die  Türken  die  Kapitulation,  und  die  heldenmütige  Be- 
satzung, mit  Ausnahme  des  Befehlshabers  Pier  Vetturi  und  seiner 
Familie,  wie  des  rettore  und  seiner  contestabili,  die  in 
die  Serails  des  Sultans  oder  des  Wesirs  geschickt  wurden, 
wurde  erbarmungslos  hingeschlachtet. 

Die  Belagerung  Skutaris  begann  noch  vor  dem  i.  Juli, 
sobald  der  Sultan,  von  beiden  Begierbergs  empfangen,  angelangt 

1)  Ebenda,   folgende  Nummern. 

2)  Siehe  auch   cod.  germ.   monac.    1586;   cod.  lat.   monac.    14668:  „Von  den 
Thurcken  etlich  ergangen  Tat". 


188  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

war  und  sein  rotes  Zelt  im  Schutz  der  Janitscharen  vor  dem 
hohen  Berge  S.  Marco  aufgeschlagen  hatte.  Elf  Bombarden 
waren  auf  dem  Wege  nach  Drivasto,  bei  der  Kirche  S.  Vene- 
randa,  am  Drinflufse,  auf  dem  Monte  Bassä,  bei  der  Kirche 
S.  Lazzaro,  bei  S.  Biagio  und  S.  Croce  usw.  aufgestellt  worden. 
Aber  die  starken,  erst  jüngst  planvoll  befestigten  Mauern  hielten 
Bombarden  und  Mörsern  stand,  und,  durch  feurige  Reden  des 
Paters  Bartolomeo,  „eines  neuen  Capistrano",  begeistert,  kämpften 
die  Bürger  tapfer  zur  Seite  der  kleinen  venezianischen  Besatzung, 
die  Antonio  da  Lecce  befehligte ,  und  liefs  sich  durch  keine 
Drohungen  und  keinen  Schaden  einschüchtern.  Die  am  ig.,  20., 
22.  und  endlich  am  27.  Juli  versuchten  Stürme  mifslangen  schliefs- 
lich,  obgleich  das  kaiserlich  osmanische  Panier  einen  Augenblick 
schon  auf  den  Zinnen  Skutaris  geweht  hatte. 

Angeblich  auf  den  Rat  Ahmeds,  eines  ,,  Sohnes  des  Ewrenos", 
entschlofs  sich  der  Sultan  nun  zu  einem  Angriffe  auf  Drivasto 
(Dergos),  Sabiacco  (Schabiak;  türkisch  Gökbaschi)  und  Alessio 
(Lesch)  ^),  von  denen  die  beiden  ersten  noch  den  Venezianern  und 
das  dritte  Tschernojewitsch  ^)  verblieben  waren.  Sabiacco,  am 
Ufer  des  Boianasees,  40  Meilen  von  Skutari  entfernt,  ergab  sich 
sogleich,  Drivasto  erst  nach  sechzehntägiger  Beschiefsung; 
Daud-Pascha  brannte  Alessio  nieder,  das  er  verlassen  gefunden 
hatte.  Um  die  Bewohner  Skutaris  zu  schrecken,  schlachteten 
die  Türken  die  gefangenen  Venezianer  unter  den  Mauern  der 
Stadt  hin.  Aber  Mohammed  ging  am  8.  September  nach  Kon- 
stantinopel ab.  Das  zurückgelassene  Heer  setzte  die  Belagerung 
Skutaris  eifrig  fort,  und  als  beide  Begierbergs  in  die  Winter- 
quartiere, in  Asien  und  Europa,  abzogen,  blieb  Ahmed  mit 
einigen    tausend    Türken    vor    der    mächtigen    Festung    stehen. 

i)  Der  walachische  Fürst  Basarab  der  Junge  schreibt  darüber:  „Es  ist  mir 
Nachricht  von  der  kaiserlichen  Pforte  zugekommen ,  dafs  der  Kaiser  jenes  ganze 
Land  und  drei  Schlösser:  Kruj ,  Drevos  und  Lesch,  mit  der  Festung  Zabiak,  er- 
obert hat ;  die  Männer,  die  sich  ihm  nicht  ergeben  haben,  hat  er  töten,  die  Frauen 
und  Kinder  aber  fortführen  lassen";  Bogdan,  Rela^iile  I,  S.  139.  Dann  weiter 
(S.  141):  „Skenderieh  hat  er  von  allen  Seiten  beschiefsen  und  zwei  Schlösser  bei 
Skenderieh  errichten  lassen  und  die  befestigte  Stadt  Kruj  usw.".  Siehe  auch 
J  i  r  e  c  e  k  im  „  Archiv  für  slav.  Phil."  XIX,  S.  609. 

2)   Siehe  Bonfinius   S.  439:   ,,Ioannem   Cernoi   Sabiaco   civitate  privat." 


Die  Kriege  Mohammeds  II.   in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.      189 

Während  des  g-anzen  Winters  hielt  sich  Skutari,   dem  g-lorreichen 
Beispiele  Kroias  folgend,  aufs  tapferste  ^). 

Aber  die  venezianische  Ausdauer  war  zu  Ende,  länger  wollte 
die  Signoria  das  Glück  nicht  versuchen.  Die  durch  den  Zug 
des  Sultans  unterbrochenen  Verhandlungen  wurden  im  Winter 
wieder  aufgenommen.  Am  20.  Dezember  1478  ging  Giovanni 
Dario  als  Beauftragter  der  Republik  nach  Skutari.  Noch  im 
selben  Monat  unterzeichnete  er  das  von  anderen  zustande  ge- 
brachte Friedensdokument.  Venedig  verzichtete  auf  das  noch 
ihm  gehörige  Lemnos,  den  Brazzo  di  Maina  und  ganz  Albanien, 
soweit  noch  venezianische  Besatzungen  darin  vorhanden  waren ; 
die  Bewohner  von  Skutari  mufsten  die  Stadt  räumen  und 
siedelten  nach  anderen  Ortschaften  über,  über  denen  die  von 
ihnen  geliebte  San -Marco -Fahne  wehte;  eine  angebliche  alte 
Schuld  gegen  den  Sultan,  die  sich  auf  100 000  Dukaten  belief, 
sollte  in  zwei  Jahren  getilgt  werden.  Statt  eines  Kharadschs  zahlte 
es  von  nun  an  10 000  Dukaten  für  die  Erlaubnis,  im  Schwarzen 
Meere  auch  weiterhin  Handel  zu  treiben  ^).  Die  Venezianer  waren, 
trotz  der  Gegenvorstellungen  einiger  grollender  Patrioten  ^),  so 
froh  über  den  Abschlufs  des  Friedens,  dafs  es  ihnen  auf  ein  paar 
tausend  Dukaten  nicht  ankam,  um  dem  türkischen  Gesandten, 
Lufti-beg,  der  den  Frieden  vor  ihnen  beschwören  sollte,  eine 
Ehre  anzutun. 

Durch  einen  Zusatz  *)  gönnte  Mohammed  der  Republik  alle 
moreotischen   Besitzungen,    wenn    sie    Chimära,    Sopoto  und  die 


i)  BarletiusinLonicerus  III,  S.  231  ff. ;  italienisch  inSansovino,  Ausg. 
1659,  S.  305fr.;  ,,Cron.  Zena";  Chron.  F.  33,  fol.  161  ;  Brief  des  Sekretärs 
Malatestas  in   Sansovino,   fol.    253 — 254;   Seadeddin  II. 

2)  „Commemoriali"  a.  Datum,  V,  S.  228,  Nr.  126.  Der  griechische  Text 
und  der  Brief  Mohammeds  an  den  Doge  sind  in  Miklosich  und  Müller,  Acta, 
S.   293 — 295   veröffentlicht  worden. 

3)  ^S'-  T^Cron.  Zena":  „La  quäl  pace  non  h  piaciuta  cosi  alla  terra,  per 
esser  sta  fatta  con  danno  et  vergogna  della  Signoria;  mä  1'  e  stä  fatta  per  star 
qualche  tempo  in  pace  con  questo  can  patarin  senza  fede ,  chel  S.  Dio  per  sua 
misericordia  li  togli  le  folze." 

4)  Siehe  auch  S  ath  as  VI,  S.  i2off.,  141  ff.,  195  ff. ;  M  agno  ,  ebd.  S.  2i4ff. ; 
Miklosich- Müller,  Acta,   302  ff.,   306  ff. 


190  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

von  ihren  Truppen  g-enommenen  türkischen  Burgen  zurückgebe ; 
niemand  sollte  im  Gebiet  von  Cattaro  und  Budua  rauben  und 
Iwan  Tschernojewitsch,  trotz  der  von  seinem  Neffen  verursachten 
Unruhen,  doch  in  Montenegro  bleiben  dürfen  ^). 

Unverzüglich,  im  Sommer  1480,  machten  die  Türken  nun 
der  kephallenischen  Autonomie  ein  Ende.  Zuerst  wurde  Woditza 
in  Epirus,  dann,  im  August,  beide  Inseln  besetzt  ^).  Leonardo 
floh  nach  Neapel.  Venedigs  Vermittlung  erreichte  nur  den  freien 
Abzug  Peter  Buas  mit  seinen  500  Reitern  und  vielen  Einwohnern 
von  der  gleichzeitig  annektierten  Insel  Zante  ^).  Auch  auf  der 
von  den  Venezianern  Bastia  benannten  Insel  und  bei  Chimära 
raubten  die  Türken  und  besetzten  einige  Ortschaften  bei  Parga 
an  der  epirotischen  Küste  *).  Als  dann  Antonio,  der  Bruder  des 
entthronten  Leonardo,  mit  Katalanen  in  Kephallenia  und  Zante 
landete,  liefs  ihn  die  Republik  von  dieser  letzteren  Insel  ver- 
jagen ^)  und  besetzte  sie,  angeblich  im  Einverständnis  mit  dem 
moreotischen  Sandschak^);  auch  Kephallenien  ereilte  im  Jahre 
1483  dasselbe  Los.  In  Skutari  wurde  ein  Sandschak  für  Alba- 
nien eingesetzt  '').  Der  Sultan  liefs  aber  seinen  nunmehrigen 
Freunden  nur  den  Besitz  Zantes  mit  der  Verpflichtung  eines 
Tributs  von  500  Dukaten  ^). 

Zante  gehörte  dem  Könige  von  Aragonien,  einem  Mit- 
gliede  der  Liga,  die  während  des  Krieges  mit  Usun-Hassan  den 
Osmanen  an  den  kleinasiatischen  Küsten  so  grofsen  Schaden  zu- 
gefügt  hatte.     So  mufsten  denn  jetzt   König   Ferdinand  und  die 


1)  „Commemoriali"  V,  S.  230,  Nr.  134.  Vgl.  auch  S.  231,  Nr.137;  S.  237, 
Nr.   161,   163.     Vgl.  Sathas,  Mon.  I,  S.   272  ff. 

2)  Magno  in  Sathas  VI,   S.   215. 

3)  Chron.  F.  33,  fol.  161.  Schon  im  Jahre  1473  waren  Moreoten  aus 
Vomero ,  Olenos,  Chelidoni  in  Zante  angesiedelt  („Commemoriali"  V,  S.  212, 
Nr.  64).  Über  die  Beziehungen  zwischen  Venedig  und  dem  Herzog  von  Leukas 
,, Commemoriali"  V,  S.   131,  Nr.  35. 

4)  Magno  S.   217  —  218. 

5)  Vgl.  Sathas  I,   279  ff. 

6)  Navagiero  in  Muratori  XXIII,  p.   1180— 1181,   1189;  Magno  S.  234ff. 

7)  „Mon.  Hang.  Hist."  VII,  366. 

8)  Vgl.  Zinkeisen  II,  S.  451   und  Anm.   2. 


Die  Kriege  Mohammeds  11.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.      1 91 

Johanniter  vom  Rhodos,  die  sich  ebenfalls  an  jenem  Kreuzzuge 
beteiligt  hatten,  bestraft  werden,  wenn  der  Ehre  des  osmanischen 
Reiches  Genüge  geschehen  sollte.  Letztere  auch  noch  aus  dem 
Grunde,  weil  die  Aufständischen  auf  Lemnos,  die  den  Subaschi 
getötet  hatten,  zu  den  Rittern  geflüchtet  waren  '). 

„Am  22.  Mai  1480  sach  der  Wächter  auf  der  Warft  zu  Rodis 
eyn  grosse  Schar  und  Zal  von  Schiffen  mit  vollen  Segeln  her- 
faren  und  verkündet  es  pald  dem  Maister  und  der  Stat,  welches 
zu  beschawen  gross  Wellt  zulief,  auch  gross  Forcht  und  Erschrecken 
ward  davon  empfangen ".  Es  handelte  sich  um  nicht  weniger 
als  86 — 100  Schiffe  mit  einem  ganzen  Heere,  das  sich  bei  Fisco, 
in  Anatolien ,  Rhodos  gegenüber,  eingeschifft  hatte  ^)  und  unter 
den  Befehlen  des  Kapudan  Messih  stand.  Die  Ritter  hatten 
von  den  Vorbereitungen  der  Türken  Kunde  erhalten  und  ihre 
Mauern  verstärkt,  viele  Waffen,  darunter  „  starck  Gewer  und  viel 
Puchsen",  zusammengebracht,  in  allen  Provinzen  des  Ordens 
Geld  gesammelt  und  den  Papst  um  Hilfe  angerufen,  der  ihnen 
auch  noch  rechtzeitig  ein  Schiff  mit  Getreidevorräten  schickte. 
Im  Grofsmeister  Pierre  d'Aubusson  und  seinem  Bruder  Anton 
hatte  die  Insel  heroische  Verteidiger  gefunden. 

Zuerst  griffen  die  Türken  den  hoch  auf  einem  Felsen,  ,,drew- 
hundertt  Schritt  weit  in  das  Mer  "  gebauten  St.  Nikolausturm  an. 
Ihre  Bombarden  aber  waren  nicht  imstande,  das  mächtige  Werk 
zu  zerstören.  Auch  ein  Sturm  auf  das  Schlofs  hatte  keinen  Erfolg. 
Gerade  als  die  Brüder  für  die  Befreiung  ihrer  Stadt  einen  Gottes- 
dienst in  der  grofsen  Marienkirche  abgehalten  hatten  und  durch 
ein  gemeinsames  Essen  den  glücklichen  Tag  feierten,  gingen  die 
Türken  mit  erneuertem  Eifer  zum  Sturme  vor,  und  wiederum 
vergeblich.  Am  20.  Juli  galt  der  Angriff  von  neuem  dem 
St.  Nikolausturm ;  der  heifse  Kampf  dauerte  von  der  letzten 
Stunde  der  Nacht  bis  10  Uhr  morgens  an;  ein  Verwandter  des 
Sultans,  ,,  ein  junger  Herr,  der  des  turckischen  Keyssers  Suns 
Dochter  zu  Weyb  gehabt  hab",  fiel.  Beim  vierten  Sturme 
(28.  August)    wurde    ,,die    Welsche    Thüre"    eingenommen    und 


1)  Magno  S.  218. 

z)  Vgl.  auch  den  Brief  des  Sekretärs  Malatestas  bei  Sansovino  fol.  25 2  ff. 


193  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

die  kaiserliche  Fahne  darauf  aufgepflanzt;  der  Grofsmeister  war 
fünfmal  verwundet.  Aber  die  Stadt  hielt  sich.  Als  dann  zwei 
neapolitanische  Schiffe  sich  den  Eingang-  in  den  Hafen  erzwangen, 
wurde  die  Belagerung  am  89.  Tage  aufgehoben  '). 

Gegen  König  Ferdinand  kämpfte,  eigentlich  aus  eigener 
Initiative,  der  in  Albanien  zurückgebliebene  Achmed-Gedik,  der 
einige  Zeit  als  Mazul  und  Verbannter  in  Saloniki  zugebracht 
hatte,  und  sich  dem  obersten  Herrn  jetzt  durch  eine  unerhörte 
kühne  Tat  empfehlen  wollte.  Aus  dem  Hafen  von  Avlona  ^) 
segelte  eine  mächtige  türkische  Flotte  von  150  Fahrzeugen,  die 
von  Galiipolis  dorthin  geschickt  war  ^),  gegen  Otranto  in  Apulien 
aus.  Die  schöne  Stadt,  die  ganz  unvorbereitet  war,  konnte  der 
Belagerung  nur  einige  Tage  Widerstand  leisten  und  wurde 
(26.  Juli)  genommen.  Der  königliche  Befehlshaber  und  der  Erz- 
bischof Stephan  wurden  grausam  ums  Leben  gebracht,  auch 
viele  Priester  erlitten  den  Märtyrertod.  Lecce,  Neritone,  Castro, 
Ogentino  sollten  gleichsam  eine  Raja,  d.  h.  Provinz,  Ernährungs- 
zone der  ersten  osmanischen  Eroberung  auf  italienischem  Gebiete 
bilden.  Auch  eine  sizilianische  Stadt  am  Monte  Gargano  fiel 
an  die  Türken  *).  In  Otranto  liefsen  sie  eine  Besatzung  von 
5000  Mann  zurück  ^). 

König    Matthias    schickte    bald    einige    hundert    Ungarn    mit 


i)  Zwei  unedierte  Erzählungen  im  cod.  lat.  monac.  14668  und  Nürnberger 
Archiv  S.  XI,  R.  i,  Nr.  17,  fol.  131  — 152:  „Anslag  wider  die  Turcken".  Vgl. 
die  päpstliche  Bulle  im  cod.  germ.  monac.  1586.  Über  die  angeblichen  vene- 
zianischen Zuflüsterungen,  an  die  sogar  Venezianer  glaubten,  s.  Navagiero 
S.  1165.  Der  Kanzler  des  Ordens,  Caorsin,  hat  die  Belagerung  in  einem  gedruck- 
ten Werkchen  umständlich  beschrieben  (o.  D.,  dann  Rom   1584). 

2)  Siehe  auch  Sathas  VI,  S.   135,   137  ff. 

3)  König  Matthias  spricht  von  60  Galeeren;  „Matyäs  Kiraly  Levelei ''  II,  S.  37. 
Der  Proveditore  von  Morea  von  60  Schiffen  im  ganzen;   Sathas  VI,   S.    138. 

4)  ,,Civitatem  vestanam  in  partibus  sipontinis  vel  montis  Gargani  consti- 
tutam. " 

5)  Vgl.  auch  Sanudo,  Vite,  Diarium  Parmense,  in  Muratori  XXU.  In 
demselben  Jahre  vcurde  auch  auf  Chios  geraubt,  Imbros  und  Tenedos  befestigt; 
Magno  S.  218,  224.  Eine  genaue  Angabe  der  Quellen  in  Thuasne,  Gentile 
Bellini  et  Sultan  Mohammed  II,  Paris   1888,  S.  47,  Anm.   2. 


Die  Kriege  JMohammeds  II.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.      193 

dem  erfahrenen  Mag-yar  ').  Jetzt  endlich  kamen  die  Italiener 
wirklich  in  Beweg-ung-.  Der  Papst  versprach  3000  Fufssoldaten, 
Florenz  2000,  der  Herzog-  von  Mailand  3500;  der  g-eschädig-te 
König-  von  Neapel  machte  die  g-röfsten  Anstreng-ungen.  Nur 
Venedig-,  seines  soeben  g-eschlossenen  Friedens  froh  —  hatte 
es  doch  sog-ar  einen  Aufstand  des  Brazzo  di  Maina  unter  dem 
Stratioten  Chalkokondylas  Clada  ig^noriert  ^)  — ,  fehlte;  es  war 
mit  der  Einnahme  Veg-lias  und  mit  dalmatinischen  Wirren  be- 
schäftigt ^).  Durch  eine  Kommission  von  acht  Kardinälen  liefs 
die  Kurie  eilig  Geld  zusammenbringen.  Der  Frieden  zwischen 
Florenz ,  Siena ,  Mailand  und  Neapel  wurde  wiederhergestellt 
und  Sixtus  IV.  nahm  das  durch  den  Einbruch  der  Heiden  ent- 
ehrte Süditalien  in  seinen  besonderen  Schutz  *).  Dem  zusammen- 
gebrachten Heere  gelang  es  Otranto  wnederzunehmen ,  und  die 
Türken  wurden  nun  ebenso  grausam  behandelt,  wie  es  von  ihrer 
Seite  den  Christen  geschehen  war.  Und  ganz  Italien  tönte  von 
gelehrten  Danksagungen  und  Ermahnungen  der  mehr  oder 
weniger  berühmten  Rhetoriker  der  Zeit  wider  ^). 

Im  Reiche  war  für  den  Frühling  ein  Tag  zu  Freisingen  an- 
gesetzt; derselbe  wurde  dann  bis  zum  Montag  nach  Trinitatis, 
zuletzt  bis  zum  Herbste  verschoben  und  nach  Nürnberg  verlegt. 
Hierhin    kamen    auch    ungarische    Boten,    die    gegen    die    über- 


1)  „Matyas  Kiräly  Levelei"  II,   S.    108,    121. 

2)  Sathas,  Monumenta  I,   S.   271  ff. ;   VI,   S.    1476. 

3)  Bonfinius  S.   444 — 445. 

4)  23.  Juni    1480;   cod.  lat.   monac.  414,   fol.    166. 

5)  Cod.  lat.  monac.  414,  fol.  180:  „Eolidi  Erhardi  Ventimontani  doctoris 
recepta"  usw.  Vgl.  Hettinger,  Hist.  eccl.,  Tiguri  1654 — 1658,  XV,  S.  355 
bis  605.  Die  Prophezeiungen  des  Antonio  Arquato,  Bibl.  S.  Marco  lat.  XIV,  230, 
fol.  233 ff.  Die  Ermalinung  des  Kanonikers  Jacob  Cenna  de  Venusa,  Neapel, 
Bibl.  X  D  3,  fol.  133.  Ein  Werk  des  Giovanni  Nanni  von  Viterbo  in  einer 
Inkunabel,  München,  Türe.  8013,  8°.  Siehe  auch  die  Handschrift  F  85.  Sup. 
von  Neapel:  „I.  Baptiste  Carmelite,  Mantuani,  theologi ,  ad  Alfonsum  Calabryae 
ducem  post  expulsos  ex  Italia  Turcos  panegyricum  Carmen".  Deutsche  Türken- 
projekte, Nürnberger  Archiv  S.  11,  R.  I,  Nr.  17,  fol.  131  — 152;  München,  Reichs- 
archiv, „Türkenhilff"  a.  a.  O. ,  fol.  6:  ein  Heer  von  500000  Mönchen,  mit 
19.468.800  ,,ungrisch  Gulden"  für  die  Spesen  usw.  Auch  im  cod.  lat.  monac. 
14668,  fol.    HO — 113  vo. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  13 


194  Erstes  Buch.     Achtes  Kapitel. 

vorsichtige  Politik  des  Kaisers  mit  Worten  protestierten,  die  als 
unziemlich  und  häfslich  (in  re  odiosa)  empfunden  wurden.  Aber 
im  Juli/Aug-ust  1480  waren  die  Bosnier  wieder  erschienen;  sie 
drang-en  bis  Leoben  und  schädigten  auch  die  Steiermark  bis 
Rakolsburg  und  Gratz  und  die  ungarischen  Grenzländer  ^).  Schon 
gebärdete  sich  Mohammed  hier  als  Gebieter;  so  befahl  er  dem 
Grafen  von  Görtz,  für  das  Schlofs  Belgrad  die  der  Gräfm  Katha- 
rina von  Cilly,  einer  geborenen  serbischen  Prinzessin  und  Ver- 
wandten der  Osmanen,  versprochenen  Kaufgelder  unverzüglich 
zu  zahlen  2).  Die  148 1  auf  einem  Tage  zu  Wien  (September) 
festgesetzten  Kontingente  kamen  niemals  zusammen  ^). 

Die  Aufmerksamkeit  Mohammeds  galt  jetzt  aber  neuerdings 
nur  den  asiatischen  Verhältnissen. 

Im  Osten  war  zwischen  den  Prinzen  von  Sulkadr,  wie  vormals 
zwischen  denen  Karamaniens,  ein  dynastischer  Streit  ausgebrochen. 
Budak  mufste  zum  Sudan  fliehen;  sein  Bruder  Melek-Arslan 
wurde  in  der  Schlacht  bei  Merasch  getötet  *).  Mohammed  setzte 
den  Turkomanen  dieses  fernen  Fürstentums  den  Schach-Suwar 
zum  Oberhaupt;  Budak  suchte  vergebens  Mittel,  aus  Ägypten 
wieder  dahin  zurückzukehren.  Zwar  erschienen  Gesandte  des 
Sudans,  um  sich  für  den  Flüchtling  zu  verwenden,  und 
Suwar  wurde  von  seinen  eigenen  Anhängern  verraten,  dann,  als 
er  gleichfalls  nach  Ägypten  weilte,  hier  gehängt.  Mohammed 
aber  schickte  Alai-Dewlet  gegen  Budak  in  den  Kampf  und  ver- 
traute ihm  das  Land  an.  Doch  auch  mit  diesem  kam  es  bald 
zu  Mifshelligkeiten  ^). 


i)  Bonfinius  S.  441.     Vgl.  „Matyäs  Kiiäly  Levelei"  II,  S.  43 — 45. 

2)  Cod.  monac.  lat.  414,  fol.  174.  Über  die  Gräfin  und  das  Schlofs  Belgrad 
s.  Predelli,  Commemoriali  V,  S.   112,  Nr.  344. 

3)  Vgl.  Innsbrucker  Archiv  P.  A.  II,  160 — 161;  K.  Archiv  Sigmund  I,  12; 
Kopialbücher,  „Registrum  certarum"  usw.  1476,  8»,  fol.  270;  München,  Reichs- 
archiv, „Türkenhilff"  a.  a.  O.,  Nr.  13;  cod.  lat.  monac.  434,  fol.  154!?.;  cod. 
lat.  monac.   26  604,  fol.   7  vo,  Nürnberger  Archiv  L.  B.  69,  36. 

4)  Sead eddin  II,  S.  316. 

5)  Ebenda  S.   316 — 319. 


Die  Kriege  ^lohamraeds  11.  in  Asien.     Letzte  europ.  Eroberungszüge.     195 

Einen  weiteren  Grund  zu  Zwistigkeiten  zwischen  Mohammed 
und  dem  Sudan  bildeten  die  Hadschis,  die  Pilger ,  die  jährlich 
nach  den  heiligen  Stätten  zogen;  der  Osmane  wünschte  ihnen 
Erleichterungen  zu  verschaffen,  die  der  ägyptische  Herrscher  als 
persönliche  Kränkung  empfand,  da  die  Einmischung  als  gegen 
seine  eigene  Verwaltung  und  deren  Wirksamkeit  gerichtet  er- 
schien ^).  Auch  um  Tarsus  und  Adaua,  die  sarazenischer  Besitz 
waren,  stritt  man  seit  einiger  Zeit  ^). 

Diesen  unklaren  Verhältnissen  durch  eine  notwendig  ge- 
wordene Annexion  für  immer  ein  Ende  zu  machen,  vielleicht 
aber  auch  zu  dem  näheren  Zwecke,  dem  schwachen  Sudan 
Kaitbai  Syrien  zu  entreifsen,  brach  Mohammed  im  April  des 
Jahres   148 1   auf^). 

Seit  langem,  schon  seit  1464,  war  er  so  stark,  dafs  ihm  das 
Reiten  Schwierigkeiten  machte,  aufserdem  hatten  ihm  die  Kriegs- 
strapazen die  Gicht  eingebracht.  Es  war  das  der  Grund,  weshalb 
er  1465  ausruhte  und  keinen  persönlichen  Zug  unternahm.  Im 
Jahre  1466  sprach  man  von  seinem  Tode,  behauptete  freilich 
auch,  das  Gerücht  sei  auf  eine  Kriegslist  des  Sultans  zurück- 
zuführen. 1468  galt  er  wiederum  als  krank,  und  1475  plagte 
ihn  die  Gicht  so  heftig,  dafs  der  geplante  Zug  gegen  die  Moldau 
unterbleiben  mufste  *).  Im  Lager  ereilte  ihn  jetzt  ein  neuer 
starker  Anfall,  dem  er  am  3.  Mai  bei  Tekür  in  Anadol  erlag. 


1)  Vgl.  Seadeddin  II,  S.  31511.,  mit  dem  Briefe  des  Sekretärs  Malatestas, 
fol.   252. 

2)  Siehe  den  schon  zitierten  Brief.  Ausdrücklich  wird  berichtet ,  dafs  Mo- 
hammed „a  i  danni  del  Soldano   del  Cairo"  auszog. 

3)  Seadeddin  II,  1481,  Ende.  Matthias  gibt  das  Datum:  „quinto  vel 
sexto  die  niaii".  „Epistolae  ad  romanos  pontifices"  S.  175;  ,,Mätyäs  Kiraly 
Levelei "  11,   S.    150;  Diarium  parmense,   Sp.   374. 

4)  „Mon.  Hung.  Hist.»  IV,  S.  350,  370,  384;  V,  S.  43,  45,  265,  286, 
288;  Ljubic  X,   S.  450;   Kritobulos. 


13* 


Neuntes  Kapitel. 

Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan 
Mohammed  11. 


Dreifsig'  Jahre  hindurch  hat  der  Herrscher,  der  nun,  zu  einer 
neuen  Eroberung  ausholend,  gestorben  war,  mehr  als  die  niedrigen 
Ziele  eines  Menschentöters,  Blutvergiefsers  und  Länderverwüsters 
verfolgt,  wie  sie  manchem  seiner  christlichen  Zeitgenossen,  deren 
so  gefafstes  Urteil  über  ihn  noch  heute  in  zahlreichen  Werken 
moderner  Geschichtsbetrachtung  einen  Widerhall  findet,  einzig 
vorschwebten.  Es  war  auch  nicht  der  eitle  Charakter,  der  alles 
für  vergänglichen  Ruhm  zu  opfern  sich  hätte  bereit  finden  lassen ; 
sein  Ehrgeiz,  Alexander  dem  Grofsen  und  Cäsar  gleichzukommen, 
entbehrte  edlerer  Elemente  nicht.  Vor  allem  wollte  er  ein 
Reich,  ein  wirkliches,  festgefügtes  Reich  begründen. 

Es  sollte  aus  der  vollständigen  Eroberung  der  bisher  in 
losem  Vasallenverbande  stehenden  Provinzen  emporwachsen ,  in 
einer  gewaltigen  kaiserlichen  Residenz,  als  dem  Mittelpunkt  aller 
Entschlüsse  und  dem  Sammelplatz  aller  Art  Beute,  gipfeln.  Und 
diesen  bis  ins  einzelne  imd  für  die  Dauer  organisierten  Staats- 
körper zu  verwalten  und  zu  verteidigen,  war  nicht  mehr  nur  die 
mit  einigen  Renegaten  untermischte,  führende  Klasse  der  Osmanen 
allein  berufen,  sondern  alle  sollten  daran  Anteil  haben,  die,  in 
verschiedenen  Ländern,  verschiedenen  Völkern  entstammend,  sich 
zur  Verleugnung  ihrer  christlichen  Religion  entschliefsen  konnten, 
um  in  der  internationalen  mosleminischen  Demokratie,  die  dennoch 
von  jedem  Winke  des  Sultans,  als  dem  Vertreter  des  Gründers 
des  Staates,  Osmans,  abhing,  zu  verschwinden. 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan   Mohammed   II.  197 

Im  Innern  des  neuen  Kaiserreichs  herrschte  Frieden,  wie  in 
den  alten  römischen  Zeiten ;  die  Pax  romana,  die  byzantinische 
Sicherheit  der  ruhmreichen  Ära,  war  zurückgekehrt,  und  jeder- 
mann erfreute  sich  ihrer.  Zu  den  polnischen  und  ungarischen 
Feudalsitten,  unter  denen  Bürger  und  Bauer,  trotz  aller  be- 
schworenen Privilegien,  unendlich  zu  leiden  hatten ,  zu  der  alt- 
hergebrachten Unruhe,  wie  sie  im  System  der  slawischen  Klein- 
staaterei lag,  zu  der  drückenden  Last  der  letzten  griechischen 
Schwächlinge,  die  ohne  irgendeine  Gegenleistung  die  Untertanen 
mafslos  ausbeuteten,  zu  dem  deutschen  Chaos  unter  dem  prakti- 
schen und  eigennützigen  Kaiser  Friedrich  bildete  der  osmanische 
Länderkomplex  einen  glücklichen  Gegensatz.  Niemand  hatte  um 
seines  Glaubens,  seiner  Nationalität  willen  Unbill  zu  befürchten; 
Gewohnheiten  und  Gebräuche  wurden  nicht  angetastet.  Die 
Türken,  schreibt  ein  geborener  Serbe ,  der  viele  Jahre  im  Jani- 
tscharenkorps  gedient  hatte,  sind  vor  allem,  sowohl  unterein- 
ander, wie  gegen  ihre  Untertanen,  ohne  Unterschied  der  Religion, 
und  gegen  die  Vasallenländer  gerecht ').  Viermal  im  Jahre  ging 
eine  Art  von  osmanischen  missi  dominici  aus,  um  die  Behand- 
lung der  „  Raja "  zu  überwachen  und  zu  verhindern,  dafs  „  die 
armen  Leute  bedrückt  werden "  ^).  An  eine  Kolonisation  der 
eroberten  Länder  durch  das  an  Zahl  geringe  türkische  Element 
und  eine  Verdrängung  der  Eingeborenen  war  nicht  zu  denken; 
in  Morea  z.  B.  gesellten  sich  zu  den  früheren,  schon  in  der 
ersten  Zeit  der  Lateinerherrschaft,  unter  dem  Fürsten  Wilhelm  II. 
von  Achaja  angesiedelten  Beglerbeiden  ^) ,  keine  neuen  mos- 
leminischen  Bewohner.  Überall  liefs  man  das  frühere  Leben  in 
seinen  hundert-  und  tausendjährigen  Bahnen  weitergehen. 

Zwar  hatte  auf  der  Burg  oder  in  der  befestigten  Stadt  der 
kaiserlich  osmanische  Befehlshaber  den  christlichen  ersetzt;  der 
Sandschak,  der  über  viele  Subaschis  gebot,  w^ar  an  Stelle  des 
Provinzverwalters  der  niedergeworfenen  oder  zurückgedrängten 
Mächte    getreten,    und  auf  dem  Lande    hatten    sich    in  die    von 


i)   „Serbischer  Janitschar",  Kap.   VIII. 

2)  Ebenda  Kap.  XXXVIII. 

3)  Die  auch  bei  Phrantzes  und  Chalkokondylas  erwähnt  werden. 


198  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

den  verjagten  oder  getöteten  Gutsbesitzern  verlassenen  Häuser 
Spahis  mit  ihrem  türkischen  Anhange  eingenistet,  um  von  Dörfern 
und  Flecken  den  Zehnten  zu  erheben  ')  und  die  Fronleistungen 
zu  fordern.  Aber  darin  bestand  auch  der  ganze  Wechsel  der 
Lebensverhältnisse.  Dem  Bauer  nahm  niemand  sein  Land, 
niemand  dem  Bürger  seinen  Laden  oder  seine  Werkstatt,  dem 
Priester  niemand  seine  Kirche,  wo  der  christliche  Gottesdienst 
ruhig  nach  wie  vor  stattfand.  Der  Kadi  richtete  und  schlichtete 
nach  dem  Rechte  des  Korans  nur  die  Streitigkeiten  der  Seinigen 
und  die ,  an  denen  Türken ,  Moslemin  interessiert  waren ;  wer 
wollte,  dem  stand  jederzeit  frei,  sich  an  die  Dorfältesten  (pro- 
togeroi),  den  Priester  und  weiter  an  den  Metropoliten  selbst  um 
ein  Urteil  zu  wenden. 

Das  in  den  Provinzen  sich  ansiedelnde  türkische  Element 
schonte  und  mufste  alle  friedlichen  Einwohner  schonen,  die 
dem  Kaiser  ihren  Kharadsch  —  der  viel  weniger  betrug  als  die 
fiskalischen  Lasten  der  christlichen  Zeit  —  entrichteten,  dem  durch- 
ziehenden Heere  durch  Quartiergewährung,  Strafsen-  und  Brücken- 
bau usw.  Dienste  leisteten  ^)  und  den  kaiserlichen  Olaken,  oder 
Eilboten,  Pferde  lieferten  2).  Die  Krieger  wurden  bezahlt,  gut 
bezahlt,  und  zahlten  ihrerseits  mit  guter  Münze  für  Lebensmittel ; 
ihre  Quartiere  waren  von  zahlreichen  Kaufleuten  umlagert,  die 
ihnen,  was  sie  nur  wünschen  konnten,  zu  verschaffen  bereit  waren. 


1)  Vgl.  Sathas  VI,  S.  125  (J.  1480):  „quello  luogo  del  quäl  i  suo  timarati 
haveva  scosso  la  decima".     Siehe  auch  S.   144. 

2)  Siehe  den  venezianischen  Bericht  vom  Jahre  1472.  „allogiarono  per  forza 
in  case  delle  persone,  loro  et  li  cavalli,  infin  ad  gitare  le  porte";  „Mon.  Hung. 
Hist. "  V,  S.  243.  Vgl.  auch  Jirecek,  Heerstrafse,  S.  116 — 117.  Über  die 
Olaken  Chalkokondylas   S.   504. 

3)  Es  gab  aber  auch  selbstverständlich  Ländereien,  die  den  Mosleminen  zu 
eigen  gehörten  (Zehntgründe),  und  solche,  die  als  „Steuergründe"  der  Christen 
anerkannt  wurden,  die  aber  aufser  der  Kopfsteuer  noch  eine  Grundsteuer  und  eine 
Ertragsteuer  —  wie  übrigens  in  der  byzantinischen  Zeit  —  entrichten  sollten 
(Rechtsspruch  aus  der  Zeit  Mohammeds  IL,  Hammer,  Staatsverfassung  I,  S.  343  f-; 
vgl.  Bicran  Arslanian,  Eine  historisch- nationalökonomische  Studie  über  das 
System  des  ländlichen  Grundeigentumes  im  Osmanischen  Reiche,  Leipziger  Dis- 
sertation, ohne  Jahr).  Andere  wurden  vom  kaiserlichen  Schatzmeister  unmittelbar 
verwaltet  oder  an  fromme  Stiftungen  geschenkt. 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  11.  199 

Auch  wurden  bei  jedem  Kriegszuge  auf  Staatskosten  ungeheure 
Mengen  Proviant  für  das  Heer  bezogen.  Der  serbische  Jani- 
tschar,  der  manchen  Krieg  mitmachte,  bezeugt  das  Vorhandensein 
von  420  Kamelen  zu  diesem  Zwecke  und  von  420  anderen  zum 
Ersätze  ^).  Auf  dem  asiatischen  Zuge  des  Jahres  1472  benötigte  man 
für  Überführung  der  Lebensmittel  nicht  weniger  als  80  Schiffe, 
parandarie^).  Für  jede  Ware  wurde  ein  bestimmter  Preis 
angesetzt;  so  zahlte  man  zum  Beispiel  im  selben  Jahre  des 
Zuges  gegen  Usun-Hassan  ^)  für  das  Mafs  Gerste  3  Aspern. 
Den,  der  auf  Kosten  der  „armen  kaiserlichen  Raja"  leben  wollte, 
trafen  die  härtesten  Strafen.  „  Einem  Bauern  ein  Huhn  wegzu- 
nehmen war  mit  Lebensgefahr  verbunden",  schreibt  der,  lange 
Jahre  inmitten  derjanitscharen  Beobachtungen  sammelnde  Serbe  ^). 
Denn  die  Türken  waren  sich  der  Schwierigkeit,  christliche 
Provinzen  zu  gewinnen,  solange  deren  Bewohner  die  offenbaren 
Vorteile  der  osmanischen  Herrschaft  nicht  aus  Erfahrung  kannten, 
wohl  bewufst;  hier  und  da  kämpften  nicht  nur  der  Fürst,  seine 
Barone  und  gemieteten  Söldlinge  gegen  die  Eindringlinge, 
sondern  auch  die  gemeinen  Leute  des  Landes,  besonders  wohl 
in  belagerten  Städten,  die  eine  „Strafe",  wie  sie  hartnäckige 
Feinde  des  Sultans  erwartete ,  trotz  aller  vorherigen  Verein- 
barungen immer  gewärtigen  mufsten.  Wenn  aber  die  alte  Re- 
gierung einmal  verschwunden  war,  die  Janitscharen  die  Mauern 
besetzt  hielten  und  die  Spahis  ihre  Ländereien  im  Besitz  hatten, 
fehlte  jeder  Anlafs  zur  Unzufriedenheit,  und  benachbarte  christliche 
Mächte  vermochten  nur  höchst  selten  —  wie  etwa  1463  in  Morea, 
wo  die  venezianische  Verwaltung  ebenfalls  überaus  wohlwollend  und 
vorteilhaft  war  —  unter  den  Untertanen  des  heidnischen  Kaisers 
einen  Aufruhr  zu  erregen,  der  ihren  kriegerischen  Operationen 
hätte  Vorschub  leisten  können. 

Reichere,    vornehmere    oder    ehrgeizigere    Familien,    sofern 
sie  nicht  für  immer  sich  zu  einer  unbedeutenden  Rolle  verurteilt 


i)  Kap.  XXXIX. 

2)  Venezianischer  Bericht  in  „Mon.  Hung.  Hist. "  V,  S.   243. 

3)  Ebenda. 

4)  Kap.  XLIII. 


300  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

sehen  wollten  und  ihre  Besitzrechte  aufrecht  zu  erhalten  bestrebt 
waren,  scheuten  sich  nicht,  in  diskreter,  geziemender  Weise  zum 
Islam  überzutreten ;  zuerst  rein  äufserlich,  bis  mit  der  Zeit  der 
fanatische  Glaube  in  ihnen  oder  ihren  mosleminisch  erzeugten 
Kindern  Wurzel  fafste.  So  geschah  es  in  vielen  Gegenden 
Albaniens,  wo  die  religiöse  Spaltung  zwischen  Christen,  meist 
lateinischen  Bekenntnisses,  und  „  Türken  "  schon  aus  der  heroischen 
Zeit  des  grofsen  Skanderbeg,  der  selbst  Renegat  gewesen  war, 
herrührt.  Ebenso  in  Bosnien,  wo  aus  den  Familien  der  Woi- 
woden  und  Knesen  die  späteren  Begs,  Landbesitzer  und  eigent- 
lichen feudalen  Herren  des  Landes,  hervorgingen.  Hier  wie 
dort  sprach  man  und  spricht  man  bis  heute  nicht  den  gutturalen 
Dialekt  Anadols,  sondern  die  einheimische  illyrische  oder 
slawische  Sprache  und  führt  neben  Namen,  die  aus  dem  mos- 
leminischen  Vorstellungsschatze  der  Türken  entnommen  wurden, 
Familienbezeichnungen  mit  patronymischer  Endung.  Auch  die 
bekehrten  Bulgaren,  deren  Zahl  gering  war,  weil  in  den  lang- 
jährigen wilden  Kriegen  des  14.  Jahrhunderts  viele  Bojaren  getötet 
wurden,  blieben  bei  ihrer  einheimischen  Sprache.  Manche  hoch- 
angesehene Träger  der  mit  Gold  überladenen  Hüte  waren  Griechen; 
auch  diese  gaben  ihre  schöne  Sprache  nicht  auf.  Bei  Griechen, 
Bulgaren  und  Serben  bildeten  die  Renegaten  eine  individuelle 
Minderheit,  während  in  Bosnien,  der  Herzegowina  und  Albanien 
ganze  Gegenden  freiwillig  zur  mosleminischen  Religion  übergetreten 
waren,  um  sich  ungestört  in  den  ererbten  Verhältnissen  zu  er- 
halten. Mahmud-Pascha,  der  bedeutendste  unter  den  Mitarbeitern 
Mohammeds  II. ,  der  zweimal  die  Würde  eines  Wesirs  be- 
kleidete ^) ,  war  Grieche  und  seine  Herkunft  allgemein  bekannt. 
Sein  Vater  hiefs  Michael,  seine  Mutter  war  aus  Serbien  gebürtig; 
hier  hatte  er  seine  ersten  Jahre  verlebt,  und  Akindschis  erbeuteten 
ihn,  als  er,  noch  ein  Kind,  von  Novobrdo  nach  Semendria  unter- 
wegs war.  Die  Frau  des  moreotischen  Archonten  Manuel  Bubali 
war  seine  Base  ^).    Der  angesehene  Mann,  der  als  der  „  tapferste 


0   1453— 1467,  dann   1472— 1473. 

2)  Jiat^aä^kifrj.      Vergleiche    Ch  alk  okondy  las    S.    436ff.;    Phrantzes 
S.  406. 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  II.  201 

und  verständigste  am  Hofe  "  ^)  gerühmt  wurde  und  dessen  Rat  in  den 
wichtigsten  Staatsgeschäften  der  Sultan  sogar  nach  seiner  Ab- 
setzung noch  einholte ,  dieser  begabte  Heerführer,  der  seinem 
Kaiser  stets  voranging  und  den  schwersten  Teil  einer  Unter- 
nehmung auf  sich  nahm  —  so  dafs  zum  grofsen  Teile  ihm 
alles  Verdienst  der  in  15  Jahren  errungenen  Erfolge  gebührte  — -, 
dieser  allgemein  beliebte  Kriegshauptmann ,  der  eine  eigene 
Truppe  besoldete  und  ernährte  ^),  sprach  vermutlich,  obwohl  er 
sich  mit  den  Osmanen  und  den  Interessen  ihres  Reiches  vollauf 
identifiziert  hatte,  nur  schlecht  Türkisch.  Nur  wenige  Mitglieder 
der  herrschenden  griechischen  Oberschicht,  die  Christen  geblieben 
waren,  träumten,  wie  der  Athener  Laonikos  Chalkokondylas,  von 
einem  ,, griechischen  Basileus  und  seinen  Nachfolgern",  die 
vielleicht  doch  noch  erscheinen  würden  ^). 

Der  auf  seiner  Insel  sehr  einflufsreiche  Kritobulos  von  Imbros 
dagegen  erzählte  nicht  nur  objektiv,  wie  Chalkokondylas,  von 
den  Heldentaten  der  Osmanen  oder  suchte,  wie  Dukas,  mit  Hilfe 
der  Sage  eine  Verbindung  zwischen  der  erloschenen  griechischen 
und  der  ihr  gefolgten  osmanischen  Dynastie  herzustellen,  sondern 
besang  schwungvoll,  und  doch  historisch  treu,  die  herrliche 
Laufbahn  des  ,,gröfsten  Autokrators,  des  Kaisers  der  Kaiser, 
Mohammeds  des  Glücklichen,  Siegreichen,  Triumphierenden,  Un- 
bezwinglichen,  des  Herrn  von  Gottes  Gnaden  über  Land  und 
Meer"^),  des  Spröfslings  der  Achämeniden  Persiens  und  damit 
des  Danaos,  des  Urahns  der  Griechen. 

So  erhob  sich  aus  der  Mitte  dieser  Griechen,  die  für  feig 
und  undiszipliniert  galten,  solange  sie  einer  in  innerem  Verfall 
begriffenen  Gesellschaft  angehörten,  auch  der  tollkühne  Begler- 
beg  Has-Murad,    der   in   der   ersten  grofsen  Schlacht  gegen  die 


i)  „Per  essere  el  piü  valente  homo  et  prattico  che  habia  in  la  sua  Corte'''; 
„Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   240,  z.  J.   1472. 

2)  Die  schon  angegebenen  Quellen. 

3)  S.  $:  ,''EXXriv  ßuatktvg  ...;  i^  kvtoD  ^ao/xfvoi  ßncfilfTg . . . ;  01  twv'EIXtJvwv 
naldtg  ^vXkiyöfiivoi  y.ma  aifüiv  airwv  (,'hifia  big  fjifiaTa  fxtv  a(ftalv  aiiToTg, 
Toig  Sk  äXkois  WS  XQccTiaTa  Tiokirfvoivro." 

4)  „AvzoxQttJOQi  fj.(y(aTq),  ßaaiXil   ßaaileoiv  Älf;((fzSTfi,    tvxvyjT,    vi,xr,T7, 

TQOTKUOt'XOi,    d^OlK^ßtVxFl,    dtlTT^Tqj,    Xl'Qlb)    y^S    XtU    ^«^«ffff/Jf    QfOV    &iXrjfJ.aXl.'' 


303  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

„Perser"  am  Euphrat  an  der  Spitze  seiner  Spahis  den  Tod 
fand ;  er  war  ein  Paläologe ,  ein  Verwandter  der  alten  Kaiser 
und  Despoten,  deren  trauriges  Schicksal  ihm  aber  wenig-  am 
Herzen  lag  ^).  Ein  Grieche  war  der  Sandschak  Mehmed  von 
Ang-ora,  dessen  Vater  Mandrominos  hiefs  ^).  Der  erste  Nachfolg^er 
Mahmuds  als  Wesir  ^)  führte  den  Namen  Rum -Mahmud,  was 
auf  ,, rumische",  d.  h.  vor  allem  ,,  römisch-g-riechische  "  Her- 
kunft zu  deuten  scheint.  Der  Befehlshaber  der  1480  g'eg'en 
Rhodos  g^eschickten  Flotte,  der  jung^e  Messih-Pascha,  war  eben- 
falls Grieche  *).  Auch  die  besten,  geschicktesten  Unterhändler 
waren  Rhomäer,  wie  Demetrios  Sophianos,  der  erst  nach  dem 
Falle  Neg"ropontes  in  den  Dienst  des  Sultans  trat  ^).  Einer  der 
Rechtsg'elehrten  unter  der  Regierung-  Mohammeds,  MoUa  Chosrew, 
dem  ,,  die  Grundfesten  der  osmanischen  Rechtsgelehrsamkeit 
geschuldet  werden "**),  war  griechischen  Blutes;  er  war  auch  der 
erste  Renegat,  der  bis  zur  Würde  eines  Kadi  von  Konstantinopel 
und  eines  Mufti '')  aufstieg.  Einer  der  griechischen  Chronisten 
der  Zeit,  Chalkokondylas,  gibt  sogar  die  den  türkischen  ent- 
sprechenden christlichen  Namen,  als  hätte  er  die  Herkunft  mancher 
bedeutender  Persönlichkeiten  seiner  Zeit  festlegen  wollen;  so 
ist  Khidr:  Georg,  Eleezis:  Demetrios  usw.  ^). 

Die  meisten  Renegaten  aber,  die  sich  in  hohen  Stellungen 
befanden,  entstammten  der  zähen  und  tapferen  albanischen 
Rasse.  So  Saganos,  dessen  Schwester  Mohammeds  (freilich  bald 
wieder  beseitigte)  Gemahlin  wurde  ^).  Der  Beglerbeg  Daud  von 
Rum,  der  an  der  Belagerung  Skutaris  teilnahm,  war  Albanier^°). 
Ebenso  der  moreotische  Statthalter  Hamza,  der  dem  bedeutenden 


1)  Chalkokondylas   S.   436. 

2)  Ebenda. 

3)  1467  —  1470.      Die    Zeitangaben    sind    Hammer,    welcher    osmanische 
Tabellen  benutzt,   entnommen. 

4)  Sathas  VI,  S.   135:    ^»Un  Bassa  zovene  Greco,  nominato  Messeh-Bassa." 

5)  Caorsin ;  vgl.  Thuasne,  Djem-Sultan. 

6)  Hammer  I,  S.   599. 

7)  Ebenda. 

8)  A.  a.  O. 

9)  Siehe  oben  Kap.  I. 

10)  Barletius,   Scutari,  in   Sansovino  S.  306 ff. 


Mittel  und  Ziele   des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  II.  308 

fürstlichen  Stamme  der  Zenebisi  angehörte  ').  Aus  der  Familie 
Skanderbegs  waren  sein  Oheim,  Musa,  und  ein  Neffe,  der,  nach- 
dem ihm  für  einige  Monate  die  oberste  Leitung  Albaniens  an- 
vertraut worden  war,  seinen  Kopf  verlor,  zum  Islam  übergetreten. 
Auch  ein  Sohn  des  Arianites  vermehrte  die  Zahl  der  Renegaten^); 
er  wurde  1485  Sandschak  von  Chimära,  und  als  solcher  nach 
einigen  Monaten  von  seinen  Albaniern  getötet^).  Später,  1501, 
wird  weiter  ein  ,, Sandschak  Konstantin"  ebendort  erwähnt*). 
Der  unternehmende  Gedik-Achmed,  der  mit  gleichem  Geschick 
eine  Flotte  anzuführen  wie  an  der  Spitze  des  Landheeres  zu 
kämpfen  verstand  und  als  Wesir  dem  Reiche  Kafifa  erwarb  und 
die  Unterwerfung  der  Moldau  versuchte  (1473 — TJ^-,  war  in  den 
albanischen  Bergen  geboren  worden  und  wurde ,  wie  der  gleich- 
zeitige Beg  Jakub,   „  Arnaut  "  genannt  ^). 

Als  Statthalter  von  Myra  hingegen  fanden  die  vereinigten 
Christen  1473  den  ,,.Triballen"  d.  h.  Serben  Karadscha  vor  ^), 
Bosniake  war  Soliman  der  Eunuche,  der  zur  Würde  eines  Begler- 
begs  im  Westen  aufstieg;  zuerst  einfacher  Torwächter  im  Harem, 
wurde  ihm,  den  unbekannte  Einflüsse  unterstützten,  die  Leitung 
des  ersten  Zuges  nach  der  Moldau  und  der  ersten  Belagerung 
Skutaris  übertragen,  bis  er,  bewiesener  Unfähigkeit  wegen,  in 
Ungnade  fiel.  Ein  Sohn  des  Herzogs  Stipan  tritt  uns  als  Achmed- 
Beg  entgegen ;  er  führte,  zur  Erinnerung  an  seine  erlauchte  Her- 
kunft, den  Beinamen  Herzegowitsch  und  beteiligte  sich  an  der 
Belagerung  Alessios  ''). 

Bulgare  von  edlem  Geschlechte  war  Baltiogli,  der  Admiral, 
der  während  der  Belagerung  Konstantinopels  die  osmanischen 
Schifte  befehligte.  Ein  Sizilianer  Mustapha  verteidigte  Sikino 
1473  gegen   die  Soldaten    des    Kreuzzugs  ^).     Ein    ItaHener,    als 


i)  Hopf,  Griechenland  11,  S.   129. 

2)  Magno  in  Sathas  VI,  S.  236. 

3)  Ebenda. 

4)  „Capi  Cons.",  Albania. 

5)  Siehe  über  den  letzteren  Barletius,  Skanderbeg,  z.  J.   1465. 

6)  Chron.  F.  33,  fol.   143. 

7)  Seadeddin  II,  S.  310. 

8)  Chron.  F.   33,  fol.   141. 


304  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

Knabe  von  Türken  gefangen  genommen  und  bei  ihnen  er- 
zogen, war  1480  als  protogero  und  Dolmetsch  des  Sandschaks 
von  Morea  tätig  ').  Namen  und  Herkunft  so  mancher  anderen 
sind  verloren  gegangen.  Von  den  Osmanen  wurden  sie  oft  ver- 
achtet und  für  „schlechte  Christen  und  schlechtere  Moslemin" 
gehalten  '■'),  wie  diese  die  Juden  nur  als  Unterhändler  benutzten  ^). 
Manche  von  ihnen  übten  sogar  die  Vorsorge,  ihre  Kinder  christ- 
lich taufen  zu  lassen,  sei  es  nur  ,,der  Gesundheit  wegen"*). 

Aus  altem  türkischem  Blute  waren  in  der  Tat  nur  wenige  von 
den  Würdenträgern  und  Hauptleuten  des  ersten  mosleminischen 
Kaisers.  Ein  gleichzeitiger  Schriftsteller  erwähnt  nicht  mehr  als 
drei  edle  osmanische  Häuser,  die  Nachkommen  ,,  Alut-Paschas", 
Ewrenos'  und  Michalbegs.  Von  den  ersteren  ist  nichts  weiter 
bekannt.  Einer  der  ,,  Söhne  des  Ewrenos "  war  jener  Achmed, 
der  an  der  Belagerung  von  Skutari  teilnahm  ^).  Und  was  die 
Michaloglis  betrifft,  so  brachte  es  keiner  von  ihnen  zum  Begier- 
begat  oder  Wesirat,  dagegen  hatten  sie  an  der  Donau  ausgedehnte 
Ländereien,  erbliche  Schlösser,  eine  anerkannte  politische  und 
militärische  Stellung;  in  Serbien,  Bulgarien  und  sogar  in  der 
Walachei  geschah  nichts  ohne  ihre  Mitwirkung  oder  Anteilnahme. 
Die  Mark  an  der  Donau  gehörte  gewissermafsen  der  Famiüe 
Michalogli.  Sie  hatten  alle  Festungen  daselbst,  sowohl  Schabatz, 
Semendria,  Golubatsch,  Vidin,  Rachowo,  Nikopolis,  Rustschuk, 
Tutrakan,  als  auch  Klein-Nikopolis  und  Giurgiu,  auf  dem  linken 
Ufer,  in  ihren  Händen.  Sie  konnten  nach  Belieben  mit  bul- 
garischen, serbischen  und  bosnischen  Akindschis  in  Siebenbürgen 
und  Ungarn,  in  die  Grenzländer  des  Reiches,  und  ins  vene- 
zianische Italien  eindringen  und  dort  plündern.  Bei  den  gröfseren 
Unternehmungen  des  Sultans  fehlten  natürlich  auch  sie  mit  ihren 
Kontingenten     nicht,    nahmen    aber    jedenfalls    eine    besondere 


i)  Sathas  VI,  S.   126. 

2)  Ebenda  S.   189. 

3)  Magno  in  Sathas,  VI,   S.   222. 

4)  „Perche    li    putini    baptizati    passeno    la    infantia    piu    sani    et    piü   neti"; 
Laskaris. 

5)  Barletius,   Scutari,   fol.   318  v». 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter   Sultan  Mohammed  II.  305 

Stellung   ein ,    die    mehr   der  von  Vasallen  als    von  Untertanen, 
von  g-ewöhnlichen  „Sklaven"  des  Herrn  ähnelte. 

Diejenigen  Renegaten,  die  nicht  als  Zöglinge  der  Jani- 
tscharen  aufwuchsen,  wurden  in  das  türkische  Gesellschaftsleben, 
die  Kriegsgewohnheiten  der  Osmanen,  die  Staatswissenschaften 
des  sultanischen  Reiches  und  die  politischen  Geheimnisse  des 
Kaisers  durch  das  militärische  Leben  im  Lager  und  den  fried- 
lichen Aufenthalt  in  Konstantinopel  eingeführt.  Wie  zur  Zeit  des 
bunt  internationalen  und  dennoch  einheitlich  sich  entwickelnden 
byzantinischen  Gemeinschaftswesens  war  die  grofse  kaiserliche 
Hauptstadt  auch  jetzt  wieder  gleichsam  ein  riesiger  Ofen,  aus 
dem ,  nach  Verschmelzung  verschiedener  Elemente ,  die  Bronze 
einer  politisch  und  militärisch  einigen  Nation,  die  nichts  mit  Rasse 
und  Erinnerungen  der  einzelnen  Angehörigen  zu  tun  hatte, 
sondern  nur  in  der  religiösen  und  dynastischen  Hingabe  an  einen 
Gott  und  einen  Kaiser  ihren  Zusammenhalt  fand,  hervorging. 
Mohammed  war,  obgleich  ihm  die  Chroniken  der  Rhomäer  ver- 
mutlich unbekannt  blieben,  von  Anfang  an  sich  dieser  Bedeutung 
der  Hauptstadt  bewufst  und  arbeitete  mit  allen  Kräften  daran, 
dem  neuen  Istambul  seine  ausgleichende  und  verschmelzende 
Aufgabe  zu  ermöglichen. 

Noch  eine  Reihe  von  Jahren  nach  der  Eroberung  Konstanti- 
nopels blieb  Adrianopel  die  eigentliche  Hauptstadt.  Hier  ver- 
brachte der  Kaiser  seine  Winter;  von  hier  aus  erfolgten  die  ser- 
bischen Kriegszüge  durch  das  Nord-  oder  Westtor.  Die  glän- 
zende Festlichkeit  der  Beschneidung  der  Kaisersöhne  Bajesid 
und  Mustafa  wurde  noch  in  dieser  alten  Residenz  Rums  be- 
gangen ^).  Als  eine  Feuersbrunst  Ende  1457  Indirneh  verheerte,  be- 
fahl Mohammed  den  Wiederaufbau  der  Stadt  ^)  und  erschien  selbst, 
um  die  Arbeiten  zu  überwachen.  Er  liefs  auch  einen  seiner 
neuen  Stellung  würdigen  kaiserlichen  Palast  anlegen  und  sorgte 
für  eine  Brücke  über  die  Maritza.  So  blieb  Adrianopel  auch  später 
immer    die   zweite  Hauptstadt    des   Reiches.     Die   Gemahlin  Mo- 


i)  Chalkokondylas  S.  434ff.;  vgl.  Seadeddin  II,  S.   lygff. 
2)  „Dipl.  Rag."  S.  604. 


206  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

hammeds,  die  Tochter  des  Fürsten  von  Sulkadr,  und  die  Sultans- 
tochter Aische  liefsen  prachtvolle  Moscheen  aufführen  ^). 

Sogleich  aber  wurden  auch  Mafsnahmen  g-etroffen,  um  dem  durch 
die  vielen  Belagerungen,  den  langsam  fortschreitenden  wirtschaft- 
lichen Niedergang,  die  Entbehrungen  und  Greuel  der  osmanischen 
Eroberung  sehr  entvölkerten  Konstantinopel  neue  Einwohner  zu- 
zuführen. Ehemalige  Konstantinopolitaner  wurden  wieder  in  die 
Stadt  gezogen ,  indem  ihnen  die  neue  Regierung  besonderen 
Schutz  zusicherte.  Dann  liefs  Mohammed  aus  jeder  ein- 
genommenen Stadt  ein  Kontingent,  gewöhnlich  ein  Drittel  der 
daraus  fortgeführten  Bürger,  für  seine  neue  Hauptstadt  einschreiben 
und  nach  Istambul  bringen.  Jedem  Transporte  wies  man  Häuser 
in  demselben  Quartiere  (mahala),  Höfe,  Gärten,  Äcker  und 
Weingärten  an.  Dabei  machte  man  keinen  Unterschied  zwischen 
Moslemin,  Griechen  und  Lateinern.  Nur  Vagabunden  und  Bauern 
durften  die  Ansiedler  nicht  sein;  man  wünschte  Kaufleute  und 
Handwerker.  So  kamen  denn  die  Bewohner  Alt-  und  Neu- 
Phokäas,  der  Inseln  Thasos  und  Samothrake,  viele  Moreoten, 
Lesbier,  die  alle  an  einer  Stelle  zusammenwohnten,  Franken  von 
Amastris,  zahlreiche  Armenier  von  den  Ufern  des  Schwarzen 
Meeres  und  Griechen  von  Argos,  denen  das  Quartier  Peribleptos 
angewiesen  wurde,  nach  Konstantinopel.  1472  lieferte  Lesbos 
noch  einmal  600  Einwohner,  nebst  200  Kindern  für  das  Jani- 
tscharenkorps  ^).  Nach  den  Verheerungen  der  Pest  von  1466 
wurden  auch  Dalmatiner,  die  die  Akindschis  Bosniens  erbeutet 
hatten,  nach  Konstantinopel  versetzt  ^).  Kaffa  gab  nach  seiner  Ein- 
nahme, im  Jahre  1475,  500  lateinische  Familien  an  die  kaiserliche 
Residenzstadt  ab  ^).  Trapezunt,  die  mosleminische  Stadt  Sinope 
und  schliefslich  das  mit  vielen  türkischen  Altertümern  prangende 
Konieh  steuerten  ganze  Scharen  nützlicher  Bürger  bei  ^).  Auch 
Otranto    lieferte    Ansiedler  ^).      Länsrere    Zeit    hatte    diese    bunte 


i)  Hammer  I,  S.   578. 

2)  San-Marco-Archiv,  Archiv  des  Herzogs  von  Kreta. 

3)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  90. 

4)  Ebenda  S.   345. 

5)  Vgl.  besonders  Kritobulos,    z.   B.   S.  212   der  Ausg.   Dethier-Hopf. 

6)  Nürnberger  Archiv   S.    ii,  R.    i,  Nr.    17,   fol.    143;    vgl.   die    1498   in  Paris 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  U.  207 

Menge  kaum  einen  g-emeinschaftlichen  Charakter,  sondern  wurde 
ledig-lich  durch  die  Ehrfurcht,  das  fast  fromme  Grauen  vor  dem 
neue  menschhche  Verhältnisse  gründenden  Sultan  zusammen- 
gehalten. Als  dieser  im  Sommer  1475  todkrank  daniederzuliegen 
schien,  brach  in  der  gewöhnlich  so  unterwürfigen  Stadt  ein  Auf- 
ruhr aus.  Die  Plebs  aller  Bekenntnisse,  sicherlich  aber  vor  allem 
Moslemin,  ging  gegen  das  Serail  vor,  um  sich  der  dort  angesam- 
melten Reichtümer  zu  bemächtigen^).  148 1,  nach  dem  Hin- 
scheiden Mohammeds,  vereinigte  sich  der  Strafsenpöbel  mit  den 
Janitscharen  zu  demselben  Vernichtungswerke. 

Schon  1453  waren  die  Bauten  für  einen  Palast  und  eine 
Moschee  begonnen  worden.  Das  für  die  Wohnung  des  Herrschers 
bestimmte  Eski-Serai  wurde  während  mehr  als  zehn  Jahren,  bis 
1465 ,  mit  vielen  Verzierungen  aus  bestem  Marmor  und  aus 
edlem  Metalle  aufgeführt;  grofse  Gärten  umgaben  das  eigentliche 
Serai,  mit  seinen  vielen  Gemächern  und  zahlreichen,  nach  den 
asiatischen  Vorschriften  der  arabischen  Architektur  eingereihten 
Audienzsälen.  Hohe  mit  Türmen  versehene  Mauern  schützten 
den  Kaiser,  seine  Pforte,  seinen  militärischen  Hof  von  Agas  und 
Janitscharen,  die  ihre  Kasernen  ebenfalls  in  diesem  geheiligten 
Bezirke  hatten^).  Es  war  kein  in  sich  abgeschlossener,  har- 
monischer Bau,  sondern  einer  von  denen,  die  immer  zu  weiteren 
Neubauten  und  Anflickungen  herausfordern,  bis  das  „  Alte  Serai " 
sich  wie  der  vatikanische  „  Palast "  der  Päpste  zu  einem  labyrin- 
thischen Häuserkomplexe  auswuchs.  Dem  Palast  gegenüber 
wurde  ein  gedeckter  Basar  errichtet  und  mit  schönem  asiatischem 
Porzellan  verziert  ^). 

Die  Moschee  Mohammeds  ,,  des  Siegers",  des  ,,Fatihs", 
die  an  Stelle  der  Kirche  der  heiligen  Apostel  trat,  erhebt  sich 
auf  einem  Hügel  und  ist  in  ganz  Stambul  sichtbar.    Plohe  Marmor- 


von  Bischof  Lionel  von  Trau  vor  Karl  VIII.  gelialtene  Rede,  cod.  lat.  monac.  461, 
fol.   166. 

i)  ,,I1  populo   se  levoe  ad  rumore  et  andoe   al  palazo   dove  l'era,   per  sache- 
zarle";   „Mon.   Hung.   Hist."   V,   S.    266 — 267. 

2)  Vgl.  Kritobulos  mit  Seadeddin  II,  S.  305. 

3)  Kritobulos. 


208  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

und  Granitsäulen,  ung-ewöhnliche  Verhältnisse  nach  dem  Muster 
der  Aja-Sofia,  eine  mächtige  bleierne  Kuppel,  wie  sie  die  Moschee 
von  Kairo  hat,  blühende,  ausgedehnte  Gärten  in  zwei  Höfen,  die 
nicht  weniger  als  acht  Schulen  (Medressen) ,  nebst  Kranken- 
häusern, Wohnungen  und  Speisesälen  für  Professoren  (Mudiris), 
Studenten  (Thalebs),  Pilger  (Hadschis)  und  armen  Moslems 
einschliefsen ,  zeichnen  die  ,,Mohammedieh"  vor  allen  anderen 
Moscheen  Konstantinopels  aus  ').  Eine  zweite  Moschee  wurde 
auf  der  ,, neuentdeckten"  Begräbnifsstätte  des  heiligen  Ejub  er- 
richtet, eines  Scheichs,  der  die  Türken  zum  Sturme  ermahnt  und 
begeistert  hatte ;  im  Grün  der  Bäume  wie  verborgen,  steht  sie 
in  geheimnisvoller  Einsamkeit  in  einem  abgelegenen  Winkel  der 
Hauptstadt,  wo  früher  die  Gläubiger  einer  anderen  Religion  zum 
Kirchlein  des  heiligen  Mamas  wallfahrteten,  und  bis  heute  pflegen 
die  neuen  Sultane  zu  diesem  besonders  verehrten  Orte,  der 
Andersgläubigen  nicht  gezeigt  wird,  zu  pilgern,  um  sich  mit  dem 
Schwert  zu  gürten. 

Weiter  stattete  der  Kaiser  seine  Hauptstadt  mit  dem  Bezestan, 
neuen  Bädern,  Khanen  für  Reisende  mosleminischen  Glaubens 
und  einem  Platz  für  volkstümliche  Schaustellungen^)  aus,  wo  die 
leicht  befriedigten  Bürger  wunderbare  Leistungen  von  Reitern, 
die  aufrecht  auf  flüchtigen  Pferden  stehend  dahinjagten,  von 
,, Künstlern",  die  auf  Seilen  und  auf  nackten  Säbeln  einher- 
schritten,  und  von  ,, begrabenen"  Kindern,  die  in  unterirdischen 
Verstecken  Fragen  vernahmen  und  sinnige  Antwort  gaben,  usw. 
ansehen  konnten^).  Die  Aja- Sofia,  die  ehemalige  byzantinische 
Hauptkirche,  liefs  Mohammed  ausbessern,  ohne  sich  an  ihrer 
wunderbaren  Architektur  zu  vergreifen ;  nur  die  schönen  Mosaiken 
und  alle  Malerei  wurden  roh  und  rücksichtslos  mit  Kalk  über- 
tüncht. Ebenso  verfuhren  die  neuen  Herren  auch  bei  anderen 
Kirchen,  die  den  Christen  entrissen  waren.    Nur  Minarete  wurden 


i)  Vgl.  Seadeddin  II,  S.  325«.,  und  Hammer  I,  S.  576».;  Barth, 
Konstantinopel  in  der  Sammlung  „Berühmte  Kunststätten",  Leipzig-Berlin  1901, 
S.   146  ff. 

2)  Bei   Chalkokondylas  heifst  er  „Toktali". 

3)  Chalkokondylas  S.   434 ff. 


Mittel  und  Ziele   des  Reichs  unter  Sultan   Mohammed  II.  209 

neben  ihnen  aufgeführt  und  die  Heiligenbilder  überdeckt  —  un- 
berührt blieben  sie  bei  der  Mone  tes  Choras,  die  nunmehr  zur 
Moschee  Kahrieh  wurde  ^),  sonst  änderte  sich  nichts  an  diesen 
ehrwürdigen  Gotteshäusern  ^). 

Die  byzantinischen  Mauern  wurden  teilweise  wieder  aufgebaut, 
und  der  Turm  an  der  Goldenen  Pforte  erhob  sich  schöner  als 
früher  ^).  Als  1472  der  Sultan  seinen  ersten  Zug  gegen  Usun- 
Hassan  unternahm,  war  der  ganze  Befestigungsgürtel  im  besten 
Zustande ;  wie  bereits  erwähnt,  vermauerte  man  damals  den  ganzen 
Mauergürtel  bis  auf  drei  alte  Pforten,  um  jeder  Gefahr  vorzubeugen*). 
Die  Brücken  über  die  Lagune  bei  Athyra  und  Rhegion  wurden 
wiederhergestellt  ^),  die  zwei  Schlösser,  Rumili-  und  Anadoli-Hissar, 
am  Bosporus  erneuert  und  mit  starker  Artillerie  versehen;  1464 
war  die  Arbeit  an  ihnen  beendet '').  Ein  Jahr  darauf  war  auch 
das  Eski-Serail  bewohnbar,  wenn  auch  die  Arbeit  an  den  äufseren 
Befestigungen  erst  nach  1476  begann  ').  147 1  galt  Stambul 
bereits  als  die  eigentliche  Hauptstadt,  und,  dem  Befehle  ihres 
Herrn  gehorchend,  hatten  sich  auch  die  Magnaten  des  Reichs, 
Mahmud-Pascha  voran,  schöne  steinerne  Häuser  daselbst  erbauen 
lassen  ^).  Der  gichtgeplagte  Mohammed  brachte  nun  viele 
Monate  in  dieser  ganz  veränderten  Stadt  zu  ^).  Als  1472  die  Pest 
wütete,  begab  er  sich  nur  bis  zu  seinem  bei  den  ,,Süfsen  Wassern" 
am  Bosporus  errichteten  Kiosk  und  wartete  hier  ruhig  das  Er- 
löschen der  Seuche  ab  ^^). 

In  diesen  neuen  Verhältnissen  war  die  einfache  osmanische 
Lebensart    einer    früheren  Zeit    nicht  mehr  möglich.     Denn  jetzt 


1)  H.  Barth,   Konstantinopel,    S.    71  ff.      Sie  sind  neuerdings  von  der  russi- 
schen Schule  in  Konstantinopel  veröffentlicht  worden. 

2)  Vgl.  Kritobulos,  passim. 

3)  Vgl.  Dukas  S.  339—340. 

4)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  247. 

5)  Vgl.  Kritobulos;  Jirecek,  Heerstrafse,  S.    102. 

6)  Kritobulos;  Chalkokondylas  S.  530. 

7)  Vgl.  Kritobulos  mit  Seadeddin  II,  S.  305. 

8)  Kritobulos. 

9)  Vgl.  „Mon.  Hung.  Hist.^'  V,  S.   217. 
10)  Ebenda  S.  240. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.     U.  14 


310  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

war  Mohammed  der  Basileus  der  Griechen ,  der  Zar  der  Slawen, 
der  Impärat  der  ihm  unterworfenen  Rumänen  geworden;  bei 
den  Moslemin  hiefs  er  Melik,  „König-",  und  seine  Vorfahren 
wurden  bald  wie  die  Nachfolger  des  Dschingiz  und  Timur:  Khane 
betitelt.  Stambul  war  nun  eine  kaiserliche  Residenz,  ein  Zentral- 
punkt des  Handels  aller  Länder  des  Ostens  und  Westens,  eine 
riesige  Weltstadt,  wie  früher  Konstantinopel.  Das  Serai  des 
neuen  Autokrators  und  Herrn  des  Weltalls  glich  einem  kaiser- 
lichen Palast;  ein  Bau  wie  die  Aja-Sophia  konnte  seiner  kaiser- 
lichen Traditionen  nicht  entkleidet  werden,  und  eine  Moschee 
wie  die  Mohammedieh  war  eines  Kalifen  würdig.  Viele  Jahr- 
hunderte schienen  seit  dem  Tode  des  Hirtenhäuptlings  und  Dorf- 
königs Osman  verflossen  zu  sein. 

So  erschien  denn  Mohammed  in  den  Strafsen  der  Haupt- 
stadt nur  umgeben  von  einer  starken  Leibwache  ^).  Tschausche 
entfernten  mit  ihren  Stöcken  die  neugierige ,  vielleicht  gefährliche 
oder  beleidigende  Menge.  Nicht  mehr  durfte  der  Derwisch, 
der  Mewleni,  der  in  unförmlicher  Kleidung  aus  Filz  oder  Hirsch- 
leder, mit  geschorenem  Kopf  und  einer  eisernen  Kette  um  den 
Leib  bettelte,  Almosen  verteilte  und  orgiastische  Tänze  aufführte, 
seine  Ermahnungen  oder  Verwünschungen  an  die  Majestät  des 
Kaisers  richten  ^).  In  den  Palast  fanden  nur  noch  die  darin  Be- 
schäftigten Einlafs;  die  Pforte  wurde  durch  zahlreiche  Kapudschis 
unter  dem  Kapudschibaschi  bewacht;  die  Gärten  waren  der  Auf- 
sicht der  Gärtner,  Bostandschis,  und  des  Obergärtners,  Bostand- 
schi-Baschi,  unterstellt.  Wie  früher  in  der  Umgebung  des 
griechischen  Kaisers,  war  nun  auch  hier  für  jeden  Dienst  um  die 
geheiligte  Person  des  Monarchen  ein  eigener  Hofbeamter  vor- 
handen und  zuständig,  der  meist  aus  den  Reihen  der  Eunuchen 
genommen  wurde.  Dem  einen  lag  die  Sorge  für  die  Schlüssel 
ob,  ein  anderer  verwahrte  das  Sorbett  für  die  geheiligten  Lippen, 
ein  dritter  brachte  die  kaiserlichen  Handtücher  oder  die  Wasch- 
kanne, und  selbst    die  Teppiche  bildeten  eine  Hofamtspezialität. 


i)  Vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.  370. 

2)  Die  Beschreibung    des   Derwisches    in    den  Denkwürdigkeiten    des    „Serbi- 
schen Janitscharen",   Kap.  XXII. 


Mittel  und  Ziele   des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  II.  211 

Im  Keller  waltete  dieser,  im  eig^entlichen  Serail  jener  Beamte, 
ein  dritter  in  den  Fraueng-emächern  (der  Kizlar-Aga) ;  die  Patten 
waren  nach  Kammern  eing-eteilt  und  standen  unter  einer  beson- 
deren Kategorie  von  Aufsehern.  Das  Schwert,  der  Steig-bügel 
des  Sultans  machten  zwei  weitere  Hofchargen  nötig-.  Und  sie 
alle,  diese  Verschnittenen,  diese  Sklaven  ihres  Herrn  g-ehörten 
doch  in  die  Rang-klassen  der  Ag-as,  der  ,,äufseren",  ,, inneren" 
und  der  ,,des  Steigbi.ig-els " ;  ihr  Einflufs  war  so  mächtig-,  dafs 
Sandschake  und  Wesire  oft  sich  ihres  Wohlwollens  durch  Ge- 
schenke versichern  mufsten  ^).  Mehreren  Ärzten  endlich  war  die 
Gesundheit  des  Kaisers  anvertraut;  mit  Namen  wird  der  Jude 
Jakob  oder  ,,mastro  Janjacobo  da  Gaieta"  g-enannt,  der  sich  von 
Venedig-  „libri  in  medicina"  holte  '^)  und  auch  an  diplomatischen 
Verhandlungen  teilhatte  ^).  Aber  Musiker  und  Tänzer  wurden 
an  dem  streng-en  Hofe  nicht  g-eduldet,  in  dessen  Harem  eine 
einzige  Frau,  die  Prinzessin  von  Sulkadr,  mit  der  Tochter  des 
Sultans,  Aische,  und  einigen  Sklavinnen  lebte. 

Mohammed  II.  nahm  seine  Mahlzeiten  allein;  ein  kaiser- 
licher Erlafs,  ein  Kanun  verbot  auch  für  die  Zukunft  die  Zu- 
ziehung der  Wesire  zur  Tafel  des  Herrn.  Fremden  Gesandten 
gewährte  er  nicht  gern  Audienz,  wie  sein  Vater  Murad  es  geliebt 
hatte  *).  Er  schrieb  drohende  Briefe  an  Gegner  und  schmeichelnde 
an  Freunde:  so  nannte  er  den  Dogen  von  Venedig,  als  er  ihn 
1457  zu  den  Feierlichkeiten  der  Beschneidung  einlud,  seinen 
„  sehr  geliebten  und  geehrten  Vater "  und  überhäufte  ihn  mit 
Attributen  ^).  Die  Verfertigung  solcher  Missiven  lag  in  der  Hand 
geschickter  Gelehrter,    die    über   alle   Künste    der  Rhetorik    ver- 


1)  Vgl.  Hammer  a.  a.  O.,  auch  noch  sein  Buch  über  die  osmanisclie 
Staatsverfassung. 

2)  „Mon.  Hung.  Hist."  VII,  S.   291—292. 

3)  Ebenda  IV,  S.  361;  V,  S.  36;  Ljubic  X,  S.  378,  380 ;  Brief  des  Se- 
kretärs Malatestas  in   Sansovino,   fol.   255. 

4)  „Ad  oratori  ynimici  non  da  audientia  sinon  per  internuntio" ;  „Mon. 
Hung.  Hist."  V,  S.   220 — 221. 

5I  ,,Excellentissimo  ,  gloriosissimo  ,  nobilissimo  ,  prudentissimo  ,  fortissimo, 
illustrissimo,  de  ogni  honor  et  laude  digno  nostro  dilectissimo  et  hon^rado  padre 
doxe  de  la  lUma  Signoria  de  Venexia,  la  degna,  condecente  et  honorabile  saluta- 
cion";   Sathas,  Monumenta  I,   S.   236,  Nr.    157. 

14* 


313  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

fügten ;  das  neue  Reich  hatte  wie  das  alte  seine  berühmten  Brief- 
schreiber, und  mancher  Nischandschi  (Sekretär)  kam  der  blü- 
henden Ausdrucksweise  eines  Psellos  nahe. 

Der  Sultan  beschäftigte  sich  mit  Literatur  und  Wissenschaft. 
Er  las  die  historischen  Werke  der  griechischen  Vergangenheit 
in  türkischer  Übersetzung  und  verfügte  eine  Übertragung  des 
Ptolemäos  und  die  Anfertigung  einer  Erdkarte  ^).  Der  griechische 
Panegyriker  seiner  Regierung  bis  gegen  1470,  Kritobulos,  nennt 
ihn  nicht  nur  einen  „Griechenfreund",  sondern  auch  ,,  einen  der 
tiefgründigsten  Philosophen"  '■'). 

Die  Literaturgeschichte  des  mosleminischen  Orientes  weist  für 
seine  Regierungszeit  eine  ganze  Reihe  von  Nachahmern  der 
originellen  arabischen  oder  persischen  Dichtkunst  auf,  an  ihrer 
Spitze  Achmed,  den  Sohn  Welieddins,  und  Gezeri  Kasim,  die 
beide  Sandschaks  des  Eroberers  waren  ^).  Der  Tefterdar  oder 
Rechnungsführer  Schahidi,  in  der  Umgebung  des  sehr  begabten 
Sultanssohns  Dschem,  übersetzte  das  Epos  von  ,,Leila  und  Me- 
dschnun  "  ins  Türkische.  Dschem  selbst,  der  eifrig  Geographie, 
wie  schon  sein  Vater,  und  dazu  Astronomie  getrieben  hatte, 
machte  sich  durch  Übertragung  von  ,,Khorschid  und  Dschem- 
schid,  Sonne  und  Mond"  literarisch  bekannt  *).  Mancher  Rechts- 
gelehrte erteilte  unter  Mohammed  seine  ehrfurchtsvoll  entgegen- 
genommenen Ratschläge  und  Sprüche,  und  der  Herrscher  selbst 
gab  Kanuns ,  wie  sie  auch  von  seinen  Vorfahren  nicht  selten 
ausgegangen  waren;  er  verbot  jede  Familiarität,  beinahe  jeden 
Umgang  mit  seiner  erhabenen  Person,  machte  die  Ermordung 
aller  Prinzen  aus  osmanischem  Hause,  die  dem  regierenden  Sultan 
gefährlich  werden  konnten,  zur  Pflicht,  und  setzte  eine  neue 
Wehrgeldabstufung  fest  ^). 

Der  Luxus  in  Kleidung  und  im  Aufputz  der  Pferde,  die 
Ausbreitung  des  Gebrauchs  edler  Metalle,  wenn  auch  nicht  edler 


1)  Kritobulos. 

2)  ,','EaTi  Tßv  äxQwg  (fikoaocfwv  6  ßaailevs" ;  IV,  §  55. 

3)  Hammer  a.  a.  O. 

4)  Thuasne  S.   11. 

5)  3000    Aspern    für   Mord,    1500    für    Blendung,    50    für    eine    Kopfwunde; 
Hammer  a.  a.  O. 


Mittel  und  Ziele   des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  II.  313 

Gesteine,  stammt  erst  aus  dieser  Zeit.  In  einem  Treffen  mit 
einer  Schar  türkischer  Freibeuter  fielen  den  Ungarn  viele  „  mit 
Gold  gewebte  Koptbedeckungen "  in  die  Hände  *).  Die  nach 
Italien  geschickten  Gefangenen  König  Matthias'  trugen  „  goldenen 
Besatz"  an  ihren  Kleidern  2).  Bei  Schätzung  „goldener  Hüte" 
konnte  bewundernd  festgestellt  werden:  „das  Golt  das  wigt  Vllj'^ 
Gulden  umb  den  Hut  gepünden "  ^).  Vor  Rhodos  erschienen 
Fahnen,  die  ,,mit  Goldt  und  Silber  geziert"  waren*). 

In  die  Hierarchie  der  Staatsbeamten  hielt  Ordnung  und  jene 
komplizierte  Stufenfolge  und  zugleich  allegorische  Proportionen, 
wie  sie  den  Orientalen  besonders  gefallen,  ihren  Einzug.  Die 
Anzahl  der  Wesire  wurde  auf  vier  festgesetzt  ^) ;  drei  derselben 
aber  waren  nur  Sandschaks,  die  der  höhere  Titel  Pascha  aus- 
zeichnete, während  nur  der  später  ,,  Grofswesir"  genannte  das 
Siegel  des  Sultans  führte,  nach  Bedürfnifs  in  die  Chasna  des 
Reiches  zu  treten  berechtigt  war,  für  die  Polizei  der  Hauptstadt 
sorgte  und  in  Abwesenheit  des  Kaisers  dem  Diwan  präsidierte  ^). 
Trotz  seiner  grofsen  Macht  war  auch  er  nur  ein  Sklave  wie  die 
anderen  Beamten  und  mufste  der  willkürlichsten  Behandlung 
gewärtig  sein.  Dem  grofsen  Mahmud  —  nach  den  türkischen 
Annalen  aber  dem  Gedik  —  entrifs  der  Sultanssohn  Mustafa 
die  Frau,  eine  Tochter  Isak- Paschas'').  Als  Mazul*)  lebte  er 
einige  Jahre  von  der  Leitung  der  Reichsgeschäfte  entfernt,  wurde 
dann,  beim  Ausbruche  des  grofsen  asiatischen  Krieges,  wieder 
in  das  höchste  Amt  zurückberufen  ^)  und  endlich,  auf  unbewiesene 
Beschuldigungen  seiner  Feinde  hin,  nicht  nur  zum  zweiten  Male 
abgesetzt,  sondern  getötet.    Ebenso  hatte  sein  Vorgänger  Khalil, 


i)  „ Pilea  solido  auro  contexta";  Bonfinius  S.  423. 

2)  „Habito    turchesco    con    certi    frisi  d'oro  et  altre  foze  barbare  in  capo"; 
„Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  67. 

3)  Cod.  lat.  monac.    14.668,  fol.   591.  4)  Ebenda. 

5)  1466  befiehlt  die  venezianische   Signoria  iliren   Gesandten,   „zaschaduno   di 
Bassa"  —  folglich  gab  es  deren  mehrere  —  zu  besuchen;  Ljubic  X,  S.   382. 

6)  Hammer  a.   a.   O. 

7)  „Mon.  Hung.  Hist."  IV,  S.   384;  Leunclavius,   Sp.  622. 

8)  Seadeddin  11,  S.   242  —  243. 

9)  „Mon.  Hung.  Hist."    V,  S.   241. 


214  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

trotzdem  sein  Haus  sich  der  glorreichsten  Verg-angenheit  rühmte  — 
war  doch  auch  sein  Vater  Ibrahim  leitender  Wesir  gewesen  — , 
sein  Leben  beschlossen  ^).  Mahmuds  Nachfolger  in  der  Führung 
des  Reichssiegels,  der  Albanier  Gedik- Achmed,  verlor  seine 
Stellung,  weil  er  einen  Angriff  gegen  sein  Albanien  abriet,  und 
brachte  eine  Zeitlang  als  Staatsgefangener  im  Schlosse  von 
Boaz-Kcssen  zu,  das  145 1  gegen  das  griechische  Konstantinopel 
erbaut  worden  war  ^).  Später  erlangte  er  Verzeihung  und  erhielt 
die  Statthalterschaft  von  Saloniki  ^). 

Die  Anzahl  der  Sandschaks  Europas  war  unter  Mohammed  II. 
auf  36  gestiegen,  Asien  freilich  zählte  deren  immer  noch  40. 
Aufserdem  weilten  in  Konstantinopel,  Adrianopel  und  Philippo- 
pel ,  wie  auch  in  Saloniki  und  Usküb ,  besondere  kaiserliche 
Offiziere,  die  mit  dem  Sandschak  der  betreffenden  Provinz  nichts 
zu  schaffen  hatten^).  Jeder  führte  ein  tefter,  griechisch  xara- 
GXEiyjoq,  italienisch  ,,catastico " ,  in  das,  bei  der  dvayQaq^rj,  Be- 
wohner und  Güter  pünktlich  und  vollständig  eingetragen  wur- 
den ^).  Die  Bedeutenderen  erhielten  aus  der  kaiserlichen  Khasna, 
der  Schatzkammer,  12000  Dukaten  jährlich  ;  die,  welche  über  die 
kleinsten  Provinzen  geboten,  2000.  Von  dem  durch  sie  mit 
Hilfe  verantwortlicher  Kharadschare  '')  erhobenen  Tribute  behielten 
sie  den  zehnten  Teil  für  sich  '').  Sie  nahmen  auch  die  für  Lasttiere 
jeder  Gattung  und  Ochsen  schuldigen  Abgaben  ^)  in  Empfang  ^). 
Manche  von  ihnen  hatten  in  ihrer  Provinz  bedeutende  militärische 
Spahilehen  inne**')  und  unterhielten  einen  kleinen  Hof  von  Beamten, 
unter  denen  die  Kapudschis  erwähnt  werden  ^').    Die  Sandschaks 


1)  Siehe  oben,   Kap.  I. 

2)  Seadeddin  II,   S.   305  ff.  3)  Ebenda   S.   31 1. 

4)  Chakokondylas  S.  437 ff. 

5)  Sathas  VI,  S.   127,   193;  vgl.  auch  S.   142:  „defteri,  idest  catastico". 

6)  Ebenda  S.  213,  237. 

7)  Clialkokondylas    bezeichnet    diese  Art  Einkünfte    mit    dem    slawischen 
Worte  für  den  von  den  Herden  erhobenen  Naturalzehnten  :  gostina,  ßoOTtvav ;  S.  439. 

8)  Beim  selben   Byzantiner:   Sua^oi. 

9)  Ebenda. 

10)  Siehe  Sathas  VI,   S.    123;  J.    1480:   „II  flamburar  quäl  ha  havuto   questi 
luogi  in   timari  dal  Signor". 

11)  „Capi  Cons.''  X,  Dalmazia,    1501. 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  11.  315 

wurden  den  Reihen  der  Agas  entnommen,  nachdem  sie  durch  die 
unteren  Würden  hindurchg^eg^ang-en  waren.  So  war  der  Sandschak 
von  Morea  1479 — 80  ein  Eunuche  ^).  Ein  Verwandter  des  Sultans 
sollte  niemals  Wesir  oder  Beglerbeg  werden ,  das  Amt  eines 
Sandschaks  aber  stand  ihm  offen;  freilich  trat  Mahmud,  der 
Schwiegersohn  des  Kaisers,  nach  der  Einnahme  von  Alessio  an 
die  Stelle  Solimans  als  Beglerbeg  von  Asien  ^).  Den  Sandschaks 
waren  die  Beglerbegs  übergeordnet,  denen  ein  protogero  oder 
Woiwode  zur  Seite  stand  ^).  Für  aufserordentliche  Missionen 
wurde  ein  Emin,  „  Überseher "  —  die  Venezianer  übersetzen 
,,proveditor "  —  ernannt*).  Bei  jedem  Sultanswechsel  sollten 
sich  alle  Sandschaks  am  Hofe  einfinden  — ,  um  ihre  ,,  Kaftane  "  zu 
erneuern  ^).  Über  die  kaiserliche  Khasna  verfügte  der  Sultan 
allein  ^).  In  sie  flössen  alle  Einkünfte  des  Reiches,  die,  dank 
den  zahlreichen  Eroberungen ,  welche  die  Ausdehnung  des 
Reiches  verdoppelt  hatten,  in  den  letzten  Jahren  sehr  stark  an- 
gewachsen waren. 

Geborene  Türken  wie  Renegaten  zahlten  keine  Abgaben; 
Mohammed  IL  verlangte  von  ihnen  den  zehnten  Teil  ihrer  Habe 
(töj'  eQytov)  nur  dann,  wenn  der  Krieg  in  ihrem  Gebiete  geführt 
wurde  '').  Die  Kapitationssteuer  der  Christen  (dabei  aber  auch  ^  rßv 
evoiMov  TtQoaodog,  von  den  Pächtern  der  kaiserlichen  Domänen: 
250000  Dukaten)  in  Höhe  von  einem  Dukaten,  d.  h.  40  Aspern 
für  jedes  Familienhaupt*),  brachte  900 000  Dukaten  ein;  ein 
venezianisches,  nach  den  osmanischen  Registern  ausgeschrie- 
benes Verzeichnis  zählt  für  das  Jahr  1470  in  Europa  29000 
kharadschpflichtige    Häuser  ^) ;    nach    weniger    als    einem    halben 


i)  Sathas  VI,  S.   121,   193. 

2)  Seadeddin  II,  S.   309. 

3)  Sathas   VI,   S.    141,    154,    156.     Aber  auch  der  Subaschi  von  Argos  wird, 
S.   158,  „protogero"  genannt. 

4)  Sathas  VI,  S.    180.  5)  Ebenda  S.   188. 

6)  „Serbischer  Janitschare. " 

7)  Chalkokondylas  S.  439. 

8)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.  XLUI. 

9)  ,,Cargi    di    cristiani,    judei ,    chaxe    29ii>    de  600    galtt. ,    che    pagano    per 
frenchixie  proraerchi  (!)   modi,  non  messe  le  servi ;   pagano  l'uno  per  l'altro,   altro 


316  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

Jahrhundert  werden  im  ganzen  Reiche  schon  3000000  Zins- 
pflichtig-e  angegeben  ').  Ortschaften,  die  an  den  Meeresufern,  an 
Pässen  und  Wäldern  —  die  Dörfer  der  Vojniks  (Vojniklar)  in 
den  slawischen  Ländern  der  Balkanhalbinsel  —  für  die  Grenz- 
wacht Bedeutung  hatten,  waren  freilich  von  allen  Lasten  befreit, 
wie  später  auch  Verwandte  und  Freunde  mächtiger  Renegaten  ^). 
Der  oben  schon  erwähnte  Zehnte  von  Ochsen,  Pferden  usw. 
machte  im  ganzen  gegen  300000  aus.  Auch  von  Getreide  wurde 
der  Zehnte  erhoben  ^).  Die  kaiserlichen  Herden  und  Gestüte 
ergaben  nur  50000;  verschiedene  andere  Einkünfte,  die  nicht 
näher  angegeben  werden,  200000  ^).  Von  herrenlos  gebliebenen 
Gütern  kamen  20000  Dukaten  ein  ^).  Die  Donaufurten  allein 
wurden  jährlich  für  viele  Tausende  Dukaten  verpachtet,  und 
Chalkokondylas  versichert,  dafs  der  Pächter,  gewöhnlich  ein 
Grieche,  trotz  des  hohen  Preises  einen  schönen  Gewinn  erzielte  *). 
Die  beiden  Häfen  von  Konstantinopel  und  Gallipolis  werden  um 
1470  mit  42000  Dukaten  Ertrag  angegeben  ''),  die  Gümrüks  (Zölle) 
von  Adrianopel,  Philippopel,  Sofia,  Aidos  (Actos)  und  Saloniki 
mit  weiteren  90000*).  Kastemuni  brachte  loooo,  Brussa  und  die 
Gebirgspässe  des  Khodawendskiar  16000,  andere  asiatische  Zölle 
29000^).  Die  europäischen  Salzwerke  am  Ufer  des  Meeres, 
besonders   in   Anchialo,   trugen   90000   Dukaten    bei,   die  asiati- 


danno  (sie)";  Intrade  del  signor  turcho  de  la  Grexia,    1490";    San- Marco -Bibl. 
ms.  it.  cl.  VI,  c.   277. 
l)Laskaris. 

2)  Ebenda. 

3)  „Serbischer  Janitschare"  a.  a.  O. 

4)  Die  venezianische  Rechnung  gibt  folgende  Posten:  „la  scrive  (?)  et  li 
chargi  arsentture  in  tuto  val  70™;  laguttori  (?)  et  in  diversi  logi,  5011,  chanpi 
grexi,  50000;  arizonttero  de'  Turchi,  d.    lom". 

5)  „Comerchio  deli  homeni  mortti  senza  eredi,  vano  al  Signor." 

6)  S.  505. 

7)  „Schale  de  Chonstantinopollj,  Galipollj." 

8)  „Chomerchi  di  Sofia,  d'Aido,  Salonichi,  Filipopelli,  Andrinopollj  et  Chon- 
stantinopoUi  per  pessi  (sie)  in  diversi  logi." 

9)  „Comerchi  in  diversi  logi  de  Chastemoni,  lom;  Burssa,  passe,  pexo, 
preso  de  montage,  d.  16™;  comerchi  presi  in  altri  logi  insopra  29™;  comerchi 
de  Chast[em]oni  et  alttre  intrade  de'  zardini,  d.    10™." 


Mittel  und  Ziele   des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  II.  217 

sehen  nur  12000').  Auch  der  Leuchtturm  von  Konstantinopel 
ergab  einen  nicht  unbedeutenden  Ertrag  ^).  Die  Alaunwerke 
Asiens  waren  jährlich  50000  Dukaten  wert,  und  die  Erzbergwerke 
in  Kastemuni,  zu  denen  dann  auch  die  von  Sinope  kamen,  weitere 
50000.  Da  die  Gesamtsumme  der  aus  den  Bergwerken  fliefsenden 
Einkünfte  auf  200 000  Dukaten  angegeben  wird,  so  entfiel  auf 
die  von  Novobrdo  und  Srebrnico  (Silber)  eine  Quote  von  100 000  ^). 
Der  Sultan  erhob  aufserdem  sein  pentamerion,  sein  Fünftel 
von  jeder  Art  Beute.  Bei  jedem  Kriegszuge  steuerten  die 
Würdenträger  200000  Dukaten  *). 

Bis  zur  vollständigen  Eroberung  der  Länder  auf  der  Balkan- 
halbinsel und  an  den  Ufern  des  Schwarzen  Meeres,  gingen  jähr- 
lich an  Stelle  individueller  Besteuerung  der  Einwohner  sehr  hohe 
Summen  als  Kharadsch  an  die  Khasna  ein;  zuletzt  blieben  von 
diesen  nur  die  Tribute  der  Walachei,  der  Moldau  (die  seit  1485 
wenigstens  wieder  zahlte),  der  Republik  Ragusa  und  der  Insel 
Chios  übrig ;  für  die  Länder,  die  Reichsprovinzen  geworden  waren, 
wurde  in  Zöllen,  Furten,  Bergwerken  und  der  Kapitation  ein 
recht  vorteilhafter  Ersatz  ausfindig  gemacht.  Eine  venezianische 
Rechnung  zählt  in  der  Rubrik  des  Kharadsch  der  Vasallenländer 
folgende  Summen  auf:  Bosnien  und  Herzegowina  18 000,  Wala- 
chei 17000,  Moldau  6000  —  dreimal  so  viel  als  zur  Zeit  Petru 
Arons,  Trapezunt  3000,  Kaffa  3000,  Amastris  und  Sinope  16  000, 
Lesbos  3000,  ,,Negroponte  und  andere  Plätze"  25000,  Chios 
12000,  Ragusa  14 000  ^),  ohne  den  Tribut  für  die  venezianischen 
Besitzungen  in  Morea  und  Albanien  zu  zählen.  Die  von  den 
griechischen  Chronisten  ^)   gegebenen   Summen   von   100  000   aus 

1)  „Saline,  uno   anno  per  l'altro,   ducatti  90 m;  saline   di  Turchia,   d.    12m." 

2)  Ch  alk  o  k  o  n  dy  1  as  berechnet  ihn  mit  dem  aus  den  Furten  zusammen  auf 
200  000. 

3)  „Alume,  uno   ano  per  l'alttro,   d.   50™;  rami  di  Chastam[un]e,   d.   50m.'' 

4)  Chalkokodylas  a.   a.   O. 

5)  „Cargi  de  Bosgne  et  del  contte  Sttefano ,  s.  ducatti  8™  in  s. ,  d.  iS™, 
caragi  de  la  Valachia  Altta,  17™,  caragi  de  la  Valachia  Bassa,  öm  Trabex[u]nde 
d.  3111;  Chafa  d.  3m  in  s. ,  6°!;  d'Amastro,  Sinopi  in  tuto  d.  16™;  Azoca  (sie) 
e  chastelj  de  in  Albania,  d.  311;  l'ixole  de  Metteli  d.  310;  Negroponte  e  piü  logi, 
d.  25111,  Sic  di  ttributo  d.   12™,  Raguxi  di  tributo  d.    14m." 

6)  Ebenda. 


318  Erstes  Buch.     Neuntes   Kapitel. 

„eroberten  Ländern"  und  von  4000000  als  Gesamtertrag  aller 
Einkünfte  sind  gewifs  stark  übertrieben  *).  Die  authentische 
Rechnung,  die  wir  ins  Venezianische  übertragen  besitzen,  verzeich- 
net nur  I  196000  venetianische  Dukaten.  Sie  stimmt  mit  der 
Schätzung  des  Kardinals  Bessarion  überein,  dafs  der  Sultan  jähr- 
hch  höchstens  2 000 000  Dukaten  erhalte^). 

Die  Ausgaben  beliefen  sich  auf  nur  810000  Dukaten  jähr- 
lich. Das  Heer  allein  nahm  davon  300000  Dukaten  in  Anspruch. 
Der  Sultan  kleidete  seine  Janitscharen  zweimal  im  Jahre  neu  ein, 
wobei  Samt  und  Seide  nicht  fehlten;  auch  Bogen  und  Pfeile 
gingen  auf  seine  Kosten ;  diese  beiden  Posten  machten  zusammen 
für  die  7 — loooo  Mitglieder  des  Elitekorps  ^)  28000  Dukaten 
aus  *).  Dazu  kam  der  Sold  für  dieselben,  der  gewöhnlich  auf 
drei  Monate  —  die  byzantinische  TQi[.ir^vla  —  ausgefolgt  wurde. 
Seit  ihrem  Aufstande  im  Jahre  145 1,  der  die  Hinrichtung 
des  Aga  und  die  Zufriedenstellung  der  Truppe  durch  Geschenke 
zur  Folge  hatte ,  wurde  die  alte  Bezahlung  mit  einem  halben 
Asper  täglich  erhöht  ^).  Nach  dem  Falle  von  Trapezunt  aber 
wird  nur  erwähnt,  dafs  die  ,, besten  Janitscharen"  täglich  zwanzig 
Aspern  erhielten  ^).  Der  Aga,  oder  oberste  Hauptmann,  bekam 
10  Dukaten  für  den  Tag,  die  Bulukdschis,  Führer  jeder  Kom- 


i)  Derselbe  berechnet  die  Gelder,  die  von  den  Beamten  selbst  erhoben  wurden, 
auf  9  000  000 ;  dazu  kommen  die  für  die  Pforte  bestimmten,  so  dafs  sich  zusammen 
14000000  ergeben;  S.   440 — 441. 

2)  „Non  amplius  quam  vigesies  centena  aurcorum  millia  ex  omni  redituum 
summa";  Reufsner,  Epistolae  turcicae  II,   S.   225. 

3)  5 — 6000  beim  „Serbischen  Janitscharen"  Kap.  xxxix.  Bei  Laskaris 
7 — 10  000,  „quando  sono  al  piü  gran  numero";  15000  zählt  Leonard  von  Chios 
bei  der  Eroberung  Konstantinopels;  Philelphus,  der  nur  von  52000  Türken  wissen 
will,  und  zwar  15000  in  Asien,  25000  in  Europa,  alle  Reiter,  nebst  7000  Ma- 
trosen, gibt  die  Zahl  der  Janitscharen  auf  12000  an;  Brief  an  Lodovico  Foscarini : 
cod.  lat.  monac.  fol.  190;  vgl.  D  e  t  hi  e  r- Hop  f  III,  S.  535 — 536;  Brief  des- 
selben an  König  Karl  VII.  von  Frankreich,  wo  er  von  60000  Türken  spricht, 
davon   20000  in  Asien. 

4)  Die  schon  zitierte  venezianische  Rechnung:  ,,E1  vestir  de'  Ganizeri  e 
archi,   sagitte,   28™." 

5)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.  xxil. 

6)  Ebenda  Kap.  xxxi. 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan   Mohammed   IL  319 

pagnie,  oder  odas,  ein  Achtel,  d.  h.  ung-efähr  5  Aspern  ^),  ein 
Gemeiner  '/lo  Dukaten ,  d.  h.  einen  täglichen  Asper.  Ebenso 
wurden  die  Asapen  mit  den  roten  Hüten'-')  besoldet,  deren 
Führer  für  fünf  Tage  einen  Dukaten  bekamen  ^).  Den  Reitern 
aufser  den  200  Spahioglanen  —  ,,  propra  del  Signore"  — , 
die  mehr  erhielten*),  mufste  ein  Dukaten  für  4 — 5  Tage 
genügen.  Die  600  tatarischen  Reiter  und  die  Silichdaren,  die 
Solaken  (i  J-  Asper  auf  den  Tag;  ihr  Führer  zwei  Dukaten),  die 
200  Kapudschis  standen  den  Janitscharen  im  Solde  gleich  ^). 
Ein  Grofs-Imrochor  (Stallmeister)  nahm  2  Dukaten,  ein  Tsches- 
nedschir-Aga,  der  die  feierlichen  Befehle  des  Sultans  überbrachte, 
I — 2  Dukaten  ein;  der  Dschebedschibascha,  der  für  die  Waffen 
zu  sorgen  hatte,  nur  einen,  der  Mechterbascha,  Kapellmeister, 
einen  halben  ^).  So  stellt  das  offizielle  Verzeichnis  insgesamt 
300000  Dukaten  für  die  Besoldung  aller  Truppen  in  Rechnung  '^). 
145 1  hatte  der  Sultan  alle  Schulden  der  aufständischen 
Janitscharen  getilgt,  was  1473  wiederholt  werden  mufste*^). 
Während  des  asiatischen  Zuges  des  Jahres  146 1  fiel  ein  mit 
Gold  beladenes  Kamel  auf  dem  Marsche  hin;  und  es  war  be- 
fohlen, die  50000  Dukaten,  die  es  getragen  hatte,  liegen  zu 
lassen;  die  Janitscharen  teilten  sich  die  ihnen  mühelos  zugefallene 
Beute  ^).  Auch  beim  Übergang  über  die  Donau,  1462,  bekamen 
sie  30000  Dukaten  zum  Geschenk^*').  Und  als  Mohammed  II. 
gegen  Bosnien  aufbrach,  wurde  den  Janitscharen  das  Gehalt  für 


1)  Nach  dem  Satze  I  Dukaten  =  40  Aspern,  den  man  beim  ,, Serbischen 
Janitscharen"  Kap.  xlhi,  findet. 

2)  Barletius,   Scutari,   S.   310;  Niccolö   Barbaro   S.  750. 

3)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.  xu. 

4)  Laskar is. 

5)  Der  Kapudschi-Baschi  hatte  drei  Dukaten  täglich,  wie  der  Silichdar-  und 
der  Ulufadschi-Baschi,  während  die  Ulufadschis  einen  Dukaten  für  vier  Tage,  nicht 
für  zehn,  wie  die  Janitscharen,   erhielten. 

6)  ,,  Serbischer  Janitschar"  Kap.  xxxix. 

7)  „Uscida  del  Signor  Turcho  per  uno  anno.  Soldatti  pagadi  di  fora  del 
Sar[a]gio   da  persone   5111  a  piedi  [=  a  pida],   a  chalvalo,  d.   300  m." 

8)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.   xxil ;   Seadeddin  II,   S.    280. 

9)  Ebenda  Kap.  xxxi. 

10)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.  xxxui. 


330  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

ein  halbes  Jahr  vorausbezahlt  *).  Vor  der  Unternehmung'  g"egen 
den  gefürchteten  Usun  erhöhte  Wesir  Mahmud  gleichfalls  den 
Sold,  und  zwar  nach  dem  Verdienste  eines  jeden,  so  dafs  die 
Leute  nach  ihrem  Verdienste  von  zwei  bis  zehn  Aspern  erhielten  ^). 
Zweitausend  Beutel  ^)  von  je  600  Dukaten  in  Aspern  waren  zur 
Begleichung-  eines  Trimesters  erforderlich  *).  Auch  in  den  Jahren, 
in  denen  der  Sultan  weder  mit  alten  noch  neuen  Feinden  zu 
tun  hatte,  war  den  Janitscharen  ihr  Geschenk  an  Kleidern, 
Pferden  und  anderen  Gegenständen  sicher  ^). 

Die  Ausgaben  des  Sultans  betrafen  weiter  die  Bedürfnisse 
des  Serails  und  der  Tausende  —  um  1500  mit  den  Sklaven 
5000  Personen^)  — ,  die  darin  lebten;  48 000  Dukaten  wurden 
für  Ärzte,  Berbers  (Haarschneider),  Kapudschis,  Karagös ; 
17000  für  200  Edelknaben  und  ihre  vier  Gouverneure;  loooo 
für  den  Kizlar-Aga  und  die  seiner  Obhut  anvertrauten  Frauen ; 
20000  für  den  Unterhalt  des  Sklavinnen;  50000  für  den  täg- 
lichen Aufwand  des  Sultans  selbst;  80 000  für  Ställe;  10 000  für 
Zelte  ,,und  andere  Dinge";  29000  für  Bekleidung  des  Hofes; 
50000  für  Seiden-  und  Goldbrokatstofife ;  20 000  für  Leinwand; 
60000  für  teure  importierte  Stoffe;  10 000  für  ,, Verschiedenes" 
und  endlich  25000  für  die  bei  Ernennungen,  Empfängen  und 
den  Staatsfestlichkeiten  des  grofsen  und  kleinen  Bairams  aus- 
geteilten Kaftane  oder  Ehrenkleider  benötigt ''). 

Für  den  Hof  des  Kaisers,  für  die  Bedürfnisse  des  Krieges 
wurde  alles   zusammenströmende  Gold  ausschliefslich  verwendet. 


1)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.  xxxiv. 

2)  „Mahometto -Bassa  fece  accrescere  lo  soldo  ad  li  Janiceri,  ad  chi  uno 
aspro  et  ad  chi  due  o  tre,  perfm  a  10  aspri,  secundo  li  homini,  etc.";  „Mon. 
Hung.   Hist."  V,  S.   241. 

3)  „Gordani",  sagt  der  italienische  Berichterstatter. 

4)  „Dua  millia  gordani  d'aspri,  che  sono  uno  millione  et  200  millia  ducati, 
per  dare  le  page  ad  le  sue  gente  et  ad  tutti  quelli  volevano  andare  cum  lo  dicto 
hoste";  ebenda;  s.  aber  „ Cento  gordani  d'aspri,  che  sono  ducati  19  millia,  per 
dare  ad  janigeri,  oltra  le  sue  paghe  et  accrescimento  de  soldo";  ebenda  S.  242; 
s.  auch  ebenda  „la  paga  per  tre  mesi". 

5)  Kritobulos.  6)  Laskaris. 

7)  Die    oft    zitierte  venezianische  Notiz:    „Servidori,    zioe:    niidegi ,    barbier, 


Mittel  und  Ziele   des  Reichs  unter  Sultan   Mohammed  II.  331 

Der  Hof  freilich  beg-ann  sich  erst  nach  byzantinischem  Muster 
auszubilden,  während  der  Krieg-  nach  wie  vor  die  eig^entliche 
Beschäftig-ung- ,  der  Daseinszweck  dieser  Gesellschaft  g-eblieben 
war.  Ein  jeder  war  verpflichtet,  am  g-eheilig-ten  und  g-leichzeitig- 
die  materielle  Existenz  verbürg^enden  Waffenhandwerk  teilzu- 
haben. Nicht  nur  der  Hof  mit  seinen  speziellen  Korps,  der 
Janitscharenphalanx,  den  g-länzenden  Spahioglanen  und  Mute- 
fariakas,  den  Eunuchen  des  Serails  und  den  anderen  Ag-as,  nicht 
nur  die  Spahis  oder  ,,Timarnitschs"  ^)  mit  ihrem  Gefolg-e,  die  Asa- 
pen,  die  durch  Aussicht  auf  Beute  an  Sklaven  und  Sachwert  ang-e- 
spornten  Akindschis  und  die  Matrosen,  sondern  in  Tag-en  höchster 
Not  sog-ar  die  christlichen  Bauern.  Im  Jahre  1472,  als  g'eg-en 
„Persien"  alle  irg-end  verfüg-baren  Kräfte  aufgeboten  wurden,  erg-ing- 
an  jedes  Dorf  in  Rum  Befehl  zwei  Heerleute  zum  Heer  des  Kaisers 
zu  schicken  ^) ;  die  über  zwanzig-  Jahre  alten  Mannschaften  sollten 
sich  ins  Lag-er  beg-eben,  die  zwischen  14  und  20  Jahren  stehenden 
zur  Verteidigung-  der  Hauptstadt  verwendet  werden  ^).  r473  be- 
stätigt ein  venezianischer  Kundschafter,  dafs  alle  waffenfähigen 
Männer  sich  unter  den  Fahnen  befanden,  so  dafs  in  den  öden  Dör- 
fern nur  Greise  zurückgeblieben  waren,  um  mit  den  verlassenen 
Familien  die  Kriegssklaverei  des  osmanischen  Herrn  zu  ver- 
wünschen *).      Der    in    Europa    gelassene    Dschem    sah    sich    auf 


gardiani,  atizadei,  bufoni,  d.  48  m.  Dento  del  seraio,  che  son  puti  200  et  4  monchi, 
17m.  El  servo  dele  done  e  li  mochi  lom.  Schiave  adentro  del  Seraio,  de  spexe, 
2oni.  La  ptetta  (spesa?,  sie)  del  Signor  dento  et  di  fuor,  per  spexe  denar  (sie?) 
$0^.  Ale  4  sttale  de  chavalj ,  mulj ,  gamelj ,  Som.  L'ordinario  dele  spexe  de' 
pavioni  et  alttre  chose ,  10™.  El  vestir  de  ganizeri  e  archi ,  sagitte ,  2811.  El 
vestir  dela  chortte  del  Signor  e  de  pani,  de  bone  gl...,,  d.  29m.  El  vestir 
dela  chorte  de  pani  de  sede  et  d'oro,  d.  $0^.  El  vestir  de  pele  (tele?)  dela 
chortte,  20™.  Pani  de  scola  de  sersse  (?)  e  d'alttri  paexi  in  diversse  sitte  (?), 
d.  öom.  Diversse  chosse  de  sovr  (?),  etc.  e  forzo  tote  (?),  d.  lom.  Prexentti  fa 
el  Signor  un  ano  per  l'altro." 

i)  „Notes   et  extraits"  II,   S.   471. 

2)  „Commandamento    che    tutti    li    casali    che    sono    su    la  Grecia    dovessero 
mandare  due  iiomini  per  casale";  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.   242. 

3)  „Ognuno  de  XX  anni  in    suso  vadi  in  campo  ...";  „da   14  anni  in  suso 
vadi  a  Constantinopoli";  Archiv  von  Venedig,  „Arch.  di  Creta",  „Missive  e  lettere 

icevute",   1472  — 1474. 

4)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  247. 


333  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

„Kaufleute    und    Handwerksgesellen"    angewiesen,    wenn   er    die 
alte  Reichshauptstadt  Adrianopel  verteidigen  wollte  ^), 

Beinahe  in  jedem  Frühling  brachen  die  Akindschis  unter 
Führung  der  Grenzbegs  von  Morea,  von  Albanien,  von  Bosnien 
und  vom  Donauufer  auf,  um  in  die  Nachbarschaft,  sei  es  auch 
zum  Schaden  einer  durch  Vertrag  mit  dem  Reiche  verbundenen 
Macht,  einzufallen  ^).  Für  einen  Dukaten  täglich  standen  dem 
osmanischen  Grenzbeamten  nicht  weniger  als  acht  berittene 
Krieger  zur  Verfügung  ^).  Blitzschnell  drangen  die  leicht  ge- 
kleideten, mit  hölzernen  Schilden  versehenen  Krieger  auf  ihren 
wunderbar  schnellen  beschnittenen  Pferden  ^)  zu  den  ihnen  wohl- 
bekannten Furten.  Sie  bedienten  sich  tüchtiger  Führer  und  ver- 
kleideter Kundschafter;  so  sprach  man  1477  in  den  deutschen 
Grenzländern  von  einem  Manne  auf  ,,  ainem  clainen  Rössl,  fürt 
ain  groben  Manntel  an  und  thut  sich  aus,  er  hab  Sannd  Vallentins 
Sichtumb".  Das  an  Zahl  gewöhnlich  schwache  Heer  teilte  sich 
in  Feindesland  in  mehrere  Scharen,  die  auf  unbekannten  Wegen 
vorritten^),  die  ,, Klausen"  besetzten,  Kirchen  und  Klöster  ein- 
äscherten und  alle  Dörfer  rings  verheerten.  Manchmal  erschienen 
sie  „zu  Mitternacht",  wenn  keiner  die  grausigen  Gäste  erwartete. 
Sie  ritten  so  schnell,  dafs  ihnen  die  Pferde  —  in  Morea  einmal 
an  1000  —  unterwegs  krepierten");  ein  anderes  Mal  in  steilem 
Felsgebirge  liefsen  sie  sich  mit  Stricken  in  die  Tiefe  hinab.  Sie 
übernachteten,  von  der  Dunkelheit  geschützt,  im  Freien,  beim 
Licht  der  Flammen,  die  die  umliegenden  Häuser  der  Bauern 
verzehrten.     Manchmal  boten    sie    vor    einem    Orte,    der    stärker 


1)  „Mon.  Hung.  Hist."  V,   S.   247. 

2)  Vgl.  ebenda  S.  228:  ,,Dato  li  daese  pace ,  tarnen  li  faria  perö  guerra 
ale  anime  de  loro  paese,  facendo  corerie,  como  semper  ha  facto,  etiam  al  tempo 
de  pace,  e,  si  loro  si  lamentaveno,  li  respondevano  che  erano  li  soy  Bassa  e  che 
luj   non  sapeva  nulla." 

3)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.  XLii. 

4)  Philelphus  im  schon  zitierten  Brief  an  Foscarini :  „Utuntur  excisis", 
„Lievi  de  carne  et  arme",  sagt  Duodo;  Sathas,  Monumenta  VI,  S.  114. 

5)  „Ad  ea  loca  ...  de  quibus  nunquara  aliquis  cogitavit'';  Rede  der  ungari- 
sclien   Gesandten  vor  dem  Reichstag  von  Nürnberg;   cod.   lat.   monac.   26604. 

6)  Magno   in   Sathas   VI,   S.   227. 


Mittel  und  Ziele   des  Reichs  unter  Sultan   Mohammed  II.  323 

befestigt  zu  sein  schien,  „Frieden"  an  und  verlang^ten  als  Preis 
der  Schonung"  ,,ain  Säm  Geld"  oder  „ettlich  Semel  und  XX 
Ducaten",  ,,XXV  nngr.  Gulden  und  ain  Säum  Rayfal  und  ainen 
Wag;en  Prots";  auch  von  dem  ihnen  verbotenen  Wein  bedangen 
sie  sich  wohl  aus.  Dann  stellte  der  ,,  Hauptmann  "  die  verlangten 
Verschreibungen  und  Freipässe  aus,  nahm  und  lieferte  Bürgen 
für  Beobachtung  der  gegenseitigen  Freundschaft.  ,,  Darauf!  zu- 
gesagt und  gesprochen  pey  seiner  Sei  und  gelobt  aufif  sein 
Säbel  das  dy  Kirch  und  das  Dörff  sicher  sol  sein ;  hat  auch  das 
im  Veldt  allethalben  geruffen  lassen. "  Aber  ihre  grausame  List 
ward  bald  offenbar.  Sie  brannten  unbekümmert  nieder,  was  sie 
nicht  anzutasten  versprochen  hatten,  und  schlachteten  hin,  was 
sich  losgekauft  glaubte.  Machte  man  ihnen  entrüstete  Vorwürfe, 
so  antworteten  sie  spottend :  ,,  se  das  sy  dy  Kirch  nit  prennen 
wollten,  ee  wollten  sy  in  geben  XL  Gulden  und  derzu  wären  sy 
verloren".  Ein  anderes  Mal  gaben  Türken  die  merkwürdige 
Antwort,  dafs  ein  Pafs  nur  dann  gültig  sei,  wenn  der  daran  In- 
teressierte aufrecht  stehe,  nicht  auch  wenn  er  sitze  ^).  Und  wenn 
man  die  mitleidlosen  Verwüster  nach  dem  Beweggrunde  ihres 
Hasses  gegen  die  Christen  fragte,  so  gaben  sie  wohl  zur  Recht- 
fertigung an:  ,,Sy  müessen  ess  thün,  wann  der  aine  Got,  der 
ob  uns  sey,  weis  efs  also  haben;  wann  so  ers  nit  also  haben 
wolten,  so  war  ess  nit  müglich  das  sy  das  thüen  möchten.  Ir 
duoch  sey  gegen  den  Kristen,  wo  sy  aneinander  getrew  weren, 
nichtz.  Wir  Christen  sein  an  einander  untrew  und  sey  keins  Lieb 
und  Gehorsam  in  uns,  sunder  Hoffart  und  Übermuet ;  dass  chem 
von  grossen  Guet  das  wir  haben.  Darumb  hab  sy  Got  uns  zu  Straff 
geschickt."  Auch  bei  solchen  Gelegenheiten  pflegten  übrigens 
die  Akindschis  sich  den  religiösen  Vorschriften  des  Islams  gemäfs 
zu  gebärden.  So  heifst  es  in  einem  Nürnberger  Brief  über  die 
Kämpfe  des  Jahres  1483:  ,,  Darnach  mit  grossem  Geschray  und 
Aussreissung  irer  Har  und  Port  mit  auff  die  Erden  nidergefallen  ^).  " 
Wo   sie  durchgekommen  waren,  ,, krähte  jahrelang  kein  Hahn", 


i)  „Serbischer  Janitschare"  Kap.  vin. 

2)  München,    Reichsarchiv,    „Türkenhilff  de  anno    1446  bis   1518",    Nr.   21  ; 
cod.  germ.   monac.    1586;   vgl.   auch  cod.  lat.   monac.    14668. 


224  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

schreibt  der  „serbische  Janitschar"  ^).  Zu  Tausenden  wurden 
die  Sklaven  heimg^eführt ,  wenn  sie  nicht  schon  während  des 
Zuges  türkischen  Kaufleuten,  die,  bis  zu  500  an  Zahl,  dem  Heere 
entgegenkamen,  ,,das  gefangen  Volk  zu  kauffen,  mit  Gelt,  Hu- 
sackenn,  turckischen  Stival  und  ander  Wer",  in  die  Hände  fielen  ^). 
Die  armen  geängsteten  Leute  erzählten  dann  später  wohl  viel 
von  sonderbaren  Gebräuchen ,  die  sie  bei  ihren  neuen  Herren 
gesehen  zu  haben  glaubten:  ,, Darnach  hienngen  sy,  nach  irer 
Gewonhait,  aynen  Säbell  oder  eyn  Schwert  auf  ain  Stangen  ze 
lössen  und  zw  besehen  ob  es  in  wol  oder  ubell  ergen  sollt.  Da 
ist  der  Mon  pluetfarb  und  darnach  gantz  schwartz  und  finster  ge- 
sehen worden ,  dy  haben  gross  fewrig  Flammen  herab  in  ihr 
Her  getrewt  ^). "  Selbst  wenn  die  Akindschis  auf  dem  Heimweg 
ein  Treffen  mit  den  sie  nur  selten  verfolgenden  Christen  zu  be- 
stehen hatten  und  einige  der  Ihrigen  mit  einem  Teil  der  ge- 
wonnenen Beute  wieder  verloren  —  ihre  Bewaffnung  bestand 
ja  nur  aus  Lanze  und  Bogen  *)  — ,  waren  sie  doch  immer  mit 
dem  Ergebnisse  ihres  Ausfluges  in  die  Christenheit  hinein  zu- 
frieden. Und  im  folgenden  Frühling  erschienen  ihre  roten, 
weifsen  und  schwarzen  Fahnen  wiederum,  und  wieder  flohen  die 
armen  Bauern  in  die  Wälder  und  Berge,  die  ihnen  doch  nur 
wenig  Schutz  boten  ^).  In  den  nordwestlichen  türkischen  Grenz- 
landschaften stand  die  neue  Miliz  der  Martolodschen ,  die  nur 
dem  Raub  lebten^),  immer  zum  Einfalle  bereit'^).  Freilich  war- 
teten auf  dem  anderen  Ufer  die  christlichen  ,,Pribecken"  der 
Serben  nur  auf  die  Gelegenheit,  um  ihnen  Gleiches  mit  Gleichem 
zu  vergelten  **). 


i)  Kap.  XLil. 

2)  Nürnberger  Archiv;  cod.  lat.  monac.  14668.  Siehe  auch  cod.  germ.  monac. 
1586,  fol.  404:  „haben  Gelt  und  Gewantt  vil  pracht  darumb  sy  das  gefangen 
Volck  haben  kauffen  wellen". 

3)  Cod.  germ.  monac.  14668,  fol.  79.  Vgl.  die  in  der  vorhergehenden  An- 
merkung zitierte  Version. 

4)  Lask  ar  is. 

5)  Vgl.   auch   cod.  germ.  monac.    1585,   fol.    136  vo. 

6)  Während  des  Beutezugs  erhielten  auch  sie  alle  fünf  Tage  einen  Dukaten. 

7)  Vgl.  den  „Serbischen  Janitscharen"  Kap.  XLTV. 

8)  Vgl.  auch  Bonfinius  S.  431. 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  II.  335 

Zog-  aber  nicht  nur  ein  Beglerbeg-,  sondern  Mohammed  selbst 
zum  Kriege  aus ,  so  hatte  dieser  einen  anderen  Charakter ,  wie 
man  ihn  umsonst  in  den  ritterhchen,  poetisch  gefärbten  Zeiten 
eines  Murad  II.  suchen  würde.  Denn  es  galt  nicht  mehr,  den 
Christen  glorreiche  Schlachten  im  offenen  Felde  zu  liefern,  was 
diese,  selbst  unähnlich  ihren  gläubigen  Vorfahren  in  der  Huny- 
adischen  Ära,  nicht  mehr  erwarteten  ;  vielmehr  wollte  der  Sultan 
ein  Land  für  die  Dauer  unterwerfen,  seine  unmittelbare  Verwaltung 
einrichten  und  neue  Spahis  aus  den  Reihen  der  siegreichen 
Truppen  ansiedeln.  Darum  kam  es  ihm  einmal  auf  Bezwingung 
aller  befestigten  Städte,  aller  mächtigen  Schlösser  und  trotzenden 
Burgen  an  und  zweitens  auf  Gefangennahme  oder  Vernichtung 
der  bisher  herrschenden  Dynastie.  Aus  diesem  neuen  Gesichts- 
punkt ist  seine  gesamte  Kriegführung  zu  verstehen. 

In  unbestimmten  Ausdrücken  wurde  im  Namen  des  Sultans 
der  heilige  Krieg  ausgerufen  ^).  Zuerst  sammelten  sich  die  leichten 
Truppen  am  festgesetzten  Orte,  und  sogar  im  feindlichen  Lande 
selbst.  Es  folgten  die  Spahis  —  jetzt  unmittelbare  Lehnsleute  des 
Sultans  allein  ^)  —  unter  den  Befehlen  der  beiden  Beglerbegs ;  die 
Asiaten,  etwa  30000  (1513:22500),  zwar  schöne  Gestalten  und 
ausgezeichnete  Schützen,  standen  —  nach  allgemeinem  Urteile  — 
an  Tapferkeit  und  Ausdauer  hinter  den  etwa  20 000  (1513  :  27  500) 
Leuten  von  Rum  zurück  ^).  Von  jedem  Timar  waren  deren  fünf 
gekommen*).  Zu  ihrer  Bewaffnung  gehörte  gegen  1500  ein 
leichter  Panzer,  selten  ein  Schuppenhemd  (corazza),  und  ein 
hölzerner  Schild ;  einige  Mannschaften  führten  nur  eine  Lanze, 
andere  ein  Schwert  oder  den  Bogen  ^).    Fahnen  von  verschiedenen 


i)  Siehe  Archiv  von  Mailand,  „Potenze  estere ,  Turchia":  Einberufung  vom 
Jahre  1476,  mit  der  Titulatur:  „Mahumetes  Amyras  Soltanus,  filius  felicissimi  dd. 
Muratti  Amyra''. 

2)  Für  die  neuen  Einrichtungen  Mohammeds  II.  s.  Hammer,  Staatsver- 
fassung I,  8.  4i4ff.  Jetzt  wurde  festgestellt,  dafs  ein  Lehen,  welches  bis  30000 
Aspern  jährlich  bringt,  ein  Timar  ist,  während  ein  Siamet  bis  100  000  wert  sein 
konnte.  Die  Lehen  waren  nun  unter  gewissen  Bedingungen  erblich.  Die  Lehen- 
träger können  wegen  Versäumung  der  militärischen  Pflicht  abgesetzt  werden. 

3)  Barletius,  Scutari,  S.   307. 

4.)  Alb^ri,  Relazioni  al  Senato  veneto   IX,   S.  48. 
5)  Laskari  s. 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  iO 


226  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

Farben,  deren  jede  ein  Sandschakat,  eine  oVfixala  vertrat,  gingen 
ihnen  voran ;  die  weifsen  waren  allerdings  in  der  Mehrzahl  '). 
Die  Beglerbegs  selbst  hatten  ihre  eigenen  Paniere :  rot  für  Rum, 
weifs  für  Anadol  ^).  Es  gab  jetzt  auch  zwei  Richter  des  Heeres, 
Kadilisker,   deren  jeder  seinen  Beglerbeg  begleitete  ^). 

Der  Vortrab  der  Janitscharen  erschien  erst  etwas  später. 
Sobald  aber  ihr  Aga  an  der  Spitze  des  erlesenen  Hauptkorps 
unter  den  zwei  Fahnen:  grün  und  rot,  gelb  und  rot,  da  war, 
hatte  man  die  Sicherheit,  dafs  der  Kaiser  selbst  eingetroffen  sei; 
beide  Beglerbegs  fanden  sich  vor  ihm  ein,  um  den  Saum  seines 
Gewandes  zu  küssen  und  über  die  bisherigen  Operationen  des 
Heeres  Bericht  zu  erstatten  *).  Die  Zelte  des  Herrschers  waren 
vorher  aufgeschlagen  worden  und  nahmen  einen  weiten  Raum 
vor  der  angegriffenen  Stadt  ein;  bei  der  Belagerung  Skutaris 
wurden  ihrer  neun  gezählt.  Das  gröfste  diente  für  die  Be- 
ratungen des  versammelten  Diwans ;  das ,  in  dem  der  Sultan 
oder  einer  seiner  Söhne  wohnte,  war  karmesinrot  und  aus  Seide 
zusammengenäht ,  während  der  Wesir  in  einem  weifsen  Zelte 
seinen  Aufenthalt  hatte  ^).  Mehrere  Gräben  umschlossen  die 
Zelte  und  waren  mit  Zäunen,  Ketten  usw.  noch  verstärkt  ^).  Bei 
Feldschlachten  waren  auch  die  Kanonen  hier  in  Sicherheit  ge- 
bracht. Eine  einzige  gut  bewachte  Pforte  führte  zum  Herrscher; 
um  zu  seiner  heiligen  Person  zu  gelangen,  hatte  jeder  drei  Wacht- 
posten zu  passieren  '').  Alle  drei  Tage  mufste  sich  der  Kaiser 
seinem  Heere  zeigen,  zum  Zeugnis,  dafs  die  einzige  rechtmäfsige 
Macht  noch  lebe  und  wirke  ^). 


i)  Barletius  S.  307  —  308.     Über  den   darauf  gemalten  oder  genähten  Halb- 
mond s.  Philelphus  in  Dethier-Hopf  III,  S.   358. 

2)  Pusculus,    Ein    Zeuge    der    Eroberung    Konstantinopels,    in    Dethier- 
Hopf  m,  S.   208—210. 

3)  Seadeddin  II,  S.   324 — 325. 

4)  Siehe  den  „Serbischen  Janitscharen"  Kap.  XL ;  auch  Barletius,  Scutari, 
S.  308. 

5)  Nanni  de  Ytro;  Barletius,  Scutari,  fol.  316  vo. 

6)  Beschreibung  eines  türkischen  Lagers  im  cod.  lat.  monac.  14668:  „Copey 
einer  Schrifft  von   dem  Turcken,  gesannt  dem   Könige  von  Franckreich"  usw. 

7)  Barletius,  Scutari,  S.  310. 

8)  Sathas  VI,  S.    163. 


]\Iittel  und  Ziele  des   Reichs  unter  Sultan   Mohammed   IL  227 

Die  türkische  Artillerie  ist  recht  eig^entlich  von  Mohammed  II. 
org"anisiert  worden.  Kamele  schleppten  das  Erz  herbei  M,  und 
die  Kanonen  wurden  im  Ang-esicht  der  feindlichen  Mauern,  die 
sie  zerstören  sollten  ^),  geg-ossen.  Das  Schicksal  Meister  Urbans, 
der  die  berühmte  Bombarde  zur  Beschiefsung"  Konstantinopels 
verfertig'te ,  ist  uns  unbekannt;  1480  aber  diente  dem  os- 
manischen  Kaiser  „ein  Buchssenmayster  Jörg',  ein  g^ebornes  Sachss 
oder  Meyssner " ,  der  dann  bei  der  Belag'erung'  von  Rhodos  zu 
den  Christen  überg"ing"  und,  weil  er  unvorsichtig'e  Reden  führte 
—  ,,er  hat  eins  Tag"s  geredt  und  sich  berumet,  er  hab  vill  Tausent 
Christen  umbbracht"  — ,  fern  von  seiner  vielleicht  mosleminischen 
Familie,  die  ihn  in  Konstantinopel  erwartete,  am  Galgen  endete  ^). 
Bei  jedem  Zug"e  wurden  zum  Gufs  von  Kanonen  ,,bombardieri", 
dschebedschi,  an  den  Sammelplatz  des  Heeres  voraus- 
g'eschickt  ■*).  Ihre  Bombarden  waren  der  Stolz  der  Osmanen : 
auch  die  Sultanin  steuerte  aus  eigenen  Mitteln  eine  bei,  die  zur 
Belagerung  Skutaris  verwandt  wurde  ^).  Sie  hatten  auch  ,,  gross 
Mörser",  welche  die  Häuser  erschütterten  und  allgemeine  Be- 
wunderung hervorriefen ;  ein  Italiener ,  der  den  Kriegsbegeben- 
heiten vor  Skutari  beiwohnte ,  beschreibt  sie  also :  ,,  Ein  kurzes 
und  dickes  Ding,  tief  eingegraben,  so  dass  der  Mund  zum 
Himmel  gerichtet  ist ,  während  der  hintere  Teil  in  der  Erde 
steckt,  und  gleicht  sein  Donner  dem  Brüllen  des  Meeres 
während  eines  Sturmes  '')."  Geschossen  wurde  mit  steinernen 
Kugeln,  aber  auch  mit  Bomben,  Feuerbomben,  die  aus 
einer  Mischung  von  allerlei  brennbaren  Stoßen  bestanden  und, 
nach    den    gleichzeitigen    Beschreibungen,    wie    Kometen   diuch 


i)  Ebenda  S.   307. 

2)  Siehe  die  ,,Ne\vtzeiten  Turckenhalb"  (um  1490),  Innsbrucker  Archiv  P.  A. 
XXXIX,  lio:  ,,sy  fueren  auch  mit  inen  bey  VIIj  m  Camelthier  die  Glockspeys 
tragen,  Puchssen   zu  giessen  unnd   anndern  Zewg  mer   so  zu  schiessen  gehört". 

3)  Nürnberger  Archiv,   S.    II,  R.    i,   Nr.    17,   fol.    142  vo. 

4)  Sathas  VI,   S.    135. 

5)  Barletius,  Scutari,   S.   313  vo. 

6)  „Ella  e  grossa  et  corta  et  profondamente  cavata  et  con  la  bocca  volta  al 
cielo  et  con  la  coda  fitta  in  terra,  il  cui  rimbombo  e  somigliante  al  rugghiar  del 
mare,  quando  ha  tempesta";  Barletius,  Scutari,  S.  314.  Vgl.  cod.  lat.  monac. 
14668:   Beschreibung  der  Belagerung  von  Rhodos. 

15* 


328  Erstes  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

die  Luft  flog-en,  um  Türme  und  Häuser  in  Brand  zu  setzen  '). 
An  den  kleineren  Unternehmungen  des  Beg-lerbegs  nahmen  schon 
Mannschaften  teil,  die  „auch  Puchsen  pey  in  hatten"  ^).  Später, 
wie  z.  B.  bei  Verteidigung  des  Schlosses  von  Kephalenia,  be- 
nutzten sie  auch  das  ,, griechische  Feuer",  das  ,,focho  artificiato", 
das,  in  einer  schwarzen  Masse  verborgen ,  erst  wenn  es  auf  den 
Boden  gelangte,  seine  feurigen  Zungen  auflodern  liefs  ^).  Aufser 
Schild,  Bogen,  kurzem  Schwert^),  ,,Partesane"  und  Lanze 
hatten  g'egen  1500  viele  Janitscharen  solche  Gewehre  ^).  In  den 
von  den  Türken  besetzten  Festungen  hatte  der  Dizdar-Aga,  der 
einen  Kehaia,  als  Stellvertreter,  mehrere  Bulukdschis  und  höch- 
stens 400  Janitscharen ,  die  sich  im  Frieden  mit  Ackerbau  ab- 
g-aben  ''),  unter  sich  hatte  ''),  sehr  oft  ebenfalls  eine  Bombarde  ®). 
Des  weiteren  verstanden  die  Türken  jetzt,  wenn  sie  auch 
noch  keine  Mauern  nach  strategischen  Grundsätzen  aufführten, 
wenigstens  bei  Einnahme  einer  Stadt  allerlei  technische  Mittel 
in  Anwendung  zu  bringen.  Bei  Rhodos  stellten  sie  1480  eine 
Brücke  bis  zum  Schlosse  her,  die  so  breit  war,  dafs  sechs  Reiter 
nebeneinander  darüber  hinreiten  konnten  ^) ,  und  hier  legten  sie 
auch,  wie  schon  1453,  Minen  an,  die  sie  mit  hölzernen  Planken, 
,,Puschlen",  und  Erde  deckten  und  unsichtbar  machten.  Die 
ausführenden  Meister  waren  gewöhnlich  Griechen,  die  freilich 
wenig-er  als  die  Italiener  geschätzt  waren  *"). 


1)  „Di  ragia,  di  pece,  di  solfo,  di  cera,  d'olio  et  di  somiglianti  altre  cose 
acconcie";  Barletius,  Scutari,  S.  313  vo. 

2)  Cod.  lat.  monac.  1466S,  fol.  59ff. :  Beschreibung  der  Schlacht  von 
Kenyermezö. 

3)  ,,Pare  una  tripa  negra  .  .  .,  e,  come  l'e  in  terra,  se  rompe  et  spargese  il 
foco  in  qua  et  lä";  Cogo,  La  guerra  di  Venezia  contro  i  Turchi,  Venedig  1899, 
S.    84. 

4)  „Certe   altre  daghe  ben  curte." 

5)  „Qualche  sciopeto  e  balestra";  Laskaris. 

6)  Sathas  VI,  S.   147,   148. 

7)  Bezahlung:  Y2  Dukaten  täglich  für  den  Dizdar,  Y4  für  den  Kehaia,  Y^  für 
die  unteren  Offiziere,  ^/^g,  d.  h.  4  Aspern,  für  den  Gemeinen;  „Serbischer  Jani- 
tschar"  Kap.  xxxvin. 

8)  Vgl.   Sathas   VI,   S.    138:  ,,bonibarda  grossa  da  Coriiitlio". 

9)  Siehe  Anm.   2. 

10)  Vgl.  einen  Brief  ans  Korfu  vonä   14.  Juli    1500  („Rettori,    Capi  Cons."  X, 


Mittel  und  Ziele  des  Reichs  unter  Sultan  Mohammed  II.  229 

Für  den  Sturm  wurde  eine  Neumondnacht  gewählt  ').  Zuerst 
beteten  die  Krieger  laut  und  wuschen  sich ;  sie  hielten  Stricke 
für  die  Sklaven  und  Säcke  für  die  Beute  bereit  ^).  Das  Zeichen 
zum  Angriff  gab  das  „Schluegen  auf  all  Paucken  ",  worauf  dann 
allgemein  das  Kriegsgeheul  erhoben  wurde.  Gewöhnlich  wurde 
,,bey  einer  Stundt  vor  Tag"  begonnen^).  Des  Sultans  Standort 
mufste  allen  sichtbar  sein;  der  Herrscher  war  beritten  und  trug 
seine  eiserne  Keule*).  Er  hatte  das  Recht,  sich  von  der  zu 
erobernden  Stadt  vorzubehalten,  was  er  wollte ;  mifsbrauchte  er 
es  und  verlangte  zu  viel  für  sich ,  so  wurde  der  Kampf  leicht 
lauer  geführt  als  sonst ;  darum ,  hiefs  es ,  sei  Rhodos  nicht  ein- 
genommen worden.  Von  der  schliefslichen  Verteilung  der  Beute 
ist  bereits  mehrmals  die  Rede  gewesen.  Wenn  der  Sultan  heim- 
kehrte, trugen  Janitscharen  die  weifse  und  die  rote  Fahne  vor 
ihm  her ;  die  kaiserlichen  Zelte  wurden  sehr  oft  verbrannt  ^). 

Auch  die  Flotte  wurde  durch  Mohammed  auf  eine  hohe 
Stufe  der  Entwicklung  gebracht.  Sie  zählte  zahlreiche  Schiffe 
und  sogar  Galeeren,  und  blieb  nicht  immer  im  Hafen  von  Galli- 
polis,  den  der  siegreiche  Sultan  mit  zwei  Schlössern,  von  denen 
eines  nur  hätte  renoviert  zu  werden  brauchen,  versehen  hatte  *'). 
Bei  Kriegsgelegenheit  wurden  aufserdem  durch  Olaken  ^)  aufs 
eiligste  Fahrzeuge  aus  Privatbesitz  requiriert,  und  auch  die  Be- 
mannung bestand  zum  grofsen  Teile ,  neben  den  Asapen ,  zu 
denen  man  Türken  und  Christen  durch  Bekanntgebung  der  Sold- 


Corfü) :  „questi  maistri  bresani,    li    quäl   son  omini    che  fano  de  scarte  (sie)  loro 
chosse  inchredibil,   ciie  con  maistri  grezi  non  e  posibel  far  tal  opere." 

1)  Barletius,   Scutari,   fol.   317  v°. 

2)  Cod.  lat.  monac.    14668. 

3)  Nürnberger  Archiv  S.    11,  R   i,  Nr.   17,  fol.   131  ff. 

4)  „11  suo  bastone  di  ferro";  Brief  des  Sekretärs  Malatestas  in  Sansovino 
fol.   249  yo. 

5)  Barletius,  Scutari,  fol.  320  vo.  Über  die  Fahnen  s.  auch  Dethier- 
Hopf  III,  S.  259  (Pusculus). 

6)  Chron.  F.   33,  fol.   122. 

7)  Nachrichten  aus  Konstantinopel,  5.  Dezember  1499,  in  „Capi  del  Cons. 
di  X,  lettere  dei  rettori,  Candia":  „Li  Olachi  ogni  di  vano  et  viene  reccogliando 
maran^oni.'' 


230       Erstes   Buch.     Neuntes  Kapitel.      Mittel  und  Ziele   des  Reichs  usw. 

bedingungen  und  mög'lichst  weitgreifende  Einberufung-  gewann  *), 
aus  Leuten,  die  unfreiwillig'  an  Bord  gebracht  worden  waren  ^), 
Die  Schiffe  segelten  nur  bei  Vollmond  von  Gallipolis  aus  ^). 
Diese  Flotte  erzwang  die  Unterwerfung  mehrerer  Inseln  und  trug 
zur  Einnahme  von  Kaffa  und  Negroponte,  von  Sinope  und  Trape- 
zunt  bei.  Sie  beherrschte  auch  das  Schwarze  Meer,  war  aber 
trotz  imponierenden  Auftretens  nicht  imstande,  selbständig  gegen 
den  Feind  vorzugehen ;  nicht  einmal  die  moldauischen  Häfen  ver- 
mochte sie  1462  und  1475  einztmehmen,  weil  die  Mitwirkung 
eines  Landheers  fehlte.  Gegen  die  Venezianer,  deren  Furcht 
vor  ihr  entschieden  übertrieben  war,  wagte  sie  es  nicht,  sich  in 
einen  Kampf  einzulassen.  Die  gesamte  Seemacht  des  Sultans 
erwies  sich  1480  nicht  stark  genug,  die  Einfahrt  zweier  Hilfs- 
schiffe des  Westens  in  den  Hafen  von  Rhodos  zu  verhindern. 
Und  ungestört  konnte  die  christliche  Union  die  beiden  Jahre 
1472  und  1473  hindurch  an  der  asiatischen  Küste  nach  Belieben 
ihr  Wesen  treiben. 


i)  Sathas  VI,  S.  135:  „La  quäl  porta  comandamento  al  flamburar  preditto 
chel  facesse  far  una  crida  che  tutti  quelli  nostri,  Turchi  come  christiani,  che  vora 
andar  sopra  l'armata  del   Signor  con  suo   pagamento,   se   debia  metter  in   ordine." 

2)  Vgl.  „Mon.  Hung.  Hist."  V,  S.  241  :  „Coramandamento  che  tutte  le  navi 
et  navigli  piccoli  et  grandi  fossero  retenute  per  suo  nome";  S.  243:  „Furono 
armate  de  molte  fuste  et  galee  et  la  major  parte  per  forza,  perfmo  a  togliere 
gli  homini  per  forza  da  casa." 

3)  Sathas  a.   a.   O. ;   auch   S.    137. 


Zweites  Buch. 

Festsetzung   der  endgültigen  Grenzen  des 

osmanischen  Kaiserreiches  von  Bajesid  IL 

bis  unter  Soliman  IL 


Erstes  Kapitel. 

Periode  der  Ruhe  nach  den  Stürmen  der  Eroberung. 

Bajesid   II.     Seine    Einsetzung.     Kampf   mit   seinem 

Bruder  Dschem  und  dessen  Schicksal. 


Mohammeds  tapferer  ältester  Sohn,  Mustafa  Sultan,  war  dem 
Vater  im  Tode  vorangegangen ,  während  der  Kämpfe  mit  den 
Karamanen ;  nach  einem  letzten  Angriffe  auf  diese  Feinde  seines 
Hauses  war  er  gestorben,  angeblich  ein  Opfer  der  Freuden  der 
Polygamie  ^).  Ein  anderer  Sohn,  Alaeddin,  ruhte  damals  bereits 
im  Mausoleum  der  Osmanen  zu  Brussa  ^).  Von  den  zwei  übrig- 
gebliebenen war  Dschem,  der  Freund  der  Dichter,  der  selbst  in 
die  Geheimnisse  morgenländischer  Poesie  eingeweiht  war,  zwar  eben- 
falls ein  wollüstiger  und  im  übrigen  grober  und  schwerblütiger 
Charakter;  er  schielte  und  litt,  sehr  jung  schon  —  er  zählte 
erst  28  Jahre  — ,  wie  sein  Vater  an  Fettsucht,  aber  dennoch  hatte 
ihn  dieser  mehrmals  mit  Staatsgeschäften  von  der  gröfsten  Be- 
deutung betraut;  so  hatte  er  1472  während  des  Zuges  des  Sultans 
nach  Asien  die  europäischen  Besitzungen  verwaltet  und  beschützt. 
Er  war  Mustafa  im  karamanischen  Sandschakat  gefolgt.  Hier 
lebten  aber  nach  wie  vor  starke  partikularistische  Neigungen  und 
Bestrebungen ,  und  die  ehrgeizigen  Grofsen  in  Konieh  sahen  in 
Dschem  gleichsam  eine  neue  Verkörperung  der  karamanischen 
Unabhängigkeit.  Da  nun  der  neue  Wesir  Mahmud,  der,  vielleicht 
nach  der  karamanischen  Traütion,     welcher    der    seldschukische 


1)  Gesandtschaftsbericlil  in  Alberi,  Relazioni  VI,   S.    l8:  „Per  troppo   usar 
con  le  donne." 

2)  Seadeddin   II,   S.    290. 


334  Zweites  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Kaiser  noch  näher  stand,  im  osmanischen  Staatswesen  manche 
Neuerungen  durchgeführt  hatte,  selbst  diesen  Gegenden  ent- 
stammte, so  dachten  viele,  dafs  er  mit  dem  alten  Sultan  überein- 
gekommen sei,  zum  Nachteile  des  älteren  Bruders  Bajesid  Dschem 
die  Thronfolge  zu  sichern.  Auch  war  Dschem  während  der 
Regierungszeit  des  Vaters  geboren  und  folglich  der  einzige 
Porphyrogenet. 

Bajesid,  der  1481  schon  ein  Alter  von  34  Jahren  erreicht 
hatte,  war  ein  hoher,  schlanker  Mann  von  dunkler  Gesichtsfarbe, 
mit  melancholischen  Augen  und  schwermütigem  Ckarakter,  der 
den  Krieg  nicht  liebte,  aber  dennoch  Disziplin  zu  erzwingen 
verstand,  seine  Krieger  achtete  und  sie  mit  Gaben  zu  überhäufen 
gewohnt  war.  Darum  liebten  ihn  die  Janitscharen,  wie  die 
Gelehrten  und  Künstler  den  jüngeren  Dschem,  als  einen  Bengi, 
einen  O7covdalog  ^) ,  mit  ihrer  Liebe  beschenkten.  Er  war  Sand- 
schak  von  Amasieh  im  fernen  Osten,  und  sein  Vater  schien  ihn 
absichtlich  hintenanzusetzen  ^). 

Keiner  von  den  Prinzen  war  im  Lager  von  Tckkiur  anwesend, 
obgleich  beide  sich  für  den  neuen  Zug  bereit  hielten.  Aber  die 
Söhne  beider  weilten  als  Geisel  in  Konstantinopel  im  Serail  des 
Grofsvaters:  Bajesids  Sohn,  Korkud,  war  bereits  ein  Jüngling, 
während  Kaigub-Schach,  der  Sohn  Dschems^),  noch  in  den  Kinder- 
jahren stand.  Der  erstere  stand  in  freundschaftlichen  Beziehungen 
zu  dem  Aga  der  Janitscharen,  der  seine  Schwester  geheiratet  hatte, 
und  zu  dem  zum  Islam  übergetretenen  Cherzekogli  Ahmed- 
Pascha,  ferner  zu  Isak-Pascha,  der  sich  bald  als  Wesir  an  der 
Spitze  der  Empörung  befinden  sollte  *). 

Der  Kampf  um  die  Nachfolge  des  grofsen  ersten  Kaisers 
der  Osmanen,  des  Begründers  des  Reiches,  konnte  nicht  aus- 
bleiben. Keine  feste  Regel,  keine  allgemein  angenommene  Über- 
lieferung, keiner  der  Kanuns  Mohammeds  regelte  die  wichtige 
Frage.  Selbst  an  der  lechtsmäfsigen  Notwendigkeit  der  Reichs- 
einheit   durfte     man    zweifeln    und    für    Teilung    der    Herrschaft 

1)  Vgl.  Leunclavius  Sp.  624. 

2)  Siehe   das  von   Gritti  entworfene  Bild   in  Alberi   a.   a.   O.   S.    19  ff. 

3)  Leunclavius   Sp.   625.  4)    Brief  des   Sekretärs  Malatestas. 


Periode  der  Ruhe  nach  den   Stürmen   der  Eroberung.     Bajesid  II.  usw.     335 

zwischen  den  „feindlichen  Brüdern"  Gründe  finden.  Aber  die 
alte  Norm  der  Byzantiner,  die  noch  im  ii.  Jahrhundert  von 
Kekaumenos  dahin  formuliert  worden  war,  dafs  der  Besitz  der 
Hauptstadt  über  den  Besitz  des  Reichs  entscheide,  war  auch  unter 
den  Osmanen  gültig-.  In  Stambul  befand  sich  die  von  Mohammed 
ausgiebig  gefüllte  Khasna  ^),  die  Schatzkammer,  und  nur  durch 
verschw^enderisch  ausgeteilte  Aspern  konnte  sich  ein  Osmane 
wirklich  und  dauernd  der  Treue  der  bereits  von  dem  nun  hin- 
g-etretenen  Kaiser  so  geschulten  Janitscharen  versichern  -). 

Einige  Tage  vermochte  der  Wesir  die  Truppen  zu  täuschen, 
indem  Sklaven  die  Arme  des  Herrschers ,  aus  dem  das  Leben 
geflohen  war,  grüfsendc  Bewegungen  ausführen  liefsen.  Als  die 
Krieger  aber  den  Tod  ihres  ,, Vaters"  und  ,, Herrn"  erfuhren, 
brachen  sie  in  oftenen  Aufruhr  aus.  Das  Ereignis  machte  sie  frei 
und  öffnete  der  wildesten  Anarchie  Tür  und  Tor.  Das  Reich  kannte 
ja  keine  Gesetze,  keine  althergebrachten  Thronfolgesitten;  der 
Islam  ist  keine  Religion  der  gesellschaftlichen  Pflichten  und  der 
Schonung  für  Person  und  Habe  des  Nächsten ,  schon  weil 
Almosenausteilen  im  Interesse  der  eigenen  Seele  keine  aut- 
richtige Menschenliebe  bedeutet.  Wie  145 1,  und  schlimmer 
noch,  kam  es  zu  Verbrechen  und  Greueln.  Der  Wesir  Mahmud 
wurde  mit  der  Verachtung  einer  wilden  Soldateska  einem  fried- 
lichen Rechtsgelehrten  und  Organisator  gegenüber  hingemordet; 
viele  Agas  erfuhren  dasselbe  Los.  Den  für  die  Bedürfnisse  des 
Heeres  bestimmten  Schatz  teilten  die  Aufständischen ,  die  statt 
der  Aspern  nun  Dukaten  bekamen,  unter  sich  auf.  Die  Leiche 
des  siegreichen  Kaisers  in  ihrer  Mitte,  zogen  die  wütenden 
Scharen  auf  Konstantinopel,  das  in  dumpfem  Schrecken  sein 
Los  erwartete;  die  aus  tausend  Janitscharen  bestehende  Besatzung 
der  Stadt  begrüfste  die  Genossen  mit  Frohlocken.  Ein  neues 
grofses  Blutbad  wurde  angerichtet,  durch  das  die  Partei  Dschems 


i)  „Immensum  thesaurum  a  patre  in  ea  [Constantinopoli]  constitutum" ;  Brief 
des  Grofsmeisters  von  Rhodos,  cod.  lat.  monac.  414,  fol.  83;  auch  in  italienischer 
Übersetzung  bei  Thuasne  S.   391 — 398. 

2)  Vgl.  den  Brief  des  Grofsmeisters  von  Rhodos :  „Victoriam  autem  quam 
consecutus  est  frater,  ne  populorum  quidem  benivolencia,  sed  erarii  pocius  paterni 
ope  accidisse   credimus." 


336  Zweites  Buch.     Erstes  Kapitel. 

beinahe  ganz  verschwand.  Viele  Christen  und  Juden,  auch  fremde 
Matrosen  wurden  in  Mitleidenschaft  gezogen;  aber,  dem  ver- 
breiteten Gerüchte ,  dafs  man  den  Bailo  gefangengesetzt  habe, 
zum  Trotz,  wurden  die  Venezianer  allein  verschont  ^),  dank  Cherse- 
kogli,  der  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  Stipan  zum  ,,gentiluomo" 
der  Republik  geworden  war.  Manche  flüchteten  nach 
Pera.  Korkud  verteilte  an  die  Verschworenen  ,,vil  Tausend 
Guldin"  und  wurde  schnell  als  Stellvertreter  des  abwesenden 
Vaters  anerkannt.  Zwar  ,,ettlich  mayneten  auch,  der  Son  werd 
den  Vätter  nit  einlassen",  doch  hielt  Bajesid  II.  schon  nach 
sechs  Tagen,  am  20.  Mai  148 1,  als  heifs  ersehnter  Wiederher- 
steller des  Friedens  und  der  Sicherheit  seinen  Einzug  in  die 
Hauptstadt  ^).  Seine  erste  Sorge  war,  dem  Vater  im  Garten  der 
Mohammedieh  in  Konstantinopel  eine  Ruhestätte  zu  bereiten; 
so  wurde  der  Fatih  der  erste  Sultan ,  der  aufserhalb  der  ehr- 
würdigen Mauern  Brussas  sein  Grab  fand  ^). 

Dort  in  Brussa  aber  erschien,  von  einigen  tausend  Asapen 
und  Karamanen  umgeben,  sein  Bruder  Dschem,  dem  Bajesids 
Wunsch  wohl  ebenfalls  gern  die  Ehre  eines  kaiserlichen  Be- 
gräbnisses gegönnt  hätte.  Bajesid  ging  sogleich  nach  Asien 
hinüber  und  stellte  ihm  die  Janitscharen  entgegen ;  Gedik-x^chmed, 
der   tapfere    und    erfahrere    Eroberer    Kaffas   und    Otrantos ,    war 


i)  Siehe  einen  venezianischen  Brief,  ins  Deutsche  übersetzt,  im  Innsbrucker 
Archive,  Sigmund  I,  12:  „aussgenommen  was  den  Venedigeren  zustelt;  die  sindt 
beschirmt  worden". 

2)  Vgl.  Seadeddin  und  Leunclavius  —  die  italienische  Übersetzung 
schliefst  mit  dem  Tode  Mohammeds  ab  —  Sp.  593,  618,  und  dieselbe  osmanische 
Chronik  nacli  der  französischen  Version  in  Thuasne  S.  33ff.  (ms.  fr.  der  Bibl. 
Nationale  6075);  s.  auch  die  Übersetzung  von  Garcin  de  Tassy  im  „Journal 
Asiatique'-  IX,  1826,  S.  I53ff.  (vgl.  VII,  S.  129«.;  VIII,  S.  306  ff.,  34off.);  die 
Erwähnung  in  den  Briefen  des  venezianischen  Capitaneo  von  Nauplion;  Sathas 
VI,  S.  163 — 164;  den  deutschen  eben  zitierten  Brief;  den  oben  angezogenen  Brief 
des   Grofsraeisters  von  Rhodos. 

3)  Über  den  Tod  Moliammeds  ist  eine  lateinische  Klage  erhalten:  „Quinti 
Emiliani  Cimbriatis  poete  epitaphium  in  magnuni  Machumetem.  Turcliorum  regem ; 
familiaris  regis  Turcorum,  Italus,  christianus" ;  cod.  lat.  monac.  904,  fol.  I  ff.  Darin 
die  Zeilen:  „Mens  erat  Ausoniam  Turcorum  iungere  regnis  Et  bellare  Rhodon, 
sed  cita  mors  vetuit." 


Periode  der  Ruhe  nach  den   Stürmen  der  Eroberung.     Bajesid   II.  usw.      237 

von  Otranto  her  an  seine  Seite  geeilt,  um  nun  einer  der 
Wesire  des  neuen  Sultans  zu  werden.  Der  Ausgang-  des 
Kampfes  war  von  vornherein  entschieden.  Dschem  wurde  bei 
Jenischehr  (am  22.  Juni)  vollständig  besieg-t;  die  zahlreichen 
Gefangenen  unverzüglich  geköpft.  Von  Bajesid  verfolgt,  glückte 
es  dem  sich  flüchtenden  Prätendenten  mit  genauer  Not ,  sich 
nach  seinem  Konieh  durchzuschlagen,  um  seine  Familie,  Mutter, 
Sklavinnen,  Sohn  und  Tochter  an  sich  zu  ziehen  und  sich 
dann  als  verzweifelter  Flüchtling  ins  Gebiet  des  Sudans  zu 
begeben. 

In  Ägypten,  beim  Hofe  des  Sudans,  des  Nebenbuhlers 
der  von  ihm  verachteten  Osmanen,  duldete  es  Dschem  nur 
kurze  Zeit.  Nachdem  er  eine  Pilgerreise  nach  Mekka  unter- 
nommen hatte,  ging  er  zu  den  Turkomanen  in  das  ehemalige 
Königreich  Klein-Armenien  um  Tarsus  und  Adana  zurück  und 
fand  von  da  den  Weg  nach  Karamanien ,  wo  ihn  der  immer 
noch  hoffnungsfrohe  Kasum  erwartete.  Im  Bunde  mit  diesem 
hartnäckigen  Verteidiger  der  alten  Ansprüche  seines  Geschlechts 
brach  Dschem  rachedürstend  in  das  Land  ein.  Aber  der  Wesir 
Gedik,  der  jetzt  in  Konieh  residierte,  war  von  den  Bewegungen 
Dschems  sehr  wohl  unterrichtet.  Um  eine  Schlacht  zu  vermeiden, 
begab  er  sich  ins  kaiserliche  Lager  nach  Brussa,  wo  die  Jani- 
tscharen  versammelt  waren. 

Und  Dschem  war  in  der  Tat  nicht  imstande,  seinen  angeb- 
lichen Sieg  auszunutzen;  er  verschwand  sehr  bald  mit  einer 
kleinen  Schar,  ohne  Kasum  von  seiner  Flucht  zu  benachrichtigen, 
nach  den  zilizischen  Pässen. 

Sofort  brach  Bajesid  auf,  um  ihn  in  seine  Hände  zu  bringen. 
Es  scheint,  als  ob  die  Offiziere  des  Soudans  dem  armen  umher- 
irrenden Prinzen  diesmal  den  Eintritt  in  Syrien  verweigert  hätten, 
so  dafs  er  mit  den  1480  von  seinem  Vater  angegriffenen  und 
geschädigten  Johannitern  von  Rhodos  in  Unterhandlungen  treten 
mufste,  um  bei  ihnen  wenigstens  sicheres  Obdach  zu  fmden. 
Natürlich  kam  der  Grofsmeister  d'Aubusson  dem  Zuflucht 
suchenden  mit  der  gröfsten  Freude  entgegen  und  liefs  ihm  einen 
förmlichen  Freipafs  ausstellen. 

Ende  Juli   1482    schiffte    sich  Dschem    auf    einem    der   ihm 


238  Zweites   Buch.     Erstes  Kapitel. 

g-eschickten  Schifte  ein  und  traf  am  29.  Juli  in  der  Stadt  Rhodos 
ein,  wo  eine  j^rofse  neugierige  Menge  auf  ihn  wartete  ').  Nach 
einigen  Tagen  brachte  man  Dschem  dann  nach  „Frengistan",  wo 
er  während  und  nach  den  gebräuchhchen  Verhandhmgen  mit  dem 
französischen  Könige  in  verschiedenen  Schlössern  des  Ordens 
gefangengehalten  und  bald  auch  von  seinem  Gefolge  getrennt 
wurde  ^). 

Der  Aufenthalt  eines  unglücklichen  türkischen  Prätendenten  ^) 
an  einem  christlichen  Hofe  hatte  nichts  Neues  und  Befremdendes. 
Im  Konstantinopel  der  Rhomäer,  im  Ungarn  Hunyadys  waren 
Sultanssöhne  unter  ähnlichen  Umständen  aufgetaucht;  wenn  der 
Asyl  Gewährende  in  freundlichen  Beziehungen  zum  herrschenden 
Sultan  stand,  nahm  er  die  Verpflichtung  auf  sich,  den  Flüchtling 
nicht  fortzulassen,  und  empfing  eine  jährliche  Summe  für  dessen 
Unterhalt.  So  wurde  denn  auch  zwischen  Bajesid  und  dem 
Grofsmeister  noch  vor  Ablauf  des  Jahres  ein  Vertrag  abgeschlossen, 
der  die  Höhe  dieser  Summe  auf  45000  Dukaten  festsetzte*). 
Kraft  dieses  Übereinkommens  führte  Dschem  fortan  im  ent- 
fernten  Westen    ein    für    ihn    als    Dichter    nicht    uninteressantes 


1)  Brief  des  Grofsmeisters  vom  5-  August  14S2  —  vgl.  Paoli,  Codice  diplo- 
matico  II,  S.  411  ff.  — ,  der  ihn  folgendermafsen  beschreibt:  ,,Consilio  acrem,  viribus 
strenuum,  corpore  forti  prestantem",  während  ihm  Bajesid  II.  als  ein  ,,perfidus 
imbellisque",  ein  „insolens",  ein  Hascher  nach  Reichtümern  galt.  Eine  reicher  aus- 
geschmückte Erzählung,  nach  mehreren  türkischen  Quellen  in  Hammer,  und  daraus 
in  Thuasne  S.  52  ff.  Der  von  ihm  S.  54,  Anm.  2,  zitierte  Angiolello  hat  aber  für 
diese  Begebenheiten  keinen  grofsen  Wert.  Die  älteren  osmanischen  Quellen,  Leun- 
clavius  Sp.  593  ff. ,  618  ff. ,  sind  zuverlässig.  Auch  in  den  Johanniterchroniken 
und  -akten ,  Bosio,  Caorsin,  in  Burchards  Diarium,  Ausg.  Thuasne,  ist, 
was  Einzelheiten  betrifft,  manches  zu  finden.  Von  abendländischen  Quellen  ist 
die  schon  von  Zink  eisen  benutzte  Clironik  des  Navagiero,  dann  die  von  Parma 
und  der  Brief  des  Sekretärs  Malatestas  anzuziehen;  vgl.  auch  „Mon.  Hung.  Va- 
ticana"  a.  a.  O.  S.    175. 

2)  Thuasne  a.  a.   O. 

3)  Über  einen  angeblichen  Bajesid,  einen  Sohn  Murads,  der  damals  in  Europa 
umherirrte,  s.  Thuasne  S.  103,  Anm.  i.  Er  sagte  aus,  von  den  Christen  noch 
1453  gefangengenommen  und  nach  Rom   übergeführt  zu  sein. 

4)  Paoli  II,  S.  4i9ff. ;  „iW«  UavSojQn"  (mir  unzugänglich)  S.  563  ff.  Vgl. 
Thuasne  S.  81  ff. 


Periode  der  Ruhe  nach   den   Stürmen   der  Eroberung.      Bajesid  II.  usw.     239 

Leben  von  Liebesabenteuern  —  ,,li  soliti  soi  piaceri",  schreiben 
einmal  die  Venezianer  ')  — ,  von  feierlichen  Einzüg-en  in  ver- 
schiedene Städte,  von  zu  vereitelnden  Verschwörung-en  und  Nach- 
stellungen und  literarischer  Beschäftigung-  2).  ]S[^J-  gelten  fand  er 
Gelegenheit,  an  seine  Mutter,  eine  ,, Prinzessin  von  serbischem 
Blute",  und  an  die  in  Asien  oder  in  Rum  weilenden  Freunde 
Schreiben  zu  richten,  um  sich  ihnen  aus  seinem  Unglücke  und 
seiner  Einsamkeit  in  empfehlende  Erinnerung  zu  bringen.  Gern 
hätte  ihn  der  König  von  Ungarn  in  seine  Hände  bekommen, 
um  ihn  in  seinem  bis  1483  sich  hinziehenden  Kriege  mit  Bajesid 
und  auch  nach  demselben  ebenso  zu  benutzen,  wie  es  sein  Vater 
mit  Tschelebi  verstanden  hatte  ^).  Doch  waren  alle  Anschläge, 
Dschem  zu  entführen  und  nach  Ofen  zu  bringen,  vergeblich. 
Eine  an  den  König  von  Frankreich  abgeschickte  Gesandtschaft, 
mit  dem  Bischöfe  von  Grofswardein  an  der  Spitze ,  vermochte 
1487  ebenfalls  nichts  auszurichten,  obgleich  sie  mehrere  Monate 
bei  dem  Könige  zubrachte.  Auch  die  Bestrebungen  des  neapolita- 
nischen Königs,  sich  des  osmanischen  Prinzen  zu  versichern, 
waren  erfolglos  ■*).  Seinerseits  wies  Venedig,  dem  einzig  am 
Fortbestand  des  Friedens  gelegen  war,  jedes  Anerbieten,  den 
osmanischen  Prinzen  in  seine  Obhut  zu  nehmen,  von  sich; 
schon  im  September  1482  hatte  es  auf  die  Nachricht,  dafs 
Dschem  in  Rhodos  sei,  seinen  Offizieren  Befehl  zukommen 
lassen,  sich  in  die  Streitigkeiten  um  die  Erbschaft  Mohammeds 
nicht  einzumischen  *).  Die  Signoria  sah  in  der  Frage  nach  dem 
Schicksal  des  Prätendenten  eine  natürliche  Lösung  nur  darin, 
dafs  er  dem  Papste  ausgeliefert  werde ,  vergafs  aber  nicht,  Nach- 
richten über  den  Aufenthaltsort  und  das  Befinden  des  Prätendenten 
durch    den    Bailo    nach    Konstantinopel    gelangen    zu    lassen  ^). 


1)  „Mon.  Hung.  Hist."  VII,  S.   151. 

2)  Der    Florentiner    Francesco   Berlinghieri    widmete    ihm    sogar    ein 
geographisches  Werk. 

3)  „Mon.    Hung.    Hist."  VI,    S.   igf.,    2ioff.,  219—220,   28off.,  340;    VII, 
S.  6  ff.,   25  ff.,  36  ff.,   151  ff. 

4)  Siehe  Thuasne  S.    144 ff. 

5)  „Mon.   Hung.   Hist."   VI,   S.    18  — 19;  vgl.   S.    59,    299. 

6)  Ebenda  S.   28off.,   343—345,   350—351,  429- 


S40  Zweites  Buch.     Erstes  Kapitel. 

Als  aber  der  neue  König  Karl  VIII.,  eine  krankhaft  romantische 
Natur,  in  dem  etwas  vom  Gemüt  des  tollen,  aber  tadellos  ritter- 
lichen und  sehr  tapferen  Karl  VI.  wieder  aufzuleben  schien, 
einen  grofsen  italienischen  Zug"  plante,  um  in  Neapel  und  Mailand 
die  Rechte  der  Anjous  und  Orleans  zur  Geltung-  zu  bringen, 
um  dann  die  traditionelle  Politik  der  neapolitanischen  Dynasten 
der  Balkanhalbinsel  gegenüber  in  Gestalt  eines  neuen  Kreuz- 
zuges wieder  aufnehmen  zu  können,  verweigerte  dieser  König 
die  i\.uslieferung  des  so  nützlichen  Dschem  hartnäckig  *). 

In  Wirklichkeit  hatte  Dschem  nur  noch  einmal  einige  Aus- 
sicht, den  Thron  der  Osmanen  zu  gewinnen,  als  Bajesid,  durch 
Ränke  Isaak-Paschas  angestachelt  und  seit  langem  schon  auf 
Gedik-Achmed  eifersüchtig,  den  Entschlufs  fafste,  diesen  hoch- 
verdienten und  bei  den  Truppen  sehr  beliebten  Mann  durch 
Mord  zu  beseitigen.  Zwar  mifslang  der  erste  Versuch,  ihn  nach 
einem  festlichen  Schmause,  bei  dem  reichlich  süfser  und  ge- 
würzter Wein  geflossen  war,  niederzuschlagen,  infolge  einer  neuen 
Empörung  der  Janitscharen,  die  in  der  Nacht  den  Palast  er- 
stürmen wollten ;  aber  Bajesid  gab  seine  Rachegedanken  nicht 
auf,  und  Ende  1482  fiel  Gedik  unter  den  Händen  der  Henker  ^). 
Gleichzeitig  wurden  einige  Sandschaks,  die  ihm  ergeben  zu  sein 
verdächtig  waren,  von  ihren  Plätzen  abberufen  und  mufsten 
fürchten,  desselben  harten  und  unverdienten  Loses  teilhaftig  zu 
werden  ^).  Damals  machte  einer  von  ihnen,  der  moreotische 
Statthalter,  seinem  venezianischen  Nachbar  in  Nauplion  unter  dem 
Siegel  der  Verschwiegenheit  die  Eröffnung,  dafs  viele  osmanische 
Magnaten  dieser  sinnlosen  Tyrannei  eines  Fürsten,  der  die  alten 
Pfade  des  Sieges  verlassen  habe,  überdrüssig  seien  und  die 
Erscheinung  Dschems  auf  Reichsboden  unbedingt  eine  allgemeine 
Erhebung  verursachen  werde  ^).  Später  aber  hatte  der  von  den 
meisten  bald  ganz  und  gar  vergessene  Flüchtling  jede  politische 
Geltung  verloren,  mochte  der  grüblerische  und  willenskranke 
Bruder    ihn    oder    vielmehr    sein    Gespenst    aueh    immer    noch 


i)  „Mon.  Hung.  Hist."  VI,  S.   299,  302  ff. 
2")  Leunclavius  Sp.  622  ff. 

3)  Sathas  VI,  S.   209. 

4)  Ebenda. 


Periode  der  Ruhe  nach  den  Stürmen  der  Eroberung.      Bajesid  II.  usw.     341 

fürchten  und  in  dieser  Besorg^nis  eine  Entschuldigung  für  sein 
Verbleiben  in  der  Residenz,  für  die  Unterbrechung  der  Reichs- 
kriege in  Europa  finden. 

Endlich,  nach  langen  Verhandlungen  wurde  Dschem  Anfang 
1489  vom  französischen  Könige  dem  Papste  ausgeliefert.  Am 
13.  März  hielt  er  seinen  feierlichen  Einzug-  in  Rom,  wo  ihn 
Innozenz  V^III.  in  öffentlicher  Audienz  empfing:  den  entwürdigenden 
Zeremonien  des  römischen  Hofes  fügte  er  sich  nicht  und  nickte 
dem  Heiligen  Vater,  dem  er  zur  allgemeinen  Verwunderung 
weder  den  Schuh  noch  die  Hand ,  sondern ,  wie  auch 
den  anwesenden  Kardinälen,  nach  morgenländischer  Sitte  den 
Arm  küfste,  kaum  zu  ^).  In  privater  Verhandlung  soll  er  von 
dem  neuen  Beschützer  die  Erlaubnis  verlangt  haben,  sich  wieder 
nach  dem  Morgenlande  zu  seinen  Verwandten  und  Freunden 
begeben  zu  dürfen.  Man  wies  ihm  eine  gut  bewachte  Wohnung" 
im  Vatikan  an,  den  sein  Vater  Mohammed  einst  als  Sieger  zu 
betreten  geträumt  hatte,  um  der  gesamten  Priesterschaft  den 
Fufs  auf  den  Nacken  zu  setzen.  Hier  gewährte  man  ihm  in 
seinem  faulen,  Vergnügungen  allerart  ergebenen  Leben  allen 
Vorschub :  für  viele  hohe  Beamte  der  Kurie  und  manche  Künstler 
Seiner  Heiligkeit  war  der  kleine,  dicke  Mann  mit  seinen  sprung-- 
hatten  Bewegungen  ein  Gegenstand  des  Interesses,  weil  er  nach 
ausgiebigstem  Schlafe  fünfmal  am  Tage  zu  speisen,  dabei  mit 
untergeschlagenen  Beinen  dazusitzen,  die  Bissen  mit  den  Händen 
zu  nehmen,  sich  an  süfsem  Weine  zu  berauschen,  die  Diener- 
schaft mit  Schlägen  und  Schwerthieben  zu  züchtigen  und  wilde 
Musik  und  bald  traurige,  bald  einer  vergänglichen  Liebe  gewidmete 
unverständliche  Verse  zu  machen  pflegte  ^).  Wieder  wetteiferten 
viele  Fürsten  um  den  Besitz  seiner  Person,  und  der  Papst  dachte 
mehrmals  daran ,  seinen  Gefangenen  an  den  Sultan  von  Kairo, 
der  seit  einigen  Jahren  mit  Bajesid  im  Kampf  lag,  zu  verkaufen, 
während  beständig  Agenten  des  Bruders  nach  der  Gelegenheit 
suchten,  ihn  zu  vergiften.    Aber  weder  die  Giftmischer,  noch  die 


1)  Thuasne  S.   2270". 

2)  Ebenda  S.  244  ff. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    U.  16 


243  Zweites  Buch.     Erstes  Kapitel.      Periode  der  Ruhe  usw. 

Unterhändler,  die  ihn  durch  bedeutende  Summen  Geldes  in  ihre 
Gewalt  bekommen  wollten,  erreichten  ihr  Ziel;  die  Römer  sahen 
diesen  ihren  Gast  auch  unter  dem  neuen  Papste,  Alexander  VI. 
Borgia,  Seine  Heiligkeit  bei  deren  glänzenden  Umzügen  durch 
Rom  begleiten ;  des  Papstes  Sohn  Giovanni  befreundete  sich 
sogar  mit  dem  unglücklichen  Fremden  und  erlernte  von  ihm 
die  wichtige  Kunst,  sich  einen  kostbaren  Turban  um  den  Kopf 
zu  wickeln;  Dschem  trat  auch  in  christliche  Kirchen  ein,  ohne 
seine  majestätische  Gleichgültigkeit  einzubüfsen. 

Als  endlich  König  Karl  VIII.  in  Italien  einfiel ,  um  den 
ehrgeizigen  Traum,  die  Würde  eines  neuen  lateinischen  Kaisers 
in  Konstantinopel  zu  erringen,  seiner  Verwirklichung  näher  zu 
bringen,  wurde  Dschem  im  Schlosse  S.  Angelo  unter  guter 
Wacht  gehalten.  Denn  jetzt  verlangte  Bajesid  von  dem  in  Ver- 
giftungsafifären  sehr  erfahrenen  Papste,  dafs  er  ihm  den  Bruder 
auf  die  bekannte  Weise  endlich  vom  Halse  schaffe.  Und  als 
der  in  Rom  einziehende  König  das  langjährige  Opfer  einer 
skrupellosen  und  grausamen  europäischen  Diplomatie  wirklich 
(Januar  1495)  in  seine  Hände  bekam  und  Dschem  seinen  neuen 
Besitzer  auf  dessen  italienischem  Kriegszuge  begleiten  mufste, 
erkrankte  er  in  der  Tat,  angeblich  an  einem  Katarrh,  und  erlag 
ihm  am  25.  Februar,  so  pünktlich,  als  wenn  ihm  die  er- 
fahrensten Hände  Gift  kredenzt  hätten.  In  bleiernem  Sarge 
überlieferten  die  königlich  neapolitanischen  Beamten,  die  mit  dem 
Schlosse  von  Gaeta  auch  diese  willkommene  Beute  in  ihre 
Gewalt  bekommen  hatten,  im  Hafen  S.  Cataldo  den  Toten  den 
Gesandten  Bajesids,  ohne  jede  Vergütung  von  dessen  Seite,  nur 
um  sein  Wohlwollen  zu  gewinnen.  Die  Gebeine  des  jüngeren 
Sohnes  Mohammeds  ruhen  jetzt  in  der  Grabmoschee  von  Brussa. 
Sein  Sohn  Kaigub-Schach  war  von  Bajesid  schon  längst  beseitigt 
worden  ^).  Ein  anderer  Sohn,  Murad,  und  dessen  Nachkommen- 
schaft fristeten  in  Rhodos  ihr  Dasein  ^);  Murad  hatte  heimlich  den 
christlichen  Glauben  angenommen. 


1)  Leunclavius  Sp.  625. 

2)  Thuasne  S.   389. 


Zweites  Kapitel. 

Reichspolitik  unter  Bajesid  II.    Asiatische 
Verhältnisse. 


Solange  sein  Bruder  in  der  Ferne  unter  christlichen 
Feinden  oder  unsicheren  Freunden  weilte,  solange  der  Soudan, 
ein  niemals  rastender  Rival,  diesen  wieder  an  seinen  Hof  zu 
bringen  bestrebt  war  und  einige  Mifsvergnügte  noch  an  den 
Flüchtling  dachten,  führte  Sultan  Bajesid  —  und  angeblich  aus 
diesem  Grunde  —  ein  Leben,  das  dem  seines  Vaters  im  höchsten 
Grade  unähnlich  war  und  bei  den  Truppen,  die  an  ihren  jähr- 
lichen Kriegszug  gegen  die  Christenheit  und  an  Glück,  Ruhm  und 
Beute  daraus  gewöhnt  waren,  Entfremdung,  Verachtung,  Hafs 
und  offenen  Aufruhr  auslösen  mufste. 

Der  Grofsmeister  von  Rhodos,  der  1480  dem  grofsen 
Mohammed  selbst  Trotz  geboten  hatte  und  siegreich  aus  dem 
hartnäckigen  Kampfe  hervorgegangen  war,  hatte  gewagt,  den 
„Verräter"  Dschem  auf  seine  Schiffe  zu  nehmen,  ihn  in  seiner  Re- 
sidenz zu  beherbergen  und  dann  als  eine  ewige  Drohung  gegen  den 
Sultan,  der  im  Verdachte  stand,  den  mifslungenen  ersten  Versuch 
gegen  die  Insel  erneuern  zu  wollen,  in  den  westlichen  Schlössern 
des  Ordens  festzuhalten.  Ein  anderer  osmanischer  Herrscher 
hätte  nicht  gezögert,  dieser  Herausforderung  zu  antworten ;  statt 
dessen  hatte  Bajesid,  wie  erzählt,  ruhig  sich  auf  Verhandlungen 
mit  dem  stolz  genug  auftretenden  Gesandten  des  Ordens  ein- 
gelassen und  einen  Freundschaftsvertrag  abgeschlossen.  Und 
pünktlich  wurde  die  Pension  Dschems  an  den  Grofsmeister  ent- 
richtet, wie  später,  als  Dschem  sich  in  dessen  Händen  befand, 
an  den  Papst.     Ja   die  rhodischen  Quellen  versichern,    dafs,  als 

16* 


344-  Zweites  Buch.     Zweites  Kapitel. 

im  Hafen  von  Gallipolis  Arbeiten  zur  Erbauung  einer  neuen 
Flotte  begannen,  der  Orden  nicht  verfehlte,  von  einem  Friedens- 
bruch, sei  es  auch  anderen,  z.  B.  dem  König  von  Neapel  gegen- 
über, abzumahnen  und  der  Sultan,  um  nicht  noch  einmal  mit 
dem  Bruder  kämpfen  zu  müssen,  diesen  Einreden  jedesmal  Gehör 
schenkte  und  seine  Vorbereitungen  unterbrach.  So  vermochten 
die  Johanniter  nicht  nur  sich  selbst  vor  Angriffen  zu  sichern 
und  ihre  Herrschaft  in  diesen  türkischen  Gewässern  bis  weit  ins 
i6.  Jahrhundert  hinein  aufrecht  zu  erhalten,  sondern  hatten  das 
Verdienst,  die  ganze  katholische  Welt  vor  einem  neuen  Über- 
falle zu  bewahren. 

Der  Soudan,  der  den  flüchtigen  Dschem  zwar  aufgenommen 
und  ihm  Gefälligkeiten  erwiesen  hatte,  ohne  ihm  doch  seine 
Mameluken  zum  Wiedereroberungskampfe  zur  Verfügung  zu 
stellen,  war  ein  alter  Feind  des  Reiches;  gegen  ihn  hatte 
Mohammed  seinen  letzten  Kriegszug  richten  wollen.  Um  seine 
Sympathie  für  die  Sache  Dschems  zu  bezeugen,  verlobte  Kaitbai 
1496    seinen  Erben  Mohammed    mit    einer  Tochter   desselben  '). 

Jenseits  des  Taurus  genofs  die  osmanische  Macht  nur 
geringe  Schätzung;  der  grofse  Kaiser  ,,des  ganzen  Ostens  und 
Westens",  der  ,, Herrscher  der  Herrscher",  wie  sich  Bajesid 
nannte,  war  hier  nichts  als  der  kleine  Dynast  von  Rum.  Denn 
der  Soudan,  der  Herr  über  Syrien  und  Ägypten,  nannte  sich 
auch  Kalif,  in  ihm  war  die  höchste  politische  Stellung  mit 
religiösem  Prestige  vereinigt. 

Auch  diesem  hochmütigen  mosleminischen  Nebenbuhler 
gegenüber  konnte  sich  Bajesid,  obgleich  er  schon  1484  feierlich 
von  seiner  Absicht,  den  ,,  ehemaligen  Untertan  des  Reiches,  der 
sich  aus  unbekannten  Beweggründen  empört  hatte,  wieder  zu 
unterwerfen"  '^),    gesprochen    hatte,    zu  keinem    entscheidenden 


i)  Thuasne  S.  388—389. 

2)  „Rex  Soldanus,  qui  tempore  patris  nostri  defuncti  nostro  subditus  erat 
Imperio,  nunc,  quoquo  ductus  motivo ,  a  nobis  se  avertit,  quem  iterato  nostre 
potentie  subdere  oportet";  Brief  an  König  Matthias,  „Mdtyas  Kiraly  Levelei"  II, 
S.   286. 


Reichspolitik  unter  Bajesid   II.     Asiatische   Verhältnisse.  245 

kriegerischen  Vorg-ehen  entschliefsen :  zwar  besetzten  seine  Grenz- 
beamten das  Gebiet  von  Adana  und  Tarsus,  wo  Dschem  1482 
Zuflucht  gesucht  hatte  und  Scharen  unruhiger  Turkmenen  be- 
ständig unter  syrischem  Schutze  ihr  Wesen  trieben  ').  Zwar 
verschwand  Kasum-beg,  ohne  dafs  wir  von  den  näheren  Um- 
ständen Wülsten,  durch  Verrat  ^)  und  die  osmanische  Herrschaft 
dehnte  sich  wieder  über  ganz  Karamanien  aus  ^).  Aber  als  der 
Soudan  1485  angegangen  wurde,  die  Mutter  Dschems,  die  nicht 
müde  wurde,  ihren  Sohn  in  das  Land  seiner  Erbschaft  und 
seiner  Rechte  zurückzurufen,  auszuliefern,  und  das  Verlangen 
stolz  ablehnte,  da  ergriff  Bajesid,  der  eben  von  seiner  erzwungenen 
Unternehmung  gegen  die  moldauischen  Häfen  (1484)  zurück- 
gekehrt war,  keinerlei  Mafsnahmen,  um  die  beleidigte  Ehre  des 
Osmanentums  zu  rächen.  Und  eine  Gesandtschaft  des  indischen 
Melik  Beckmen  an  den  Nachfolger  des  grofsen  Mohammed 
durfte  gleichfalls  ohne  Sühne  von  den  Leuten  des  Soudans  auf- 
gehalten werden  *). 

Da  begannen  i486  die  Syrier,  von  den  Uzbegen  des  Taurus 
gerufen,  ihrerseits  den  Angriff.  Wiederum  besetzten  sie  das 
frühere  Klein-Armenien  mit  allen  seinen  Festungen.  Um  ihnen 
den  Weg  abzuschneiden,  kam  nicht  etwa  Bajesid  selbst;  vielmehr 
versuchten  es  der  Beglerbeg  von  Asien,  Karagöz,  der  Sandschak 
Musa-beg  und  des  Sultans  Schwiegersohn  Ferhad.  So  verblieb  der 
Sieg  den  Kriegern  des  Soudans;  die  beiden  letztgenannten  os- 
manischen  Führer  fanden  in  einer  noch  im  Frühling  stattfindenden 
Schlacht  den  Tod  ^).  Gleichzeitig  wurden  die  Akindschis  des  Isken- 
der  Michalogli,  als  sie  sorglos  durch  das  Gebiet  von  Sulkadr  da- 
hinritten,  von  dem  ehemaligen  Schützlinge  Alaeddewlet,  der  seit 
langen  Jahren  schon  zu  einem  Feind  der  Osmanen  geworden 
war,  überrumpelt  und  in  die  Flucht  geschlagen ;  Iskender  selbst 
fiel  mit  seinen  beiden  Söhnen  in  die  Hand  des  Gegners  und 
einer   derselben,    Michal,    ein  Opfer   persönlicher  Rache,    wurde 

i)  Leunclavius  Sp.   629. 

2)  Ebenda  Sp.  645.  3)  Ebenda  Sp.   594. 

4)  Nach  Bosio,  Thuasne  S.  134 — 135;  Hammer  I,   S.  632  ff. 

5)  Leunclavius   Sp.   596. 


346  Zweites  Buch.     Zweites  Kapitel. 

geköpft.  Sein  Bruder  Jakschi  bekam  die  Freiheit  wieder,  der 
Vater  aber  mufste  länger  als  vier  Jahre  in  den  Gefängnissen 
Kairos  schmachten  ^). 

Aber  auch  jetzt  trat  der  Sultan,  den  seine  Bauten  in 
Konstantinopel  beschäftigten,  den  Ägyptern  nicht  persönlich 
entgegen ;  vielmehr  wurden  die  Spahis  Rums  unter  Mohammed, 
dem  Sohn  Kisrs,  sowie  die  Anadols  unter  Karagöz  dem  obersten 
Befehl  Achmed  Chersekoglis,  als  des  besten  Feldherrn  des 
Reiches,  anvertraut  und  ihm  300  Janitscharen  beigegeben.  Doch 
auch  er  war  nicht  glücklicher;  im  Felde  von  Tschukur  wurde 
Achmed  geschlagen  und  gefangen  genommen  ^). 

Als  endlich,  im  selben  Jahre  i486,  ein  dritter  Feldzug,  an 
dem  die  von  der  Donau  herangezogenen  Truppen  und  sämtliche 
asiatischen  Kräfte  unter  Führung  des  Wesirs  Daud  und  des 
neuen  rumischen  Beglerbegs  Ali  Hadum  teilnahmen,  die  Unter- 
werfung des  Fürsten  von  Sulkadz  erzwungen  und  auch  das 
Gebiet  des  Turkmenen  von  Warsak,  zwischen  Adana  und  Eregli, 
für  das  Reich  gewonnen  hatte,  traf  ein  Olak  mit  einem  Briefe 
des  Sultans  ein,  der  den  Rückzug  des  Heeres  anordnete  ^).  Mit 
dem  Soudan  war  Friede  oder  vielmehr  Waffenstillstand  ge- 
schlossen worden  (1487)  ^). 

.  Aber  schon  im  Frühling  des  folgenden  Jahres  1488  wurden 
die  asiatischen  Streitigkeiten  um  den  Besitz  Klein-Armeniens  — 
in  Karamanien  war  ein  Enkel  Kasums  als  Rebell  aufgetreten 
und  durch  die  Rückkehr  Budaks,  des  Bruders  Alaeddewlets,  aus 
Ägypten  war  auch  der  Besitz  von  Sulkadr  wieder  streitig  ge- 
worden —  neu  eröffnet.  Diesmal  traten  ung-ewöhnlich  starke 
Truppenaufgebote  in  Tätigkeit.  Unter  dem  Wesir  Ali-Hadum 
und    den   beiden   Beglerbegs,    Chalil   von   Rum    und    Sinan    von 


1)  Leunclavius    Sp.  628  —  630.     Eine    einzige  Erwähnung    in    den    abend- 
ländischen Quellen;  „Mon.    Hung.  Hist.''  VI,  S.   89 — 90. 

2)  Leunclavius  Sp.   596,  630 — 631. 

3)  Ebenda  Sp.  596 — 597.     Vgl.  Angiolello,    Pariser  Handschrift,  fol.   27, 
148  v".     Über  die  „tapferen,  gefährlichen  Leute  von  Warsak"  ebenda,  fol.    15. 

4)  Die  Nachricht  dieses  Friedens  vom  Januar  1487  in  abendländischen  Quellen, 
„Mon.  Hung.  Hist."  VI,  S.  253. 


Reichspolitik  unter  Bajesid  11.     Asiatische  Verhältnisse.  347 

Asien,  diente,  neben  alten  Hauptleuten  des  grofsen  Mohammed, 
Kisil,  der  Sohn  des  letzten  Fürsten  von  Kastemuni.  Das  Heer 
verfügte  über  viele  Janitscharen  und  eine  bedeutende  Artillerie ; 
eine  Flotte,  deren  Ausrüstung-  die  benachbarten  und  entfernteren 
Christen  mit  Schrecken  erfüllt  hatte  '),  folgte  den  Bewegungen 
der  Landtruppen  und  sollte  bis  Alexandrien  segeln.  Zum  zweiten 
Male  wurden  die  bedeutenderen  Festungen  des  einstigen  klein- 
armenischen Reiches  erobert  und  neu  befestigt. 

Aber  ein  Sturm  zerstreute  und  versenkte  bei  dem  von  ihnen 
eroberten  Lajazzo  die  Schiffe  des  Sultans,  und  gleichzeitig  langten, 
im  August,  die  Ägypter  und  Syrier  an.  Als  sie  den  Rumis  gegen- 
überstanden, griffen  die  Mameluken  mit  unvergleichlicher  Tapfer- 
keit den  rechten  Flügel  des  Feindes,  wo  nach  osmanischem  Brauche 
die  Asiaten  standen,  an  und  brachten  ihn  leicht  in  Unordnung.  Einige 
der  bekanntesten  Führer  der  Türken  —  ein  abendländischer  Bericht 
spricht  von  drei  Paschas,  neun  Sandschaks,  zwei  Schwiegersöhnen 
des  Sultans  und  vielen  Tausenden  Spahis  —  fielen  im  Kampf 
(i6.  August  =  8.  Ramazan).  Durch  den  Glanz  der  metallenen 
Teller,  die  auf  den  Rücken  der  Kamele  befestigt  waren  und  die 
Sonnenstrahlen  zurückwarfen,  sollen  die  Spahis  Europas  geblendet 
und  getäuscht  worden  sein.  Auch  die  Janitscharen,  an  deren 
eisernem  Widerstand  sich  der  Ansturm  der  Feinde  lange  Zeit 
brach,  mufsten  schliefslich  weichen.  Gegen  Abend  zogen  sich 
beide  Heere  zurück  und  fanden  ihre  Stellungen  von  Verteidigern 
entblöfst:  Furcht  vor  einem  plötzlichen  Angriff  hatte  diese 
davongetrieben.  Aber  die  Mameluken  behaupteten  ihr  Lager, 
während  die  Osmanen ,  von  Turkomanen  und  den  Leuten  von 
Sulkadr  unaufhörlich  angegriffen,  bald  in  panischer  Flucht  ihr 
Heil  suchten.  Erst  unter  Eregli  sammelten  sich  die  Flüchtlinge 
zu  einem  neuen  Heeresverband.  Die  osmanische  Artillerie  war 
auf  dem  Schlachtfeld  in  den  Händen  der  Gegner  zurückgeblieben, 
die  über  die  Bedeutung  und  den  Umfang  ihres  Sieges  erst  spät 
durch  einen  Turkomanen  aus  Warsak  aufgeklärt  wurden. 

Nun  begann  die  Verfolgung,  die  zwar  einige  Tage  dauerte. 


i)  Siehe  cod.  lat.  raonac.  964,  fol.  Si  ;  Brief  des  Papstes  an  Raymund  Peraud; 
23.  Januar   1487  (1488). 


348  Zweites  Buch.     Zweites  Kapitel. 

aber  ohne  Energie  betrieben  wurde.  Adana  und  andere  Schlösser 
fielen  wieder  in  die  Hände  der  Krieger  des  Soudans  ').  Nicht 
weniger  als  i8  Fahnen  wurden  nach  Kairo  gebracht  und  dem 
Soudan  überreicht.  In  Konstantinopel  aber  büfsten  einige  der 
schuldigen  Paschas  für  dieses  Unglück  mit  ihrem  Leben  ^).  Der 
Soudan,  dem  die  Schwärmer  für  den  Kreuzzeug  die  Ober- 
herrschaft über  Zypern  zu  übertragen  gedachten  *),  um  eine 
Union  gegen  die  Osmanen  zustande  zu  bringen  *) ,  schickte  an 
König  Matthias  von  Ungarn  zuerst  einen  Ragusäer  (1489),  dann 
1490  den  Patriarchen  von  Jerusalem  mit  reichen  Gaben  an 
orientalischen  Stoffen. 

Vergebens  wurde  im  nächsten  Frühling  ein  neues  Heer 
unter  Daud  nach  Asien  geschickt;  der  einzige  Erfolg  war  die 
Unterwerfung  Alaeddewlets. 

Den  Sultan,  der  sich  bis  Beschiktasch  begeben  hatte,  bewog 
seine  Umgebung  bald,  sich  den  ihm  gemäfseren  Vergnügungen 
der  Reise  und  Jagd  zu  widmen.  Denn  der  Soudan  hatte,  un- 
geachtet der  im  Frankenlande  von  ihm  gemachten  überaus 
grofsen  Anerbietungen  ^),  einen  Beauftragten  an  den  Hof  in  Rum 
geschickt,  und  die  Gesandtschaft  wurde  durch  eine  osmanische 
erwidert.  Durch  den  Frieden  von  1490  erhielten  dann  die  Türken, 
obgleich  sie  in  allen  Kämpfen  besiegt  worden  waren  —  eine 
seit  vielen  Jahren  unerhörte  Schmach  —  und  einen  grofsen  Teil 
der  Veteranen  Mohammeds  verloren  hatten,  Adana  mit  den 
befestigten    Plätzen    im    Taurusgebirge    zurück;     Iskender    und 


i)  Leunclavius  Sp.  599ff.,  631 — 632;  „Mon.  Hung.  Hist."  VI,  S.  444 
bis  445;  Lamansky,  Secrets  d'Etat  de  Venise,  S.  279;  Bosio  S.  501  —  502; 
vgl.  Thuasne  (auch  nach  unedierten  Quellen)  S.  198 — 200 ;  Paoli  S.  446  (Be- 
richt des  Grofsmeisters). 

2)  Vgl.  auch  den  Bericht  Grittis  in  Alberi,  IX,  S.  20. 

3)  Ermahnung  des  Bischofs  Alexius  von  Gallipoli  in  Italien;  „Laurentiana"', 
Leop.  Gadd.,  Nr.  cxxx. 

4)  B  o  nfinius  S.  471. 

5)  Siehe  einen  Brief  von  Villach,  Frühling  1489,  im  Innsbrucker  Archive, 
P.  A.  XXXIX,  110:  „Do  entgegen  welle  er  Seiner  Heiligkhkait  Jerusalem  und 
das  Heilig  Grab  einantburten  unnd  etlich  Milion  Golts  darzue  geben."  Bajesid 
seinerseits  soll  Konstantinopel  ,,und  alle  andre  Stet  so  sein  Vorvader  unnd  er 
der  Heiligen  Romischen  Kirchen  abgedrungen",  versprochen  haben. 


Reichspolitik  unter  Bajesid  II.     Asiatische  Verhältnisse.  249 

Achmed  Hersekogli  kehrten  aus  ihrer  ägyptischen  Gefang-enschaft 

heim  ^). 

Dadurch  wurde  endUch  in  diesen  vielgeprüften  asiatischen 
Landschaften  die  Ruhe  wiederhergestellt;  die  Lage,  die  das 
Jahr  1490  schuf,  war  der  des  Jahres  148 1  ganz  gleich,  nur  dafs 
jetzt  Janitscharen  auf  den  Höhen  des  Taurus  Wacht  hielten. 

In  den  meisten  Landschaften  hatte  Bajesid  seine  Söhne  zu 
Verwaltern  eingesetzt:  so  waltete  Ahmed,  der  Liebling  des 
Vaters,  in  Amasieh,  doch  waren  ihm  die  Janitscharen  nicht  sehr 
zugetan ;  Karamanien  war  Schahinschah,  der  bald  verstarb,  an- 
vertraut; auch  Alemschah  von  Mentesche  lebte  nicht  lange. 
Korkud,  der  Reichsvikar  von  148 1,  ein  milder  Mann,  herrschte 
in  Aidin  und  Sarukhan;  über  das  ferne  Trapezunt  gebot  endlich 
Selim,  ein  beweglicher,  von  schrankenlosem  Ehrgeiz  beseelter 
junger  Mann  ^). 

Doch  wütete  schon  1499  neuer  Krieg  in  Asien:  der  asiatische 
Skender-Pascha  wurde  im  Herbste  mit  12  Sandschaks  besiegt  3). 
Auch  im  Spätjahre  1501  (Mai)  hicfs  es  in  Korfu,  der  „Karamane" 
habe  den  Sohn  des  Sultans  geschlagen,  ihn  bis  Karahissar  ge- 
jagt, Ali-Pascha  von  Amasieh  getötet*)  und  drei  Festungen 
(terre)  eingenommen;  Mesich-Pascha  sei  dann  mit  6000  Asapen, 
3500  Spahis  und  4000  Janitscharen  nach  Asien  gegangen,  und 
70  Schiffe,  darunter  30  Galeeren,  hätten  sich  unter  Karakadschi 
gegen  die  karamanische  Küste  gewandt  °). 

Währenddessen  war  ein  Geist  der  Unzufriedenheit  in  diesen 
mit  wenigen  Griechen  vermengten  echten  Türken  Anadols  er- 
wacht. Wie  nach  dem  Tode  Bajesids  I.  begann  sich  fanatischer 
Aberglaube    unter    den    Bauern    zu    regen.     In    dem    ehemaligen 


i)  Leunclavius  Sp.  632 — 633.  Die  andere  Version,  Sp.  602 — 603,  setzt 
die  Ankunft  Budaks,  die  durch  ihn  erfolgende  Blendung  des  Sohnes  Alaeddewlets 
und  die  Gefangennahme  Iskenders  in  dieselbe  Zeit. 

2)  Hammer  I,  S.  638.     S.  auch  hier,  weiter. 

3)  „Capi  Cons.  X",    Candia,  Bericht  vom  Dezember   1499. 

4)  „Miss,  e  responsive"   1511  — 151 7- 

5)  „Lett.  Rettori",  „Capi  Cons.  X",  Corfü ;  Bericht  vom   15.    Mai   1501. 


350  Zweites  Buch.     Zweites  Kapitel. 

Fürstentume  von  Tekke  erstand  Schach-kuli,  ein  g'emeiner,  aus 
Basardschik  bei  Almadschik  gebürtig'er  Türke,  und  wurde  durch 
ein  heiliges  Leben,  das  viele  Mönche  unter  seinen  Einflufs 
brachte,  weithin  bekannt.  Ein  von  ihm  erbautes  Kloster  wurde 
von  Tausenden  von  Dorfbewohnern,  deren  naive  Hingebung-  sich 
in  allerlei  frommen  Gaben  kundtat,  aufgesucht.  Mit  der  Zeit 
begann  er  sich  in  politische  Angelegenheiten  zu  mischen;  in 
feurigen  Worten  sprach  er  von  dem  vorbestimmten  Ende  der 
osmanischen  Herrschaft,  dem  ihm  durch  göttliche  Fügung  ver- 
liehenen Schwert,  einer  durch  Allahs  Willen  bevorstehenden 
Monarchie  der  Frommen  und  Reinen,  der  Notwendigkeit  unbe- 
dingter Unterwerfung  aller  unter  dem  Gedanken  dieses  segens- 
reichen Werkes ;  nur  dann  werde  das  Reich  der  wahren  Moslems 
—  der  Erkrankung  des  noch  jungen  Sultans  an  der  Gicht  und  dem 
unter  den  Prinzen  über  die  Erbfolge  ausgebrochenen  Hader  zum 
Trotz  —  zu  retten  sein.  Die  heilige  Fahne  wurde  erhoben ;  nicht 
nur  eine  Menge  gewöhnlichen  Volkes,  sondern  auch  Spahis 
sammelten  sich  unter  ihr,  und  die  Aufständischen  eroberten 
Satalieh,  dessen  Kadi  gevierteilt  wurde,  schlugen  den  Beglerbeg 
von  Asien  und  besetzten  Kiutayeh,  Vor  Karahissar  pfählte  man 
den  Beglerbeg,  als  diese  Festung  sich  nicht  ergeben  wollte. 

Ein  furchtbarer  Bauernkrieg  setzte  das  ganze  Land  in  Flammen. 
Auch  Karamanien  wurde  bis  auf  Konieh  selbst  verheert  und 
einige  Sandschaks  getötet.  In  Kiutayeh ,  nach  der  Gefangen- 
nahme des  Beglerbegs,  wurde  dessen  Haus  in  Brand  gesetzt. 

Ali-Pascha  erschien  nun  mit  4000  Janitscharen,  um  den  Auf- 
ruhr zu  dämpfen,  und  des  Sultans  Sohn  Ahmed  begleitete  ihn. 
Vor  dieser  Heeresmacht  begaben  sich  der  Prophet  und  sein 
vornehmster  Vertrauter,  Ustadschi -Ogli,  auf  die  Flucht.  Ali 
sandte  300  Akindschis,  die  ebenso  viele  Janitscharen  mit  auf  die 
Pferde  nahmen,  zu  ihrer  Verfolgung  ab.  Zwischen  Cäsarea  und 
Siwas,  auf  dem  Felde  Tschibuk,  wurde  die  Schar  der  Heiligen 
angetroffen ;  sie  hatten  die  Kamele  und  Pferde  um  ihr  kleines 
Lager  aufgestellt.  Im  heifsen  Kampfe  wurde,  nachdem  sie  in  Hassan 
Kalif  einen  ihrer  Führer  verloren  hatten,  Ali  getötet  und  die 
Janitscharen  in  wilder  Unordnung  zurückgeworfen.  Ein  neues 
osmanisches  Heer,    unter  dem  Albanesen  Junus,   konnte  des  ins 


Reichspolitik  unter  Bajesid  II.     Asiatische  Verhältnisse.  351 

Gebirg-e  g-eflüchteten  Rebellen  nicht  habhaft  werden.  Nach 
einigen  Wochen  traten  diese  nach  Persien  über,  wo  Anhänger 
ihrer  Lehre  sie  erwarteten  ^).  Hier  aber  begegneten  sie 
kräftigerem  Widerstand;  ein  Angriff  auf  eine  Karawane  wurde 
hart  bestraft  (1510 — 15  n). 

Schach-kuli  bedeutet  „Sklave  des  Herrn"  ^);  seine  Anhänger 
nannten  sich  Sutis  und  Kazilbaschas.  Ebenso  hiefsen  auch,  nach 
ihren  roten  wollenen  Kopfbedeckungen  —  die  der  Osmanen 
waren  weifs  und  von  feinerem  Stoff  — ,  die  Mitglieder  einer 
neuen  militärisch-politisch-religiösen  Gesellschaft,  die  sich,  von 
gleichem  tollkühnem  Enthusiasmus  wie  die  kleinasiatischen 
Rebellen  beseelt,  am  südlichen  Ufer  des  Kaspischen  Meeres 
unter  den  dort  hausenden  sieben  turkomanischen  Stämmen  ge- 
bildet hatte  und  an  deren  Spitze  ein  „Schach"  oder  „Herr" 
betitelter  Prophet  stand.  Die  Eroberung  und  rasche  Siegeslauf- 
bahn Schach  Ismaels  und  die  Bildung  eines  neuen  uzbegischen 
Reiches  unter  Khan  Scheibani  auf  den  Trümmern  der  timurischen 
Dynastie  waren  Anzeichen  eines  neuen  Lebens  in  diesen  ausge- 
dehnten Landstrichen  im  Osten  des  osmanischen Reichs  und  mufsten 
eine  veränderte  asiatische  Politik  der  Osmanen  nach  sich  ziehen. 

Ismails  Vater  war  der  von  den  Osmanen  Haider  genannte 
Heilige  von  Erdebil,  Sefi,  der  Sohn  Dschuneids.  Dieser  Er- 
zeuger des  Begründers  eines  neuen  Reichs  imd  Oberhauptes 
einer  neuen  Religionsgemeinschaft  stand,  wie  Schach-kuli,  seines 
reinen  Lebenswandels  wegen  in  hohem  Ansehen.  Die  Fürsten 
pflegten,  sowohl  aus  Frömmigkeit,  als  in  dem  Wunsche,  den  Ge- 
fühlen des  Volkes  schmeichelnd,  Popularität  zu  erwerben,  mit 
solchen  vergötterten  Santonen  vertraute  Beziehungen  zu  unter- 
halten. Schach-kuli  wurde  vom  jungen  Sultan  Korkud  besucht, 
und  Bajesid  11.  setzte  ihm  zum  Unterhalt  seiner  Mönche  eine 
jährliche  Rente  aus.     Ebenso  gingen  auch  an  den  ersten  Heiligen 


i)  Leunclavius  Sp.  661  f.;  vgl.  610 f.:  Spandugino,  in  Sansovino 
fol.    136  vo;  für  die  meisten  Begebenheiten.   Giovio,   ebenda,   fol.  330  vo  ff. 

2)  Vgl.  die  Erklärung  Spanduginos,  in  Sansovino  fol.  132:  „  Sach 
e  titolo  solito  darsi  a'  figliuoli  degl' Imperatori.  de'  re  e  de'  grau  signori.  corae 
si  suole  in  Spagna  dire:  don.'' 


353  Zweites  Buch.     Zweites  Kapitel. 

von  Erdebil  vom  osmanischen  Kaiser  in  jedem  Jahre  voll  mit 
Aspern  gefüllte  Beutel  ab  ^).  Als  Sefi  sich  bei  Usun-Hassan 
aufhielt,  nahm  dieser  keinen  Anstand,  ihm  seine  eigene  Tochter 
aus  der  Ehe  mit  der  trapezuntischen  Prinzessin  Katharina  zu 
verheiraten ;  aus  diesem  also  zweifach  kaiserlich  geadelten  Bunde 
entsprang-  Ismail. 

Bald  darauf  starb  Usun,  einen  Sohn  Jakub  hinterlassend, 
den  die  abendländischen  Christen,  weil  ihm  von  seiner  Mutter, 
als  einer  kaiserlichen  Prinzessin,  Trapezunt  rechtlich  gehörte, 
noch  mehr  als  den  Vater  zu  ihren  natürlichen  Alliierten 
rechneten  ^).  Es  war  ein  unglücklicher  Mann ,  der  seine  Frau 
des  Ehebruchs  beschuldigte  und  von  ihr  vergiftet  wurde,  sie 
aber  freilich  zwang,  den  Trank  mit  ihm  zu  teilen;  durch  die 
Unvorsichtigkeit  der  verbrecherischen  Eltern  starb  auch  der 
einzige  Sohn  an  dem  Gift.  Auf  den  erledigten  Thron  von 
Tebriz  dachte  Bajesid  einen  Enkel  Usuns,  Mirza-beg,  zu  setzen, 
dem  er  seine  eigene  Tochter  vermählt  hatte.  Dieser  aber  wurde 
gleich  nach  seiner  Ankunft  ermordet,  weil  die  Grofsen  des 
Landes  die  Vernichtung  ihrer  Klasse  durch  ein  von  diesem  neuen 
Herrscher  angeordnetes  Blutbad  und  eine  scharfe  Regierung  nach 
osmanischem  Muster  befürchteten  ^). 

Die  nun  herrschende  Anarchie*)  kam  Ismail,  dessen  Vater  von 
einem  Nachfolger  Jakubs  ermordet  worden  war,  zustatten.  Er  trat 
nicht  als  Eroberer,  sondern  als  Vertreter  des  bisher  verfolgten  und 
besonders  in  den  letzten  Jahren  als  unrein  („mekrut")  verschrienen 
und  aus  der  Gemeinschaft  des  Islams  ausgeschlossenen  Schiismus 
auf.  Im  Dogma  predigte  er  die  Verwerfung  der  ersten  Nach- 
folger Mohammeds,  die  ihm  als  unrechtmäfsig,  als  Eindringlinge 
galten,  und  die  Anerkennung  der  Rechte  Alis  des  Märtyrers; 
der  Ruf   „Ja  Ali",    „O  Ali"    führte    die  Scharen  Ismails    zu    den 

i)  Leunclavius  Sp.  647  ff. 

2)  Siehe  die  Ermahnung  des  Bischofs  Alexius  von  Gallipoli  in  Italien,  „Lau- 
rentiana",  Leop.  Gadd. ,  Nr.  cxxx:  „Ad  quem,  qua  luaterno  iure,  Trapezuntis 
imperium  spectat.'" 

3)  Leunclavius  Sp.  642!?.;  Viaggio  d'un  aiercante;  in  der  Reise- 
sammlung Ramusios  II,  fol.  85  vo  ;  Angiolello,  ebenda,  fol.   71  ff. 

4)  Spandugino:  „In  nien  di  due  anni  si  mutö  lo  State  cinque  volte." 


Reichspolitik  unter  Bajesid  II.     Asiatische  Verhältnisse.  253 

Siegen,  die  ihnen  ihre  fanatische  Tapferkeit  errang-.  Des 
weiteren  vertrat  Ismail,  als  Schach  der  wahren  Gläubigen,  die 
volkstümlichen  Forderungen  freigebigster  Almosenausteilung, 
einfachen  gemeinsamen  Lebens  und  wahrer  Freiheit  jedes 
Moslems ;  die  Verbote  der  Sunniten,  Schweinefleisch  zu  essen  und 
Wein  zu  trinken,  wurden  als  pharisäische  Zusätze  zur  ehrwürdigen 
und  authentischen  Lehre  des  Korans  betrachtet  und  als  lächerlich 
verworfen.  Ismail,  der  groben  Scherzen  geneigt  war,  hielt  sich 
ein  fettes  Schwein,  das  er  „Sultan  Bajesid"  nannte.  Auch  die 
Mittel  des  Mystizismus  verschmähte  der  kleine,  dicke  Reformator 
nicht,  wenn  sie  seine  Stellung  befestigen  konnten:  er  erschien 
niemals  in  der  Öffentlichkeit  ohne,  wie  die  Kalifen  —  er  be- 
titelte sich  selbst  Kalif  — ,  denen  er  die  Anerkennung  versagte, 
sein  Gesicht  mit  einem  Schleier  zu  verhüllen ;  der  Teppich, 
worauf  er  stand ,  war  geheiligt  ^) ,  und  die  Mitglieder  der  neuen 
Lehre  teilten  sich  in  seine  Fetzen,  als  wären  es  die  kost- 
barsten Reliquien  ^). 

Als  er,  in  1499,  aus  seinem  Verstecke  in  Dschilan  aufbrach, 
hatte  der  Schach  kaum  300  Leute  um  sich.  Schnell  aber  wuchs 
die  Anzahl  der  Sufis  oder  Sufianis,  der  Kisilbaschen,  die  auch 
Arduelis,  Enaseris  genannt  wurden.  Sie  erhielten  keinen  Sold, 
keine  Titel ;  es  war  ihnen  keinerlei  Belohnung  auf  Erden  ver- 
sprochen. Das  sufhianische  System  Ismails  stand  darin  zu  dem 
der  Osmanen  in  scharfem  Gegensatz ;  in  ihm  bedeutete  Geld, 
Gehalt,  Rangordnung,  Disziplin,  Befehl  nichts;  in  ihm  kam  alles 
nur  auf  idealistische  Hingabe  an  den  ,, Heiligen",  die  religiöse 
Überzeugung  des  Schiismus,  den  wunderwirkenden  Enthusiasmus 
an,  der  freilich  die  von  Geschrei  und  Gebet  trunken  gemachten 
Sektierer  auch  zu  den  gräfslichsten  Mordtaten  und  Metzeleien 
hinrifs.  In  der  ersten  eroberten  Festung  hausten  sie  auf  das 
barbarischste,  ohne  dafs  solche  Grausamkeit  wenigstens  durch 
kalte  politische  Berechnung,  wie  sie  Dschingiz  oder  Timur 
eigentümlich    war,    erklärlich    und    entschuldbar    erschiene.     Als 


i)  Leunclavius  Sp.  6$2fl. 
2)   Spandugino   fol.    132  ff. 


S54  Zweites  Buch.     Zweites  Kapitel. 

Tebriz  selbst  eing-enommen  wurde,  liefs  Ismail  seinen  ihm  feind 
gewesenen  Oheim  Jakub  ausgraben  und  seine  Gebeine  einäschern; 
als  die  Mutter  dagegen  Einspruch  erhob,  ermordete  er  sie,  an- 
geblich mit  eigener  Hand.  Murad-Khan  von  Schiraz  konnte  die 
Überschwemmung  seines  Landes  durch  die  fanatischen  Horden 
nicht  verhindern;  er  wurde  besiegt  und  floh  nach  Bagdad;  alle 
Gefangenen  wurden  geköpft  (1500).  Bei  allen  feindlichen  Zu- 
sammenstöfsen  konnten  die  Kasilbaschen  in  der  Minderzahl  sein : 
ihre  Wildheit  und  der  ihnen  vorangehende  Ruf  der  Unmensch- 
lichkeit schlug  die  Gegner  in  die  Flucht  (bis   1503). 

So  war  ein  Reich  der  Schiiten  begründet  worden.  Es 
mufste  allerdings  noch  sowohl  gegen  die  westlichen  Nachbarn  — 
die  Osmanen  — ,  wie  gegen  die  östlichen  —  die  Uzbeg-en  des 
Khans  —  einen  beständigen  Kampf  führen,  wollte  es  eine  an- 
erkannte Stellung  in  der  Welt  des  Islams  erringen. 

Als  Ismail  in  Chorasan  einfiel,  glaubte  der  Kaiser  der 
Turkomanen,  Khan  Scheibani,  der  Ausdehnung  der  Ketzer 
Schranken  setzen  zu  sollen.  Dieser  mächtige  und  zielbewufste 
Fürst  hatte  die  alte  Dynastie  der  Timuriden  ausgerottet,  indem 
er  zwölf  ihr  angehörige  Prinzen  töten  liefs ;  durch  die  Schlacht 
bei  Serpul  war  ihm  g-anz  Transoxanien,  durch  die  bei  Merwitschak 
Chorasan  zugefallen  (1507),  und  er  g-ebot  über  zahlreiche  Vasallen,, 
von  denen  ein  jeder  beinahe  unabhängig  in  seiner  Provinz 
waltete.  Der  Khan  schickte  an  den  Usurpator  von  Schiraz  zu- 
nächst einen  Brief,  in  dem  er  ihn  einen  elenden  Derwisch 
nannte.  Ismael  erwartete  den  Feind  nicht,  sondern  ging  gerades- 
wegs  auf  Merw  los,  um  ihn  hier  in  Transoxanien,  wo  ihm 
Empörer  zu  schaffen  machten,  anzutreffen.  Bei  Mahmudabad 
kam  es  zur  Schlacht;  der  wilde  Anprall  der  Kasilbaschen  brachte 
in  den  Reihen  der  Uzbegen  solche  Unordnung  hervor,  dafs  der 
Khan  selbst  im  Gedränge  erdrückt  wurde ;  den  Körper  des  toten 
Gegners  liefs  Ismail,  der  die  völlige  Vernichtung  der  Besiegten 
zur  Pflicht  machte ,  zerstückeln :  den  Kopf  sandte  er  an  Sultan 
Bajesid,  nachdem  er  daraus  g-etrunken  hatte,  die  rechte  Hand 
an  den  Soudan  von  Ägypten  (15 10). 

Die   Folge    dieses    Sieges    war    die   Besetzung    des    ganzen 


Reichspolitik  unter  Bajesid  II.     Asiatische  Verhältnisse.  355 

Landes  bis  zum  Oxus.  Aber  auch  damit  kam  Ismail  nicht  zur 
Ruhe.  Er  gewann  Bagdad  und,  als  sich  in  dem  tapferen  Baber- 
Mirza  ein  Prätendent  erhob,  der  Samarkand  einnahm,  unter- 
stützte er  ihn  im  Kampf  gegen  die  Nachfolger  des  Khans  und 
deren  obersten  Feldherrn,  den  energischen  Obeidullah-Khan. 
Obeidullah  bemächtigte  sich  zwar  Samarkands  von  neuem,  aber 
Baber  setzte  den  Krieg  um  seine  Erbschaft  fort.  Mit  den 
Schiiten  vereinigt,  nahm  er  noch  die  Stadt  Karschi  ein,  dann 
aber  trennte  er,  empört  über  die  Unmenschlichkeit  der  Ver- 
bündeten, seine  Sache  endgültig  von  der  ihrigen.  Zwei  Jahre 
darauf  wurde  Hezim-beg,  der  Wesir  Ismaels,  bei  einem  Einfalle 
ins  Innere  des  Uzbegenreichs  vollständig  geschlagen,  und  nun 
konnte  der  neue  Khan  auch  zum  Angriff  auf  Mesched  übergehen  ^). 

Als  Nachfolger  Usuns,  als  Blutsverwandter  der  Kaiser  von 
Trapezunt  hatte  Ismail  gewisse  Ansprüche  auf  das  osmanische 
Reich.  Glaubte  doch  Jani  Laskaris  von  ihm,  dafs  er  ,,den 
christlichen  Glauben  nicht  verabscheue"  ^). 

Als  Bajesid  Schach-kuli  verjagte  und  eine  allgemeine  Ver- 
folgung der  Schiiten,  welche  bis  nach  Albanien  und  Morea  zu 
Paaren  getrieben  wurden,  aufnahm,  spitzten  sich  die  beiderseitigen 
Beziehungen  noch  mehr  zu  ^).  Bald  überschritten  die  Kasilbaschen 
die  Grenze;  einige  Scharen  streiften  im  Gebiet  von  Trapezunt 
umher  *) ;  der  georgianische  König  hatte  Satif-Beg  und  seinen 
15000  Kriegern  freien  Durchzug  verstattet.  Bajesid  antwortete 
auf  diese  Herausforderung  nicht.  Schon  früher,  1507,  waren 
die  Schiiten  bis  nach  Cäsarea  gekommen,  um  den  Fürsten  von 
Sulkadr  zu  bestrafen,  der  dem  Schach  zuerst  seine  Unterwerfung 
und  seine  Tochter  zur  Braut  zugesagt  und  dann  durch  eine 
Gesandtschaft  seine  Versprechungen  in  beleidigender  Form  zurück- 
genommen  hatte.     Damals   war  Jahja-Pascha   mit  einem  starken 


1)  Spandugino  fol.   1361!.;  Vämbery  II,  S.  67,  69,   70. 

2)  „No  aborisse  la  relligione  christiana." 

3)  Im  November  1508  weilte  eine  grofse  Gesandtschaft  des  Sufi  in  Kon- 
stantinopel ;  der  Sultan  wollte  nur  acht  Mitglieder  derselben  empfangen ;  „  Miss. 
e  resp.-'   1508 — 15 10.     Ein  Bericht  vom   24.  Juli   1509    spricht  von  drei  anderen. 

4)  Spandugino  fol.    i36voff. 


256       Zweites  Buch.     Zweites  Kapitel.     Reichspolitik  unter  Bajesid  II.  usw. 

Heere  bis  nach  Angora  g'eg'angen,  um  die  Unternehmung-  gegen 
den  osmanischen  Vasallen  zu  verhindern;  und  die  Feinde 
hatten  sich  in  der  Tat  einschüchtern  lassen  und  den  Rückzug 
angetreten  ^). 

Die  gefährHche  Herrschaft  des  Sophis  wirklich  anzugreifen 
wagte  erst  später  der  ehrgeizige  und  schnell  entschlossene  Sultan 
Selim,  dem  auch  die  Lösung  der  Streitigkeiten  mit  dem  Soudan 
vorbehalten  blieb  ^). 


i)  Leunclavius  Sp.  652  ff.  Aber  auch  die  Osmanen  hatten  die  Feind- 
seligkeiten nicht  fortgeführt.  In  dem  Berichte  vom  12.  Januar  1507  erwähnt  der 
Bailo  die  Anwesenheit  eines  der  Söhne  des  Sultans  in  Karamanien ;  .,  Capi  Cons.  X.'' 

2)  Vgl.  auch  die  Handschrift  X  F  50  der  Nationalbibliothek  zu  Neapel: 
„Deir  origine,  vita  et  facti  d'arme  del  Gran  Sophi,  al  dogie  di  Venetia,  per 
un  maestro  Giovanni  Rotto,  nel   1505,  di  Marzo." 


Drittes  Kapitel. 
Bajesids  H.  Reichspolitik  an  der  Donau. 


Im  Mai  148 1,  als  Mohammed  IL  starb,  hatte  das  Reich  im 
Kriege  mit  Ung-arn  gelegen.  Zwar  war  König  Matthias  nicht 
gewillt  gewesen,  gegen  die  lästigen  Nachbarn  jenseit  der  Donau, 
die  bei  den  jährlich  erneuerten  Verheerungszügen  der  Akin- 
dschis  auch  seine  Länder  nicht  immer  verschonten,  von  neuem 
die  Offensive  zu  ergreifen.  Aber  durch  den  Angriff  der  Brüder 
Michalogli  auf  Stephan,  den  Fürsten  der  Moldau,  waren  eben 
damals  die  Feindseligkeiten  wieder  aufgenommen  worden. 

Bei  jedem  Sultanwechsel  waren  die  Sandschaks,  ohne  Aus- 
nahme, verpflichtet,  bei  Hofe  zu  erscheinen,  Geschenke  zubringen, 
dem  neuen  Herrn  den  ,,Saum  des  Kleides"  zu  küssen  und  den 
Bestätigungskaftan  aus  seinen  Händen  zu  empfangen.  Mitte  Mai 
war,  bei  dem  ausgezeichneten  Betrieb  der  Reichsposten,  des 
Olakensystems,  der  Tod  Mohammeds  den  Michaloglis  gewifs 
bekannt.  Sie  unterbrachen  sofort  ihren  Raubzug  und  kehrten 
zurück. 

Als  Stephan  Nachricht  erhielt,  dafs  die  Donaubegs  fern  im 
Lager  Bajesids  weilten,  überschritt  er  die  walachische  Grenze, 
schlug  die  zahlreichen  Rumänen  und  einige  Türken,  die  für  den 
jungen  Basarab  kämpften,  und  erzwang  sich  am  8.  Juli  den  Weg 
nach  Bukarest.  Die  Festung  fiel  in  die  Hände  der  Moldauer, 
die  bis  an  die  Donau  vordrangen,  das  Schlofs  Turnu  (Klein- 
Nikopolis)  angriffen  und  auch  jenseit  des  Flusses  auf  kaiserlich 
osmanischem  Boden    plünderten.     Ein    gewisser  Mircea,    ein  an- 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  1' 


358  Zweites   Buch.      Drittes   Kapitel. 

g-eblicher  Bruder  des  Tepes,  wurde  zum  Fürsten  des  Landes 
eingesetzt,  verschwand  aber  bald  wieder  in  dem  inneren  Kriege, 
der  sofort  ausbrach.  Und  nun,  zwischen  Basarab,  der  gegen  Ende 
des  Jahres  aus  der  Kleinen  Walachei,  in  der  er  die  meisten  An- 
hänger zählte,  zurückgekehrt  war,  und  einem  anderen  Bruder  des 
Tepes,  dem  gewesenen  Mönch  und  darum  auch  Cälugärul  genannten 
Vlad,  den  Stephan  Bathory  aus  Siebenbürgen  geschickt  hatte, 
dauerten  diese  Streitigkeiten  um  den  Besitz  des  walachischen  Für- 
stentums fort.  Alexander,  der  ältere  Sohn  Stephans,  dem  aus  der 
südlichen  Moldau  eine  Art  eigener  Herrschaft  zurechtgeschnitten 
worden  war,  setzte  diesen  Wirren  ein  Ende,  indem  er  Basarab 
nach  der  oltenischen  Wiege  seiner  Macht  zurückdrängte,  wo  er 
von  seinen  Bojaren  im  Dorfe  Glogova  meuchlings  getötet  wurde. 
Auch  die  ihm  bis  zuletzt  treu  Gebliebenen  traten  einige  Zeit 
darauf  den  Weg  an  den  Hof  des  gutmütigen  Vlad  an.  Schon 
148 1  hatte  sich  dieser  von  den  MichalogUs,  deren  Truppen  nach 
dem  Feldzuge  gegen  Dschem  der  Ruhe  bedürftig  waren,  los- 
gekauft ^). 

Vermutlich  hätte  Mohammed  durch  einen  Zug  des  Beg- 
lerbegs  von  Rumelien  oder  einen  von  ihm  selbst  geführten 
Schlag  den  ,, Friedensbruch"  Stephans  zu  vergelten  vermocht. 
Aber  Bajesid  suchte  ebensowenig  wie  im  asiatischen  Osten  im 
europäischen  Norden  Rache,  Ruhm  und  Beute.  Wenn  die  Donau- 
begs  mit  Vlad  zufrieden  waren,  und  dieser,  mochte  er  auch 
seinen  Sohn  Radu  nicht  an  die  Pforte  schicken,  doch  wenigstens 
seinen  Tribut  pünktlich  entrichtete,  so  hatte  der  neue  Sultan 
nichts  gegen  ihn  einzuwenden.  Der  ,,neue  Kurs"  machte  sich 
also  auch  hier  bemerklich. 

König  Matthias  seinerseits  war  für  einen  wirklichen  Krieg 
nicht  gerüstet.  Vergebens  hatte  er  den  Bischof  von  Grofswardein 
und  den  Richter  von  Olmütz  an  den  Reichstag  zu  Nürnberg 
geschickt,  um  über  Frieden  mit  dem  Kaiser  und  zugleich  über 
gemeinsame  Verteidigung  gegen  die  Türken  zu  verhandeln;  trotz 
der   Bemühungen     einiger    deutscher    Freunde     und    des     guten 


i)  „Istoria    lui  Stefan  -  cel  -  Marc  ■'  S.   189  flf. 


Bajesids   II.   Reichspolitik   an  der  Donau.  359 

Willens  des  päpstlichen  Legaten  Orso  de'  Orsini  wurden  sie  nicht 
ins  Land  gelassen;  man  verweigerte  ihnen  einfach  den  ge- 
wünschten Freipafs.  Die  Versammlung  beschlofs,  ohne  sie  anzu- 
hören, die  Aufbringung  eines  Heeres  von  15000  Mann,  das  im 
Frühling  vor  Wiens  Mauern  erscheinen  sollte  ^).  Auch  die  vom 
Papste  versprochenen  Gelder  aus  Italien  kamen  nicht,  und  die 
hundert  Schiffe  der  gegen  die  Mauren  in  Granada  kämpfenden 
spanischen  Könige  liefen  ebensowenig  je  aus  ihren  Häfen  aus  ^). 
Matthias'  Verlangen  nach  10 000  Reitern  aus  dem  Westen,  die 
ihm  helfen  sollten,  die  osmanischen  Wirren  zu  seinen  Gunsten 
zu  benutzen,  wurde  nicht  erfüllt  ^).  So  sah  sich  der  ehrgeizige 
Sohn  Hunyadis,  der  sich  gerühmt  hatte,  dafs  unter  Umständen 
selbst  Konstantinopel  keine  unerreichbare  Beute  sei  *),  gezwungen, 
sogar  seinen  Plan,  die  Herzegowina  zu  unterwerfen^),  fallen  zu 
lassen. 

Doch  wurde  im  Spätherbst,  ohne  jede  Herausforderung  der 
kaum  aus  Asien  eingetroffenen  Michaloglis ,  ein  Zug  gegen  das 
türkische  Serbien  unternommen.  Am  2.  November  verliefs 
Kinizsy  mit  einer  ziemlich  bedeutenden  Truppenmacht,  die 
Siegesbriefe  des  Königs  auf  32000  Mann  erhöhten,  Temesvär 
und  wandte  sich  gegen  die  Donau.  Der  Vortrab ,  mit  den 
Brüdern  Sokoli,  wurde  an  dem  Fort  Haram  geschlagen.  Der 
Befehlshaber  von  Belgrad  aber  und  der  Despot  Wuk  bestiegen 
Fahrzeuge  und  brandschatzten  das  feindliche  Ufer.  Die  Jakschitsch 
zogen  auf  dem  Landwege  voran;  dann  drang  Kinizsy  selbst  bis 
Kruschewatz,  nachdem  Skender  Michalogli  bei  der  Festung  Golu- 


i)  Vgl  ,,Matyäs  Kiraly  Levelei"  II,  S.  I54ff.,  163,  167;  Innsbrucker  Archiv, 
Siegmund  I,  12;  iio,  xxxxrx;  Nürnberg,  Kriegssachen  P.  A.,  II,  49  und  32b^ 
L.  ß.  6936,  S.  loi  — 103;  Dresdener  Archiv  9321 :  „Türken-Krieg  betreffend 
1481";  cod.  lat.  monac.   26604,  ^o\.   13  vo;  cod.  germ.  monac.   524,  fol.  66. 

2)  ,,Centum  triremes  paratas  habituri";  Brief  des  Papstes  vom  16.  Januar 
1481  ;  Dresdener  Archiv  9321;  vgl.  „Mätyäs  Kirdly  Levelei"  II,  S.    106. 

3)  „Monumenta  Vaticana''  a.  a.  O.  S.   183. 

4)  „Mätyäs  Kiraly  Levelei"  II,  S.   162. 

5)  „Ad  castra  illa  que  illustrissimus  princeps  S.  Sabe  novissime  pro  con- 
tracambio  nobis  assignavit";  ebenda  II,  S.   155  — 156. 

17* 


360  Zweites  Bucli.     Drittes  Kapitel. 

batsch  vor  den  Christen  hatte  weichen  müssen.  Auf  der  Rück- 
kehr wurde  das  alte  Schlofs  Kewe  wieder  erbaut,  die  Ortschaft 
Haram  befestigt  und  auch  an  einem  dritten  Punkte,  der  für  die 
Überfahrt  g;eeignet  erschien,  eine  kleine  Besatzung  zurückgelassen. 
Es  lief  schliefslich  mehr  auf  einen  Raubzug  grofsen  Stiles  hinaus, 
der  den  Osmanen  zwar  manchen  Schaden,  aber  keinen  Verlust 
an  Land  und  strategischen  Plätzen  brachte.  Die  beiden  Micha- 
loglis  imd  Bali  Malkotschogli  bemühten  sich  denn  auch  eifrig, 
Serbien  wieder  verteidigungsfähig  zu  machen  ^). 

Im  folgenden  Herbste,  etwas  früher  im  Jahre,  erfolgte  dann 
die  osmanische  Antwort.  Aber  auch  hier  erschien  kein  Begler- 
beg  mit  Artillerie  und  Janitscharen.  Es  sah  aus,  als  wollte  der 
Sultan  in  die  Grenzkämpfe  nicht  eingreifen,  als  seien  sie  unter 
seiner  kaiserlichen  Würde.  Fünf  Woiwoden ,  keine  Sandschaks, 
kamen ,  wahrscheinlich  unter  einem  der  Michaloglis ,  die  noch 
nicht  nach  Asien  gerufen  worden  waren  ^),  Anfang  September  1482 
bis  Temesvär,  dem  Lager  des  grausamen  Kinizsy,  den  man  mit 
einem  Bären  verghch  ^).  Sie  machten  reiche  Beute,  aber,  als  die 
Osmanen  auf  der  Rückkehr  zum  Schlosse  Becse  gelangt  waren, 
ereilte  sie  Kinizsy,  dem  die  Führung  des  Grenzkrieges  anvertraut 
war  ^),  und  schlug  sie  in  die  Flucht ;  unter  den  Gefangenen  be- 
fand sich  der  Woiwode  von  Kruschewatz  und  frühere  Begler- 
beg  von  Rum,  der  Bosnier  Mohammed  ^). 

Zwar  beschuldigte  Matthias  im  Frühling  1483  den  Kaiser, 
dafs  er  die  Türken  gegen  ihn  hetze ,  um  sie  seinerseits  los  zu 
sein  '') ;  diese  aber  brachen  nun  aus  ihrer  bosnischen  Provinz  wie 

1)  Briefe  des  Königs  in  „Matyäs  Kiraly  Levelei"  H,  S.  183,  185,  190,  192 
bis  193,  195  ff.,  201  ff.;  ,,Monumenta  Vaticana"  a.  a.  O.  S.  194 — 195.  Magno  er- 
wäiint  einen  türkischen  Zug  nach  Istrien ,  Friaul  und  Kärnten  schon  im  Jalirc 
1481;   Sathas   VI,   S.    232. 

2)  Sieiic  oben  S.   236  ff.,  243  ff. 

3)  „Homo  de  circa  58  anni,  de  bassa  statura,  grosso,  lacertoso  et  tuto  pi- 
loso,  come  un  urso,  et  valente  soldato";  „Mon.  Ilung.  Hist. "  VII,  S.  211. 

4)  „Primarius  copiarum  nostrarum  dux  in  illis  partibus  contra  Tiiurcos"; 
ebenda  S.   235  ff. 

5)  Ebenda. 

6)  Ebenda  S.  249—250. 


Bajesids  II.  Reiclispolitik  an   der  Donau.  361 

vor  1480  über  die  österreichischen  Länder  Krain  und  die  Steier- 
marlc  herein  ').  Während  zweier  g-anzer  Wochen  des  November 
plünderten  sie  jenseits  der  Save.  Um  ihnen  den  Rückzug  ab- 
zuschneiden ,  kam ,  dem  zwischen  Matthias  und  der  Landschaft 
Kärnten  am  30.  November  1482  geschlossenen  Sonderfrieden 
g-emäfs  '■^),  der  Ban  Matthias  Gereb  von  Kroatien  mit  einem  Grafen 
Zriny,  dem  Despoten  Wuk,  den  Jakschitsch,  den  Frangipani  und 
einigen  Edelleuten  aus  dem  Reiche,  wie  den  Herren  von  Auers- 
perg,  herbei;  sie  schlössen  die  Türken  Skenderbegs  ein  und 
liefsen  ,,  ettlich  Wald  verslagen".  Skenderbeg  schickte  den 
christlichen  Hauptleuten  ,,fünff  verdackten  Ross",  erbot  sich, 
für  ,,yeden  Sabl"  2 — 3  ungarische  Gulden  zu  entrichten  und 
wollte  sich  eidlich  verpflichten,  ,,nimermer  herauss  in  die  Land 
zu  kumen".  Doch  wurden  diese  Vorschläge  abgelehnt,  und 
er  mufste  sich  zum  Kampfe  rüsten ;  viele  tausend  Christen  standen, 
,,mit  Kotzen  und  mit  Strew  gedeckt '^  in  einem  nahen  Walde 
und  warteten  voller  Sorge  des  Ausganges.  In  der  Tat  blieb  die 
Mehrzahl,  der  Türken  auf  dem  Kampfplatz  (29.  Oktober)  ^). 

Im  gleichen  Jahre  1483  war  der  Sultan  selbst  aus  Kon- 
stantinopel aufgebrochen  und  weilte  einige  Zeit  in  Sofia,  als 
wenn  ein  starker  Schlag  gegen  Ungarn  geplant  sei^).  Doch  stand 
sein  Sinn  im  Ernst  keineswegs  auf  derartige  Unternehmungen. 
Gleich  nach  der  Katastrophe  der  Bosnier  begannen  Verhand- 
lungen mit  Matthias,  der  seinerseits  feierlich  erklärte,  dafs  er  nicht 
die  Absicht  gehabt  habe,  Skender  aufzuhalten  und  ihm  Schaden 


i)  über  die  Türkenpanik  daselbst,  1481  — 1482.  Siehe  cod.  germ.  monac.  414, 
fol.  169:  Eingabe  an  den  Kaiser  seitens  der  „Undertan  vom  Adel  und  Gemaiii 
der  Fürstenthumb  in  Krain  und  in  der  Metling";  Münchener  Reichsarcliiv,  „Türken- 
hilff",  fol.  115  ff.;  Karl  Haselbach,  Die  Türkennoth  im  XV.  Jahrhunderte, 
S.  IX  ff.,  5 14  ff. 

2)  Innsbrucker  Archiv  P.  A.  11,   166. 

3)  Vgl.  den  Brief  des  Königs  Matthias  in  „Monumenta  Vaticana"  a.  a.  O., 
S,  210  ft'.;  vgl.  S.  258,  270—272;  „Matyas  Kiraly  Levelei "  II,  S.  2676".;  „Mon. 
Hung.  Hist."  VII,  S.  363  ff. ;  den  Brief  aus  Friesach  im  cod.  lat.  monac.  414;  der 
Berchtold  Mayers  im  Nürnberger  Arcliive ;  siehe  auch  cod.  monac.  germ.  14668, 
fol.   79.     Auch   Bonfinius   S.   453. 

4)  Inediertes  im   Innsbrucker  Archive. 


263  Zweites  Buch.     Drittes  Kapitel. 

zuzufügen^);  und  noch  im  Herbste  wurde,  dem  Wunsche  Baje- 
sids  entsprechend,  ein  Waffenstillstand  auf  fünf  Jahre  unter- 
zeichnet ^). 

Freilich  sah  sich,  wie  die  Folgezeit  gleich  lehren  wird,  Baje- 
sid  schon  im  nächsten  Jahre  genötigt,  sich  ChiUa  und  Moncastro 
zu  unterwerfen,  um  dem  Drängen  der  unzufriedenen  Janitscharen 
nachzugeben;  aber  im  übrigen  wurde  der  Friede  nicht  gebrochen; 
der  bei  dieser  Gelegenheit  zwischen  dem  Könige  und  dem  Sultan 
geführte  Briefwechsel  ^)  stellte  vielmehr  klar,  dafs  die  angeblichen 
Vasallenländer  der  Moldau  und  Walachei  nicht  in  den  Friedens- 
vertrag einbezogen  worden  waren.  Die  Akindschis  verzichteten  vor- 
läufig auf  ihre  räuberischen  Beutezüge  in  Ungarn  und  den  benach- 
barten Ländern ;  aufserdem  nahmen  beide  Teile  an,  dafs  Streifereien, 
an  denen  nicht  mehr  als  400  Reiter  beteiligt  waren  —  so  wie  die 
von  i486  nach  Modrufs  hin  — ,  als  kein  eigentlicher  Friedensbruch 
zu  betrachten  seien  *).  Auch  die  Ermordung  eines  angesehenen 
Gesandten  des  Königs  bei  der  Pforte  (1487)  hatte  keine  weiteren 
Folgen  ^).  1490  stattete  der  Sultan  dem  Könige  Matthias  für 
die  erwiesene  Freundschaft  durch  die  Schenkung  der  Reliquien 
des  heiligen  Johannes  des  Täufers  seinen  Dank  ab  ^).  Der  Despot, 
der  Sohn  des  ,, Königs  von  Bosnien",  Lorenz  Ujlaky,  die  Jak- 
schitsch  mufsten  friedlich  auf  ihren  ungarischen  Gütern  leben  ''). 

Der  Kaiser  seinerseits  hatte  mit  dem  Wesir  Isak  ebenfalls  über 
die  Einstellung  der  Raubzüge  der  Akindschis  verhandelt  und  durch 
Bezahlung  einer  bestimmten  Summe  seinen  Zweck  erreicht.  Als  Isak 
1484  starb  und  der  alte  Friedrich  III.  die  Erneuerung  der  früheren 
Einfälle  befürchtete,  schrieb  er  im  Februar   1485   an  den  Herzog 


i)  „Mätyäs  Kiräly  Levelei"  II,  S.  3S9. 

2)  Ebenda  S.   286,   290 — 291,   292,   294  ff. 

3)  Ebenda  II;  besser  in  meinen  „Acte  ?i  fragmente"  IIP. 

4)  So  erklärte  die  Juli  i486  in  Ofen  eingetroffene  türkische  Gesandtschaft: 
„Quanto  la  correria  non  passa  hinc  inde  qualroccnto  cavalli";  „Mon.  Hang. 
Hist."  VI,  S.   123. 

5)  Ebenda. 

6)  Ebenda  VII,  S.   397. 

7)  Ebenda  S.   209,  432. 


Bajesids  II.  Reichspolitik  an  der  Donau.  363 

Sieg"mund  von  Österreich,  den  er  zum  Reichstage  von  Frankfurt 
einlud:  ,,  Darzu  ist  auch  des  Turg-ken  Wasche,  bey  dem  wir  so- 
vil  verfüg-et  dass  er  unsere  Lannd  aine  gute  Zeit  unbekrieg-t  lassen 
hat,  mit  Tod  verg-ang-en  und  der  König-  [von  Ung^arn]  bey  dem 
so  durch  den  Turgken  ytzo  gesetzt  ist  [Daud- Pascha]  sovil  ver- 
fuget, das  der,  sopald  es  wetterlich  ist,  herauf  in  unnsere  Lande 
Kernndten  und  Krain  ziehen  und  die  ganntz  verheren  wil,  —  des 
Macht  dieselben  unnsere  Lannd  nit  widersteen  mugen"^). 

Doch  geschah  nichts  Derartiges.  Die  Christen  konnten  ihre 
alten  Kreuzzugsprojekte  in  aller  Ruhe  wieder  aufnehmen  und  sich 
an  der  grofsen  Versammlung  in  Rom  (25.  März  1489)  beteiligen, 
wo,  nach  schon  bekannten  Gesichtspunkten,  die  Ordnung  des 
grofsen  Heeres  besprochen  wurde,  das  gleichzeitig  zu  Land  und 
Wasser  vorgehen  sollte  —  fast  alle  Staaten,  auch  der  Kaiser, 
waren  durch  feierliche  Gesandtschaften  vertreten  und  erwarteten 
von  der  Wiedereinsetzung  Dschems  alles  nur  mögliche  zu  ihrem 
Vorteile^).  Bajesid  machte  sogar  keine  Einwendungen,  als  er, 
zur  Antwort  auf  einen  von  seinem  Kapudschi-Bascha  Mustafa  dem 
Papste  zugestellten  Brief  —  dank  dem  unfreiwilligen  Aufenthalt 
Dschems  in  Frengistane  war  die  Ankunft  osmanischer  und  ägyp- 
tischer Sendlinge  in  Rom  jetzt  keine  Seltenheit  mehr  —  den 
Rat  erhielt,  die  Christen  unbehelligt  zu  lassen,  wenn  er  wolle, 
dafs  für  Dschems  Unterhalt  und  besonders  seine  Bewachung  auch 
weiterhin  Sorge  getragen  werde  ^). 

Erst  als  (am  6.  April  1490)  König  Matthias  seine  Augen 
schlofs,  begannen  die  Türken  an  dieser  nördlichen  Grenze  sich 
aufs  neue  zu  regen,  und  Stephan  Bäthory,  der  nun  ein  sechzig- 
jähriger Greis  war,  erhielt  den  Auftrag-,  Siebenbürgen  vor  ihrem 
Einfalle    zu   sichern  ^).     Doch  kamen  sie  dorthin  nicht ,    sondern 


i)  Innsbrucker  Archiv,   Sigmund  I,    12. 

2)  „Constantinopolis,  Trapezuntia,  Nicopolis ,  Hellespontus ,  Misia  asiatica, 
Tholy  et  plurima  alia  dominia";  siehe  die  Akten  im  Nürnberger  Archive  loi  103. 
Vgl.  Innsbrucker  Archiv,   Siegmund  I,    12;   cod.  lat.  monac.  461,   fol.    173,    188. 

3)  Der  Briefwechsel  vom  Jahre  1490  im  cod.  lat.  monac.  716,  fol.  128  und 
die  Antwort  allein  im  Anhange  an  Thuasne. 

4)  „Acte  ?i  fragmente-'  IIP,  S.  65. 


264  Zweites  Buch.     Drittes  Kapitel. 

raubten  in  der  Nähe  von  Modrusz  ^).  Als  Kinizsy  im  nächsten 
Jahre  mit  anderen  Angelegenheiten  beschäftigt  war,  streiften 
Türken  bis  Grofswardein  und  brannten  Temesvar  nieder,  wo  sich 
der  alte  Bathory  furchtsam  versteckt  hielt  ^).  Dann  wurde  auch 
Schabatz  (August)  angegriffen  ^).  Im  Herbste  erschienen  die 
Türken  vor  Severin,  dessen  Befehlshaber  aber  der  Reichsver- 
sammlung zu  Ofen  geschnittene  türkische  Köpfe  (Anfang  1492) 
schicken  konnte  *). 

Andere  Akindschis  übersetzten  im  September  149 1  wieder 
die  Save.  Die  vorsichtigen  Kroaten  hatten  bereits  Mafsregeln 
getroffen,  der  Verwüstung  ihres  ebenfalls  bedrohten  Landes 
vorzubeugen:  ,,Die  Krabatischen " ;  schreibt  der  krainische 
Hauptmann  Wilhelm  von  Auersperg,  ,,  haben  Friden  mit  den 
Turcken  ditzmals  und  haben  in  Wein  und  Prot  geben."  So 
ergofs  sich  die  ganze  Menge  der  Akindschis,  beutegieriger  als 
je,  über  Cilly  und  Ober-Krain.  ,,Sy  sein  kommen",  bezeugt 
ein  Brief,  ,,dafs  nyemands  nichts  darumb  gewest  hat  bis  man  sy 
gesehen  hat",  und  verheerten  ,,das  gantz  Pirg:  Auersperg,  Zobers- 
perg,  Gurtenfeld,  Hedlischeck,  Cameck,  Semsenberg,  Durnkrain, 
Rafnitz,  Katscher  und  an  den  Enden",  dann  ,,St.  Bartolmcs  Veld, 
Hopfenbach,  Newstätel,  Preyseck,  Lanntstrass,  Werdeil,  Meicho . . . : 
allso  ist  das  gantz  Landt,  der  Strich  pis  auf  Laybach,  verprennt 
und  verödt".  Die  Bauern  hatten  gerade  die  Ernte  eingebracht 
und  kamen  um  den  ganzen  Ertrag  ihrer  Arbeit.  ,,Der  ^i^m 
Man  sein  F"rucht  erst  haym  gefurt  und  hat  dreschen  wellen. 
Traid,  Hew  und  Strew  ist  verprennt,  das  der  arm  Man  kein 
Viech  halten,  noch  füren  mag;  darzw  mit  seinem  Weib  und 
Kinndern  nichtz  zu  essen  hat",  und  der  Hauptmann,  der  nicht  im- 
stande war,  das  unglückliche  Land  zu  verteidigen,  fügt  hinzu: 
,,Ich  all  mein  Tag  solh  Jamer  nye  gesehen  hab  in  disem  armen 
Landt."  Die  Räuber,  die  ungestört  wieder  abziehen  durften, 
waren  diesmal  nicht  mehr  armselige  Vagabunden,  sondern  3000 
wohl  ausgerüstete  Martolodschen  :  ,,so  hab  ich",  sagt  ein  Zeuge, 


i)  Bonfinius   S.  499. 

2)  Ebenda  S.  507. 

3)  Ebenda  S.  509. 

4)  Ebenda  S.  511. 


Bajesids  II.   Reichspolitik  an  der  Donau.  365 

„schener  Ross  bey  Turkhen  nie  gesehen,  und  so  gross  und  schon 
angelekcht  Leut  auch  nicht"  *). 

Die  vollkommen  ergebnislose  Reichsversammlung,  die  1492 
zu  Koblenz  stattfand ,  verlor  ihre  Zeit  mit  der  Ernennung  von 
Kommissaren,  Unter-  und  Oberkommissaren  des  auf  15000  Mann 
festgesetzten  Heeres,  das  niemals  zusammenkommen  sollte^). 
Es  war  ein  Glück  für  Ungarn,  dafs  der  von  Martin  Zobor,  seinem 
Gesandten  bei  der  Pforte,  für  dieses  Jahr  angezeigte  Zug  des 
Sultans  unterblieb  ;  alle  Grenzfestungen  waren  bereits  in  besseren 
Zustand  gesetzt  worden  ^).  Nur  Severin  wurde  wieder  angegriffen*). 

Doch  hatten  1493  die  Grenzländer  der  Christenheit  im  Nord- 
westen des  osmanischen  Reiches  einen  neuen  Einfall  der  bosni- 
schen Akindschis  zu  erleiden.  Der  Ban  Emcrich  selbst  fiel  in  die 
Hände  der  Türken  und  starb  auf  einer  Insel  im  Lande  der 
Feinde;  Johann  Frangepani  starb,  sein  Bruder  Nikolaus  befand 
sich  ebenfalls  unter  den  Gefangenen  ■^).  Viele  Tausende  von  ab- 
geschnittenen Nasen  wurden  als  blutige  Trophäe  an  die  Pforte 
geschickt.  Die  Kriegsbegebenheiten  entwickelten  sich  folgender- 
mafsen : 

Die  Bosnier  hatten  die  zwischen  den  Mitgliedern  des  Hauses 
Frangipani,  dem  das  Gebiet  von  Segna  gehörte,  zwischen  dem 
Sohne  des  Königs  Matthias,  dem  jungen  Johann  Hunyady,  und 
seinem  Nachfolger  in  der  Würde  eines  Bans  von  Kroatien,  Eme- 
rich  Trencseny,  ausgebrochenen  Streitigkeiten  benutzt  '^).  Segna 
selbst  war  in  gutem  Verteidigungszustande;  der  Papst  selbst  hatte 
einige  Truppen  mit  seinem  Kämmerer  Anton  Fabrciies  dorthin 
geschickt.  Die  Akindschis  dachten  nicht  daran ,  die  stark  be- 
festigte Stadt  anzugreifen.    Sie  raubten  in  Kroatien  —  hatte  doch 


1)  Innsbrucker  Archiv  P.  D.  XXXIX,  iio;  Siegniund  I,  12;  cod.  lat.  monac. 
14668,  fol.  81  vo  ff. 

2)  Cod.  germ.  monac.   1348. 

3)  B  onfinius  S.   512.  4)  Ebenda  S.   513. 

5)  Vgl.  „Dipl.  Rag."  S.  820. 

6)  „Auss  Ursachen  der  Zwytracht,  so  sich  zwischen  unseren  lieben  edlenn 
Sunnen  zu  Fraiapanibus  erhept,  die  sie  mit  vill  Verheissungen  zu  ynen  ze  zihen 
Fleiss  ankert  hannd";  Brief  des  Papstes  vom  26.  Oktober  1493;  Nürnberger 
Archiv,  S.    102/1  ;  gedruckt. 


366  Zweites  Buch.     Drittes  Kapitel. 

der  König  von  Ung-arn  schon  im  Frühling-  den  Waffenstillstand 
mit  dem  Sultan  erneuert  ^)  —  und  waren  Anfang-  September  auf 
dem  Heimweg-e.  Der  Ban  des  Landes  mit  seinen  Söhnen ,  mit 
dem  Grafen  von  Cetin,  mit  Nikolaus  und  Bernard  von  Frange- 
pani,  mit  zwei  Edelleuten  aus  der  Familie  Zrinyi  und  zwei  anderen 
aus  dem  Geschlechte  der  Blag-aj ,  verfüg-te  über  eine  Streitkraft 
von  2  000  Reitern  und  6000  Mann  Fufsvolk  (meistens  g-emeinen 
Bauern),  und  sie  hofften  die  rächende  WafTentat  des  Jahres  1483 
erneuern  zu  können.  Aber  die  Türken  bestanden  aus  2000  aus- 
erlesenen Spahis  ,,  der  Pforte",  mit  Akindschis  vermengt;  ,,zwei 
Sandschaks  und  zwei  Schwiegersöhne  des  Sultans"  waren  bei 
ihnen.  Nach  einem  kurzen  Kampf  ,,war  der  ganze  kroatische 
Adel  gefangen  oder  getötet"  (9.  September).  Einige  Tage  darauf 
nahmen  die  Sieger  das  Schlofs  Cossara  bei  Segna  ein,  und  der 
päpstliche  Kämmerer  zitterte  bei  dem  Gedanken  an  einen  Sturm 
auf  Segna  ^).  In  Tirol  hatte  Herzog  Siegmund  von  Österreich 
kräftige  Mafsregeln  getroffen ;  infolgedessen  unterblieb  der  bereits 
angekündigte  türkische  Einfall  ^). 

Schon  Ende  1492  waren  auf  dem  Wege  durch  das  walachi- 
sche  Oltenien  5000,  von  Ali-beg  von  Semendrien  und  von 
Bali-beg  befehligte  Reiter  in  Siebenbürgen  eingefallen,  um  in  der 
Gegend  des  Roten  Turms  zu  rauben  ;  bei  der  Rückkehr  im  Februar 
1493  hatten  sie  viel  von  den  Bauern,  die  sich  auf  den  Höhen  des 
Gebirges  hielten,  zu  leiden  *).  Dieses  feindliche  Vorgehen  wurde 
durch    ein  anderes  von  selten  Ungarns  vergolten :    Kinizsy ,    der 

i)  „Dipl.  Rag."  S.  646. 

2)  Brief  desselben  vom  13.  September:  ,,Nullus  in  tota  Corvatia  remansit 
qui  possit  resistere.  . .  Actum  est  de  palria  ista.  .  .  .  Habeat  pro  certo  S.  V.  quod 
tota  patria  ista  peribit.  .  . .  Metu  Turcorum  cogor  nocte  dormire  in  portu  in  navi 
aliqua.     Tota  civitas  plorat  ac  clamans  opportunum  subsidium." 

3)  Vgl.  Innsbrucker  Archiv,  Siegmund  I,  36;  München,  Reichsarchiv,  „Türken- 
Hilffe".  Der  Ban  „Berczl  von  Brabasd"  erwartete  im  Sommer  die  Ankunft  des 
Heeres:  ,,Antecessor  et  ductor  ipsorum  Turcorum  est  fdius  Basse,  et  cum  eo  est 
metus  (iunctusi")  Santzach  de  terra  Hertzog. "  Vgl.  auch  Bonfinius  S.  5 14 ff. ; 
Leunclavius  Sp.  604(1.;  Gritti  S.   21  —  22. 

4)  Burcardus,  Ausg.  Thuasne;  Siegesbrief  des  Königs  an  den  Papst;  vgl. 
meine  „Studii  ^i  documente"  III,  S.  XL — XLI,  Lxxiv ;  Hurmuzaki  II-,  S.  332, 
Nr.  ccxcvi;  Bonfinius  S.  514;  „Quellen  der  Stadt  Brassö"  IV,  S.  4;  vgl. 
F  e  fsl  er-Klei  n  III,  S.   252 — 253. 


Bajesids  II.   Reichspolitik  an  der  Donau.  367 

im  folgenden  Jahre  sterben  sollte,  und  Bartholomäus  Drägfify,  der 
Nachfolger  Stephan  Bäthorys  in  Siebenbürgen,  ein  Rumäne  von 
Geburt,  unternahmen  im  Winter  1493  einen  Ritt  nach  Serbien ;  sie 
eroberten  auch  ein  Residenzschlofs  Alibegs,  das  ein  Sohn  desselben 
verteidigte,  und  holten  die  bei  einem  Einfalle  1490  in  Grofs-War- 
dein  erbeuteten  goldenen  Leuchter  daraus  zurück.  Der  plötzlich 
eintretende  Eisgang  der  Donau  hinderte  Ali-beg,  sich  an  den 
Plünderern  seines  Sandschakats  zu  rächen.  Paul  entdeckte  so- 
gleich eine  Verschwörung,  die  Belgrad  in  die  Hände  der  Türken 
spielen  wollte ;  die  Bestrafung  der  Schuldigen  übertraf  an  Grau- 
samkeit jedes  Beispiel  ^). 

Viele  glaubten,  dafs  der  Sultan  selbst,  durch  den  kroatischen 
Erfolg  er-muntert,  das  Reich  oder  Ungarn  im  Jahre  1494  angreifen 
werde  ^) ,  um  endlich  Jaice  und  Belgrad  den  Händen  der  Chri- 
sten zu  entreifsen.  Doch  war  nichts  Wahres  an  diesem  Ge- 
rüchte. Nur  einige  Scharen  der  Michaloglis,  die  nichts  aus- 
richteten^), erschienen  vor  dem  schwach  besetzten  Belgrad,  dher 
nach  Krain ,  wo  Auersperg  ihrer  wartete  *) ,  drangen  die  Akin- 
dschis  nicht,  und  der  neue  kroatische  Ban,  Lorenz  von  Kanizsa, 
besorgte  ohne  Grund  für  den  Sommer  einen  grofsen  Angriff  von 
dieser  Seite  und  verlangte  unverzügliche  Hilfe  von  seinen  Nach- 
barn ").  Erst  im  Oktober  wurde  das  Gebiet  von  der  Save  bis  Pet- 
tau ,  das  Land  jenseits  der  Drau  und  der  Distrikt  Posega  ver- 
heert. Es  folgte  ein  Rachezug  Kinizsys  —  der  König  selbst  war 
in  Petcrwardein  erschienen  — ;  die  Vorstädte  von  Semendria 
wurden  niedergebrannt  (Oktober).  Nach  diesem  letzten  Erfolge 
starb  der  schon  vorher  vom  Schlage  gerührte  Kinizsy  an  der 
Save  ^). 

Diese  Tat  blieb  ungesühnt;  bereits  1495  schlofs  der  Sultan 
einen  neuen  Waffenstillstand  für  drei  Jahre. 


i)  Bonfinius  S.   519;  vgl.  „  Mon.  Hang.  Hist."  VII,  S.  431. 

2)  .,Dipl.  Rag.''  S.  652—653;  vgl.  Bonfinius  S.  5146".;  Fefsl  er-Kle  i  n 
ni,  S.  255  ff. 

3)  Bonfinius  S.   522 — 523. 

4)  Innsbruck  P.  A.   XXXIX,    1 10. 

5)  Münchener  Reichsarchiv,  ..Türken-Hilff",  fol.   133;  Bonfinius  a.  a.  O. 
6j  Bonfinius   S.   524 — 525. 


268  Zweites  Buch.     Drittes  Kapitel. 

Ein  neuer,  für  1497  ang-ezeig-ter  Zugf  des  „turckischenKaysers 
Sun"  nach  Siebenbürg'en  erwies  sich  als  Erdichtung'').  Da- 
gegen erschien  in  diesem  Jahre  bei  Kaiser  Friedrichs  Nachfolger, 
dem  römischen  Könige  Maximilian,  die  erste  türkische  Gesandt- 
schaft, die  überhaupt  ins  Reich  kam.  Maximilian  dachte  daran, 
sie  auch  darum  in  Beisein  möglichst  vieler  Fürsten  zu  empfangen; 
doch  trat  sie  weniger  feierlich  auf,  so  dafs  auch  die  grofsen 
Empfänge  unterblieben  ^). 

Ungarn  hatte  also  Ruhe,  und  die  deutsche  Grenze  wurde 
durch  Leonard  von  Görz,  ,,den  Reichshauptman  und  jenen  des 
Römischen  Königs  an  die  Grenitzen  wider  die  Turggen "  —  der 
1000  Gulden  jährlich  erhielt  — ,  besser  als  früher  gegen  die 
Osmanen  verteidigt  ^).  Eine  Zeit  der  Erholung,  die  bis  zum  tür- 
kisch-venezianischen Kriege  von  1499  dauerte,  war  hiermit  für 
diese  Gegenden  angebrochen.  Andere  Provinzen  nahmen  die  ganze 
Aufmerksamkeit  der  Pforte  in  Anspruch  und  nicht  minder  innere, 
von  den  Janitscharen  verursachte  Wirren.  Auch  die  neuen  Ver- 
hältnisse in  Serbien  und  Bosnien  gewannen  damals  eine  Festig- 
keit, die  ihnen  bisher  gemangelt  hatte. 

Es  bleibt  jetzt  die  Geschichte  der  nordöstlichen  Grenze 
nach  dem  Schwarzen  Meere  hin,  die  Beziehungen  zur  Walachei, 
Moldau  und  auch  zu  Polen  zu  schildern. 

Im  Sommer  des  Jahres  1484  brach,  da  keinerlei  Vor- 
bereitungen zu  einem  persönlichen  Zuge  des  Sultans  getroffen 
worden  waren,  ein  offener  Aufruhr  der  Janitscharen  aus,  die,  seit 
langem  um  Ruhm  und  Beute  betrogen  ,  durch  das  Gerede ,  der 
Sultan  wolle  ihre  militärische  Organisation  vernichten  und  durch 
eine  Neubildung  der  Asapen  ersetzen ,  aufs  äufserste  erbittert 
waren ;  sie  bedrohten  sogar  Ali  Michalogli,  der  seinem  Herrn 
von  diesem  gefährlichen  Vorhaben  abgeraten  hatte,  mit  dem 
Tode.    Um  der  Meuterei  Herr  zu  werden,   gab  es  nur  ein  Mittel: 


i)  Bonfinius   S.    531  ;  Innsbrucker   Archiv,   Kopialbücher,   Gesch.   vom   Hof, 
anno    I497,   fol.    190. 

2)  Nürnberger  Archiv   S.    loi   103. 

3)  Innsbrucker  Archiv,   Sicgniund  I,   36. 


Bajesids   II.   Reichspolitik  an  der  Donau.  369 

einen  neuen  Krieg"  zu  beginnen ;  doch  durfte  der  Feind  nicht 
allzu  stark  sein,  und  die  plötzlich  beschlossene  Unternehmung- 
sollte sich  auf  wenige  Städte  beschränken,  ohne  die  vollständig-e 
Vernichtung-  der  Macht  des  Gegners  zu  bezwecken.  Wahrschein- 
lich war  es  Ali,  der  empfahl,  sich  gegen  die  Moldau  und  ihre 
Häfen  Chilia  und  Cetatea-Albä  zu  wenden ,  die  dem  Reiche  in 
der  Tat  nötig  waren,  wenn  es  des  Dominiums  des  Schwarzen 
Meeres  sicher  sein  wollte. 

Der  Sultan  schlug  den  Landweg  ein  und  gelangte  bald  an 
die  Furt  von  Isaktsche,  wo  sich  Vlad  der  Mönch  mit  den  walachi- 
schen  Bojaren  bei  ihm  einstellte;  auch  der  Khan  der  Tataren 
säumte  nicht,  dem  Oberherrn  seine  Huldigung  darzubringen.  Am 
6.  Juli  begann  die  Beschiefsung  Chilias,  das  noch  neuerdings 
wieder  befestigt  worden  war;  kaum  einige  hundert  Moldauer 
waren  darin  unter  dem  Befehle  der  beiden  pircälabi  (Burg- 
grafen) Stephans.  Nach  acht  Tagen  zog  der  Sultan  in  die  Stadt, 
die  sich  ihm  ergeben  hatte,  ein;  er  gewährte  der  spärlichen 
Bevölkerung  von  Fischern,  Bauern  und  einigen  Kaufleuten 
Schonung.  Hier  erhob  also  nun  ein  kaiserlicher  Gümrükdschi 
von  den  rohen  Häuten ,  dem  Käse ,  den  gesalzenen  Hausen  — 
morone  salze,  morona  in  salamora,  morenela  — ,  die 
in  Tonnen  ankamen  (butte,  barili),  und  der  bekannten  Wolle 
von  Licostomo,  die  man  in  ve  li  feilbot  ^),  den  Zoll.  Die  Belagerung 
der  ,,Weifsenburg"  an  der  Dnjestrmündung,  deren  kunstvolle  alte 
Mauern  genuesischer  Arbeit  uns  auch  heute  noch  imponieren, 
begann  sogleich ,  und  nach  einigen  Tagen  wurde  die  Feste  in 
die  Hände  des  Sultans  gebracht  (3. — 4.  August).  Auch  hier 
starben  die  Burggrafen  Oanä  und  Gherman  im  Kampfe;  die 
tapferen  moldauischen  Einwohner  führte  Bajesid  mit  sich  nach 
Konstantinopel  und  liefs  eine  Besatzung  von  Janitscharen  im 
Schlosse  zurück.  Aus  Chilia,  über  das  er  wieder  zurückging, 
datiert  sein  Siegesbericht  vom   ii.  August^). 

Wollte  er  seine  Häfen,  deren  Besitz  ihm  für  die  Entwick- 
lung  und  das  Gedeihen  der  Moldau  unentbehrlich  war,    wieder- 


i)  Archiv  von  Venedig,  ,,Ducali  e  lettere  ricevute",  Q.  48. 
2)  ,,  Chilia  §i  Cetatea-Albä"  S.   154  ff. 


370  Zweites  Buch.     Drittes  Kapitel. 

erlang-en,  so  wufste  Fürst  Stephan  sehr  gut,  dafs  er  auf  die  Hilfe 
des  ung-arischen  Königs  umsonst  rechnete.  Matthias  war  froh, 
seine  südHche  Grenze  durch  einen  Frieden  gesichert  zu  haben. 
Stephan  wandte  sich  also  an  den  anderen  stärkeren  Nachbar, 
den  alten  König  Kasimir  von  Polen,  dem  er  am  12.  September  1485 
im  galizischen  Kolomea  feierlich  huldigte.  Nur  so  konnte  er  auf 
Unterstützung  von  diesem  hoffen. 

Die  Türken  aber  warteten  die  Dazwischenkunft  der  Polen 
nicht  erst  ab,  um  der  Moldau  einen  zweiten  Schlag  zu  versetzen. 
Zwar  wurde  von  einem  neuen  kaiserlichen  Zuge  nicht  gesprochen. 
Aber  der  Beglerbeg  von  Rumelien,  Ali  Hadum,  kam  mit  den 
gewöhnlich  für  solche  Arbeit  gebrauchten  Akindschis,  zu  denen  sich 
Spahis  und  einige  Janitscharen  gesellten,  ins  moldauische  Gebiet,  um 
hier  zu  plündern  und  Stephan  dadurch  zur  Anerkennung  der  os- 
manischen  Oberhoheit  und  Leistung  des  Tributs  zu  zwingen.  Wie 
1476  drangen  die  Türken  bis  Suceava  vor,  ohne  den  Feind  ange- 
troffen zu  haben ;  denn  Stephan  befand  sich  in  Polen;  die  moldauische 
Hauptstadt  wurde  am  19.  September  1485  niedergebrannt  ^).  Den 
Sohn  Peter  Arons,  der  die  Osmanen  begleitete,  als  Fürsten  einzu- 
setzen, vermochten  diese  aber  nicht.  Nach  dem  Abzug  des  Begler- 
begs  unternahmen  nun  die  Donaubegs  Iskender  Michalogli  und 
Balibeg,  der  mehrmals  erwähnte  Sohn  des  Malkotsch,  vom 
Walachen  Vlad  geführt,  Streifzüge  auf  eigene  Faust  ^).  Sie  waren 
noch  jenseits  des  Flusses,  als  Stephan,  der  mit  2000  gepanzerten 
polnischen  Reitern  aus  Kolomea  herbeigekommen  war,  sie  am 
Ufer  des  grofsen  Sees  Cätläbuga,  im  heutigen  Südbessarabien, 
ereilte  (16.  November)  und  ihnen  die  Beute  wieder  abjagte  ^). 

Noch  im  Winter  erschienen  wieder  Türken ,  wahrschein- 
lich jedoch  nur  einige  zurückgelassene  Scharen  aus  der  Walachei 
Vlads,  und  gelangten  mit  ihrem  Prätendenten,  dem  spöttisch  so 
genannten  Hromot,  den  Serethflufs  entlang  bis  Scheia  im  Distrikte 
Roman,  wo  sie  am  6.  März  i486  Stephan  vor  sich  fanden.     Sie 


i)  Leunclavius  Sp.   595  —  596. 

2)  Ebenda. 

3)  Ebenda ;  moldauische  Chronik. 


Bajesids  II.   Reichspolitik  an   der  Donau.  371 

flohen,    und  der  mitg-eführte  Fürst  verlor  sein  Leben  durch  das 
Schwert  des  Scharfrichters  ^). 

Der  Krieg-  zwischen  dem  osmanischen  Reiche  und  Polen 
war  eröffnet,  aber  der  König-  beeiferte  sich  ebensowenig-  wie  der 
Sultan,  ihn  lebhaft  fortzusetzen.  Während  der  polnische  Gesandte 
Callimachus  in  Venedig-  über  Türken,  Ungarn  und  Moldauer 
Klag-e  führte,  die  Vermittlung-  der  Republik  für  den  Frieden  er- 
bat ^)  und  zug-leich  die  Hilfe  des  Westens  forderte,  kämpfte  des 
König-s  Sohn  Johann  Albrecht  im  Jahre  i486,  zwar  nicht  g-eg-en 
die  Türken,  aber  wenigstens  (im  September)  gegen  tatarische 
Scharen.  Wohlfeile  Heldentaten  der  Christen  wurden  auch  im 
folgenden  Jahre  vollbracht,  und  die  Moskowiter  beteiligten  sich 
ebenfalls  daran;  von  solchen  Erfolgen  wurde  Westeuropa  durch 
die  Söhne  Johann  Ralis  benachrichtigt  ^). 

Aber  schon  waren  Verhandlungen  mit  der  Pforte  angeknüpft 
worden,  und  im  Mai  1488  begab  sich  Nikolaus  Firley  nach  Kon- 
stantinopel. Im  März  1489  gelang  es  ihm  wirklich,  einen  Frieden 
abzuschliefsen  *).  Freilich  hatte  dieser  nicht  auch  die  Untätig- 
keit der  Tataren  in  Gefolge,  die  1489  Kiew  einäscherten  und 
den  Prinzen  Johann  Albert  schlugen,  um  dann  im  Winter  bis 
Lublin  vorzudringen  ^).  Stephan  seinerseits  schickte  allerdings 
Tribut  an  die  Pforte,  wo  nun  sein  ältester  Sohn  Alexander  weilte, 
der  1496  in  Konstantinopel  starb  und  durch  seinen  Sohn  Stephan 
ersetzt  wurde  ^) ;  der  letztere  wurde  türkisch  erzogen  und  trat 
später  auch  zum  Islam  über.  In  seinen  Kriegen  gegen  Polen 
wurde  der  mächtige  Woiwode  von  den  Tataren  und  den  auf- 
rührerischen russischen  Bauern  Muchas  unterstützt. 

Ja  Stephan,    der   vergeblich    die  Provinz  Pokuzien  als  seine 


1)  Die  moldauische   Chronik. 

2)  „Mon.  Hung.   Hist."  VI,   S.   123  ff. 

3)  Ebenda  S.  430. 

4)  „Chilia  ?i  Cetatea-Albä"  S.   169— 171,    296—297;    Lewicki  II,   S.  348 
bis   349,   368;   Hurmuzaki  IP,   S.    315 — 316;  auch   ebenda  S.   310,   316— 317. 

5)  Kaspar  Weinreich,  in  den  ,, Scriptores  rerum  prussicarum"  IV,  S.  776, 

778—779. 

6)  „Istoria  lui  Stefan-cel-Mare ''  S.   21S  —  219. 


273  Zweites  Buch.     Drittes  Kapitel. 

rechtmäfsig'e  Herrschaft  verlangte,  rief  sogar  später  das  türkische 
Donauheer  zu  den  ersten  greuelvollen  Streifzügen  ins  polnische 
Gebiet  herbei.  Mit  dem  neuen  litauischen  Knez  Alexander,  dem 
Sohne  des  alten  und  trägen,  1492  endlich  gestorbenen  Königs 
Kasimir,  lebte  er  in  guten  Beziehungen  und  machte  ihm  Vorschläge 
für  ein  gemeinsames  Verfahren  gegen  die  Türken  ').  Mit  dessen 
Bruder  aber,  dem  König  Johann  Albrecht,  gelangte  Stephan,  weil 
Polen  ihm  Pokuzien  nicht  abtreten  wollte,  zu  keinem  Frieden. 
Der  neue  polnische  Herrscher  erwirkte  aber  zuerst  1492 ,  dann 
im  April  1494  vom  Sultan  die  Erneuerung  des  Friedens  und  be- 
stätigte dieses  letzte  Übereinkommen  im  Juni   1494  ^). 

Drei  Jahre  hindurch  war  er,  wenn  auch  nicht  vor  tatarischen 
Einfällen,  so  doch  wenigstens  vor  den  Feindseligkeiten  der  Türken 
in  Chilia  und  Cetatea-Albä,  die  nunmehr  Kili  und  Ak-kerman 
hiefsen,  sicher. 

1497  fiel  Johann  Albrecht,  von  Callimachus  verleitet,  der  als 
spitzfindiger  Italiener  der  Renaissance  immer  allerlei  grofse  Pro- 
jekte nährte  und  sich  berufen  glaubte,  ein  einziges  Reich  bis  zur 
Donau  hin  zu  schaffen,  in  die  Moldau  ein.  Sein  Vorwand  war, 
dafs  er,  da  der  vielleicht  geheimgehaltene  Vertrag  mit  der 
Pforte  abgelaufen  war,  die  moldauischen  Häfen  für  seinen  ,, Freund" 
Stephan  zurückerobern  wolle.  Der  Papst,  die  Venezianer,  sein 
Bruder  Alexander,  nicht  weniger  Stephan  und  der  schlaffe  walachi- 
sche  Fürst  Vlad,  hatten  ihm  freilich  einen  Kreuzzug  für  die  all- 
gemeine christliche  Sache  angeraten ;  die  wahre  Absicht  des  Königs 
aber  war  die,  den  alten  Woiwoden  Stephan  zu  verjagen  und  aus 
dem  ,,Palatinate"  der  Moldau  ein  Leibgedinge  für  Kasimirs  jüngeren 
Sohn  Siegmund,  den  späteren  König,  zu  bilden;  in  Leutschau, 
bei  der  Zusammenkunft  von  1494  hatte  sich  der  König  mit  seinem 
vierten,  in  Ungarn  regierenden  Bruder,  dem  gutmütigen  Wladis- 
law,  darüber  verständigt  und  hielt  sich  versichert,  dafs  kein  un- 
garischer Einspruch  seine  siegreiche  Laufbahn  hemmen  werde  ^). 


i)  Jablonowski,   Sprawy  woloskie  za  Jageltonow ,    S.  60  ff.  •    Ulianicki 
S.   121  ff.;    „Istoria  lul  Stefan-cel-Mare"  S.   229  ff. 

2)  Handschrift    611    des    Museums    Czartoryski    in  Krakau  S.   33.  35ff. ;  Le- 
vvicki  II,  S.  416 — 418,  421 — 422;  vgl.  Ulianicki  S.   124 — 125. 

3)  Vgl.  auch  „Dipl.  Rag."  S.  653—654,  Nr.  404—405. 


Bajesids  II.  Reichspolitik  an  der  Donau.  373 

Mit  den  Truppen  verschiedener  Palatine  und  den  von  ihrem 
Meister  geführten  Deutschherren  —  die  nicht  nur  eine  Vasallen- 
pflicht gegen  Ungarn,  sondern  auch  eine  höhere  gegen  die 
Christenheit  zu  erfüllen  glaubten  —  erschien  Johann  Albrecht 
Anfang  Juni  1497  in  der  Moldau,  deren  Fürst  noch  nicht  klar 
sah ,  was  der  ausposaunte  Feldzug  für  ihn  und  sein  Land  be- 
deuten solle;  er  war  nach  Vasluiü  in  der  südlichen  Moldau  ge- 
gangen, um  nach  Ankunft  der  Polen  in  das  neue  türkische  Ge- 
biet an  der  unteren  Donau  einfallen  zu  können.  Bald  aber  ver- 
nahm er,  dafs  seine  Alliierten  nicht  den  östlichen  Weg  nach 
den  beiden  Häfen ,  sondern  den  nach  Suceava  eingeschlagen 
hatten.  Stephan  verliefs  seine  Hauptstadt  und  ging  nach  Ro- 
man, um  hier  ein  neues  Heer  zu  sammeln.  Die  Polen  ver- 
mochten das  starke  Schlofs ,  das  Suceava  überragte ,  nicht  ein- 
zunehmen und  entschlossen  sich  nach  vielen  vergeblichen  An- 
strengungen, als  der  Mangel  an  Lebensmitteln  dem  Heere 
empfindlich  zu  werden  begann  und  der  Herbst  nahte  (Oktober), 
zum  Rückzuge.  Trotzdem  dieser  durch  ein  Übereinkommen  mit 
dem  siebenbürgischen  Woiwoden  und  Mittelsmann  gesichert  zu 
sein  schien,  wurden  die  Polen,  die  auf  ihrem  eiligen  Marsche 
das  Land  übel  mitnahmen  und  eine  andere  Route  als  die  ihnen 
von  Stephan  vorgezeichnete  wählten,  von  den  Moldauern  an- 
gefallen und  erlitten  in  den  Wäldern  der  heutigen  Bukowina 
eine  furchtbare  Niederlage;  kaum  gelang  es  dem  kranken  König, 
mit  einem  Teile  seines  Hofes  und  einigen  abgesonderten  Ab- 
teilungen des  Heeres  in  sein  Reich  hineinzukommen.  Am  12.  No- 
vember war  der  Besiegte  in  Lemberg  *). 

Auf  diese  Ereignisse  hin  gab  Stephan,  der  schon  1497 
2000  Türken  benutzt  hatte,  den  Donaubegs,  wie  sie  es  seit 
langem  verlangten,  den  Weg  nach  Osten  frei.  Die  Sandschaks 
von  Kili  und  Akkerman  erschienen  im  Mai  1498  sogar  vor 
Lemberg,  natürlich  ohne  die  sehr  starke  Stadt  selbst  anzugreifen^). 


i)  Erzählung  in  Wapowski,  Scriptores  rer.  polonicarum  II,  S.  2i2ff. ; 
moldauische  Landeschronik;  Berichte  des  Deutschen  Ordens  in  „Chilia  §i  Cetatea- 
Albä"   S.   303  ff.     Vgl.   „Istoria  lul  Stefan-cel-Mare"   S.    23off. 

2)  Wapowski  S.  33;  Miechowski  S.  262;  moldauische  Chronik;  „Acte 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  18 


374  Zweites  Buch.     Drittes  Kapitel. 

Stephan  folgte  ihnen  und  suchte  die  benachbarten  Grenzbezirke 
plündernd  heim.  Als  dritte  feindliche  Macht  tauchten  dann,  im 
Juli  noch,  die  Tataren  auf  und  durcheilten  Podolien  mit  wilder 
Grausamkeit.  Im  November  stellten  sich  die  Akindschis  Bali- 
hegs  ein  und  drangen  in  der  Richtung  von  Halitsch  vor;  erst 
der  harte  Winter  zwang  sie  zum  Rückzuge ,  der  äufserste  An- 
strengungen kostete  und  dem  eingefallenen  Heere  grofse  Ver- 
luste zufügte;  auch  Stephan  machte  sich  diese  schwierigen  Um- 
stände zunutze  und  liefs  es  heimlich  überfallen  und  züchtigen. 
Der  König  hatte  zwar  einige  Truppen  zusammengebracht,  war 
aber  der  Schnelligkeit  und  Kühnheit  der  leichten  Reiterei 
gegenüber,  die  eine  in  vielen  Quellen  zu  schmerzlichem  Aus- 
druck gelangende  grausige  Erinnerung  zurückliefsen,  ohnmächtig. 
Sein  Gesandter  an  den  Reichstag  von  Freiburg  hatte  vergebens 
die  Hilfe  der  westlichen  Christen  angerufen ').  Erst  als  der  König 
alle  Bedenken  seines  Stolzes  beiseite  setzte  und  am  19.  April  1499 
sich  mit  Stephan  wie  mit  einem  seinesgleichen  verständigte, 
schlössen  die  Moldauer  weiteren  türkischen  Einfällen  Tür  und  Tor. 
Die  türkischen  Festungen  wurden  nun  von  ihm  beunruhigt; 
Stephan  liefs  die  Gesandten,  die  einen  Teil  des  Tributs  im  voraus 
verlangten,  verstümmeln.  Moldauische  Unterhändler  gingen  nach 
Ofen  und  sogar  Venedig,  um  einen  neuen  Türkenkrieg  anzuregen. 
Aber  nirgends  fanden  sie  einen  ernsten  Willen  zum  Beistand,  und 
so  machte  der  moldauische  Fürst  bereits  1501  seinen  Frieden  mit 
dem  osmanischen  Kaiser^).  1503  erneuerte  zugleich  mit  dem 
ungarischen  auch  der  polnische  König  den  Waffenstillstand  für 
sieben  Jahre,  und  das  Schreiben  des  Sultans  wurde  ihm  von  Sinan- 
beg,  dem  Vetter  des  Hersek-Pascha,  mit  einem  grofsen  Gefolge 
von  Türken  in  goldener  und  seidener  Tracht  auf  dem  Wege 
über  Suceava    zugestellt  ^).      Die    Stellung   der    beiden   rumäni- 


§i    fragmente"    IIP,    S.    66  ff. ;    „Archiv    für    österr.    Gesch."    XLIX,    S.    299  ff, ; 
„Chilia  ^i  Cetatea-Alba"  S.  294,  Nr.  xxn. 
i)  „Acte  $i  fragmente"  IIP,  S.  66 ff. 

2)  Sanudo,  Diarii  III,  S.  288,  567,  635,  684,  879,  927,  II63,  1 1 78, 
1453,  1465,  1468,  1478 — 1479,  1550,  besonders  aber  S.  1627  — 1628;  dann  IV, 
S.   105,   248. 

3)  Ebenda  S.  804—806;   V,  S.  450,  464;  vgl.  „Chilia  ?i  Cetatea-Albä"  S.  176. 


Bajesids  II.   Reichspolitik  an   der  Donau.  275 

sehen  Fürsten  als  Tributäre  der  Pforte  —  Radu ,  der  aufserdem 
in  jedem  dritten  Jahre  nach  Konstantinopel  kommen  sollte,  um 
seine  Ernennimg"  erneuern  zu  lassen,  zahlte  8000,  Stephan  nur 
4000  Dukaten  ^)  —  wurde  in  den  Verträgen  von  Ungarn  sowohl 
wie  von  Polen,  die  bisher  bei  jeder  Gelegenheit  von  ihren  alten 
unantastbaren  Rechten  gesprochen  hatten,  feierlich  anerkannt. 

Nach  einem  Jahre,  am  2.  Juli  1504,  starb  der  Mann,  der 
als  tapferer  Kämpfer  wie  kluger  Politiker,  die  Ausdehnung  der 
Türken  in  den  östlichen  Donaugebieten  zu  verhindern  imstande 
war.  Nach  dem  Tode  Stephans  hatte  sein  schwacher  Sohn  Bog- 
dan gegen  die  Polen,  die  ihm  Pokutien  und  die  Hand  einer 
königlichen  Prinzessin  vorenthielten ,  Krieg-  zu  führen.  Freilich 
fehlten  auch  auf  türkischer  Seite  Männer  vom  Schlage  eines  Ali 
und  Skender  Michalogli  und  Balibeg  als  Führer  in  der  Donau- 
landschaft. Darum  herrschte  bis  zum  Kampfe  des  Prinzen  Selim 
um  die  Nachfolge  des  Vaters  (15 10)  Ruhe  an  der  unteren 
Donau. 

In  die  Gebiete  südlich  von  Serbien  und  Bosnien ,  in  das 
Cherzechland,  das  Schwarze  Gebirge  des  Tschrnojewitsch  und 
nach  Albanien  führt  uns  ein  anderes  Kapitel  der  Entwicklung 
des  osmanischen  Reiches,  das  mit  einem  letzten  über  die  moreo- 
tischen  Verhältnisse  und  Ereignisse  in  engerer  Verbindung  steht. 

Der  Vertrag  zwischen  Ungarn  und  den  Türken  in  S  a  n  u  d  o ,  z.  J. ;  vgl.  auch 
Hurmuzaki  II \  S.  20 — 23.  Für  den  zwischen  Polen  und  den  Türken  ge- 
schlossenen Frieden  siehe  Rykaczewski,  Inventarium,  S.   144. 

i)  Sanudo  V,  S.  464.  Nach  Miedzilecki,  dessen  Äufserung  aber  in  das 
Jahr  15 14  betrifft,  hätte  Stephan  8000  Dukaten  bezahlt;  „Acta  Tomiciana"  III, 
S.   170 — 171. 


18^ 


Viertes  Kapitel. 

Die  Türken  in  Albanien,  den  umliegenden  slawischen 
Ländern  und  in  Morea  unter  Sultan  Bajesid  II. 


Bei  der  Nachricht  vom  Tode  seines  Herrn,  des  zweiten  Mo- 
hammed, hatte  Gedik  Ahmed,  der  Führer  der  Türken  in  Al- 
banien, seine  Residenz  verlassen  und  sich  nach  Konstantinopel  be- 
geben, wo  er,  uneingedenk  früherer  Kränkungen,  einer  der  Wesire 
Bajesids  II.  wurde.  Damals  wurde ,  und  zwar  schon  seit  dem 
lo.  September  1480,  Otranto  von  Prinz  Alfonso,  der  über  9000 
Neapolitaner,  einige  Ungarn,  unter  Magyar  Baläzs,  und  Florentiner 
verfügte,  belagert,  während  neapolitanische,  päpstliche,  spanisch- 
portugiesische und  vom  Papste  besoldete  genuesische  Schiffe 
den  Hafen  blockierten.  Da  in  Albanien  ein  fähiger  Sandschak 
nicht    vorhanden   war,    konnte    der  zurzeit  kommandierende  Beg 

—  angeblich  der  Sandschak  von  Negroponte  —  den  Widerstand 
nur  bis  in  den  Herbst  hinein  verlängern;  am  10.  August  1481  ^) 
mufste    er    sich   ergeben^);    von    seiner   geringen  Truppenmacht 

—  sie  zählte  2050  Mann  ^)  —  übernahm  Alfonso,  den  verein- 
barten Bedingungen  zuwider,  500  Türken  in  seinen  Sold,  die 
auch  später  noch  unter  seiner  christlichen  Fahne  kämpften.  Den 
Sieg  auszunutzen  und  gegen  Avlona  vorzugehen  war  der  vor- 
gerückten Jahreszeit  wegen  unmöglich. 


1)  Nach  Giannone  (s.  unten)  S.  230, 

2)  Brief  des  Alfonso,  11,  September,  im  „Diarium  romanum"  des  Jacobus 
Volaterranus ;  s.  auch  J.  Albinus,  De  bello  hydruntino ,  bei  Giannone,  Ist. 
civile  del  regno  di  Napoli  V,  S.  2290".    Vgl.  auch  Summonte,  St.  di  Napoli  z.  J. 

3)  Ragusanische  unedierte  Chronik. 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid  II.  377 

Gleich  nach  der  endgültig-en  Einsetzung  Bajesids  wurden  aber 
Mafsreg-eln  getroffen,  um  auch  hier  die  letzten  Spuren  der  christ- 
lichen Herrschaft  zu  beseitigen.  Der  ungarische  König  kündigte 
148 1  einen  Zug  zur  Ausdehnung  seines  Gebietes  in  der  Herzego- 
wina an,  aber  Anfang  1482  annektierten  die  Osmanen  unter  Ajas- 
Pascha  Novi,  das  dem  Cherzech  Wlatko  gehört  hatte  und  von 
diesem  neuerdings  den  Ungarn  abgetreten  worden  war  ').  Später 
belagerten  die  Türken  auch  das  in  der  Nähe  gelegene  Schlofs 
Chos.  Nach  dem  Tode  des  Königs  Matthias  traten  die  Türken 
auch  in  das  reiche  Narenta  ein  ^),  so  dafs  sie  nun  die  berühmte 
Fiumara  Narentas,  ,, worin  die  ganze  Flottille  der  Welt  Raum 
finden  konnte"  ^),  besafsen. 

Mehr  als  einmal  fürchtete  Ragusa  für  sein  Schicksal  selbst. 
Seit  1471,  als  die  ihm  gehörige  Landschaft  Canale  somit  auch 
geplündert  worden  war,  zahlte  es  den  Türken  8000,  dann  auch 
loooo,  13000(1476,1479),  15000  Dukaten  jährlichen  Kharadsch^), 
so  meisterhaft  es  mit  Sandschaks  und  Wesiren  umzugehen 
wufste  ^).  1474  legte  man  an  der  Porta  Pile  die  früheren  hohen 
und  starken  Befestigungen  und  neue  Gräben  aus  Furcht  vor  dem 
Sultan  an.  Bei  der  letzten  Erhöhung  des  von  ihr  entrichteten 
Tributs  hatte  die  kleine  Republik  das  Recht  des  ausschliefslichen 
Salzverkaufs  in  Novi,  Risano  und  Narenta  erhalten  ^).  Bajesid  hatte 
übrigens  bei  seiner  Thronbesteigung  auf  die  5  000  Dukaten  vom 
Tribute,  die  für  das  ,,Land  Iwans"  bezahlt  worden  waren,  verzichtet 

i)  „Dipl.  Rag."  S.  809:  „Ad  levandura  Hungaros  quos  ipse  Aias-Bassa 
scribit  sibi  dedisse  Castellum  Novum."  Vgl.  auch  Angiolello,  Pariser  Hand- 
schrift, fol.   76  yo. 

2)  Angiolello,  fol.   78  vo. 

3)  „Nella  quäl  fiumara  si  potria  tener  tutta  I'armata  del  mondo."     Ebenda. 

4)  Siehe  die  schon  zitierte  ragusanische  Chronik:  „Anno  1471  ,  adi  23  feb- 
braio,  li  Turchi  depredorno  Canali,  et  questo  perche  non  volevano  pagare  li 
Ragusei  il  tributto  piü  di  duccati  dua  mille  et,  doppo  fatto  il  danno,  pagorno 
anco  li  ducati  3000  al  compimento  delli  ducati  500,  et  fuUi  anco  gionto  di 
pagare  per  avante  altri  ducati  3000  de  harrazzo,  che  furno  in  tutto  ducati  8000.'' 
Siehe  auch  die  Chronik  von  Resti  und  Gondola  in  „Mon.  Slavorura  Meri- 
dionalium"  und  die  des  Luccari. 

5)  „Dipl.  Rag."  S.   810,  811,  820. 

6)  Aber  unter  der  Bedingung  „che  d'ogni  uso  dia  la  meta  del  rittrato  al 
Turco";   ebenda. 


378  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

und  die  Summe  auf  12500  Dukaten  festg-esetzt ;  auch  sollten  die 
Bürg-er  der  bevorzugten  Stadt  nur  einen  Zoll  von  ^  aufs  Hundert 
entrichten  ^),  während  sonst  die  Fremden  in  Konstantinopel  5  Pro- 
zent und  in  Brussa  und  Adrianopel  3  Prozent  zahlten;  auch 
wurde  den  Ragusanern  gestattet,  überall  im  Reiche  ohne  be- 
sondere Pässe  Handel  zu  treiben  '^). 

Avlona  am  Voiussaflusse  blieb  wie  in  den  letzten  Jahren 
Mohammeds  ein  Krieg-shafen  und  Sammelort  der  osmanischen 
Flotte.  Dorthin  begaben  sich  im  Juni  148 1  die  Schifte  des 
neuen  Sultans,  ohne  sich  indes  um  die  Rettung  Otrantos  zu  be- 
mühen ^).  Als  Sandschak  wurde  bald  darauf  einer  der  Schwieger- 
söhne des  Sultans,  Sinan-beg,  hingeschickt,  der  während  der  al- 
banischen Empörung    in  den  Jahren   1485 — 86  daselbst  weilte*). 

Die  Anwesenheit  eines  hervorragenden  hohen  Offiziers  wurde 
nicht  nur  durch  den  Wunsch,  in  diesem  dritten  Arsenale  des 
Reiches,  das  wenig  hinter  denen  in  Gallipolis  und  Nikomedien 
zurückstand,  eine  Flotte  auszurüsten,  sondern  auch  durch  die  un- 
aufhörlichen Unruhen  unter  den  unbändigen  Albanesen  gerecht- 
fertigt. In  ihren  engen  Tälern,  auf  den  Abhängen  des  Gebirges 
führten  sie  als  Bewohner  zahlreicher,  weit  voneinander  entfernter 
Hirtendörfer  oder  Katuns  ^)  ein  beinahe  unabhängiges  Leben  und 
wollten  wenig  davon  wissen,  dafs  ihr  Land  nunmehr  ein  Bestand- 
teil eines  mächtigen,  einheitlichen  und  fest  organisierten  Reiches 
sei.  Lokale  Fehden  und  Privatrache  beherrschten  wie  früher 
das  Interesse    der  tapferen,   jeder  Ordnung    unzugänglichen    Be- 


1)  Ebenda:  „Et  pagino  per  dazio   del  paese  mezo  per   loo." 

2)  Dabei  erscheint  die  Klausel:  ,,Essi  troverapno  appaltatori  che  daranno 
300000  aspri  di  appalto,  quali  appaltatori  essi  troveranno  con  buona  et  sicura 
pieggiaria,  affine  che  non  si  perdi  cosa  alcuna,  e  consignaranno  ogni  sei  mesi 
50000  aspri  al  hasnä  reggio,  con  questo  perö  che  non  s'ingerischi  trä  essi  emino, 
nemeno  solicitador  delli  defterdari";  ebenda. 

3)  Sathas  VI,  S.   167. 

4)  Magno  in  Sathas  VI,  S.   236—237. 

5)  Siehe  den  venezianischen  Bericht  in  der  Handschrift  X,  G.  37,  der  Biblio- 
thek zu  Neapel  fol.  if,gS.:  „Governano  a  communi,  quasi  come  fanno  Svizzeri, 
allegando  nelle  congregationi  loro,  chiamate  in  quelle  linga  sborzi  (slawisch :  sbor), 
li  giudici   quali  giudicano   le  cause  civili  et  criminali." 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid  11.  379 

völkerung.  Wie  heute  noch ,  mufste  sich  jeder  einzelne  und 
jede  Gemeinde,  um  sich  einiger  Sicherheit  zu  erfreuen,  von  den 
Freischützen  der  Wälder,  der  Anhöhen  und  der  Schluchten 
Schonung-  erkaufen  und  ihnen  in  ihr  Versteck  oder  nach  dem 
von  ihnen  bezeichneten  Platze  Geld  und  allerlei  andere  Abgaben 
zu  ihrem  Unterhalt  zusenden  ^).  Selbst  aus  feindlichem  Gebiete, 
vom  türkischen  Albanien  her,  gelangten  Zahlungen  und  Zehnte 
des  freien  bewaffneten  Mannes  an  sie  ^).  Bei  den  Türken  selbst 
fanden  sie  bisweilen  Absatz  für  ihre  geraubten  Herden  und 
anderen  Gewinn  ^).  Die  osmanischen  Befehlshaber  waren  zu- 
frieden, wenn  sie,  ohne  den  Kharadsch  regelmäfsig  zu  ent- 
richten —  doch  waren  natürlich  die,  die  zum  Islam  übergetreten 
waren ,  dieser  Verpflichtung  überhoben  — ,  sich  als  Untertanen 
der  Pforte  bekannten  und  die  Handelswege  unbehelligt  liefsen  ^). 
Denn  überall,  wo  sie  mit  dem  widersetzlichen,  unbändigen  Volke 
in  Berührung  kamen,  hatten  sie  Anlafs,  über  die  ,, händelsüch- 
tigen" und  ,, unverständigen"  Freunde  der  Zwietracht  und  Feinde 
der  Ruhe  und  friedlichen  Zusammenlebens  ,, Klage  zu  führen"  ^). 
Die  Worte  gelten  eigentlich  den  moreotischen  Stratioten ,  aber 
die  Charakteristik  pafst  auf  das  ganze  Albanesentum  der  Zeit 
und  auch  des  folgenden  Jahrhunderts.  Sie  bewunderten  nichts- 
destoweniger ihre  unvergleichliche,  staunenerregende  Tapferkeit, 
und  unter  Umständen  waren  Begs  und  Sandschaks  gern  bereit, 
den  Glücksrittern  und  Helden  die  gegen  die  türkische  Habe  und 
das  osmanische  Reich  verübten  Freveltaten  grofsmütig  zu  ver- 
zeihen ^). 


i)  „Noviter",  schreibt  ein  moreotischer  Offizier  von  den  in  Morea  ansässigen 
und  auch  dort  nach  ritterlicher  Art  lebenden  Albaniern,  „ha  usado  (die  Rebellen) 
metter  et  farse  dar  taglie  et  tributo  a  le  catune  et  casali  de'  Turchi  per  non  li 
corsezar";   Sathas   VI,   S.    175. 

2)  Vgl.  ebenda  S.   180.  3)  Ebenda  S.   187. 

4)  Laskaris  a.  a.   O. 

5)  „Zente  volubile  . .  .,  zente  de  scandalosa  natura,  amici  de  le  discordie  et 
inimitii  de  la  quiete  et  pacifico  vivere ;  zente  disordinata  et  de  pocha  obedientia." 
Sathas  VI,  S.   149,   154;  vgl.  S.   120,   178. 

6)  Sathas  VI,  S.  190;  vgl.  auch  die  von  Bischof  Alexius  von  Gallipoli  in 
Italien,  einem  iloreoten ,  gegen  1500  gegebene  Beschreibung:  „Graeca  quoque 
lingua,  perbarbare  tarnen  utuntur   ...  Turcorum  nemini,    nedum  generi  semper  in- 


380  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Der  Kleinkrieg'  g-efährdete  jedenfalls  die  türkische  Herrschaft 
in  dem  endgültig  unterworfenen  albanesischen  Gebiete  nicht. 
Denn  Venedig  war  nicht  mehr  wie  in  den  Tagen  Skanderbegs 
geneigt,  mit  Hilfe  einiger  bedeutender  ihm  ergebener  Familien 
das  Feuer  eines  Aufruhrs  anzuschüren.  Im  Gegenteil  war  es 
zufrieden,  endlich  auch  seinerseits  keinen  Angriff  dieser  gefähr- 
lichsten Feinde  gewärtigen  zu  müssen.  Es  hatte  nach  dem  Ver- 
trage von  1479  nur  drei  Plätze  am  Meere  behalten,  und  diese, 
Dulcigno,  Antivari  und  Budua,  und  weiter  südlich  Cattaro,  durch 
gute  Fläfen,  starke  Schlösser  und  den  Reichtum  des  umliegen- 
den Gebietes  an  Korn  und  Ol  bedeutend,  gehörten  nicht,  wie  die 
jetzt  in  türkischem  Besitz  befindlichen  Durazzo,  Alessio ,  Kroja, 
Skutari,  Zabliak,  Dagno,  Satti,  Berat,  Pulad,  die  gleichfalls  den 
Eroberern  anheimgefallen  waren ,  zum  eigentlichen  Albanien, 
sondern  zur  Zenta  der  Balschiden,  dem  slawischen  Territorium  des 
südwestlichen  Serbiens.  Nur  die  Markowitsch  in  Antivari  und 
die  Pastrowitsch  bei  Budua  waren  als  die  allertreuesten  aller  al- 
banesischen Clans  unter  der  Obhut  und  als  Stratioten  im  Dienste 
der  Republik  geblieben.  Der  am  meisten  benutzte  Handelsweg 
der  Venezianer,  der  Dulcigno  mit  Küstendil,  der  ,,Konstantins- 
banje"  verband,  trat  gleich  nach  dem  Übergang  über  die  Bojana 
auf  türkisches  Gebiet  über,  und  schon  S.  Serzi  war  von  den  Os- 
manen  besetzt  '). 

Anders  verhielt  es  sich  allerdings  mit  den  aufstrebenden 
aragonischen  Machthabern  in  Neapel  und  Sizilien.  Sie  standen 
unter  dem  Banne  des  alten  Traums  aller  süditalienischen  Dynasten, 
das  gegenüberliegende  Ufer  der  Balkanhalbinsel  mit  ihren  Be- 
sitzungen zu  vereinigen,  und  wollten  aufserdem  Rache  für  den 
Fall  von  Otranto  üben.  Seit  der  Zeit  König  Alfonsos  des  Grofs- 
herzigen  standen  sie  in  engen  Beziehungen  zu  hervorragenden 
Albaniern.    Skanderbegs  Sohn,  Giovanni,  ,,lo  ill.  Joan  Castrioto", 


fensi  . .  . ,  altero  vel  tertio  quoque  anno  ab  eis  deficiunt  .  .  .  Mori  pro  iubilo  esti- 
mant,  modo  sibi  fiat  copia  Turcoruni  sanguinis  satiatis  animam  efflare";  Lauren- 
tiana,  Leop.-Gadd.,  Nr.  cxxx. 

i)  Siehe  die  in  der  Handschrift  X,  F.  41,  fol.   160,  gegebene  Marschroute. 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid  II.  28  t 

f  fand  Zuflucht  bei  ihnen  und  hatte  später,  1484,  Händel  mit  der 
[  Stadt  Manfredonia  ').  Schon  1481  wurde  Giovanni  mit  einigen 
Truppen,  vor  allem  aber  mit  den  Stratioten  des  Hauptmanns  Chry- 
soskolos  Klada,  der,  wie  bereits  erwähnt,  in  den  Jahren  1480 
und  148 1  den  Türken  um  Nauplion  und  Argos,  durch  einen 
Theodor  Bua  und  andere  unterstützt,  manchen  Schaden  zu- 
gefügt hatte,  von  Neapel  nach  Durazzo  geschickt.  Klada 
hatte  sich ,  als  seine  Gefährten  wieder  in  venezianischen  Dienst 
traten,  was  ihm  selbst  der  nun  an  seinem  Namen  haftende 
Hafs  nicht  erlaubte,  nach  Neapel  geflüchtet,  wo  viele  seines 
Stammes  Aufenthalt  und  Sold  gefunden  hatten  ^).  Nun  be- 
gleitete er  mit  seinen  ,,Kladioten"  den  Sohn  des  gröfsten 
Helden  Albaniens.  Unter  Kroja  kam  es  zu  Kämpfen,  doch 
konnten  die  leichten  Scharen  der  Albanesen  die  starke  Feste 
nicht  einnehmen.  Dann  wurde  der  Krieg  weiter  nach  Süden 
verlegt.  Es  gelang  Klada,  die  am  Meeresufer  gelegene  un- 
gewöhnlich starke  Burg  Chimära,  die  von  allen  Seiten  von 
hohen  Felsen  umgeben  war,  zu  überrumpeln  2).  Auch  das  be- 
nachbarte Sopoto  wurde  von  den  im  Dienste  König  Ferdinands 
stehenden,  mit  Bogen,  krummem  Schwerte  und  einem  Wamse 
bewafineten  Stratioten  eingenommen  ^).  Der  Befehlshaber  in  Avlona 
konnte  dem  beweglichen  Feinde  nicht  widerstehen ;  er  fiel  zuletzt 
in  die  Hände  der  Kladioten,  die  vom  Könige  nicht  weniger  als 
4000  Dukaten  für  ihn  erhielten.  Gleichzeitig  streifte  der  könig- 
liche Admiral  Villamarina  im  Archipelagus  umher  und  ging  bis 
unter  Palatscha,  dessen  Verteidiger  durch  das  Aufheifsen  einer 
Fahne  mit  dem  San-Marco-Löwen  getäuscht  wurden  ^). 

Hierauf    beschränkten     sich     aber     auch    von    aragonischer 


1)  Archiv  von  Neapel,   „Sumraario  Privil."   21,   fol.    159  vo  bis    160. 

2)  Sathas  VI,  S.   200. 

3)  Vgl.  die  Besciireibung  des  Bischofs  von  Gallipoli,  a.  a.  O. :  „Castellum 
quondam  id  erat,  nunc  locum  sie  vocitant,  praealtis  atque  asperis  montibus  circum- 
clusum,  imo  dumtaxat  a  fronte  aditu,  eoque  perangusto,  patentem,  a  tergo  supero 
illic  desinente  mari  et  horrendis  cautibus  septum ,  Epiri  montibus  inde  inci- 
pientibus." 

4)  Sathas  VI,   S.   229 — 230 ;  venezianische   Chronik  F.   33,   fol.    132. 

5)  Ebenda  S.    230. 


383  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Seite  die  Feindselig-keiten,  und  die  Türken  befolgten,  wie  an  den 
anderen  Grenzen ,  die  Politik  der  Geduld  und  der  Verzeihung 
aller  Angriffe.  Noch  1483  gab  der  König  von  Neapel  dem  in 
Otranto  gefangengenommenen  Pascha  ^)  die  Freiheit  zurück  und 
liefs  durch  einen  eigenen  Gesandten ,  der  ihn  und  andere 
freigelassene  Türken  begleitete,  Friedensverhandlungen  anknüp- 
fen ^).  Das  1484  verbreitete  Gerücht,  dafs  die  osmanische  Flotte 
von  Avlona  gegen  das  Reich  Neapel  vorgehen  werde,  erwies 
sich  als  unbegründet:  in  diesem  Jahre  war  der  Sultan  mit  der 
Einnahme  der  moldauischen  Häfen  beschäftigt  ^).  Erst  i486 
wurden  wirklich  Bewegungen  der  albanischen  Türken  wahger- 
nommen ;  der  neue  Sandschak  von  Avlona ,  Sinan ,  ging  im 
Herbste  (November)  gegen  die  einheimischen  Aufständischen  vor. 
Man  sprach  sogar  von  einem  Zuge  des  rumelischen  Beglerbegs  und 
des  Sultans  selbst  *).  Eben  damals  hatte  ein  Kondottiere,  Buccolino 
Gozono,  Osimo  besetzt,  und  da  er  fürchtete,  aus  dem  eroberten 
Platze  wieder  verjagt  zu  werden ,  wandte  er  sich  mit  dem  An- 
erbieten an  die  Türken  in  Albanien,  die  ganze  Mark  Ancona  mit 
lOOOO  Kriegern  einzunehmen  und  ihnen  so  zu  ermöglichen, 
besser  als  in  Otranto ,  Lecce  oder  Brindisi ,  Fufs  in  Italien  zu 
fassen.  Die  mit  dem  Sandschak  von  Skutari  geführten  Unter- 
handlungen wurden  entdeckt  und  riefen  eine  allgemeine  Be- 
fremdung, Entrüstung  und  Furcht  hervor,  obgleich  es  mehr  als 
zweifelhaft  erscheinen  mufs ,  ob  der  Sandschak  auf  den  gefähr- 
lichen Vorschlag  eines  Abenteurers  eingegangen  wäre  •'').  Etwas 
später,  1488 — 89  erschienen  die  Türken  Avlonas,  wenn  auch  nur 
700  an  der  Zahl,  auf  dem  italienischen  Ufer  und  raubten  in  der 
Nähe  der  Madonna  di  Pesaro ;  Ancona,  dessen  Mauern  zu  einem 
Drittel  zerstört  waren,  fürchtete  für  seine  Sicherheit'')  und  säumte  ß 
nicht,  an  den  Sandschak  und  Kadi  von  Avlona  Bittgesuche  und 


l)  „Bassa  Eunucho."  2)  März.     Sathas  VI,  S.   213. 

3)  „Monuraenta  Vaticana"  a.  a.  O.,  S.   223. 

4)  Magno   in   Sathas  VI,   S.   236 — 237. 

5)  Vgl.    „Mon.  Hung.  Hist."  VII,    S.   366;    cod.  lat.  monac.  461,    fol.    163; 
Lamansky,  Secrets  d'Etat  de  Venise,  Petersburg  1884,  S.  230 — 232;  Thuasne 

S.  335- 

6)  „Procul  dubio   disfaceva  questo   populo." 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid  II.  283 

Geschenke  zu  schicken  ^).  In  einer  einzigen  Nacht,  erklärten  1493 
die  Bürger,  könne  eine  türkische  Truppenmacht  von  Avlona  zu 
ihnen  gelangen  ^). 

Gleichzeitig  fanden  in  den  Jahren  148 1  bis  1485  verschiedene 
Kämpfe  zwischen  Johann ,  dem  Sohne  des  Stephan  Tschrnoje- 
witsch,  den  die  Türken  Iwan-beg  nannten  —  folglich  hiefs  sein 
Land  die  Ivanbegovina  (vgl.  Cherzech-Cherzegewina)  — ,  und  den 
Türken  des  unteren  Bosniens  und  des  nördlichen  Albaniens 
statt.  148 1  soll  Johann  Subljak  erobert  haben,  um  es  bald 
wieder  zu  verlieren;  die  eingedrungenen  Osmanen  aber  sollen 
nach  denselben  späten  und  unsicheren  Quellen,  die  —  in  Über- 
einstimmung mit  der  montenegrinischen  Sage  über  die  Tochter 
des  Dogen  von  Venedig  die  mit  dem  jungen  Maxim  Tschrnoje- 
witsch  verheiratet  werden  würde  und  dem  kleinen  Lande  des 
Tschrnagora  Unheil  gebracht  hätte,  — ■  1483  aus  dem  Lande, 
dem  letzten  Überreste  des  einst  mächtigen  Fürstentums  der  Zenta, 
wieder  verjagt  worden  sein.  Schliefslich  verliefs  Tschrnoje witsch 
Podgoritza  und  zog  sich  in  sein  starkes  Schlofs  Cetinje  zurück, 
wo  er  wie  eingeschlossen  lebte.  Von  hier  schenkte  er  einem  von 
ihm  gestifteten  Kloster  Anfang   1485   Ländereien  ^). 

Die  osmanische  Offensive  begann  in  diesem  westlichen  Ge- 
biet erst  1490,  als  der  Sultan  selbst  sich  nach  Usküb  begab, 
ohne  jedoch  weiter  als  bis  Monastir  (Bitolia)  vorzudringen.  Iwan- 
beg,  der  ,, Wegelagerer  *)  und  Mörder",  verlor  alles;  nur  sein  Ge- 
birgsnest  verblieb  ihm ;  sein  kleines  Land  wurde  von  Kennern 
der  Gebirgspässe  und  des  in  den  Pindusschluchten  üblichen 
Kleinkrieges  verheert.  Vergebens  wagte  sich,  als  Mechdi  oder 
neue  Verkörperung  des  Propheten  verkleidet,  einer  der  Seinen 
ins  Lager  Bajesids,    um   Milosch'  Rachetat   gegen    diesen  Nach- 


i)  „Sanzacho-bei  et  cathy,   capitaneo  ominum  Valone  et  totius  eius  districtus", 
Archiv  von  Ancona,  „Commissioni  e  lettere"    1482 — 1494,   fol.   5°  ff* 

2)  Ebenda  z.  J. ;    auch    „Cons."    1493,   fo^-    ^   vo:    Bittgesuch    an    den  Sultan 
um  Ausübung  freien   Handels. 

3)  Hopf  II,  S.   164;  Miklosich,  Mon.  serbica,  S.  530. 

4)  „Stradarolo    assassino";    Gritti    in  Alböri    a.   a.   O.    S.    22.     Vgl.    die 
schon  erwähnte  Arbeit  Miklosichs  über  die  Familie  Tschrnojewitsch. 


384:  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

folger  Murads  zu  wiederholen  ;  zwar  flüchteten  die  Tschauschen 
vor  dem  drohenden  Schwerte  des  Mörders,  aber  Iskender-Pascha 
deckte  seinen  Herrn  mit  dem  Leibe  und  zerschmetterte  dem 
falschen  Mechdi  mit  dem  eisernen  Busdugan  den  Schädel  ').  Die 
Neapolitaner  verloren  Chimära  und  Sopoto  und  fürchteten  einen 
neuen  Angriff  auf  ihre  italienische  Küste ;  und  nur  die  Erkran- 
kung Bajesids  (im  September)  verhinderte ,  nach  der  Meinung 
Eingeweihter,  das  Weitergreifen  des  Krieges  in  dieser  Richtung  ^). 
Auch  die  Venezianer  waren  um  ihre  grofse  Insel  Korfu  besorgt, 
und  Mafsregeln  wurden  auch  getroffen,  um  einen  türkischen  An- 
griff zu  verhindern  ^).  Viele  Albanesen  und  ,,Schiavoni"  be- 
gaben sich  in  das  Reich  Neapel,  wo  sie  manche  Privilegien  ge- 
nossen, die  sich  für  die  königlichen  Finanzen  bald  als  nachteilig 
erwiesen  ^). 

Als  Karl  VIII.  von  Frankreich  sich  vier  Jahre  darauf  gegen 
Neapel  w^andte  und  das  Reich  eroberte,  sahen  die  Türken  einem 
neuen  Angriff  von  den  süditalienischem  Landschaften  aus,  aber 
diesmal  mit  einem  Heere  und  unter  einem  Führer,  die  sich  den 
Neapolitanern  und  Venezianern  weit  überlegen  zeigten,  entgegen, 
und  die  Nachricht,  dafs  der  französische  König  von  Neapel  sich 
zur  Überfahrt  nach  Durazzo  rüste,  um  Konstantinopel  und,  wenn 
möglich,  auch  die  heilige  Stadt  Jerusalem  einzunehmen  und  sich 
zum  Nachfolger  Balduins  von  Flandern  und  Gottfrieds  von 
Bouillon  krönen  zu  lassen,  brachte  in  den  höheren  Kreisen  der 
Osmanen  allgemeine  Verwirrung  hervor  ^).  Der  Erbe  Moreas  **) 
hatte  seine  Rechte  an  den  grofsen  König  des  Westens  verkauft; 
jetzt  erschien  auch  der  Bischof  Martin  von  Durazzo,  von  Geburt 


i)  Leunclavius  Sp.  604 — 606.  Iwan  begab  sich  dann  nach  Venedig, 
welches  die  Türken  gegen  die  Republik  reizte  (Angiolello,  Pariser  Handschrift 
fol.  92). 

2)  Sathas  VI,  S.   238 — 239. 

3)  Ebenda.     Vgl.  die  Notizen  in  Angiolellos  Pariser  Handschrift  fol.   79. 

4)  Archiv  von  Neapel  XXIII,  A.  n. 

5)  Siehe  auch  „Dipl.  Rag.",  S.  657. 

6)  Siehe  auch  oben,  erstes  Kapitel.  Noch  1496  weilte  Anna,  die  Tochter 
des  Lukas  Notaras,  in  Italien,  „Duc.   e  lett.  ric."  Q.  43. 


Die  Türken  in  Albanien   usw.   unter  Bajesid  II.  385 

ein  Albanier,  vor  ihm,  um  im  Namen  Albaniens  Karl  VIII.  in  die 
Stadt  der  Thopias  „aus  dem  Hause  von  Frankreich  "  zu  rufen'). 
Hatte  doch  der  König-  in  seiner  berühmten  „Protestation"  von 
Florenz  feierlich  erklärt,  dafs  er,  sobald  sein  Zwist  mit  ,, einem 
g-ewissen  Ferdinand  von  Aragonien"  endgültig  beendet  sein 
werde,  sich  nach  Avlona  begeben  werde  und  im  Frühling  1495 
den  Krieg  gegen  den  Sultan  zu  beginnen  gedenke  '').  1495  aber 
sah  sich  Karl  im  Gegenteil  gezwungen ,  Italien ,  das  gegen  ihn 
in  Bewegung  geriet,  zu  verlassen;  er  ging,  von  den  schein- 
heiligen Vorwürfen  des  ihm  feindlichen  Papstes ,  dals  er  seine 
Mission  vergessen  habe,  verfolgt,  nach  Frankreich  zurück  ^). 

Infolgedessen  wurden  die  Hoffnungen  der  albanischen 
Rasse  beträchtlich  herabgemindert.  Aber  sie  erhielten  neue 
Stärke,  sobald  die  Signoria  von  Venedig,  die  alte  Beschützerin, 
mit  den  Türken  Krieg  begann.  Als  auf  der  Voiussa  wieder 
zahlreiche  Schiffe,  wie  sie  sich  gegen  die  Korphioten  zu  richten 
pflegten,  erschienen  —  1500  fafste  man  den  Plan,  die  Mündung 
der  Voiussa  zu  sperren  ^) ,  und  die  dortigen  Türken  wurden  im 
Juni  bei  Sasno  getötet^)  — ,  erboten  sich  im  Februar  1501  die 
Albanesen  von  Chimära,  diese  zu  verbrennen  und  2 — 3000 
Krieger  zu  den  venezianischen  Truppen  stofsen  zu  lassen  ^). 
Vor  Alessio  wurde,  nach  der  Gefangennahme  des  venezianischen 
Befehlshabers    Marco    Orio,    eine    förmliche    Schlacht    zwischen 


i)  Sathas  VI,  S.  240.  Auch  Bischof  Stephan  von  Antivari  wirkte  auf  einen 
Kreuzzug  hin  und  vertrat  den  Gedanken  daran  feierlich  vor  Sixtus  IV. ;  München 
„Impr.  turc."  80  (?),  8".  Vgl.  auch  die  Ermahnung  des  I.  Aloysius  Tuscanus  an 
Paul  U.,   cod.  lat.  monac.    526,   fol.   96. 

2)  Cod.  lat.  monac.  414,  fol.    184.     Vgl.  Thuasne  S.  329. 

3)  Cod.   lat.   monac.   24598,   fol.    2. 

4)  „Stropar  la  bocha  de  la  Voiussa";  Bericht  vom  Februar  1500  in  „  Capi 
Cons.  X",  Curfü. 

5)  Ebenda,  Brindisi.  Es  hiefs  1500,  dafs  der  berühmte  Khamaleddin  sich 
nach  der  Voiussa  begeben  werde,  um  dann  Brindisi  anzugreifen ;  Brief  des  Dogen 
über  den  Verlust  Modons ;   cod.  lat.  monac.  414,   fol.   242   vo. 

6)  „Hano  molto  amal  de  li  Turchi ;  cavano  quella  armata  per  esser  natural- 
mente  jnimici  de  li  Turchi";  „Lett.  Rett.",  „Capi  Cons.  X",  Corfü;  Bericht 
vom   14,   Februar    1501. 


38C  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Albanesen  und  Türken  g-eliefert,  in  der  die  ersteren  den  Sieg- 
errangen  *),  Auch  nach  dem  Friedensschlufs  behielt  die  Republik 
hier  das  S  c  o  g  1  i  o  (Felsen)  von  Alessio,  die  ,,  insula  Alessii ",  wo  sie 
einen  Befehlshaber  einsetzte;  am  31.  Oktober  1501  berichtete 
dieser,  dafs  die  Sandschaks  von  Skutari  (Feris-beg) ,  Kroia  und 
Novi  ^)  die  venezianischen  Stratioten  an  sich  zu  locken  suchten ; 
solche  befanden  sich  in  Chivri  und  S.  Zuane  de  la  Medua,  und 
die  San-Marco-Fahne  wehte  über  beiden  Festen  ^).  Doch  wurde 
Venedig-  später  vom  Sultan  gezwungen ,  die  Insel ,  die  freilich 
1504  noch  von  den  Stratioten  der  Republik  besetzt  war*),  zu 
räumen.  Ein  Kenner  des  Morgenlandes,  der  gelehrte  Jani  Las- 
karis,  empfahl,  den  unermüdlichen  Kämpfern  für  die  Christenheit 
Schwerter  zu  schicken,  auf  denen  das  eine  Wort  ilevd^SQia  zu 
lesen  sein  sollte  ^).  Obgleich  Ragusa  1499  glaubte,  dafs  der 
Sultan  auf  seine  Unterwerfung  ausgehe,  um  dann  weiter  zur  Er- 
oberung ,,ganz  Dalmatiens,  ganz  Italiens  und  besonders  des 
Reiches  von  Neapel  und  der  ganzen  Mark  von  Ancona"  zu 
schreiten^),  erfolgte  in  dieser  Richtung  keine  neue  Er- 
oberung. Man  hörte  vielmehr  auch  später  nur  von  den  gewöhn- 
lichen Schiffszurüstungen  in  Avlona;  Durazzo  wurde  1504  von 
vier  Sandschaken  mit  8000  Arbeitern  stark  befestigt ')  und  in 
demselben  Jahre  der  Markgraf  von  Cotrone  mit  sieben  Dienern 
im    Schlosse    von    Novi    enthauptet  **).     Im    Hafen    von   Avlona 


1)  Angiolello,  fol.   11 1  vo  bis   112. 

2)  „El  sanzaco  de  Croia  e  quel  de  Terra  Nova." 

3)  „Capi  Cons.  X",  Corfü. 

4)  Bericht  vom  21.  Mai  1504;  „Rettori":  „Luogo  aperto  da  ogni  banda. 
Uh  in  euer  de  l'Albania,  et  e  luogo  perfetto  et  a  proposito  de  la  nostra  S^ia 
et  e  aperto  a  far  vassili  et  quanta  armata  si  volesse  far,  che  credo  Idio  cechasse 
li  occhi  a  Turchi  che  non  veneno  qui  a  far  la  loro  armata,  che  era  molto  meglio 
che  la  Valona  et  Vuiussa,  et  qui  de  terra  non  e  paura  alguna,  ma  solamente  da 
mar." 

5)  Mailand,  Brera,  A.  D.  XI,  41. 

6)  „Dipl.  Rag."  S.  661.  Solche  Befürchtungen  werden  auch  1492  aus- 
gesprochen ;  ebenda  S.  820. 

7)  Ebenda  S.  671;  siehe  auch  den  Bericht  aus  Alessio,  21.  Mai  1504;  „Lett. 
Rettori". 

8)  Ebenda  S.  828—829. 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid   II.  387 

befanden    sieh    damals    29    Schiffe  ^).     EndHch    unternahm    1507 
Feris-beg"  mit  den  Bosniern  ^)  Plünderungszüg'e  bis  Sebenico  hin. 

Im  Jahre  1494  verlang-te  der  Sultan,  der  infolge  der  dem 
„Räuber"  Tschrnojewitsch  ^)  von  Venedig"  gewährten  Unter- 
stützung an  dem  bisher  treulich  beobachteten  Frieden  wenig 
Interesse  mehr  hatte,  von  der  Republik  Zante  und  Kephallenia 
zurück;  doch  erwirkte  die  Signoria  im  Vertrage  vom  22.  April 
des  Jahres,  wenn  sie  auch  Kephallenia  nicht  festhalten  konnte, 
wenigstens  die  Bestätigung  des  Besitzes  von  Zante  ^).  Darauf 
aber  beschränkten  sich  die  Änderungen  an  den  bisherigen 
Verträgen. 

Bis  zum  Ende  des  Jahrhunderts  waren  die  Beziehungen 
zwischen  Türken  und  Venezianern  ausgezeichnet.  Höchstens 
fügten  die  Seeräuber  Negropontes,  die  der  dortige  Sandschak 
unterstützte,  weil  sie  seinen  eigennützigen  Zwecken  dienten  —  er 
gestattete  den  Verkauf  von  Sklaven  auf  seinem  Gebiet  — ,  den 
venezianischen  Einwohnern  des  Seeufers  einigen  Schaden  zu  ^). 
Auch  entstanden  mitunter,  besonders  in  den  Jahren  1480 — 82, 
der  unruhigen  Stratioten  wegen,  die  in  den  neuen  Wohnsitzen 
nach  alter  albanischer  Überlieferung  hausten,  Streitigkeiten. 
Venedig  hatte  nur  eine  beschränkte  Anzahl  Italiener  in  Dienst, 
die  fünfmal  im  Jahre  ihren  paga  (Sold)  ^)  erhielten  und  ver- 
schiedenen Condottieri,  die  nach  Belieben  über  sie  verfügen 
konnten,  unterstanden ;  auch  wurden  aus  Kandien  Büchsenschützen 
geschickt ').  Die  meisten  Landesverteidiger  aber  waren  alba- 
nische Reiter,  die  ihre  Capi  (Woiwoden)  und  ihre  Kanzlei^) 
selbst  erwählten ;  sie  lebten  in  befestigten  Städten  und  hatten 
Äcker  in  der  Umgegend,   wo  sie  als  gewöhnliche  Bauern  lebten; 


i)  ,,Dipl.  Rag."  a.  a.  O. 

2)  Und    auch    mit    den  Leuten    „del  sanzacho  venuto  da  Cherzech";    Bericht 
vom   II.  März   1507;  „Capi  Cons.  X". 

3)  Siehe  oben   S.   285. 

4)  Sathas  I,  S.   315—316. 

5)  Ebenda  VI,   S.   205,   207. 

6)  Ebenda  S.   166.  7)  Ebenda  S.    1S5. 
8)  Ebenda  S.    178;  „Duc.  e  lett.  ric."  Q.  47. 


388  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

die  in  den  Dörfern  ansässig^en  mufsten  zu  den  drei  jährlichen 
Revuen  (mostre)  erscheinen;  dann  wurden  die  Gelder  —  ihre 
Provision  —  Lebensmittel,  Kleider  und  Lanzen  ausgeteilt  ^). 

Sie  waren  einer  „reformation  de  le  conducte"  unterworfen^) 
und  entrichteten  eine  doppelte  Steuer:  einmal  von  der  Ernte 
(den  Zehnten,  zemori  g-enannt)  und  dann  von  allen  eingeführten 
Waren  (das  somazo);  freilich  fügten  sie  sich  erst  spät  und 
höchst  widerwillig-  in  diese  Verpflichtung-  ^).  Das  alte,  der  Sig-noria 
am  San-Marco-Tag-e  schuldig-e  Geschenk  —  die  honoranza  di 
S.  Marco  —  hatten  sie  durchaus  verg-essen  ■*).  Bei  ihrer  Ent- 
lassung bekamen  sie  gewöhnlich  einen  Anteil  an  Feldern  ^).  Mit 
solchen  Lebensbedingungen  —  hatten  doch  die  venezianischen 
Offiziere  sogar  das  Recht,  Schläge  auszuteilen  **)  —  wollten  und 
konnten  sie  sich  nicht  begnügen;  Beute  suchen,  corsizar,  war 
für  sie  eine  Notwendigkeit.  Zwei  Jahre  hindurch  waren  Klada 
und  Bua  die  Herren  des  Brazzo  di  Maina,  und  die  Türken  von  Argos 
hatten  viel  von  ihnen  zu  leiden.  Sie  kamen  vor  Nauplion  an  und 
leisteten  auf  den  benachbarten  Anhöhen  den  dortigen  Offizieren 
Widerstand  '').  Als  Klada  sich  dann  nach  Neapel  flüchtete  und 
Bua,  dem  die  Türken  verziehen,  wieder  als  Provisionato  in  den 
Dienst  der  Republik  trat,  fanden  sich,  wenn  auch  weniger  tapfer 
und  bekannt,  andere,  die  das  Handwerk  ihrer  Ahnen  fort- 
setzten *"). 

Manchmal  unterbanden  sie  mit  ihren  Ritten  die  Freiheit  des 
Verkehrs  und  erschwerten  die  Verproviantierung  der  Städte  **). 
Aber  die  Verhältnisse  wurden  selbst  von  osmanischen  Beamten 
albanesischen  Ursprungs  —  so  war  der  Woiwode  Moreas  im  Jahre 
1482  ein  Verwandter  der  rebellischen  Busich  —  ruhig  geduldet**^). 
Auch  der  1483  geschlossene  Lokal  vertrag,  der  allen  reisenden 
Albaniern  und  Griechen  den  Besitz  eines  Passes  der  venezianischen 
Behörden  auferlegte  und  Ausweisung  der  Flüchtlinge  und  Friedens- 


1)  Sathas  VI,  S.   128. 

2)  Ebenda  S.   174.  3)  Ebenda  S.   167  —  1680".,   173. 
4)  Ebenda  S.   165.  5)  Ebenda  S.    172. 

6)  Ebenda  S.   191.  7)  Ebenda  S.    171. 

8)  Ebenda  S.   159.  9)  Ebenda  S.    180— 181. 

10)  Ebenda  S.   188;  vgl.  S.  204. 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid  II.  289 

brecher  vorsah,  konnte  keinen  wirklichen,  sicheren  Frieden  im 
Lande  herstellen  ^).  Die  aus  Griechen,  Albaniern  und  Walachen  ^) 
gemischte  Bevölkerung  lebte  in  Städten,  Dörfern  und  Weilern 
(Katunen)  wie  unter  den  Lateinern  und  Paläologen  fort;  etliche 
osmanische  Befehlshaber  und  nicht  einmal  looo  Janitscharen 
waren  über  die  gröfseren  Ortschaften  verteilt. 

Langte  ein  neuer  Sandschak  an,  so  schickte  er  seinem  guten 
Nachbar  und  Bruder,  dem  Proveditore,  ein  paar  Stück  wohlfeilen 
Kamelott  oder  schöne  seidene  Taschentücher  türkischer  Art  ^) ; 
gewöhnlich  wurden  die  Gaben  vom  Kehaias  dem  Woiwoden  über- 
bracht. Aufser  feinem  Tuche,  welches  dann  dem  Gesandten 
geschenkt  wurde,  bekam  der  Sandschak  durch  einen  angesehenen, 
von  Stratioten  umgebenen  Bürger  Silbergefäfse,  Fische,  Lebens- 
mittel, confetti,  Zucker,  Honig,  Lichte  usw.  Dabei  wurden 
höfliche  Phrasen  —  parole  dolci  —  gewechselt*).  Zugleich 
kamen  die  vornehmsten  Offiziere  beider  Nationalitäten  zusammen 
und  brachten  übereinstimmend  dieselbe  festgesetzte  Anzahl  von 
Begleitern  mit,  sowohl  der  Ehre,  als  auch  der  Sicherheit  wegen  ^). 
Manchmal  wurden  die  Beziehungen  so  vertraut,  dafs  der  Sand- 
schak geheime  Pläne  gegen  den  Sultan  verlauten  liefs  ^)  oder 
vom  Venezianer  bestochen  wurde,  das  Gebiet  der  Republik  in 
keinem  Falle  schmälern  zu  wollen;  aus  solchem  Grunde  erfolgte 
dann  wohl  einmal  ein  Wechsel  in  den  Persönlichkeiten  '').  Auch 
mit  dem  Sandschak  von  Negroponte  und  dem  von  Athen,  das 
Öl  und  Wein  lieferte  ^),  suchten  und  wufsten  die  Proveditori 
gute  Beziehungen  zu  unterhalten. 

Noch  besafs  Venedig  den  wertvollsten  Teil  der  Halbinsel 
mit  den  schönen  Häfen  Koron,  Modon,  Zonchio  und  Lepanto ; 
ihm  gehörte  Nauplion,  das  mit  der  Umgebung  nicht  weniger  als 
20  000  Einwohnerzählte  ^),  und  das  starke  Monembasia;  das  wohl 
befestigte  Korfu,  das  neu  gewonnene  Zante  dienten  als  Stützpunkte 


1)  Sathas  VI,  S.  211. 

2)  „Vlachi  veniano  verso  Modon";  ebenda  S.  227. 

3)  Ebenda  S.   155,   210.  4)  Ebenda  S.    127,   155, 

5)  Ebenda  S.   188  —  189,  210— 211. 

6)  Siehe  oben.  7)  S.   212. 

8)   Ebenda  S.    167,    177.  9)  Ebenda  S.    143. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  1" 


390  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

im  Westen,  nachdem  das  östliche  Bollwerk  Negroponte  verloren 
war  ^).  Die  Türken  hatten  nur  Arg-os  bei  Nauplion,  wo  noch 
1480  kaum  200  Familien  sich  ang-esiedelt  hatten^),  das  Kastell 
Rampan  bei  Monembasia,  Kalamata  bei  Koron  und  Arkadia  bei 
Modon.  Türkisch  waren  ferner  die  in  Unbedeutenheit  versunkenen 
Orte  Vatica  und  Misithra.  Aus  ihrer  Annseligkeit  heraus  spähten 
die  Türken  nach  den  blühenden  Besitzung-en  der  Venezianer,  um 
sie  zu  geeigneter  Stunde  überfallen  zu  können.  Nach  dem 
Vertrage  von  1483,  der  die  Anerkennung  ihrer  militärischen 
Schwäche  bedeutete,  erging  der  Befehl  von  der  Pforte,  die  Be- 
festigungen zu  schleifen  ^). 

Ohne  besondere  Veranlassung  begannen  nun  1499,  nach 
dem  Tode  Dschems  und  dem  Abschlufs  des  Krieges  gegen  den 
Soudan,  in  Morea  Feindseligkeiten  zwischen  Venedig  und 
den  Osmanen,  die  ihrer  unbedeutenden  Rolle  auf  der 
Halbinsel  wohl  überdrüssig  geworden  waren.  Dafs  der  Herzog 
von  Mailand,  Lodovico  il  Moro,  das  Feuer  geschürt  hat,  wie  die 
Venezianer  laut  klagten,  ist  anzunehmen;  aber  lediglich  den  Ein- 
flüsterungen eines  fränkischen  Fürsten  zweiten  Ranges  zuliebe  hätte 
sich  die  Pforte  zu  ihrem  Entschlüsse  nicht  aufgerafft.  Der  Krieg 
entsprach  vielmehr  dem  doppelten  Bedürfnisse:  dem  osmanischen 
Besitze  in  Morea  geographische  Grenzen  zu  geben  und  den  lärmen- 
den und  unzufriedenen  Janitscharen  eine  günstige  Gelegenheit  zu 
verschaffen,  sich  für  den  langjährigen  Frieden  schadlos  zu  halten. 

Einige  Zwischenfälle  zu  Lande  —  Streifereien  der  Stratioten 
von  Nauplion  *)  —  und  auf  dem  Meere  —  ein  kleines  Gefecht 
bei  Lesbos  zwischen  einer  venezianischen  Galeere  und  einem 
türkischen  Schiffe,  das  den  ersten  Schufs  abgegeben  hatte  — , 
eigentlich  aber  die  Ausrüstung  einer  grofsen  Flotte,  deren  Ziel 
unbekannt  war,  veranlafsten  die  Sendung  Zancanis  an  die  Pforte ; 
er  kam  mit  einem  neuen  Vertrage  zurück,  der  sich  als  ungültig 
erwies.     Da  traf  die  Nachricht  ein,    dafs  die  Bosnier  verheerend 


i)  Vi^l.  S.   218—219.  2)  Ebenda  S.    143. 

3)  Ebenda  S.   211;    Magno,    ebenda  S.   235.     Für  Argos  varen  die  Briefe 
sclion  Ende   1482   angekommen;  Ebenda  S.  208 ff. 

4)  G  ri  1 1  i  S.   22. 


Die  Türken  in  Albanien  usw.   unter  ßaje-id   II.  391 

bis  vor  Zara  vorg-edrungen  waren.  ,, Dadurch",  schreibt  eine 
venezianische  Chronik,  ,,  wurde  uns  klar,  dafs  der  Türke  sich  zum 
offenen  Feind  der  Venezianer  erklärt  hatte"  ').  So  erging  denn 
an  den  alten,  am  2.  Mai  aufgebrochenen  Capitaneo  Antonio 
Grimani  Befehl,  die  venezianischen  Besitzungen  mit  allen  Kräften 
zu  verteidigen. 

Die  Türken  verfügten  über  300  Fahrzeuge,  darunter  loo  Ga- 
leeren, während  die  numerisch  überlegene  Seemacht  der  Venezianer 
weniger  Galeeren  hatte.  Darum  zögerte  Grimani,  übrigens  eine 
scheue  Kunktatornatur,  den  Feind,  der  sich  im  Sommer  in  die 
Gewässer  von  Morea  begab  und  im  Hafen  von  Portolongo  Anker 
warf,  anzugreifen.  Erst  als  die  osmanische  Flottille  von  dort  auf- 
brach und  nach  Navarino  (Zonchio)  segelte,  so  dafs  es  den  An- 
schein hatte,  als  sollte  eine  Belagerung  dieser  wichtigen  Stadt 
unternommen  werden,  entschlofs  sich  der  Capitaneo,  einen  ent- 
scheidenden Schlag  zu  führen.  Seit  der  Schlacht  von  Gallipolis, 
d.  h.  seit  den  Tagen,  da  die  Osmanen  kaum  die  Kunst  des  See- 
krieges zu  erlernen  begannen,  war  es  zwischen  den  beiden 
stärksten  Flotten  der  damaligen  Welt  zu  keiner  offenen  See- 
schlacht mehr  gekommen. 

Mit  glänzender  Tapferkeit  griffen  Albano  d' Armer  und  der 
eben  aus  Korfu  angelangte  Andrea  Loredano,  der  sich  der  ihm 
durch  seinen  Namen  aufgelegten  Pflicht  bewufst  war,  die  Türken 
an  und  kämpften  einige  Stunden  hindurch  mit  entschiedenem 
Glück;  die  angegriffenen  osmanischen  Schiffe  wurden  schliefslich 
von  der  eigenen  Bemannung  in  Brand  gesteckt.  Dabei  fingen 
auch  die  Galeeren  d'Armers  und  Loredanos  Feuer  und  verbrannten 
mit  der  gesamten  Bemannung.  Grimani  trug  Bedenken,  das 
Glück  weiter  zu  versuchen,  und  zog  sich  aufs  offene  Meer  zurück. 
Hier  wurden  beide  Teile  wieder  handgemein;  der  bereits  um- 
ringte Vicenzo  Pollani  entkam  dabei  seinen  türkischen  Wider- 
sachern nur  mit  genauer  Nat.  So  verloren  die  Venezianer 
(am  12.  August)  bei  Navarino  keine  Schlacht,  sondern  einen 
sicheren   Sieg  ^). 

i)  „Per  la  quäl  correria    avenne   che'l  Turco    appertamente  si  moströ  nimico 
ad  Venitiani";   „Cron.  Zena^'  fol.    298. 
2)  „Cron.  Zena". 

19* 


292  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Ruhig  seg-elte  die  osmanische  Seemacht  nun  nach  Chiarenza, 
dann  weiter  nach  der  Punta  di  Pagata  genannten  ÖrtHchkeit;  die 
Venezianer  beschossen  sie  heftig  und  brachten  sechs  Galeeren 
in  ihren  Besitz,  aber  eine  neue  gTofse  Schlacht  in  Gang  zu 
bringen,  gelang  ihnen  nicht  mehr;  denn  schon  war  die  vom 
Beglerbeg  befehligte  Landarmee  herangekommen,  und  man  ver- 
fuhr auch  diesmal  nach  der  alten  bewährten  türkischen  Strategie, 
die  ausgezeichneten  Schützen  an  der  Seeschlacht  teilnehmen  zu 
lassen,  indem  die  Schiffe  nahe  am  Ufer  hinfuhren.  So  gelangten 
denn  die  Flotten  und  das  kaiserliche  Heer  gleichzeitig  nach 
Lepanto,  das  bereits  von  Fait-Pascha,  dem  Schwiegersohne 
Bajesids  IL,  belagert  wurde. 

An  eine  längere  Verteidigung  der  Stadt  war  nicht  zu  denken; 
die  Venezianer  waren  zu  sehr  demoralisiert  und  taten  nicht  mehr 
ihre  Pflicht  ^).  Grimani  hatte  einen  Teil  seiner  Schiffe  bei  Koron 
und  Modon  gelassen  und  ihre  Mehrzahl  unter  den  Schutz  der 
Kanonen  von  Zante  gebracht.  So  erfolgte  am  29.  August  die 
Kapitulation;  die  Schlüssel  wurden  dem  Beglerbeg  übergeben 
und  die  Venezianer  räumten  die  Stadt,  die  seit  ungefähr 
hundert  Jahren  in  ihrem  Besitze  gewesen  war  ^). 

Die  Einnahme  Lepantos  durch  die  Türken  war  für  die 
Venezianer  ein  grofser  Verlust,  wie  die  Schlacht  von  Navarino 
eine  grofse  Schmach  gewesen  war.  Aber  im  inneren  Morea 
blieben  die  Stratioten  die  ausschliefslichen  Herren.  Sie  streiften 
und  brannten  überall,  ohne  Feinden  zu  begegnen  ^).  Der  Befehls- 
haber von  Monembasia  konnte  im  August  sogar  Kastell  Rampan 


i)  Ein  venezianischer  Offizier  schreibt:  „Questo  per  non  esser  sta  secorssi 
de  l'armada  nostra,  temeiido  l'armada  i  nimici  che  veniva  propinqui  a  la  terra  .  .  . 
Non  demontrö  le  forze  sue  [Lepanto]  et  far  quello  el  dover";  „Duc.  e  lett.  ric." 

Q.  46. 

2)  Sielie  Cogo,  La  guerra  di  Venezia  contro  i  Turchi  (1499  — 1501),  Venedig 
1899;  „Cron.  Zena"  und  die  unedierten  Berichte  im  Archiv  des  Herzogs  von 
Kandia,  „Duc.  e  lett.  ric."  Q.  43.  Vgl.  auch  die  genauen  Notizen  in  der  so- 
genannten Kompilation  Angiolellos,  Pariser  Handschrift  S.  93  ff. ,  dann,  nach 
einem  „libro  scritto  per  m.  Andrea  Balastro",  fol.    100  vo  ff. 

3)  „Qucsti  stratioti  nostri  vä  depredando  la  Morea  senza  algun  scontro  de 
Turclii." 


Die  Türken   in  Albanien   usw.   unter  Bajesid  II.  393 

einnehmen  ^).  Bei  Lepanto  war  nur  Amur-beg-,  der  Sandschak 
von  Morea,  mit  kaum  3000  Reitern  zurückg-eblieben ;  er  arbeitete 
an  der  Errichtung-  neuer  Schlösser  bei  Drapano  und  ,,S.  Nicolö 
gegenüber".  Darauf  beschränkte  sich  die  ganze  Tätigkeit  der 
Türken  nach  der  Eroberung  Lepantos. 

Auch  auf  dem  Meere  bheben,  nach  der  eiligen  Abfahrt  der 
türkischen  Schiffe,  die  Venezianer  die  Herren.  Grimani,  der  sich 
von  Zante  und  Kephallenia  nach  Koron  begab,  während  einige 
Schiffe  vor  NaupHon  erschienen,  wufste  jetzt  die  günstigen 
Umstände  wahrzunehmen.  Dennoch  schickte  Venedig  einen 
anderen  Befehlshaber  in  der  Person  Melchior  Trevisanos ;  der 
abberufene  Grimani  wurde,  nach  längerer  Kerkerhaft,  auf  die  Insel 
Cherso-Osero  verbannt. 

Trevisano  verfügte  über  eine  glänzende  Flotte,  darunter 
drei  Schiffe  der  Johanniter,  die  der  Grofsmeister  geschickt  hatte, 
um  bis  zur  ,, Vernichtung"  der  türkischen  Seemacht  mitzuwirken  ^) ; 
auch  einige  französische  Fahrzeuge  aus  der  Provence  waren,  auf 
Befehl  des  Königs,  als  eines  tatkräftigen  Freundes  der  Kreuzzugs- 
idee, bereits  am  20.  August  eingetroffen  ^).  Mit  diesen  Kräften 
wurde  nun  Anfang  Dezember  das  starke  Schlofs  von  Kephallenia 
belagert;  die  Türken  aber  hielten  sich  so  wacker,  dafs  die 
Christen  den  ganzen  Winter  in  vergeblichen  Anstrengungen 
verloren.  Die  recht  wenig  zuversichtlichen  Berichte  Trevisanos 
wurden  bis  tief  ins  neue  Jahr  hinein  aus  dem  Hafen  des  Arsenals 
von  Kephallenia  datiert.  Schon  im  Herbste  (September — Oktober) 
drangen  die  Bosnier  —  von  den  Frangepani  Kroatiens  unterstützt  — ■ 
unter  Iskender  bis  nach  Gradiska  in  Friaul  und  bis  nach  Conigliano 
vor,  so  dafs  sie  Venedig  selbst  sich  anschauen  konnten,  und 
raubten  auf  ihrem  Wege,  was  zu  rauben  war.  Sie  brachten 
2000  Gefangene  mit  sich  ^). 


i)   Bericht  vom   20.  August:   „Castel-Rampan   noviter  per   me   aquistado." 

2)  ,,Represso  da  la  Ra  Sua,  la  remando  da  obediencia  dal  zeneral ,  con 
protesto  non  partirsse  demente  l'armada  del  Turco  non  era  destruta";  unedierter 
Bericlit. 

3)  Cogo   S.   53. 

4)  „Cron.  Zena";  Angiolello   fol.   97. 


394  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Im  Frühling  1500  begannen  dann  die  Spahis  Amurbegs 
sich  zu  regen;  es  glückte  ihnen,  Grisi,  ein  Schlofs  in  der  Nähe 
von  Modon,  zu  überrumpeln  *)  (März) ;  andere  Festen  in  der  Um- 
gebung wurden  verbrannt.  Auch  Navarino  wurde  von  denselben 
Feinden  angegriffen.  Im  März  schon  vereinigten  sich  die  Truppen 
des  anatolischen  Beglerbegs  Sinan  mit  jenen  des  moreotischen 
Befehlshabers  Ali,  und  im  Juni  kam  der  Sandschak  mit  bedeutenden 
Truppenmassen,  die  v^om  dortigen  venezianischen  Befehlshaber 
auf  1000  Reiter  und  5000  Mann  Fufsvolk  geschätzt  wurden,  vor 
Monembasia  an;  doch  konnte  er  nichts  ausrichten.  Vielmehr 
ritten  die  Stratioten  bis  nach  Misithra  und  verbrannten  es.  ,,  Gott 
und  die  gute  Wacht"  hatten  die  Stadt  gerettet  ^).  Vergebens 
wurde  auch  Nauplion  von  den  Türken  angegriffen.  Es  gelang 
den  Stratioten  sogar,  den  Protogero  von  Negroponte  gefangen 
zu  nehmen  ^). 

Im  Sommer  aber  lichtete  in  Gallipolis  eine  Flotte  die  Anker, 
die  der  des  Vorjahres  nichts  nachgab ;  und  der  Sultan  be- 
fehligte das  grofse  Landheer,  das  sich  nach  Morea  wandte,  in 
Person.  Aus  Schmerz  über  das  Mifslingen  des  Unternehmens 
gegen  Kephallenia  war  Trevisano  g^efährlich  erkrankt;  er  starb 
bald  darauf,  ohne  Venedig  wiedergesehen  zu  haben.  Erst  am 
28.  Juli  wurde  Benedetto  Ca  di  Pesaro  zu  seinem  Nachfolger 
gewählt,  und  am  29.  verliefs  der  neue  Hauptmann  die  Lagunen- 
stadt; Trevisano  war  am   14.  gestorben*). 

Inzwischen  waren  gegen  Ende  Juni  die  Türken  schon  in 
Morea  angelangt.  Die  venezianische  Flotte  war  plan-  und  führer- 
los.    Im  Hafen  von  Navarino  konnten  die  türkischen  Schiffe  un- 


i)  Cogo  S.  89.  Siehe  das  Tagebuch  des  Modoner  Kämmerers  (Camerlengo) 
Andrea  Balastro,  in  der  Kompilation  Angiolellos  S.  loi  5.  Schon  im  Januar 
wurde  Modon  von  einem  „Woiwoden"  mit  2000  Türken  angegriffen;  der  gelegent- 
liche Tod  des  Führers  vereitelte   aber   die  Unternehmung  (30.  Januar,   ebenda"). 

2)  Ogni  zorno  li  habiamo  corsso  fmo  sopra  le  porte  del  Misitra,  ficato  a 
foco  et  fiama  el  luoco  de  lalchia  (sie):  era  principal  utilita  de  dito  Bassa  de  la 
Morea   ...   Idio   prima,   poi  le  bone  gardie";   Bericht  vom   7.  Juni,   ebenda. 

3)  Bericht   aus  Nauplion,   vom   25.  Juni;   ebenda. 
a)  Cogo  S.  97—98. 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid  II.  395 

behellig't  den  Tag-  der  Entscheidung-sschlacht  erwarten.  Trevisano, 
der  Stellvertreter  Girolamo  Contarinis,  dem  die  ganze  Verantwor- 
tung- zugefallen  war,  entschlofs  sich,  eine  Schlacht  anzubieten,  und 
erschien  vor  Navarino.  Aber  wenn  er  für  seine  Person  als 
wahrer  Venezianer  der  alten  heroischen  Zeit  kämpfte,  so  versag^ten 
seine  Offiziere  durchaus;  die  Schlacht  bei  Navarino  am  24.  Juli 
tat  den  Türken  fast  keinen  Abbruch  ^). 

Nicht  wenig-er  als  500  grofse  und  kleine  Bombarden  hatten 
schon  am  11.  Juli  die  erfolg-reiche  Beschiefsung-  Modons  be- 
gonnen, vor  welchem  schon  am  20.  Juni  der  Beglerbeg 
Sinan  und  der  moreotische  Sandschak  erschienen  waren,  um 
durch  einen  Mann,  der  einen  Pfeil  trug,  die  freiwillige  Unter- 
werfung zu  verlangen,  —  worauf  die  Besatzung  keine  Antwort 
gab,  um  ,,dem  Skandale  vorzubeugen"  (per  non  far  scandalo). 
Der  rumische  Beglerbeg  war  erst  am  5.  Juli  und  der  Sultan  am  8. 
gekommen  ^).  Am  13.  wurde  der  erste  Sturm  in  der  Nacht 
kaum  zurückgeschlagen;  am  14.  schon  war  die  Vorstadt, 
der  Borgo,  eingenommen.  Am  17.  war  auch  die  starke  Flotte 
—  im  ganzen  320  Schiffe  —  angelangt,  um  an  der  Belagerung 
der  starken  Festung  teilzunehmen.  Trotz  der  Verwendung 
„künstlichen  Feuers",  das  die  Venezianer  mit  vielem  Geschick 
benutzten,  warfen  die  Türken,  die  nur  22  grofse  Geschütze  hatten, 
einen  der  Türme  nieder. 

Ein  Zufall  half,  den  Fall  Modons  am  9.  August  herbei- 
zuführen. Contarini  sandte  in  den  ersten  Tagen  des  August 
fünf  Galeeren  mit  vielen  Lebensmitteln  und  einer  Anzahl 
abendländischer  Söldlinge  unter  dem  Kondottiere  Paolo  Al- 
banese  nach  Modon,  die  Ladung  zu  den  Belagerten  zu  bringen. 
Diese  nun  waren  so  erfreut  über  die  unerwartete  Hilfe,  dafs  die 
spärlichen  und  nachlässigen  Verteidiger  die  Mauern  verliefsen. 
Alle  Welt  eilte  zum  Landungsplatze,  um  die  Austeilung  der 
Lebensmittel  nicht  zu  versäumen  und  Neuigkeiten  zu  hören.  Es 
bedurfte  nur  eines  schnellen  Angriffs  der  Osmanen  —  zwei  ein- 
same Verteidiger  standen  auf  der  Bastion  und  auch  die  waren, 
nach  dem  Zeugnisse  des  Modoner  Kämmerers  selbst,  eingeschlafen 


i)  Cogo  S.    100 ff.  2)  Bericht  Balastros  a.  a.   O. 


396  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

—  und  sie  befanden  sich  auf  dem  stärksten  Turme,  dann  in  der 
Stadt  selbst,  wo  nun  das  Gemetzel  bis  spät  in  die  Nacht  dieses 
ung-lücklichen  9.  August  hinein  währte.  Die  ung-lücklichen  Be- 
wohner setzten  die  schöne  Stadt,  die  ,, Vormauer  Venedig-s",  selbst 
in  Brand.  Wie  bei  der  Einnahme  von  Negroponte ,  hatte  der 
Sultan  Befehl  g-eg-eben,  niemand  zu  schonen  ^) ;  unter  den  Köpfen, 
die  vor  dem  Zelte  des  rumischen  Beg-lerbegs  Mustafa  hinge- 
worfen  wurden,  entdeckte  man  auch  den  des  Bischofs  Andrea 
Falcone.  Bajesid  selbst  wohnte  feierlich  der  Hinmetzelung-  der 
Gefang-enen  bei.  Dem  unwürdigen  Schlofshauptmann  Marco 
Gabriele  wurde  aber ,  wie  auch  anderen  Offizieren,  das  Leben 
geschenkt. 

Ohne  Zeitverlust  wandte  sich  nun  eine  Abteilung  des  Land- 
heeres —  kaum  T/oo  Reiter  —  gegen  das  benachbarte  Koron. 
Am  15.  August^),  als  der  neue  Capitaneo,  Ca  di  Pesaro,  kaum 
in  Zante  angekommen  war,  nötigten  die  Einwohner  aus  Furcht 
vor  dem  Schicksal  der  unglücklichen  Schwesterstadt  Modon  die 
Stratioten  und  den  Befehlshaber,  das  starke  Schlofs  dem  Sultan 
zu  übergeben  ^).     Die  Verteidiger  des  wichtigen  Navarino  folgten 

i)  Der  Brief  des  Sultans  an  den  ungarischen  König  —  Beziehungen  der 
Türken  vor  Modon  zu  Ungarn  werden  auch  von  einem  (im  Juni)  unter  Koron  ge= 
fangengenommenen  Türken  bestätigt;  „Duc.  e  lett.  ric."  Q.  47  — :  „Nee  solus 
unus  homo  ex  hominibus  intus  repertis  evasit";  cod.  lat.  monac.  434,  fol.  99; 
vgl.  den  Brief  des  Dogen,  cod.  lat.  monac.  242  vo ;  ferner  cod.  lat.  monac.  14668, 
fol.  86  ff.  —  eigentlich,  nach  Balastro,  die  beste  Quelle  — ;  „Cron.  Zena"  und 
andere  in  Cogo  S.  103  ff.  Dann  den  Bericht  Contarinis  vom  I2.  August: 
„Quelli  dentro,  de  la  tropo  alegreza,  abandonono  le  mure  et  corseno  ala  marina; 
ita  de  inimici,  come  e  referto,  con  scale  introno  dentro  et  facea  taiata,  che  duro 
fin  höre  3  de  note.  Nuy  ne  acostassemo  tanto  soto  la  terra  che  per  fm  22  höre 
vedevamo  i  San-Marchii  su  le  tore ,  et  anche  nui  desender,  tarnen  non  vedessemo 
altro  de  fin  in  quel  hora  seguito  tal  ruina.''  Weiter  den  des  Ca  di  Pesaro  vom 
17.  August:  ,. A  höre  23  jntrado  el  socorsso  nostro  de  galie  4  sotil."  Endlich 
den  vom  13.  September  datierten,  ebendesselben:  „Tuti  abandonereno  le  sue 
porte  et  andorenno  al  molo,  et  li  Turchi  al  hora  principiarono  a  montar  et  senza 
contrasto  desesseno  nela  terra."  Siehe  auch  den  Bericht  vom  30.  Oktober  J507, 
„Duc.  e  lett  ric."  Q.  49. 

2)  Das  Datum  bei  Balastro   a.   a.   O.,   der   auch  hier  anwesend  war. 

3)  Am  18.  September  berichtet  Ca  di  Pesaro  die  Flucht  einiger  Stratioten, 
weil  sie  sich  überzeugt  hatten:  „che  la  mazor  parte  di  Corone  esser  inclinatissimi 
de  zendersse." 


Die  Türken  in  Albanien   usw.  unter  Bajesid  II.  297 

dem  Beispiel.  Naiiplion ,  das  am  4.  des  folgenden  Monats 
vom  Sultan  ang-egriffen  wurde,  hielt  sich  dagegen  aufs  tapferste, 
und  die  Türken,  die  von  der  Annäherung  der  Flotte  des  neuen 
venezianischen  Seehauptmanns  unterrichtet  worden  waren,  gaben 
noch  vor  dem  13.  September  die  Belagerung  aufs  eiligste  auf: 
während  sich  das  Landheer  nach  dem  Isthmus  wandte,  segelte 
die  Flotte  nach  Osten.  Ca  di  Pesaro,  der  am  erwähnten  Tage 
an  der  südlichen  Spitze  Moreas  war  *),  hoffte  sie  in  den  Gewässern 
von  Lesbos  noch  einholen  zu  können  und  Verlust  und  Schmach 
an  ihnen  zu  rächen  ^). 

Am  10.  Oktober,  nachdem  die  türkischen  Schiffe,  die  eine 
Seeschlacht  zu  vermeiden  wünschten,  sich  mit  ihrer  Beute  schon 
davon  gemacht  hatten,  traf  der  Capitaneo  im  Hafen  des  geretteten 
Nauplion  ein.  Er  ging  dann  nach  Vatica,  das,  wie  auch 
Kastell  Rampan,  von  dem  Sandschak,  der  die  Stratioten  von 
Monembasia  für  sein  Misithra  gewonnen  hatte  ^),  bedroht  wurde. 
Vatica  und  Kastell  Rampan  wurden  angelaufen  und  mit  Ver- 
teidigungs-  und  Lebensmitteln  versehen. 

Endlich  langten  am  i.  Oktober  auch  die  seit  langem  ver- 
sprochenen spanischen  Schiffe  vor  Korfu  an ;  der  grofse  Feldherr 
Gonzalvo  de  Cordova  befehligte  sie  in  Person.  Am  27.  des 
Monats  trafen  Gonzalvo  und  Ca  di  Pesaro  in  den  Gewässern  von 
Zante  zusammen,  um  den  Racheplan  zu  verabreden.  Man  be- 
schlofs,  Kephallenia,  das  in  den  letzten  Jahren  schon  einmal 
unter  der  Fahne  von  San  Marco  gestanden  hatte,  wieder  heim- 
zusuchen. Mit  ungewöhnlicher  Hartnäckigkeit  wurde  der  Kampf 
durchgeführt,  und  was  den  Venezianern  nicht  geglückt  war,  er- 
reichten die  Spanier.  Am  Tage  vor  Weihnachten  betraten  die 
Kreuzzugshelden  das  Schlofs  von  Kephallenia.  Als  dann 
Gonzalvo  schon  im  Januar   1501   heimkehren  mufste,  gingen  die 


i)  Bericht  unter  dem  betreffenden  Datum  von  „Caput  Mantelum". 

2)  ,,Nuj  se  .  .  .  andamo  cum  prestega  al  isola  de  Metelin  per  incontrarsse  in 
quella." 

3)  Bericht  von  Monembasia,  2.  Oktober:  „Tuti  li  stratioti  de  questo  locho 
sono  fuziti  et  andati  in  Turchia ,  al  Misistra,  propinqui  a  questa  Turco  zornata 
una,  quali  sono   de  cavali   500  piü  et  lior  de  valenti  uomini." 


298  Zweites  Buch.     Viertes  Kapitel. 

Venezianer  allein  g"eg-en  Santa  Maura  vor,  ohne  jedoch  die  Er- 
oberung" erzwingen  zu  können.  Zeitweilig-  (im  Dezember  1500) 
g-elang-  es  dag^egen,  Navarino  durch  Verrat  zu  besetzen.  Selbst 
im  Golf  von  Arta  erschienen  venezianische  Schiffe  '). 

Durch  päpstliche  Vermittlung  kam  noch  im  Jahre  1500  ein 
Vertrag  zwischen  Ungarn  und  Venedig  zu  gemeinsamer  Bekriegung 
der  Türken  zustande ;  die  Republik  sollte  dem  kläglichen  Könige, 
der  nichts  von  dem  Ehrgeize  eines  Matthias  in  sich  trug,  jährlich 
100 000  Dukaten  zahlen,  und  der  Heilige  Stuhl  schickte  seiner- 
seits davon  sogleich  40 000  zur  Ausrüstung  des  Heeres.  Doch 
wurde  nichts  Ernstliches  geleistet;  die  Ungarn  begnügten  sich, 
die  Grenzfestungen  in  besseren  Zustand  zu  setzen  ^).  Die  Os- 
manen  griffen  vielmehr  Jaice  an,  das  ihnen  ein  Dorn  im  Fleische 
geblieben  war;  Johann  Corvinus  wurde  von  seinen  Kroaten,  dem 
Grafen  von  Korbavien ,  den  Zriny  und  Frangepani  in  der  Ver- 
teidigung dieses  bosnischen  Banats  unterstützt.  Es  gelang  ihm, 
die  Jaice  umdrängenden  Türken  zurückzuschlagen  und  ihr  Lager 
einzunehmen.  Damit  aber  hatte  der  Krieg  seinen  Abschlufs 
gefunden  ^). 

Das  Jahr  1501  brachte  wider  Erwarten  keine  türkische  Flotte 
in  die  venezianischen  Gewässer.  Zwar  nahmen  Khamaleddins  Fahr- 
zeuge Navarino  wieder  in  Besitz  ^),  und  auch  die  Insel  Skarpatho 
wurde  angegriffen.  Dagegen  konnte  Ca  di  Pesaro  bis  Lesbos 
vordringen  und  dem  Feinde  eine  siegreiche  Schlacht  liefern  ^). 
Vergebens  hatte  der  Herzog  des  Archipelagus,  der  die  Türken 
mit  Geld,  F'alken  und  Stoffen  zu  beschenken  pflegte  ^),  für  seine 
Inseln  gefürchtet  und  den  Capitaneo,    der  sich  am   i.   Dezember 


1)  Cogo   S.    1256".    und    die    schon    zitierten  unedierten   Quellen.      Vgl.   An- 
giolello  fol.    110. 

2)  Fefsler-Klein  III,  S.   268  ff. 

3)  Istvänffy  IV,  S.  30  ff.   —   Über  türkische  Angriffe  auf  Nona  und  Streif- 
züge in  der  Gegend  von  Zara  siehe  Angiolello   fol.    iii. 

4)  Cogo   S.   144. 

5)  Siehe    seinen  Bericht   vom   13.  August   1501  :    „Siamo    stati    ale    parte  de 
Metelin  et  el  passazo  de  Sio."     Vgl.  besonders  Angiolello   fol.    112  vo. 

6)  Siehe  Gritti  in  Alb^ri  S.    15. 


Die  Türken  in  Albanien  usw.  unter  Bajesid  II.  399 

im  Hafen  St.  Johann  von  Faros  befand,  zu  Hilfe  gerufen. 
1502  waren  die  Offiziere  in  Kreta  wieder  eines  türkischen  Schlag;S 
gewärtig-,  aber  bis  zu  seinem  im  September  des  Jahres  er- 
folgten Tode  blieb  Ca  di  Pesaro  Herr  auf  dem  Meere.  Franzö- 
sische und  auch  portugiesische  Fahrzeuge  hatten  sich  mit  seiner 
Flottille  vereinigt,  so  dafs  er  wie  ein  Kreuzzugsadmiral  erscheinen 
konnte  ').     Die  Franzosen  waren  bis  Chios  gesegelt. 

Nach  Verhandlungen,  die  sich  nicht  allzu  lange  hinzogen, 
schlofs  der  Sultan  endlich  am  20.  Mai  1503  Frieden  mit  Venedig, 
den  der  Doge  am  6.  Oktober  bestätigte.  Die  Republik  behielt 
Kephallenia  und  verzichtete  auf  die  von  den  Osmanen  besetzten 
morcotischen  Plätze  ^). 

Jedenfalls  war  Venedig  in  dem  ihm  so  notwendigen  Morea 
im  Besitz  von  Nauplion,  Monembasia  und  Patras  geblieben.  Die 
flüchtigen  Bewohner  der  verlorenen  Plätze  wurden  in  Cerigo, 
Kephallenia  usw.  angesiedelt.  Der  griechische  Bischof  von 
Modon,  der  Kreter  Jani  Plusidianos,  war  von  den  Türken  1500 
in  dieser  Stadt  getötet  worden  ^).  Von  nun  an  fungierte  ein 
Prälat  in  Monembasia  und  weihte  die  orientalischen  Priester  für 
die  Besitzungen  der  Republik  in  der  Levante  ^).  Mit  den 
türkischen  Nachbarn  wurden  die  früheren  guten  Beziehungen 
wieder  aufgenommen,  und  die  Venezianer  galten  auch  nach  dem 
wechselreichen  Kriege  als  die  Alliierten  und  die  Werkzeuge  der 
Osmanen.  Es  hatte  seinen  guten  Grund,  wenn  15 10  ein  Schrift- 
steller alle  Völker  der  Christenheit  zu  einem  Kriege  gegen  Türken 
und  Venezianer  zugleich  aufrief  ^). 


i)  Angiolello  fol.    112. 

2)  „Commemoriali"  V,  S.  65,  Nr.   12;  S.  68,  Nr.  22;  S.  71,  Nr.  36. 
3")  Über    diesen    „popa    Janni    Plussidiano ,    fö    episcopo    de    Modon''    siehe 
,,Duc.  e  lett.  ricevute"  Q.  49. 

4)  Brief  vom   24.  Juli   1501  ;  „Duc.  e  lett.  ricevute"  Q.  48. 

5)  „Heliani  Lodovici  Vercellensis,  Francorum  regis  senatoris  ac  oratoris,  de 
bello  suscipiendo  adversus  Venetos  et  Turcas  oratio  Maximiliano  Augusto  dicta 
in  Augusta  Vindelica.   IUI.   id.  Aprilis  MDXIj";   ms. 


Fünftes  Kapitel. 

Hof  und  Heer  Sultan  Bajesids.    Seine  Ersetzung 
durch  seinen  aufständischen  Sohn  Selim  und  sein  Tod. 


Andrea  Gritti,  der  Friedensunterhändler  des  Jahres  1503, 
dessen  Reisegefährte,  der  osmanische  Gesandte  Ali-beg",  ihn  im 
Zorn  „Hund"  betitelte  und  während  eines  glänzen  Tages  nicht 
das  Wort  an  ihn  richtete,  wurde,  als  er  am  9,  Juli  in  Kon- 
stantinopel landete,  am  Ufer  von  einem  Tschausche  empfangen. 
Dann  kam  der  Kapudschi-Bascha  des  Wesirs  zu  ihm  —  der 
jetzt  ein  ganzes  persönliches  Haus  von  Dienern  und  Würden- 
trägern hatte  — ,  um  ihn  im  Namen  seines  Herrn  zu  begrüfsen. 
Von  dem  Hauptmann  der  auserlesenen  Ulufedschis  und  den 
Reitern  des  kaiserlichen  Turbandschis  —  dem  die  Obhut  über 
die  Kopfbedeckungen  des  Sultans  zustand  —  wurde  er  zu  dem 
ihm  angewiesenen  Hause  geführt,  wo  zu  gröfserer  Ehre  und 
Sicherheit  Janitscharen  an  der  Pforte  wachten. 

Als  der  Tag  der  Audienz  beim  Grofswesir  erschienen  war, 
lernte  Gritti  einen  der  bedeutendsten  Männer  des  Reiches  kennen. 
Es  war  der  sechste  Grofswesir  Bajesids.  Der  erste,  Isak-beg, 
einer  der  alten  Minister  Sultan  Mohammeds,  war  bereits  1483 
abgesetzt  worden,  bevor  sich  Bajesid  noch  nach  der  Donau 
gewandt  und  der  asiatische  Krieg  gegen  den  Soudan  begonnen 
hatte.  Er  war  ein  alter,  schmeichlerischer,  allen  Gelüsten  der 
Herren  Vorschub  leistender  Diener  gewesen;  seinen  diplomatischen 
Talenten  verdankte  der  neue  Herrscher  zum  Teil  seine  Thron- 
erhebung. Dann  war  während  der  grofsen  Krise  in  Anadol, 
während  der  berühmt  gebliebenen  Streifzüge  in  ungarisches  und 
polnisches  Gebiet,    der  Albanier  Daud    Lenker    des  Reiches ;    er 


Hof  und  Heer  Sultan   Bajesids.      Seine  Ersetzung  usw.  301 

verstand  sich  vor  allem  auf  den  Krieg-.  Auch  nach  seinem 
Rücktritt  blieb  er  Wesir  und  eine  hochang-esehene  Persönlichkeit. 
Den  Reihen  der  albanischen  Renegaten  entstammte  auch 
Dukaschin-Zadeh  Achmed  ^). 

Sohn  eines  christlichen  Fürsten  war  Hersek-Achmed,  der 
dritte  Groiswesir,  und  dieses  hohen  Ursprung-s  eing-edenk;  er 
führte  die  Reichszüg-el  aber  nur  ein  Jahr  hindurch.  Als  1498 
der  Krieg  g^eg-en  Venedig"  beschlossen  war  und  die  Vorbereitung-en 
begannen,  ersetzte  ihn  ein  Mann,  der  keiner  Sympathien  für  die 
Christen  überhaupt  und  am  wenig-sten  für  die  Venezianer  —  wie 
Hersekogli,  der  es  sich  zur  Ehre  rechnete,  ein  Edelmann  von 
Venedig  zu  sein  —  verdächtigt  werden  konnte.  Ibrahim  war 
der  Sohn  des  verehrten  Chalil,  des  Helfers  Murads  IL,  der 
schon  1453  dem  schonung-slosen  Ehrg-eiz  des  jung-en  Mohammed 
zum  Opfer  gefallen  war;  er  gehörte  der  besten  und  ältesten 
Aristokratie  der  Osmanen  an.  Er  starb  vor  der  Entscheidung- 
des  neuen  Krieg-es,  und  in  Messih,  der  vorher  die  Flotte  des 
Reiches  geg-en  Rhodos  g-eführt  hatte,  g-laubte  Bajesid  IL  den  Mann 
gefunden    zu    haben,    der  Seeschlachten   zu  gewinnen  verstände. 

Als  er  vor  Galata  1501  im  Feuer  gefallen  war,  griff  man 
wieder  auf  einen  der  Veteranen,  auf  Chadum-Ah  zurück.  Ihn 
ersetzte  während  dreier  Jahre  Hersek- Ahmed,  dann  aber  wurde 
er  aufs  neue  und  blieb  bis  zu  seinem  Tode,  im  Kampf  mit  den 
empörten  Bauern  Anatoliens  (1511),  d.  h.  bis  zu  den  letzten 
Zeiten  des  Sultans,  Leiter  der  osmanischen  Politik. 

Er  war  kein  Freund  des  Krieges  und  kein  stolzer,  heraus- 
fordernder und  grober  Mann  wie  sein  Kollege,  der  Grieche  oder 
Serbe  Mustafa,  von  dem  Gritti  sagt,  dafs  er  ,,der  übermütigste 
Türke  in  Konstantinopel"  ^)  sei.  Im  Gegenteile  sprach  er  sanft 
und  war  Bestechungen  zugänghch.  Er  hatte  dafür  einen  festen 
Tarif  und  nahm  kleinere  Summen  nicht  an.  Als  ihm  1507  der 
Bailo  eine  Gabe  von  150000  Aspern  bot,  erklärte  er  entrüstet, 
dafs  nicht  einmal  250000  seiner  Würde  und  seinen  Diensten  — 
so  wie  er  sich  betragen  ^)  hätte  —  angemessen  seien. 

i)  Gritti  S.  47. 

2)  „II  piü  superbo  Turco  che  sia  in  Costantinopoli"' ;  S.  41. 

3)  „Me     disse     questo     non     e     quello     aspetava    da    la     Signoria,     perche 


30ä  Zweites  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

Von  den  anderen  drei  Wesirstellen  waren  zurzeit  nur 
zwei  besetzt,  und  zwar  durch  Daud  und  Mustafa  ^).  Jahja-Bascha, 
der  ehemaligfe  Beg-lerbeg-  von  Rum,  der  sich  grofser  Schätzung- 
erfreut hatte,  befand  sich  nicht  mehr  am  Leben  ^).  Einen  be- 
sonderen Einflufs  besafsen  ferner  die  Schwieg^ersöhne  des 
Sultans :  Rustem,  Fait,  Sinan  und  Karadschali-Beg"  ^) ;  man  sollte  er- 
warten, dafs  diese  von  altem,  echt  türkischem  Geschlecht  waren, 
doch  weifs  man  sicher,  dafs  einer  von  ihnen,  Rustem,  Bosniake 
war  *).  Auch  unter  Bajesid  befand  sich  der  gröfste  Teil  der  Hof- 
würden in  den  Händen  von  Renegaten,  wenig^er  Griechen  und  Le- 
vantinern  als  Albaniern  und  Slawen  ^).  Die  Familie  des  Ewrenos 
spielte  keine  Rolle  mehr,  und  dieMichaloglis  waren  nur  in  Bulg-arien 
und  Serbien  tätig;  in  den  asiatischen  Kriegen  hatte  die  FamiUe 
grofse  Verluste  erlitten,  wie  denn  darin  überhaupt  die  besten 
Kräfte  des  Reiches  zugrunde  gingen.  Auch  BaH-beg  wurde  mit 
keiner  Hofwürde  bedacht,  sondern  blieb  in  seinem  Sandschakat 
der  unteren  Donau,  wie  Iskender  in  Bosnien,  Feriz  in  Albanien 
und  Amur  in  Morea. 

Nach  einigen  Tagen  also  wurde  Gritti  zur  Pforte  geführt. 
Der  Gesandte  Ali-beg  und  der  Janitscharen-Aga  begleiteten  ihn  ; 
Janitscharen  und  Agas  des  Serails  bildeten  Spalier,  in  muster- 
gültiger Ordnung,  „dafs  es  für  den,  der  sie  nicht  gesehen,  un- 
glaublich ist"  ^).  Nach  alter  patriarchalischer  Sitte  nahm  der 
Venezianer  an  dem  einfachen  Mahle  der  Wesiere  und  Beglerbegs 
teil,  die  sich  in  einem  Kiosk  befanden   und  zu  seinem  Empfange 


avendomi     portato     corao     mi     ö     portato     .  .  .";     Arcliiv     von    Venedig,    „Capi 
Cons.  X". 

i)  Gritti  a.  a.  O.  S.   25. 

2)  „Dipl.  Rag.'"  S.  810. 

3)  „Carzolib.,  sue  zenero";  Bericht  des  Bailos  vom  21.  November  1508; 
„Miss,  e  resp.   1508 — 1510. "• 

4)  Thuasne  S.  44 — 45. 

5)  So  auch  „Aghmat  Soluphtarus — Silichdar —  Craicinovich",  der  die  Nachricht 
der  Einnahme  von  Modon  nach  Ragusa  brachte;  „Dipl.  Rag."  S.  823.  Dann 
Firenk-Solinian   („der  Franke   Soliman"),   Gefährte  Dschems;   Thuasne  S.   57. 

6)  „Con  tanta  quiete  e  con  ordine  cosi  bello,  che  e  cosa  meravigliosa  e  da 
non   creder   a  chi   con  li  propra   ochi  non  lo  vede";   S.    29. 


Hof  und  Heer   Sultan   Bajesids.      Seine  Ersetzung  usw.  30$ 


herabkamen.     Erst    nach    Erledigung-    dieser    Zeremonie    bildete 

man    ei 

führen. 


man    einen    feierlichen  Zug,    um    den  Gesandten    zum  Sultan    zu 


Der  „Emir  und  türkische  Kaiser",  wie  ihn  die  Ragusaner 
nannten  ^),  der  ,, erlauchte  Sultan  Bajesid-Khan"  der  Protokollisten 
von  Rom'),  oder,  wie  er  sich  selbst  betitelte:  ,, Sultan  Bajesid, 
von  Gottes  Gnaden  gröfster  König  der  Könige  und  Kaiser  beider 
Weltteile  Asien  und  Europa"  ^),  war  damals  ein  alter  schwer- 
mütiger Mann,  dabei  doch  ein  zuvorkommender,  bescheidener 
und  milder  Herr,  der  seinem  Vater  Mohammed  nicht  ähnelte. 

Er  verwandte  viel  Zeit  und  einen  grofsen  Teil  seiner  kaiser- 
lichen Einkünfte  darauf,  seine  beiden  Residenzen  —  Adrianopel, 
das  gesunder  war,  war  ihm  lieber  als  Konstantinopel  —  mit 
neuen  Gebäuden  in  schönerem,  schmuckreichem  Stil  auszustatten. 
Das  Imaret,  d.  h.  das  Gasthaus  in  ersterem,  ist  sein  Werk.  In 
der  Reichshauptstadt  selbst  erbaute  er  seine  Moschee,  die 
Bajesidijeh,  unter  deren  hohen  marmornen  Mauern  sich  die 
Kutbeh,  das  Mausoleum  des  Stifters,  befindet.  Das  prächtige, 
heutzutage  ,, Taubenmoschee  "  genannte  Gebäude,  der  bevorzugte 
Aufenthalt  zahlreicher  Tauben,  die  dort  gefüttert  werden,  zeichnet 
sich  durch  Kostbarkeit  des  benutzten  Materials,  wie  durch  die 
kunstreiche  Ausführung  des  bildhauerischen  Teils  an  Kapitalen 
und  Galerien  aus  ■*).  Als  ein  furchtbares  Erdbeben,  das  im  Jahre 
1509  volle  vierzig  Tage  hindurch  zu  verspüren  war,  Konstantinopel 
zum  grofsen  Teil  in  einen  wüsten  Trümmerhaufen  verwandelte, 
liefs  der  friedliche,  kunstsinnige  und  prachtliebende  Sultan  nicht 
weniger  als  40000  Salahors  hinbringen,  um  an  Stelle  der  zu- 


1)  „Dipl.  Rag."  S.  669. 

2)  Er  schrieb  dem  Papste  als  „oranium  christianomm  supremo  patri  et  do- 
mino,   divina  providencia  Romane  Ecclesie  summo  pontifici''. 

3)  „Suitanus  Paiazit,  etiam  Dei  gratia  maximus  rex  regum  et  imperatorum 
utrorumque  continentium  Asie  et  Europe";  cod.  lat.  monac.  18  933,  fol.  102  ff. 
Im  Friedensakte  für  Polen:  „Sultan  Baiazith ,  Dei  gratia  Asiae  et  Greciae  Impe- 
rator maximus •';   Handschrift  Czartoryski   in   Krakau  611,   fol.    27. 

4)  Vgl.  Barth  a.  a.  O.  S.  150;  Leunclavius  Sp.  598 — 599,  603, 
609  —  610,  656 — 657. 


304  Zweites  Bach.     Fünftes  Kapitel. 

sammengestürzten  neue,  bessere  Gebäude  aufzuführen.  Auch 
Arbeiten  an  den  Moscheen  Bajesids  und  seines  Vaters  erwiesen 
sich  als  nötig"  ').  Viele  Brände,  wie  der  vor  der  alten  Dschami 
im  Baumwollenbasar  ausgebrochene ,  gaben  ihm  ebenfalls  Ge- 
legenheit, das  Aussehen  seines  Stambul  zu  verschönern;  das 
durch  einen  Blitzschlag  in  Brand  gesetzte  Arsenal  wurde  statt- 
licher wiedererbaut  ^). 

Die  Kanuns,  die  kaiserlichen  Verordnungen,  Bajesids,  der 
gewifs  den  Beruf  zum  Gesetzgeber  in  sich  fühlte,  sind  uns  nicht 
erhalten.  Jedenfalls  hat  seine  lange ,  friedliche  Regierung  viel 
zur  Festsetzung  der  Formen  beigetragen,  in  denen  Hof,  Heer 
und  Verwaltung  nebeneinander  bestanden,  und  damit  das  Werk 
Mohammeds,  des  ersten  Kaisers,  in  wirklich  kaiserlichem  Sinne 
weitergeführt,  bis,  nach  der  stürmischen  Konquistadorenlaufbahn 
Sultan  Selims,  der  grofse  Soliman  kam,  um  dem  nach  orienta- 
lischem Geschmacke  kunstvollen  Staatsbau  und  der  gesellschaft- 
lichen Ordnung  für  zwei  ganze  Jahrhunderte  ihre  endgültige 
Gestalt  zu  geben. 

Durch  seine  Friedensliebe  und  verhältnismäfsig  gute  Ver- 
waltung bereicherte  Bajesid,  wenn  nicht  seine  Untertanen,  doch 
wenigstens  seinen  eigenen  kaiserlichen  Schatz.  Niemals  war  die 
Khasna  so  gut  gefüllt  wie  unter  ihm.  Drei  Jahre  nach  seinem 
Tode,  als  sein  Nachfolger  mit  dem  zusammengesparten  Dukaten- 
gold die  Heere  ausrüstete  und  unterhielt,  die  ihm  nicht  nur  die 
erste  Stellung,  sondern  die  fast  unbeschränkte  Herrschaft  im  Westen 
und  Süden  der  muselmanischen  Welt  gewannen,  ward  das  Ge- 
samteinkommen des  osmanischen  Reiches  auf  6  500  ooo  Dukaten 
(unter  Soliman:  120000CO)  geschätzt  —  tatsächlich  scheint  aber 
der  öffentliche  Schatz,  nicht  auch  jener  des  Sultans,  sich  nur 
auf  3000000  (unter  Soliman  1524  auf  4500000^))  belaufen  zu 
haben  *).     Es  bestand  aus  der  Kopfsteuer,  die  jährlich  100  Aspern 

i)  Ebenda;  auch  Giovio  in  Sansovino  fol.  337  vo  f, ;  Me  n  avin  o  ,  ebenda 
fol.   52  v'O  bis  53. 

2)  Ebenda.  3)  Alberi  a.  a.  O.  S.  95. 

4)  Offizieller  polnischer  Bericht  an  Papst  Leo  X.,  in  den  „Acta  Tomiciana" 
III,  S.  i68ff.,  und  daraus  in  Hurmuzaki  II',  S.  i68ff.;  vgl.  Alberi  S.  54 
und  Giovio  fol.   242. 


Hof  und  Heer   Sultan  Bajesids.      Seine  Ersetzung  usw.  305 

—  nach  einer  anderen,  etwas  späteren  Rechnung,  50  bis 
120  Aspern,  nach  dem  Vermögen  eines  jeden  ^)  —  für  jedes 
Haus  betrug-,  dem  Peschkesch,  der  ,,frei\vinigen  Gabe":  30  Aspern 
für  den  Christen  und  nur  25  auf  den  Türken,  welcher  der  Kopf- 
steuer, die  von  den  Kharadscharen  eingebracht  wurde,  nicht 
unterstellt  war  2),  dem  Zehnten  von  Vieh  und  Geflügel,  dem 
achten  Teil  vom  Wein,  dem  achten  oder  auch  siebenten  Teil 
vom  Korn  ^) ,  dem  kaiserlichen  Anteil  an  den  Bergwerken  — 
1/3  von  den  Mineralien,  '/g  von  geschmolzenen  Metallen  und  '/s  vom 
Münzschlag  — ,  dem  Ertrage  der  Salzwerke,  400 000  Dukaten, 
der  Steuer  auf  Mühlen  —  30  Aspern  (im  ganzen  400  OOO  Dukaten) 
jährlich  für  jedes  Mühlrad,  dem  ,, Zolle"  auf  den  Fischverkauf, 
dem  eigenartigen  Reismonopol  —  wer  Reisfelder  anbaute,  er- 
hielt den  Samen  dazu  aus  den  kaiserlichen  Speichern,  erstattete 
ihn  später  zurück  und  entrichtete  aufserdem  den  halben  Teil  der 
Ernte  — ,  einer  besonderen  Steuer  auf  Hornvieh  —  i  Asper  jährlich 
für  das  Stück  — ,  auf  Schafe  —  i  Asper  für  deren  fünf  (Summe: 
Sooooo  Dukaten)  —  und  Schweine  —  2  Aspern  für  jedes  ^).  Dazu 
kommt  die  stark  angewachsene  und,  trotz  aller  Verabredungen, 
immer  anwachsende  Summe  des  Kharadsch  —  nun  i  200  OOO  Du- 
katen —  von  Seiten  der  unterworfenen  Länder,  die  ihre  Autonomie 
bewahrt  hatten :  der  Inhalt  vieler  tausend  Geldsäcke  flofs  im  März 
und  April  in  den  sultanischen  Schatz  ^)  und  bildete,  nach  dem  Aus- 
spruche eines  Venezianers,  gleichsam  einen  ,, hohen  Berg"  von 
Aspern  ^).  Alle  diese  Posten  sind  uns  zum  Teil  schon  aus  früheren 
Äufserungen  abendländischer  oder  auch  orientalischer  Herkunft 
bekannt,  aber  bis  zu  diesem  zweiten  Zehntel  des  i6.  Jahr- 
hunderts hat  man  keine  so  genaue  und  vollständige  Aufzählung 
und  Einschätzung   derselben.     In  den  Quellen   scheint  sich  jetzt 


i)   Spandugino  in  Sansovino   fol.    Ii8   vo. 

2)  Spandugino  fol.    Ii8  vo  bis    119. 

3)  Hurmuzaki  a.  a.  O.  S.    179. 

4)  Ebenda  S.   179  —  180. 

5)  Bericht  des  Bailo ;  17.  April  15 14  (Archiv  von  Venedig,  ,,Capi  Con- 
«iglio  X."):  „Li  dissi  al  tempo  che  quelli  di  Schio,  Ragusi  et  altri  lochi  portavano 
il  suo  carazo,  che  era  de  Marzo  et  April. ^'' 

6)  „Monte  grandissimo."     Alb  er  i  a.  a.  O.  S.   72. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  '^'J 


306  Zweites  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

die   systematische  Wirtschaft   der   kaiserlichen   Finanzverwaltung- 
zu  spiegeln. 

Dieser  sorgsam  aufgespeicherte  Reichtum  verleitete  aber  die 
Janitscharen,  deren  Sold  zwar  95COO  Dukaten  verschlang,  sich 
im  Serail  selbst  ausgiebige  Entschädigung  zu  verschafifen,  weil  sie 
jetzt  nur  noch  selten  im  Kriege  gegen  ungläubige  Christen  Ge- 
legenheit fanden,  sich  durch  Beute  und  Lösegelder  zu  bereichern. 
Seit  langem  —  schon  unter  Mohammed  hatten  sie,  wenigstens 
im  Anfange  seiner  Regierung,  einen  Aufruhr  zustandegebracht  — 
zeigten  sie  sich  widerwillig  und  aufsässig.  Nach  der  Verhaftung 
des  bei  ihnen  sehr  beliebten  Achmed-Gedük  ging  das  Gerücht 
unter  ihnen,  dafs  der  ,, Kaiser"  ihnen  Verderben  sinne  und  ihre 
Miliz,  die  aus  Christenkindern  in  jedem  dritten  Jahre  nun  derart 
ausgehoben  wurde,  dafs  ein  Rekrut  im  Alter  von  15 — 18  Jahren 
auf  60  Familien  kam  ^),  durch  die  in  der  Mehrheit  ursprünglich 
türkischen  Asapen  ersetzen  wolle. 

Die  Michaloglis  Ali  und  Skender  rieten  ihrem  Herrn  mit 
ihrer  ganzen  Autorität  von  diesem  Vorhaben  ab ;  trotzdem  wurde 
Ali  beim  Heraustreten  aus  dem  Palast  von  der  lärmenden  und 
aufrührerischen  Soldateska  mit  Schmähworten  überhäuft  und  be- 
droht. Als  Bajesid  darauf,  um  der  Empörung  die  Spitze  abzu- 
brechen, die  Janitscharen  zum  Feldzuge  gegen  die  Moldau  berief, 
schlugen  sie  ihr  eigenes  Lager  auf,  statt  mit  ihren  Körpern  die 
heilige  Majestät  ihres  Herrn  und  ,, Vaters"  zu  decken;  sie  wollten 
den  Sultan  nicht  in  ihrer  Mitte  dulden.  Er  sah  sich  genötigt, 
ihnen  förmlich  Geiseln  zu  stellen,  wollte  er  anders  unter  den 
gewöhnlichen  Bedingungen  ein  Heer  bilden  2). 

FreiHch  versichert  ein  kundiger  Venezianer,  dafs  dieser  an- 
gebliche Feind  der  Janitscharen,  die  Anzahl  derselben  —  die  sich 
15 14  auf  12000  und  ohne  die  Elitetruppen  auf  8000  belief  ^)  — 


1)  Siehe  den   schon  envähnten    polnischen    Bericht    in   Hurmuzaki    a.   a.   O, 

S.  177- 

2)  Leunclavius  S.  625 — 627;  vgl.  Angiolello  fol.  74.  Nach  Angio- 
lello,  fol.  68  vo,  soll  er  beim  Regierungsantritte  versprochen  haben,  seine  Wesire 
nur  unter  den  „Christensöhnen"  zu  suchen. 

3)  Hurmuzaki  U^,  S.   169,   I77ff.     Nach  Angiolello,  fol.   58,   loooo. 


Hof  und  Heer  Sultan   Bajesids.     Seine  Ersetzung  usw.  307 

vermehrt  habe  ').  Ihre  Herzen  konnte  er  aus  dem  einfachen 
Grunde  nicht  g-ewinnen,  weil  er  ihnen  allzu  friedliebend,  allzu 
sehr  „Philosoph"  zu  sein  schien.  An  dem  streng-en  Moslem 
und  vorzeitig-  Alternden,  der  seinen  Vater  beschuldigte,  keinen 
Glauben  und  unheilige  Vorliebe  für  venezianische  Maler  und 
ihresgleichen,  auch  Freude  an  Metallarbeiten,  wie  Bogenringen, 
Schwertscheiden  u.  a.  gehabt  zu  haben,  und  gleich  nach  dessen 
Tode  die  zweifelhaften  Bilder,  an  denen  sich  dieser  ergötzte  ^), 
vernichten  liefs,  —  fanden  sie  ihrerseits  keinen  Gefallen.  Auch 
argwöhnten  sie,  dafs  er  allzusehr  vom  Willen  seiner  Wesire  ab- 
hing, die  oft  ihren  persönlichen  Vorteilen  nachjagten.  Wenn 
der  bosnische  Herzogssohn  Achmed,  der  Schwiegersohn  des 
Herrschers  geworden  war,  als  eine  edle  Natur,  die  ihren  christ- 
lichen Gott  nur  zum  Schein  abgeschworen  hatte  ^),  treu  seinem 
Kaiser  diente  —  er  galt  als  ebenso  mächtig  wie  der  Sultan  *)  — , 
so  waren  die  anderen  gemeinen,  heuchlerischen  und  eigennützigen 
Charakters,  Meister  in  der  Kunst  der  Verstellung  und  Ausbeutung. 
Nicht  einmal  der  Janitscharen-Aga,  Rustem-beg,  ein  Bosnier,  der 
andere  Schwiegersohn  Bajesids,  hatte  bessere  Eigenschaften^), 
und  der  Bruder  seiner  Mutter,  Mustafa-beg,  der  ebenfalls  bald 
starb,  zeichnete  sich  durch  keinerlei  Qualitäten  aus  ^).  Ein 
anderer  Mustafa,  der  Sohn  eines  Priesters  in  Amphipolis, 
dem  man  unter  den  Wesiren  der  letzten  Jahre  Bajesids  begegnet, 
wird,  wie  schon  gesagt,  der  ,,  hochmütigste  Türke  in  Konstanti- 
nopel" genannt^).  Der  Wesir  Daud  war  lediglich  durch  seinen 
Hafs  gegen  die  Christen  bemerkenswert  ^).  Zuletzt  hatten,  neben 
Achmed  Hersekogli,  ein  Ali  und  Jahja  die  ganze  Macht  an 
sich   gerissen  ^). 

i)  „Aggrandi  prima  el  numero  de'  gianizzeri" ;  Alberi  a.  a.  O.   S.   21. 

2)  „La  cose  di  lussuria  ...   assai  belle";    Angiolello  fol.  48  v»  bis  49. 

3)  Giovio  fol.  335   vo. 

4)  „Auttorita   ...   tanto    grande    quanto    quella    dell'    istesso   Gran   Signore"; 
Alb  eri  S.  41. 

5)  Angiolello  fol.   73.  6)  Ebenda  fol.   74. 

7)  „II  piü  superbo  Turco  che  sia  in  Constantinopoli" ;    Alberi  S.  41,  50; 
vgl.  Giovio  fol.  335;  oben,  S.   301. 

8)  Ebenda, 

9)  Leunclavius  Sp.  646 — 647. 

20* 


308  Zweites  Buch.      Fünftes  Kapitel. 

Diese  osmanischen  Würdenträger  tranken  Wein  und  liefsen 
sich,  wie  später  Dukaschinogli,  berauschen;  dann  konnten  ihnen 
die  verschmitzten  venezianischen  Ag^enten  die  Staatsgeheimnisse 
ablauschen  ^).  Ihre  diplomatische  Kunst  bestand  vor  allem  in 
krassen  Lügen  und  der  Verschleppung  aller  Geschäfte,  um  sich 
mehr  zahlen  lassen  zu  können  —  lOOO  Dukaten  waren  eine 
Kleinigkeit  für  sie;  sie  wichen  jedem  Drängen  so  fein  und 
sicher  aus,  dafs  sich  in  die  Verachtung  der  Venezianer  etwas 
wie  Bewunderung  mischte  ^). 

1508  eröffnete  des  Sultans  Schwiegersohn,  Hassan-Pascha, 
unter  den  Mauern  Konstantinopels  Buden  für  den  Verkauf  von 
Brot  imd  Fleisch  und  gefährdete  dadurch  die  Verproviantierung 
der  Hauptstadt:  die  Janitscharen  brachen  in  hellen  Aufruhr  aus, 
zerschlugen,  was  sie  in  den  Buden  des  Ausbeuters  fanden,  und 
gingen  so  weit,  die  Moschee  Bajesids  zu  besudeln  ^) ;  der  Sultan 
mufste  persönlich  erscheinen  und  die  Buden  schliefsen. 

Auch  1506  waren  alle  höheren  Beamten  des  Reiches  als 
Leute  mit  gutem  Magen  bekannt  *).  Die  Umgebung  des 
schwachen  Kaisers  bestand  aus  solchen  gemeinen,  jedes  Talentes 
baren  Leuten,  und  dies  mufste  die  Unzufriedenheit,  besonders 
der  Janitscharen,  steigern.  Als  Bajesid  nach  1508,  von  Gicht 
geplagt,  nicht  mehr  reiten  und  gehen  konnte,  wurde  die  Frage 
der  Thronfolge,  die  für  die  leitenden  Faktoren  des  Reiches  sehr 
wichtig  war,  akut. 

Von  seinen  sechs  Söhnen  war  Mahmud  von  Manissa 
wegen  Ungehorsams  und  weil  er  die  Regierungsart  des  Vaters  in 


i)  Bericht  in  den  ,,Capi  Consiglio  X.",  19.  April  1514:  „Scaldato  dal 
vino  alquanto  .  .  .  Quando  questi  sono  un  pocho  allegri  del  vino ,  parlano ,  et  le 
parole  sue  vieneno  de  la  radice." 

2)  „Dir,  desdir,  zonzer  et  sminuir  secondo  li  torna  bene  non  l'hano  per 
vergogna  ...  I  susitano  nove  dimande,  et  fanno  che  alle  volte  el  se  crede  haverli 
in  pugno  et  sono  discosti  mille  miglia";  Bericht  vom  25.  November  1513;  „Capi 
Consiglio  X." 

3)  „Con  stercore  imbratono  tuto  quel  tempio";  Archiv  von  Venedig,  „Missive 
e  responsive",   1508 — 1510. 

4)  „Tuti  do  ano  bon  stomacho";  Berichtvom  18.  Januar,  „Capi  Consiglio  X.". 


Hof  und  Heer  Sultan  Bajesids.      Seine  Ersetzung  usw.  309 

Konstantinopel  selbst  verkleidet  spionierte  '),  hing-erichtet  worden; 
zwei  andere,  Dschihanschach,  Sandschak  in  Karien  (-j-  1510)  '^),  und 
Alemschach ,  starben  vor  dem  kritischen  Jahre  1 5 1 1 ;  die  von 
ihnen  hinterlassenen  Söhne,  denen  asiatische  Sandschakate  an- 
vertraut wurden,  dachten  nicht  an  die  kaiserliche  Erbschaft  des 
Grofsvaters,  —  so  wenig-  diese  auch  durch  allgemein  angenommene 
Grundsätze,  so  sehr  sie  auch  vielmehr,  neben  der  ersten  Be- 
dingung osmanischen  Blutes,  vom  Glücke  des  Krieges  beeinflufst 
zu  werden  pflegte  ^).  In  Manissa  führte  Korkud,  der  beim  Tode 
Mohammeds  II.  den  Thron  besetzt  hatte  und  vom  Heere  als 
regierender  Sultan  ausgerufen  worden  war,  um  sehr  bald  —  war 
er  doch  noch  ein  Kind  —  dem  herbeigeeilten  Vater  Platz  zu 
machen,  ein  vergnügtes  Leben;  er  glich  dem  verstorbenen  Oheim 
Dschem,  was  die  Liebe  zu  literarischen  Beschäftigungen  be- 
trifft; darum  wollten  die  Janitscharen ,  die  durch  militärische 
Wichtigkeit  und  unbändigen  Geist  zu  einer  entscheidenden 
Prätorianerklasse  herangewachsen  waren,  von  ihm  als  Erben  des 
Reiches  nichts  wissen.  Achmed  war  der  Erstgeborene  Selims; 
ein  schöner  Mann,  aber  wollüstig,  träge  und  zu  Beleibtheit 
neigend,  der  sich  noch  durch  keinen  Sieg  ausgezeichnet  hatte; 
in  seinem  anatolischen  Sandschakate  war  er  vor  der  Zeit  gealtert; 
trotzdem  hoffte  er,  da  ihn  der  Vater  öffentlich  vorzog  und 
einige  wenige  Zivilbeamte  ihn  unterstützten,  kraft  seiner  Rechte 
das  Reich  einst  zu  regieren. 

Endlich  verwaltete  der  magere  Selim,  mit  grofsen  feurigen 
Augen,  schwärzlichem  und  immer  finsterem  Gesicht  und  langem 
Schnurrbarte,  der  von  derselben  Mutter  wie  Korkud  stammte, 
das  Sandschakat  Trapezunt  *).  Er  lechzte  seit  seiner  Jugend 
nach  kriegerischem  Ruhme  und  hatte  vom  widerstrebenden 
Vater    1503    eine    andere    Provinz    verlangt,    um  Gelegenheit   zu 


i)  Menavino  in  Sansovino  fol.   52  —  52  vo. 

2)  Angiolello   fol.    114. 

3)  „Colui  che  ha  la  spada  piü  acuta,  se  fä  Signore'',  schreibt  Jani  Las- 
karis,  über  den  Tod  Aleraschachs  siehe  Albe  ri  S.  23:  „Alquanti  anni  mori." 
Für  die  Hinrichtung  Mahmuds   auch  Leunclavius  Sp.   659. 

4)  Spandugino   in   Sansovino   fol.    203. 


310  Zweites  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

haben,  die  persischen  Feinde  des  Reiches  zu  bekriegen  ^).  So 
war  er  der  Liebhng-  der  Janitscharen,  die  von  ihm  Ehre  und 
Gewinn  in  künftigen  Feldzügen  erwarteten ;  und  auch  die  meisten 
Wesire  und  andere  hohe  Agas,  die,  als  ausgezeichnete  Menschen- 
kenner, erkannten,  was  in  diesem  wilden  und  leidenschaftlichen 
Jüngling  steckte,  waren  ihm  günstig  gesinnt. 

Im  Jahre  1510  begab  sich  Selim,  der  seit  mehreren  Jahren 
Schwiegersohn  des  tatarischen  Khans  war  und  aus  seiner  Ehe 
einen  zehnjährigen  Sohn,  den  künftigen  grofsen  Sultan  Soliman  ^), 
hatte,  nach  der  vom  Khan  regierten  Halbinsel  der  Krim;  er 
gewann  die  Janitscharen ,  die  die  Besatzung  Kaffas  bildeten  ^), 
und  erhob  die  starke  und  noch  reiche  Stadt  zu  seiner  neuen 
Residenz.  Bald  fielen  ihm  auch  Kili  und  Akkerman  (i.  Mai  151 1) 
zu,  die  die  Moldau  beherrschten  ^).  Dann  nahm  er  3000  leichte 
tatarische  Reiter,  die  von  zwei  Khanoglis,  seinen  Schwägern, 
befehligt  waren,  vereinigte  mit  ihnen  eine  ziemlich  bedeutende, 
durch  hohen  Sold  und  Verheifsung  von  Timars  in  allen  Winkeln 
zusammengeworbene  F'ufsmannschaft,  die  er  nach  dem  System 
der  Janitscharen  gedrillt  hatte,  verband  sich  mit  einem  der 
Malkotschoglis,  der  Markgrafen  an  der  Donau  ^),  und  drang  über 
den  Flufs  in  die  Dobrudscha,  wo  seit  kurzem  3000  Tataren  an- 
gesiedelt waren  ^) ;  erst  bei  Warna  verliefs  er  das  tatarische  Gebiet, 
um  in  die  eigentlich  türkischen  Provinzen  überzutreten. 

Dem  Vater,  der  ihn  nach  dem  Ziel  seines  Zuges  fragen 
liefs,  antwortete  er  bescheiden,  dafs  er  nur  der  Pflicht  jedes 
Sandschaks,  den  Herrn  jährlich  zu  besuchen  und  ihm  ,,die  Hand 
zu  küssen"  ^),  nachkommen  wolle.    Bajesid  kannte  ihn  nur  allzu 

1)  Alber  i   S.   23. 

2)  Giovio  bestätigt,  dafs  Soliman  der  Sohn  der  Tochter  „del  re  Bosphorano, 
di  sangue  tartaresco"  war;  fol.   354  vo. 

3)  Gewöhnlich  standen  in  jeder  grofsen  Festung  500  derselben,  die  alle  drei 
Monate  gewechselt  wurden;  polnische  Beschreibung  des  Reiches;  s.  oben,  letztes 
Kapitel  des  vorigen  Buches. 

4)  Meine  „Chilia  ^i  Cetatea-Albä"  S.   r8o. 

5)  Spandugino  fol.   203. 

6)  Polnische  Beschreibung. 

7)  „Almeno    uiia  volta   l'anno  ...  baciarli  la  mano";    Angiolello  fol.  14. 


Hof  und  Heer  Sultan  Bajesids.     Seine  Ersetzung  usw.  311 

g-ut;  er  lieis  sich  nicht  in  Adrianopel  überraschen,  sondern  trat 
eihg-  den  Weg-  nach  der  Reichshauptstadt  an,  wo  er  sich  sicherer 
fühlte.  Selim  folg-te  ihm,  ohne  den  Charakter  des  verdächtigen 
,, Besuchs"  zu  offenbaren.  Bei  Tschorlü,  eigentlich  beim  Dorfe 
Sirtköi  ')  aber  verleitete  ihn  sein  leidenschaftlicher  Ehrgeiz  zum 
Kampfe.  Der  alte  Sultan,  der  die  Fahne  des  Propheten  ent- 
falten liefs,  leitete  die  Truppen,  die  ihn  umgaben,  persönlich, 
und  seine  Stimme  erklang  weithin,  als  er  rief:  ,, Tötet  den  Huren- 
sohn ^)!".  Trotz  grofser  persönlicher  Tapferkeit  des  entlarvten 
Thronbewerbers  waren  die  schnellen,  aber  schlecht  bewaffneten 
und  für  keine  Schlacht  im  höheren  Sinne  vorbereiteten  Tataren 
kein  ebenbürtiger  Gegner  für  die  beste  Armee  der  Welt  — 
obgleich  die  meisten  Truppen  unter  Wesir  Ali  gegen  die  Rebellen 
in  Asien  kämpften,  —  und  die  improvisierten  Janitscharen  waren 
nicht  imstande,  den  echten  zu  widerstehen.  Der  Versuch  der 
Tataren,  das  Sultansheer  zu  umzingeln,  mifslang,  und  damit  war 
der  Tag  entschieden.  Die  Gefangenen  wurden  von  Bajesid 
mitleidlos  niedergehauen^).  Doch  wurde  Selim  nicht  allzu  eifrig 
verfolgt,  so  dafs  er  sich  von  Midia  aus  zur  See  in  seine  Krim 
retten  konnte  (Juli   15 12)*). 

Damit  hatte  Bajesid  freilich  noch  keinen  endgültigen  Sieg, 
keine  wirkliche  Ruhe  erreicht.  Während  sich  Selim  so  rührig 
wie  vorher  zeigte  und  mit  allen  Mächten  an  der  Donau ,  selbst 
mit  der  Moldau,  die  beständig  von  den  Tataren  bedroht  wurde,  Be- 
ziehungen anknüfte,  lag  in  Asien  Achmed  von  Amasia  in  heifsem 
Kampfe  mit  Mohammed,  dem  Sohne  Schahinschahs ;  im  Dezember 
151 1   wufste  man  in  Konstantinopel,   dafs  die  beiden  Fürsten  ,,  bei 


i)  Vgl.  Spandugino  fol.  203  v«:  „Dirimpetto  a  Zurla  et  alle  Quaranta 
Chiese"  (Kirk-Klissi). 

2)  ,,Ammazzate,  ammazzate  questo  bastardo";  Spandugino  fol.   203  vo. 

3)  Siehe  das  Zeugnis  Menavinos  fol.  53ff. ,  der  hinzufügt:  „lo  che  quivi 
a  queste  cose  sempre  stetti  alla  presentia";  vgl.  auch  weiter  fol.  56:  er  ist  einer 
von  den  „cinque  giovani  .  .  .  al  servitio  della  sua  persona". 

4)  Beschreibungen  der  Schlacht  und  des  ganzen  Krieges  in  der  osmanischen 
Chronik,  Leunclavius  Sp.  613  ff. ;  andere  Version  Sp.  646  ff. ;  in  Angiolello; 
in  Giovio  der  ebenso  wie  Spandugino  für  diese  Ereignisse  gute  mündlich6 
Quellen  benutzte,  fol,   346  ff. 


313  Zweites  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

den  Wassern  oberhalb  Brussa"  ^)  blutig  um  die  künftig-e  Reichs- 
herrschaft rangen.  Zuletzt  blieb  Achmed  Sieger,  zumeist  dank 
der  ritterlichen  Kühnheit  seiner  Söhne  Murad  und  Alaeddin. 
Mohammed  wurde  mit  seinem  Bruder  im  Larendah  gefangen 
genommen  und  nicht  einmal  nach  Bajesids  Eingreifen  zurück- 
gegeben ^). 

Nun  riefen  seine  Anhänger,  der  Kasiasker,  der  Nischandschi- 
Bascha  —  der  die  Gnadenakte  des  Sultans  siegelte  und  dafür 
400 — 500  iAiSpern  jährliches  Gehalt  bezog  ^)  — ,  und  Junus-Pascha, 
den  siegreichen  Sultanssohn  Achmed  mit  seiner  ganzen  Familie 
nach  Konstantinopel,  um  ihn  in  die  Nähe  des  voraussichtlich 
bald  verwaisten  Thrones  zu  bringen.  Er  schlug  sein  Lager  vor- 
sichtig im  asiatischen  Skutari  auf.  Auch  Korkud,  mehr  ge- 
zwungen als  freiwillig,  erschien  und  blieb,  trotz  dem  Verbote 
des  Vaters,  in  seinem  Quartier  bei  der  Janitscharenkaserne 
stehen. 

Dadurch  sahSelim,  den  Bajesid  durch  Verleihung  eines  grofsen 
Donausandschakats  von  Semendria  bis  Akkerman  zufrieden  zu 
stellen  suchte,  die  heifs  ersehnte  Beute  sich  entgehen,  er  mufste 
wagen,  alle  Ränke  zu  vereiteln  und,  dem  Prioritätsrecht  entgegen, 
sein  Recht,  als  Superioritätsrecht,  durchzusetzen.  Im  tiefen 
Winter  kam  er  wieder  nach  Konstantinopel  —  vielleicht  im 
Namen  des  Vaters  gegen  Achmed,  der  sich  Sultan  von  Anadol 
nennen  liefs,  gerufen  — :  nur  einige  Tataren  begleiteten  ihn 
diesmal,  und  er  trat  nicht  mehr  als  bewaffneter  Rebell  gegen 
das  Reich  auf;  die  Janitscharen  hatten  ihn  151 1  doch  verleugnen 
und  gegen  seine  Heeresmacht  kämpfen  müssen ,  weil  sie  ihre 
heiligste  Pflicht,  den  Kaiser  gegen  jeden  Feind  zu  beschützen, 
nicht    verletzen   konnten.     In   Kütschük-Tschekmedsche,    Ponte- 


i)  „In  le  aqua  sopra  Brussa";  Bericht  vom  17.  Dezember;  „Missive  e  re- 
sponsive",  1511  —  15x7. 

2)  Giovio  fol.  338  yoff.,  in  falscher  chronologischer  Verbindung.  Der  er- 
wähnte venezianische  Bericht  vom  1 7.  Dezember  spricht  von  einem  Kampfe  mit 
Korkud:  „Dice  etiam  [il  proveditore  di  Napolia  di  Romania]  come  Sultan  Ahmet 
cum  persona  XV  m  in  le  aque  sopra  Brussa  se  era  afrontato  cum  el  Sultan  Corcut, 
et  era  State  tagliate  persone  assai  de  essi  frateli." 

3)  Angiolello   fol.   53  \°. 


Hof  und  Heer  Sultan  Bajesids.      Seine  Ersetzung  usw.  313 

Piccolo,  in  der  Nähe  der  byzantinischen  Mauern,  hatte  er  eine 
Unterredung-  mit  Korkud,  der  sich  durch  das  Anerbieten  der 
Insel  Lesbos,  als  Zuwachs  zu  seinem  bisherigen  Sandschakat, 
bewegen  liefs,  nach  Asien  zurückzukehren,  um  seinen  geliebten 
Studien  in  Ruhe  weiter  obzuliegen.  In  der  Stille  betrat  er  die 
Reichshauptstadt  und  bezog  Quartiere  beim  Jeni-Bazar. 

Jetzt  gerieten  aber  die  Janitscharen,  infolge  der  Anwesenheit 
des  von  ihnen  verachteten  Achmed,  in  Bewegung.  Sie  er- 
schienen als  drohende  Bittsteller  vor  dem  Diwan,  nachdem  sie  nach 
altem  barbarischem  Brauche,  der  über  dem  Feind  das  Zelt  zu- 
sammenrifs,  die  hölzernen  Häuser  der  Parteigänger  Achmeds  — • 
auch  das  des  rumischen  Beglerbegs  Hassan  —  zerstört  hatten. 
Vom  Sultan  verlangten  sie  einen  jungen,  kräftigen  und  tüchtigen 
Führer  in  den  künftigen  notwendigen  und  lang  erwarteten 
Kriegen.  Achmed,  dem  sein  Vater  bereits  einen  Teil  des 
Schatzes  geschickt  hatte,  wollten  sie  als  solchen  nicht  dulden 
und  riefen  Selim  zum  Generalissimus  aus,  einen  förmlichen  Berat 
(Bestätigungsakt)  für  ihn  fordernd.  Lange  zögerte  der  körperlich 
zwar  schwache  und  vom  Alter  bedrückte,  aber  hartnäckige  und 
seiner  Rechte  sich  wohl  bewufste  Sultan,  den  Rebellen  nachzugeben. 
Endlich  entschlofs  er  sich  zur  Abdankung;  nachdem  er  den  Siegern 
die  Khasna  überantwortet  hatte,  blieb  Bajesid  —  freilich  immer 
noch  Sultan,  aber  von  allen  mit  Ausnahme  des  treuen  Junus  ver- 
lassen, während  sich  die  Beamten  und  Krieger  um  das  bescheidene 
Haus  Selims  in  Jeni-Bazar  drängten,  —  zwanzig  traurige  Tage,  die 
für  ihn  eine  Vorbereitung  zum  Tode ,  ein  Innewerden  der  V^er- 
gänglichkeit  aller  menschlichen  Gröfse  bedeuteten,  in  diesem 
Konstantinopel,  seinem  väterlichen  Erbe,  das  seine  Haupt- 
stadt während  dreifsig  Jahren  gewesen  war.  Endlich  bewegte 
sich  mit  aller  kaiserlicher  Pracht  der  Zug  auf  der  Strafse 
nach  Demotika,  der  für  ihn  bereiteten  letzten  Residenz.  Von 
einigen  hundert  Soldaten  und  einem  bescheidenen  Gefolge 
umgeben  und  auch  mit  einigem  Gelde  und  Juwelen,  wollte 
sich  der  Entthronte  dorthin  begeben,  aber  auf  dem  Wege, 
beim  Flüfschen  Sasli-Dere  ^),    ereilte    ihn    der  Tod;    die  meisten 

l)  Agrasch-Köi  wird  die  Ortschaft  in  Soliitians  Tagebuche  für  den  moldaui- 
schen Zug  von   1538  genannt  (Anhang  zu  Hammer  III). 


314  Zweites  Buch.     Fünftes  Kapitel. 

glaubten,  dafs  sein  jüdischer  Arzt  ihm  Gift  kredenzt  hatte,  und 
zwar  auf  Befehl  Selims,  der,  vorläufig-  allem  Pompe  abhold, 
gleich  nach  dem  Auszüge  des  Vaters  sich  eilig  in  den  Besitz 
des  Serails  gesetzt  hatte,  wo  ihn  die  zurückkehrenden  Begleiter 
Mohammeds  bereits  vorfanden.    Es  war  der  23.  April   15 12  '). 

Selim  war  entschlossen,  alle  Mittel  zu  gebrauchen,  um  sich 
vor  allem  inneren  Hader,  vor  Familienzwistigkeiten  und  Prätendenten- 
ränken zu  sichern ;  ein  grausames  Beispiel  hatte  ihm  sein  von 
ihm  bewunderter  Grofsvater  Mohammed  IL  gegeben,  dem  er  mit 
Eifer  nachstrebte.  Seine  Regierung  begann  mit  einem  rücksichts- 
losen Kriege  gegen  Achmed  und  mit  der  Vernichtung  aller 
osmanischen  Prinzen. 

Der  Kampf  Selims  mit  Achmed  verlief  wesentlich  leichter 
als  dreifsig  Jahre  vorher  derjenige  Bajesids  gegen  Dschem. 
Denn  der  diesmalige  Prätendent  hatte  keinen  hohen  Beamten, 
keinen  Sandschak  einer  ausgedehnten  und  wichtigen  Provinz, 
keine  ständige  Armee  für  sich;  es  bedurfte  der  Bemühung  seines 
Feindes,  ihn  überhaupt  in  die  Falle  zu  locken  und  zugleich  mit 
seinen  Hoffnungen  auf  die  Herrschaft  auch  sein  Leben  verlieren 
zu  lassen.  Im  Sommer  15 12  kam  Selim  mit  seinen  Janitscharen 
nach  Asien  und  ging  ungehindert  bis  nach  Angora;  von  hier 
aus  schickte  er  seinen  Imrochor  oder  obersten  Stallmeister  in 
die  armenischen  Berge  bei  Amasieh,  um  auf  Achmed  zu  fahnden. 
Als  der  Winter  kam,  bezog  man  Quartiere  in  Brussa,  wo  keine 
Gefahr  drohte;  auch  war  das  Heer  schon  aufgelöst  worden;  im 
Frühling  15 13  ergingen  aus  der  Umgebung  des  Sultans  Briefe 
an  dessen  bisher  in  Untätigkeit  verharrenden  Bruder,  die  ihm 
einen  schnellen  Angriff  auf  das  Heer  Selims  empfahlen,  indem  an- 
geblich viele  nur  auf  sein  Erscheinen  warteten,  um  den  Tyrannen 
zu  verlassen.  Erst  langem  Drängen  nachgebend  versuchte  der 
schöne  und  kräftige  Prinz  das  Glück,  um  bald  zu  erkennen,  dafs 
er  schmählich  betrogen  war.  Nach  einer  sogenannten  ,, Schlacht" 
bei  Jenischehr,  wo  Achmed  sich  sehr  tapfer  gehalten  —  er 
warf  den  Beglerbeg  zurück  und  seine  Reihen  wurden  nur  von  den 

i)  Vgl.  „Dipl.  Rag."  S.  853:  „Cui  Selemo  pater  cessit  solium  ad  peticionem 
lanizariorum  die  23  Aprilis  proxime  preterito";  in  Angiolello  fol.  114  wird 
der  24.  April  angegeben. 


Hof  und  Heer  Sultan   Bajesids.     Seine  Ersetzung  usw.  315 

Tataren  durchbrochen  — ,  fiel  er  in  die  Gefangenschaft  des 
Sultans  und  wurde  erdrosselt. 

Ohne  Schwierig-keit  bemächtigte  man  sich  auch  Korkuds, 
nicht  in  seiner  Residenz  Manissa,  sondern  am  Meeresufer,  bei 
Smyrna,  wohin  er  mit  wenigen  Freunden  geflohen  war,  um  ein 
Schiff  zu  suchen,  und  dieser  friedliebende  Bruder  des  rücksichts- 
losen Herrschers  erlitt  das  gleiche  Schicksal.  Mohammed,  der 
schöne,  21jährige  Sohn  Dschihanschachs,  der  aus  der  Gefangen- 
schaft Achmeds  entrann,  um  unbedacht  in  die  Hände  eines  weit 
gefährlicheren  Verwandten  zu  fallen,  wurde  ebenfalls  bald  in  der 
sich  rasch  füllenden  Gruft  der  Osmanen  zu  Brussa  beigesetzt. 
Auch  einer  von  Achmeds  Söhnen  wurde  hingeopfert;  schnell 
wuchs  die  Zahl  der  jungen  Prinzen,  die  auf  kaiserlichen  Befehl 
dem  Henker  verfielen  und  —  übrigens  mit  aller  ihrem  Blute 
schuldigen  Ehrfurcht  —  von  den  Soldaten  Selims  ums  Leben 
gebracht  wurden.  Aus  dem  ganzen  osmanischen  Hause  blieben 
aufser  Selim  selbst  und  seinem  einzigen  in  Konstantinopel 
zurückgelassenen  *)  Sohne  Soliman  —  mehr  Erben  wollte  der 
Sultan  nicht  haben  und  verzichtete  auf  jeden  weiteren  Umgang 
mit  seinen  Frauen,  indem  er  statt  dessen  mit  jungen  Sklaven 
dem  Laster  des  Orients  huldigte  (Mai  1513)  ■^)  —  nur  Murad, 
ein  Sohn  Achmeds,  der  nach  dem  Hofe  des  Schachs  entflohen 
war,  und  zwei  Brüder  desselben  —  einer  davon  war  Alaeddin  ^) 
—  die  beim  Soudan  von  Ägypten  Aufnahme  fanden,  übrig  *). 

Auf  so  grausame  Weise  wurde  für  ein  halbes  Jahrhundert 
die  dynastische  Frage  gelöst  und  der  Mord  gegen  die  Brüder 
des  neuen  Herrschers  und  ihre  Nachkommenschaft  zu  einem  der 
wichtigsten  Gesetze  des  Reiches  erhoben. 


1]  ,,Un  suo  figliuolo  piccolo  d'anni  X...,  il  quäle  haveva  nome  Soliman"; 
Angiolello  fol.  Ii6.  Ein  venezianischer  Gesandter  gibt  15 14  das  Alter  des 
jungen  Soliman  auf  17  Jahre  an;  Alberi  S.  48. 

2)  „Non  s'impaccia  piü  con  donne";   Alberi   a.   a.   O. 

3)  Er  starb  aber  bald  auf  dem  Meere  bei  der  Küste  Nordafrikas;  Menavino 
fol.   58  voff. 

4)  LeunclaviusSp.  684  ;  andere  Version  Sp.  740  ff. ;  G  i  o  v  i  o  S.  343  vo  ff.  — 
sehr  ausführlich  und  im  ganzen  wahrheitsgetreu.  Vgl.  Hurmuzaki  11^  und  Acta 
Tomiciana  U,  z.  J. 


Sechstes  Kapitel. 
Sultan  Selims  Politik  in  Europa. 


So  hatte  sich  Selim  den  Besitz  seines  kaiserhchen  Thrones 
gesichert.  Ein  gerechter,  aber  strenger  Herr,  war  er  jedem  Mit- 
leid unzugänglich  und  wollte  keine  sanftere  Lebensart  gelten 
lassen;  er  kannte  die  Gesetze  und  las  fleifsig  im  ,,Buch 
Alexanders  des  Grofsen",  aber  für  Kunst  und  Dichtung  hatte  er 
kein  Verständnis  ').  Bereits  in  den  ersten  Tagen  nach  seiner 
Thronbesteigung  machte  er  den  Janitscharen  gegenüber  sein 
Recht  geltend,  alle  Schuldigen  in  ihrer  Mitte  aus  einiger  Macht- 
vollkommenheit zu  bestrafen;  ein  Janitschar  und  ein  Ulufedschi 
wurden  gehängt,  um  der  Welt  zu  zeigen,  dafs  er  nicht  einmal 
seine  Helfer  und  die  Stützen  seines  Thrones  zu  schonen  ge- 
dachte '"*).  Während  der  ersten  Kämpfe  in  Asien  gegen  die 
osmanischen  Prinzen  liefs  er  den  Wesir  Mustafa  wegen  Verrats 
umbringen  und  den  nackten  Leichnam  auf  die  Strafsc  werfen  ^). 
Später,  nach  dem  Siege  über  den  Perserschach,  strafte  er  einige 
Janitscharen  auf  das  härteste  ^)  und  liefs  seinen  Schwiegersohn 
Iskender-Pascha  und  den  Kasiasker  Fadschizadeh,  seine  intimen 
Freunde,  wie  auch  den  Seimen-Bascha,  auf  den  Verdacht  hin, 
dafs  sie  die  Janitscharen  aufzuwiegeln  versucht  hätten,  hinrichten. 
Auch  Junus,    ein  alter,    verdienter  Offizier  seines  Vaters,    verfiel 


i)  Alb^ri  S.   50,  53. 

2)  Leunclavius  Sp.  6i5ff.  Audi  Mohammed  IL,  das  Vorbild  Selims,  liatte 
1476  200  Janitscharen,  die  den  Ungarn  eine  Festung  überliefert  hatten,  in  einem 
Flusse  ertränken  lassen;  AngioleUo  fol.   34  vo. 

3)  Giovio   fol.   344   vo;  AngioleUo   fol.    116;   Menavino   fol.    58   yoff. 

4)  Cambini  in  Sansovino   fol.  175 — 175  vo. 


Sultan  Selims  Politik  in  Europa.  3!  7 

dem  g-leichen  Schicksal:  nach  der  Eroberung-  Ägyptens  traf  ihn 
die  Rache  seines  Herrn,  weil  er  einige  Geldsummen  unterschlagen 
und  beim  Gebete  in  den  Moscheen  sich  „Sultan"  statt  Pascha 
zu  nennen  gewagt  hatte  ^).  Über  jedes  Gefühl  von  Blutsver- 
wandtschaft, Familienbeziehungen,  Dankbarkeit  und  freundlicher 
Hinneigung  zu  einem  seiner  Sklaven  war  Selim  erhaben. 

Schon  bei  seinem  Regierungsantritte  war  man  sich  klar, 
dafs  der  neue  Osmanenherrscher  ein  ,,  wilder  "2)  Mensch  sei, 
der  nur  an  waghalsigen  Ritten  auf  seinem  ,, Schwarzer  Gedanke" 
genannten  Rosse,  an  Schwerthieben  und  Bogenschiefsen,  am 
Anblick  der  fliehenden  Fahnen  des  Feindes,  an  der  Vernichtung 
stolzer  Dynastien  und  der  Erschütterung-  alter  Staatsgründungen 
Freude  und  Gefallen  finde.  Als  die  üblichen  Boten  vor  ihm 
erschienen,  um  ihm  den  Grufs  ihrer  Herren  zu  überbringen, 
suchten  sie  aus  seinen  Worten  und  seinem  Verhalten  gegen  sie  zu 
erraten,  wohin  er  sich,  nach  Erledigung  der  dynastischen  Frage, 
zuerst  wenden  werde. 

Besonders  fürchteten  ihn  seit  seinem  Erscheinen  in  Kafifa 
(15 10  — 11)  seine  nördlichen  Nachbarn  an  der  Donau,  die  Ungarn 
und  Polen,  die  von  zwei  Fürsten  jagelionischen  Blutes,  weichen 
und  furchtsamen  Naturen,  den  sich  so  ähnlichen  Brüdern  König 
Siegmund  und  König  Wladislaw  beherrscht  waren.  Sie,  wie  der 
eitle  römische  König  Maximilian,  von  dem  die  Türken  zu  sagen 
pflegten,  dafs  er  keinen  bösen  Charakter  habe  ^),  schickten  noch 
im  Jahre  15 11  ihre  Gesandten  an  die  Pforte,  um  einen  Wafi"eu- 
stillstand  auf  drei  Jahre  oder  kürzere  Zeit  zu  erwirken;  die 
Jagelionen  hofften,  bei  dieser  Gelegenheit  einen  gemeinsamen 
Frieden  abschliefsen  zu  können.  Währenddessen  aber  unterhielt 
der  polnische  König  ein  bedeutendes  Söldnerheer  unter  Johann 
Tarnowski  in  Podolien,    an  den  Grenzen  der  bedrohten  Moldau, 


i)  Vgl.    Leunclavius  Sp.   744 — 745  mit   Alb  er  i    S.   55.     Vgl.    Giovio 
fol.  335  voff. 

2)  „Ferox,  ferocissimus." 

3)  ,,Non  ha  l'animo   cattivo";  Alb^ri  S.    25  —  26. 


318  Zweites  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

WO  Bogdan,  der  tapfere,  aber  unbedachte  Sohn  des  grofsen 
Stephan  reg^ierte;  andere  Truppen  aus  Litauen,  unter  Knez 
Konstantin,  standen  bei  Kiew  sowohl  gegen  die  Türken,  als 
gegen  die  treulosen  Tataren  auf  Wacht,  die  nur  von  Ausbeutung 
ihrer  Nachbarn  und  der  Arbeit  der  christlichen  Sklaven  lebten  ^). 
An  der  ungarischen  Grenze  beobachtete  Stephan  Bäthory,  nun- 
mehr Ban  von  Temesvär,  die  benachbarten  Türken,  die  unter 
den  Mitgliedern  der  echt  anatolischen  Häuser  der  Ewrenosogli 
in  Serbien,  der  Malkotschogli  in  Bosnien  und  der  Michaloglis  an 
der  rumänischen  Donau  hausten  und  kämpften  ^). 

Dennoch  verging  das  erste  Jahr  ruhig;  nur  zwischen  den 
Tataren,  die  über  den  Dnjepr  gekommen  waren,  und  den 
polnisch-litauischen  Truppen  kam  es  zu  einigen  Zusammen- 
stöfsen  2),  Im  folgenden  Jahre  machte  Bogdan  seinen  Frieden  mit 
dem  Khan,  fast  zu  gleicher  Zeit,  als  der  polnische  Gesandte 
Janus  Swirczewski  mit  dem  Waffenstillstand  für  zehn  Jahre,  der 
den  Polen  noch  vom  alten  Sultan  Bajesid  gewährt  worden  war, 
von  der  Pforte  zurückkehrte  *) ;  doch  raubten  tatarische  Scharen 
in  Wolhynien  und  Podolien  ^)  und  auf  den  königlichen  Gütern 
bei  Lemberg;  in  der  Nähe  von  Braclaw  sollen  sie  eine  Schlappe 
erlitten  haben,  wobei  Alp-Girai,  der  Neffe  des  Khans,  gefallen 
sein  soll  *').  15 13  rief  man  die  grausamen  Nomaden  der  Steppe 
gegen  die  Moskowiter  herbei,  die  das  Reich  Polen  angegriffen 
hatten,  aber,  statt  ihren  Versprechungen  nachzukommen,  drangen 
sie  mit  Bet-Girai,  dem  Sohne  des  Khans,  über  den  Pruth ;  der 
sie  verfolgende  moldauische  Hatman  fügte  ihnen  keinen  nennens- 
werten Schaden  zu  (25.  August),  und  erst  auf  der  Rückkehr 
wurden    die    Tataren    vom   moldauischen   Fürsten   geschlagen  '). 


i)  Siehe  „Acta  Tomiciana"  II  oder  Hurmuzaki  11^,  passim,  zum  Jahre  15 il. 

2)  Giovio  fol.  358  yo  bis  359. 

3)  „Acta  Tomiciana"    und  Hurmuzaki  IP    a.  a.  O. ;    besonders  Hurmu- 
zaki S.  41. 

4)  Hurmuzaki,  ebenda,  S.  52. 

5)  Ebenda  S.   55,  Nr.  LXI ;  S.   59—60,  Nr.  lxiv. 

6)  Ebenda  S.  63,  Nr.  LXVm;  S.  65,  Nr.  lxx. 

7)  Moldauische  Chronik,    in    der  Bearbeitung  Ureches;    Kog  alniceann  ^ 
Letopisi^e  I,   S.    183 — 185. 


Sultan   Selims  Politik  in  Europa.  319 

Ein  neuer  polnischer  Gesandter,  Zakrzewski,  brachte  in  der  Form 
des  gewöhnlichen  Waffenstillstands  auf  kürzere  Zeit  den  Frieden 
mit  Selim  heim  ') ,  und  Georg  Krupski  ging-  an  die  Pforte ,  um 
den  Friedensakt  für  drei  Jahre  in  Empfang  zu  nehmen  ^).  Dem 
Khan  zahlten  jetzt  die  Polen  unter  dem  Namen  von  Hilfsgeldern 
einen  Tribut  ^). 

An  der  Donau  und  in  Bosnien,  im  Gebiet  der  Michaloglis 
und  Malkotschoglis  betätigten  sich  die  Türken  inzwischen  leb- 
hafter. In  der  Walachei  war  auf  den  frommen  Vlad  sein  ebenso 
frommer  Sohn  Radu  gefolgt,  der  viel  für  die  berühmten  Klöster 
des  Ostens  tat  und  darum  von  seinem  griechischen  Lobredner, 
dem  Protohegumenen  des  Athosgebirges ,  mit  dem  Beinamen 
,,der  Grofse"  ausgezeichnet  wurde.  Als  er  der  Gicht  erlag, 
übernahm  sein  Vetter,  Mihnea,  dann  (15  lo),  kraft  türkischen 
Befehls,  der  junge  Vlad  (Vlädut),  ein  Bruder  Radus,  auf  kurze 
Zeit  die  Herrschaft;  am  23.  Januar  15 12  liefs  ihn  die  ihm  feind- 
liche Bojarenpartei  der  Söhne  Neagoes  im  Oltlande  durch  die 
Donautürken  von  Vidin,  die  unter  ,,Chaian"  (Mehemed),  dem 
Sohne  Ali-begs,  ins  Land  fielen,  ergreifen  und  umbringen*). 
Dies  war  zur  Zeit,  als  Selim  seinen  zweiten  Marsch  gegen  Kon- 
stautinopel  plante  und  die  Sandschaks,  besonders  in  diesen  mit 
dem  Reiche  nur  sehr  lose  verbundenen  Gebieten,  nach  freiem 
1  Belieben  schalten  und  walten  konnten.  Der  Nachfolger  des 
'  enthaupteten  jungen  Fürsten,  der  früher  Neagoe  genannte 
Basarab  IV.,  der  Neffe  der  oltenischen  Rebellenführer,  unterhielt 
j  zwar  häufige  und  intime  Beziehungen  zu  den  Ungarn,  konnte 
aber  der  christlichen  Politik  an  der  Donau  dennoch  nur  wenig 
Nutzen  bringen.  Die  politische  Bedeutung  des  Fürstentums  der 
Walachei,  dem  nur  die  Autonomie  verblieb,  war  bereits  voll- 
ständig verloren  ^). 

i)  Hurmuzaki  11-^,  S.  96,  Nr.  civ. 

2)  Ebenda  S.   141  ff.  3)  Ebenda  S.   105. 

4)  Serbische  Annalen  in  meinen  „Studii  §i  doc."  III,  S.  3;  „Dipl.  Rag." 
S.  673:  „Audiebamus  preterea  Chaian,  Alibech  filium,  Bedini  prefectum,  Barbure 
(gemeint  ist  der  Ban  Barbul)  auxilio,  interemisse  novum  dominum  quem  superiori 
anno  loco  Michni  expulsi  magnus  imperator  suffecerat."  Auch  meine  luscrip^ii  I, 
S.  loi. 

5)  Vgl.  auch  meine  „Gesch.  des  rum.  Volkes '■'•  I,  S.  367  ff. 


330  Zweites  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

In  Bosnien  gingen  die  Sandschaks  noch  im  Sommer  15 13 
selbständig-  vor,  als  Sultan  Selim  von  seinem  Zug-e  nach  Asien  zurück- 
g-ekehrt  war  und  den  Ungarn  einen  Waffenstillstand  auf  vier 
Monate  g-ewährt  hatte.  Im  Monat  August,  als  die  Tataren  in 
der  Moldau  raubten,  verständigten  sich  fünf  türkische  Befehls- 
haber an  der  Grenze  in  Vrbosna,  dem  Zentrum  der  osmanischen 
Macht  in  Bosnien  ^),  und  der  Sandschak  Junus  griff  mit  den 
vereinten  Streitkräften  die  Schlösser  an ,  die  dem  König  von 
Ungarn  gehörten  '■').  Stephan  Bäthory  eilte  sog-leich  herbei  und 
erschien  unter  den  Mauern  Semendrias,  wo  Balibeg,  der  Sohn 
des  Pascha  Jahja,  den  Befehl  führte ;  dieser  rief  die  benachbarten 
serbischen  Begs  von  Aladscha-Hissar,  Zwornik  und  sogar  von 
Nikopolis  und  Ichtiman  zu  Hilfe,  die  aber  den  schnell  errungenen 
Sieg  nicht  ausnutzen  konnten ;  Bathory  vermochte  sich  mit  seinen 
Geschützen  und  Karren  unbehelligt  zurückzuziehen.  Auch  vor 
Belgrad  wurde  gekämpft  und  dem  Sultan  sein  Anteil  an  Fahnen 
nach  Asien  geschickt  ^).  Nach  ungarischen  Quellen  *)  wäre 
Schabatz  in  die  Hände  der  Türken  gefallen.  Diese  gingen 
dann,  unter  Junus,  bis  an  die  Save,  wo  sie  Posega  eroberten; 
die  Umgegend  von  Jaice,  der  bosnischen  Hauptstadt  der  Ungarn, 
hatte  bedeutenden  Schaden  zu  leiden;  schliefslich  sollen  die 
Akindschis  bis  Krain  vorgedrungen  sein  ^).  Die  Ungarn  wissen 
jedoch  auch  von  einem  Siege  beim  Flusse  Dubitza  in  Kroatien 
zu  erzählen,  den  der  Bischof  und  Despote  Beriszlö,  der  Ban  von 
Slawonien  und  Bosnien,  errang;  auch  andere  räuberische  Scharen 
hatte  er  15 12  zurückgeworfen**). 

Noch  im  August  des  Jahres  15 13  erschien  ein  Gesandter 
des  römischen  Königs,  der  den  Frieden  zwischen  Ungarn  und 
den  Türken  zur  Realisierung  seiner  eigenen  Projekte  und 
Träumereien  bedurfte,  in  Konstantinopel,    um  diese  Aussöhnung 

i)  „Dipl.  Rag."  S.  674. 

2)  Vgl.  Hurmuzaki  II',  z.  J. 

3)  Leunclavius  Sp.   705  ff. 

4)  Sambucus  nach  Bonfinius  Sp.   537. 

5)  Ebenda  und  Leunclavius  Sp.   705  —  711;    vgl.  Angiolello  fol.   117. 

6)  Lebensbeschreibung  des  Bischofs  in  „Mon.  Hung.  Hist. ",  Scriptores,  III, 
S.  232fr.;  Istvanffy  V,  z.  J. ;  vgl.  Fefsl  er- Klein  III,  S.  296.  Der  Sieg  wird 
auch   in   einem  königlich  polnischen  Briefe  —  H  ur  m  uz  ak  i  II ',   S.  99  —  erwähnt. 


Sultan   Selims  Politik  in  Europa.  321 

ZU  vermitteln,  und  er  fand  beim  albanischen  Wesir  Dukaschin- 
og-li  gute  Aufnahme  *).  Der  Beauftragte  des  Königs  Wladislaw 
kam  mit  einem  Gefolge  von  nicht  weniger  als  8o  reich  ge- 
schmückten Reitern  erst  am  17.  Dezember  an  ^).  Man  hielt  ihn 
absichtlich  lange  hin,  obgleich  der  Sultan  den  Frieden  an  der 
Donau  wünschte,  um  sich  ausschliefslich  den  asiatischen  Ver- 
hältnissen widmen  zu  können;  doch  wollte  man  wiederum  zeigen, 
wie  sich  die  Türken  selbst  ausdrückten,  ,,dafs  der  Grofs-Herr 
allein  die  Macht  habe,  Frieden  zu  gewähren,  und  folglich  alle 
ihm  untertänigen  Fürsten  dieses  Geschenk  ehrerbietig  zu 
empfangen  hätten,  unter  den  Bedingungen,  die  von  Seiner 
Majestät  gutgeheifsen  worden"  ^).  Um  so  mehr,  als  der  Gesandte 
die  Rückgabe  der  letzthin  von  den  Türken  in  Bosnien  eroberten 
Schlösser  verlangte  und  den  Einschlufs  fast  aller  östlichen  christ- 
lichen Mächte,  nebst  Ragusa  und  den  rumänischen  Fürstentümern, 
in  den  Frieden  wünschte ;  bei  seinem  ersten  Erscheinen  wurde 
er  buchstäblich  an  die  Luft  gesetzt  und  die  ihm  dabei  entfallene 
Kopfbedeckung  hinterdrein  geworfen*).  Im  April  15 14  weilte 
dann  ein  türkischer  Gesandter  in  Ungarn,  während  Polen  wieder 
einen  Angriff  der  Tataren  und  sogar  der  angeblich  zu  ihnen 
gestofsenen  2000  Türken  fürchtete  ^).  Ein  polnischer  Sendling 
mufste  ins  Innere  von  Asien  reisen,  um  den  Sultan  dort  aufzu- 
suchen ^). 

Diese  Verhandlungen  über  den  Frieden  der  Jagellonen  und 
ihrer  Nachbarn  und  Freunde  mit  dem  Sultan  zogen  sich  in  die 
Länge,  weil  der  letztere  durchaus  nicht  die  Absicht  hatte,  einen 
Abschlufs  herbeizuführen.     Im  Dezember  15 14  bestanden  wieder 


i)  ,,Capi  ConsiglioX";  Bericht  vom  27.  Dezember  1513;  Maximilian  schickte 
zu  demselben  Zweck  auch  den  bosnischen  Sandschak  (ebenda). 

2)  Hurmuzaki  VIII,  S.  42 — 43,  Nr.  LHI. 

3)  „A  questo  Gran-Signore  stä  il  dar  la  pace,  e  perö  bisogna  che  tntti  li 
principi,  che  li  sono  inferiori,  abbiano  di  grazia  a  pigliarla  con  quelle  condizioni 
che  pare  alla  Maiestä  Sua";  Alböri  S.  37. 

4)  Bericht  vom  27.  Dezember  1513;  s.  oben. 

5)  „  Capi  Consiglio  X",  Bericht  vom  8.  April  15 14;  vgl.  Hurmuzaki  II*, 
S.   156  —  158. 

6)  „Capi  Consiglio  X",   Bericht  vom   10.  Mai    15 14. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    H.  21 


333  Zweites  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

ernste  Befürchtungen  für  die  Sicherheit  Kroatiens  ^).  Aber  erst 
nach  der  Rückkehr  Sehms  aus  Asien  im  Jahre  1515  erfolgten 
wirkHch  türkische  Rüstungen  gegen  diese  Grenze.  Im  Sommer 
vereinigten  sich  in  Bosnien  die  dortigen  und  andere  Sandschaks, 
12  an  der  Zahl;  es  hiefs,  der  Sultan  selbst  stehe  zum  Aufbruche 
bereit;  der  Vertreter  Ungarns  war  ins  Gefängnis  geworfen 
worden  ^),  und  der  neue  ungarische  König  Ludwig  II.  teilte 
seinem  polnischen  Oheim  besorgt  mit,  Selim  wolle  durch  die 
rumänischen  Fürstentümer  den  Weg  zur  vollständigen  Eroberung 
beider  Reiche  nehmen  ^).  Eilig  wurden  in  Jaice  und  an  allen 
anderen  gefährdeten  Punkten  der  Grenze  Ungarns  Verteidigungs- 
mafsregeln  getroffen  ■*). 

Ein  neuer  türkischer  Einfall  in  Kroatien  fand  wahrscheinlich 
15 17  statt,  da  das  ganze  Land,  wie  auch  Korbavien,  in  diesem 
Jahre  als  „verwüstet"  (desolata)  bezeichnet  wird  °).  Auch  im 
Februar  15 18  gelangten  wieder  Gesuche  nach  Ragusa,  Kroatien 
zu  retten  ^). 

Als  die  asiatischen  Angelegenheiten  endlich  vollständig 
geordnet  waren  und  Selim,  nach  zwei  langen  und  schwierigen 
Kriegen  gegen  Persien  und  den  Soudan,  sieggekrönt  und  als 
erster  aller  mosleminischen  Fürsten  nach  Europa  zurückkehrte, 
wurde  der  ungarische  Gesandte  in  Freiheit  gesetzt  und  ein 
türkischer  Bote  ging  gleichzeitig  nach  L^ngarn  ab,  um  einen 
günstigen  Frieden  anzubieten.  Polen  bekümmerte  die  tatarisch- 
türkische Gefahr  nicht  allzusehr,  und  der  junge  Stephan,  der 
Sohn  des  Moldauers  Bogdan,  hatte  die  in  sein  Land  einge- 
drungenen Tataren  Alp-Sultans  vollständig  geschlagen  und  damit 
nach  dem  Tode  des  grofsen  Stephan  den  ersten  wirklichen 
moldauischen  Sieg  über  diese  wilden  Horden  errungen  ^).  Von 
beiden  Seiten    aber  wurde  die  Bereitwilligkeit  Selinis,    auf  einen 


i)  „Dipl.  Rag.''  S.  675.  2)  Ebenda  S.  677—678. 

3)  Hurmuzaki  IP,  S.   28,  Nr.  xxx. 

4)  Hurmuzaki  II  ^,   S.    246—247,   Nr.  cxcni. 

5)  Ebenda  S.   253. 

6)  „Dipl.  Rag."  S.  681—682. 

7)  Ureche   a.   a.   O.   S.    186— 187. 


Sultan   Selims  Politik  in  Europa.  ^33 

Frieden  einzugehen,  freudig  begrüfst,  und  es  entstand  auf  der 
von  Ungarn  vorgeschlagenen  Basis  —  innerhalb  eines  Jahres 
sollten  alle  Freunde  der  Jagellonen  ihren  Einschlufs  in  den 
Traktat  verlangen  können  —  der  denkwürdige  Akt  von  15 19, 
der  allen  die  Friedenspolitik  des  türkischen  Kaisers  in  Europa 
glänzend  offenbarte  ^). 

Venedig  trug  die  Kosten ;  es  hatte  in  den  dem  Friedens- 
schlüsse mit  Sultan  Bajesid  folgenden  Jahren  viel  von  türkischen 
Seeräubern,  unter  denen  Caradromis  '')  und  Caramussa  hervor- 
ragten ^),  zu  leiden.  Doch  gab  sich  die  Signoria  alle  Mühe, 
einen  ernsten  Konflikt  mit  den  Türken  zu  vermeiden,  und  wider- 
stand der  Versuchung,  die  Unzufriedenheit  der  jetzt  osmanischen 
Bevölkerung,  die  früher  der  Republik  untertänig  gewesen  war, 
künstlich  zu  schüren  *) ;  im  Gegenteil  lebten  die  venezianischen 
Offiziere  in  den  besten  Beziehungen  zu  den  Kadis  und  Subaschis 
des  Sultans  ^).  Als  ein  spanisches  Schiff,  das  im  Verdachte 
stand  gegen  türkische  Handelsleute  zu  kreuzen,  15 13  den  Hafen 
von  Kephallenia  anlief,  gab  der  dortige  Proveditore  dem  Kapitän 
schriftlich  zu  verstehen,  dafs  der,, Platz  einsam  und  den  Türken  allzu 
nahe  liege",  und  forderte  ihn  auf,  sich  unverzüglich  zu  entfernen  ^). 

Bei  dem  Regierungsantritte  Selims  war  die  Anwesenheit 
türkischer  Schiffe  vor  der  Insel  Santa  Maura  ein  Anlafs  zur 
Besorgnis  '^j.  In  Avlona  traf  man  Vorbereitungen  zur  Bildung 
einer  neuen  Flotte,  deren  Bestimmung  unbekannt  blieb.  Ende 
15 13  versicherte  Mustafa-Pascha,  der  das  Unternehmen  für  ,,  sehr 
leicht"  hielt,  dafs  die  osmanische  Flotte  sich,  1 10  leichte 
Galeeren    und    30   grofse  Galeeren    stark,    unter   seiner  Führung 


i)  Auch  in  Hurmuzaki  11^,  S.   303  ff.     Vgl.  ebenda  II  \  S.  29,  Nr.  xxxr. 

2)  Alb^ri  S.   35. 

3)  „}ilissive    e    responsive'"    1511  — 1517,    Jahr    15 13.      Siehe     auch    Creta, 
,,Ducali  e  lettere   ricevute"    1498:   ,,Caracosa,   corsaro  turcho.'' 

4)  Albferi  S.  40;  Jahr   1503. 

5)  Ein  Brief  des  Kadis  von  Misithra,  griechisch,    in  den  „Missive  e  respon- 
sive"  1511 — 151  7,  Jahr   151 7. 

6)  ,,  Rettori  Consiglio  X'',   „Cefalonia". 

7)  „Dipl.   Rag.^^   S.   835. 

21  * 


334  Zweites  Buch.     Sechstes  Kapitel. 

nach  Apulien  wenden  werde  \),  und  in  den  letzten  Monaten  des 
Jahres  1513  streiften  unter  den  Augen  des  kroatischen  Bans 
Johann,  Grafen  von  Corbavien,  dem  Venedig"  Hilfsgelder  zahlte, 
zahlreiche  Akindschis  bis  nach  Scardona ;  zwei  christliche 
Schlösser  wurden  von  ihnen  eingenommen,  und  sie  schleppten 
2000  Gefangene  mit  sich  fort  ^).  Doch  wurde  venezianisches 
Gold  von  Wesiren  und  anderen  hohen  türkischen  Beamten  zu 
hoch  geschätzt,  und,  da  die  osmanische  Flotte  sich  aufserdem 
in  schlechtem  Zustande  befand ,  so  war  man  in  Konstantinopel 
der  Erneuerung  des  Friedens  geneigt,  der  am  17.  Oktober  in 
der  Tat  schriftlich  gewährt  wurde  ^);  die  Republik  zahlte  auch 
weiterhin  für  den  Besitz  Zantes  einen  jährlichen  Tribut  von  500 
Dukaten.  Nach  der  Rückkehr  des  Gesandten  Antonio  Gius- 
tiniani  wurde  der  Friede  am  18.  Februar  15 14  in  Venedig 
beschworen  *). 

Nun  begannen  von  selten  des  Bailo,  der  sich  auf  den  Ein- 
flufs  des  reichen  Bastards  Aloisio  Gritti,  des  Sohnes  des  künftigen 
Dogen  Antonio,  stützte,  interessante  Verhandlungen  mit  dem 
türkischen  Gesandten  Ali-beg,  deren  Zweck  war,  türkische  Hilfe 
gegen  das  feindUche  Königreich  Neapel  auszunützen;  die  Flotte 
des  Sultans  sollte  nach  Apulien  segeln,  und  die  Akindschis  zu- 
gunsten der  venezianischen  Freunde  durch  die  Provinz  Friaul  in 
Italien  einfallen.  Doch  vermochten  die  geizigen  Handelsleute 
mit  den  unverschämt  feilschenden  und  ausbeutungslüsternen 
türkischen  Grofsen  sich  nicht  über  den  Preis  des  verlangten 
Dienstes  zu  verständigen  ^). 

So  scheiterte  der  Plan;  der  Friede  aber  wurde  am  8.  Sep- 
tember 15 17  erneuert  und  der  neue  venezianische  Gesandte 
Alvise  Mocenigo  eingeladen,    das  türkische  Heer  nach  Kairo  zu 


i)  „L'obiecto  del  signor  era  firmo  ale  cose  de  Puglia  ..  .,  impresa  facile"; 
auch  ,,tute  (le  navi)  ad  obiecto  della  Puglia,  in  la  quäl  l'hä  messo  tuto  el  suo 
pensier";  „Capi  Consiglio  X". 

2)  Vgl.  Angiolello  fol.  117;  „Commemoriali"  VI,  S.  129,  Nr.  5.  Vgl. 
S.   129 — 130,  Nr.  6  und  8. 

3)  „Commemoriali"  VI,  S.   130 — 133,  Nr.  9,   12,   17. 

4)  Angiolello  fol.   117  vo. 

5)  „Capi  Consiglio  X":  Bericht  vom  17.  April   15 14. 


Sultan   Selims  Politik  in  Europa.  325 

begleiten  ^).  Da  Selim  jetzt  auch  an  Stelle  des  Soudans  getreten 
war,  wurde  der  Tribut  für  Zypern  in  Höhe  von  jährlich  8000 
Dukaten  an  ihn  entrichtet.  Dem  Besitzer  der  wichtig-en 
Levantehäfen  Tripolis  und  Alexandrien  wie  auch  Damaskus'  und 
Aleppos  mufsten  die  Venezianer  g'enau  wie  vorher  dem  Soudan 
in  allen  seinen  Wünschen  bereitwilligst  zu  Diensten  sein,  wollten 
sie  anders  den  Handel  in  Syrien  und  Ägypten,  der  seit  einigen 
Jahrhunderten  bereits  ihre  Finanzen  bereicherte,  in  Händen  be- 
halten. Doch  erforderten  die  italienischen  Angelegenheiten  kein 
eigentliches  Bündnis  mehr,  das  nach  den  Ideen  der  Zeit  als  ein 
Verbrechen  von  venezianischer  Seite  zu  gelten  hatte. 

Jedenfalls  konnte  unter  diesen  Verhältnissen  das  Projekt 
eines  allgemeinen  christlichen  Krieges  gegen  die  Osmanen  keinen 
sympathischen  Widerhall  erwecken.  Doch  hielten  sich  einige 
leitende  Persönlichkeiten  der  Zeit,  sowohl  als  Christen  wie  als 
Vertreter  der  neuen  Gedanken  der  Renaissance,  die  den  Boden 
des  klassischen  Griechenlands  als  heilig  verehrte  und  die  Ver- 
treibung der  ihn  entweihenden  Barbaren  als  eine  sittliche 
Forderung  ansah,  verpflichtet,  rhetorisch  schön  klingende  Denk- 
schreiben und  Ermahnungen  in  die  Welt  hinausgehen  zu  lassen. 
Nicht  nur  vom  königlichen  Phantasten  Maximilian,  sondern  auch 
vom  praktischen  französischen  Könige  Franz  I.  und  dem  klugen 
Papste  Leo  X.  erfolgten  derartige  Anregungen,  die  zu  nichts 
führen  konnten.  Zwar  wurden  im  Jahre  15 15  einige  Hilfsgelder 
nach  Ungarn  geschickt  ^) ,  aber  als  die  Kreuzzugsprediger  sich 
dorthin  wandten,  um  wie  Capistrano,  der  Belgrad  1456  vor  der 
türkischen  Gefahr  errettet  hatte,  eine  Kriegsmacht  aufzubringen, 
kam  kein  schwärmerisches  Heer  von  Streitern  Christi,  sondern 
eine  wilde,  undisziplinierte  Menge  zusammen,  deren  Wirksamkeit 
bald  in  einen  bäuerlichen  Aufstand  ausartete  ^).  Der  Vorschlag 
Jani  Laskaris' ,  sich  an  die  Christen  im  osmanischen  Reiche  zu 
wenden,    solange    sie    ,,sich    noch    ihrer    ehemaligen  Freiheit  er- 


i)  „Commemoriali"  VI,  S.   145,  Nr.  67;  S.   152,  Nr.  95;    S.   158.  Nr.    114. 

2)  Zinkeisen  11,  S.  580—581. 

3)  Vgl.  auch  meine  ..Gesch.  des  rum.  Volkes"'  I,   S.   373  f. 


336       Zweites  Buch.     Sechstes  Kapitel.     Sultan   Selims  Politik  in  Europa. 

innerten"  '),  g-elang-te  nicht  zur  Ausführung-.  Und  als  der  Soudan 
im  Jahre  1515,  einigte  Zeit  vor  der  ihn  ereilenden  Katastrophe, 
durch  den  Vikar  von  Jerusalem  um  die  Hilfe  des  Papstes,  sowie 
Frankreichs  und  Venedigs  nachsuchte,  fand  sich  niemand  bereit, 
seinen  wankenden  Thron  zu  stützen  ^). 

Während  aber  der  polnische  König-  wenigstens  offen  seinem 
Zweifel  an  der  Möglichkeit  eines  neuen  Kreuzzugs  Ausdruck 
gab,  sprach  man  im  Westen  auf  weltlichen  und  kirchlichen  Zu- 
sammenkünften dauernd  von  dem  grofsen  Plan  einer  Vertreibung 
der  Türken  aus  Europa:  im  ersten  Jahre  sollten  Tataren, 
Rumänen  und  Polen  Semendria  und  Kili  angreifen ,  im  zweiten, 
mit  den  Franzosen  zusammen,  Bosnien  besetzen  und  dann  nach 
Thrazien  und  Griechenland  weiter  dringen,  und  endlich  im  dritten, 
mit  der  Flotte  und  persischen  Kräften  im  Bunde,  Konstantinopel 
und  die  anatolischen  Plätze  einnehmen  ^). 


i)  „Quanto  piü  presto  che  sono  anchora  in  Grecia  homini  che  se  ricordeno 
de  la  liberta  et  tenghano  la  religione  christiana."  Die  Söhne,  fügt  er  bei,  werden 
schon  Türken  sein.  Er  versichert,  dafs  „li  christiani  dil  paese  in  molti  lochi  se 
moverano", 

2)  ,,Capi  Consiglio  X",  Bericht  aus  Damaskus,  30.  September  1525. 

3)  Vgl.  Münchener  Reichsarchiv,  „Türkenhilff"  de  a.  1446  bis  1516,  fol.  137  ff.; 
Harmuzaki  XI,  S.  i  ff. ;  Suppl.  I*,  i  ff . ;  auch  11^,  S.  307 — 309,  Nr.  ccxxiv.  — 
Im  allgemeinen  siehe  Charriere,  Negociations  de  la  France  dans  le  Levant  I, 
1849,  S.  6ff. ;  Zinkeisen,  Drei  Denkschriften  über  die  orientalische  Frage,  vom 
Papst  Leo  X.,  König  Franz  I.  und  Maximilian  I.,  Gotha  1854;  „Gesch.  des  osm. 
Reiches"  U,  S.  578  ff. ;  meinen  Aufsatz  „Un  projet  relatif  ä  la  conquete  de  Je- 
rusalem" 1609,  in  der  „Revue  de  l'Orient  latin"  II,   1894,  Nr.   2, 


Siebentes  Kapitel. 

Eroberungen  Selims  in  Asien:  Sieg  über  den  Schach 
und  den  Soudan.    Besetzung  Syriens  und  Ägyptens. 


Entgegen  den  Befürchtungen  aller  benachbarten  christlichen 
Fürsten  ,  die  sich  von  den  wahren  Absichten  des  Sultans  kaum 
Rechenschaft  zu  geben  imstande  waren,  bestand  bereits  seit  dem 
Antritt  seiner  Regierung  der  feste  Entschlufs  in  Selim ,  die 
persische  Macht  zu  brechen,  die,  auf  zahlreiche  ,, häretische" 
Anhänger  in  Anatolien  sich  stützend,  nicht  nur  mit  dem  Sultan 
um  die  Oberherrschaft  über  die  mosleminische  Welt  wetteiferte, 
sondern  eine  ernste  Gefahr  für  das  Fortbestehen  des  osmanischen 
Reiches  bildete,  das  sie  in  seinen  wertvollsten,  den  ursprünglich 
und  ausschliefslich  türkischen  Provinzen ,  wo  auch  die  christlich 
gebliebenen  Griechen  die  türkische  Sprache  gebrauchten  '),  be- 
drohte. Mit  einem  siegreichen  Persien,  einem  rasch  aufstrebenden 
Staate  des  Sofis  konnte  das  Reich  Selims  unmöglich  in  guten 
nachbarlichen  Beziehungen  stehen,  wollte  es  anders  seinen 
asiatischen  Besitz  festhalten;  und  was  wäre  die  Herrschaft  über 
einen  Teil  Osteuropas  noch  wert  gewesen,  wenn  Asien  dem 
Sultan  die  Unterwürfigkeit  aufgesagt  hätte? 

Aber  noch  von  einem  anderen  Standpunkte  als  dem 
politischer   Notwendigkeit,    kluger,    kalter  Berechnung    der    ge- 


i)  Vgl.  „Un  gran  borgo  Mere,  lontano  dalla  terra  circa  tre  miglia,  il  quäl'  e 
habitato  da  cristiani  greci,  che  pochi  di  loro  sanno  parlar  greco,  ma  parlano 
tarco  et  hanno  libri  della  fede  cristiana  in  lettera  araba  et  scritti  in  lingaa  turca"; 
Giovio.  Über  die  Ausbreitung  des  Schiismus  in  neuer  fanatischer  Form  siehe 
einen  venezianischen  Bericht  vom  8.  April  15 14;  „Se  puol  dir  i  quatro  quinti  de 
tuta  la  Natolia." 


328  Zweites  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

gebenen  Verhältnisse  mufste  sich  Selim  zu  dieser  schwierigsten 
aller  Aufgaben  hingezogen  fühlen.  Es  entsprach  seinem  ruhm- 
begierigen Charakter,  seiner  lebhaften  Phantasie  und  starken 
Leidenschaft,  in  höchster  Gefahr  höchste  Befriedigung  seines 
Ehrgeizes  zu  finden:  es  entsprach  seinen  Vorstellungen  von 
einem  kriegerischen,  immer  sieggekrönten  Leben  Alexanders  des 
Grofsen  in  entfernten  fabelhaften  Ländern,  dafs  er  den  Schach 
jenseits  des  biblischen  Euphrat  aufsuchte,  um  den  Fürsten  mit  dem 
schönheitleuchtenden  Antlitz  und  rötlichen  Barte,  der  ein  Meister 
in  der  Kunst  des  Schiefsens  und  Ringens  war  ^),  in  die  Flucht 
zu  schlagen,  die  Reihen  der  prachtvollen  Garde  von  20000 
iranischen  Rittern  mit  vergoldeten  Panzern  aus  weltberühmtem 
schirazer  Stahle  und  Schuppenhauben  hinzumähen,  die  Phalanx 
der  armenischen  Fufskämpfer,  die,  auf  grofse  Schilde  gestützt, 
den  Feind  mit  langen  Speeren  zu  empfangen  pflegten,  zu  durch- 
brechen und  die  leicht  bewaffneten  iberischen  und  georgianischen 
Hilfstruppen  zu  zerstreuen  ^).  Auch  lebte  in  ihm  ohne 
Zweifel  die  Erinnerung  an  die  erfolgreichen  Kämpfe  seines  Grofs- 
vaters  und  ständigen  Vorbilds  Mohammed  II.  gegen  einen 
anderen  persischen  Herrscher  neu  auf,  der  freilich  nur  die 
turkomanische  Tapferkeit  und  den  Stolz  der  Nomaden  der 
Wüste,  nicht  aber  die  ganze  ritterliche  Überlieferung  des  uralten 
Persiens  und  den  unüberwindlichen  Fanatismus  der  neuen 
Sekte  der  Kasilbaschen  mit  der  hohen,  zwölffach  gewundenen 
Kopfbinde,  die  mit  dem  Rufe  ,,Es  lebe  Ismael,  unser  Herr" 
in  den  sicheren  Tod  stürzten,  vertreten  hatte  2).  An  die 
Reichtümer  der  Provinzen,  deren  Besitz  wenigstens  eine  Zeit- 
lang aufrecht  erhalten  werden  konnte  und  deren  Einkünfte  von 
einem  Venezianer  auf  jährlich  800000  Dukaten  geschätzt  wer- 
den^), an  Tebriz  mit  seinem  weltberühmten  Handel  zwischen 
Osten  und  Westen,  mit  seinen  Tausenden  von  Gewerbetreibenden, 
Metallschmieden,  Seidenwebern,  an  Schiraz  mit  seinen   von  allen 


i)  Vgl.  Angiolello  in  Ramusio  fol.   73. 

2)  Vgl.  über  die  Ausrüstung  des  persischen   Heeres  Giovio    fol.   235   vo  bis 
236;  Angiolello  in  Ramusio  fol.   74. 

3)  Vgl.  Angiolello  in  Ramusio  fol.   74. 

4)  Alberi  S.   54. 


Eroberungen   Selims  in  Asien:   Sieg  über  den  Schach  und   den  Soudan   usw.     339 

Türken  begehrten  Waffen,  Schals  usw.,  an  Kermian  mit  dem 
harten  Stahle,  dem  die  Defensivwaffen  der  Christen  nicht  wider- 
stehen konnten,  dachte  Selim  sicherlich  weniger  ^). 

Osmanische  Überlieferung  erzählt,  dafs  bei  Selims  Regierungs- 
antritte Ismael  ihm  einen  Löwen  geschickt  und  der  neue  Sultan, 
der  in  diesem  Geschenk  eine  beleidigende  Betonung  der  persischen 
Macht  erblickte,  dem  übermütigen  Nachbarn  mit  Hunden  ge- 
dankt habe  ^).  Ein  tatsächlicher  Anlafs  zur  Unzufriedenheit  auf 
osmanischer  Seite  war  die  Aufnahme  des  Prätendenten  Murad 
in  Persien ;  Ismael  vermählte  ihm  seine  eigene  Tochter  und 
sandte  ihn  nach  kurzer  Zeit  mit  einer  bedeutenden  Truppenmacht 
nach  Amasieh,  um  sein  Glück  zu  versuchen.  Dadurch  erscheint 
der  Krieg  zwischen  Selim  und  dem  Sufi  als  Fortsetzung  der 
durch  den  Sieg  vom  14.  April  15 13  zunächst  zum  Abschlufs 
gebrachten,  um  die  Erbfolge  Bajesids  entstandenen  inneren  Wirren. 
Ismael  schlofs  mit  dem  turkomanischen  Nachbarn  ,,der  grünen 
Mütze"  —  ,,  de  le  berete  verde",  sagten  die  Italiener  ^)  — ,  d.  h. 
f  den  Özbegs  Abeidullahs,  die  seinen  Wesir  geschlagen  und  ge- 
tötet hatten,  Frieden*),  um  sich  ganz  dem  Kriege  gegen  den 
Sultan  des  von  ihm  verachteten  westlichen  Rums  widmen  zu 
können. 

Noch  im  November  15 13  wufste  in  Konstantinopel  niemand 
um  den  bevorstehenden  Angriff  Selims  auf  Persien ;  im  Dezember 
aber  kam  die  Nachricht  vom  Friedensschlufs  zwischen  Ismael 
und  dem  Khan  der  sunnnitischen  Turkomanen  und  die  weitere, 
dafs  der  Gesandte  Selims  vom  Schach,  bei  dem  Prinz  Murad  in 
,, hoher  Gnade"  stehe,  getötet  worden  sei  ^).  Die  Reiterschar, 
die    Murad    zur  Wiedereroberung    der    grofsväterlichen  Erbschaft 


i)  Vgl.  Angiolello  fol.  67;  Giovio  fol.  356  —  356  vo.  Welche  Bedeu- 
tung der  persische  Zug  für  Selim  hatte,  bezeugt  der  venezianische  Bailo  in  seinem 
Bericht  vom  17.  April  15 14:  „  Questa  impresa  de  Anatolia,  la  qual  ge  manza  et 
rode  lino  nel  euer";  ,,Capi  Consiglio  X". 

2)  Leunclavius   Sp.   689 — 690. 

3)  Berichte  vom  26.  November  und  27.  Dezember  1513;  ,,Capi  Consi- 
glio X". 

4)  Vämbery  II,   S.   69  ff. 

5)  Venezianische  Berichte;   „Capi   Consiglio  X". 


330  Zweites  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

führen  sollte,  brach  im  Frühling-  15 14  gegen  Amasieh  auf;  der 
persische  Heerführer  Ustaogli,  ein  Turkomane,  begleitete  den 
Schwiegersohn  des  noch  in  Armenien  weilenden  Schachs.  Ob- 
gleich der  asiatische  Beglerbeg,  Sinan,  der  „Sklave"  Selims, 
schon  in  Trapezunt  stand  und  mit  dem  Imrochor,  einem  der 
Mörder  Korkuds,  den  Vortrab  des  Feindes  bei  Siwas  zum 
Rückzuge  nötigte  *),  beschlofs  der  Sultan,  selbst  nach  Asien 
überzusetzen.  Er  hatte  starke  Truppenmassen  zusammengebracht, 
so  dafs  man  im  überschwenglichen  Stile  der  Zeit  von  200000 
und  300000  Mann  sprach,  und  führte,  aufser  reichlichen  Lebens- 
mitteln, eine  riesige  Summe  Geldes,  2  500000  Dukaten,  mit  sich, 
die  für  ein  ganzes  Jahr  genügen  konnte^).  Am  18.  April  ver- 
liefs  Selim  —  für  längere  Zeit  —  Konstantinopel ;  am  20.  befand 
er  sich  noch  auf  dem  asiatischen  Ufer  bei  Skutari,  sollte  aber 
den  folgenden  Tag  aufbrechen.  In  den  ersten  Maitagen  war 
das  Lager  nicht  weit  von  Brussa,  und  am  14.  kam  die  Nachricht 
nach  Konstantinopel,  dafs  der  Sophi  sich  nähere  und  eine 
Schlacht  zu  erwarten  sei,  wie  sie  ,,seit  vielen  Jahrhunderten 
nicht  stattgefunden  habe"  ^). 

Die  türkischen  Truppen  rückten  langsam  von  Amasieh  nach 
Ersindschan  im  armenischen  Gebirge  vorwärts.  Der  Weg  erwies 
sich  als  schwierig;  für  Menschen,  Pferde  und  Lasttiere  mangelte 
es  an  Lebensmitteln.  Ende  Mai  wurde  gemeldet,  die  Janitscharen 
und  Spahis  hätten  sich  in  wildem  Tumult  der  für  die  kaiserlichen 
Pferde  bestimmten  Gerste  bemächtigt;  obwohl  der  Sultan  die 
Tat  verziehen  und  den  Meuterern  grofse  Summen,  bis  zu 
16  Dukaten  für  den  Mann,  habe  austeilen  lassen,  bestehe  noch 
die  Gefahr  einer  Meuterei.     An  diesen  Vorfällen  trug  besonders 


i)  Vgl.  den  venezianischen  Bericht  vom  8.  April  15 14;  „Capi  Consiglio  X" 
mit  Giovio  fol.  346  v-o  ff.  Dieser  letztere  hat  ausgezeichnete  Quellen  ge- 
habt;   so   ,,Cassino,    di    natione  Armeno ,    il    quäle    intervenne    in    questa    guerra" 

—  fol.  349  vo  —  und  einen  Bericht  des  Grofsmeisters  von  Rhodos  an  den  Papst 

—  fol.    351    vo.     Siehe    auch    Menavino    fol.   59 ff.     Während  dieses  Feldzuges 
entfloh  dieser  wichtige  Zeuge  nach  seinem  Italien. 

2)  Bericht  des  Bailo ,  19.  April  15 14:  „Et  ha  commesso  di  portar  con  luy 
tuti  denari  che  suplisca  per  uno  anno  a  pagar  li  soldati  et  tute  le  sue  zente." 

3)  „L'e  da  creder  che  zä  piui  centenare  de  annj  el  non  sij  stä  jl  maior 
sangue";  Bericht  vom   14.  Mai;  „Capi  Consiglio  X". 


Eroberungen   Selims   in  Asien:   Sieg  über  den   Schach  und   den  Soudan  usw.     3S1. 

der  Herr  der  ,,  Alaeddewlets",  der  armenisch-türkische  Fürst  von 
Sulkadr,  die  Schuld,  der  den  Osmanen  nur  gezwungen  den 
Durchmarsch  durch  sein  Gebiet  gestattet  hatte  und  sich 
bereit  hielt,  nach  der  Niederlage,  die  er  erwartete,  über  sie 
herzufallen. 

Endlich  wurde  man  in  der  Ebene  von  Tschaldiran  der 
Perser  ansichtig,  die  30000  Mann  zählten,  von  denen  lOOOO 
auserwählte  Reiter  aus  den  Lehnsleuten  des  Schachs  bestanden. 
Die  gut  genährten,  kräftigen  Krieger,  in  schönen  stählernen 
Wafifenrüstungen  und  auf  sorgfältig  geschmückten  Pferden 
blickten  mit  unsäglicher  Verachtung  auf  die  armseligen  Barbaren 
des  Westens  herab  ^),  die  vollständig  erschöpft  und  kaum  im- 
stande schienen,  sich  zu  verteidigen. 

Ismael  selbst  befehligte  einen  Flügel  des  glänzenden,  zu- 
versichtlichen Heeres;  Ustaogli  war  der  andere  anvertraut.  Beide 
griffen  gleichzeitig  mit  wimderbarem  Feuer  an.  Dem  Schach 
gelang  es  verhältnismäfsig  leicht,  die  Spahis  Rums  auseinander- 
zujagen; der  Beglerbeg  Hassan  blieb  auf  dem  Platze.  Die 
Geschütze  der  Osmanen  ^)  taten  diesem  persischen  Heeresteil 
nur  wenig  Abbruch,  dagegen  sank  gleich  beim  ersten  Angriff 
Ustaogli,  durch  eine  Kugel  tödlich  verletzt,  vom  Pferde.  Die 
Seinigen  aber  gaben  sich  deshalb  nicht  besiegt;  es  gelang  ihnen, 
durch  die  Gewalt  des  Anpralls  ihrer  kräftigen,  schönen  Tiere 
allen  Widerstand  zu  brechen,  bis  zu  den  Toptschis  zu  dringen 
und  viele  derselben  mit  ihren  langen,  zweispitzigen  Lanzen  aus 
Erlenholz  niederzustechen.  Der  Ausgang  der  Schlacht  hing  mir 
noch  von  den  Janitscharen  ab. 

Diese,  heifst  es,  legten  zunächst  keine  besondere  Kampflust 
an  den  Tag;  der  Sultan  mufste  mit  ansehen,  wie  die  Feinde 
viele  rumische  Spahis  niedermetzelten  *).    Jedenfalls  aber  brachten 


i)  Vgl.  Giovio  fol.  355:  „II  Turco  d'Europa,  quasi  tutto  disarniato,  a  pena 
h  mezo  coperto  d'una  targa  quadra  et  piegata ,  usando  gli  Asiatici  scudi  tessuti 
di  cannuccie  sottili  accannellati  et  di  seta  di  piü  colori." 

2)  Über  die  Einrichtung  des  Korps  der  100  Topschis ,  nait  ihren  Toptschi- 
Baschi,  siehe  Angiolello  fol.  56  vo. 

3)  Giovio,  viel  sicherer  und  vollständiger  als  Leunclavius  Sp.  734  ff., 
742  ff. ;    Angiolello   in  Ramusio   fol.    74  ff-;    Spandugino   in   Sansovino 


333  Zweites  Buch.      Siebentes  Kapitel. 

sie  die  Perser,  die  über  ihren  vermeintlichen  Sieg-  bereits  froh- 
lockten —  hatten  sie  doch  17  Sandschaks  und  einen  Beglerbeg-. 
nebst  vielen  Asapen  und  Spahis,  getötet  —  zum  Stehen.  Aufser 
den  Geschützen  richteten  4000  Büchsenschützen  aus  dem  Jani- 
tscharenkorps  ihr  Feuer  vernichtend  auf  den  Gegner.  Der 
Schach  selbst  wurde,  wenn  auch  nicht  schwer,  verwundet  und 
mufste  sich  zurückziehen  (23.  August),  und  es  bedurfte  nur  eines 
letzten  Angriffs  des  Beglerbegs  Sinan,  an  dessen  Seite  ein 
Malkotschogli  von  der  Donau  kämpfte,  um  die  Perser  völlig  zu 
werfen.  So  war  der  Tag  von  den  Osmanen,  wie  gewöhnlich, 
durch  die  Fufsmacht  und  die  Bombarden  —  ,,  diese  verbrecherische 
und  tapferer  Leute  unwürdige  Wut  der  Artillerie  ')",  schreibt 
ein  Italiener,  der  den  Sieg  des  angeblich  christenfreundlichen 
Sophis  gewünscht  hätte,  —  gewonnen  worden.  Der  Bailo 
schreibt  den  endgültigen  Triumph  ausschliefslich  der  Ar- 
tillerie zu  ^). 

Nachdem  man  das  persische  Lager,  das  Nützliches  und 
Wertvolles  —  Butter  und  Honig  werden  genannt  —  in  reicher 
Menge  enthielt,  geplündert  hatte  —  die  zahlreichen  Frauen,  die 
man  fand,  liefs  der  Sultan  mit  Ausnahme  einer  der  Beischläferinnen 
des  wollüstigen  Schachs  ^),  die  er  mit  seinem  Nischandschi-Baschi 
verheiratete,  nackt  fortjagen  — ,  ging  das  Heer  nach  Tebriz. 
Hier  zog  Selim,  der  die  Bewohner  seines  Wohlwollens  versichert 
hatte,  feierlich  ein;  die  Moscheen  wurden  dem  sunnitischen 
Gottesdienste  zurückgegeben  und  der  Sultan  selbst  verrichtete 
am  Freitag  in  einer  derselben  sein  Gebet.  Nicht  weniger  als 
700  Familien  von  Gewerbetreibenden  führte  man  nach  Kon- 
stantinopel. 

Die  Rückkehr  gestaltete  sich  insofern  recht  schwierig,  als 
die  Janitscharen    auf   eine  Überwinterung    ihres  Herrn    im  arme- 


fol.    137.      Kurz,    aber    treffend    ist    die   Schilderung    des   Bailos    im   Berichte    vom 
30.   September;   a.   a.   O.  und  auch   in   Hurrauzaki   VIII. 

1)  ..Questa    scelerata    et    indegna     d'huomini     valorosi     furia    d'artiglierie" ; 
Giovio   fol.   355. 

2)  „Haversi  solo  ritracto  per  le  artelarie,  qualle  i  cavali,  per   Don  esser  usi 
a  sentirle,  se  spaventavano  et  non  potevano  andar  avanti";  a.  a.  O. 

3)  Giovio  fol.  354. 


Eroberungen   Selims   in  Asien:   Sieg  über  den  Schach  und   den  Soudan  usw.      333 

nischen  Gebirge  Karadagh,  wie  sie  der  Sultan  beabsichtigt  hatte, 
nicht  eingehen  wollten.  Das  Heer  mufste  über  den  Euphrat 
setzen;  Iberer  und  Perser  lauerten  den  Osmanen  auf  dem  Wege 
auf  und  erbeuteten  einige  Geschütze,  ehe  man  nach  Amasieh 
kam  ').  Der  Fürst  von  Georgien  gab  schHefslich  den  Wider- 
stand auf  und  führte  dem  hungernden  Lager  8oo  Ochsen  und 
4000  Schafe  zu  ^). 

Im  Frühling  befand  sich  Selim  bereits  von  neuem  an  der 
Spitze  eines  glänzenden  Heeres,  mit  dem  er  an  die  Züchtigung 
Alaeddewlets  ging-.  Mit  5000  Janitscharen  darunter  3000  Bogen- 
schützen nahm  er  die  befestigte  Stadt  Kumach  ein,  über  die  ein 
schlimmes  Strafgericht  erging,  und  nachdem  ein  nächtlicher 
Überfall  Alaeddewlets  bei  Cäsarea  mifslungen  war,  geriet  er  mit 
«einen  drei  Söhnen  in  die  Hände  der  Osmanen  und  wurde  hin- 
gerichtet: sein  Gebiet  teilte  Sinan  an  neue  Spahis  auf^).  Dem 
Lande  Sulkadr  wurde  Ali,  der  treue  Sohn  Schachsuwars ,  zum 
Herrscher  gesetzt  und  damit  die  osmanische  Oberhoheit  in 
diesem  armenischen  Winkel  tatsächlich  begründet  *).  In  Amasieh 
blieb  der  aus  Adrianopel  herbeigerufene  Sultanssohn  Soliman 
zurück. 

Ismael  jedoch  war  weit  entfernt,  seine  Niederlage  als  end- 
gültig anzuerkennen.  Als  wahrer  persischer  Ritter  schlug  er 
einen  neuen  Kampf  an  einem  vorher  bestimmten  Tage  vor,  zu  dem 
sich  beide  Heere  gehörig  rüsten  sollten.  Dem  Sultan  schickte 
er  Geschenke  nach  Amasieh,  wie  sie  seines  Reichtums  zwar 
durchaus  würdig  waren,  die  aber  durch  die  in  ihnen  liegende 
Ironie  verletzten  sollten :  ein  mit  Edelsteinen  besetztes  Schwert, 
einen  Sattel  und  einen  gleichfalls  juwelengeschmückten  Gürtel ; 
die  Antwort,  die  seine  verstümmelten  Gesandten  zurückbrachten, 
lautete,  dafs  er  ,,  ein  Hund  sei  und  nicht  mehr  verrichten  werde 


i)  Giovio  und  die  anderen  oben  angegebenen  Quellen. 

2)  Leunclavius  Sp.   702  —  704. 

3)  Ebenda  Sp.   704 — 705. 

4)  Vgl.  auch  Angiolello  fol.    75ff.;   Leunclavius  Sp.   7I2£F. 


334  Zweites  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

als  ihm  gegeben  sei  ^)".  An  den  Soudan  und  an  den  Uzheg, 
der  ihn  von  neuem  im  fernen  Osten  ang-egriffen  hatte  *),  erfolgten 
persische  Gesandtschaften,  deren  Zweck  war,  eine  allgemeine 
Liga  aller  von  dem  osmanischen  Friedensstörer  Bedrohten  zu- 
stande zu  bringen.  Auch  in  Konstantinopel  erschien  im  Winter 
1516  ein  persischer  Bote  und  erneuerte  den  Vorschlag  einer 
,,  endgültigen  Schlacht-')".  Dann  wieder  wollte,  als  15 17  die 
türkischen  Kräfte  den  Kampf  zur  Vernichtung  des  soudanischen 
Reichs  führten,  der  Schach  seinem  Gegner  die  Rückkehr  ab- 
schneiden und  ihm  Syrien  entreifsen.  Persische  Truppen  er- 
schienen bei  Diarbekr,  wo  der  Imrochor  Mohammed  mit  2000 
Janitscharen  und  ebenso  vielen  Büchsenschützen,  sowie  vielen 
einheimischen  Reitern  die  Grenze  verteidigte ;  zwar  wurde  seine 
Vorhut  zurückgeworfen,  aber  die  Janitscharen  stellten  den  Kampf 
wieder  her,  und  als  sie  am  nächsten  Tage  den  Angriff  erneuerten, 
blieben  zahlreiche  persische  Hauptlcute  und  angeblich  mehrere 
tausend  Soldaten  auf  dem  Platze  ^). 

Im  Jahre  15  13,  kurze  Zeit  vor  dem  Zuge  gegen  den  Schach 
Ismael  erwartete  man  in  Konstantinopel  eine  grofse  Gesandtschaft 
des  Soudans,  die  am  Ende  des  Jahres  wirklich  anlangte  ^). 
Damals  ahnte  niemand  etwas  von  einem  Plane  Selims,  gegen 
diesen  mächtigen  und  verehrten  mosleminischen  Fürsten,  den 
Wächter  der  Heiligen  Städte,  der  die  Würde  eines  Kalifen  be- 
kleidete, feindlich  vorzugehen.  Kansu-al-Gauri,  der  Führer  der 
herrschenden  Klasse  der  Mameluken,  hatte  zwar  dem  flüchtigen 
Neffen  des  Sultans  nicht  die  Gastfreiheit  verweigert,  aber  er 
dachte  nicht  daran,  wie  der  Sophi  Ismael,  sie  gegen  den  nörd- 
lichen Nachbar,  der  zu  Bajesids  II.  Lebzeiten  die  Überlegenheit 
der  syrisch-ägyptischen  Waffen  mehrmals  erfahren  hatte,  aufzu- 
wiegeln. So  konnte  denn  der  Soudan  noch  15 14  an  einen  Ein- 
fall nach  Zypern  denken,  um   auf  dieser  Insel  an  Stelle  der  seit 


i)  Leunclavius. 

2)  V  ära  be  ry  a.   a.   O. 

3)  Bericht  aus  Damaskus,    14.   Februar    1516;   ,,Capi   Consiglio  X'^ 

4)  Leunclavius  Sp.  734 ff. 

5)  Bericht  vom  27.  Dezember;  „Capi  Consiglio  X". 


Eroberungen   Selims  in  Asien:   Sieg  über  den  Schach  und   den  Soudan  usw.     33& 

vier  Jahrzehnten  daselbst  bestehenden  venezianischen  Herrschaft 
einen  treuen  Vasallen  seiner  Macht  einzusetzen  *). 

Auch  als  im  Frühling  1516,  nach  einem  ganzen,  unter 
Jagden  und  anderen  Zerstreuungen  in  Frieden  verlebten  Jahre 
Selim  sich  wieder  nach  Asien  begeben  wollte,  erriet  man  sein 
wahres  Ziel  nicht.  Und  dennoch  galt  es  ihm,  eine  alte  Macht, 
die  sich  auf  eine  wunderbar  disziplinierte,  aus  starken  und  tapferen 
Sklaven  sich  immer  erneuernde  Kriegerklasse  stützte,  nieder- 
zuwerfen und  den  türkischen  Sultan  des  asiatischen  und  europä- 
ischen Rums,  den  Nachfolger  der  byzantinischen  Kaiser  in 
Konstantinopel,  zum  Padischah  und  Kalifen,  zur  obersten  politischen 
und  religiösen  Instanz  des  Islams,  wenigstens  des  orthodoxen, 
sunnitischen  Islams,  zu  machen.  Die  allgemeine  Ansicht  ging 
vielmehr  dahin,  dafs  der  osmanische  Herrscher  seinen  persischen 
Feind  und  Nebenbuhler  wieder  mit  Krieg  heimsuchen  wolle: 
war  doch  der  in  alle  Staatsgeheimnisse  eingeweihte  Wesir  Sinan 
mit  Geschützen  und  Bogenschützen  nach  Karamanien  aufge- 
brochen ^).  Allerdings  hatte  der  Soudan  in  Januar-Februar  durch 
eine  Sondergesandtschaft  dem  Nachbar  die  Hinrichtung  Alaed- 
dewlets  und  die  Besetzung  des  Landes  Sulkadr  vorwerfen  lassen, 
worauf  Selims  Antwort  gewesen  war,  dafs  er  nur  ,,  einen 
schwarzen  Stein  vom  Wege^)"  entfernt  habe  und  keineswegs 
gedenke,  ,,die  Altäre  des  Gebetes",  d.  h.  die  Besitzungen  des 
Kalifen,  anzugreifen. 

Am  5.  Juni  verliefs  der  Sultan  seine  Hauptstadt.  Gleich- 
zeitig verlautete,  dafs  der  Soudan,  aus  unbekannten  Gründen, 
sich  nach  Syrien  gewandt  habe,  ein  Umstand,  der  um  so  auf- 
fallender war,  als  die  mamelukischen  Dynasten  ihre  Zeit  im 
schönen,  fernen  Kairo  zu  verbringen  pflegten.  Vor  dem  Auf- 
bruche hatte  Kansu-al-Gauri  aufserordentliche  Steuern  erheben 
lassen  und  in  Alexandrien  und  Damiette  Verteidigungsmafsregeln 
getroffen.     Dafs  er  nach  Syrien  ging,  geschah  nach  dem  Urteile 

1)  Bericht  vom   3.  Juli    15 14;   „Capi  Consiglio  X". 

2)  Angiolello   in  Ramusio   fol.    75   vo    bis   76. 

3)  „La    pietra    negra   dela  strada";    Bericht    vom    14.  Februar   15 16,    „Capi 
Consiglio  X". 


336  Zweites  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

eines  Kenners  der  Verhältnisse,  weil  er  dem  erwarteten  Feind 
nicht  die  Vorteile  der  Oftensive  gönnte  und  einen  Abfall  der 
für  die  Osmanen  gestimmten  einheimischen  Bevölkerung"  ')  ver- 
hindern wollte. 

Da  der  Soudan  eine  bestimmte  Erklärung  Selim  gegenüber 
vermied,  befragte  dieser  eine  Versammlung  von  Rechtsgelehrten 
und  ,, Doktoren",  ob  es  ihm,  der  nicht  etwa  den  Vertreter  der 
wahren  Religion  beleidigen  und  in  seinen  Rechten  beeinträchtigen 
wolle,  gestattet  sei,  den  bösen  Dorn  aus  dem  Körper  des  Islams 
zu  reifsen  und  auf  dem  von  Gott  selbst  vorgezeichneten  Wege 
weiter  zu  schreiten.  Selbstverständlich  erteilte  sie  ihm  den  ge- 
wünschten Bescheid^),  und  so  wurde  der  bedeutendste  Krieg, 
•den  mosleminische  Staaten  seit  langem  untereinander  geführt 
hatten,  eröffnet. 

Über  den  Marsch  Selims  bis  nach  Syrien  haben  wir  keine 
Nachrichten.  Am  24.  August  trafen  beide  Heere,  deren  Zu- 
sammensetzung die  gewöhnliche  war,  beim  sogenannten  ,,  Grabe 
Davids",  oder  Dabik,  nicht  weit  von  Alep,  aufeinander.  Selim 
hatte  alle  Janitscharen  und  die  Ehrentruppen  seines  Hofes  um 
sich ;  seine  Armee  glich  derjenigen  wenig,  deren  übermensch- 
liche Anstrengungen  ihm  den  Sieg  von  Tschaldinan  errungen 
hatten;  vielmehr  wurden  diesmal  die  Sklaven  der  vornehmsten 
Offiziere  in  seidenen  Kleidern  mit  kostbaren  Knöpfen,  mit  ihren 
roten  und  brokatenen  Hüten  und  den  schönen  hohen  Feder- 
büschen allgemein  bewundert  ^).  Sinan-beg  hatte  die  Spahis 
von  Rum  unter  seinen  Befehlen.  Dem  Fürsten  von  Sulkadr, 
Schachsuwar,  fiel  die  Aufgabe  zu,  den  Feind  durch  eine  geschickte 
Bewegung  seiner  Reiter  zu  umzingeln. 

Einem  solchen  Heere,  seinen  Fufstruppen  und  Geschützen 
gegenüber  hatte  die  hartnäckige,  mehr  als  heroische  Tapferkeit 
■der  Mameluken  schweren  Stand;  auch  bildeten  sie  nur  einen 
Teil    des    gegnerischen    Heeres,    dessen    Lücken    Truppen    aus 


i)  „La  inclination    de  questi  populi  alle  cosse  turchesche'' ;    Bericht  des  ve- 
nezianischen Konsuls  in  Damaskus,    14.  Februar   15 16;  ,,Capi  Consiglio  X". 

2)  Angiolello   a.  a.   O. 

3)  Vgl.  Angiolello  a.  a.   O.  mit  Giovio   fol.   359  vo. 


Eroberungen   Selims  in  Asien:    Sieg  über  den  Schach  und   den  Soudan  usw.      337 

Damaskus  und  Alep  ausfüllten.  Nach  einig'en  Stunden  heifsen, 
unentschiedenen  Ringens  wurde  der  Emir  von  Alep  geworfen ; 
dem  von  Damaskus  schlug"  bald  darauf  ein  rumischer  Osmane 
das  Haupt  in  den  Staub.  In  dem  entstehenden  Durcheinander 
fand  der  Soudan  selbst  auf  unbekannte  Weise  einen  unrühm- 
lichen Tod.  Über  seidene  Tücher  hielt  nun  der  Sieger  als 
neuer  Herr  Syriens  in  beide  Hauptstädte  des  Landes  seinen 
Einzug  und  liefs  die  Bevölkerung,  die  er  durchaus  schonend 
behandelte,  den  Treueid  leisten.  Der  Emir  von  Alep  erschien 
vor  ihm,  um  seine  Unterwerfung  zu  erklären,  und  wurde  mit  der 
gröfsten  Liebenswürdigkeit  empfangen.  Der  in  Damaskus  ab- 
gehaltene Diwan,  schreibt  ein  christlicher  Augenzeuge,  brachte 
die  Vertreter  von  72  Sprachen  zusammen;  ,, niemals  fand  eine 
so  glänzende  Pforte  statt  ^)".  Auch  in  Jerusalem  weilte  Padi- 
schach  Selim,  verteilte  Almosen  an  die  armen  Moslemin,  be- 
suchte die  grofse  Moschee  und  die  im  Salomonischen  Tempel, 
auch  das  Grab  Abrahams,  und  liefs  das  Fest  des  Kurban-Bairams 
unter  zahlreichen  Schafopfern  abhalten  ^). 

Ein  von  Sinan  geführter  Vortrab  war  ihm  indes  auf  dem 
Wege  nach  Ägypten,  wo,  in  der  Person  des  Begs  Tuman,  ein 
neuer  Soudan  ausgerufen  worden  war,  vorangegangen.  Sinan 
besetzte  Gaza,  wo  ihn  der  Emir  Al-Ghazali  angriff;  die  Schlacht 
fand  vor  den  Mauern  Gazas  statt,  und  die  Mameluken  und 
Araber,  5000  an  Zahl,  wurden  in  die  Flucht  gejagt;  der  Emir 
von  Alexandrien  fiel,  aber  fünf  Sandschaks  im  osmanischen 
Heere  teilten  sein  Schicksal.  Einige  Tage  später  langte  auch 
der  Sultan  in  Gaza  an,  nachdem  er  Ramleh,  wo  eine  Anzahl 
Silichdaren  getötet  worden  war,  verwüstet  und  durch  die  Kugeln 
seiner  Büchsenschützen  die  Araber  von  den  Pässen  verdrängt 
hatte. 

Erst  in  der  Nähe  Kairos  wurden  dann  wiederum  Reiter- 
abteilungen des  feindlichen  Heeres,  die  die  Verproviantierung 
zu    stören    suchten,    sichtbar.     Der    Soudan,    der   Wirkung    der 


1)  „Et    non  fü  fatta   mai  piü  cosi  honorevol  Porta";    Angiolello    in  Ra^ 
musio  fol.   76  v'O. 

2)  Ebenda. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  22 


Zweites  Buch.     Siebentes  Kapitel. 

türkischen  Geschütze  am  Tage  des  24.  Aug-ust  eingedenk,  suchte 
den  Osmanen  mit  gleichen  Waffen  zu  begegnen;  150  schöne 
und  alte,  kunstvoll  aus  Bronze  gegossene  Kanonen  waren  aus 
dem  Arsenale  hervorgeholt  worden,  um  beim  Erscheinen  des 
Sultans  dessen  Heer  zu  vernichten.  Selim  aber  war  davon 
benachrichtigt  worden,  und  die  ägyptischen  Geschütze  erwiesen 
sich  als  unbrauchbar  und  sogar  der  eigenen  Bedienungsmann- 
schaft gefährlich,  während  die  50  Bombarden  der  Türken  wieder 
grofsen  Schaden  unter  den  Feinden  anrichteten. 

Dagegen  war  ein  grofser  Angriff  der  soudanischen  Kavallerie 
gegen  den  rechten  anatolischen  Flügel  der  Osmanen,  wo  sich 
bald  auch  andere  Truppen  zusammendrängten,  erfolgreicher. 
Beim  eiligen  Rückzuge  Schachsuwars  und  anderer  Asiaten  wurde 
Sinan  umzingelt  und  erhielt  acht  Wunden,  ehe  ihn  die  Seinigen 
als  einen  Sterbenden  aus  dem  Getümmel  wegführen  konnten. 
,,Die  Spahis",  schreibt  ein  Zeuge,  ,,  netzten  ihn  mit  ihren  Tränen, 
wickelten  den  Leichnam  in  feines  Tuch,  wuschen  ihn  mit  Wasser 
aus  Mekka  und  begruben  ihn."  Rache  dürstend  ritt  nun  der 
Beglerbeg  Mustafa  von  Anadol  gegen  die  kühnen  Feinde  an 
und  ,, mähte  die  Tscherkessen  wie  Korn  nieder".  Da  flüchteten 
die  Reste  des  letzten  soudanischen  Heeres  nach  Kairo,  und  der 
Gefangenen  Selims  wartete  ein  grausames  Gemetzel  (23.  Januar 
15 17)  ^).  Ein  Versuch  des  auf  eine  Insel  im  Nil  geflüchteten 
Soudans,  das  türkische  Lager  mit  etlichen  Tausenden  wieder 
zusammengebrachter  Krieger  zu  überrumpeln,  glückte  nicht.  Ein 
letzter  Kampf  der  fanatischen  Verteidiger  der  Mamelukenherr- 
schaft endete  am  folgenden  Tage  mit  dem  vollständigen  Siege 
der  Osmanen. 

Tuman,  der  im  November  durch  den  Vikar  vom  Berge  Sion 
und  den  venezianischen  Konsul  in  Alexandrien  sogar  die  ent- 
fernten Franken  um  ihre  Hilfe  angegangen  war  ^),  hatte  von 
keiner  Seite  mehr  etwas  zu  hoffen.     Dennoch  verteidigrte  er  mit 


1)  Über  die  Verbreitung    der    ersten  Siegesnachricht   in  Europa  durch  Sultan 
Soliman  siehe  „Dipl.  Rag."  S.  679,  840 — 841. 

2)  Bericht  von  Alexandrien,   19.  September  und   23.  November   1516;    „Capi 
Consiglio". 


Eroberungen   Selims  in  Asien:   Sieg  über  den  Schach  und   den  Soudan  usw.     339 

seinen  treuen  Mameluken  und  der  ganzen,  ihm  ergeben  g-e- 
bliebenen  Bevölkerung",  was  noch  vom  einst  so  mächtigen  Staate 
der  Kalifen  auf  ägyptischer  Erde  übrig  war,  aufs  äufserste.  Die 
Eroberung  Kairos,  das  von  jedem  Fenster  aus,  in  jedem  dunkeln 
Strafsenwinkel  Widerstand  leistete,  kostete  während  dreier  Tage 
und  Nächte  Ströme  von  Blut.  Besonders  um  die  Moschee 
Soudan  Schabans  tobte  ein  erbitterter  Kampf,  an  dem  anfangs 
auch  Artillerie  beteiligt  war.  Wer  in  die  Hände  der  gereizten 
Türken  fiel,  endete  unter  auserlesenen  Folterqualen;  viele 
wurden  halbtot  ins  Wasser  geworfen  und  ertränkt.  Endlich 
entdeckte  man  das  Versteck  der  Pferde  der  Mameluken;  mit 
nur  dreifsig  Gefährten  flüchtete  sich  Soudan  Tuman  in  einem 
Kahne. 

Es  kam  dem  Sultan  alles  auf  den  Besitz  seiner  Person  an, 
und  ein  Mohrenhäuptling  verriet  Tuman:  man  stellte  ihn  am 
jenseitigen  Ufer  des  Flusses  und  er  wies  die  durch  den  Kadi 
von  Kairo  verlangte  Unterwerfung  und  das  Versprechen  eines 
Sandschakats  mit  Empörung  zurück.  Der  Beglerbeg  Mustafa 
hatte  mit  dem  Gefolge  des  Flüchtigen  noch  einen  harten  Kampf 
zu  bestehen  und  mufste  sich  mit  seinem  Buzdugan  in  der  Hand 
selbst  ins  Gemenge  werfen.  Endlich  wurde  der  Soudan,  tief  im 
Wasser  steckend,  an  einer  Brücke  gefangen  genommen.  Ihn, 
der  seine  Herrschaft  und  Ehre  so  hartnäckig  verteidigt  hatte, 
liefs  Selim ,  aller  ritterlichen  Charakterzüge  bar,  auf  einem  Esel 
durch  die  Hauptstrafsen  Kairos  reiten  und  ihm  dann  an  einem 
Tore  der  Stadt  den  Strick  um  den  Hals  legen. 

Drei  Tage  dauerten  Mord  und  Plünderung  an;  am  vierten 
wurde  der  kaiserliche  F"rieden  für  ganz  Ägypten  ausgerufen.  So 
war  Selim  ,,auf  den  Thron  Jussufs",  d.  h.  des  biblischen  Joseph 
gelangt.  Sechs  bis  sieben  Monate  hindurch  blieb  er  im  Lande, 
um  die  politischen  und  sozialen  Verhältnisse  so  zu  regeln,  wie 
sie  ähnlich  in  allen  Provinzen  des  Reiches  bestanden ;  wider- 
strebende Elemente  wurden  beseitigt.  Vor  Alexandrien  erschien 
noch  im  Winter  eine  in  Konstantinopel  eilig  zusammengebrachte 
starke  Flotte  mit  2000  Janitscharen  und  vielen  Asapen  unter 
dem  Befehle  des  Sandschaks  von  Aladscha-Hissar  und  Mehmeds, 
eines  Sohnes  Iskenders,    aus    dem  Geschlechte   der  Michaloglis, 

22* 


340  Zweites   Bucli.      Siebentes  Kapitel. 

und  die  riesig-e  Handelsstadt  erg-ab  sich  ohne  Zög-ern  ').  Auch 
der  Scherif  von  Mekka  stellte  sich  vor  dem  neuen  Soudan 
osmanischen  Blutes  ein  und  nahm  den  kostbaren,  aus  Seide  g'e- 
webten  Schleier  für  die  Moschee  des  Propheten  aus  seinen 
Händen  entg-egen. 

Junus-beg  wurde  zum  ersten  Pascha  von  Äg-ypten  und 
dritten  Beg'lerbeg-  ernannt;  zahlreiche  Janitscharen  und  Spahis 
dienten  zu  seinem  Schutze.  Als  er  sich  allzu  eig^enmächtig" 
be\veg"te  und  ins  öffentliche  Gebet  seinen  Namen  wie  den  eines 
souveränen  Soudans  einschliefsen  liefs,  wurde  er  auf  Selinis  Befehl 
hing'erichtet ,  und  an  seine  Stelle  ^)  trat  der  g-ewesene  Emir 
Chair-beg-  von  Alep.  Darauf  brach  Selim  endlich  wieder  nach 
Syrien  auf,  den  schönen  Sohn  seines  äg-yptischen  Vorg-äng-ers 
und  dessen  Tochter,  die  er  an  den  Emir  von  Damaskus  ver- 
heiratet hatte,  mit  sich  fortführend  ^).  In  Syrien  blieben  zunächst 
noch  40000  Reiter,  zum  g"röfsten  Teile  Söhne  des  Landes, 
stehen  *) ;  in  Anatolien  hielt,  um  feindlichen  Plänen  Ismaels  vor- 
zubeug-en,  eine  Zeitlang-  Piri-Pascha  am  Flusse  Kisil-Irmak  Wacht, 
wurde  aber  bald  abberufen  (Oktober  15 18).  In  den  letzten 
Julitag-en  des  Jahres  15 18  war  Selim  wieder  in  Konstantinopel: 
die  Prophezeiung-  eines  venezianischen  Konsuls  (Februar  15 17), 
dafs  ,,er  sich,  wenn  Gott  es  nicht  verhüte,  zum  Herrn  aller 
Muselmanen  machen  werde  °)",  war  in  Erfüllung  g-eg-ang-en. 

Noch  im  Jahre  15 18,  vielleicht  auch  erst  15 19,  erfolg-te 
ein  Aufstand  der  Bürg-er  von  Kairo  und  wurde  von  der  osma- 
nischen Besatzung-  ohne  Mitleid  in  Blut  erstickt.  Selim  aber 
erschien  nicht  mehr  in  Asien  oder  Äg-ypten.  Das  Jahr  15 19 
verbrachte    er   in   Adrianopel  ^).     Ohne  Grund    redete    man    von 


i)  Über    die  Zurüstung    dieser  Flotte    siehe    die   venezianischen  Berichte  vom 
17.  Dezember   15 16,  4.  Januar,   5.   Februar   151 7   a.   a.   O. 

2)  Leunclavius  Sp.   751  —  752. 

3)  Albferi  S.   53.  4)  Ebenda  S.   54. 

5)  „Lui  se  farä  signor  de  tuti  i  musulmani ,    se  Dio    non  provede";    „Capi 
Consiglio  X". 

6)  Alb^ri  S.   54. 


Eroberungen   Selims  in  Asien :   Sieg  über  den  Schach  und  den  Soudan  usw.      341 

seinen  Vorbereitungen  gegen  Italien  oder  Rhodos  *).  Im  Herbste 
1520  begab  er  sich  nach  der  Ortschaft  Indschigis  bei  Kon- 
stantinopel, und  während  Piri  und  Achmed-Pascha  das  Bairamfest 
vorbereiteten,  erkrankte  Selim  an  einer  Fistel  und  starb  uner- 
wartet am  7.  Schawal^)  (20.  September);  der  Wesir  Ferhad  pflegte 
ihn  in  seinen  letzten  Tagen,  da  sein  mit  Mifstrauen  von  ihm 
betrachteter  Sohn  Soliman,  der  seinerseits  wieder  einen 
Anschlag  des  Vaters  auf  sein  Leben  fürchtete,  im  Sandschakat 
Sarukhan  zu  Manissa  weilte. 


1)  Cambin i  a.   a.   O.   fol.    180. 

2)  Leunclavius  Sp.  752 — 753;  vg.  auch  „Dipl.  Rag."  S.  842.  —  Die 
Erzählung  meistens  nach  den  schon  mehrmals  erwähnten  zuverlässigen  abendlän- 
dischen  Ouellen. 


Achtes  Kapitel. 

Sultan  Solimans  n,  Jugend.    Seine  Wesire  und 
Günstlinge.    Asiatische  Kriege. 


Nach  dem  wilden  und  finsteren  Sultan  Selim,  von  dessen 
blasser  Gesichtsfarbe,  hervorquellenden  Augen  und  langem 
Schnurrbarte  die  Zeitgenossen  berichten,  der  ein  Soldatenleben 
zu  führen  liebte,  sich  mit  einem  einzigen  Gericht  auf  hölzernem 
Teller  begnügte,  bald  leidenschaftlich  dem  Vergnügen  der  Jagd 
frönte  oder  an  der  Spitze  seiner  Heere  im  entfernten  Osten 
kämpfte,  bald  im  Opiumrausch  übermenschliche  Seligkeit  und 
Erholung  suchte  '),  wurde,  als  er  im  46.  Jahre  sein  Leben  früh- 
zeitig beschlossen  hatte,  ein  an  Leib  und  Geist  ganz  verschiedener 
Mann  Beherrscher  des  osmanischen  Reiches.  In  Europa  geboren, 
in  Kaffa  unter  den  Tataren  seiner  schönen  Mutter  ^)  erzogen, 
dann  während  der  asiatischen  Kriege  des  Vaters  längere  Zeit 
mit  der  Leitung  der  europäischen  Angelegenheiten  betraut,  um 
schliefslich  wie  verbannt  in  Asien  zu  leben,  weil  jener  ihm  zu 
mifstrauen  begann,  hatte  der  eben  26jährige  Soliman  ein  Drittel 
seines  Lebens  in  Konstantinopel  zugebracht,  wo  er,  nach 
türkischem  Ausdrucke,  ,, ausgebacken"  war,  und  vertrat  den 
Typus  des  vornehmen  jungen  Mannes,  der  dem  Geschmacke 
der  Hauptstadt    entsprach  ^).     Er  war  blafs  und  schlank  ^) ;    halb 


i)  Giovio,  Informatione ,    in  Sansovino    fol.   239:    nach    dem    Zeugnisse 
des  venezianischen  Gesandten  Luigi  Mocenigo. 

2)  Sie  lebte  im  Alter  von  48  Jahren  noch   1526;  Alb^ri  a.  a.  O.,  S.    loi. 

3)  „E  cotto  a  Constantinopoli ,  per  usar  li  motti  turcheschi,    videlicet  stä  il 
terzo  della  sua  vita  li,  ed  ^  molto  amato";  Alberi  S.  95,  Jahr  1524. 

4)  Pallido,  smorto. 


Sultan   Soliraans  II.  Jugend.      Seine   Wesire  und   Günstlinge.     Asiat.  Kriege.     343 

versunkene  Aug-en  leuchteten  finster  unter  dem  schweren,  meister- 
haft g-ewickelten  Turban  hervor;  eine  Adlernase  und  ein  lang-er 
Hals  waren  für  den  zarten  Jüngling-,  wie  auch  sein  melancholisches 
Aussehen,  charakteristisch  ^).  Das  Profil  war  edel  und  schart 
geschnitten;  über  der  energischen  Oberlippe  kräuselte  sich  ein 
kleiner,  dünner  Schnurrbart.  Als  Tschelebi,  als  osmanischer 
gentilhomme  alter  Rasse  sah  er  mit  kaltem,  etwas  müdem 
Blick  in  die  Welt,  die  seinen  im  Bewufstsein  gewaltiger  Macht 
begründeten  Ehrgeiz  herausforderte. 

Mit  kräftigem  Arm  verstand  er  sich  meisterlich  auf  die 
Tatarenkunst,  den  Bogen  zu  spannen  und  seinen  Pfeil  zu  ent- 
senden; er  hatte  ein  Handwerk  gelernt  und  sich  täglich  einen 
Asper  damit  verdient,  der  nach  seiner  eigenen  Aussage  nicht 
vom  Schweifs  und  Blut  der  Untertanen  befleckt  war  ^).  Neben 
den  morgenländischen  beherrschte  er  auch  die  slawischen 
Sprachen  seines  weit  höher  als  Asien  geschätzten  Rums  ^)  und 
konnte  mit  seinen  Offizieren,  deren  überwiegende  Mehrheit  in 
Bosnien,  Dalmatien,  Serbien  und  Bulgarien  geboren  war,  in  ihrem 
Idiom  verkehren  ^),  Für  die  schmuckreiche  arabisch-persische 
Dichtung  der  Zeit,  mit  ihren  verblümten,  geistreichen  und 
symbolischen  Ausdrücken  im  Geschmacke  des  Orients^),  hatte 
er  so  wenig  wie  die  meisten  seiner  Vorgänger  Verständnis. 
Auch  die  sogenannte  Philosophie,  die  auf  dem  Grunde  des 
Islams  gewachsen  war,  interessierte  ihn  nicht.  Kein  Schwärmer 
und  kriegerischer  Romantiker  wie  Selim,  fand  er  dennoch  Ge- 
fallen an  den  fabelhaften  Geschichtserzählungen  von  Helden  und 
Welteroberern  wie  Alexander  dem  Grofsen,  den  zu  erreichen 
sich  aber  seine  Träume  nicht  vermafsen.  Sein  Vater  hatte 
Christen  und  Juden  geschont  und  dagegen  bettelnde  Derwische 


i)  Vgl.  Alber i  a.  a.  O.  S.   78,   loi.     So  gibt    ihn    auch  der  Holzschnitt  in 
Herzberg,  Gesch.   der  Byzantiner  und  des  osmanischen  Reiches,  S.  675. 

2)  Vgl.    Alb  er  i    S.    loi    und    einen    Anonymus    von    1538    in    Sansovino 
fol.  401   vo. 

3)  ,,La   quäle    egli    stima  molto    et    intende    alquanto",    Bassano    in    San- 
sovino fol.   10 1  —  iio  vo. 

4)  Ebenda. 

5)  Menavino  fol.    70. 


344  Zweites  Buch.     Achtes  Kapitel. 

und  Scheiks  —  einer  dieser  geistlichen  Pilgerfanatiker,  ein 
Turlake  *),  hatte  einen  Dolchstofs  gegen  ihn  gerichtet,  den 
der  Wesir  Iskender  auffing  ^)  —  verfolgt;  Soliman  war  zwar  kein 
Eiferer  gegen  das  Christentum,  liebte  dessen  Vertreter  aber  nicht 
und  zeigte  sich  jedenfalls  gegen  häfsliche  Ausschweifungen  des 
Islams  nachgiebig:  er  wollte  seiner  religiösen  Pflicht  und  Ver- 
antwortung als  Kalif  eingedenk  erscheinen  2),  obwohl  er  bis  in 
seine  späteren  Jahre  nicht  wie  Mohammed  und  Bajesid  sein 
Imaret  *)  oder  seine  Moschee  hatte ;  denn  wirkliche  Frömmigkeit 
ging  ihm  sicherlich  ab. 

Man  behauptete  wohl,  Soliman  sei  dem  Spiele  und  Zer- 
streuungen, wie  vor  allem  der  Jagd,  allzu  ergeben;  mancher 
Beobachter  glaubte  voraussagen  zu  dürfen,  dafs  er  Lastern  und 
einer  unregelmäfsigen  und  ungeordneten  Lebensart  nur  wenige 
Jahre  werde  widerstehen  können ;  ein  venezianischer  Bailo  be- 
merkte den  veränderlichen,  bald  trotzigen,  bald  ,,sehr  unter- 
würfigen" (umilissimo)  Sinn  des  Sultans  und  verkannte  die  dem 
Orientalen  durch  Erziehung  und  Beispiel  eingeimpfte  Verstellungs- 
kunst, die  sich  in  Zorn  und  Selbstüberhebung,  wie  in  scheinbarer 
Demut  äufsern  kann  °).  Dem  Kriege,  so  urteilten  christliche 
Gesandte,  denen  dieser  Zug  freilich  besonders  interessant  und 
erwünscht  sein  mufste,  sei  er  wenig  geneigt,  weil  er  im  Serail- 
leben aufgehe  ^). 

Die  so  dachten,  täuschten  sich.  Der  neue  Sultan  war  kein 
Liebhaber  schöner  Frauen  und  noch  weniger  Epheben.  Eine 
Montenegrinerin  hatte  ihm  15 18  einen  Sohn,  Mustafa,  geboren, 
der,  zu  einem  tapferen  Krieger  herangewachsen,  in  Asien  —  er 
lebte  mit  seiner  Mutter  in  Karahamid  —  sehr  beliebt  wurde  und 
dadurch  des  Vaters  argwöhnischen  Zorn  herausforderte,  so  dafs  ihm 
die  Ränke  der  Lieblings-,, Sklavin"  desselben,  der  nicht  öffentlich 
anerkannten  Sultanin  Churrem,  schliefslich  den  Tod   eintrugen'). 


i)  Siehe  weiterhin  das  kulturgeschichtliche  Kapitel. 

2)  Spandugino   fol.    129  vo. 

3)  Vgl,  Spandugino  fol.  128;  desselben  Ermahnungsrede,  ebenda  fol.  206. 

4)  Spandugino  fol.   127  v.  5)  Alberi  S.    loi. 

6)  Siehe  auch  Hurmuzaki  IP,  S.   522;  Alberi  S.   103. 

7)  Vgl.    über    ihn    einen    unedicrten    venezianischen  Bericht  vom  20.  Oktober 


Sultan   Solimans  II.  Jugend.      Seine  Wesire  und   Günstlinge.     Asiat.   Kriege.     o4:5 

Diese  war  eine  von  Tataren  erbeutete  Russin,  die  für  solche 
christliche  ]\ienschenware  dem  kaiserlichen  Zollamte  in  Kaffa 
jährHch  riesige  Summen  entrichteten;  daher  der  ihr  von  den 
Gelehrten  der  Renaissance  in  ihren  lateinischen  Werken  geg-ebene 
Beiname:  Roxolana,  „die  Russin".  Keine  üppige  morgen- 
ländische Schönheit  mit  schwarzen  Augen  und  Locken  und  blut- 
roten Lippen,  wie  sie  in  den  Harems  bewundert  und  geliebt 
wurden,  sondern  eine  graziöse,  kleine  Gestalt  ^),  wufste  sie  den 
Sultan  so  vollständig  zu  fesseln ,  dafs  er  sie  nicht  nur  in  Gold 
und  Edelsteinen  kleidete  —  eines  ihrer  Kleider  kostete  gegen 
lOOOOO  Dukaten  — ,  sondern  ihr  zuliebe  sogar  alle  ihm  ge- 
schenkten Sklavinnen  mit  Günstlingen  und  Offizieren  seines  Hofes 
verheiratete  ^).  Sie  gebar  ihm  —  aufser  zwei  anderen  Kindern, 
die  bereits  1521  starben  —  drei  Reichserben,  Selim  (geboren 
1521),  den  buckligen  Murad,  der  verborgen  im  Serail  lebte,  und 
Mohammed;  die  Beschneidung  Selims  und  Mohammeds  und 
ihres  Halbbruders  Mustafa  wurde  auf  dem  Atmeidan,  dem  alten 
Platze  des  Hippodroms,  1529  mit  grofser  Pracht  gefeiert^). 
Eine  einzige  Tochter  heiratete  den  Pascha  Rustem  *).  Mit  dieser 
Roxolana,  die  der  Hafs  der  Janitscharen  und  vieler  anderer 
Feinde  eine  ,,Hexe"  nannte^),  lebte  Soliman  so  glücklich,  wie 
irgendein  europäischer  Fürst  der  monogamischen  Christenheit, 
bis  zu  ihrem  lange  beweinten  Tode;  ihr  Grab  ist  neben  dem 
ihres  Herrn,  der  für  sie  ein  Gemahl  war,  in  der  Suleimanieh 
von  Konstantinopel  zu  sehen. 

Krieg  wünschte  Soliman  nicht  aus  persönlicher  Freude 
daran,  denn  er  war  kein  geborener  Krieger  und  keine  Eroberer- 
natur, und  es  mangelte  ihm  an  Ehrgeiz.  In  seiner  Familie  und 
gegen    seine    Freunde    war    er    liebenswürdig   und    war   nicht    zu 


1523:  „El  fiol  de  questo  signor,  de  ani  circa  5";  Alberi  passim ;  Menavino 
fol.   71   vo. 

i)  „Aggraziata  e  minuetta." 

2)  Bassano  fol.  84  vo ;  Alberi  a.  a.  O.  S.   loi. 

3)  Vgl.  Alberi,  Jahr   1527,   dann   S.    loi  ff.  und  Leunclavius  Sp.    764. 

4)  Bassano  fol.   84  vo — 85. 

5)  Ebenda. 


346  Zweites  Buch.     Achtes  Kapitel. 

stolz,  sich  ihnen,  wie  z.  B.  dem  mächtigen  Wesir  Ibrahim,  unter- 
zuordnen; äufseren  Pomp  verabscheute  er.  Trotzdem  geriet  der 
jung-e  Herrscher  nie  in  Gefahr,  für  einen  von  seinen  Favoriten 
geleiteten  Schwächling  gehalten  zu  werden,  wie  es  Bajesid,  den 
die  Wesire,  nach  dem  Ausspruche  Selims,  an  seinem  langen 
Barte  zogen,  geschehen  war.  Im  Gegenteil  hat  kein  osmanischer 
Sultan  je  in  so  hohem  Grade  das  ruhige  und  sichere,  majestätisch 
gleichmäfsige  Bewufstsein  seiner  Würde  als  Erbe  Osmans,  Schach 
und  Kalif  gehabt,  wie  er. 

Für  ,,Solimanschach,  den  immer  siegreichen  Kaiser,  den 
Kaiser  der  Kaiser,  den  gekrönten  König  des  Weltalls,  den 
Schatten  Gottes  auf  beiden  Erdteilen,  den  Herrscher  über  das 
Weifse  und  Schwarze  Meer,  über  Rum,  Anadol,  Griechenland, 
Karamanien,  Sulkadr,  Diarbekr,  Damaskus,  Alep,  Kairo,  Jeru- 
salem, Mekka,  Medina,  Jemen,  Dscheddah  u.  a.  ^)"  war  alle  Macht 
entweder  ein  Ausflufs  seines  schöpferischen  Willens  oder  ein 
Zeugnis  vorläufiger  gnädiger  Duldung.  Wie  kann,  fragte  der 
Wesir  Mustafa  den  polnischen  Humanisten  Hieronymus  Laski, 
der  im  Namen  König  Johann  Zäpolyas  1527 — 28  als  ungarischer 
Gesandter  nach  Konstantinopel  kam,  ein  Erdelybeg  den  Sultan 
als  Vater  betiteln,  da  er,  wie  überhaupt  alle,  nur  dessen 
kriechender  Sklave  ist  ^)  ? 

Die  Grofsen  seines  Reiches  verehrten  in  ihm  das  Ebenbild 
Gottes  auf  Erden.  ,,Eure  Hoheit  darf  nicht  glauben,"  schreibt 
ein  venezianischer  Bailo,  ,,dafs  er  sich  von  den  Wesiren  leiten 
läfst;  vielmehr  zittern  sie  vor  ihm  und  suchen,  wenn  sie  ihn 
zornig  sehen,  so  schnell  wie  möglich  sich  in  Sicherheit  zu 
bringen  ^)."  Die  Hände  auf  dem  Rücken  erschienen  seine 
Grofsen  vor  ihm  und  die  Sandschaks  durften  ihn  nicht  einmal 
anschauen  ■*).  Fast  heiter  nahmen  sie  von  ihm  sogar  das  Todes- 
urteil entgegen,  und  so  stark  war  die  Disziplin,  dafs  „  der  letzte 


i)  Siehe  Alb^ri  S.   118,  Anm.    i. 

2)  Hurmuzaki  II,   S.   38  ff. 

3)  „N^  pensi  la  Serenita  Vostra  che  lui  si  lasci  governar  dalli  Bassä,  immo 
loro  tremano  di  lui,  e,  quando  lo  vedono  in  coUera,  cercano  espedirsi  piü  presto 
sia  possibile";  Alberi  S.  85,  Jahr   1522. 

4)  Wie  auch  unter  Bajesid  ;  Mena  vin  o  fol.  7IV0;  vgl.  Spandugino  fol.  124VO. 


Sultan  Solimans  11.  Jugend.     Seine  Wesire  und  Günstlinge.     Asiat.   Kriege.      347 

Sklave  auf  sein  Geheifs  den  gröfsten  Herrn  im  Reiche  gefangen 
nehmen  —  oder  hinrichten  —  konnte  ^)". 

Unter  den  Helfern  Solimans  ragt  Ibrahim  am  meisten  her- 
vor, dessen  Laufbahn  besser  als  alle  Erklärungen  die  Regierungs- 
art Solimans  in  der  ersten  Periode  charakterisiert.  Er  war  der 
Sohn  eines  christlichen  Bauern ,  eines  armen  Albaniers  in 
Parga,  dem  er  später  ein  Sandschakat  in  diesem  Gebiete  ver- 
leihen liefs.  Als  Sklave  —  er  wurde  bei  der  Einnahme  Santa- 
Mauras  gefangen  genommen  —  war  er  mit  Soliman  in  Manissa 
zusammen  aufgewachsen  und  gewann,  da  er,  ebenso  wie  die 
Russin ,  von  feinem  und  klugem  Wesen  war  ^),  nicht  nur  das 
Vertrauen,  sondern  auch  die  Freundschaft  seines  Herrn ;  er  wufste 
mit  Eleganz  zu  sprechen  und  las  eifrig  in  den  Geschichten 
grofser  Kriegshelden ;  Geographie ,  Philosophie  und  Rechts- 
gelehrsamkeit beschäftigten  ihn  gleichzeitig;  er  nahm  später 
auch  einen  der  in  Konstantinopel  befmdlichen  Perser,  die  auf 
einer  höheren  Stufe  der  Bildung  als  die  geistig  noch  rohen 
Osmanen  standen,  als  Musiklehrer.  Die  Heirat  mit  der  Tochter 
Iskender- Paschas  sicherte  die  Stellung  des  jungen  Günstlings 
noch  mehr  ^).  Im  Jahre  1523  wurde  er  Grofswesir  und  bald 
darauf  auch  Beglerbeg  von  Rum,  so  dafs  er  jährliche  Einkünfte 
von  im  ganzen   150000  Dukaten  bezog''). 

Er  war  dann  der  mächtigste  Mann  im  Reiche.  ,,Das  ganze 
Reich  der  Türken  leitet  der  Wille  Ibrahim-Paschas",  schreibt 
ein  Christ  1525^).  ,,Du  bist  es,  der  den  Kaiser  lenkt*')",  rief 
ihm  1528  Laski  zu,  worauf  er  bescheiden  antwortete:  ,,Ich  bin 
ein    Sklave    meines  Herrn."     Vergebens    rotteten    sich    die  Jani- 


i)  „Onde  il  minimo  schiavo  mandato  da  lui  menerä  prigione  il  maggiore 
signore  che  sia  nell'  Imperio   della  Turchia";   Spandugino   fol.    124  vo. 

2)  „  Gentilissinia  creatura  e  savio " ;  Alberi   S.   95,   97,    116. 

3)  Giovio  in  Sansovino  fol.  242.  Nach  einem  Berichte  vom  20.  Ok- 
tober 1523  —  iiCapi  Consiglio  X"  —  hat  ihn  jedoch  eine  der  Töchter  Iskenders 
dem  Sultan  geschenkt. 

4)  Vgl.  Leunclavius  Sp.   769  —  770  ;   Spandugino  fol.  206  vo  —  207. 

5)  Hurmuzaki  II,  S.   29,  Nr.  xxxn. 

6)  „Tecum   qui  Imperatorem  gubernas'';  Hurmuzaki  II,   S.   39. 


348  Zweites  Buch.     Achtes  Kapitel. 

tscharen  gegfen  ihn  zusammen,  um  den  seinen  Ränken  zug"e- 
schriebenen  Tod  des  Wesirs  Ferhad  zu  rächen ;  zwar  ging-  sein 
Haus  in  Flammen  auf,  der  Sultan  aber  liefs  es  schöner  wieder- 
erbauen ').  Auch  der  Hafs  seines  Kollegen  Ajas-Pascha  erwies 
sich  als  ohnmächtig. 

Ibrahim  war  von  1500  in  Goldbrokat  und  Seide  gekleideten 
Sklaven  umgeben.  Seine  eigene  Kleidung  war  kostbarer  als  die 
seines  Herrn,  der  versicherte,  dafs  Ibrahim  es  so  verdiene  ^). 
An  seinem  prächtigen,  viel  besuchten  Hofe  unterhielt  er  zwei 
Elefanten  ^).  Er  durfte  einem  Wesir  sein  Gesuch  kurzweg  ab- 
schlagen. Einmal  fand  der  öffentliche  Diwan  in  seinem  Privat- 
hause statt  —  Ahnliches  war  bisher  niemals  vorgekommen  ^). 

Seine  1524  gefeierte  Hochzeit  glich  der  eines  Sultans  — 
es  gab  Leute,  die  ihn  Serasker  (Generalissimus) -Sultan  an- 
redeten^). Bei  seiner  Abreise  nach  Ägypten,  wohin  er  als 
Wiederhersteller  des  Friedens  geschickt  wurde  —  Soliman  be- 
gleitete ihn  bis  Prinkipo  im  Marmarameer  ^)  — ,  bei  seinem  Ein- 
züge in  Kairo,  worüber  weiterhin  ausführlich  zu  berichten  sein 
wird,  bei  seiner  feierlichen  Rückkehr  nach  Konstantinopel  w'urde 
eine  Pracht  entfaltet,  die  alles  für  den  Sultan  Übliche  ver- 
dunkelte. Die  Beziehungen  zwischen  beiden  werden  als  rein 
dargestellt  ^)  —  dennoch  hatte  Soliman  auf  den  teuersten  Freund 
mit  heifsem  Verlangen  gewartet.  Bei  der  Falkenjagd  am  Meeres- 
ufer erschienen  sie  nun  wieder  nebeneinander  ^) ;  der  Sultan 
schlief  in  demselben  Zimmer,  neben  dem  Bette  des  Freundes, 
und  speiste  mit  ihm  zusammen;  einmal  verliefs  er  zwei  ganze 
Tage  das  Haus  des  Günstlings  nicht  ^)  und  täglich  empfmg 
Ibrahim    die   liebevollsten  Briefe   seines  Kaisers.     Es  ist  zu  ver- 


1)  Vgl.  Hurmuzaki  IP^  S.  522. 

2)  Alb^ri  S.   109.  3)  Ebenda  S.   iii. 

4)  Bericht  vom  20.  Oktober   1523;  „Capi  Consiglio  X". 

5)  Vgl.  Hammer  II,  S.   38—39. 

6)  Ebenda  S.  39. 

7)  Nur  der  rhodische  Ritter  Pontano   — -   Sansovino   fol.  382  vo   —   spricht 
von  „venerei  abbracciamenti  di  Abraino ". 

8)  Alberi  S.  97. 

9)  Hurmuzaki   II,   S.   60. 


Sultan  Solimans  iL  Jugend.     Seine  Wesire  und   Günstlinge.     Asiat.   Kriege.     349 

stehen,  dals  der  jimg'e  Sultanssohn  Mustafa  auf  den  Mann  eifer- 
süchtig" war,  der  an  der  kaiserlichen  Tafel  vor  ihm  bedient 
wurde  *).  Aber  Ibrahim  g-enofs  diese  unerhörte  Gunst  in  dis- 
kreter Weise.  Er  war  ehrlich  und  nahm  Geschenke  nur  öffentlich, 
als  Ehrenerweisung'en,  an-);  er  hielt  selbst  den  Christen  Wort 
und  g-ab  der  osmanischen  Politik  eine  korrekte  Haltung-,  so  dafs 
man  später  schreiben  konnte,  ,,bei  den  Türken  seien  Treue  und 
Ehrenhaftigkeit  mit  Ibrahim  gestorben^)".  Es  hat  g-ewifs  in 
hervorrag-endem  Mafse  mit  dazu  beig-etrag-en ,  die  Gröfse  des 
Reiches  dauernd  zu  begründen. 

Dieser  bedeutende  Mann  wurde,  nachdem  er  dreizehn  Jahre 
hindurch  alles  geführt  und  entschieden  hatte,  am  15.  März 
des  Jahres  1536  zum  Sultan  gerufen  und  blieb,  wie  schon  oft- 
mals, über  Nacht  in  den  Gemächern  des  Serails.  Am  folgen- 
den Tage  brachte  ihn  ein  schwarz  gesatteltes  Pferd  tot  nach 
Hause ;  wegen  Unterschlagungen  und  verräterischer  Beziehungen 
zu  den  Franken  hatte  ihn  sein  langjähriger  Freund  und  milder 
Herr  mittels  einer  schwarzen  Seidenschnur  hinrichten  lassen  *). 
Als  einige  Tage  darauf  seine  Güter  eingezogen  oder  öffentlich 
feilgeboten  worden  waren,  sprach  niemand  mehr  von  ihm,  der 
„Hauch  (fiato)  und  Herz  des  Kaisers"  gewesen  war.  Man  war 
sich  bewufst,  dafs  dieser  Kaiser  allein  die  politische  Macht  dar- 
stelle ;  alle  anderen  waren  nur  der  Stab  des  mächtigen  Wanderers, 
den  dieser  nach  Belieben  zerbrach  und  wegwarf. 

Der  ,, zweite  Wesir"  —  nicht  dem  Range,  denn  die  Wesire 
waren  sich  damals  noch  gleich,  sondern  dem  Einflüsse  nach  — 
war  der  schon  alternde,  gichtgeplagte  Mustafa  —  1526  zählte 
er  48  Jahre  — ,  der  Schwager  des  Sultans :  diese  letztere  Eigen- 
schaft verdankte  er  besonders  seiner  Schönheit.  Ein  habgieriger 
und  geiziger  Mann,  der  mit  seinen  70000  Dukaten  Einkünften 
und  700  Sklaven  eine  hervorragende  Stellung  genofs,  ohne  sich 


i)  Alberi  S.    102. 

2)  Ebenda  S.   104:    „Ha  piacer   li  sia   donato  in    pubblico ,    ma  secrete  non 
torria  nulla". 

3)  Hurmuzaki  II,   S.    179. 

4)  Leunclavius  Sp.   TTS- 


350  Zweites  Buch.     Achtes  Kapitel. 

mit  Ibrahim  messen  zu  können  ').  Auch  er  war  ein  Slawe  und 
als  Untertan  Venedigs  in  der  Umgebung  Cattaros  geboren  ^) ; 
weiter  gehörte  Rustem,  der  Schwiegersohn  Solimans,  ein  Bosnier, 
dem  slawischen  Stamme  an.  In  Beziehungen  zur  osmanischen 
Herrscherfamilie  stand  aufserdem  noch  Lufti,  dessen  Frau  Bajesids 
Tochter  war^),  bis  er  durch  eine  ihr  zugefügte  Kränkung  — 
eine  Ohrfeige  —  der  hohen  Ehre,  der  Gemahl  einer  Sultanin  zu 
sein,  verlustig  ging  *). 

Der  energische  und  kluge  Wesir  Bajesids,  Piri,  hauste  als 
Mazul  und  Verbannter  auf  einem  Landgute  bei  Adrianopel  ^). 
Die  dritte  Stelle  unter  den  Wesiren  —  50000  Dukaten  Ein- 
kommen, 600  Sklaven  —  hatte  der  Albanier  Ajas  aus  Chimära 
inne,  der  Sohn  einer  Bäuerin,  die  dann  als  Nonne  in  Avlona 
lebte  und  von  ihrem  Sohne  jährlich  100  Dukaten  erhielt.  An 
Kenntnissen  —  wenn  man  von  Krieg  und  tägHcher  Geschäfts- 
politik absieht  —  besafs  er  als  Wesir  noch  so  viel  wie  in  den 
Tagen,  da  er  seine  epirotischen  Berge  ohne  lesen  und  schreiben 
zu  können  verlassen  hatte  ^). 

Obgleich  im  tiefsten  Innern  wirklich  friedlich  gesinnt  und 
so  milden  Charakters,  dafs  er  nur  äufserst  selten  zu  den  herge- 
brachten Grausamkeiten  gegen  besiegte  Feinde  griff  und  eine 
Kapitulation  dem  glorreichsten  Kriege  vorzog,  war  Soliman  be- 
stimmt, eine  Kriegsära  zu  eröffnen.  Was  ihn  dazu  drängte,  war 
sowohl  die  Erkenntnis,  dafs  sein  Reich  einer  festen,  natürlichen 
Grenze  bedurfte,  um  vor  feindlichen  Plänen  und  Einfällen  sicher 
zu  sein,  als  auch  die  Notwendigkeit,  dem  kampfbereiten  Heere, 
auf  dessen  Gesinnung  alles  ankam,  neue,  Ruhm  und  Beute 
bringende  Beschäftigung  zu  verschaffen.  Die  Osmanlis  mufsten, 
solange  der  Sultan,  Khan,  Schach  und  Kalif,  trotz  aller  glänzenden 
Formen,  vor  allem  doch  ein  siegreicher  Feldherr  in  der  Mitte 
seiner  Soldaten  blieb ,  entweder  weiter  fortschreiten  oder  in 
baldige  Zerrüttung  und  Auflösung  geraten. 

l)  Alb^ri   S.    104.  2)   Sansovino   fol.   206  vo. 

3)  Bassano   fol.  85  vo.  4)  Ebenda. 

5)  Vgl.  Alb  er  i   S.   106 — 107;  Giovio  fol.   244. 

6)  Alb  er  i  S.    104 — 105;  vgl.   S.  96. 


Sultan   Solimans  IL  Jugend.      Seine  Wesire  und  Günstlinge.     Asiat.  Kriege.     351 

Soliman  zahlte  bei  seinem  Ausg-abenbudget  von  3000000 
Dukaten  jährlich  500000  Dukaten  für  den  Unterhalt  der  10 — 12  000 
Janitscharen,  ebensoviel  wie  für  den  ganzen  Hof  ^).  Ihre  Anzahl,  wie 
auch  ihr  Gehalt  —  jetzt  6 — 8  Aspern  täglich  —  war  von  Sultan 
Selim  erhöht  worden;  es  wurde  Sitte,  bei  neuen  Kriegszügen 
jedem  dieser  Elitesoldaten  zur  Ausrüstung  lo  Dukaten  zu  geben. 
Die  Mützen  trugen  goldenen  Schmuck^),  und  manche  hatten 
Kürasse.  Bei  der  Thronbesteigung  eines  Sultans  erhielt  jeder 
Janitschar  seit  151 1  1000  Aspern  ^).  Der  Janitscharen-Aga  hatte 
500  Aspern  am  Tag  und  fünf  Ehrenkleider  und  war  jetzt  Mit- 
glied des  Diwans  *).  Die  schon  oft  mit  Büchsen  ausgerüsteten 
Soldaten,  die  in  prächtiger  Kleidung  zum  Kriege  auszuziehen 
pflegten,  verleugneten  den  alten  rebellischen  Geist  auch  neuer- 
dings nicht:  so  zettelten  sie  im  Jahre  1526  einen  Aufruhr  an  und 
brannten  die  Häuser  aller  drei  Wesire  nieder  ^). 

Die  Spahioglane  waren,  nach  Selims  Heeresreform,  3500 
und  die  Silichdare  2500  Mann  stark**);  zu  den  privilegierten  oder 
speziellen  Korps  zählte  man  ferner  360  Solaken  mit  kürzeren 
Röcken  und  sonstiger  kostbarer  Ausstattung,  wie  weifsem  Feder- 
busch, goldgefafster  Mütze  und  goldenem  Köcher  '^).  Auch  die 
1000  Toptschis  und  300  Dschebedschis,  die  die  Waffen  des 
Heeres  trugen,  sind  den  bevorzugten  Kriegern  hinzuzurechnen  ®). 
Der  Sultan  hielt  an  seinem  Hofe  aufserdem  noch  200  Mutefariakas^). 
Die  Anzahl  der  Ulufedschis  betrug  900,  die  der  Karipidschis, 
,, armer  Leute"  —  auch  Christen  und  Mohren  dabei  —  7000^**). 
Bis  zu  tausend  Voiniklars,  kharadschfreie  Bauern,  meist  slawischen 
Ursprungs,  die  mit  der  Sichel  das  Gras  vor  dem  Heere  schnitten, 
gingen  den  übrigen  Truppen  voran**).  Neue  Abteilungen  kamen 
zu  den  schon  bekannten,    so  die  Beiklers,    die,   in  engen,  kost- 

1)  Alböri   S.    106,    HO — iii;   G  i  o  v  i  o  fol.  243;    12000   auch  bei  Petancius 
in  Schwandtner  I. 

2)  Bassano  fol.  97.  3)  Spandugino  fol.   112 — 113. 

4)  Menavino  fol.  41  vo  bis  42,   72.  5)  Leunclavius  Sp.  761. 

6)  Vgl.  Menavino  fol.  42  vo  mit  Spandugino  fol.   114  vo,   120  yo. 

7)  Menavino  fol.  43  vo  bis  44;  Spandugino  fol.   113  vo. 

8)  Menavino  fol.  44  vO;  Spandugino  fol.   115. 

9)  Menavino  fol.  42;  vgl.  Spandugino  fol.   113  vo. 
10)   Spandugino   fol.    114  ff.  il)  Ebenda  fol.   43  bis  44. 


353  Zweites   Buch.     Achtes  Kapitel. 

baren  Samtkleidern,  hohe  Mützen  auf  den  Köpfen,  an  den 
nackten  Füfsen  ehae  Art  eisernen  Beschlag-  tragfend,  vor  dem 
Sultan  zu  tanzen,  ihn  mit  Rosenwasser  zu  besprengen  und  seine 
Befehle  schneller  als  berittene  Olaken  —  sie  brauchten  von 
Adrianopel  bis  Konstantinopel  einen  Tag  —  zu  befördern 
pflegten,  —  im  Munde  trugen  sie  einen  silbernen  Apfel  in 
Filigranarbeit,  um  leichter  Atem  zu  holen,  und  Glöckchen 
klingelten  an  ihrer  Leibbinde  ').  Neben  den  auserwählten  und 
besser  bezahlten  Ghazis  sah  man  die  ,, Kühnen",  Delis,  die  lang- 
gelockt gingen,  sich  in  Tierfelle  kleideten  und  auf  dem  Kopf 
eine  lederne  Haube  mit  zwei  Adlerflügeln  trugen  ^). 

An  Spahis  brachte  der  Beglerbeg  Rums  40000  Kelter^) 
und  der  von  Anadol  deren  30000  auf*),  wenn  man  die  Mann- 
schaften aus  Diarbekr,  Sulkadr,  Syrien  und  Ägypten  nicht  mit  in 
Rechnung  zieht.  Endlich  meldeten  sich  zu  jedem  Kriege  unter 
der  an  der  Pforte  des  Kadilisker  aufgepflanzten  Fahne  und  vor 
dem  daselbst  harrenden  Beamten  so  viele  Angehörige  der 
schlechtesten  Plebs  '•')  als  Asapen,  dafs  diese,  nach  genauen 
Schätzungen,  gegen  40000  Mann  ausmachten:  das  auf  3  Monate 
vorauszahlbare  Gehalt  von  täglich  4  Aspern  war  eine  zu  mächtige 
Lockung. 

Das  Heer  hatte  noch  nichts  von  seiner  alten  Disziplin  ein- 
gebüfst;  im  Gegenteil  sicherten  neue  Mittel  den  regelmäfsigen 
Gang  des  Krieges  noch  besser  als  früher.  Der  Träger  der 
kaiserlichen  Fahne,  der  Erair-Alem,  war  zu  einem  wichtigen 
Offizier  geworden,  und  weitere  sieben  Fahnen,  ohne  alle  Tugs  zu 
zählen,  flatterten  dem  Heere  voran  ^').  Die  Tschausche  gingen 
überall  mit  Stöcken  in  der  Iland  —  sie  führten  aufserdem  eiserne 
Keulen  —  umher,  um  die  Reihen  zu  ordnen.  Der  Weg  wurde 
durch   hölzerne    Merkmale   oder  Steinhügel   bezeichnet.     In  der 


1)  Menavino  fol.  43  vo  bis  44. 

2)  Sie  führten  auch  Keulen ;    Bassano   fol.   97  v«  ;   Spandugino   fol.  l2off. 

3)  Ebenda  fol.  50 — 50  vo. 

4)  Nach  Spandugino  waren  es  für  Rum  1 5  000,  für  Anadol  8000  ;  fol.  1 10  v». 

5)  „La  maggior  parte  di  loro,  huomini  isviati";  Menavino  fol.  50V0 — 51. 

6)  Bassano  fol.    loi  vo  bis   102. 


Sultan   Solimans  IL  Jugend.      Seine  Wesire  und   Günstlinge.     Asiat.   Kriege.      353 

Nacht  zogen  dem  Sultan  Janitscharen  oder  30  Kapudschis  (also 
ein  Zehntel  '))  mit  Fackeln  in  den  Händen  voran.  Bei  dem 
Rufe:  Allah!  setzten  sich  die  Truppen  in  Bewegung  und  legten 
sich  bei  ihm  zum  Ruhen  nieder.  Jede  Unordnung  war  strengstens 
untersagt ;  Gärten  liefs  man  unberührt,  und  kleine  Kinder  konnten 
bei  vollständiger  Sicherheit  Lebensmittel  im  Lager  verkaufen  ^). 
Für  den  Raub  eines  Schluckes  Milch  oder  das  von  seinem 
Pferde  vom  Acker  gerupfte  Getreide  wurde  ein  Janitschar  ge- 
legentlich mit  dem  Tode  bestraft  ^). 

Und    wie    in    alter  Zeit   war  in  dem  ungeheuren  Heere  kein 
Lärm,  kein  Geräusch  zu  hören  ^). 

Seit  langem  bereits  vertraten  nur  Seeräuber,  aus  deren  Mitte 
bedeutende  Krieger,  wie  der  von  den  Christen  Barbarossa 
genannte  Khaireddin,  der  Tunis  und  Algier  zu  überrumpeln  und 
in  den  Piratenstaat  der  ,,Barbaresken"  zu  verwandeln  verstand, 
hervorgingen,  die  türkische  Seemacht  im  Archipelagus  und 
im  östlichen  Teile  des  Mittelmeeres.  Doch  war  unter  Sultan 
Selim  auch  eine  gut  ausgerüstete  kaiserliche  Flotte  vor 
Alexandrien  erschienen ,  um  bei  der  Eroberung  Ägyptens  mit- 
zuwirken. Der  friedliche  Sultan  Bajesid  hatte  zwar  320  Galeeren 
in  seinen  Arsenalen  liegen,  doch  befanden  sich  die  meisten  in 
schlechtestem  Zustande;  sein  kriegerischer  Nachfolger  legte  nach 
dem  Beispiel  der  Venezianer  ein  steinernes  Arsenal  in  Pera  an 
und  dachte  an  die  Wiedererbauung  des  einstigen  Arsenals  der 
byzantinischen  Kaiser.  Seinen  Untertanen  mutete  er  hohe 
Steuern  zu,  um  die  kaiserliche  Marine  auf  den  dreifachen  Be- 
stand zu  bringen;  er  verfügte  über  300  Reis,  denen  er  die  Sorge, 
die  Flotte  in  Bereitschaft  zu  halten,  anvertraute,  sowie  über 
3000  Asapen  als  Bemannung  seiner  Galeeren,  und  hoffte  ebenso 
viele  ,, junge  Janitscharen",  d.  h.  Adschemoglane  als  Marine- 
soldaten einschiffen  zu  können  ^). 


1)  Spandugino   fol.    113  vo  —  114,    115. 

2)  Menavino   fol.    72  —  73. 

3)  Ebenda;    auch    fol.    73  vo    bis    74.      Auch    die    Tagebücher    Solimans    in 
Hammers  Anhange,  passim. 

4)  Spandugino   fol.    121  vo. 

5)  Ebenda  fol.   122;  vgl.  Menavino  fol.  46  vo. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  »O 


354  Zweites  Buch.     Achtes  Kapitel. 

Soliman  ging  auf  diesem  Wege  immer  weiter,  ohne  die 
fieberhafte  Tätigkeit  des  Vaters  auf  allen  Gebieten  gleich  energisch 
fortzusetzen.  Bei  seinem  ersten  Seekriege  führte  er  85  kleine 
Galeeren,  35  ,, Bastarden",  60  grofse  ,,Fusten"  d.  h.  Hölzer  und 
nicht  weniger  als  50  grofse  Schiffe  mit  ^).  Admiral  blieb  nach 
wie  vor  der  Sandschak  von  Gallipolis  ^).  Gewöhnlich  lagen  im 
Arsenal  von  Pera  einhundert  Galeeren,  darunter  ungefähr  30 
grofse^);  die  Artillerie  war,  nach  dem  Urteile  sachverständiger 
Christen,  ausgezeichnet:  1526  waren  800  neue  Geschütze,  alle 
von  schönster  Arbeit,  vorhanden  *).  Wie  früher  waren  einzelne 
Landschaften  verpflichtet,  Materialien  zum  Schiffbau  zu  liefern. 
Die  Flufsflottillen  der  Morawa  und  besonders  der  Donau  hatten 
sich  gleichfalls  leistungsfähig  erhalten  ^). 

Aus  dem  immer  gröfser  gewordenen  Reiche  —  hatte  doch 
Selim  auch  die  Zahl  der  rumischen  Sandschakate  von  38  auf  40 
erhöht  ^)  —  flössen  in  der  kaiserlichen  Khasna  grofse  Summen 
zusammen;  der  Khasnadar-Bascha,  der  oberste  Schatzmeister, 
nahm  täglich  20 000  Asper  entgegen;  am  13.  März  jedes  Jahres 
erfolgte  die  allgemeine  Verrechnung  '').  Ein  Grieche,  der  in  die 
Staatsgeheimnisse  der  Türken  eingeweiht  war,  der  Kantakuzene 
Theodoros  Spanduginos,  schätzt  Kharadsch  und  ,, Geschenke" 
auf  I  500000  Dtikaten;  von  seinen  ,, Sklaven"  erhielt  der  Sultan 
weitere  300000 ;  die  Zölle  —  auf  syrische  Waren  waren  sie  er- 
höht worden^)  —  brachten  700 000,  die  Bergwerke  90000,  die 
Salzwerke  fünfmal  soviel  wie  unter  Mohammed  IL ,  nämlich 
500 000 ;  unbesetzt  gebliebene  Ämter  warfen  500 000,  herren- 
los gebliebene  Güter  100 000  ab  und  ebensoviel  die  Münze; 
die  Ausfertigung  der  Staatsakten  brachte  looooo  Dukaten^) 
und    die    Staatspächter    leisteten    800000    Dukaten.      Von    den 


i)  Vgl.  Spandugino  fol.   122.  2)  Ebenda. 

3)  Vgl.  Alberi  S.   74:  92  kleine;  Hurmuzaki  II,  S.  56,  im  Jahre  1528: 
31   grofse. 

4)  Ebenda.  5)  Alböri  S.   109 — iio. 

6)  Spandugino  fol.   120  vo  bis  121. 

7)  Alb  feri  S.   106.  8)  Bassano  in  Spandugino  fol.  loi. 
9)  Spandugino  fol.   116  vo. 


Sultan   Solimans  II.   Jugend.      Seine  Wesire  und  Günstlinge.     Asiat.  Kriege.      355 

Tributärländern  g-ingen  unter  Bajesid  1 200000  Dukaten,  unter 
Selim  vor  den  asiatischen  Eroberung-en  1333  000  ein,  unter 
Soliman  dagegen  i  500000,  und  zwar  von  Zypern  8000,  wie  in 
den  Tagen  Selims,  von  der  Moldau  loooo,  der  Walachei 
12000,  Ragusa  12500,  Chios  lOOOO,  Zante  5000^).  Auch 
Syrien  und  Ägypten  lieferten  Sultan  Selim  nicht  weniger  als 
50  grofse  Barren  Gold  im  Werte  von  je  50000  Dukaten;  der 
Pascha  von  Kairo  sandte  von  beiden  ehemals  soudanischen 
Provinzen  loooooo  ein.  Bei  jedem  grofsen  Reichskriege  waren 
die  Untertanen  verpflichtet,  doppelt  soviel  Asper  als  gewöhnlich 
zu  entrichten;  auch  die  Güter  der  Moscheen  konnten  in  aufser- 
ordentlichen  Fällen  zu  einer  gewissen  Kontribution  verpflichtet 
werden  ^).  Endlich  wurde  auch  die  Veränderung,  d.  h.  Ver- 
schlechterung der  Münzen  eine  Einkommenquelle,  doch  handelte 
es  sich  dabei  nur  um  die  Asper,  nicht  um  die  goldenen  Sultanini, 
die  den  venezianischen  Dukaten  entsprachen  ^),  und  die  kleinen 
kupfernen  mangurs*),  die  z.B.  zur  Zahlung  des  Brückengeldes 
benutzt  wurden.  Ein  silberner  Asper  sollte  '4  Drachma  wiegen; 
unter  Mohammed  machten  40  Asper  einen  Dukaten  aus ;  nach 
vielen  Münzprägungen,  deren  jede  die  Münze  verschlechterte'^), 
—  Mohammed  prägte  alle  zehn  Jahre  um ,  Selim  behielt  die 
Asper  Bajesids,  Soliman  war  wieder  eifrig  auf  Prägen  bedacht  — - 
kamen  54 — 60  Asper  auf  den  Dukaten  ").  Die  alten  Asper 
wurde  eine  Zeitlang  mit  vermindertem  Werte  —  im  Verhältnis 
von  12  alten  auf  10  neue,  obschon  die  letzteren  geringeren 
Silbergehalt  hatten  —  angenommen,  dann  brachten  besondere 
Spione  diejenigen  zur  Anzeige  und  Bestrafung,    die  das  bessere 


i)  Vgl.  oben  S.  217 — 218,  305. 

2)  Alb^ri  S.   HO — iii. 

3)  Es  existierten  auch  25 -Asper-Stücke;  Menavino  fol.  45.  Der  Dukaten 
trug  den  Namen  des  Sultans  oder  eines  seiner  Vorgänger  —  z.  B.:  „Zu  Ehren 
Sultan  Mohammeds,  der  Konstantinopel  eingenommen  hat ;  dieser  Sultan  Mohammed 
ist  der  Grofsvater  des  jetzt  regierenden  Sultans  Selim",  sowie  das  Datum;  Me- 
navino fol.  45  vo.     Vgl.  Numismatische  Zeitschrift  190S,  S,   144  ff. 

4)  7g   Asper,  aber  auch   ^|^^. 

5)  Spandugino   fol.  107:   ,,Le  piü  volte  i  vecchi  siano  migliori  ch'i  nuovi." 

6)  Bassano  fol.   77;  Spandugino  fol.    107  ff. 

23* 


356  Zweites   Buch.     Achtes  Kapitel. 

Geld  bei  sich  zurückhielten,  statt  durch  den  Wechsel  die  Khasna 
zu  bereichern. 

Infolgedessen  mangelte  es  niemals  an  Geldmitteln  zum 
Kriege.  Da  aufserdem  die  Schiffe  nichts  kosteten,  kein  sich  ins 
kaiserliche  Lager  begebender  Sandschak  unterliefs,  kostbare 
Geschenke  mitzubringen,  viele  Soldaten  für  Mehl  oder  Gerste 
selbst  Sorge  trugen  und  endlich  die  durchzogenen,  ja  auch  die 
ihnen  benachbarten  Landstriche  allen  Proviant  liefern  mufsten  — 
und  zwar  die  Tributäre  unentgeltlich  oder  doch  für  sehr  geringe, 
im  voraus  festgesetzte  Entschädigung  ')  — ,  so  war  ein  Krieg,  wie 
sich  ein  Zeitgenosse  ausdrückt,  für  die  kaiserlichen  Finanzen 
eigentlich  ein  gewinnbringendes  Geschäft. 

In  Asien  gab  es  für  Soliman  keinen  Feind ,  den  er  hätte 
herausfordern,  keinen  neuen  Landbesitz,  den  er  hätte  erstreben 
können.  Das  ,,neue  Land",  die  Eroberungen  Selims,  war 
zwischen  dem  Beglerbeg  von  Amasieh,  der  über  acht  Sandschaks, 
sieben  Subaschis  und  loooo  Spahis  verfügte,  dem  neugeschaffenen 
Beglerbeg  von  Karamanien,  der  lO  Sandschaks  und  15000  Reiter 
unter  sich  hatte,  dem  Beglerbeg  von  Diarbekr,  der  über  20  Sand- 
schaks und  1 5  000  Reiter  gebot,  und  den  kaiserlichen  Stellvertretern 
in  Sulkadr,  Schachsuwar  und  Syrien  aufgeteilt  worden  ^).  Auch 
war  für  diese  Gebiete  ein  dritter  Kadilisker  bestellt  ^).  Ein 
„alter  Ungar"  befehligte  als  Beglerbeg  im  eigentlichen  Anadol*). 
Mochten  manche  syrische  Geistliche  christlichen  Glaubens,  wie 
der  Patriarch  Peter  von  Antiochien  und  die  Erzbischöfe  von 
Alep,  Emesa,  Damaskus,  aus  dem  Kloster  Sankta  Maria  im  Libanon- 
gebirge, an  den  neuen  Kaiser  Karl  V.,  der  bald  zum  natürlichen 
Vertreter  der  Kreuzzugsidee  geworden  war,  schreiben  und  ihm 
den  Zug  nach  Jerusalem  warm  empfehlen  ^),  so  befanden  sich 
die  Syrier  ohne  Unterschied  des  Glaubensbekenntnisses  unter  der 


1)  Siehe  meine    „Contribu^ii    la    Istoria    financiara    ?i    economica    a  ^erilor 
romine",  Bukarest   1901,  nach  osmanischen  Staatspapieren. 

2)  Spandugino  fol.    novo  f. 

3)  Ebenda  fol.   in.  4)  Alb^ri  S.   106. 

5)  Hurmuzaki  II,  S.  32  —  33,  Nr.  xxxv;  vgl.  S.   34—35- 


Sultan   Solimans  II.  Jugend.      Seine  Wesire  und   Günstlinge.     Asiat.   Kriege.     357 

pünktlichen    und    energischen    osmanischen  Herrschaft   in  Wirk- 
lichkeit ziemlich  wohl. 


Nur  in  den  am  Leben  gebliebenen  Mameluken  war  der 
Gedanke  an  Rache  und  Wiederbelebung  des  alten  soudanischen 
Staates  noch  nicht  erloschen,  und  Selims  Tod  begrüfsten  sie 
durch  einen  Aufstand,  dessen  Führer  Al-Ghazali,  angeblich  ein 
Slawonier  von  Geburt  ^),  war.  Der  Empörerhäuptling  konnte 
sich  zwar  mit  Chair-beg,  dem  mamelukischen  Pascha  Ägyptens, 
nicht  verständigen,  und  dieser  liefs  den  Abgesandten  Al-Ghazalis 
hinrichten,  aber  die  Ägypter  griffen  ihn,  wahrscheinlich  weil  der 
Stellvertreter  des  Sultans  keine  Janitscharen  um  sich  hatte, 
wenigstens  nicht  an.  Viele  der  wichtigsten  syrischen  Städte 
fielen  an  den  Rebellen,  dessen  politische  Pläne  nicht  recht  er- 
sichtlich sind. 

Dem  rohen  und  energischen  Wesir  Ferhad  wurde  die  Auf- 
gabe gegeben,  gegen  Al-Ghazali  vorzugehen.  Von  Alep,  das  sie 
gerade  belagerten ,  kehrten  die  Aufständischen  eilig  nach 
Damaskus  zurück,  in  dessen  Nähe  die  Schlacht  stattfand.  Sie 
war  schnell  entschieden:  vor  dem  siegreichen  Ferhad  floh  Al- 
Ghazali  und  wurde  noch  auf  dem  Kampfplatze  von  einem  der 
Seinigen  getötet  ^).  Ferhad  traf  erst  1522  wieder  in  Konstantinopel 
ein;  manche  Kostbarkeiten  und  der  Kopf  des  letzten  Führers 
freier  Mameluken,  die  für  ihre  ritterliche  Ehre  gefochten  hatten, 
waren  die  Beute,  die  er  mitbrachte  ^).  Denn,  ehe  er  den  Rückzug 
antrat,  hatte  Ferhad  noch  den  Herrscher  von  Sulkadr,  Schach- 
suwar,  zu  sich  ins  Lager  geladen ;  und,  als  er  mit  seinen  vier 
Söhnen  vor  dem  osmanischen  Oberfeldherrn,  den  er  nicht  kräftig 
genug  unterstützt  hatte,  erschien,  wurden  alle  fünf  hingerichtet, 
und  ein  türkischer  Befehlshaber  in  der  Hauptstadt  Merasch  am 
Euphrat  eingesetzt  *).  Diese  blutige  Tat  sollte  bald  ihre  Sühne 
finden ;    als    der  Sultan    nach    einiger  Zeit  dem  Mörder  die  Aus- 


i)  Hammer  II,  S.   18. 

2)  Vgl.   Giovio   in   Sansovino;   Spandugino   fol.    204  ff. 

3)  Alb^ri  S.   107. 

4)  Leunclavius    S.   759 — 761  ;    vgl.    Hammer  II,  S.   26 — 27,    nach  dem 
Tagebuch  Solimans. 


358  Zweites  Ruch.     Achtes  Kapitel. 

beutung-  seiner  Untertanen  während  des  Feldzugs  vorwarf,  wagte 
es  dieser,  dem  Herrscher  beleidig-end  zu  antworten;  mit  Gewalt 
entfernt,  protestierte  er  laut  schreiend  und  aufeincr  Steinbank  sitzend 
und  kämpfte  g"eg-en  die  vom  Sultan  beorderten  Henker  mit  dem 
Dolche  in  der  Hand,  bis  er  zuletzt  mit  Stöcken  niedergeschlag-en 
und  g-eköpft  wurde.  Darauf  kam  die  Schwester  des  Sultans,  die 
Frau  des  Hing^erichteten,  in  einer  schwarzen  Kutsche  zum  Diwan 
g-efahren  und  äufserte  laut  den  Wunsch,  auch  bald  für  den  g-rau- 
saraen  Bruder  schwarze  Kleidung-  tragen  zu  müssen  ^). 

Im  Herbst  1523,  —  noch  lebte  der  alte  Schach  Ismael,  — 
wurde  sein  Gesandter  in  Konstantinopel  festg^ehalten ,  und  man 
sprach  in  der  Hauptstadt  von  einem  g-rofsen  asiatischen  Zuge 
g-eg-en  den  Vertreter  des  bisher  nicht  in  den  Staub  g-eworfenen 
Schiismus  ^).  In  Wirklichkeit  aber  handelte  es  sich  wieder 
um  die  äg-yptischen  Wirren;  mit  Persien  wurde  der  Friede 
verläng-ert  ^). 

Das  ausgedehnte  und  reiche  Äg-ypten,  das  für  sich  allein 
ein  wahres  Kaiserreich,  mit  uralter,  blühender  Kultur  und  durch 
den  berühmten  Hafen  Alexandriens  vermitteltem  lebhaftem  Handel 
darstellte,  konnte  sich  nur  schwer  in  die  osmanische  Tyrannei 
finden.  Nachdem  in  Chair-beg-  der  letzte  Vertreter  der  kriege- 
rischen Oligarchie  verschieden  war  (1523),  ging  deren  Ehrgeiz 
auf  die  osmanischen  Beamten  über,  die  mit  der  Regierung  des 
Landes  beauftragt  wurden.  Der  nur  einige  Monate  hier  weilende 
Wesir  Mustafa  hatte  nur  den  Wunsch,  sich  möglichst  schnell  zu 
bereichern  ■*),  und  es  gelang  ihm.  Ein  zweiter  Nachfolger  Chairs, 
Kasim,  blieb  ebenfalls  nicht  lange  in  Kairo  und  konnte  nach 
seiner  Rückkehr  nach  Konstantinopel  eine  ganze  Vorstadt  da- 
selbst erbauen,  die  noch  heute  seinen  Namen  ,,Kasim-Pascha" 
trägt  5). 

i)  „Tu  hai  morto  mio  marito  ;  spero  in  breve  portar  questo  corrotto  per  te"; 
Alb^ri  S.    107. 

2)  Bericlit  vom   20.  Oktober   1523;  „Capi  Consiglio  X". 

3)  Hur muzaki  IP,  S.  467 — 468,  Nr.   324;  Acta  Tomiciana  VI,  S.   74. 

4)  Hammer  II,  S.   36;  Alb^ri  S.   104. 

5)  Hammer  a.  a.  O. ;  vgl.  für  dieses  und  die  folgenden  Ereignisse  Span- 
■dugino,   fol.    206  vo  bis   207. 


Sultan  Solimans  II.  Jugend.      Seine  Wesire  und  Günstlinge.     Asiat.   Kriege.     359 

Als  dritter  kam  Wesir  Achmed,  dem  gleich  nach  seiner 
Einsetzung,  im  Oktober  1523,  die  Absicht  zugeschrieben  wurde, 
den  Handel  der  Portugiesen  mit  Indien  zugunsten  der  in  os- 
manischem  Besitz  beflndhchen  alten  Verkehrswege  zu  vernichten^). 
Statt  dessen  erklärte  er  sich  zum  Soudan  und  bildete  eine 
eigene  Regierung;  bereits  am  3,  Januar  1524  war  in  Kon- 
stantinopel bekannt,  dafs  er  von  Kairo,  wo  er  sich  verdächtig 
gemacht  hatte,  nach  Diarbekr  beordert  war,  und  dafs  der  Sultan  be- 
absichtige, jede  Spur  äg>'ptischer  Autonomie  zu  tilgen  und  wie 
in  allen  anderen  Provinzen  auch  in  Ägypten  einen  Beglerbeg 
und  mehrere  Sandschaks  einzusetzen  ^). 

Der  Kampf  zwischen  Achmed  imd  den  treu  gebliebenen 
Janitscharen  zog  sich  einige  Zeit  hin,  bis  der  Rebell  wie  sein 
Vorgänger  i\l-Ghazali  mit  Hilfe  des  Pöbels  von  Kairo  von  einem 
Vertrauten  bei  einem  Strafsenaufstande  getötet  wurde  ^).  Im 
August  1524  hatte  die  Pforte  wiederum  mit  einer  Beruhigung 
Syriens  zu  tun  *).  Um  den  beiden  Provinzen  eine  endgültige 
Verwaltung  zu  sichern,  erwies  sich  eine  aufserordentliche  Autorität 
nötig,  und  so  wurde,  im  November  desselben  Jahres,  Ibrahim- 
Pascha,  der  Liebling  Solimans,  in  der  Eigenschaft  eines  mit 
jeder  Vollmacht  versehenen  kaiserlichen  Vertreters  und  Kommissars 
hingesandt. 

Zweimal  trieb  ihn  der  Sturm  wieder  an  die  Küste  der  bereits 
seit  zwei  Jahren  in  osmanischem  Besitz  befindlichen  Insel  Rhodos 
zurück  ^).  Schliefslich  wählte  er  den  Landweg  und  zog  am 
24.  März   1525   in  Kairo'')  ein. 

Mit  Gold  und  Edelsteinen,  darunter  vier  grofsen  Diamanten 
und   zwei    Rubinen,    einem    170 000  Dukaten    an  Wert   repräsen- 


1)  „ Pensa  far  qualche  bona  Operation  per  le  cose  di  Calichuth  et  redur  le 
specie  al  primo  veazo'";  Bericht  vom  20.  Oktober  1523;  ..Capi  Consiglio  X". 
Über  Zuckerwerk,  das  aus  Indien  und  Syrien  nach  Konstantinopel  gelangte,  siehe 
Spandugino  fol.   125  vo. 

2)  Ebenda;  Bericht  vom  3.  Januar  1524.  Vgl.  Giovio  in  Sansovino 
fol.    240  vo. 

3)  Hammer  II,   S.   36—37. 

4)  Hurmuzaki  II  ^   S.   4S3;  Theiner,  Mon.  Hung.  II,   S.   719  —  720. 

5)  „Missive  e  responsive"   1524 — 1527;  Bericht  vom  8.  Dezember  1524. 

6)  Hammer  II,  S.  40. 


360  Zweites  Buch.     Achtes  Kapitel. 

tierenden  Geschenk  des  Sultans,  das  er  in  Alep  erlialten  hatte, 
trat  er  auf').  Drei  der  ,, schönsten  Sklaven"  seines  Hauses 
ritten  hinter  ihm  her;  ihnen  schlössen  sich  500  Spahis  und 
4000  Reiter  seines  persönlichen  Gefolg'es,  mit  Lanzen  und  Fahne, 
an.  Viele  Wag'en  trugen  die  Dienerschaft,  und  endlich  kam  die 
Menge  der  ägyptischen  Truppen.  So  erschien  er  als  Kaiser, 
Padischach  und  Kalif  ^). 

Und  Ibrahim  entfaltete  in  der  Tat  eine  Pracht,  die  die 
Zeiten  der  alten  Soudane  in  die  Erinnerung  zurückrief  ^).  Scheiks, 
Kadis  und  europäische  Konsuln  füllten  die  Säle  des  Palastes  von 
Kairo  an  seinen  Diwantagen  an;  jeder  brachte  ihm  kostbare 
Gaben  von  Kleidern  und  Edelsteinen  dar.  Gegen  alle  zeigte  er 
sich  mild,  gerecht,  grofsmütig  und  freigebig*).  Als  ihn  die 
Sehnsucht  des  Sultans  und  die  Interessen  des  Reiches  zurück- 
riefen —  der  Wesir  verliefs  Kairo  am  12.  Mai  ^)  — ,  wurde  seine 
Abreise  allgemein  bedauert.  Aber  der  von  ihm  ernannte  bis- 
herige syrische  Statthalter  Soliman  konnte  Ägypten  jetzt  ohne 
weitere  Störung  regieren  *").  Durch  diese  baldige  Rückkehr  hatte 
er,  seinen  zahlreichen  Verleumdern  zum  Trotz,  gezeigt,  dafs  er 
nicht  gewillt  sei,  in  die  F'ufstapfen  Ahmeds  zu  treten  und  dem 
sein  Schicksal  betrauernden  Ägypten  einen  neuen  tragischen 
Soudan  zu  geben  ''). 

1)  „Beva,  petoral,  gropiera,  stapha  et  spironi  erano  forniti  di  preciosissime 
zogie,  tra  le  altre  4  diamanti  et  doi  rubini  di  grandissimo  pretiu,  tal  che  diti 
fornimenti  se  dice  valer  ducati  lyom  venetiani,  li  quäl  forniraenti,  essendo  il  signor 
Hibraim  in  Alepo ,  el  Gran- Signor  ge  li  mando  a  donar  driedo";  Bericht  vom 
9.  Mai   1525;  „Missive  e  lettere  responsive"   1524 — 1527. 

2)  ,,Se  dice  haver  molto  piui  concorso  che  se  fusse  la  persona  propria  del 
Signor";  ebenda. 

3)  „El  suo  Star  al  Cayro  h  nh  piü ,  ne  meno  come  stevano  li  Soldani " ; 
ebenda. 

4)  Ebenda. 

5)  Bericht  vom   5.  Juni   1525;  ,, Missive  e  responsive"   1524 — 1527. 

6)  Hammer  II,  S.  41.  Vgl.  über  die  Rückkehr  auch  den  Bericht  vom 
30.  Juni   1525;  „Missive  e  responsive". 

7)  Vgl.  den  venezianischen  Bericht  vom  3.  November  1525:  „El  diceva,  il 
magnifico  Inbraym - Bassa  cra  al  Cayro,  chel  non  tornaria  piü  a  Constantinopoli 
et  chel  se  faria  signor  del  tuto";  „Missive  e  responsive"  a.  a.   O. 


Sultan   Solimans  IL  Jugend.      Seine  Wesire  und  Günstlinge.     Asiat.   Kriege.     361 

1527  erwuchs  Ibrahim  dann  die  Aufg-abe,  die  räuberischen 
Scharen  des  „Mönches"  Kalender-Tschelebi  in  AnatoHen  zu 
vernichten;  die  Kalender  waren  eine  Sekte  von  Derwischen,  die 
es  mit  ihren  rehg-iösen  Pflichten  weniger  wichtig-  als  andere  nahmen 
und  dafür  überall  im  öß'entlichen  Leben  eine  Rolle  spielten.  Noch 
lebte  der  alte  Groll  einer  bereits  unter  Sultan  Bajesid  durch 
Schiismus  und  Klassenhals  g"eg-en  die  osmanische  Herrschaft  auf- 
g-ereizten  bäuerlichen  Bevölkerung-;  die  turkomanischen  Hirten  und 
Weg-elagerer  waren  es,  die  diese  Unzufriedenheit  in  offenen  Aufruhr 
und  einen  an  Wechselfällen  reichen  Krieg-  überführten.  Infolg-e  einer 
streng-  durchg-eführten  Aufnahme  des  zinspflichtig-en  Bodens  gewan- 
nen die  Meuterer  solchen  Anhang-,  dafs  sie,  im  August  und  September 
1526,  den  Sandschak  von  Zilizien,  dann  den  Beglerbeg-  Churrera 
von  Karamanien  und  schliefslich  den  heifsblütig-en  Beg-lerbeg- 
Hussein  von  Rum  in  oftenem  Felde  aufs  Haupt  schlug-en,  und 
man  mufste  eilig-  Truppen  aus  Diarbekr  herbeiziehen,  um  die 
sieg-reichen  Bauern  und  Sektierer,  die  Husseins  Tod  über  jedes 
Mafs  zornig-  g-emacht  hatte,  zu  züchtigen.  Auch  im  Taurus- 
gebirge  waren  Rebellen  vorhanden.  In  einer  grofsen  Schlacht 
bei  Tokat  fiel  im  Mai  1527  der  karamanische  Beglerbeg  gegen 
die  Kalender.  Ibrahim  wufste  die  Turkomanenhäuptlinge  auf 
seine  Seite  zu  bringen,  und  in  einem  letzten  Treffen  fiel  der 
gefürchtete  Derwischführer  '). 

Erst  sieben  Jahre  darauf  erwuchs  Soliman,  den  unterdessen 
eine  ununterbrochene  Reihe  von  Feldzügen  und  Unternehmungen 
gegen  die  Christen  an  seiner  nördlichen  und  nordwestlichen 
Grenze  beschäftigt  hatte,  in  Asien  neue  Sorge  und  Arbeit.  Der 
alte,  in  den  natürlichen  Verhältnissen  begründete  Streit  mit  den 
Persern  brach  wieder  aus. 

Seit  1524  weilte  Schach  Ismail  nicht  mehr  unter  den 
Lebenden ;  bei  Tebriz  war  er  einer  Krankheit  erlegen.  Sein 
ihm  von  einer  Sultanstochter  geborener  Sohn  Schach  Thamasp 
trat   die    Erbschaft    des    Begründers    des    neuen,    auf   Schiismus, 


i)  Nach    osmanischen  Quellen,    Hammer  II,    S.   57 — 60.     Vgl.  Leuncla- 
vius   Sp.   762 — 763. 


363  Zweites  Buch.     Achtes   Kapitel. 

volkstümliche  Politik  des  Monarchen  und  die  bewährte  Tapferkeit 
der  alten  mit  erblichem  Rechte  begabten  Feudalen  des  Landes 
begründeten  persischen  Reiches  an,  während  zwei  andere  Söhne 
Ismaels  im  Osten  gegen  den  unversöhnlichen  Feind  in  der  turko- 
manischen  Wüste  kämpften.  1533  zählte  der  junge,  von  seinen 
Ministern  und  Heerführern  bevormundete  Schach  22  Jahre,  — 
eine  vornehme  und  sympathische  Herrschergestalt,  dem  sich 
Soliman  so  wenig  vergleichen  konnte ,  wie  vormals  sein  Vater, 
der  finstere  Selim,  dem  lächelnden,  gutmütigen  Ismael.  ,,  Unter 
loooo  Mensclien  war  er,  auch  in  Verkleidung-,  noch  als  König 
erkennbar^)",  schreibt  ein  gleichzeitiger,  im  Osten  geborener 
christlicher  Geschichtschreiber. 

Der  milde,  gerechte  und  fromme  Thamasp  führte  die  vom 
Vater  in  seinen  letzten  Jahren  begonnene  Heeresreform  zu  Ende. 
Neben  der  glänzenden  Reiterei  der  Lehnsleute  mit  schönen 
Panzern  und  Helmen,  scharfen  Säbeln  und  Partisanen,  der  4000 
Mann  starken  königlichen  Garde  und  den  schnellen  Turkomanen- 
haufen  kämpften  jetzt  2000  besoldete  Büchsenschützen.  Frauen 
wurden  nicht  mehr  im  Lager  geduldet.  Von  den  Christen  des 
Westens  und  ihrem  Vertreter,  Kaiser  Karl  V.,  erbat  man  spanische 
Fufskämpfer  und  Geschütze,  die  im  entscheidenden  Augenblick 
wirklich  eintrafen.  So  war  Thamasp  bereit,  den  in  allen  dichte- 
rischen Schöpfungen  Irans  gefeierten  Zweikampf,  mit  Soliman  als 
einem  seiner  würdigen  Gegner  aufzunehmen. 

Die  an  der  Grenze  beider  Reiche,  besonders  im  kaukasischen 
und  persarmenischen  Norden  stehenden  Offiziere  waren  nur  allzu- 
oft geneigt,  von  einem  ihrer  angeblichen  Herren  und  Schachs 
zum  anderen  überzutreten ;  so  verriet  der  Kurde  Scherif-beg  von 
Bitlis  den  Sultan,  und  Ulama,  der  Statthalter  der  grofsen  wichtigen 
Provinz  Aserbeidschan,  den  persischen  Herrscher.  Letzterer 
kam  nach  Konstantinopel,  nachdem  ihn  die  benachbarten  Haupt- 
leute Thamasps    verjagt    und    sein    Gebiet    in  Besitz    genommen 


i)  „Fra  dieci  nnla,  anchora  che  egli  fosse  travestito,  si  conoscerebbe  per 
rb";  Spandugino,  fol.  137  v».  Spandugino  ist  auch  in  Sathas,  IX 
nach  einer  Pariser  Handschrift  wiedergegeben  und  Ch.  Schefer  hat  eine  Se- 
paratausgabe besorgt. 


Sultan   Solimans  II.  Jugend.     Seine  Wesire  und   Günstlinge.     Asiat.   Kriege.     363 

hatten;  noch  viele  andere  persische  FlüchtUng-e  wurden  von 
Soliman  beherbergt,  und  er  vertraute  ihnen  ein  aus  asiatischen 
Spahis  g-ebildetes  Korps  an.  Mit  diesem  trat  Scherif-beg-  den 
Feinden  entg-eg-en  und  wurde  g-eschlag-en  und  g-etötet;  seinen 
Kopf  schickten  sie  als  Trophäe  an  den  schon  über  Konieh  hinaus 
g'elangten  Ibrahim-Pascha  ^). 

Den  Winter  brachte  der  „Serasker-Sultan"  in  Alep  zu,  wo 
manche  Verhältnisse  zu  ordnen  waren :  hier  suchte  die  Familie 
Scherifs  um  Verzeihung-  nach;  sein  Sohn  aber  flüchtete  zu 
Schach  Thamasp.  Im  Mai  1534  brach  das  Heer  nach  Nord- 
osten auf,  um  für  Ulama,  der  diesen  ganzen  Krieg-  ang-ereg-t 
hatte  —  er  war  jetzt  Sandschak  von  Karahamid  — ,  Aserbeidschan 
zurückzuerobern.  Er  selbst  g-ing-  mit  dem  osmanischen  Vortrabe 
voraus,  und  es  g-elang-  ihm,  einen  Verwandten  des  Schachs  aus 
Tebriz  zu  verjagen  und  sich  der  g-rofsen  Stadt,  wo  schon  Selim 
einen  kaiserlich  ,, rumischen"  Triumph  g-efeiert  hatte,  zu  be- 
mächtig-en.  Einig-e  Tag-e  darauf  hielt  dann  auch  Ibrahim  seinen 
Einzug-  in  Tebriz,  das  er,  nach  seiner  Gewohnheit,  schonend 
behandelte;  die  kleinen  Fürsten  des  Kaukasus  beeilten  sich, 
trotz  ihrer  hochkling-enden  Schachtitel,  dem  Sieg-er  ihre  Unter- 
werfung- zu  bezeig-en.  Tebriz  wurde  von  georg'ianischen  Bau- 
meistern in  Befestig-ungszustand  g-esetzt. 

Nur  im  Juni  war  der  Sultan  selbst  von  Konstantinopel  auf- 
gebrochen und  hatte  den  hergebrachten  Weg  nach  Tebriz  ein- 
geschlagen ,  das  ihn  in  seiner  kaiserlichen  Pracht  bewundern 
durfte.  Den  Schach  aber  konnte  er  nicht  auffinden ;  vergebens 
drangen  die  Osmanen  bis  nach  Sultanieh  vor,  wohin  sich  die 
Herrscher  des  Landes  bei  Verlust  des  von  ihnen  hochgeschätzten 
Tebriz  zurückzuziehen  pflegten.  ,,Aus  Furcht  vor  meiner  Lanze 
ist  der  Kasilbascha  geflohen",  schrieb  Soliman  am  4.  April  des 
folgenden  Jahres  an  König  Ferdinand  von  Ungarn,  ,,und  ist  vor 
unserem  Gesichte  nicht  erschienen  -)." 


1)  Was  die  von  Hammer  benutzten  osmanischen  Quellen  geben,  ist  auch 
in  Spandugino,  Leben  Schach  Ismaels ,  Sansovino  fol.  138  ff. ,  zu  finden. 
Vgl.  auch  Leunclavius,  Sp.   769  fif. 

2)  Hurmuzaki  XI,   S.    575  —  576,   Nr.  n. 


364  Zweites  Buch.     Achtes   Kapitel. 

An  diesem  Datum  war  der  Padischach  nach  schweren  An- 
streng-ung^en  und  Leiden  —  die  in  den  nach  Europa  dringenden 
Nachrichten  zu  einer  wahren  Katastrophe  verg-röfsert  wurden  ^)  — , 
bereits  nach  Bagdad  gelangt,  der  ehrwürdigen  Residenz  der 
KaHfen,  die  noch  kein  osmanischer  Herrscher  betreten  hatte. 
Noch  im  tiefen  Winter,  im  Dezember  1534,  war  Ibrahim,  nach- 
dem er  Hamadan  berannt  hatte,  vor  der  Stadt  erschienen,  die  sich 
seinen  von  Kälte  und  Hunger  ermatteten  Truppen  ergab ;  auch 
in  dieser  alten  Hauptstadt  des  Islams  wurde  kein  Blutstropfen 
vergossen.  Im  ,, Hause  des  Heils  und  Sieges"  safs,  einige  Tage 
später,  am  30.,  Soliman  als  neuer  Kalif  auf  heiligem  Stuhle  ^). 

Indessen  hatte  Thamasp  die  drei,  mit  einigen  tausend 
Janitscharen  in  Tebriz  zurückgelassenen  osmanischen  Befehls- 
haber, unter  denen  sich  Ulama,  nun  Beglerbeg  von  Diabekr,  be- 
fand, zurückgedrängt  und  sich  des  Schlosses  bemächtigt,  das  er 
zerstören  liefs.  Soliman  brach  eilends  wieder  auf;  eine  unter- 
wegs entdeckte,  gegen  ihn  angezettelte  Verschwörung  wurde 
grausam  bestraft,  indem  er  ihren  Führern  die  Haut  abziehen  liefs. 
Ulama  war  seinen  Verfolgern  entkommen ;  im  Sommer  stand  der 
Sultan  von  neuem  in  Tebriz;  auch  diesmal  zeigte  er  Schonung 
und  Milde  und  erhörte  sogar  die  Klagen  von  6000  Werkleuten, 
sie  nicht  nach  Konstantinopel  zu  verpflanzen.  Dorthin  machte  er 
sich  dann  selbst  bei  Beginn  des  Winters  auf  und  traf  im  Januar 
1536  ein;  während  des  schwierigen  Rückzugs  griffen  Perser  seine 
Nachhut  an,  töteten,  trotz  der  tapferen  Gegenwehr  Ulamas,  drei 
Sandschaks  und  nahmen  einen  vierten  gefangen,  ohne  dafs  solche 
Verluste  die  Selbstverherrlichung  des  Siegers  Soliman  zu  beein- 
trächtigen vermocht  hätten  ^). 

Einige  Wochen  darauf  war  Tebriz,  das  keine  Janitscharen- 
besatzung  erhielt  —  nur  einige  Geschütze  wurden  zurückge- 
lassen — ,  wieder  persisch.     Aber  im  neuen  Schlosse  von  Bagdad 


i)  Siehe  den  venezianischen  Bericht  aus  Konstantinopel,  31.  Dezember  1534, 
in  Hurmuzaki  VIII,  S.  61 — 62,  Nr.  Lxxxni. 

2)  Vgl.  Hammer,  Leunclavius,  Giovio  a.a.O.;  Charriere  I,  S.  253  ff, 

3)  Leunclavius    Sp.   771  ff.     Über    den  Feldzug    siehe    das  offizielle  Tage- 
buch in  Hammer,  erste  Ausgabe,  III,  S.  678  ff. 


Sultan   Solimans  II.  Jugend.      Seine  Wesire  und  Günstlinge.     Asiat.   Kriege.      365 

waltete  der  Albanier  Soliman  als  Beglerbeg  des  weiten  Ostens 
über  zahlreiche  einheimische  und  osmanische  Truppen  ^).  Eine 
neue  Provinz  war  gewonnen  und  die  äufserste  Ausdehnung  der 
osmanischen  Grenze  erreicht.  Nur  1538,  während  der  indischen 
Revolte  gegen  die  Portugiesen  und  den  Grofsmogul  Humajun, 
kamen  aus  Ägypten,  unter  dem  dortigen  greisen  Pascha  Soliman, 
zahlreiche  Türken  und  nisteten  sich  auch  in  Aden  ein ;  am 
3.  September  erschienen  sie  vor  dem  Hafen  Diu,  den  sie  länger 
als  zwei  Monate  besetzt  hielten ;  Antonio  de  Silveira  verteidigte 
das  Schlofs  heldenmütig;  erst  im  November  segelten  die 
50  Galeeren  und  20  Fusten  des  Paschas  vor  den  endlich  zum 
Entsatz  eintreffenden  1 5  grofsen  Schiffen  des  Vizekönigs  ab  ^). 
Die  Osmanen  hatten  den  einheimischen  Fürsten  gegenüber  eine 
solche  Verachtung  und  Grausamkeit  an  den  Tag  gelegt  —  einer 
war  am  Mast  des  Admiralschiffes  aufgehängt  worden  — ,  dafs 
an  kein  Bündnis  mit  diesen  zu  denken  war. 


i)  Gio vio. 

2)  Anonym  in  Sansovino   400  vo  ff. ;  vgl.   Hammer  II,   S.  156 — 158,   nacli 
anderen  Quellen;   Charriere  I,   S.   322,   324. 


Neuntes  Kapitel. 

Solimans  Feldzüge  in  Europa.  Beziehungen  zu  Venedig. 

Eroberung    von    Rhodos.      Kreuzzugsgedanken    und 

Kreuzzugstaten.    Krieg  mit  Venedig  und  Eroberungen 

im  Ärchipelagus. 


Gegen  Venedig-  beabsichtigte  Soliman  keinen  Krieg,  wie 
auch  die  Republik  ihrerseits  entschlossen  war,  den  Frieden  mit 
dem  Herrn  des  ,,Weifsen  und  Schwarzen  Meeres",  der  klein- 
asiatischen, syrischen  und  ägyptischen  Häfen,  im  Interesse  ihres 
Handels,  den  der  Wille  und  die  Macht  des  allmächtigen  Sul- 
tans für  viele  Jahre  vernichten  konnten,  um  jeden  Preis  aufrecht 
zu  erhalten  '). 

Die  alte  ,, verräterische"  Politik  der  Venezianer  arbeitete  mit 
Hilfe  des  Dragomans  Ali ,  der  Wesire  Ibrahim  und  Ajas  ^)  und 
später  der  geschickten  Unterstützung  des  Dogensohnes  Aloisio 
Gritti ,  eines  Bastards  und  Abenteurers ,  der  in  der  offiziellen 
Welt  Konstantinopels  zahlreiche  Beziehungen  hatte  und  gleich- 
sam als  christlich  gebliebener  Wesir  unter  den  Renegaten  ver- 
schiedener Nationalität  erschien,  unermüdlich.  Schon  am  i I.De- 
zember 1521  wurde  der  Frieden  zwischen  der  Signoria  und  dem 
Sultan  erneuert,  und  zwar  unter  für  jene  recht  günstigen  Be- 
dingungen: so  hatte  der  Bailo  das  Recht,  in  Streitfällen  mit 
Türken  nicht  vor  einem  Kadi,  sondern  vor  dem  Sultan  selbst 
oder  seinem  Stellvertreter  im  Diwan  zu  erscheinen;  bei  Gerichts- 


1)  Vgl.  auch  Zinkeisen  II,  S.  614 — 615. 

2)  Über    Ibrahim    siehe    Alb^ri    S.    104;    über    Ajas    „Commemoriali"    VI, 
215,  Nr.   127. 


Solimans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu  Venedig  usw.  367 

Verhandlungen ,  an  denen  venezianische  Kaufleute  interessiert 
waren,  sollte  der  Dragoman  des  Bailo  gegenwärtig"  sein  dürfen, 
und  der  Besuch  venezianischer  Schiffe  vor  den  ,, Schlössern" 
—  Rumili-  und  Anadoli-Hissar  —  und  nicht  in  Gallipolis  statt- 
finden ^). 

In  allen  Gebieten  des  festen  Landes,  wo  Venezianer  und 
Türken  Nachbarn  waren,  konnte  man  das  gute  Verhältnis  be- 
obachten. So  in  Morea,  dessen  Sandschak  als  ein  mächtiger 
Befehlshaber, .  dem  looo  Spahis  und  700000  Asper  jährlicher 
Einkünfte  zur  Verfügung  standen,  jetzt  in  Modon  residierte^). 
Er  führte  die  Titel  Pascha  und  avi}tvvr^g,  wie  im  Jahre  1527 
Dschuneid  ^)  —  avO^evrai  nannten  sich  übrigens  auch  einige 
Kadis,  die  neben  den  Sandschaks  oder  VVojwoden,  in  Arkadien, 
Chlomutzi,  Palaiopatrai  und  Lepanto  walteten,  und  der  in  Arka- 
dien ansässige  betitelte  sich  aufserdem  Kadi  des  ,,  ganzen  Für- 
stentums", des  ehemaligen  Principato  des  fränkischen,  feu- 
dalen Achajas  *).  Aber  auch  dieser  Sandschak,  den  Griechen 
und  Italiener  flamburario  und  (pXafx/iQiccQig  nannten,  betrach- 
tete sich,  trotz  seiner  Macht,  wie  die  anderen  als  ,,  Sklaven "  ^). 

Unter  ihm  stand  als  sein  Stellvertreter  ein  Kehaja,  ein  7ta- 
QacpXai-iTcovQijdQr] ,  mit  der  Würde  eines  Begs  und  dem  Amte 
eines  Subaschis;  er  residierte  in  Coron  ^).  Mit  den  veneziani- 
schen Beamten  lebten  sie  in  guten  Beziehungen,  die  in  den  üb- 
lichen Geschenken  ihren  Ausdruck  fanden.  Als  der  Erzbischof 
Arsenius  von  Monembasia  sich  1520  nach  Rom  begab  ^),  han- 
delte es  sich  nicht  um  eine  Intrigue  von  jener  Seite  gegen  die 
türkischen  Machthaber. 


i)  „Commemoriali"  VI,  S.   168—169,  Nr.   156—157;  vgl.  Alb^ri  S.  86. 

2)  Menavino   fol.   50. 

3)  Ztrjvt]).'IIaaidg,  aid-ivrrig  Moqiov ,    zeichnet    er  in    einem  Briefe;    Archiv 
von  Venedig,  „Documenti  greci  varii". 

4)  Av&^vrrig  xaöfjg  '^QxaSiag  xcu  xad^öXXov   ITQiyyiTidTOv;  ebenda. 

5)  ^xXiißog  ToO  fiC/ukov  a(fivTog  xui   (fkuunniÜQi,;  j\fo()^ov;  ebenda. 

6)  Ein  Brief  von   Sefer-Beg:    fxiyüXr]   xtQ7iivi]g ,    aovndaag   MovaTU(fu,    xrj- 
a^aictg  xul  naQarfilufino verjagt]  Mogiov;  ebenda. 

7)  ,,Ducali  e  lettere  ricevute"  Q.    53. 


308  Zweites  Buch.     Neuntes   Kapitel. 

Der  Sandschak  von  Saloniki,  der  S  — 16000  Dukaten  Ein- 
künfte und  eine  Leibwache  von  500  stattlichen  Reitern  hatte  ^), 
fand  keine  Geleg^enheit,  mit  Venezianern  zu  verkehren,  wenn  solche 
nicht  mit  ihren  Schiffen  seinen  Hafen  anliefen. 

In  Albanien  war  der  Sultan  durch  die  Sandschaks  von  Av- 
lona,  Skutari  und  den  von  Angelokastro  mit  Santa-Maura ,  wie 
von  Vodiza,  Leukadien  und  dem  ganzen  Despot-Ili,  ferner  durch 
die  Kadis  von  Durazzo,  Janina  und  Arta  und  einen  Schlofshaupt- 
mann  {yiaoTrjlarog)  in  Prevesa  vertreten  ^).  Das  Land  schien 
vollständig-  beruhigt  zu  sein.  Der  vierte  Sandschak  in  diesem 
balkanischen  Westen,  der  die  Herzegowina  (oder  türkisch  Ersek) 
verwaltete  und  in  Castelnuovo  in  Novi  residierte,  bekundete  keine 
Feindseligkeit  gegen  die  dalmatinischen  Provinzen  Venedigs  ^) : 
1524  liefs  sich  der  Inhaber  dieser  Würde:  ,,der  ruhmreiche  Herr 
Mehemed-beg  Michalbegowitsch"  —  ein  Mihalogli,  in  slawischer 
Verkleidung  —  ,, Sandschak  der  Länder  und  des  Staates  Ersek" 
nennen  ''). 

Nur  im  Sommer  1524  war  man  einigermafsen  um  Dalmatien 
besorgt,  als  der  Sandschak  von  Ersek  Arbeiten  beginnen  liefs, 
um  das  von  Ahmed-Pascha  Ersek  neuerdings  (1523)  besetzte^) 
Scardona  zu  befestigen;  die  Venezianer  gaben  der  Befürchtung 
Raum,  dafs  einem  starken  Scardona  gegenüber  die  benachbarte 
Provinz  an  der  Adria  nicht  mehr  zu  halten  sein  werde  '').  Sie 
erwies  sich  aber  als  unbegründet  ^). 


1)  Menavino   a.   a.   O. 

2)  Vgl.  einen  Befehl  Solimans  an  diese  Offiziere ;  Archiv  von  Ancona,  Liber 
Croceus  Magnus  fol.  197  — 197  vo  und  Briefe  der  türkischen  Beamten,  I547,  in  »Capi 
Consiglio  X''',  Costantinopoli  1550 — 1562;  dann  den  Bericht  vom  i.  Mai  1539; 
,, Rettori",  ,,Capi  Consiglio  X",  Corfü :  „Chussein-Isach-bei,  sanzacho  de  Angelo- 
castro  et  de  S.  Maura  et  de  Vodiza  et  de  Leucadia  et  della  region  del  Despotato." 

3)  Ebenda:  „Ersieh,  cio^  Castello  Novo". 

4)  „II  glorioso  signor  Mecmet-beg  Michalbegovich ,  sancacho  dele  terre  et 
Stato  de  Cherceg";  „Capi  Consiglio  X". 

5)  Siehe  den  Tagesbericht  Solimans  in  den  Anhängen  Hammers  und  den 
Brief  der  Einwohner  und  ihres  Grafen  Marco  Jussich  an  den  König  von  Ungarn, 
liurmuzaki  IP,  S.  406. 

6)  Bericht  vom   10.  Juli   1524;   „Capi  Consiglio  X,  Dalmazia". 

7)  Eine    Verständigung    mit    dem    „Emir    von    Castelnuovo    und    Scardona", 


Solimans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu  Venedig  usw.  369 

Das  Meer  hing-egen  blieb  unsicher  und  der  g-leichzeitig-e 
Tummelplatz  christlicher  und  mosleminischer  Seeräuber.  Die 
ersteren  g-ehörten  verschiedenen  Nationalitäten  an;  meist  waren 
es  Katalanen  und  Rhodiser  oder  Malteser.  Sie  erschienen  un- 
erwartet und  überfielen  erfolgreich  die  leichten  türkischen  Fahr- 
zeuge, nicht  sowohl  die  der  armen  Fischer  aus  den  kaiserlichen 
Besitzungen,  als  vielmehr  die  Barken,  die  den  binnenländischen 
Handel  vermittelten.  Mit  der  Beute  in  die  entfernte  Heimat  zu- 
rückzukehren, war  eine  Unmöglichkeit,  und  so  suchten  sie  Ver- 
steck und  Schutz  in  den  Häfen  einer  christlichen  Macht,  die 
noch  in  diesem  teilweise  unter  Mohammed  II.  von  den  Osmanen 
in  Besitz  genommenen  Archipelagus  vorhanden  waren. 

Venedig  zwar  wollte  diese  Abenteurer,  deren  Gewerbe  für 
den  Handel  jedes  der  benachbarten  Länder  eine  wahre  Plage 
bildete,  keineswegs  herbergen  oder  verteidigen.  Sie  fanden  aber 
in  den  Kolonien  der  Republik  Unterkunft  ^)  und  Förderer  genug  in 
den  schwachen  Dynasten,  denen  irgendwelche  in  diesem  für  See- 
räuberei so  geeigneten  Meerwinkel  gelegene  Inseln  gehörten.  So 
standen  sie  oft  im  Einverständnis  mit  dem  Herzog  des  Archipelagus, 
der  fortdauernd  Beziehungen  zur  venezianischen  Republik  unter- 
hielt und  von  Zeit  zu  Zeit  auch  nach  Venedig  reisen  mufste  ^), 
dann  mit  den  beiden  Cornari,  Cornelio  und  Andrea,  in  Carpa- 
thos  (Scarpantho)  ^).  Besonderen  Nutzen  aber  zogen  aus  der  un- 
unterbrochenen Tätigkeit  der  Spanier  und  Malteser  die  Ritter 
von  Rhodos,  deren  Inseln  seit  lange  schon  Unterschlupforte  für 
tapfere  und  verschlagene  Leute  ihrer  Art  waren. 

Endlich  aber  sollte ,  nachdem  die  Johanniter  vierzig  Jahre 
hindurch  sich  in  Sicherheit  gewiegt  und  in  einigen  Fällen  wegen 


„Commemoriali"  VI,  S.  182,  Nr.  8;  vgl.  S.  215,  Nr.  125 — 126.  Eine  Grenz- 
vereinbarung in  Dalmatien  mit  Khosrew-Pascha  von  Bosnien,  ebenda  S.  211 — 212, 
Nr.    110.     Vgl.  folgende  Nummern. 

1)  Vgl.  in  dem  Berichte  vom  18.  September  1525:  „Et  Vostre  Magnilicentie 
sano  molto  ben  che,  se  non  havesseno  da  li  luogi  vostri  subsidio,  che  non  po- 
triano  Star  otto  zorni  in  queste  bände";  „Missive  e  responsive"   1524 — 1527. 

2)  „Missive  e  responsive"   1524 — 1527,  Jahr   1525. 

3)  Siehe  ebenda,  Jahr   1524. 

Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  « 


370  Zweites  Buch,     Neuntes  Kapitel. 

des  in  ihren  Händen  befindlichen  Prätendenten  Dschem  dem 
mächtigen  Reiche  Beding-ungen  hatten  vorschreiben  können,  unter 
Soliman  die  Stunde  der  Verg-eltung  für  die  den  Osmanen  zu- 
gefügten Kränkungen  und  Schädigungen  schlagen.  Zwar  als  im 
Mai  1522  die  türkische  Flotte  sich  zu  einem  neuen  Zuge  rüstete, 
waren  die  Rhodiser  noch  ungewifs ,  ob  der  Schlag  ihnen  gelte ; 
mancher  glaubte,  dafs  Venedig  in  Zypern  oder  Korfu  angegriffen 
werden  solle.  Der  alte  erfahrene  Piri -Pascha  hatte  von  dem 
schwierigen  Unternehmen  gegen  eine  so  starke  Stadt,  die  sich 
mit  ihren  dreizehn  Türmen  und  fünf  Festungen  uneinnehmbar 
dünkte  —  als  die  osmanische  Flotte  erschien,  waren  die  Mauern 
wie  nach  einem  Siege  herausfordernd  mit  kostbaren  Teppichen 
behängt  ')  — ,  abgeraten.  Aber  Mustafa,  der  alte  Schwager  des 
Sultans,  empfahl  sie  aufs  wärmste.  Auf  der  bedrohten  Insel, 
deren  Befestigungen  von  einem  Architekten,  der  in  Diensten 
Kaiser  Karls  V.  gestanden  hatte ,  noch  eben  verstärkt  worden 
waren,  befanden  sich  viele  aus  allen  Provinzen  des  Ordens  eilig 
zusammengerufene  Ritter  und  500  tapfere  Kandioten,  die  an 
Türkenkämpfe  gewöhnt  waren ;  von  den  griechischen  Einwohnern 
waren  angeblich  5000  bewaffnet  und  in  Rhodos  aufgenommen 
worden.  Den  Hafen  hatte  man  mit  einer  Kette,  die  vom  Mühlen- 
turme bis  zum  Schlosse  Sankt  Nikolaus  reichte,  gesperrt.  Aus 
Rom,  Venedig,  Spanien  und  Frankreich,  wohin  Gesandte  die 
Kunde  von  äufserster  Gefahr  getragen  hatten,  erwartete  man  Hilfe 
an  Geld,  Schiffen  und  disziplinierten  Berufssoldaten.  Endlich 
hatte  die  Hauptstadt  des  Ordens  im  neuen  Grofsmeister  Villiers 
de  risle-Adam  einen  frommen  und  tüchtigen  Verteidiger  ge- 
funden. 

Am  14.  Juni  wurde  die  erste  Aufforderung  zur  Übergabe 
von  den  Rittern  abgeschlagen,  doch  vermied  man  es,  den  starken 
Feind  durch  unnützen  Übermut  zu  verletzen.  Bald  darauf  er- 
schienen von  Kos  her,  wo  sie  vergebens  zu  rauben  gesucht 
hatten,  20  bis  30  Schiffe  der  grofsen  Flotte,  die  sich  der  Insel 
rasch  näherten.    Am  26.  erblickte  man  vom  Berge  des  Heiligen 


i)  Leunclavius  Sp.  757  ff. 


Solimans   Feldzüge   in   Europa.     Beziehungen  zu   Venedig   usw.  371 

Stephan  aus  die  Hauptmacht  der  kaiserlichen  Marine.  Die  Asapen 
gingen  ans  Ufer  und  spähten  unter  dem  Feuer  der  christlichen 
Geschütze,  die  vom  Brescianer  Gabriele  Martinengo  instand  ge- 
setzt waren,  eilig  nach  Vorräten  und  anderer  Beute.  Einige  der 
in  Rhodos  eingeschlossenen  Sklaven  suchten  mit  diesen  ihren 
Glaubensgenossen  in  Beziehungen  zu  treten ,  doch  wurde  das 
Komplott  entdeckt  und  vereitelt.  Schliefslich  besetzten  die 
Feinde  den  Berg,  auf  dem  die  Kirche  der  Heiligen  Kosmas  und 
Damian  stand,  ohne  von  dort  aus  den  Belagerten  empfindlichen 
Abbruch  tun  zu  können.  Es  gelang  denselben  sogar,  die  Be- 
lagerer zu  überfallen.  So  wurde  denn  auf  osmanischer  Seite,  als 
auch  die  Lebensmittel  daselbst  zu  mangeln  begannen ,  die  An- 
kunft des  fünfzehn  Tage  später,  am  i6.  Juni  aufgebrochenen 
Sultans  mit  Sehnsucht  erwartet. 

Dieser  hatte  den  Landweg  durch  die  Provinz  Mentesche  ein- 
geschlagen und  sich  nach  Kiutajeh  begeben,  um  durch  die  Ebene 
Karabagh  und  über  den  Hafen  Marmaris  nach  Rhodos  zu  ge- 
langen, wo  er  erst  am  28.  Juli  eintraf.  Er  zeigte  übrigens  keine 
grofse  Neigung,  seine  Kräfte  auf  der  Insel ,  deren  Besitz  er  an- 
scheinend gering  achtete,  festzulegen.  Jedenfalls  brachte  er  Ar- 
tillerie mit,  und  Rhodos  wurde  nun  aus  40  grofsen  Geschützen 
unaufhörlich  beschossen ,  denen  fünfzehn  andere  unter  den  Be- 
fehlen eines  Paläologen  antworteten.  Nach  einigen  Tagen  wurde 
der  erste,  von  Mustafa  geleitete  Sturm  zurückgeschlagen.  Fünf 
Tage  später  erneuerte  der  Feind  mit  seiner  ganzen  Macht  gleich- 
zeitig gegen  die  Bastionen  der  Italiener  und  der  Südfranzosen 
den  Angriff;  dabei  fielen  der  Sandschak  von  Negroponte  und 
der  Toptschi-Bascha.  Die  spanischen  Ritter  bewährten  sich  aufs 
tapferste.  Einen  dritten  Sturm  führte  wieder  Mustafa  an,  für  den 
in  diesem  Kriege  alles  auf  dem  Spiele  stand. 

Es  kam  zu  einem  so  heftigen  Kampf,  wie  er  kaum  je 
zwischen  Osmanen  und  Christen  geführt  worden  war;  schon 
hatten  jene,  mit  vierzig  Fahnen,  die  Bastion  der  Spanier  besetzt, 
als  die  Kandioten  mit  dem  Dolche  in  der  Hand  sich  auf  sie 
stürzten.  Schliefslich  mufste  Soliman  seine  Truppen,  die  aus- 
sichtslos ihre  letzten  Kräfte  daransetzten  —  zwölf  Sandschaks 
lagen  tot  — ,  abrufen;  und  der  Zorn  des  Sultans  bedrohte  nicht 

24* 


373  Zweites  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

nur  Mustafa,  sondern  auch  Ajas  und  den  alten  und  weisen  Piri 
mit  dem  Tode  durch  den  Strick.  Mustafa  soll  nach  dieser  schweren 
Stunde  daran  gedacht  haben,  sich  vor  der  Rache  seines  Herrn 
durch  Flucht  ins  belagerte  Rhodos  zu  retten  (24.  September). 

Den  Christen  aber  kam  keine  Hilfe.  Die  vom  Orden  in 
Neapel  gemieteten  Schiffe  gelangten  nicht  an  ihr  Ziel:  eins 
versank,  die  anderen  blieben  mit  ihrem  Befehlshaber,  dem  Prior 
von  Kastilien,  an  der  sizilischen  Küste.  Der  venezianische 
Proveditore  Domenico  Trevisano  hielt  in  Erwartung  des  Aus- 
gangs am  Kap  Malea,  und  nur  einige  Kandioten  verstärkten  die 
Verteidiger  der  Insel.  Dagegen  erhielten  die  Belagerer  wertvolle 
Hilfe  durch  anatolische  und  ägyptische  Schiffe  (schon  am 
9.  August);  die  letzteren,  40  an  Zahl,  brachten  grofse  Mengen 
Proviant  mit. 

Drei  Tage  hindurch  stürmten  dann  die  Mameluken  mit 
bewunderswerter  Todesverachtung  an  der  Pforte  des  Heiligen 
Athanasius.  Als  der  Erfolg  ausblieb  und  der  Herbst  mit  heftigen 
Regengüssen  einsetzte,  segelte  die  ganze  Flotte  nach  Marmaris 
ab  (31.  Oktober).  Der  Wesir  Achmed  aber,  in  den  Soliman 
jetzt  alles  Vertrauen  setzte,  versuchte  es  nun  mit  Errichtung  von 
Palisaden  und  Auffüllung  der  tiefen  feindlichen  Gräben,  um  dann 
zu  einem  letzten  Sturm  überzugehen,  der  von  den  Zinnen  aus 
mit  Kugeln  und  Pfeilen  zurückgeworfen  wurde.  Soliman,  der 
weitere  kostspielige  Verluste  scheute  und  die  Schwierigkeit,  den 
Winter  auf  feindlichem  Boden  zu  verbringen,  fürchtete,  entschlofs 
sich  endlich,  Villiers  de  l'Isle-Adam,  dem  ,,Megalomastor",  eine 
billige  Kapitulation  anzubieten. 

Nach  längeren  Verhandlungen  unter  den  Führern  der  Be- 
lagerten und  einigen  Ausfällen  der  gereizten  Bürger  und  Bauern, 
die  in  Rhodos  eingeschlossen  waren,  kam  man  wirklich  über  die 
Bedingungen  überein:  türkische  Schiffe  sollten  die  Ritter  und 
andere  Verteidiger  der  Stadt  mit  ihrer  Habe  nach  Kreta  führen, 
den  zurückbleibenden  Griechen,  mit  denen  die  Osmanen  mehr- 
mals besonders  sich  zu  verständigen  versucht  hatten,  wurde 
Freiheit    von   jeder  Kharadschleistung    für    eine  Frist    von    fünf 


Solimans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu  Venedig  usw.  373 

Jahren  und  für  immer  von  der  Verpflichtung-,  dem  Janitscharen- 
korps  Rekruten  zu  hefern,  zugestanden  ^). 

Um  aber  wenigstens  den  Schein  zu  retten,  wurde  zu  Weih- 
nachten eines  der  Tore  der  Stadt,  das  sich  nicht  mehr  ver- 
teidigte, niedergebrochen,  und  der  Sultan  hielt  mit  einem  aus- 
gewählten Korps  seines  Heeres,  das  eine  auch  von  den  Christen 
bewunderte  schweigsame  Disziplin  zeigte,  seinen  Einzug.  .,Ich 
habe  aus  dem  Munde  des  Grofsmeisters  gehört,"  sagt  der  Bericht 
Giovios,  ,,dafs  bei  dem  Einzug  Solimans  in  die  Stadt,  mit 
30000  der  Seinigen,  kein  Wort  zu  hören  war;  es  war,  als  ob 
es  keine  Krieger,  sondern  Franziskanermönche  strenger  Observanz 
waren  2)." 

Nun  wurde  die  grofse  Hauptkirche  Sankt  Johanns  in  eine 
Moschee  verwandelt;  christliche  Quellen  berichten  auch  die  Er- 
öffnung von  Gräbern  der  Grofsmeister  und  die  Erniedrigung  des 
Kreuzes;  die  Abreise  Villiers'  de  l'Isle-Adam  verzögerte  sich, 
und  manche  glaubten,  dafs  der  Besiegte  den  Weg  nach  Kon- 
stantinopel werde  antreten  müssen ,  um  im  Triumphzuge 
Solimans  mitgeführt  zu  werden.  In  Wirklichkeit  aber  sagte  der 
Sultan,  als  man  ihm  den  Grofsmeister  vorstellte:  ,,Ich  fühle 
Mitleid  mit  diesem  armen  Greise,  den  wir  aus  seinem  Hause 
verjagen  ^)."  Nur  der  Christ  gewordene  Sohn  Dschems  und 
seine  beiden  Söhne  wurden  getötet  und  seine  zwei  Töchter  nach 
Konstantinopel  geführt*).  Als  Soliman  im  Februar  1523  Rhodos 
verliefs,  um  sich  durch  Asien  nach  Konstantinopel  zu  begeben, 
war  der  bisherige  Herr  der  Insel  bereits  nach  dem  Westen 
unterwegs. 

Kaiser  Karl  V.  und  der  Papst  sandten  Villiers  bedeutende 
Summen  nach  Messina;  im  August  erschien  er  in  Brindisi,  seinem 
vorläufigen  Aufenthaltsorte,  und  in  Rom  selbst  wurde  er  wie  ein 


i)  Charriere  I,   S.   92  ff. 

2)  „Hö  udito  dire  al  Gran  Maestro  che  nell'  entrar  che  fece  Soliman  nella 
cittä  con  trenta  mila  huomini  mal  si  senti  una  parola,  et  pareva  che  fossero  tanti 
frati  dell'   Observanza";   in   Sansovino   fol.    240  vo  ff. 

3)  ,,  Questo  povero  vecchio  scacciato  di  casa  sua";  Giovio  a.  a.  O. 

4)  Vgl.  Spandugino  fol.   240  vo  ff.  • 


374  Zweites  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

Sieger  und  als  Held  der  Christenheit  empfang-en.  Rhodos  freilich 
war  ihm,  trotz  aller  Verheifsungen ,  Vorbereitung-cn  und  Kreuz- 
zugspläne,  für  immer  verloren^).  Nur  15  30  fand  der  Verbannte 
und  seine  treuen  Kriegsgefährten  auf  der  dem  Kaiser  als  spani- 
schem König  gehörigen  Insel  Malta,  als  einem  neuen  Rhodos, 
endlich  den  erwünschten  dauernden  Wohnsitz. 

Rhodos  wurde,  mit  den  benachbarten  Inseln  zusammen,  das 
Sandschakat  eines  erklärten  Feindes  aller  Christen  und  besonders 
der  Venezianer,  des  ehemaligen  Begs  Mehemed  von  Lesbos. 
Das  osmanische  Seeräuberwesen  nahm,  durch  dessen  fast  offene 
Unterstützung,  einen  grofsen  Aufschwung.  So  fürchteten  die 
Venezianer  im  Mai  1525,  als  Kurtogli  mit  den  kaiserlichen 
Galeeren  von  Rhodos  nach  Alexandrien  segelte,  um  Ibrahim- 
Pascha  Hilfe  zu  bringen  —  er  vermafs  sich,  unterwegs  alle 
venezianischen  Schiffe  anzuhalten  und  zu  vernichten  — ,  dafs  der 
berüchtigte,  Tschufud  genannte  Seeräuber  Sinan,  der  sechs  Barken 
bemannt  hatte,  sich  gegen  sie  wende  ,  was  bei  Mykone  in  der 
Tat  geschah.  Auch  die  Untertanen  des  Herzogs  des  Archipelagus, 
der  nach  Venedig  gereist  war,  erwarteten  sein  Erscheinen  voller 
Schrecken.  Und  der  ,,homo  scandaloso"  in  Rhodos  frohlockte 
über  die  Taten  seines  Freundes  Tschufud  und  äufserte  sich  voll 
Genugtuung,  dafs  die  Venezianer  ihr  Los  verdient  hätten.  An 
der  zyprischen  Küste  tauchten,  wenn  auch  nicht  ungestraft,  eben- 
falls Piraten  dieses  Schlages  auf.  Aus  Rhodos  waren  am 
29.  Juli  1525  vier  Galeeren  und  sechs  Boote  nach  Zypern 
gesegelt.     ,,Es    ist    im   Archipelagus    schlimmer,"    schreibt    ein 


l)  Vgl.  auch  Charri^re  I,  S.  108  ff.,  132  ff,  und  den  venezianischen  Bericht 
vom  7.  August  1523;  „  Capi  Consiglio  X,  Costantinopoli".  —  Die  hauptsächliche 
Quelle  ist  Pontanus,  ein  Ritter  des  Ordens,  der  auf  Rhodos  weilte  und  die  Zeug- 
nisse der  Brüder  Giorgio  Faucello ,  Roberto  Perusio  und  lacopo  Borbone  zitiert ; 
s.  in  Sansovino  fol.  381  v«.  Der  Bericht  Bourbons  ist  1526  unter  dem  Titel : 
„Jacques  bastard  de  Bourbon,  La  grande,  merveilleuse  et  tres-cruelle  oppugna- 
tion  de  la  noble  cite  de  Rhodes"  erschienen,  von  Zinkeisen  benutzt;  mir  unzu- 
gänglich, wie  ferner  die  Zusammenstellung  Terciers  in  den  „Memoires  de  TAca- 
demie  des  Inscriptions"  XXVI,  dem  auch  eine  osmanische  Quelle,  die  Erzählung 
Ramadans,  des  Arztes  Solimans,  zugute  kam;  vgl.  Zinkeisen  II,  S.  624,  Anm.  i. 
Siehe  auch  weiter  den  Tagesbericht  Solimans  in  Hammer,  vollständige  Ausgabe, 
III,  S.  62Sff. 


Soliraans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu  Venedig  usw.  375 

venezianischer  Offizier,  der  die  Ritter  Sankt  Johanns  freiUch  den 
türkischen  Korsaren  unbedenklich  g-leichstellt,  „als  es  zur  Zeit 
der  Ritter  war  ^)." 

Der  Sultan  erklärte  zwar,  dafs  er  dieses  Treiben  nicht  billige 
noch  dulden  wolle,  so  oft  ihm  auch  die  Venezianer  ihrerseits 
Anlafs  zur  Klage  gaben  ''').  Man  hoffte,  dafs  er  eine  Flotte 
gegen  die  Friedens-  und  Handelsstörer  bewaffnen  werde:  im  Sep- 
tember kam  sie  in  der  Tat  vor  Rhodos  an.  Beinahe  gleichzeitig 
erschien  ein  Proveditore  mit  sieben  Galeeren,  im  August  berührte 
er  Kreta  und  besuchte  dann  Rhodos  und  Naxos.  Die  Türken 
griffen,  im  Augenblicke  derRückkehr  des  Proveditore  nachNauplion 
und  Korfu,  die  Galeere  Contarina  an,  wurden  aber  geschlagen 
und  hatten  grofse  Verluste.  Im  Oktober,  als  von  der  Ausrüstung 
einer  neuen  Flotte  die  Rede  war,  kam  der  Proveditore  zum 
zweitenmal  in  die  Gewässer  von  Rhodos;  Mehemed-beg  ,, hoffte 
wieder,  venezianische  Sklaven  für  50  Asper  zum  Verkauf  gebracht 
zu  sehen  ^)". 

Der  Sultan  aber  wollte  Frieden  mit  Venedig:  ,,es  ist  sicher," 
schrieb  der  Bailo,  ,,dafs  der  Grofsherr  uns  nicht  Krieg  erklären 
wird,  wenn  wir  ihm  keinen  Beweggrund  geben  *)."  Die  Rückkehr 
Ibrahim-Paschas  aus  Ägypten  trug  viel  dazu  bei,  dafs  der  Frieden 
erhalten  blieb.  An  Stelle  des  herausfordernden  Mehemed  trat 
mit  dem  sechzigjährigen  Sandschak  Dschelil-beg  von  Hamid  ^) 
ein     guter     und     friedlicher     Nachbar,      und     der     Proveditore 


i)  „Questo  Arzipielago  parme  sia  pegio  adesso  che  non  era  al  tempo  di 
s.  di  Rhodi";  venezianischer  Bericht  vom  9.  Mai  1525;  „Missive  e  responsive" 
1524 — 1527.     Die  anderen  Tatsachen   sind   früheren  Berichten  entnommen. 

2)  So  fanden  1525  70  flüchtige  Janitscharen,  „cum  le  moglie  et  figlioli  sui" 
in  venezianischen  Besitzungen  und  im  Herzogtum  des  Archipelagus  Zuflucht ;  darüber 
beschwerte  sich  Soliman  am  25.  August;  „Missive  e  responsive"   1524 — 1527. 

3)  „Spiera  veder  anchora  vender  per  schiavi  venetiani  et  sui  subditi  ad  aspri 
50  l'uno";  Bericht  vom   3.  November   1525   a.  a.  O. 

4)  „Si  puo  haver  per  certo  che'l  S^°  Gran-Signor  turco  maj  ne  rompera 
guerra,  se  nui  non  li  ne  daremo  ansa";  Bericht  vom  24.  September  1525  a.  a.  O. 

5)  „Gelil-bei,  sanzaco  de  Acmit  in  Caramania";  Bericht  vom  7.  Dezember 
1525  a.  a.  O. ;  ein  Brief  an  „Gelebei,  gubernatori  Rhodi",  ebenda.  Man  schickte 
ihm  als  Geschenk  ein  Gewand  von  roter  Seide  (scarlatto),  ein  anderes  von  rotem 
Samt,    zwei  Falken    ,,et   una    mezana    di  moscato    et   diese  pezi  di  formazi'';  die 


376  Zweites  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

konnte  unbekümmert  nach  Cerigo  zurückkehren.  Aber  während 
Lutfi-beg-  und  seine  Flotte  vom  Herzog-  des  Archipelag-us  Lebens- 
mittel erhielten,  grififen  christliche  Seeräuber  bei  Faros  friedliche 
türkische  Schiffe  an,  und  die  Galeere  des  Wesirs  Ajas  fiel  in  die 
Hände  solcher  Korsaren  ^),  ,,Die  Fahnen  des  Grofsherrn  sind 
in  den  Staub  g^etreten  worden",  rief  der  erzürnte  Ajas,  der 
freilich  nicht  die  Entscheidung-  über  die  Reichspolitik  in  der 
Hand  hielt,  dem  Bailo  zu:  ,,Der  Frieden  ist  g-ebrochen ;  auf 
dem  Festlande  und  auf  dem  Meere  werden  wir  mit  euch 
kriegen  ^)." 

Lutfi  gelang-  es,  das  Schiff  des  berühmten  osmanischen 
Korsaren  Kara-Soliman  abzufangen,  und  dem  aufserordentlichen 
venezianischen  Gesandten  Pier  Zeno  wurde,  als  er  im  März  1526 
nach  Konstantinopel  kam,  der  beste  Empfang  zuteil.  Es  war  im 
Jahre  des  grofsen  Krieges,  der  den  Türken  Ungarn  unterwarf. 
Nach  dem  kurzen  Besuch  des  Proveditore  lag  das  Meer  für  alle 
Seeräuber  frei  und  offen  da,  bis  sich  im  Juli  eine  osmanische 
Flotte  vor  Rhodos  sammelte  ^). 

Alle  Befürchtungen  eines  türkischen  Einfalls  in  Italien,  wie 
sie  seit  1527  gehegt  wurden,  waren  grundlos  gewesen*);  es 
währte  lange,  bis  der  Friede  zwischen  Venedig  und  dem  Reich 
wirklich  gebrochen  wurde.  Und  auch  dann  richteten  sich  die 
osmanischen  Feindseligkeiten  gegen  Korfu,  zu  dessen  Sicherheit 
schon   1523  und   1524  Mafsnahmen  getroffen  worden  waren  ^). 

Im  Dezember  1532  wurde  Junus-beg  als  Nachfolger  Ali-begs 
in    der    Stellung    eines    Reichsdragomans    feierlich    in    Venedig 

Falken  waren,  „cum  li  sui  capeleti  d'oro  et  cum  li  sui  zeti  cii    cordele    di    seda, 
cum    quatro    magiete    d'arzento".      Dschelil    antwortete    darauf  mit    zwei    tape, 
vier  cordovani  und  zwei  Jagdhunden,   a.  a.   O. 
i)  Bericht  vom  24.  Januar   1526;  a.  a.  O. 

2)  Alberi  S.   108. 

3)  Berichte  vom   14.  März,   25.  März,   19.  Mai   1526;  a.  a.  O. 

4)  Alberi  S.    n6. 

5)  Vgl.  den  Bericht  vom  20.  Oktober  1523,  „Capi  Consiglio  X",  mit  Alberi 
a.  a.  O.  S.  96 — 97. 


Solimans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu  Venedig  usw.  377 

empfangen  ^).  Während  des  Sommers  hatte  die  Republik 
60  Galeeren  gerüstet;  sie  sollten  unter  Vicenzo  Capello  den 
Bewegungen  der  von  Andrea  Doria  geführten  kaiserlich-päpst- 
lichen und  der  osmanischen  Galeeren,  die  kriegsbereit  nach 
Westen  abgesegelt  waren ,  folgen ;  in  den  Kampf  einzugreifen 
lag  nicht  in  der  Absicht  der  Signoria.  Mehrere  Wochen  blieben 
die  feindlichen  Schiffe  bei  Prevesa  an  der  albanesischen  Küste 
vor  Anker.  Als  sich  die  Türken  nach  Gallipolis  zurückwandten, 
warf  sich  Doria  mit  fast  lOO  Schiffen  auf  Koron,  das  seinerzeit 
berühmte  Bollwerk  Venedigs  in  Morea,  und  vertrieb  die  os- 
manische  Besatzung,  an  deren  Stelle  Spanier  traten.  Auch 
Patras  fiel  an  ihn,  und  er  beherrschte  den  Meerbusen  von 
Lepanto.  Aber  kaum  war  er  nach  Genua  abgesegelt,  so  gingen 
diese  flüchtigen  Eroberungen  wieder  an  die  Herren  des  Festlands 
verloren,  und  Koron  wurde  wieder,  und  zwar  nun  ausschliefslich, 
mit  Türken  besiedelt  ^). 

Die  ganze  Seemacht  der  Osmanen  war  damals  gegen  den 
Kaiser  erforderlich.  Als  Khaireddin  nach  Konstantinopel  gerufen 
wurde,  trat  der  kühnste  aller  Piratenführer  als  Kapudan-Pascha, 
d.  h.  Admiral  und  zugleich  Wesir,  in  den  Dienst  des  Sultans, 
der  ihm  sogleich  die  bedeutende  Flotte  des  Reiches  anvertraute. 

Selbstverständlich  verfolgte  er  weniger  die  Interessen  der 
osmanischen  Politik,  als  seine  eigenen,  die  in  der  Begründung 
eines  starken  Piratenstaates  in  Nordafrika  gipfelten.  Durch  Bitten 
und  Geschenke  von  selten  persönlicher  Feinde  des  Kaisers  noch 
besonders  angefeuert,  segelte  Khaireddin-Pascha  im  Juni  I534 
nach  Tunis,  das  sich  ihm  bald  ergab;  der  letzte  Hafside,  der 
nur  mit  seinen  Haremsknaben  beschäftigte  Schwächling  Muley- 
Hassan  wurde  verjagt  und  bei  einem  Versuche  zurückzukehren 
entscheidend  besiegt  ^).  Gleichzeitig  schädigten  Chaireddins 
Schiffe  an  allen  Küsten  des  Reiches,  besonders  bei  Reggio  und 


i)  Hurmuzaki,  Supl.  I  ^,  S.   2,  Nr.  n. 

2)  Vgl.  Leunclavius  Sp.   766 — 767.     Nach    der  Geschichte  Venedigs    von 
Paruta  und  einigen  anderen  Quellen  in  Zinkeisen  II,  S.  7356".;  Hammer  II, 

s.  96—97- 

3)  Hammer  II,  S.    129 — 130. 


378  Zweites  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

Fondi,  Karls  V.  Ansehen  und  Besitz  nach  Mög-hchkeit.  Zwar 
hatten  der  Hof  des  Sultans  und  die  regelrechten  türkischen 
Truppen,  die  damals  im  persischen  Kriege  standen,  keinen 
Anteil  an  diesem  persönlichen  Unternehmen  des  Abenteurers. 
Für  das  osmanische  Reich  aber  war  Tunis  um  so  wertvoller,  als 
es  einen  ausg"ezeichneten  Beobachtungsposten  gegenüber  den 
gerade  in  Malta  eingezog^enen  Johannitern,  und  sein  Besitz  eine 
beständige  Drohung  für  die  spanische  Herrschaft  in  Sizilien  und 
Süditalien  darstellte. 

Ohne  sich  in  einen  wirklichen  Krieg  mit  Soliman  einlassen 
zu  wollen,  aber  die  Abwesenheit  des  in  Asien  beschäftigten 
Sultans  klug  wahrnehmend,  suchte  der  mächtige  Herrscher  des 
Westens  die  Herausforderung  des  kühnen  Piraten  kräftig  zurück- 
zuweisen. Im  Mai  1535  schiffte  sich  der  Kaiser  mit  grofser 
Pracht  in  Barcelona  ein ;  sein  ganzer  spanischer  und  italienischer 
Hof  begleitete  ihn ;  der  Papst  hatte  ihm  sechs  Galeeren  und  der 
Grofsmeister  deren  vier  g-eschickt;  auch  portugiesische  Schiffe 
befanden  sich  in  der  grofsen  Flotte ,  die  74  Galeeren  und  300 
andere  Segel  zählte.  Am  15.  Juni  befand  sich  Karl  vor  Goletta, 
dessen  Besitz  für  den  der  grofsen  Stadt  Tunis  von  entscheidender 
Bedeutung  war.  Khaireddin  sah  sich  auf  sich  selbst  angewiesen : 
nur  angeblich  6000  Mann  aus  der  Statthalterschaft  Merasch  *) 
standen  ihm  zur  Verfügung,  während  die  Mohren  sich  für  den 
ins  Lager  Karls  gekommenen  Vertreter  der  alten  Dynastie  er- 
klärten. Nachdem  er  sich  einen  ganzen  Monat  gehalten  hatte, 
wagte  er  eine  Schlacht,  in  der  ihn  die  Einheimischen  verliefsen, 
und  suchte  dann  in  Algier  Zuflucht ;  Karl ,  der  seinen  Zug  be- 
schreiben *),  besingen  und  von  Hans  Verwegen  —  heute  sind  die 
Kartons  in  der  Wiener  Bildergalerie  —  im  Bilde  festhalten  liefs, 
setzte  in  Tunis,  in  dem  das  Blut  der  unschuldigen  Einwohner  ge- 
flossen und  das  gründlich  zerstört  war,  den  Hafsiden  wieder  in  seine 


i)  Hammer  II,  S.   132. 

2)  Durch  Armerius  und  Etrobius  in  der  Wiener  Ausgabe  des  Chal- 
kokondylas,  1556  und  in  Schardius,  Rer.  German.  Script.  II.  Vgl.  San- 
s  o  vin  o  fol.  396  v-o  —  397  ;  Leun  cl  av  ius  Sp.  776  ff. ;  Charri^re  I,  S.  263  ff. ; 
Lenz,  Korrespondenzen  des  Kaisers  Karl  V.  II,  S.   186 ff. 


Solimans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu  Venedig  usw.  379 

Herrschaft  ein  (14. — 21.  Juli).  18  —  20000  christliche  Sklaven  er- 
hielten ihre  Freiheit  wieder.  Mit  Muley  unterzeichnete  der  Kaiser 
am  6.  August  einen  für  den  christlichen  Handel  im  allg-emeinen 
sehr  g-ünstigen  Vertrag-,  in  dem  er  sich  verpflichtete,  gegen  Geld- 
entschädigung auch  das  alte  Afrika  (Afrikijeh),  Biserta  und  Bona 
(Bone)  zu  erobern.  Tausend  Spanier  und  zehn  Schiffe  blieben 
beim  Aufbruche  des  siegreichen  Kreuzheeres  Karls  V.  (17.  August) 
zum  Schutz  des  Hafsiden  zurück. 

Die  Küste  der  Berberen  hatte  stets  mehr  im  Handelsgebiet  des 
nun  kaiserlich  gewordenen  Genua  oder  der  im  Kreuzzugsgevvande 
auftretenden  französischen  Abenteuerlust,  als  in  der  Interessen- 
sphäre Venedigs  gelegen.  So  hatte  die  Republik  die  Siege  und 
Eroberungen  der  Piraten  und  die  darauf  folgende  kaiserliche 
Parade  Karls  V.  ruhig  mitangesehen.  Aber  in  demselben  Jahre 
griff  der  Proveditore  Girolamo  Canale  unvorsichtigerweise  die 
Galeeren  des  sogenannten  ,, jungen  Mohren"  von  Alexandrien  an; 
umsonst  überbrachte  Daniele  Lodovici  im  F'rühling  die  Ent- 
schuldigungen der  Signoria  ') ;  die  alten  freundschaftlichen  Be- 
ziehungen zwischen  Venedig  und  den  Osmanen  waren  schwer 
wiederherzustellen.  Der  Fall  Ibrahims,  der  Einflufs  des  Wesirs 
Ajas,  besonders  aber  die  Tatenlust  des  unruhigen  Barbarossa, 
der  die  Politik  des  Reiches  auf  dem  Meere  bestimmte  und  an 
Stelle  der  alten  furchtsamen  Defensive  eine  rücksichtslose  und 
immer  siegreiche  Offensive  treten  liefs,  führten,  trotz  des  offenen 
Unwillens  des  Sultans  und  aller  Bemühungen  Venedigs,  sich  den 
vorteilhaften  Frieden  noch  weiter  zu  erhalten ,  zu  einem  Kriege 
der  Osmanen  mit  dieser  bisher  engbefreundeten  Macht,  die  sich 
nicht  einmal  offen  für  die  Kreuzzugspolitik  Kaiser  Karls  hatte 
entschliefsen  können,  sondern  ihm  für  die  neue  Politik  im  Mittel- 
meere sogar  gegrollt  hatte. 

Im  Jahre  1537  war  Khaireddin,  der  1535  mehr  als  erfolg- 
reicher Korsar,    denn    als  Besiegter  mit  achtzehn  Galeeren  nach 


i)  .,Commemoriali"  VI,  S.  218,  Nr.  135.  Vgl.  auch  die  venezianische  Ge- 
schichte Parutas;  siehe  auch  die  Notiz  über  den  Aufenthalt  Kurtoglis  im  Adria- 
tischen  Meere  bei  Spandugino  fol.   207. 


380  Zweites  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

Konstantinopel  zurückg^ekehrt  war  —  der  kaiserlichen  Flotte  hatte 
Karl  V.  keinen  Abbruch  getan  *)  —  und  1536  an  der  süditalieni- 
schen Küste  erschienen  war,  um  Castello  einzunehmen,  wieder  im 
Westen.  Er  liefs  zum  zweiten  Male  auf  den  spanischen  Balearen 
plündern,  besetzte  Biserta  und  bedrohte  gleichzeitig  die  italie- 
nischen Häfen,  die  in  kaiserlichem  Besitz  waren.  In  Rom  zitterte 
der  Papst  vor  der  angeblichen  Gefahr.  Bei  Parga  versuchte  der 
von  seinem  Beobachtungsposten  in  Messina  herbeigeeilte  Doria 
vergebens  das  Geschwader  des  Kehaja-Begs  von  Gallipolis  zu 
vernichten,  hatte  aber  immerhin  einigen  Erfolg. 

Der  Sultan  erschien  mit  seinen  Söhnen  Mustafa  und  Selim 
im  Juni  in  Avlona,  als  wollte  er  wirklich  Apulien  angreifen. 
Dorthin  kam  auch  der  mit  Lutfi-beg  wieder  aufgebrochene  Ad- 
miral  Khaireddin,  um  bei  dem  grofsen  Rachezuge  gegen  Karl  V. 
als  neapolitanischen  Herrscher  mitzuwirken.  Aber  nur  schwache 
osmanische  Streitkräfte  gingen  nach  Castro  bei  Otranto  und 
Barletta,  besetzten  einige  Schlösser,  wie  Ugento ,  und  wurden 
bald  von  den  Spaniern  wieder  verjagt.  Solimans  Versuch,  dem 
Beispiel  der    Eroberer  von  Otranto  zu  folgen,  war  mifslungen  ^). 

Eine  starke  venezianische  Flotte  war,  ohne  dafs  Venedig 
es  für  nötig  befunden  hätte  eine  Erklärung  abzugeben,  an  der  be- 
drohten apulischen  Küste  stationiert;  Girolamo  Pesaro,  der  seiner 
Pflicht  nicht  gerade  gewachsen  war,  befehligte  sie.  Zwischen 
einigen  Schiffen  der  Republik  und  solchen  des  Sultans,  die  den 
Gesandten  Junus  nach  Venedig  tragen  sollten,  kam  es  zum  Zu- 
sammenstofs  (Anfang  Juli);  Doria,  der  vorher  schon  bei  Parga  ge- 
kämpft hatte  2) ,  bekam  einige  Tage  später  bei  Chimära  den 
Dragoman  Junus  in  seine  Hände  *).  Der  Proveditore  Alessandro 
Contarini  kaperte  in  der  Nacht  das  Schiff  des  Sandschaks  von 
Gallipolis  (27,  Juli).     Anderseits    gerieten    am    28.  200  türkische 


1)  Leunclavius    Sp.  776  ff.      Khaireddin  hatte  Minorca  angegriffen  (Char- 
riere  I,  S.  277,  278,  Anm.    i). 

2)  Vgl,  auch  Sansovino  fol.  397  voff. ;  Char  riere  I,  S.  332  ff. 

3)  Sansovino  a.  a.  O. 

4)  Ebenda. 


Solimans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu  Venedig  usw.  381 

Schiffe  bei  Otranto  an  die  Flotte  Pesaros,  der  sich  mit  43  Ga- 
leeren eilig-  nach  Korfu  zurückziehen  wollte,  und  brachten  ihr 
einige  Verluste  bei,  obgleich  der  Capitano  die  Schlacht  nicht 
hatte  annehmen  wollen.  Von  all  diesen  Vorgängen  hatte  man 
natürlich  in  Venedig  keine  Kenntnis;  die  Offiziere  wurden  hart 
bestraft  (der  Argwohn  lag  nahe,  dafs  sie  sich  durch  das  spanische 
Gold  Dorias  hatten  kaufen  lassen).  Das  bedeutete,  trotz  aller 
Entschuldigungen  seitens  Venedigs,  doch  den  Krieg. 

Im  August  1537  sammelten  sich  auf  dem  Festlande,  Korfu 
gegenüber,  zahlreiche  türkische  Truppen  an.  Lutfi-beg  und 
Skender-Pascha  von  Karamanien  waren  ihre  Führer.  Sie  setzten 
mit  30  Geschützen  auf  die  Insel  über  (25.  August)  und  fanden 
ein  venezianisches  Korps  daselbst,  das  einen  offenen  Kampf  an- 
zunehmen vermied.  Auch  die  Wesire  Ajas  und  Mustafa,  der 
Beglerbeg  Rums  und  sogar  der  Aga  der  Janitscharen  sollen  auf 
der  Insel  erschienen  sein;  Anfang  September  kam  der  Sultan 
selbst,  um  Zeuge  der  erhofften  Eroberung  Korfus  zu  werden. 
Aber  ein  Sturm  auf  das  starke  Schlofs  mifslang  vollständig, 
ebenso  ein  zweiter.  Darauf  verliefsen  die  Türken  ihre  Stellung 
bei  Potamo  wieder  (14.  September)  und  gaben  die  aussichtslose 
Unternehmung  auf  ^). 

Aber  in  demselben  Jahre  nahm  der  bosnische  Statthalter 
nach  der  Niederlage  und  dem  Tode  des  in  ungarischem  Sold 
stehenden  Woiwoden  Peter  Crussich  das  starke  dalmatinische 
Klissa,  wie  auch  das  in  venezianischem  Besitze  befindUche  Obrovaz 
und  andere  Schlösser  ein  ^).  Zugleich  wandten  sich  sehr  bedeu- 
tende Land-  und  Seekräfte,  teils,  unter  dem  Sandschak  Kasum, 
gegen  das  venezianische  Morea,  wo  Nauplion  und  Malvasia  dank 
den  Verteidigungsmafsnahmen  Pisanis  vom  September  1537  bis 
in  den  November  1538  Widerstand  leisteten,  teils,  unter  Khair- 
eddin,  gegen  die  Inseln  des  Archipelagus,  die  sich  sämtlich, 
beginnend  mit  Syra,  Stampalia  und  Pathmos,  bis  Naxos,  dem 
Sitze  Johann  Crispos,    des  Herzogs    des  Archipelagus,  ergaben; 


i)  Sansovino  fol.  399;  vgl.  Hammer  II,  S.  141  — 142;  Charri^re  I, 
S.  339 — 340,  35°-  A.m  i.  November  war  Soliman  wieder  in  Konstantinopel; 
Leunclavius  a.  a.  O. 

2)  Istvänffy  lib.   XIII,   im  Anfange. 


383  Zweites  Buch.     Neuntes  Kapitel. 

auf  der  Insel  Agina  hausten  die  Türken  aufs  furchtbarste.  1538 
wurde  auch  Andros  von  ihnen  erobert.  Crispo,  wie  auch  die 
Sommaripa,  die  Pisani,  die  Querini  von  Andros,  Überreste  der  alten 
fränkischen  Herrschaft  im  lateinischen  Kaiserreich  Konstanti- 
nopel '),  wurden  als  türkische  Vasallen  auch  weiterhin  geduldet. 
Crispo  zahlte  5000  Dukaten  jährlichen  Tributs.  In  Dalmatien 
wagte  es  der  Proveditore  Camillo  Orsino  von  Zara,  die  Türken 
in  Scardona,  Ostrovizza  und  Obrovaz  anzugreifen  und  diese 
Schlösser  zu  besetzen  ^) ;  die  Türken  rächten  sich  durch  die  Ein- 
nahme Nadins  und  anderer  Schlösser. 

Unter  recht  traurigen  Verhältnissen  also  schlofs  die  Republik 
am  8.  Februar  1538  mit  dem  Papst  und  Karl  V.  den  Vertrag 
über  eine  Liga  ab,  die  so  grofsartig  wie  lächerlich  erscheint. 
Von  30000  Mann  deutschen  Fufsvolks,  ebensoviel  Spaniern  und 
Italienern,  5000  Reitern,  7000  christHchen  Akindschis  aus  Italien 
und  zahlreicher  Artillerie  ist  darin  die  Rede;  am  i.  März  sollten 
sich  diese  Truppen  in  Otranto  oder  Brindisi  versammeln.  Die 
Streitkräfte  zur  See  werden  auf  200  Galeeren  und  100  Schiffe 
veranschlagt;  Portugal,  das  Ungarn  König  Ferdinands,  vielleicht 
auch  Polen,  Moskowien  und  sogar  Franz  I.,  der  Alliierte  Solimans, 
würden  sich,  nahm  man  an,  dem  am  3.  November  erneuerten 
heiligen  Bunde  anschliefsen.  Da  an  Dorias  und  des  Herzogs 
von  Urbino  Sieg  nicht  gezweifelt  wurde,  so  behielt  sich  Karl 
von  der  Beute  Konstantinopel,  der  Papst  einen  eigenen  Staat  im 
Orient,  der  Grofsmeister  sein  Rhodos  und  Venedig  unter  anderem 
Novi,  Koron  und  Avlona  vor  ^). 

Was  von  all  den  Plänen  verwirklicht  wurde,  war  die  Versamm- 
lung einer  venezianisch-päpstlichen  Flotte  von  81  Schiffen  Vene- 
digs und  13  des  Papstes,  die  dann  nichts  zu  unternehmen  wagte, 
bei  Korfu;  der  Admiral,  Patriarch  Griraani  von  Aquileja,  hatte 
noch  keinen  Sieg  zu  verzeichnen,  als  auch  die  vom  Vizekönig 
Fernando  Gonzaga  von  Neapel,  als  Generalissimus  des  Landheeres, 

i)  Vgl.  über  diese  Eroberung  Hopf  II;  Charrierel,  S.  357. 

2)  Vgl.  auch  Hammer  II,  S.   160 — 161;  Charriere  I,  S.  354. 

3)  „Commemoriali"  VI,  S.  231 — 232,  Nr.  24;  S.  233,  Nr.  29 — 30,32 — 33  usw. 


Soiimans  Feldzüge  in  Europa.     Beziehungen  zu   Venedig  usw.  383 

befehlig-ten  30  Galeeren  des  Kaisers  eintrafen.  Auch  die  noch 
spätere  Ankunft  Dorias  führte  zu  keinem  entscheidenden  Schritt : 
bei  Prevesa  aber  liefen  die  Soldaten  der  Liga  vor  einigen  hundert 
Spahis  davon.  Zweimal,  am  27,  und  28.  September,  traf  das 
Geschwader  bei  Santa -Maura  mit  der  von  Khaireddin  aus  allen 
Piratenkonting-enten  zusammengebrachten  türkischen  Flotte  zu- 
sammen, und  beidemal  zogen  sich  die  Christen  zurück.  Doria 
liefs  die  Venezianer  einfach  im  Stich.  In  der  zweiten  Schlacht 
gingen  sogar  sechs  christliche  Galeeren  verloren,  und  Khaireddin 
verfolgte  die  Fliehenden  bis  nach  Korfu;  sein  Sieg  wurde  auch 
in  Konstantinopel  gefeiert.  Die  Einnahme  Castelnuovos  (Oktober) 
durch  Vincenzo  Capello,  dann  die  Risanos  bei  Cattaro  waren  die 
einzigen  Erfolge  der  Unternehmung.  Sie  waren  den  Venezianern 
zu  verdanken;  die  Spanier  rückten  in  die  schon  eroberten 
Plätze  ein  '). 

Khaireddin  segelte  nach  seinem  Siege  wieder  in  den  Ar- 
chipelagus,  um  die  unglücklichen  Bewohner  der  Inseln  zu  brand- 
schatzen; dieses  Schicksal  traf  Skiathos,  Skyros  (Juni  1538)  und 
das  Scarpantho  der  Cornari.  Auch  vor  Rettimo  und  Kanea  er- 
schienen die  osmanischen  Piraten ;  an  verschiedenen  Stellen 
landeten  sie  an  der  kretischen  Küste.  In  Dalmatien,  wo  der 
Pascha  von  Skutari  einfiel,  war  die  Lage  gleichfalls  unhaltbar, 
obgleich  zahlreiche  deutsche  Truppen  von  Venedig  dorthin  ge- 
schickt waren. 

Durch  die  Bemühungen  Lorenzo  Grittis  kam  es  im  März 
1539  endlich  zu  einem  Waffenstillstand.  Der  achtzigjährige  Pier 
Zeno  machte  sich  nach  Konstantinopel  auf,  um  den  Frieden 
zustande  zu  bringen ;  als  er  unterwegs  starb,  ersetzte  ihn  Tommaso 
Contarini.  Während  der  Unterhandlungen  gingen  Khaireddin 
und  der  Pirat  Tschufud  mit  150  Schiffen,  sowie  der  rumische 
Beglerbeg  Chosrew,  der  frühere  Pascha  von  Bosnien,  gemeinsam 
mit    schwerer    Artillerie     gegen    das    als    spanisch     betrachtete 


i)  Vgl.  weiter  das  Kreuzzugsprojekt  des  in  ungarischem  Dienste  stehenden 
Dalmatiners  Petaucius  in  Schwandtner,  der  auch  von  der  Vereinigung  der 
christlichen  Flotte  in  Brindisi  und  von  der  Eroberung  von  Schlössern  bei  Otianto 
spricht. 


384      Zweites  Buch.     Neuntes  Kapitel.     Solitnans  Feldzüge  in  Europa  usw. 

Castelnuovo  vor  —  aus  Cattaro  erhielten  die  Türken  Lebens- 
mittel — ,  das  sich  tapfer  verteidigte.  Am  lO.  August  aber, 
nach  zwei  siegreich  zurückgeworfenen  Stürmen,  kapitulierte  das 
Schlofs,  und  der  Befehlshaber,  Don  Francisco  de  Sarmiente,  war 
türkischer  Gefangener  ^).  Risano  fiel  wieder  an  die  Türken,  und 
Khaireddin  suchte  für  eigene  Rechnung  auch  Cattaro  heim ;  der 
Perser  Ulama  blieb  als  Befehlshaber  im  fernen  Westen  zurück. 

Was  Contarini,  der  schliefslich  aus  Konstantinopel  verwiesen 
wurde,  nicht  gelang,  versuchte  als  dritter  Gesandter  Luigi  Badoer. 
Drohungen  und  übermäfsige  P'orderungen  von  türkischer  Seite 
brachten  Venedig,  am  2.  Oktober  1540,  endlich  so  weit,  nicht 
nur  in  die  Abtretung  der  verlorenen  Plätze  und  Inseln,  sondern 
auch  Nauplions  und  Malvasias,  als  seiner  letzten  Besitzungen  in 
Morea,  zu  willigen,  und  aufserdem  mufste  es  sich  verpflichten, 
300000  Dukaten  Kriegsentschädigung  binnen  drei  Jahren  zu 
zahlen  ^) ;  nur  Parga  und  die  Insel  Tine  gingen  wieder  in  venezia- 
nischen Besitz  über;  die  Venezianer  sollten  keine  Feinde  des 
Sultans  unterstützen  und  dessen  Vorgehen  gegen  sie  nicht 
hindern  dürfen;  keine  der  beiden  Vertragsmächte  wollte  fortan 
Piraten  in  ihren  Häfen  aufnehmen. 

Ein  schmählicherer  Frieden  war  nicht  denkbar;  einen  gün- 
stigeren konnte  Venedig  nicht  erlangen.  Der  Proveditore  Con- 
tarini ging  mit  einer  Flotte  in  See,  um  die  Besatzungen  und  die 
Bewohner  der  verlorenen  Schlösser,  sowie  das  Kriegsmaterial  an 
Bord  zu  nehmen  (November)  ^).  Kasim-Pascha  verwaltete  von 
nun  an  als  Stellvertreter  des  Sultans  ganz  Morea. 


i)  Richer  in  Sansovino  fol.  402 — 404;  vgl.  Charriere  I,  398  ff.  413, 
Anm.   I. 

2)  „Commemoriali"   VI,    S.    236  ff.,    Nr.    43  —  44;    Charriere    I,    S.  451, 
Anm.    I. 

3)  Siehe  ebenda  S.   238,  Nr.  46 — 47. 


Zehntes  Kapitel. 

Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch  Sultan 

Soliman  II.    Unterwerfung  der  Moldau. 


Im  ersten  Jahre  der  Regierung"  Siütan  SoHmans  herrschte 
an  der  rumänischen  und  serbischen  Donau  Ruhe.  Die  Befürch- 
tungen des  tatenlustigen  jungen  moldauischen  Herrschers  Stephan 
hinsichthch  der  Tataren,  die  über  den  Dnjepr  gegangen  sein 
sollten,  erwiesen  sich  als  ebenso  unbegründet  wie  die  von  dem 
friedlichen,  Klöster  bauenden  Basarab  Neagoe  aus  der  Walachei 
nach  Ungarn  geschickte  Nachricht,  dafs  ,,  der  Kaiser  der  Türken 
Seine  Majestät  anzugreifen  beabsichtige"  ^),  und  Neagoes  An- 
erbieten, dem  bedrohten  Königreich  mit  nicht  weniger  als  40000 
Mann  (!)  Hilfe  zu  leisten,  entbehrte  der  wirklichen  Grundlage  ^). 
Aber  die  Türken  des  bosnischen  Sandschaks ,  der  über  eine 
Heeresmacht  von  800  Spahis  und  lOOOO  Dukaten  Einkünfte 
verfügte,  bedurften  nicht  erst  der  Genehmigung  oder  des  Befehls 
ihres  Kaisers,  um  nach  alter  Gewohnheit  in  die  königlichen  Grenz- 
gebiete einzufallen  und  sich  einiger  Plätze,  darunter  Srebrnicas,  der 
jetzt  nicht  mehr  so  reichen  Silberstadt,  und  sogar  der  bischöflichen 
Stadt  Knin,  aber  nicht  auch  Jaices,  zu  bemächtigen ;  der  Bischof 
Peter  von  Wesprim  fiel  in  einem  Treffen  mit  den  Akindschis  ^). 

Bald  danach  kam,  zu  Anfang  des  Jahres  1521,  die  freudig 
begrüfste  Nachricht  nach  Ungarn ,  dafs  Soliman ,    der  einen  Ge- 

i)  ,.Imperatorem  Cesarem  Turcorum  [in]   Suam  Maiestatem    movere    se    velle 
intelleximus";   Brief  vom   26.   April   15  20;  Kronstädter  Archiv,   Fronius  I,   Nr.  276. 

2)  Ebenda;  vgl.   Hurmuzaki  11^,   S.   332;    Acta  Tomiciana  V,   S.    272. 

3)  Istvänffy  S.  58  —  59.     Über  die  Zustände  in  Bosnien  Menavino  fol.  50. 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II,  20 


386  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

sandten  nach  Ungarn  geschickt  hatte ,  gestorben  sei  ').  Hier- 
durch ermutigt,  hielt  der  im  Grunde  schwache,  aber  von  leiden- 
schafthchen  Impulsen  bewegte  König  Ludwig,  der,  nur  ,,  dem 
Namen  nach ",  damals  regierte  ^),  den  Gesandten  hin ,  statt  ihm 
die  in  Konstantinopel  erwartete  Antwort  zu  erteilen,  dafs  Ungarn 
Tribut  zu  zahlen  bereit  sei. 

Von  den  Wesiren  befürwortete  Piri  den  Krieg,  und  keinen 
seiner  Kollegen  hatten  Schmeicheleien  und  Geschenke  für  die 
Interessen  Ungarns  eingenommen:  es  wurden  also  Vorbereitungen 
zu  einem  Zuge  des  Sultans  an  die  Donau  getroffen.  Der  mol- 
dauische Fürst,  dem  die  Tataren  das  Leben  schwer  machten,  so 
dafs  er  seine  Bojaren  und  Bauern  zweimal  in  diesem  Jahre  zur 
Abwehr  aufbieten  niufste,  argwöhnte,  dafs  der  Schlag  ihm  gelten 
solle,  und  schrieb  in  diesem  Sinne  nach  Polen,  wo  der  russische 
Herzog  Konstantin  Streitkräfte  zur  Verteidigung  der  Grenzpro- 
vinzen sammelte  ^).  Im  Juni  und  Juli  —  der  Sultan  hatte  im 
Mai  seinen  Marsch  angetreten  *)  —  erwarteten  die  Siebenbürger 
einen  Einfall  der  Osmanen,  die  unter  Mehemed-beg,  dem  Sohne 
Ali  Michaloglis,  und  vier  anderen  Begs  an  der  Donau  standen. 
Der  Woiwode  Johann  Zapolya,  der  mächtigste  aller  Reichsbarone,, 
berief  zu  Ende  Juli  alle  Kontingente  in  seine  Lager  von  Szäsz- 
Sebes  ^),  und  der  König  versprach  seinen  treuen  Bürgern  an  der 
walachischen  Grenze  rechtzeitige  Hilfe  •").  Der  Bischof  von  Bres- 
lau begab  sich  zum  polnischen  König,  um  von  ihm,  als  einem 
Verwandten  Ludwigs,  Unterstützung  in  schwerer  Stunde  zu 
verlangen  ^). 

Inzwischen  ging  den  Fürsten  der  Moldau  und  Walachei  des 
Sultans  Befehl  zu,  gegen  Siebenbürgen  zu  rüsten;  jener,  aus  Kon- 


i)  Brief  des  königlichen  Kanzlers  an  die  Kronstädter;  8.  Januar  1521  ;  Kron- 
städter Archiv,  Schnell  II,  62. 

2)  Gi  o  vio  fol.   240. 

3)  Hurmuzaki  11",  S.  357— 35S,  Nr.   251;  S.  359,  Nr.   253. 

4)  Tagebuch  in  Hammer  III,  Anhang.     Am  9.  Juni  war  er  in  Philippopolis,. 
am   16.  in  Sofia. 

5)  Brief  des  Woiwoden,  26.  Juli  152I;   Kronstädter  Archiv,  Fronius  I,  I49. 

6)  Brief  vom  29.  Juni;   ebenda,  Urk.  360.     Siehe  auch  einen  Brief  des  Schlofs- 
hauptraanns  von  Gran  an  die  Kronstädter,  Juni;  ebenda,  Schnell  II,   166. 

7)  flurmuzakiXI,  S.   2 — 3,  Nr.   3. 


Venuchtung  des  Königreichs  Ungarn  durch   Sultan   Soliman  II.  usw.       387 

stantinopel  über  alles  gut  unterrichtet,  entzog-  sich  der  Verpflich- 
tung, indem  er  sich  die  Verzeihung-  des  Grofsherrn  durch  ein 
reiches  Geschenk  von  60000  Aspern  und  500  Wiehern,  nebst 
kostbaren  Stoffen  erkaufte  ').  Sein  walachischer  Nachbar  lag  im 
Sterben;  einer  seiner  Bojaren  schrieb  nach  Kronstadt  —  es  ist 
dies  der  erste  bekannte  Brief  in  rumänischer  Sprache  — ,  dafs  der 
Sultan  bis  Sofia  gedrungen  sei,  diese  Stadt  schon  verlassen  habe, 
eine  Flotte  auf  der  Donau  liege,  ein  ,,konstantinopolitanischer 
Meister"  sich  anheischig  mache,  sie  auch  durch  die  Felsen  des 
Eisernen  Tores  bei  Severin  zu  bringen,  und  Mehemed-beg,  vor 
dem  der  kranke  Basarab  zittre ,  durch  die  Walachei  in  Sie- 
benbürgen eindringen  wolle  '■').  Noch  im  August  aber  wufste  der 
siebenbürgische  Vizevvoiwode  nichts  von  dem  Vorhaben  des 
Kaisers  ^). 

Und  doch  war  Schabatz,  um  das  in  den  Tagen  des  grofsen 
Königs  Matthias  oftmals  von  Ungarn  und  Türken  so  hart  ge- 
stritten worden  war,  wahrscheinlich  am  6.  Juli  ^)  schon  in  die 
Hände  des  Wesirs  Achmed  gefallen,  der  am  27.  Juni  das  kai- 
serliche Lager  verlassen  hatte  ^);  die  christliche  Besatzung,  die 
aus  einigen  hundert  Ungarn  und  serbischen  Söldlingen  bestand, 
hatte  vergebens  heftigen,  an  Heroismus  grenzenden  Widerstand 
geleistet.  Soliman,  der  zwei  Tage  darauf  Schabatz  besichtigte, 
ordnete  die  Ausführung  neuer  Befestigungen  und  die  Erbauung 
einer  Brücke  über  die  Save  an  '').  Ebenso  wurde  ohne  grofse 
Opfer  am  12.  Juli  die  andere  Grenzfestung  Semlin,  Belgrad  gegen- 
über, durch  Chosrew-beg  von  Semendria  im  Namen  des  Wesirs 
Piri  eingenommen  ^). 

i)  Aussage  des  moldauischen  Gesandten  in  Polen,  Hurmuzaki  II'',  S.  708 flf.; 
vgl.  ebenda  XI  a.  a.  O. 

2)  Der  Brief  in  Hurmuzaki  XI ,    S.  843,    Anm.    i;    Jorga,    Bra^ovul    §i 
Rominii,  S.   283 — 284  u.  a. 

3)  Brief  vom  S.August  an  die  Kronstädter;   Kronstädter  Archiv,  Fronius  I,  228. 

4)  Die  Nachricht  und  hundert  Köpfe  der  V'erteidiger  gelangten  am   7.-8.  ins 
Lager ;  ebenda. 

5)  Solimans  Tagebuch  a.  a.  O. 

6)  Solimans  Tagebuch  a.  a.  O. 

7)  Vgl.  die  ungarischen  Quellen  Istvdnffy  und  Tubero  in  Schwandtner 
mit  Leunclavius;  Hurmuzaki  IP,  S.  364,  365 — 366,  Nr.   258. 

25* 


388  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

Belgrad  war  auf  eine  längere  Verteidig-ung-  nicht  vorbereitet. 
Während  Piri-Pascha  dann  nach  Belg^rad  weiter  marschierte,  ver- 
heerten Behram-beg-  von  Nikopolis  und  Mehemed  von  Silistrien 
an  der  Spitze  der  Akindschis  die  syrmische  Insel  und  nahmen 
den  Führer  der  ungarischen  Martolodschen ,  den  Serben  Deli- 
Marco,  der  einen  Verwandten  des  tatarischen  Khans  getötet  hatte, 
gefangen  ^).  Hassan-beg,  ein  Sohn  Omars,  aus  dem  Geschlechte 
der  Turakhanoglis ,  und  Bali-beg,  der  Sohn  des  Wesirs  Jahja, 
waren  in  anderen  Richtimgen  erfolgreich  nach  Beute  und  Sklaven 
ausgeritten  ^).  Die  Hauptleute,  die  die  Stadt  als  unabhängigen 
Besitz  betrachteten  und  dem  König  trotzten  ^) ,  waren  an  den 
königlichen  Hof  beschieden  worden  und  sie  konnten  mit  den 
angesammelten  Streitkräften  nicht  mehr  ins  Schlofs  gelangen. 
Denn  schon  war  dieses,  das  die  glorreiche  Erinnerung  an  einen 
Johann  Hunyady  und  Capistrano  verkörperte,  von  der  türkischen 
Hauptmacht  unter  dem  Sultan  selbst  eingeschlossen  worden.  Os- 
manische  Heeresabteilungen  nahmen,  ohne  auf  Feinde  zu  treffen, 
die  mehr  oder  weniger  befestigten  Nachbarortschaften,  wie  Salan- 
kemen,  Titel,  Peterwardein,  in  Besitz  und  versuchten  sich  sogar 
Severins  zu  bemächtigen. 

Zwar  kam  der  kranke  König  von  Ofen  bis  Teten,  wo  er 
sich  am  26.  Juli  befand,  aber  das  auf  dem  Reichstage  von  Ofen 
beschlossene  Heer  wollte  sich  nicht  unter  seinen  Fahnen  einfin- 
den ;  der  Palatinus,  Stephan  Bäthory,  der  Sohn  des  Andreas  und 
Neffe  des  unter  König  Matthias  bekannten  Verteidigers  von  Sie- 
benbürgen gegen  die  Osmanen,  schlug  sein  Lager  beim  Dorfe 
Zenta  auf,  ohne  von  da  aus  weitere  Bewegungen  machen  zu 
können;  andere  Truppen  sammelten  sich  in  Tolna;  vom  König 
Ferdinand ,  dem  Schwager  Ludwigs ,  erwartete  man  deutsches 
Fufsvolk  und  Geschütze  *).  Darauf  beschränkten  sich  alle  An- 
strengungen der  Ungarn,  um  den  wichtigen  Schlüssel  der  Donau- 
linie, der  den  Weg  nach  Ofen,  wo  Selim  eine  Moschee  zu  bauen 
versprochen  hatte,  öffnete  oder  sperrte,  in  der  Hand  zu  behalten. 

i)   Solimans  Tagebuch   a.   a.   O. 

2)  Ebenda. 

3)  Verancius,  Mon.  Hung.  Hist,  Scriptores  II,  S.    13  ff. 

4)  Hurmuzaki  n\  S.   365—366,  Nr.    258. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   Soliman   II.   usw.      389 

Niemals    sank  ein  Staat   schneller    dem    endgültigen  Untergange 
entgegen  als  hier. 

Am  I.  August  war  Soliman  mit  Mustafa -Pascha  und  Ach- 
med-Pascha, nebst  dem  Aga  der  Janitscharen ,  vor  Belgrad  an- 
gelangt. Eine  mit  500  Janitscharen  bemannte  Flottille  auf  der 
Donau  verlegte  den  Feinden ,  die  übrigens  nur  geringe  Lust 
hatten ,  ihn  anzutreten ,  den  Weg  in  die  Stadt.  Ein  Turm  am 
Ufer  des  Flusses  wurde  am  4.  in  Brand  gesteckt  —  und  am  S. 
erfolgte  von  drei  Seiten  her  der  grofse  Sturm  der  drei  Paschas 
und  führte  schnell  zum  Ziele.  Die  Serben,  die  ihre  ungarischen 
Herren  hafsten,  zündeten  die  Stadt  an;  die  am  Leben  gebliebe- 
nen Verteidiger  retteten  sich  ins  Schlofs  *).  Ein  neuer  Sturm 
Achmed-Paschas  galt  dann  dem  von  einigen  hundert  Ungarn 
verteidigten  Schlosse;  er  mifslang,  und  die  Angreifer  mufsten 
sich  zurückziehen  (16).  Nach  neun  Tagen  suchten  die  Belagerten 
um  eine  ehrenvolle  Kapitulation  nach,  die  ihnen  verweigert  wurde ; 
am  26. /27  schlugen  ein  driiter  und  vierter  Sturm  fehl,  und  die 
Verluste  in  den  Reihen  der  Osmanen,  zu  denen  noch  Janitscharen 
aus  Diarbekr  und  die  Leute  Uweis-begs ,  des  Sohnes  Schach- 
suwars,  gestofsen  waren,  erwiesen  sich  als  recht  bedeutend.  In- 
folgedessen nahmen  die  Verhandlungen  mit  den  Christen  ihren 
Fortgang,  und  am  28.  küfsten  zwei  Ungläubige  aus  Belgrad  die 
Hand  des  Sultans  und  versprachen  die  Übergabe  für  den  fol- 
genden Tag.  In  der  Tat  erschien  am  29.  der  Befehlshaber  ^) 
vor  dem  Sultan,  und  türkische  Musik  verkündete  den  Sieg.  Am 
30,  verrichtete  Soliman  sein  Gebet  in  einer  der  neuen  Moscheen. 
Die  Ungarn  wurden  entweder  getötet  oder  nach  Salankemen  über- 
geführt, die  Serben  nach  Konstantinopel  geschickt,  und  Balibeg, 
der  Sohn  Jahjas,  blieb  in  Belgrad  und  Semendria  als  Sand- 
schak  mit  einem  Einkommen  von  900000  Aspern  zurück.  Die 
türkischen  Plätze  an  der  Donau  erhielten  Geschütze ,    um  jedem 


i)  über  die  serbisch-ungarischen  Zwistigkeiten  berichtet  der  ungarische  Chronist 
Brutus  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts;  von  Engel,  Gesch.  von  Serwien, 
S.   455,  zitiert;  Ausgabe  in  den  „Mon.   Hung.  Hist.",   Scriptores  XII — IV. 

2)  Die  drei  Stellvertreter  der  Bane  Franz  Hederväry  und  Valentin  Török 
■waren  Michael  More,  Blasius  Oläh  und  Johann  Bathory  ;  F  e  fs  1  er  -  Kl  e  i  11  III, 
S.  329.     More  übergab  das  Schlofs. 


390  Zweites   Buch.     Zehntes   Kapitel. 

Angriffe  widerstehen  zu  können:  Schabatz  20,  Semendrien  50, 
Belgrad  selbst  200.  Am  19.  Oktober  befand  sich  Soliman  wie- 
der in  Konstantinopel ;  seine  Freude  über  den  grofsen  und  leichten 
Sieg  wurde  durch  die  Trauer  über  den  Tod  seines  Sohnes  Mu- 
rad  und  einer  Tochter  getrübt  ^).  Er  hatte  die  Reliquien  der 
Heiligen  Paraskeve  (Petka,  Veneranda),  die  später  von  dem  mol- 
dauischen Fürsten  Vasile  Lupu  in  die  Kirche  der  drei  Hierar- 
chen in  Jassy  übergeführt  wurden,  wo  sie  noch  heute  sind,  und 
die  der  Heiligen  Barbara,  sowie  ein  berühmtes  Bild  der  Mutter 
Gottes  mitgebracht  und  liefs  sie  sich  vom  griechischen  Patriarchen 
mit  12000  Dukaten  abkaufen  2). 

Der  durch  die  Einnahme  Belgrads  stark  befestigten  Stellung- 
der  Türken  an  der  Donau  gereichten  die  in  den  Jahren  1521 
und  1522  in  der  Walachei  eintretenden  Verhältnisse  zur  weiteren 
Sicherung.  Im  September,  als  der  Sultan  sich  noch  in  Belgrad 
befand,  starb  Fürst  Neagoe  tmd  hinterJiefs  einen  unmündigen 
Sohn,  unter  der  Vormundschaft  seiner  Gemahlin  Milita  und  sei- 
nes Bruders  Preda.  Der  Sultan  betraute  Mehemed-beg-  mit  der 
Regelung  der  Erbschaft.  Als  Preda  im  Kampfe  mit  den  Bojaren 
vonBuzäü,  die  einen  neuen  Fürsten,  Vlad,  einsetzen  wollten,  den  Tod 
fand,  war  Mehemed  Herr  des  Landes.  Im  Oktober  besiegte  und 
tötete  er  Vlad  und  machte  sog^leich  mit  Türken  und  Rumänen 
einen  Einfall  nach  Siebenbürgen,  ins  Szeklerland.  Darauf  riefen 
die  Bojaren  der  östlichen  Walachei  Radu  aus  dem  Dorfe  Afu- 
matl  zu  ihrem  Herrscher  aus,  und  das  Land  fiel  dem  jungen, 
tüchtigen  und  tapferen  Fürsten  zu ;  Mehemed  schickte  den  Für- 
sten Teodosie  mit  aller  Habe  und  nicht  weniger  als  32  Geschützen, 
angeblich  zu  seiner  Sicherheit,  nach  Nikopolis  ^). 

Das  ganze  Jahr  1522  hindurch  dauerte  der  Kampf  zwischen 


i)  Die  ganze  Erzählung  nach  dem  Tagebuche  Solimans,  dem  gegenüber  die 
ungarischen  Chroniken  —  Istvanflfy,  Verancius,  Brutus,  Georgius  Sirmiensis 
(„Mon.  Hung.  Hist.",  Script.  I)  und  Tubero  —  nur  geringeren  Wert  haben  können. 

2)  Spandugino  fol.  204 ff. 

3)  Vgl.  „Studii  §i  documente"  III,  S.  XL\Tff.,  besonders  auch  die  Erzählung 
des  moldauischen  Gesandten  in  Polen,  Hurmuzakill^  und  den  Brief  König 
Ludwigs  ebenda,  S.   373 — 375,  Nr.   264. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch  Sultan  Soliman  U.  usw.         391 

Mehemed  und  Radu  um  den  Besitz  des  vvalachischen  Fürsten- 
tums; das  Grabmal  des  ersteren,  auf  dem  er  g^ekrönt  und 
beritten,  mit  dem  Buzdug-an  in  der  Hand  und  im  Winde  fliegen- 
den Mantel  dargestellt  wird,  spricht  von  Siegen  und  Niederlagen, 
bei  Gubavl,  Stefeni  am  Flusse  Neajlov,  nicht  weit  von  der  Donau, 
bei  Clejanl,  Ciocänesti,  bei  der  Landeshauptstadt  Bukarest  und 
der  alten  Hauptstadt  Tirgoviste ,  am  Flusse  Argesel  im  Norden, 
beim  Dorfe  Plata  und  bei  Alimänestl  im  Distrikte  Teleorman 
gegen  den  Oltflufs  hin.  Mehemed  drängte  ihn,  noch  im  Winter, 
von  der  Donau  bis  zu  den  Karpathenpässen,  und  der  Besiegte 
suchte  in  Siebenbürgen  Schutz.  Von  dort  kam  er  im  Juni  mit 
siebenbürgischer  Hilfe  zurück.  ,,Das  kürzeste  und  schwerste" 
Treffen  fand  bei  Grumazi  statt,  Radu  siegte,  drang  bis  zur  Donau, 
und  seine  Reiter  erschienen  sogar  auf  dem  bulgarischen  Ufer, 
wo  sie  einige  Dörfer  verbrannten;  bsi  Swischtow  und  Nikopolis  er- 
folgten weitere  kleine  Treffen. 

Nach  einigen  Wochen  aber  mufste  Radu,  bei  Gherghita,  einer 
alten  Fürstenresidenz  aus  dem  15.  Jahrhundert,  bei  Bukarest  und 
im  Westen  bei  Slatina  geschlagen,  im  August,  nachdem  ihm  die 
Bauern  beim  Schlosse  Poienari  im  Gebirge  aufgelauert  und  eine 
empfindliche  Schlappe  beigebracht  hatten,  wieder  über  die  Kar- 
pathen  fliehen.  Darauf  griff  der  Woiwode  Johann  Zäpolya  in  den 
Kampf  ein ,  um  im  Interesse  seiner  Provinz  und  des  ganzen 
Reiches  die  Walachei  von  den  Donautürken  zu  befreien ,  und 
warf  diese  bis  PitestI  zurück,  so  dafs  Mehemed  das  Land  ver- 
lassen mufste. 

Im  Winter  1523  aber  sind  wieder  die  Türken  und  die  mit 
ihnen  im  Bunde  stehenden  walachischen  Bojaren  die  Herren. 
Wiederum  sieht  sich  Radu,  der  Vertreter  der  christlichen  Inter- 
essen, zur  Flucht  gezwungen,  wiederum  kehrt  er  bald  zurück. 
Die  Pforte  verzichtet  endlich  auf  die  Absicht,  Mehemed-beg  als 
kaiserlichen  Statthalter  der  Walachei  aufzunötigen,  und  findet  in 
Vladislav  unter  den  türkenfreundlichen  Prätendenten  einen  Fürsten 
aus  der  alten  Dynastie.  Vor  diesem  geht  Radu  im  April  1523 
wieder  über  das  Gebirge  zurück.  Als  Vladislav  von  rebellischen 
Grofsen,  die  dem  Bojaren  Bädica  als  neuem  Radu-Vodä  huldigen, 
besiegt  wird,  stellt  sich  eine  Schar  Türken,  unter  dem  Vorwande 


393  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

ihm  die  Bestätig-ungszeichen  des  Sultans  zu  überbringen,  bei  dem 
Sieger  ein,  und  unter  ihren  Streichen  endet  seine  kurze  Herr- 
lichkeit und  sein  Leben.  Der  andere  Radu,  der  schon  bis  Tirgo- 
viste  gedrungen  war,  mufs,  von  den  Türken  Vladislavs  verfolgt, 
der  Walachei  aufs  neue  den  Rücken  kehren.  Aber  die  Anarchie 
nimmt  in  dem  unglücklichen  Lande  kein  Ende,  bis  die  Türken 
selbst  einsehen,  dafs  Radu  der  allein  mögliche  Herrscher  ist. 
So  werden  denn  beide  Fürsten  zur  Pforte  beschieden  und  Vla- 
dislav  verbleibt  daselbst  als  Mazul ,  während  Radu  de  la  Afu- 
mati  mit  Unterstützung  des  mächtigen  Balibeg  von  Belgrad  eine 
friedliche  Regierung  beginnt.  Aber  erst  im  Laufe  des  Jahres 
1525  gelangt  der  Streit  um  den  Thron  durch  eine  Empörung- 
gegen  den  wieder  zurückgekehrten  Vladislav  und  seine  Ermor- 
dung zum  Austrag  *). 

In  den  Jahren  1523 — 24  war  König  Ludwig  auf  einen  neuen 
Schlag  gegen  sein  in  anarchischem  Wirrwarr  befindliches  König- 
reich gefafst,  und  die  Polen  sahen  mit  gleicher  Sorge  die  An- 
sammlung türkischer  Scharen  im  Gebiet  von  Kili  und  Akkerman^). 
Dazu  kam,  dafs  ein  neuer  Khan  verdächtige  Pläne  zu  nähren  schien : 
Tataren  raubten  1523  bis  nach  Przemysl  hin,  und  Herzog-  Kon- 
stantin vermochte  ihnen  die  Beute  nicht  zu  entreifsen  ^).  1524 
drangen  andere  wieder  bis  Krakau  und  entgingen  dem  sie  ver- 
folgenden Palatin  *).  Auch  hatte  der  moldauische  Fürst  seine 
guten  Beziehungen  zu  Polen  abgebrochen.  Dagegen  erhielt 
Stephan  1523  von  König  Ludwig  1000  Gulden  als  Unterstützung- 
bei  einem  künftigen  Zusammenstofs  mit  den  Donautürken,  den 
er  freilich  klug  zu  vermeiden  wufste,  indem  er  durch  Geschenke 
in  Konstantinopel  die  Entfernung  seines  entschiedenen  Feindes, 
des    Begs    von    Silistrien,    durchsetzte  °).     Das    im    Herbst    1525 


i)  Vgl.  „Studii  §i  doc."  III,  S.  XLViff. ;  ebenda  VI,  S.  593  ff. ;  meine  „In- 
scrip^ii  diu  bisericile  Romäniei"  I,  S.  148  ff. ;  „Indreptän  ^i  intregiri",  S.  29ff., 
nach  unedierten  Kronstädter  Akten. 

2)  Meine  ,,Chilia  §i  Cetatea-Alba"  S.    183. 

3)  Hurmuzaki  II*,  S.  459 — 460,  Nr.  316;  vgl.  XI,  S.  3,  Nr.  iv. 

4)  Ebenda  H^,  S.  479  ff- 

5)  Kronstädter  Archiv,  Schnell  II,  70;  Hurmnzaki  IP,  S.  716 ff. :  die 
Ausführungen  des  moldauischen  Gesandten  in  Polen. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   Soliman  II.   usw.        393 

verbreitete  Gerücht,  dafs  die  Türken  an  der  Donau  einen  Angriff 
des  Königs  gewärtigten  und  die  Pforte  Frieden  mit  ihm  wünsche, 
erwies  sich  als  Erdichtung  *) ;  im  JuU  ritten  die  Bosnier  wieder 
tief  ins  Herzogtum  Österreich  hinein  und  schleppten  3000  Sklaven 
fort  ^). 

Für  das  Jahr  1524  traf  man  in  allen  Grenzprovinzen  wenigstens 
einige  Verteidigungsmafsnahmen.  So  in  Dalmatien,  wo  die  Türken 
dennoch  Skardona  ^)  und  Ostrowitza  überrumpelten,  in  Segna,  in 
Syrmien,  wo  der  Erzbischof  Paul  Thomory  über  einige  tausend 
Aldndschis  einen  Sieg  errang,  der  von  seinen  Landsleuten  un- 
geheuerlich übertrieben  wurde  und  damit  zu  der  Verblendung, 
die  die  Katastrophe  von  Mohäcs  herbeiführte,  wesentlich  beitrug"*), 
in  Bosnien,  wo  das  wieder  angegriffene  Jaice  eine  stärkere  Be- 
satzung erhielt;  der  Beg  von  Skardona  stellte  sich  sogar  vor 
Klissa  ein.  Auch  die  Donaulinie  wurde  nicht  vergessen.  In  Se- 
verin  zog  ein  neuer  Burghauptmann,  Johann  Kallay,  ein,  und  die 
Sachsen  erhielten  Weisung,  das  Schlofs  in  besseren  Zustand 
zu  setzen  ^).  Bereits  1521  hatte  ein  Reichstag  zu  Ofen  für  alle 
Stände  des  Reiches  Kontributionen  festgesetzt,  die  mehr  als 
45  000  Dukaten  brachten  *>) ;  der  Papst  hatte  3000  Dukaten  ge- 
schickt und  Venedig  leistete  regelmäfsig  die  seit  einem  halben 
Jahrhundert  üblichen  Subsidien. 

Als  Balibeg  sich  im  August  gegen  Severin  (das  Szöreny 
der  Ungarn)  wandte  und  nahe  dem  Schlosse  ein  anderes  erbaute, 
um  daraus  die  Ungarn  zu  beschiefsen,  sammelten  sich  wirklich 
einige  Reichstruppen  unter  dem  Grafen  von  Temesvär  und  Peter 
Pereny,  denen  sich  Kontingente  einiger  hoher  Kleriker  an- 
schlössen ;  und  der  Woiwode  Zapolya  schlug  sein  Lager  in 
Lippa  (Lipova)  auf,   während  zwei  Vizewoiwoden  ihn  in  Sieben- 


i)  Venezianischer  Bericht  vom   20.   Oktober    1523;     »Capi  Consiglio   X". 

2)  Bericht  vom  8.  Dezember   1523;  ebenda  „Dalmazia". 

3)  Siehe  neuntes  Kapitel,  za  Ende, 

4)  Istvdnffy    z.   J.    1522;    besonders    Georg  ins    Sirmiensis,    S.    106  ff. 
Vgl.  Fefsler-Klein  IE,  S.  339. 

5)  Hurmuzaki  11^,  S.  404 — 405,  471  ff. 

6)  Ebenda  S.   371  ff.;  Fefsler-Klein  III,   S.   331  ff. 


394  Zweites  Bach.     Zehntes   Kapitel. 

bürgen  vertraten  ^).  Man  fand  aber  nicht  den  Mut,  bis  Severin 
zu  dringen,  und  Balibeg  nahm  das  Schlofs  fast  unter  den  Augen 
des  ohnmächtigen  Entsatzheeres  und  zerstörte  es  auf  Weisung 
aus  Konstantinopel  ^).  Darauf  eroberte  der  tüchtige  Belgrader 
Sandschak  noch  Orsova;  auch  vor  der  Bischofstadt  Pecs  oder 
Fünfkirchen  erschienen  die  Janitscharen,  mufsten  aber  unver- 
richteter  Sache  wieder  abziehen  ^). 

1525  schlofs  der  polnische  König  einen  neuen  Frieden  mit 
dem  Sultan  ab;  Ungarn  war  nicht  darin  einbegriffen,  weil  die 
Türken  eine  eigene  Gesandtschaft  Ludwigs  II.  forderten,  die 
dieser,  weil  er  den  Gesandten  Solimans  getötet  hatte  und  gleiches 
für  den  seinigen  fürchten  mufste,  nicht  schicken  konnte  *).  Daher 
glaubte  man,  als  Soliman  sich  im  August  nach  Adrianopel  begab, 
um  hier  mit  einem  wahren  Heer  von  Jägern  grofse  Jagden  ab- 
zuhalten, dafs  es  um  Ungarn  geschehen  sei  ^).  Aber  der  schon 
als  geschehen  gemeldete  Übergang  der  Türken  über  die  Donau 
erfolgte  nicht  ^).  Nur  in  Bosnien  griff  der  neue  Pascha,  während 
die  Akindschis  bis  Agram  hin  raubten,  die  feste  Stadt  Jaice,  die 
Erbschaft  des  grofsen  Königs  Matthias  an;  Balibeg  und  der 
Sandschak  von  Monastir  waren  mit  vielen  Geschützen  eben- 
falls im  osmanischen  Lager.  Ende  Oktober  erwarteten  die  Be- 
lagerten den  Grafen  Christoph  von  Frangepani,  der  zum  Ban  von 
Kroatiens  ernannt  worden  war;  er  brachte  von  den  erhofften 
5000  Büchsenschützen,  5000  Reitern  und  500  Gendarmen 
wenigstens  so  viele  mit,  dafs  die  Türken  sich  vor  ihm  zurück- 
ziehen mufsten  ').     Die  ungarischen  Quellen  erzählen  von  Waffen 


i)  Hurmuzaki  IP,  S.  477 — 478,  Nr.  333. 

2)  Ebenda  11^  a.  a.  O. ;  der  venezianische  Bailo  schreibt  im  August  1525, 
dafs  „la  forteza  di  S.  Severin  .  . .,  ut  fertur,  de  importantia  non  manco  di  Bel- 
grado"  sei;  „Missive  e  responsive"   1524 — 1527. 

3)  Ebenda  S.  404 — 405,  517. 

4)  Hurmuzaki  U,  S.   29 — 30,  Nr.   xxxn;  IP,  S.   503  ff. 

5)  „Missive  e  responsive"   1524 — 1527. 

6)  Vgl.  Hurmuzaki  II»,  S.  490». 

7)  Vgl.  die  venezianischen  Berichte  aus  Zara  vom  20.  August  und  26.  Ok- 
tober  1525;  „Capi  Consiglio  X,  Dalmazia ". 


Vernichtung  des   Königreichs  Ungarn  durch   Sultan  Soliraan   II.  usw.       395 

und  Fahnen,  die  im  bosnisch-serbischen  Lager  erbeutet  worden 
seien  *). 

Der  Feldzug-  Solimans  im  Jahre  1526  sollte  die  Rechnung- 
bald  entscheidend  ändern. 

Schon  im  Februar  wufste  der  moldauische  Fürst,  dafs  der 
Sultan  sich  gegen  Ungarn  zu  wendun  gedenke  2),  und  in  der 
Fastenzeit  erlangten  die  Siebenbürger  die  Gewifsheit,  dafs  Soliman 
auch  ihr  Land  angreifen  werde;  in  Peter  Off,  der  die  kleine 
Besatzung  des  walachischen  Bergschlosses  Poienari  befehligte, 
hatte  der  Woiwode  Zäpolya  einen  sicheren  Kundschafter  ^).  Er 
suchte  den  in  Familienangelegenheiten  zwischen  den  F'ürsten 
Stephan  und  Radu  —  den  letzteren  unterstützten  Donautürken*)  — 
ausgebrochenen  Krieg  unverzüglich  beizulegen^),  und  sein  Be- 
mühen hatte  Erfolg.  Als  dann  die  Kamele  mit  Material  zur  Er- 
bauung der  Brücke  über  die  Save  bei  Belgrad  ankamen  und  ganz 
offen  in  Nikopolis  und  an  allen  anderen  Donauübergängen  eif- 
rige Vorbereitungen  für  den  Krieg  getroffen  wurden,  konnte  das 
Projekt   Solimans  für   niemand  mehr  ein   Geheimnis  bleiben  ^). 

Es  wäre  ungerecht,  dem  ungarischen  Hofe  alles  Verständnis 
für  die  bevorstehende  Gefahr  abzusprechen.  Den  gewöhnlichen 
königlichen  Missiven  an  alle  Machthaber  des  katholischen  Westens 
—  an  den  benachbarten  rumänischen  Fürsten  einen  Gesandten 
zu  schicken,  versäumte  Ludwig  aus  Verachtung,  und  doch  hätte 
einen  Bund  der  Donaustaaten  zustande  zu  bringen  am  meisten 
not  getan  — ,  den  selbstverständlichen  Ermahnungen  an  die 
Böhmen  und  Schlesier,  die  zwar  Untertanen  des  Königs,  aber 
zu  kriegerischer  Unterstützung  gegen  die  Feinde  Ungarns  nicht 
verpflichtet  waren,  gingen  weitere  Mafsnahmen  parallel.  Der 
Befehlshaber  in  Syrmien,  Paul  Thomory,  in  dem  die  ungarischen 
Grofsen  einen  Helden  und  vorzüglichen  Kenner  der  türkischen 
Verhältnisse  erblickten,  wurde  an  den  Hof  in  Visegräd  berufen  (März), 

i)  Is  tvan  f  fy    z.  J. 

2)  Hurmuzaki  II ",  S.  519,  Nr.  ccCLXI.    Vgl.  auch  S.  520  ff.,  522,  Nr.  cccLXn. 

3)  Archiv  von  Kronstadt,  Schnell  III,   72,   75. 

4)  Hurmuzaki  II,  S.   30 — 31,  Nr.  xxxni. 

5)  Ebenda  XI,  S.  324.  Nr.  v.  6)  Ebenda  II»,  S.   525  fr. 


396  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

um  Über  die  ihm  zufallende  Aufgabe  unterrichtet  zu  werden.  Ein  auf 
den  Tag-  des  Heiligen  Georg  einberufener  Reichstag  beschäftigte 
sich  freilich  nur  wenig  mit  der  Verteidigung  des  Vaterlandes; 
man  begnügte  sich,  die  Banderien  und  Bauern  zum  i.  Juli  nach 
Tolna  zusammenzurufen,  und  im  übrigen  zankten  sich  mehrere 
Wochen  hindurch,  die  wahrlich  nicht  hätten  verloren  werden 
dürfen,  Mitglieder  des  Adels  und  Günstlinge  des  Hofes,  Partei- 
gänger Zäpolyas  und  Verböczys  auf  der  einen,  und  Bäthorys 
auf  der  anderen  Seite,  vor  den  fremden  Gesandten,  die  mit  Ent- 
rüstung solchen  Szenen  zuschauten,  über  die  Entfernung  der 
Deutschen  aus  dem  Gefolge  der  Königin,  schlechte  Verwendung 
der  Reichseinkünfte,  die  man  öffentlich  dem  König  vorzuwerfen 
sich  nicht  scheute,  über  die  Person  des  zu  ernennenden  Palatins 
und  das  königliche  Recht,  Ungarn  allein  oder  durch  einen 
oder  zwei  Hauptleute  zu  verteidigen.  Erst  am  9.  Mai  schlofs 
der  Reichstag  endlich  seine  Sitzungen,  und  einer  der  Gesandten 
fafste  das,  was  er  gesehen  hatte,  in  den  Eindruck  zusammen, 
dafs  der  Papst,  wenn  der  Sultan  dieses  Reich  überhaupt  angreifen 
wolle,  auch  Ungarn  getrost  den  schon  verlorenen  christlichen 
Ländern  zurechnen  möge  ^). 

Dem  König  lag  also  die  Last,  den  verantwortungsvollen 
Krieg  gegen  die  Osmanen  durchzuführen,  allein  ob,  um  so  mehr, 
als  die  erwählten  Hauptleute,  Christoph  von  Frangepani,  den 
sein  Erfolg  bei  Jaice  hochmütig  gemacht  hatte,  und  Nikolaus 
von  Salms,  ihrer  Pflicht  in  diesem  entscheidenden  Augenblick 
vergafsen.  Ludwig  aber  führte  das  Leben,  an  das  er  sich  ge- 
wöhnt hatte,  nach  wie  vor  weiter,  ,, schlief  bis  Mittag  und  er- 
öffnete den  Reichsrat  um  die  Mittagszeit,  als  ob  er  die  Gefahr, 
von  der  zu  sprechen  er  vermied,  auch  nicht  ahnte"  ^).  Diese 
Worte  schrieb  der  päpstliche  Vertreter,  Burgio,  am  19.  Juni. 
Und  doch  brachte  man  damals  alles  Silber  in  den  Kirchen  zu- 
sammen,   trug    das    blutige    Schwert    umher,    um    die    gemeinen 


i)  „Se  '1  Turco  viene,  torno  et  replico  quello  che  molte  volle  ho  scritto : 
Sua  Santitä  metti  l'Ungaria  al  numero  di  le  altre  cose  perse";  Bericht  Burgios 
vom   25.  April;  Hurmuzaki  II',  S.   529 — 530. 

2)  „Maiestas  Regia  nee  commemorat,  nee  sentit  periculum ,  dormit  usque  in 
meridiera  et  consilium  incipit  in  meridie";  Hurmuzaki  II ',  S.  540,  Nr.  CCCLXXVII. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn   durch  Sultan  Soliman  II.  usw.       397 

Bauern  unter  die  Fahnen  zu  rufen,  und  aus  seinem  Lager  zu  Pecs 
verlangte  der  Palatin  Bäthory,  dem  es  an  allem  mangelte,  Gold 
und  Soldaten  ^).  Die  Türken  hatten  auf  fester  Brücke  schon  die 
Save  überschritten. 

Während  Kurtogli  mit  zehn  Galeeren,  zu  denen  später  noch 
zwanzig  andere  stiefsen,  ins  Schwarze  Meer  segelte,  um  auf  der 
Donau  dem  grofsen  Heere  Lebensmittel  zuzuführen,  brach  der 
Sultan  mit  Ibrahim  und  Ajas-Pascha  am  23.  April,  dem  Sankt 
Georgstage  der  Christen,  aus  Konstantinopel  auf-).  Am  29.  Mai 
stand  das  kaiserliche  Lager  bei  Sofia;  es  regnete  so  heftig,  dafs 
man  für  die  Zelte  fürchtete.  Das  Anschwellen  der  Morawa 
zwang  das  Heer,  bei  beständig  schlechtem  Wetter  über  Aladsche- 
Hissar  zu  gehen.  Hier  erhielt  Ibrahim  Befehl,  sich  nach  dem 
Donauübergang  bei  Peterwardein  zu  wenden  und  den  Palatin  aus 
seinem  schlecht  befestigten  Lager,  das  fast  nur  von  bäuerlichen 
Scharen  erfüllt  war,  zu  verjagen. 

Am  I.  Juli  liefs  Ibrahim  die  rumischen  Truppen,  die  auf 
diesem  Zuge  die  Hauptmacht  bildeten,  wenn  auch  der  anatolische 
Beglerbeg  Bechram  mit  zahlreichen  Spahis  gleichfalls  zum  kaiser- 
lichen Kriege  sich  eingestellt  hatte,  Revue  passieren.  Am  6. 
trafen  die  bosnischen  und  herzegowinischen  Sandschaks  mit  ihren 
kühnsten  Akindschis  bei  Semlin  ein.  Am  8.  erhielt  Soliman 
bei  Szalänkemen  Gewifsheit,  dafs  nur  der  ,, schlimme  und  verfluchte 
Priester",  d.  h.  Erzbischof  Thomory,  den  Donauübergang  besetzt 
halte  und  den  Osmanen  dort  den  Weg  verlege.  Da  er  kaum 
2000  Mann  schlechter  Truppen  bei  sich  hatte,  feierte  das  türkische 
Lager  in  Ruhe  und  Sicherheit  den  Bairam ;  Soliman  weilte 
während  dieses  gröfsten  Festes  des  Islams  in  Belgrad. 

Am  12.  Juli  standen  die  Türken  dann  vor  Peterwardein,  wo 
nach  dem  Rückzuge  Thomorys  nur  tausend  Ungarn  verblieben 
waren  ^).     Vor   der   grofsen   Übermacht    des    Feindes    hefen    die 


i)  Ebenda;  vgl.  S.   540,  Nr.  cccLXXvn ;  S.  542,  Nr.  CCCLXXIX. 

2)  Tagebuch  Solimans  in  den  Anhängen  zu  H  a  m  ra  e  r  III ;  vgl.  die  vene- 
zianischen Berichte  vom  3.  und  29.  März  ,  dann  vom  16.  Mai  in  ,,Missive  e  re- 
sponsive"   1524 — 1527;  auch  Alb^ri  S.   in. 

3)  Broderics,  auch  als  Anhang  zu  Bonfinius,  Reussner,  Schardius, 
Katona  (XIX)  u.  a. 


39S  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

furchtsamen,  zum  Kriege  gfetriebenen  Bauern  einfach  auseinander. 
Am  15.  zog-en  die  kaiserlichen  Truppen  in  die  Stadt  ein;  die 
Bosnier  und  die  Leute  Mehemed-Begs  MichalogH  eilten  in 
schnellem  Ritte  weiter,  um  die  Zeit  zu  Streifereien  auszunützen. 
Doch  hielt  sich  das  Schlofs  von  Peterwardein  gegen  die  os- 
manische  Artillerie  recht  wacker;  mehr  als  tausend  Türken 
fielen  bei  den  zwei,  am  21.  und  23.  Juli  unternommenen  Stürmen 
unter  seinen  Mauern,  und  man  mufste  den  Sultan  um  weitere 
tausend  Janitscharen  angehen,  um  der  schwierigen  Aufgabe  Herr 
zu  werden.  Geschickt  gelegte  Minen  halfen  endlich  am  27.  mit 
zur  Einnahme  des  Schlosses,  und  Solimans  Tagebuch  konnte 
lakonisch  ,, fünfhundert  abgeschnittene  Köpfe,  dreihundert  Ge- 
fangene" verzeichnen.  Darauf  vereinigten  sich  die  Scharen  des 
Grofswesirs  und  des  Sultans  und  setzten  ihren  Marsch  gemeinsam 
als  ein  einziges  Heer  fort ;  es  galt  jetzt  bis  nach  Ofen  zu  dringen. 
So  verkündete  man  am  9.  August  feierlich  den  Truppen.  Ujlak 
hatte  sich  ergeben  —  ,,  zwölf  Ungläubige  wurden  in  Ujlak  in 
den  Kaftan  gekleidet",  fügt  das  Tagebuch  hinzu  — ,  und  noch 
andere  Schlösser,  wie  Erdöd,  waren  in  osmanische  Hände 
gefallen. 

König  Ludwig  war  erst  am  24.  Juli  von  Ofen  nach  Tolna 
aufgebrochen,  wo  sich  noch  keine  Truppen  eingefunden  hatten; 
sehnlichst  suchte  und  erwartete  man  jetzt  Verteidiger  des  wie 
niemals  vorher  bedrohten  Reiches.  Endlich  brachte  Stephan 
Bathory  mit  den  Truppen  der  Königin  und  des  Erzbischofs  von 
Gran  3000  Leute  zusammen,  und  einige  weitere  Mannschaften 
begleiteten  den  etwas  später  eintreffenden  Andreas  Bathory.  Aus 
Stuhlweifsenburg  entbot  man  Georg  Zäpolya,  der  mit  300  Reitern 
und  1200  Fufstruppen  herbeikam;  aber  Franz  Batthyäny  und 
Christoph  Frangepani  säumten  im  Lager  zu  erscheinen.  Ver- 
gebens rief  man  nach  der  vom  römischen  König  Ferdinand  er- 
warteten Hilfe;  aus  der  Ferne  kamen  nur  einige  Böhmen  unter 
Stephan  Schlick,  1300  Söldlinge  des  Papstes  und  1500,  ebenfalls 
vom  Papste  besoldete  *)  Polen,  deren  Führer  Leonard  Gnoienski 

i)  Vgl.  Hurmuzaki  11,  S.   55fif.. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch  Sultan  Soliman  IL  usw.      399 

war.  Im  g-anzen  hatte  der  König'  kaum  20000  Mann,  zur  Hälfte 
Bauern.  Thomory  und  Georg-  Zäpolya  wurden  zu  Oberbefehls- 
habern ernannt.  Der  siebenbürgische  Woiwode  Johann  Zapolya 
erhielt  mehrfache  Weisung,  den  anfänglichen  Plan  eines  Einfalls 
in  die  Walachei  und  über  die  Donau  aufzugeben  und  seine 
Streitmacht  dem  König  zuzuführen;  er  war  aber  durch  die  Beschlüsse 
des  letzten  Reichstags  allzu  verärgert,  um  sich  diesem  Befehl  zu 
fügen  und  mit  seinen  erklärten  Feinden  und  Beleidigern  zur 
Rettung  des  Reiches  zusammenzuwirken. 

Erst  am  15.  August  brach  das  bunte,  undisziplinierte  und 
von  den  widerstrebendsten  persönlichen  Interessen  beseelte  unga- 
rische Heer  —  einige  der  Herren  erklärten,  dafs  sie  kraft  ihrer 
Privilegien  nicht  jenseits  der  Drau  kämpfen  würden  —  von 
Tolna  auf,  unter  einem  Könige,  dem  jeder  so  schlecht  wie 
möglich  diente,  um  ihm  dennoch  die  ganze  Verantwortung  für 
die  kritische  Lage  zuzuschieben.  Das  Lager  wurde  beim  Dorfe 
Mohäcs,  wo  Ludwig  schon  1521  gestanden  hatte,  um  das  Reich 
zu  verteidigen,  —  auf  einer  Wiese  zwischen  Bäta  und  der 
Drau,  nicht  weit  von  der  Donau  aufgeschlagen;  der  Lauf  der 
Drau  und  ein  Nebenarm  desselben  umfafsten  es  derart,  dafs  unter 
einigen  rebenbedeckten  Hügeln  sich  weite  schlammige  Gründe 
ausdehnten  ^). 

Von  den  raubenden  ungarischen  Martolodschen  belästigt, 
hatte  sich  das  riesige  osmanische  Lager  nicht  ohne  Schwierigkeit 
und  Verluste  zur  Drau  hinaufgeschoben,  die  es  am  15.  August 
erreichte.  Unverzüglich  wurde  eine  Brücke  geschlagen;  ein 
Belgrader  Woiwode  war  der  erste,  der  sie  am  20.  überschritt, 
um  Kundschaft  einzuholen;  zum  Lohn  erhielt  er  ein  Lehen  von 
9000  Aspern  jährlicher  Einkünfte.  Am  21.  und  22.  erfolgte  der 
Übergang  aller  Truppen  über  den  breiten  Flufs;  dann  brannten 
sie  Essek  nieder.  Es  regnete  unaufhörlich,  den  Boden  bedeckten 
grofse  Pfützen  und  Nebel  verhüllten  den  Horizont.  Dennoch 
standen  die  Osmanen  am  29.  August  den  glänzenden  Rittern 
und  den  armseligen  bäuerischen  Haufen  des  königlich  ungarischen. 
Lagers  gegenüber  ^). 


iroderics.  2)  Solimans  Tagebuch. 


400  Zweites   Buch.     Zehntes  Kapitel. 

Weitere  Truppen  erwarten  oder,  wie  einige  vorschlug^en, 
den  Sultan  um  Frieden  bitten  und  sich  dafür  zur  Zahlung-  des 
Tributs  bereit  erklären,  wollten  die  ungarischen  Grofsen,  die  im 
Lager  die  eigentliche  Entscheidung  hatten,  nicht.  Teils  war  es 
der  Wunsch,  ein  Ende  der  Strapazen  des  Feldzugs  zu  sehen, 
teils  glaubten  sie,  in  verblendetem  Hochmut,  den  mit  seinen 
besten  Streitkräften  ihnen  gegenüberstehenden  Kaiser  der  Türken 
in  ofifener  Schlacht,  wie  sie  bisher  kein  König  Ungarns  gewagt 
hatte,  besiegen  zu  können.  Obgleich  der  erfahrene  Bischof  von 
Grofswardein  den  Ausgang  des  Kampfes  richtig  voraussagte,  und 
unumwunden  aussprach,  dafs  die  Ungarn  sehr  bald  neue  Glaubens- 
märtyrer sein  würden,  wenn  sie  den  Kampf  aufnähmen,  verlangte 
die  Mehrheit  der  Edelleute  ungeduldig  und  stürmisch  nach  der 
Schlacht,  die  ihnen  ewigen  Ruhm  einbringen  sollte.  Zu  den 
schon  vorhandenen  königlichen  Truppen  hatte  sich  noch  der 
Ban  Kroatiens,  der  Agramer  Bischof  und  einige  andere  Kon- 
tingente gesellt. 

Ohne  nach  dem  Rate  des  polnischen  Führers  hinter  den 
Wagen  Deckung  zu  suchen,  ohne  Kenntnis  von  der  Stellung  der 
Türken,  traf  man  die  Anordnung  der  Schlachtlinie.  Auf  dem 
rechten  Flüg^el  stand  der  Ban,  auf  dem  linken  Pereny;  den 
König  liefs  man  unter  der  Ehrengarde  dieser  Edelleute,  die  mehr 
einen  Gefangenen  zu  bewachen  als  einem  Monarchen  Gefolgschaft 
zu  leisten  hatten,  in  zweiter  Linie;  so  wenig  im  Kriege  wie  in  den 
politischen  Kämpfen  der  Friedenszeit  gönnte  oder  vertraute  man 
ihm  eine  Rolle  an.  Ein  kläglicheres  Schauspiel  war  bisher  in 
der  militärischen  Geschichte  nicht  gesehen  worden. 

Die  Ungarn  bildeten  sich  ein,  durch  eine  energische  Attacke 
mit  ihren  schönen,  starken  Pferden  die  ganze  Reiterei  der  Spahis 
auseinandersprengen  *)  und  dann  dem  Sultan  und  seinen  Jani- 
tscharen  auf  den  Leib  rücken  zu  können.  Nachdem  sie  den 
ganzen  Vormittag  auf  einen  Angriff  des  osmanischen  Heeres 
gewartet    hatten,    bewegte    sich    endlich    ein    feindliches    Korps 


i)  Vgl.    Giovio    fol.    241:    „Una    pazza    bravura,    non    fondata    nella    vera 
prattica  dell'   armi,   una  bestial  fierezza." 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch  Sultan  Soliman  II.  usw.      401 

langsam  bei  den  Hügeln  rechts  von  ihnen  vorwärts,  und  was 
ihnen  besonders  auffiel,  war  das  vollständige  Schweigen  als 
Wirkung  der  unvergleichlichen  Disziplin,  die  den  Feinden  stets 
noch  mehr  als  die  Tapferkeit  der  Osmanen  imponierte  *).  Nach 
kurzem  Kriegsrate,  in  dem  nicht  der  König,  sondern  die  ihm 
aufgedrägten  Vormünder  entschieden  —  wurde  dem  armen 
Fürsten  doch  sogar  die  Leibgarde  wieder  entzogen,  weil  sie  zu 
anderen  Zwecken  nötig  war  — ,  ritten  die  prachtvollen  Banderien 
der  ungarischen  Feudalen  unter  ,,  Jesus  "-Rufen  gegen  die  Spahis 
an.  Diese  zogen  sich  nach  ihrer  Gewohnheit  in  guter  Ordnung 
zurück,  und  schon  rief  Andreas  Bäthory:  ,,Sieg!",  als  die  im 
Tale  von  Földvar  verborgenen  türkischen  Geschütze  gegen  den 
rechten  ungarischen  Flügel  in  Tätigkeit  traten.  Die  allgemeine 
hierdurch  entstehende  Verwirrung,  die  bald  in  wilde  Flucht  aus- 
artete, verschlang  den  Erzbischof  von  Gran,  viele  andere  hervor- 
ragende Persönlichkeiten  und  den  König.  Die  Türken  drängten 
die  Christen  planvoll  in  die  durch  unaufhörlichen  Regen  ver- 
gröfserten  Sümpfe;  ein  neuer  Regengufs  in  der  Nacht  ver- 
schlimmerte die  Katastrophe  noch.  Die  Sümpfe  von  Mohäcs 
wurden  zum  Grabe  vieler  Tausende  von  Mitgliedern  der  besten 
Familien  des  Reiches.  Den  Kopf  Thomorys,  des  verhafsten 
,, Priesters"  (Derwischs),  trugen  die  Sieger  zur  Schau  umher, 
viele  Gefangene,  nach  dem  kaiserlichen  Tagebuche  12000  an 
Zahl,  wurden  enthauptet  und  ihre  Köpfe  am  31.  August  dem 
auf  goldenem  Thron  sitzenden  Soliman  gezeigt.  Allmählich 
fand  man  die  Leichname  der  Erzbischöfe  von  Grofswardein, 
Csanäd,  Fünfkirchen,  Raab  und  Bosnien;  Georg  Zäpolya  blieb 
spurlos  verschwunden.  Den  jungen,  unglücklichen  König  ent- 
deckten die  Akindschis  auf  dem  Pferde  sitzend,  beschmutzt,  tot 
in  einer  Pfütze.  Als  einige  Monate  darauf  der  Nachfolger  Ludwigs 
einen  Gesandten  nach  Konstantinopel  schickte,  machte  einer  der 
Wesire  diesem  gegenüber  die  Bemerkung,  dafs  Osmanen  niemals 
ihren  Kriegsführer  und  Herrscher  „in  einem  Tümpel"  hätten 
ertrinken  lassen  ^). 


i]  „Tacite  incedens,  sola  hastarum  summitate  prodeunte";  Broderics. 
2)  „Carte  nos  credebamus  Ungaros  precipuos  vires,    sed   non    invenimus  eos 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  26 


^Q3  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

Die  Türken  rühmten  sich,  auf  dem  verhängnisvollen  Felde 
von  Mohacs  nicht  wenig-er  als  20000  Mann  Fufsvolk  und  40OQ 
schwer  gepanzerte  Ritter  begraben  zu  haben;  dieses  vom  Tefterdar 
von  Rum  geleitete  Geschäft  nahm  die  ersten  zwei  Tage  des 
Septembers  in  Anspruch.  Das  Dorf  wurde  niedergebrannt  und 
alle  an  den  Wegen  angetroffenen  Bauern  getötet,  um  der  Be- 
völkerung des  nun  als  erobert  und  annektiert  betrachteten  König- 
reichs Ungarn  den  gebührenden  Schrecken  einzuflöfsen.  Noch 
bestanden  kleine  Heeresabteilungen,  die  an  der  Schlacht  nicht 
teilgenommen  hatten :  Zäpolya  befand  sich  mit  den  Siebenbürgern 
bei  Szegedin,  Christoph  Frangepani  mit  Kroaten  bei  Agram, 
Böhmen  und  Brandenburger  im  Norden;  um  die  Person  der 
Königin,  die  sich  mit  dem  Schatzmeister,  dem  Bischöfe  von 
Veszprem  und  dem  päpstlichen  Gesandten  von  Ofen  aus  auf 
die  Donau  begeben  hatte,  hätte  vielleicht  ein  nationaler  Wider- 
stand organisiert  werden  können. 

Aber  der  dazu  geeignete  Mann  erschien  nicht.  In  Eil- 
märschen am  Donauufer  entlang  gelangte  Soliman  über  Tolna 
schon  am  ii.  September  nach  der  königlichen  Burg  Ofen. 
Niemand  machte  einen  Versuch,  Widerstand  zu  leisten.  Der 
Sultan  ritt  mit  seinem  bevorzugten  Günstling  Ibrahim  durch  die 
stumme,  verlassene  Stadt,  die  trotz  seiner  Befehle  bald  in  Flammen 
aufging;  auch  die  Hauptkirche  wurde  ein  Raub  des  Feuers.  Doch 
blieben  das  Schlofs  des  Königs  und  die  ganze  Burg  unversehrt, 
und  die  Räume,  die  manche  Feier  ungarischer  Triumphe  gesehen 
hatten,  hallten  von  der  orgiastischen  Kriegsmusik  der  mosleminischen 
Eroberer  wider.  Soliman  legte  Janitscharen  in  das  Schlofs,  das- 
er  sich  als  künftige  Residenz  vorbehielt,  und  ging  auf  der  neu- 
erbauten Brücke  nach  Pest  hinüber.  Hier  sammelte  sich  auch 
das  ganze  Heer,  und  als  die  Brücke  unter  dem  riesigen  Verkehr 


bonos  pugnatores ,  qui  regem  suura  non  a  nobis,  sed  a  parva  aqua  liberare 
neglexerunt" ;  Hurrauzaki  II,  S.  38fr.;  vgl.  auch  Leunclavius  Sp.  7616".; 
Hurmuzaki  IT'',  S.  557,  558ff.;  Sammbucus  in  Bonfinius  S.  556fF.;. 
Giovio  fol.  241  ff.  Vgl.  auch  Gevay,  Urkunden  und  Aktenstücke  zur  Ge- 
schichte der  Verhältnisse  zwischen  Österreich,  Ungarn  und  der  Pforte,  i  Fasz.. 
(Wien   1840),  S.   16. 


Veniiclitung  des   Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   Soliman   II.  usw.      403 

schliefslich  zusammenbrach,  setzte  der  Naclitrab  mit  Mehemed, 
Chosrew  und  Omar-beg-og-li  auf  Kähnen  über.  Die  Geschütze 
und  bronzenen  Standbilder  des  Ofener  Schlosses,  die  zu  neuen 
Kanonen  verwendet  werden  konnten,  wurden  fortgeschleppt,  und 
Soliman  führte  auch  die  ganze  jüdische  Bevölkerung-  der  un- 
garischen Hauptstadt  mit  sich  weg. 

Erst  am  25.  September  verliefs  der  Sultan  Ofen;  es  fehlte 
ihm  an  Truppen,  um  das  ganze  Land  bis  Raab  besetzen  zu 
können;  die  Schlösser  Gran  und  Visegräd  wurden  von  den 
Ungarn  noch  gehalten,  und  bei  Märoth  hatten  Bauern  und  Mönche 
den  Akindschis  in  regelrechtem  Kampfe,  mit  Wagen  und  Artillerie, 
erfolgreich  widerstanden.  Auch  die  Janitscharen,  die  auf  das 
Schlofs  gelegt  worden  waren,  gingen  mit  zurück.  Denn  der 
Regen  hielt  auch  im  frühen  Herbste  an,  an  Lebensmitteln  war 
Mangel:  ein  Mafs  Gerste  kostete  120  Asper  und  eine  Kila  Mehl 
200.  Auf  dem  Rückwege  berührte  man  Szegedin  und  Titel.  Vom 
Palatin  verfolgt,  gelangte  das  Heer  zur  wiedererbauten  Brücke  von 
Peterwardein,  w'o  alle  Sklavenbesitzer  das  Fünftel,  das  penta- 
merion  oder  pendschik  entrichte.ten.  Hier  und  da  stiefsen 
die  Türken  auch  auf  heftigen  Widerstand.  Beim  Übergang  über 
die  Brücke  kam  die  Nachricht  von  der  zilizischen  Empörung, 
die  den  Anadol-Beglerbeg  nach  Asien  zurückrief.  Nur  in  Peter- 
wardein und  Ujlak  wurden  Besatzungen  zurückgelassen.  Am 
18.  Oktober  war  das  Heer  bei  Nisch,  am  25.  in  Sofia,  am 
13.  November  hielt  der  Sultan  seinen  Einzug  in  KonstantinopeD). 

Solange  noch  ein  ungarisches  Heer  in  guter  Verfassung 
vorhanden  war,  solange  Siebenbürgen  keinen  Feind  gesehen 
hatte  —  Soliman  hielt  es  für  notwendig,  Radus  Sohn  als  Geisel 
für  die  Walachei  zu  verlangen  ^)  — ,  solange  endlich  eine  starke 
Partei  sich  um  den  Woiwoden  Johann  Zäpolya  scharte,  in  dem 
sie  seit  langem  den  künftigen  König  von  Ungarn  zu  sehen  ge- 
wohnt war,  gehörte  Ungarn  dem  Sultan  nicht.  Im  Lande  war, 
mit  Ausnahme  der  Plätze   an  der  Save ,    kein  Janitschar  zurück- 


1)  Solimans  Tagebuch;  vgl.   Broderics  und   Giovio  a.  a.  O. 

2)  Solimans  Tagebuch. 

26* 


404  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

geblieben,  keinem  Spahi  war  ein  Lehen  auf  ungarischem  Boden 
verliehen  worden,  nirgends  hatten  Tefterdare  ein  Verzeichnis  von 
Vermögen  und  Besitz  irgendwelcher  Art  aufgestellt.  Verbrannte 
Städte,  Schlösser  und  Dörfer,  verödete  Provinzen,  deren  Ein- 
wohner in  die  Sklaverei  geschleppt  worden  waren,  und  die  Er- 
innerung, dafs  der  Kaiser  das  Ofener  Schlofs  zu  seiner  Behau- 
sung geweiht,  die  Hufe  seines  Pferdes  den  Grund  der  königlichen 
Residenz  zertreten  hatten,  und  besonders  die  mit  dem  Turban 
geschmückten  Grabsteine  der  gefallenen  Sahibs ,  die  bis  zum 
letzten  Atemzuge  für  die  Ehre  des  Hauses  Osmans,  für  die  Gröfse 
des  Reiches  und  die  Verbreitung  des  unüberwindlichen  Islams 
gekämpft  hatten,  das  war  das  Resultat  des  Zuges  Solimans. 

Nach  dem  mit  Wladislaw  abgeschlossenen  Vertrage  war  der 
römische  König  Ferdinand  unzweifelhaft  Erbe  der  Krone  von 
Ungarn,  er  bedurfte  nur  der  Bestätigung  eines  Wahlreichstages, 
und  die  Unterstützung  der  im  Gefolge  seiner  Schwester,  der 
Witwe  König  Ludwigs,  befindlichen  Magnaten  und  der  alten 
Widersacher  Zäpolyas,  Bäthory  an  ihrer  Spitze,  war  ihm  sicher; 
auch  die  kroatischen  Grofsen,  deren  Gebiet  in  Glück  und  Un- 
glück so  eng  mit  den  benachbarten  Besitzungen  des  Hauses 
Österreich  verbunden  war,  mufsten  ihn  jedem  anderen  Bewerber 
als  Herrn  vorziehen.  Unter  dem  Vorw^ande,  Beschlüsse  zur  Ret- 
tung des  Reiches  zu  fassen,  berief  die  Königin- Witwe  den  Reichs- 
tag, aber  schon  war  ihr  Zäpolya  zuvorgekommen  und  hatte  einen 
solchen,  angeblich  ebenfalls  zu  demselben  Zwecke,  in  Tokaj  jen- 
seit  der  Theifs  zusammengebracht,  auf  dem  ihn  die  Stimmen 
seiner  Parteigänger  am  i6.  Oktober  zum  König  von  Ungarn  aus- 
riefen, und  im  November  liefs  er  die  Leiche  seines  Vorgängers 
feierlich  in  Stuhlweifsenburg  begraben  *).  Ferdinand  dagegen 
wurde  erst  am  i6.  Dezember  von  den  Seinigen  in  dem  von 
Deutschen  bewohnten  Prefsburg,  der  bedeutendsten  Stadt  Nord- 
ungarns, gewählt;  am  ersten  Tage  des  folgenden  Jahres  trat  dann 
eine  Versammlung  der  Kroaten  dieser  Wahl  bei,  während  Chri- 
stoph Frangepani  die  slawischen  Stände  für  König  Johann,  den 
,,Waida"  seiner  Gegner,  gewann  2). 


i)  Fefsler-Klein  III,  S.  400 ff.  2)  Ebenda  S.  412. 


Vernichtung  des   Königreichs   Ungarn  durch   Sultan   Soliman  II.   usw.       405 

Die  Streitig^keiten  zwischen  den  beiden  Königen  von  Ungarn 
begannen  noch  in  demselben  Jahre  1527;  einige  ihrer  Anhänger 
wechselten  die  Partei,  und  die  Lage  klärte  sich  nicht.  Zapolya 
hatte  eine  Zeitlang  mit  dem  Aufstand  des  sogenannten  ,,  Schwar- 
zen Manns"  oder  Tzar  Iwans  zu  tun,  der  in  naiver  Form  als 
angeblicher  ,, Enkel  der  byzantinischen  Kaiser"  *)  serbische  Un- 
abhängigkeitsgelüste vertrat  und  der  auch  im  südwestlichen  Sieben- 
bürgen, besonders  aber  unter  den  bedrängten,  als  Leibeigene 
lebenden  Rumänen  Unterstützung  gefunden  hatte  ^) ;  dieser  be- 
siegte den  Vizewoiwoden  Peter  Pereny  und  wurde  erst  nach 
einem  am  Marosflusse  gegen  Emerich  Czibak  verlorenen  Treffen 
von  den  Bürgern  Szegedins  getötet  ^).  Im  Monat  Dezember  hielten 
die  Truppen  Zäpolyas  Grofs- Wardein,  Kaschau  und  Erlau  besetzt 
und  König  Johann  feierte,  von  zwei  rumänischen  Prätendenten 
begleitet,  eine  Taufe  im  Hause  eines  seiner  Anhänger  ^).  Dann 
aber  besiegte  ihn  Ferdinand  und  liefs  sich  krönen;  Johann  mufste 
in  sein  Siebenbürgen  zurückweichen,  wo  die  Sachsen  auf  selten 
seines  Gegners  standen.  Auch  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres 
1528  erlitt  Zapolya  im  Kampfe  mit  dem  weit  stärkeren  Feinde 
empfindliche  Niederlagen  und  seine  Lage  wurde  immer  aussichts- 
loser. 

Da  sandte  er  in  seiner  Bedrängnis  den  Polen  Hieronymus 
Laski  als  ersten  Gesandten  an  den  Sultan,  um  von  ihm  die  An- 
erkennung als  König  von  Ungarn  und  zugleich  Hilfe  gegen  F'er- 
dinand  zu  erlangen. 

Soliman  hatte  Ungarn  nach  dem  glänzenden  Zuge  von  1526 
beinahe  vergessen.  Nur  die  in  Bosnien  noch  ungarisch  geblie- 
benen Festungen  reizten  die  Türken,  und  rühm-  und  geräusch- 
los   fielen    Jaice    und   Banjaluka   an    Khosrew  ^) ;    Graf  Christoph 


i)  „Genere,  ut  pro  certo  assertur,  de  familia  imperatorum  constantinopoli- 
anorum";  Hurmuzaki  II  ^,  S.  614,  Nr.  ccccxv ;  vgl.  auch  S.  617,  Nr.  ccccx\Tl 
bis  ccccxvni. 

2)  Hurnjuzaki  11'',   S.   623  —  625;  Kronstädter  Archiv,   Schnell  III,    71. 

3)  Ebenda.     Vgl.  Fefsler-Klein  III,  S.  418,    420—421. 

4)  Hurmuzaki  VIII,  S.   53,  Nr.  LXVIII. 
5I  Istvanffy,   S.   99,  Jahr   1527. 


406  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

Frangepani,  der  „besonders  angestellte  Vormund  und  Beschützer 
der  Reiche  Dalmatien,  Kroatien  und  Slawonien"  *),  war  vor  kurzem 
für  Zapolya  im  Kampfe  gefallen  '■') ,  und  so  konnte  sein  helden- 
haftes Eintreten  vom  Jahre  1525  für  die  Rettung  Jaices  nicht 
wiederholt  werden.  In  der  ehemaligen  bosnischen  Hauptstadt  lei- 
steten 1528  nur  die  Deutschen  Ferdinands  unter  dem  berühmten 
Kondottiere  Katzianer  Widerstand;  nach  einer  Belagerung  von 
zehn  Tagen  aber  war  Jaice  im  Besitz  der  Bosnier  ^).  Auch  unter- 
nahmen Anfang  1528  die  Türken  in  Semendria  Raubzüge  nach 
Kärnten  und  machten  viele  Sklaven  *).  Obwohl  also  die  Türken 
den  ungarischen  Verhältnissen  nur  geringes  Interesse  entgegen- 
brachten, wurde  Laski  doch  mit  heftigen  Vorwürfen  empfangen, 
weil  sein  Auftraggeber,  der  Erdely-Ban,  sich,  ohne  den  Kaiser 
als  alleinigen  Flerrn  von  Ungarn  zu  fragen,  zum  Könige  dieses 
Reiches  aufgeworfen,  diesem  und  den  Wesiren  keine  Geschenke 
gesandt  und  keinen  Tribut  versprochen  habe ;  Solimans  Absicht 
sei,  seinen  Palast  von  Ofen  wieder  in  Besitz  zu  nehmen.  Aber 
Laski  verstand  in  gut  orientalischer  Form  und  geschickten  Ver- 
gleichen auf  solche  Angriffe  richtig  zu  antworten ,  so  dafs  er 
schliefslich  den  Zweck  seiner  Sendung  erreichte :  Zapolya  wurde 
,, unter  das  Kleid  und  den  Schatten"-'')  des  Sultans  genommen 
und  ihm  die  sofortige  Hilfe  des  Sandschaks  von  Nikopolis  und 
der  beiden  rumänischen  Fürsten,  sowie  einige  Geschütze  zuge- 
sagt; auch  sollte  eine  osmanische  Flotte  auf  der  Donau  erschei- 
nen. Am  3.  Februar  1528  hatte  Laski  Abschiedsaudienz  bei 
Soliman  ^). 

Doch  liefsen  sich  dieselben  Wesire  dadurch  nicht  abhalten, 
im  März  auch  mit  Hobordanszky  oder  Hoberdanacz ,  dem  Ge- 
sandten König  Ferdinands,  zu  verhandeln ,  der  freilich  nicht  die 
Geschmeidigkeit  und  Klugheit  Laskis  besafs  und,  da  er  sich  wenig 
gefügig    zeigte    —    er    hatte    alle    von    den    Ungarn    verlorenen 


i)  Klaic  S.  443. 

2)  Fefsler-Klein  III,  S.  424. 

3)  Klaic  S.  443—444. 

4)  Hurmuzaki  II,  S.   53;  Gevay,  II,  S.  44. 

5)  „Sub  illius  manica  et  umbra'';  ebenda. 

6)  Hurmuzaki  II,  S.  65—66. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn   durch  Sultan   Soliman  II.   usw.     407 

Schlösser  zurückverlangt,  worauf  Ibrahim  antwortete:  „warum 
fordert  er  nicht  gleich  Konstantinopel?"  — ,  sehr  bald  zurück- 
geschickt wurde  ').  Auch  die  angebliche  Anregung  Ferdinands, 
dafs  der  walachische  Fürst  Radu,  der  mit  den  Wesiren,  besonders 
mit  Ajas  ^),  befreundet  war  und  dessen  Sohn  Laski  als  Geisel  zu 
benutzen  wünschte,  vermitteln  möge  ^),  hätte  zu  nichts  geführt  *). 
Dagegen  war  in  der  Moldau  der  Nachfolger  Stephans  des  Jüngeren, 
Peter  Rares,  ein  Bastard  Stephans  des  Grofsen  und  ein  kluger 
und  verständiger  Mann,  der  viele  Jahre  in  den  Reihen  des  ge- 
meinen Volkes  zugebracht  hatte ,  der  Sache  König  Ferdinands 
ergeben  ^).  Der  von  türkischer  Seite  zugesagte  Zug  des  Donau- 
begs  nach  Siebenbürgen  ^)  kam,  vielleicht  Radus  wegen,  der  die 
für  sein  Land  aus  einem  solchen  zu  erwartenden  Unannehmlich- 
keiten fürchtete,  nicht  zur  Ausführung  ^).  Aber  in  Polen,  dessen 
König  1528  in  der  Person  Johann  T^czynskis  einen  neuen  Ge- 
sandten an  die  Pforte  geschickt  hatte  ^),  brachte  Zäpolya  ein  tüch- 
tiges Heer  zusammen,  mit  dessen  Hilfe  er  Ende  1528  bedeutende 
Erfolge  errang;  hierdurch  ermutigt,  erklärten  einige  walachische 
Bojaren  ihren  Fürsten  des  Throns  verlustig  und  ermordeten  ihn 
auf  der  Flucht  (Anfang   1529). 

Ruhig  sahen  noch  die  Osmanen  dem  wechselnden  Spiele  des 
Parteiglückes  in  dem  doch  einmal  von  ihnen  eroberten  Ungarn 
zu.  Erst  als  Valentin  Török  im  Frühling  1529  mit  Söldnern 
Ferdinands  in  Siebenbürgen  eindrang,  erhielt  Rares  Erlaubnis,  in 


i)  Gevay  I-,  z.  Jahre.  Vgl.  H  ur  m  uz  a  ki  VIII,  S.  53ff.,  Nr.  LXIX.  Be- 
ziehungen Ferdinands  zu  dem  im  Frühling  1527  gestorbenen  Bali-beg  (Anfang 
1527),  Gevay  I,  S.  3  7  ff.     Vorbereitungen  für  Hobordanszky,  ebenda  S.  62  ff. 

2)  Hurmuzaki  II,  S.  43.  3)  Ebenda  S.  64 — 65. 

4)  Vgl.  Hurmuzaki  H,  S.  67,  Nr.  XL ;  XI,  S.  4—5,  Nr.  vii. 

5)  Berichte  Pier  Zenos,  Konstantinopel.  12.  und  29.  Mai  1528;  ,,Capi  Con- 
siglio  X,  Costantinopoli". 

6)  Vgl.  auch  Kronstädter  Archiv,  Schnell  II,  81,  82. 

7)  Vgl.  über  die  schwankende  Politik  dieses  Fürsten,  der  noch  Anfang  1528 
auf  Zäpolyas  Seite  stand,  „Studil  ?i  documente"  III,  S.  xxix ,  nach  den  von 
Schuller  im  „Archiv  für  siebenbürgische  Landeskunde"  XXVI,  XXVIIl  und 
XXIX  veröffentlichten  Akten  aus  dem  Wiener  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv.  Über 
eine  Zusammenkunft  Zäpolyas  mit  Mehemed-beg,  Georg  iusSirmiensis  S.  272  ff. 

8)  Hurmuzaki  Suppl.  II',   S.   19  —  21,  Nr.  v — ^^. 


408  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

dieses  Land  einzufallen,  und  die  Moldauer  erkämpften  im  Juni 
vor  den  Mauern  Földvars  einen  bedeutenden  Sieg  gegen  die  dem 
deutschen  Könige  treuen  Sachsen  ^).  Es  war  das  ein  Vorspiel 
des  ersten  Krieges,  den  Soliman  in  diesem  wichtigen  Jahre  gegen 
König  Ferdinand  beginnen  sollte. 

Am  lo.  Mai  verliefs  der  Sultan  seine  Hauptstadt;  es  war 
öffentlich  bekanntgegeben  worden,  dafs  er  nach  Ungarn  gehe, 
um  in  diesem  seinem  neuen  Lande  Ordnung  zu  schaffen.  Der 
Wesir  Ibrahim  und,  wie  1526,  der  kleinasiatische  Beglerbeg  Bech- 
ram  waren  bei  ihm ;  auch  die  Wesire  Ajas  und  Kasim  begleiteten 
ihren  Herrn.  Wieder,  wie  1526,  hatte  man  viel  vom  Regen  zu 
leiden.  Erst  am  17.  JuH  stand  Soliman  vor  Belgrad,  am  13.  August 
überschritt  er  auf  einer  Brücke,  deren  Herstellung  von  dem  Übeln 
Wetter  sehr  erschwert  worden  war,  die  Drau. 

Die  Auffassung,  dafs  der  Weg  durch  eigenes  Gebiet  führe, 
bedingte  den  friedlichen  Charakter  des  Zuges;  aller  Raub  und 
jede  Erbeutung  von  Sklaven  war  streng  untersagt ;  täglich  kamen 
,,  magyarische  Begs"  von  der  Partei  Zäpolyas,  um  den  Kaiser 
ihres  Königs  ehrerbietig  zu  begrüfsen.  Am  18.,  fast  am  Jahres- 
tage des  grofsen  Sieges,  befand  sich  das  kaiserliche  Lager  auf 
dem  an  Erinnerungen  reichen  Felde  von  Mohäcs ;  der  Boden  war 
wieder  ebenso  morastig  wie  an  dem  für  König  Ludwig  verhäng- 
nisvollen Tage.  Hier  am  Orte  der  schmählichsten  Niederlage 
erschien  der  Nachfolger  des  im  Stich  gelassenen  und  elend  im 
Sumpf  ertrunkenen  Königs  vor  seinem  Oberherrn,  um  ihm,  den 
er  anerkannte ,  ohne  sich  noch  zu  Tributzahlungen  verpflichtet 
zu  haben,  ,,den  Handkufs  zu  leisten".  Am  18.  August  ging 
Ibrahim-Pascha  mit  fünfliundert  Reitern  Zapolya  entgegen,  eine 
bisher  keinem  christlichen  Grofsen  erwiesene  Ehre.  Am  folgen- 
den Tage  weilte  König  Johann  mit  glänzendem  Gefolge,  zu  dem 
Laski,  der  gelehrte  Kanzler  Verböczy  und  der  in  Siebenbürgen 
zu  Einflufs  gelangte  Emerich  Czibak  gehörten,  im  kaiserlichen 
Lager  zu  Mohacs.  Soliman  erhob  sich ,  als  er  des  ungarischen 
Herrschers  von  seinen  Gnaden  ansichtig  wurde,  vom  Throne  und 


i)  Geschichte  des  rumänischen  Volkes  I,  S.   374 ff. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   Soliman  II.  usw.       409 

liefs  sich  so  weit  herab,  dem  Könige,  den  er  als  sein  Geschöpf 
betrachten  durfte,  drei  Schritte  entg-egenzugfehen ;  Zapolya  nahm 
auf  einem  niedrigeren  Sitze  vor  dem  Kaiser  aller  Kaiser  Platz. 
Seinem  Range  in  der  osmanischen  Reichshierarchie  entsprechend, 
als  christlicher  Statthalter  in  dem  durch  das  Schwert  eroberten 
Reiche  Ungarn ,  erhielt  er  ein  Geschenk  von  nicht  weniger  als 
vier  Kaftanen  aus  Goldbrokat  und  vier  reich  geschmückten  ara- 
bischen Pferden ;  dem  Sultan  bot  er  seinerseits  nach  dem  Brauche 
des  Ostens,  der  dem  Untergebenen  niemals  mit  leeren  Händen 
vor  dem  Vorgesetzten  zu  erscheinen  erlaubte,  einen  grofsen  Dia- 
manten als  Gabe  dar.  Die  Zeremonie  war  im  übrigen  die  für 
den  Diwan  übliche,  nur  dafs  ein  glänzendes  Heer  das  Zelt  um- 
gab, worin  der  Handkufs  vor  sich  ging  ^). 

Nun  betrachtete  Soliman  es  als  Pflicht ,  seinen  Reichsvikar 
in  die  von  einigen  tausend  deutschen  Söldnern  des  rechtmäfsi- 
gen  Königs  Ferdinand  besetzte,  unter  den  Befehlen  Thomas  Na- 
dasdys  stehende  Hauptstadt  Ofen  zu  geleiten.  Am  31.  August 
wurde  Ibrahim  zum  Serasker  des  eigentlich  erst  jetzt  beginnen- 
den Krieges  gegen  die  Deutschen,  die  als  Usurpatoren  in  Un- 
garn eingedrungen  waren,  ernannt.  Als  der  letzte  Vertreter  der 
neuen,  von  den  Ungarn  eingesetzten  serbischen  Despotenfamilie, 
der  Sohn  des  Ungarn  Johann  Beriszlö  ^),  dem  Sultan  seine  Ehr- 
erbietung bezeigte,  stand  dessen  Heer  vor  Ofen,  in  den  Wein- 
gärten der  serbischen,  ,,räitzischen"  Vorstadt.  Die  Besatzung 
lehnte  eine  Kapitulation  zunächst  ab  und  galt  also  den  Osmanen 
als  im  Aufruhr  befindlich,  aber  schon  am  zweiten  Tage  gingen 
einige  Mann  zu  den  Türken  über.  Eine  Zobelmütze  nach  unga- 
rischer Art  auf  dem  Kopf,  nahm  Soliman  die  Befestigungen  Ofens 
in  Augenschein;  am  7.  September  wurde  ,,eins  der  unteren  Tore" 
besetzt,  und  am  folgenden  Tage  ergaben  die  Söldner  den  Stürmen- 
den das  Schlofs.  Die  Janitscharen,  die  auf  grofse  Beute  gehofft 
hatten,  brachen  gegen  den  Befehl,  nichts  in  der  Königsresidenz 
anzutasten,  in  offenen  Aufruhr  aus    und  bewarfen  einige  Hofoffi- 


i)  Vgl.  die  bei  Hammer  wiedergegebene  Erzählung  im  Tagebuche  Solimans 
und  die  Erwähnung  bei  Georgias   Sirmiensis,   S.   256ff. 
2)   Siehe  Engel,   Geschichte  von   Serwien,  S.   453 — 456. 


410  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

ziere,  die  nach  ihrer  Vermutung-  die  Kapitulation  zustande  ge- 
bracht hatten,  mit  Steinen ;  sie  fielen  über  die  dem  Vertrage  zu- 
folge ruhig  abziehenden  Deutschen  her  und  machten  die  meisten 
nieder. 

In  Ofen,  das  als  dem  ung-arischen  Herrscher  gehörig  be- 
trachtet wurde,  blieben  nur  fünfzig  der  unzufriedenen  Janitscharen 
als  Ehrenwache  für  ihn  zurück.  Während  der  Kaiser  auf  der 
Jagd  Zerstreuung  suchte ,  fiel  dem  Segban-Bascha  die  Aufgabe 
zu,  den  ,,Janusch"  auf  den  Thron  zu  erheben;  er  tat  es,  wie  er 
jeden  anderen  höheren  Beamten  seines  Herrn  in  sein  Amt  ein- 
g-esetzt  hätte;  und  der  „Janusch"  zeigte  sich  nach  den  Vor- 
schriften der  türkischen  Hofetikette  dem  Vollzieher  der  Ein- 
setzungszeremonie mit  einer  Gabe  von  2000  Dukaten  erkenntlich ; 
andere  tausend  wurden  an  die  Janitscharen  verteilt.  Soliman 
hatte  schon  vor  seiner  Ankunft  in  Ofen  Anstalten  getroffen,  um 
Pereny,  der  die  Krone  Sankt  Stephans  in  Händen  haben  sollte, 
gefangennehmen  zu  lassen  und  dieses  Zeichen  der  Legitimität 
dem  ihm  genehmen  Könige  zu  sichern  ^) ;  man  fand  das  Kleinod 
dann  im  eroberten  Visegräd  ^). 

Umsonst  bemühte  sich  König  Ferdinand,  vom  Sultan  Frie- 
den zu  erkaufen;  Soliman  wollte  den  Gesandten  des  ,, Königs 
von  Wien"  (nach  dem  ungarischen  ,,Becs-Kiraly")  nicht  vor  sich 
sehen,  und  der  Dalmatiner  Jurisich,  der  es  übernommen  hatte, 
dem  Sultan  für  wenigstens  zehn  Jahre  ein  jährliches  Geschenk  von 
20000  bis  100  000  und  ebenso  dem  Grofswesir  eins  von  5000 
bis  40000  Dukaten  anzubieten,  erlangte  nicht  einmal  die  für  den 
Gesandten  einer  feindlichen  Macht  erforderlichen  Pässe  ^). 
Vielmehr  liefs  man  die  Serben  unter  dem  Beg  von  Semendria 
auf  das  Herzogtum  Österreich  los ,  damit  sie  daselbst  als  Akin- 
dschis  nach  Belieben  raubten  und  plünderten,  was  sie  mit  bestem 
Erfolge  ausrichteten  ^). 

1)  Solimans  Tagebuch. 

2)  Fefsler-Klein  III,  S.  438. 

3)  Gevay,   Fasz.    1529. 

4)  Solimans  Tagebuch  und  die  zahlreichen,  bei  Hammer  zitierten  österreichi- 
schen Quellen,  meistens  Lebensbeschreibungen  Karls  V.,  Zeitungen  und  Klage- 
lieder; vgl.  Leunclavius  Sp.   763—764. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch  Sultan  Soliman  II.  usw.      411 

Das  Hauptheer  wandte  sich  über  Komorn,  Raab,  Prefsburg-, 
Altenburg  an  der  österreichischen  Grenze,  d.  h.  über  Städte  und 
Schlösser,  die  Zapolya  und  also  dem  Sultan  selbst  bereits  g-e- 
hörten,  nach  den  erblichen  Besitzungen  des  erzherzoglichen 
Hauses.  Unter  Mehemed  Michalogli,  der  sich  als  ,,  Verwandten 
des  Herzogs  von  Savoyen  und  des  Königs  von  Frankreich  von 
weiblicher  Seite  her"  ausgab  '),  ritten  die  Akindschis  bis  tief  ins 
Innere  Österreichs  und  die  benachbarten  Provinzen  Ferdinands 
hinein.  Als  das  Lager  sich  noch  bei  Brück  befand  (24.  Sep- 
tember), stand  Jahja-Pascha-Ogli  schon  vor  den  Mauern  Wiens 
und  sandte  dem  Sultan  abgeschnittene  Köpfe  der  Bürger  als 
blutige  Trophäen  zu.  Am  26.  hielt  auch  Ibrahim  vor  der  kö- 
niglichen Residenz  des  Feindes;  am  27.,  einem  traurigen,  kalten 
und  regnerischen  Tage,  langte  Soliman  selbst  an  und  liefs  sein 
rotes  Zelt  auf  der  Höhe  des  Semmerings  aufschlagen. 

,,Am  22.  des  Monats  Moharrem",  schrieb  Soliman  einige 
Wochen  später  an  seine  Freunde  in  Venedig,  ,, kamen  wir  zu 
der  Stadt,  die  Becs  heifst,  und  als  der  dortige  König  dessen  inne 
Avurde,  machte  er  sich  auf  und  begab  sich  fliehend  in  das  Reich 
Böhmen  nach  seiner  Prag  genannten  Stadt  und  verbarg  sich 
dort,  so  dafs  wir  nicht  mehr  wissen ,  ob  er  am  Leben  oder  tot 
ist  ^)."  In  Wien  befanden  sich  Graf  Nikolaus  von  Salm  und 
Katzianer,  beide  in  der  Kriegskunst  der  Türken  erfahren,  sowie, 
als  oberster  Befehlshaber,  der  aus  dem  Westen  gekommene 
Pfalzgraf  Philipp,  dem  aber  an  der  Rettung  Wiens  geringeres  Ver- 
dienst zukommt  als  den  beiden  erstgenannten.  In  den  ersten 
Tagen  verzeichnet  das  Tagebuch  Solimans  nur  leichte  Schar- 
mützel, bei  denen  es  auf  einige  abgeschnittene  Köpfe  mehr  oder 
weniger  nicht  ankam.  Wie  vor  Rhodos,  begannen  am  5.  Oktober 
die  Sandschaks  von  Bosnien  und  Semendria  Minen  zu  legen, 
und  man  arbeitete  daran  die  Gräben  aufzufüllen.  Am  9.  waren 
zwei  Breschen  am  Kärtner  Tore  geöffnet  worden,  aber  der  darauf- 
hin unternommene  Sturm  wurde  zurückgeschlagen;  eine  dritte 
Bresche  bemerkte  man  am   11.,  zwei  weitere  am   12. 

1)  Giovio  fol.  244:  „Per  via  di  donna  si  fä  paiente  del  duca  di  Savoia 
et  del  re  di  Francia." 

2)  Hammer,   Beilagen  zum   dritten  Bande. 


413  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

Ein  frühzeitig'er  Winter  setzte  ein:  am  17.  erfolgte  starker 
Schneefall.  An  dem  Entschlufs  der  Belagerten,  bis  zum  äufser- 
sten  Widerstand  zu  leisten,  konnte  nicht  gezweifelt  werden;  ein 
Kriegsrat  fand  statt  und  beschlofs  den  Rückzug,  wenn  ein  letzter 
allgemeiner  Sturm  nicht  zum  sofortigen  Falle  Wiens  führen  sollte. 
Den  Eifer  der  Janitscharen  spornte  ein  Geschenk  von  tausend 
Dukaten  an;  am  14.  rissen  zwei  Minen  wieder  eine  grofse  Lücke 
in  die  Mauern  am  Kärntner  Tor,  aber  der  nun  erfolgende  Angriff 
der  besten  osmanischen  Truppen  endete  mit  einem  Rückzuge. 
Bereits  in  der  folgenden  Nacht  brachte  man  die  Geschütze  auf 
Kähne  und  brach  am  16,  das  Lager  ab.  Dieser  Ausgang  hin- 
derte freilich  die  Türken  nicht,  ihre  Wafifentaten  im  fernen  Westen 
unter  den  unbezwinglichen  Mauern  des  berühmten  Wien  als  Sieg 
des  Kaisers  zu  feiern  ^). 

Bis  Raab  ging  der  Marsch  unter  fortwährendem  Schnee- 
gestöber sehr  schwer  vor  sich ;  einige  Karren  mufsten  sogar  ver- 
brannt werden,  und  die  Artillerie  brachte  man  auf  der  glück- 
licherweise noch  nicht  zugefrorenen  Donau  mühsam  weiter.  Am 
24.  langte  das  Heer  wieder  bei  Ofen  an :  König  Johann  erschien^ 
um  den  Kaiser  zu  begrüfsen;  er  wurde  von  allen  drei  Wesiren 
empfangen;  am  28.  erblickte  er  das  Antlitz  seines  Herrn  wieder, 
der  ihn  mit  den  üblichen  Geschenken  bedachte.  Die  Krone  von 
Ungarn  befand  sich  noch  in  den  Händen  Ibrahims ,  dessen  Ge- 
päck auf  dem  Wege  zurückgeblieben  war,  und  erst  vom  näch- 
sten Lagerort  aus  konnte  das  wichtige  Kleinod,  das  man  zunächst 
den  „berittenen  ungarischen  Begs"  zeigte,  von  Gritti,  der  aus 
der  Hand  Zapolyas  2000  Dukaten  bereits  erhalten  hatte,  Pereny 
und  dem  vor  Wien  zu  den  Türken  übergegangenen,  von  den 
Osmanen  Arschik  genannten  Sekretär  Simon  Deäk  Athinai  dem 
,,Janusch  Kiral "  überbracht  werden  2). 

Der  Rückmarsch  gestaltete  sich  fortdauernd  schwieriger,  und 
der  Janitscharen-Aga  erlag  den  Anstrengungen  und  Entbehrungen. 
Am  6.  November  wurde  Peterwardein  erreicht.  Erst  nach  ein- 
undzwanzig Tagen  war  das  Lager  bei  Sofia.    Nach  weiteren  Regen- 


i)  Solimans  Tagebuch. 
2)  Ebenda. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch  Sultan   Soliman  II.   usw.     41S 

tagen  erfolgte  endlich  am  i6.  Dezember  die  „glückliche  An- 
kunft" des  Kaisers  in  Konstantinopel  ^),  während  die  Anhänger 
Ferdinands  in  Siebenbürgen  von  einem  vollständigen  Siege  Kaiser 
Karls  über  Soliman ,  dem  Tode  Ibrahims  und  Grittis  und  der 
Flucht  des  Sultans,  der  „allein  auf  dem  Wasserwege  zurück- 
gekehrt sei",  zu  berichten  wufsten  ^). 

Auch  im  folgenden  Jahre  1530  gehörte  Siebenbürgen  den 
Anhängern  König  Ferdinands.  Nach  der  Ermordung  Radus 
hatten  die  Bojaren  der  kaiserlichen  Partei  Basarab,  einen  natür- 
lichen Sohn  Neagoes,  auf  den  Thron  erheben  wollen  und  schon 
ins  Land  gebracht  ^),  die  Donaubegs  aber  Moise,  den  Sohn  des 
vorigen  Regenten  Vladislav ,  zum  Fürsten  eingesetzt.  Dieser 
wurde,  nachdem  er  viele  seiner  Bojaren  hatte  hinrichten  lassen,  von 
den  Donautürken  nach  Siebenbürgen  verjagt,  und  an  seine  Stelle 
trat  ein  den  Türken  gefügiger  Vlad  (Juni).  Gegen  ihn  erschien 
aus  Siebenbürgen  zuerst  der  sächsische  Phantast  Mark  Pemflinger, 
der  sich  im  Falle  eines  Erfolges  den  Besitz  Giurgius,  Turnus, 
Nikopolis'  und  Plewnas  ausbedungen  hatte,  und  besiegte  ihn,  ehe 
ihm  die  Türken  noch  zu  Hilfe  eilen  konnten;  Friedensverhand- 
lungen führten  zu  keinem  Ende,  da  die  Bedingungen  zu  schwer 
waren  *).  Von  Hermannstadt  aus  brach  dann  im  August  unter 
den  Befehlen  Majläths,  des  Führers  der  siebenbürgischen  Ferdi- 
nandisten,  und  Gaspar  Horvaths  ein  Heer  von  rumänischen  Pri- 
begs  und  Einheimischen  auf,  um  mit  Hilfe  der  mit  Moise  ver- 
schwägerten oltenischen  Familie  der  Pirvulestl  ^)  diesen  wieder 
nach  Tirgoviste  zu  führen.  Es  drang  längs  dem  01t  bis  gegen 
die  Donau  vor,  wo  Moise  beim  Dorfe  Viisoara  ermordet  und 
Majläth  gefangengenommen  wurde;  doch  kam  er  später  zu  den 
Seinigen  zurück.     Mit  Mehemed-beg,    als  dem  ersten  unter  den 


i)  Solimans  Tagebuch. 

2)  „Solns  per  aquam  reversus  est."  Brief  Stephan  Majläths,  des  Befehls- 
habers von  Fogaras,  3.  und  13.  November  1529;  Kronstädter  Archiv,  Schnell 
UI,  96,   105. 

3)  Meine  „Studii  §i  doc."  III,  S.  l. 

4)  Ebenda  S.  LI. 

5)  ^g^-  „Geschichte  des  rumänischen  Volkes"  I,  S.   367  ff. 


414  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

Donaubegs,  vereint,  gelangte  Vlad  bis  zu  den  siebenbürgischen 
Pässen ,  und  sie  hatten  den  Mut,  dieselben  zu  überschreiten. 
Majlath  begleitete  sie  jetzt  als  neubekehrter  Anhänger  Zäpo- 
lyas,  und  die  Kronstädter  wurden  gezwungen,  zu  ,, König  Hans" 
zu  schwören;  auch  Hermannstadt,  wo  Nikolaus  Gerendy  in  König 
Ferdinands  Namen  waltete,  suchten  die  Türken  und  Rumänen 
heim  ').  Aufserdem  fielen,  von  Zäpolya  gerufen,  die  Türken  Se- 
mendrias ins  österreichische  Ungarn  ein  und  kehrten  mit  zahl- 
reichen christlichen  Gefangenen  zurück  ^). 

Von  einem  neuen  kaiserlichen  Zuge  war  nicht  die  Rede : 
hätte  er  doch  eines  politischen  Zieles  entbehrt.  1530  erschienen 
in  Konstantinopel  als  Gesandte  Ferdinands  Lamberg  und  der 
schon  einmal  abgewiesene  Jurisich.  Jetzt,  nachdem  Soliman 
durch  den  Verlauf  der  Belagerung  Wiens  die  Macht  des  Deut- 
schen kennen  gelernt  hatte,  wurde  ihnen  ein  besserer  Empfang 
zuteil.  Sie  mufsten  den  Vorwurf  hören,  dafs  ihr  Herr  vor  dem 
Kaiser  nicht  habe  erscheinen  wollen ,  obgleich  dieser  in  Ofen, 
Bruch  und  Wien,  ,,der  schonen  Stat,  in  einem  ebnen  Lande  li- 
gund  mit  genuegsamen  gueten  Weinwaxs,  auch  schonen  Gepierg 
und  ebnen  Land  umgeben",  allda  er  sich  ,,ein  Haus  zu  bauen" 
wünschte,  ihn  erwartete;  und  der  Wesir  Ibrahim  verlangte,  dafs 
Ferdinand  auf  alle  Rechte  und  Besitzungen  in  Ungarn  verzichte 
und  seinen  Bruder,  Kaiser  Karl,  bewege,  sich  ,,aus  teutschen 
Landen  in  Yspania  zu  ziehen",  wo  sein  Erbe  sei;  wenn  er  diese 
Bedingungen  nicht  annehmen  wolle ,  so  sei  auch  von  keinem 
Tribut  zu  sprechen,  denn  ,,der  Kaiser  verkhauf  nit  Lande,  er 
bedurf  auch  unsers  Geltz  nit;  und  zeigte  uns  durch  das  Fenster 
Suben-Turn,  die  warn  all  vol  Geltz,  auch  Silber  und  Golds,  die 
hab  er  noch  nie  angrifen"^). 

Ein  im  November  unternommener  Versuch,  Ofen  zu  erobern 


i)  Vgl.  meine  „Inscriptii"  I,  S.  195  — 196;  II,  S.  820;  dann  Hurmu- 
zaki  II  ^,  S.  667 — 672;  II\  S.  71  —  72,  Nr.  xivi ;  Ostermayer  in  den  Quellen 
zur  Geschichte  der  Stadt  Kronstadt  IV,  S.  499. 

2)  Pray,  Epistolae,  S.   359. 

3)  Gesandtschaftsbericht  im  Anhange  zu  Hammer  III,  und  dann  in  Gevay 
a.  a.  O. 


Vernichtung   der  Königreichs   Ungarn   durcli   Sultan   Soliman  II.  usw.       415 

—  Gritti,  den  Zäpolya  zum  Grafen  von  Marmaros  und  Generalstatt- 
halter ernannt  hatte,  weilte  als  Kundschafter  des  Sultans  in  der 
Stadt  — ,  scheiterte  ');  nach  läng-erer  Belagerung  mufsten  sich  die 
Deutschen  Rog-gendorfs  zurückziehen  2).  Das  Vorhaben  erhöhte 
aber  selbstverständlich  den  Zorn  des  Sultans  über  den  „König- 
von  Wien",  und  auch  der  Abschlufs  eines  Waffenstillstandes 
zwischen  Ferdinand  und  Zäpolya  bis  zum  Ende  des  Jahres  1531 
trug  nicht  dazu  bei,  ihn  abzuschwächen.  Die  neuen  Gesandten 
Ferdinands,  der  Graf  zu  Nogarola  und  Lamberg,  erreichten  in- 
folgedessen 1531  ebenso  wenig  wie  die  früheren,  obgleich  sie 
Vollmacht  hatten,  einen  Tribut  bis  zu  100 000  Dukaten  anzu- 
bieten. Soliman  hatte  den  Entschlufs  gefafst,  noch  einmal  nach 
Ungarn  zu  gehen,  und  liefs  die  deutschen  Vertreter  absichtlich 
an  seinem  Hofe  hinhalten  ^). 

Der  beabsichtigte  Zug  aber  galt  nicht  mehr  dem  Becs-Ki- 
raly,  sondern  seinem  Bruder  Karl,  den  die  Türken  einfach  ,,  Kö- 
nig von  Spanien"  nannten,  ,, Der  Kaiser",  schrieb  Ibrahim,  „ist 
nicht  in  diese  Länder  gekommen ,  um  armen  Leuten  Schaden 
zuzufügen,  sondern  nur,  um  den  König  Karl  von  Spanien  zu 
suchen ;  denn  dieser  beunruhigt  die  ganze  Welt,  verjagt  Könige 
und  Herzöge  und  verkauft  ihnen  ihre  Länder  wieder  und  nimmt 
Geld  dafür;  er  hat  sich  die  Krone  auf  die  Stirn  gesetzt  und  sagt, 
dafs  er  der  Welt  Kaiser  sei  *)."  Diesen  seinen  Rivalen  also,  sei  es 
als  Feind  oder  Freund,  vor  sich  zu  sehen,  war  Solimans  Absicht. 

Einen  Tag  später  als  gewöhnlich,  am  24.  April  verliefs  So- 
liman Konstantinopel;  in  Adrianopel  feierte  er  das  Bairamfest"). 
Erst  am  letzten  Maitage  überschritt  das  Heer  die  Balkanpässe 
von  Ichtiman.  Als  der  Kaiser  sich  in  Nisch  befand ,  dessen 
warme  Bäder  er  besuchte,  kamen  ihm  Gesandte  König  Ferdi- 
nands entgegen,  um  der  Ehre  des  Handkusses  gewürdigt  zu  wer- 
den: es  waren  Nogarola  und  Lamberg.     Sie    schlössen  sich  So- 


i)  Fefsler-Klein  III,  S.  444. 

2)  Ebenda  S.   444 — 445. 

3)  Vollmachten  der  Gesandtschaft  im  Anhange  zu  Hammer  III  u.  in  Gevay,  z  J. 

4)  Anhang  zu  Hammer  III ;  vgl.  auch  Gevay  P,  S.  8  7  ff. 

5)  Siehe  auch  Hurmuzaki  VIII,    S.  60 — 61,  Nr.  lxxxi — LXXXU. 


416  Zweites  Buch.     Zehntes   Kapitel. 

liman  auf  seinem  Weg-e  an.  Am  27.  Juni  setzte  er  über  die 
Sawe ;  es  war  sein  Wille ,  das  durchzogene  Land  durchaus  vor 
allen  Unbilden  des  Krieges  zu  bewahren.  Weiterhin  stellte  sich 
ein  französischer  Gesandter  ein,  um  dem  Freunde  seines  Königs 
und  dem  Feinde  Karls  V.  seine  Aufwartung  zu  machen;  dann 
erschien,  aber  nicht  im  Namen  des  ,,Janusch",  Königs  von  Un- 
garn von  des  Sultans  Gnaden,  sondern  als  Vertreter  einer  neuen 
„unabhängigen  Partei",  auch  Peter  Perenyi  und  endlich  der 
serbische  Despot;  die  beiden  letzteren  wurden  nur  vom  Grofs- 
wesir  empfangen ,  und  Perenyi  nach  einigen  Tagen  in  Haft  ge- 
nommen ^). 

Über  Käpolna  hinaus  begann  man  das  Land  als  feindlichen 
Boden  zu  behandeln;  Zapolya,  der  sich  scheute  vor  dem  Kaiser 
zu  erscheinen  und  für  jeden  Fall  im  Temesvärer  Banat  Truppen 
zusammenzog,  schien  das  Vertrauen  seines  Oberherrn  verloren 
zu  haben.  Den  Akindschis  gesellten  sich  Tausende  von  wilden 
Tataren  bei,  um  an  der  Verwüstung  des  Landes  und  der  gewinn- 
bringenden Jagd  nach  Gefangenen  teilzunehmen.  Von  Ende  Juli 
an  nahm  man  alle  am  Wege  liegenden  Schlösser  ein  und  liefs 
Besatzungen  darin  zurück.  Hidveg  und  Taplanfa  an  der  Raab 
hatten  noch  dem  ,,Janusch"  gehört,  aber  am  9.  August  befand 
sich  das  Heer  vor  dem  von  Slawen  und  Türken  Kosek  und  von 
den  Ungarn  Köszeg  genannten  Schlosse  Güns,  dessen  Besatzung 
im  Dienst  König  Ferdinands  stand. 

Nach  einigen  Regentagen  begann  die  Belagerung- dieses  Platzes, 
der  den  Weg  nach  Wien  beherrschte.  Von  der  Bevölkerung  ge- 
rufen, hatte  sich  Nikolaus  Jurisich  oder,  wie  er  gewöhnlich  ge- 
nannt wurde,  Nikolitza,  hineingeworfen;  die  Aussicht,  sich  längere 
Zeit  halten  zu  können,  war  gering,  —  hatte  er  doch  höchstens 
tausend  Mann  zur  Verfügung!  Vom  21.  bis  zum  28.  August 
liefsen  nun,  wie  im  Jahre  1529  gegen  Wien,  so  jetzt  gegen  das 
kleine  unbedeutende  Güns  die  Osmanen  alle  ihre  Kriegskünste 
spielen;  schliefslich  zeigte  sich  ,,der  Befehlshaber  Nikolaus" 
bereit,  einen  Kapitulationsvertrag  abzuschliefsen,    und    als    einer 


i)  Kretschmayr,  Ludovico  Gritti,  im  Arch.  für  österreichische  Geschichte 
LXXXIII  (1896),  S.  43;  Istvanffy,  S.   117. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn  durch   Sultan   Soliman  II.   usw.       417 

der  Gesandten  Ferdinands  in  Konstantinopel  gewesen  war,  wurde 
ihm  dieses  Zug-eständnis  gemacht;  im  kaiserlich  türkischen  Lager 
aber  herrschte  grofse  Genugtuung"  über  den  errungenen  Erfolg  ^) 
(27.  September). 

Denn  Soliman  verschmähte  es,  weiter  über  Güns  hinaus  gegen 
Wien  vorzurücken.  Zwar  war  die  schlechte  Jahreszeit  noch  fern, 
aber  zahlreiche  deutsche  und  spanische  Truppen  lagen  in  der 
Hauptstadt,  und  so  wurde  der  Rückzug  angeordnet.  Soliman 
tröstete  sich  damit,  dafs  Ferdinand  nicht  gewagt  hatte,  mit  einem 
guten,  kampfbereiten  und  kampflustigen  Heere  sich  ihm  zu  stellen, 
vielmehr  sein  Land,  ,,wie  ein  feiger  Mann  seine  Frau",  in  den  Hän- 
den des  Feindes  gelassen  habe,  und,  um  nicht  von  einem  Rück- 
züge sprechen  zu  müssen,  wurde  der  Weg,  der  angeblich  doch 
noch  nach  Wien  führen  sollte,  durch  die  Steiermark  genommen. 
Die  12000  Akindschis  brannten  und  raubten  durch  das  Land, 
bis  die  Deutschen  und  Spanier  sich  ermannten,  sie  bei  Staren- 
berg angriffen  und  viele  von  ihnen,  darunter  auch  den  Führer 
Kasum  Michalogli  töteten  ^).  Auch  die  Tataren  hausten  in  der 
Gegend  des  von  Gritti  mit  ungarischen  Reichstruppen  belager- 
ten ^)  Gran  aufs  schlimmste ,  schleppten  Sklaven  fort  und  ver- 
übten die  scheufslichsten  Grausamkeiten,  um  den  spanischen  König, 
dem  die  Steiermark  eigentlich  gehörte ,  zu  züchtigen.  Jenseits 
der  Mur  wurden  viele  Schlösser  desselben  angegriffen  und  be- 
setzt; das  Tagebuch  des  Sultans  verzeichnet  Witschein,  Lem- 
bach,  Schleinitz,  Radnik.  So  gelangte  der  sich  solcher  ,,  Siege" 
rühmende  osmanische  Herrscher  wieder  zur  Drau,  welche  man 
auf  einer  schnell  gefertigten  Brücke  in  grofser  Hast  und  mit  vielen 
Unfällen  überschritt  (20. — 21.  September).  Pettau,  das  die  Akind- 
schis schon  öfter  als  Feinde  gesehen  hatte,  wurde  berührt;  eben- 
so das  den  türkischen  Brandstiftern  ebenfalls  wohlbekannte  Schlofs 
Posega.  Pancsova  an  der  Donau,  das  König  Ferdinand  gehörte, 
wurde  eingenommen.  Am  19.  Oktober  war  Soliman  schon  inSemen- 


i)  Siehe  auch  den  Gesandtschaftsbericht  Nogarolas  und  Lambergs  in  Gevay, 
Fasz.  1531  — 1532.  Dazu  Istvanffy  S.  Ii6ff.;  den  Brief  Jurisichs  in  Charri^re, 
I,  S.    215  ff. 

2)  Vgl.   auch  Leunclavius   Sp.    764 — 766. 

3)  Kretschmayr  a.   a.   O.   S.   40  ff. 


Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II. 


27 


4:18  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

dria  und  am  21.  des  folg-enden  Monats  in  Konstantinopel,  das  er, 
um  das  vollständige  Mifsling-en  des  Zuges  zu  verschleiern ,  fünf 
Tage  hindurch  mit  allen  Vorstädten:  Ejub-Pascha,  Galata-Pera, 
Skutari  in  Asien,  festlich  beleuchten  liefs ;  erst  am  26.  November 
endeten  diese  wenig  aufrichtig  gemeinten  Festlichkeiten  '). 

Jetzt  endlich  war  der  Sultan  einem  Frieden  geneigter,  und,  als 
Ferdinands  neue  Gesandten,  Hieronymus  von  Zara  und  Cornelius 
Schepperus,  ein  Dalmatiner  und  ein  Holländer,  in  Konstantinopet 
erschienen,  erfreuten  sie  sich  einer  freundlichen,  wenn  nicht  gar 
zuvorkommenden  Aufnahme  seitens  des  Sultans.  Auf  sein  Ver- 
langen brachten  sie  ihm  die  Schlüssel  Grans;  die  Erfüllung  dieser 
Laune  war  eine  gern  erwiesene  Gefälligkeit  ^).  Zugleich  verhan- 
delte für  Zapolya  in  der  türkischen  Hauptstadt  ein  Mann ,  der 
besser  als  jeder  andere  Christ  die  Geheimnisse  des  osmanischen 
Hofes  kannte :  der  neuerdings  (April)  aus  Ungarn  eingetroffene 
,,Gubernator"  Gritti^).  Hieronymus  und  Schepperus  erlangten 
schliefslich  nur,  dafs  der  allein  wahre  Kaiser  den  König  von  Wien 
als  seinen  Sohn  betrachten  wolle  und  sehr  geneigt  sei,  mit  dem 
Bruder  dieses  neuen  Sohnes,  dem  Spanier,  in  Verhandlungen 
zu  treten.  Über  den  Zapolya  verliehenen  Besitz  Ungarns  waren 
die  Akten  geschlossen ;  was  die  Gesandten  als  Verheifsungen  im 
anderen  Sinne  betrachteten  und  nach  Hause  berichteten,  waren 
nichts  als  schlaue  und  im  Grunde  leere  Redensarten  der  Politiker 
in  Stambul  ■•).  Der  Frieden  war  eine  Tatsache,  mochte  auch  für 
,,zwei-  oder  dreihundert  Jahre  und  ewig  gelten";  darüber  hinaus 
aber  hatte  der  Fürst,  dessen  Generale  Wien  und  Güns  so  gut 
zu  verteidigen  verstanden  hatten,  nichts  gewonnen.  Zwischen 
dem  ,, Bruder"  Ferdinand  und  dem  ,,  Statthalter"  und  ,, treuen  Die- 
ner" Zapolya  sollte  im  übrigen  im  Laufe  des  nächsten  Jahres 
der  in  spezieller  Mission  auftretende  Gritti,  als  Gubernator,  der 
Landtage  zu  berufen  befugt  war  und  Todesurteile  gegen  verdäch- 
tige Edelleute  aussprach  und  vollstrecken  liefs,  vermitteln  ^).     Ihre 


1)  Solimans  Tagebuch. 

2)  April ;  schon   im  Januar  waren   die  Gesandten   in  Konstaiitinopel  gewesen  •, 
Fefsler-Klein  III,   S.  461  ff. ;   Gevay  z.  J.  3)   Kretschniayr   S.    53. 

4)  Fefsler-Klein  III,  S.  464 ff. ;  Gcvay  z.  J.  5)  Ebenda. 


Vernichtung  des   Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   S'oliman  II.  usw.       419 

wahren  Absichten  liefsen  die  Türken  erkennen,  indem  sie  Schep- 
perus,  der  sich  im  März  1 534  als  Gesandter  Kaiser  Karls  um  Frieden 
einstellte,  sehr  wenig"  g-limpflich  behandelten  (er  wurde  auch  mit 
den  Hohnrufen  Spaina,  Spaina  —  d.  h.  Spanier  —  beim  Verlassen 
des  kaiserlichen  Audienzsaales  empfangen  ')) :  unter  anderen  Be- 
dingungen verlangten  sie,  dafs  sein  Auftraggeber  sich  jeder  Be- 
ziehungen zum  Papste  enthalte,  den  die  Osmanen  noch  immer  als 
das  eigentliche  Haupt  der  Christenheit  und  den  Träger  aller 
Kreuzzugsideen  betrachteten,  und  mit  König  Franz  I.  einen  für 
diesen  günstigen  Vertrag  abschUefse  ^). 

Im  Sommer  desselben  Jahres  1534  brach  das  osmanische 
Heer  nach  i\sien  auf;  und  die  Aufgabe  und  Vollmacht,  an  der 
Donau  Ordnung  zu  halten,  wurde  dem  ehrgeizigen,  geldgierigen 
Levantiner  Gritti  anvertraut.  Wahrscheinlich  suchte  dieser  christ- 
liche ,, Diplomat"  des  osmanischen  Hofes,  der  der  Freund  Ibra- 
hims und  bis  zum  gewissen  Grade  auch  ein  Günstling  des  Sul- 
tans war,  nichts  weiter  als  Gelegenheit  zur  Erwerbung  von  Reich- 
tümern —  1532  liefs  er  in  Kronstadt  Safran  verkaufen  ^),  auch  hatte 
er  Korn  an  seine  Venezianer  verkauft"*)  —  und  zur  Befriedigung 
seiner  übermäfsigen  Eitelkeit,  wie  Beschäftigung  für  seinen  in 
Ränken  und  Plänen  unerschöpflichen  Geist.  Wenn  ihm  dagegen 
manche  die  Absicht  unterschieben,  er  habe  sich  zum  Könige  von 
Ungarn  aufwerfen  und  aus  den  rumänischen  Fürstentümern  —  seine 
Tochter  hatte  Gritti  mit  einem  walachischen  Kronprätendenten 
verheiratet  ^)  —  Leibgedinge  für  seine  zwei  Söhne  machen  wollen, 
so  übersehen  sie,  dafs  Gritti  jedenfalls  kein  Phantast  oder  gewöhn- 
licher Abenteurer  war;  er  wufste  nur  allzu  gut,  dafs  die  unga- 
rische und  rumänische  Aristokratie  die  Herrschaft  eines  Fremden, 
mochte  ihr  selbst  die  Unterstützung  des  allermächtigsten  Kaisers 


i)   Gevay  z.  J.,   S.  45.      Vgl.   auch   S.   59. 

2)  Ebenda  z.  J. ;    Kretschmayr    S.   5  2  ff.     Ein    türkischer   Gesandter,    Me- 
hemed  Tschausch,  in  Wien,  Kretschmayr  S.   52;  Istvänffy  S.    128. 

3)  Ostermayer  in  den  „Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Kronstadt"  IV, 
S.  500.     Vgl.  auch  Gevay   1534,  S.   118. 

4)  Gevay  1534,   S.   120 — 121. 

5)  Tört.  Tdr    1903,   S.    56. 

27* 


430  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

Soliraan  zuteil  werden,  auf  die  Dauer  nicht  geduldet  hätte ;  auch  ist 
die  Frage,  ob  Soliman  selbst  diesem  Sklaven  seiner  Sklaven  eine 
solche  Erhebung  gegönnt  oder  verziehen  hätte  ^).  Vielmehr  mag 
sein  Auftrag  dahin  gelautet  haben,  in  Siebenbürgen  Frieden  zu 
stiften,  indem  er  die  Anhänger  Ferdinands  auf  italienische  Art, 
durch  Anzettelung  von  Verschwörungen  und  geschickten  Mord- 
taten, ausrotte ;  ferner  auch  unter  der  Partei  Zäpolyas  Musterung 
halte  imd  nach  Beseitigung  aller  widerstrebenden  Elemente  aus 
dem  Lande  eine  vom  Sultan  abhängige  Woiwodschaft,  jener  der 
Moldau  und  Walachei  entsprechend,  unter  einem  treuen  Diener 
wie  Doczy  bilde.  Grofse  Bedeutung  kommt  der  Äufserung 
Schepperus',  des  Gesandten  König  Ferdinands  an  die  Pforte,  zu, 
der  am  2.  Juni  ausdrücklich  bemerkt,  dafs  Gritti  sich  über  Ofen 
nur  als  Vermittler  zu  seinem  König  begebe  ^),  und  der  Äufse- 
rung Grittis  selbst  gegen  diesen  selben  Gesandten,  dafs  er  komme, 
,,um  die  Sachen  in  Ungarn  zu  ordnen  und  die  stolzen  Häupter 
der  Ungarn   zu  bestrafen"  ^). 

Jedenfalls  hatte  Gritti,  der  seiner  persönlichen  Wirkung  sehr 
viel  zutraute,  nur  ein  kleines  Gefolge  *)  bei  sich ,  als  er  sich  im 
Juni  gegen  die  Walachei  wandte.  Er  täuschte  sich  freilich,  wenn 
er  glaubte,  die  mifstrauischen  Leiter  der  rumänischen  und  sie- 
benbürgischen  Politik  hierdurch  allein  schon  zu  entwaffnen.  Als 
sich  einige  Bojaren  in  der  Nähe  von  PitestI  bei  ihm  einfanden 
und,  aufs  beste  empfangen,  an  Stelle  des  ihnen  nicht  genehmen 
neuen  Vlad-Vintilä  —  der  erste  Vlad  war  1532  ertrunken  — 
einen  anderen  Fürsten  verlangten,  gelang  es  jenem,  das  kleine 
Lager  des  Gubernators  mit  seinen  Truppen  zu  umringen,  die  re- 
bellischen   Grofsen    herauszuholen    und    grausam    zu    bestrafen; 


i)  Vgl.  die  schon  oft  zitierte  gewissenhafte  Arbeit  H.  Kretschmayrs, 
Ludovico  Gritti,  im  „Archiv  für  österreichische  Geschichte"  LXXXIU  —  eine 
ungarische  Bearbeitung  davon  in  der  Sammlung  von  Monographien  über  die  Ge- 
schichte Ungarns  —  und  I.  Ursu,  Die  auswärtige  Politik  des  Woiwoden  der 
Moldau  Peter  Rare^;  erste  Regierung  1527  — 1538;  Berliner  Inauguraldissertation 
1907. 

2)  Hurmuzaki  II*,  S.   54,  Nr.  xxxi. 

3)  ,,Res  in  Hungaria  componere  et  superba  illa  capita  Hungarorum  castigare"; 
Gevay  S.  61;  vgl.  Tört.  Tär  a.  a.  O.  S.   228. 

4)  Vgl.  Gevay,   1534,. S.  63. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   Soliman   II.   usw.       421 

Gritti  mufste  den  Zuschauer  spielen  und  trotz  der  tiefen  Krän- 
kung mit  Vlad  sogar  einen  Vertrag  abschliefsen  ^). 

Am  20.  August  langte  Gritti  vor  Kronstadt  an,  das  sein  aus 
Ofen  eingetroffener  und  bereits  seit  dem  i.  Mai  „mit  vielen 
Türken  und  Husaren"  dort  befindlicher  Sohn  Antonio  vergeb- 
lich zu  betreten  gewünscht  hatte  ^).  Der  verdächtige  Gast,  dem, 
Zäpolyas  Befehl  zufolge,  alle  Ehren  erwiesen  wurden,  hatte  nichts 
Dringlicheres  zu  tun,  als  sogleich  in  der  ganzen  Handelsstadt 
nach  Anhängern  Ferdinands  Nachforschungen  zu  veranstalten, 
und  alle,  die  als  solche  ,, Verräter  des  Kaisers"  gelten  konnten, 
mufsten  sich  von  diesem  Verdachte  loskaufen.  Es  war  natürlich, 
dafs  niemand  ihm  trauen  wollte,  wie  er  seinerseits  niemandem 
traute.  Auch  der  eigentliche  Herr  Siebenbürgens,  Stephan  Maj- 
lath,  schlofs  sich  vorsichtig  in  sein  Schlofs  Fogaras  ein,  und,  als 
sich  der  Grofswardeiner  Bischof  Emerich  Czibak,  als  Vizewoiwode 
des  Landes,  mit  einigen  Gefährten  nach  Kronstadt  aufmachte, 
um  Gritti  zu  beglückwünschen ,  liefsen  dieser  und  der  mit  ihm 
erschienene  Döczy  ihn  überfallen  und  ermorden;  am  Hauptaltar 
der  Kronstadter  Kirche  setzten  die  Sachsen  den  von  Gritti  ihnen 
überlieferten  Kopf  Czibaks  ehrerbietig  bei. 

Dieser  Mord  setzte  ganz  Siebenbürgen  in  Flammen.  Ste- 
phan Majlath  übernahm,  ohne  erst  seinen  König  zu  befragen,  den 
Befehl  über  die  Rebellen.  Gritti  mufste  vor  ihm  in  die  be- 
festigte Stadt  Mediasch  (Megyes)  —  aber  nicht  ins  Schlofs  selbst, 
wo  sächsische  Bürger  auch  weiter  Wache  hielten  —  fliehen,  wo 
seine  Feinde  ihn  belagerten.  Er  verfügte  zwar  über  zahlreiche  unga- 
rische Husaren,  die  für  Sold  dienten,  aber  über  kaum  einige  Hun- 
dert türkischer  Fufstruppeü,  Asapen  und  einige  Janitscharen  und 
kein  einziges  Geschütz.  Die  unter  Rares'  Logofat  (Logotheten) 
Tudor  und  dessen  Vornic,  Huru,  angekommenen  Moldauer  blieben 


i)  „Studii  ^i  documente"  III,  S.  LI— II ;  Tranquillus  Andronicus  ,  der  Biograph 
Grittis,  im  „Tört^nelmi  Tär"  1903;  vgl.  einen  anderen  Biographen,  Della  Valle,. 
und  einen  dritten,  Musäus,  in  derselben  Zeitschrift  III  und  Kretschmayr  a.  a.  O. ;. 
Geschichte  des  rumänischen  Volkes  I,  S.  378;  auch  Hurmuzaki  I,  S.  87 — 88., 
Nr.  LXI  und  die  von  Schuller  veröffentlichten  Akten. 

2)  Siehe  die  Chronik  Ostermayers,  Quellen  der  Stadt  Kronstadt  IV, 
S.  501. 


423  Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

aufmerksame  Zuschauer  der  Ereignisse,  jeder  der  beiden  Parteien 
Freundschaft  bezeigend  ').  Am  28.  September  begann  die  Be- 
schiefsung  von  Mediasch,  und  am  folgenden  Tage  ergab  sich 
das  Schlofs.  Von  allen  verlassen,  begaben  sich  Gritti  und  seine 
Söhne  ins  Lager  der  Moldauer.  Diese  aber  lieferten  den  Gu- 
bernator  seinen  Feinden  aus,  die  ihn  ohne  weiteres  niederhieben. 
Da  sein  Kopf  an  Rares  geschickt  wurde,  so  ist  sicher,  dafs  dieser 
die  Tat  angeordnet  hatte,  sei  es  aus  Furcht  vor  einem  solchen 
Nachbar  oder  aus  Erbitterung,  weil  Gritti  ihn  in  seinem  Kriege 
mit  Polen  um  die  Provinz  Pokutien  —  1531  vvar  er  bei  Ober- 
tyn  vom  königlichen  General  Johann  Tarnowski  geschlagen  wor- 
den ^)  — -  bei  der  Pforte  nicht  unterstützt  hatte.  Die  zwei  Söhne 
Grittis  wurden  nach  der  Moldau  geführt  und  verschwanden  für 
immer.  Die  Türken,  die  den  Gesandten  und  Bevollmächtigten 
ihres  Plerrn  begleitet  hatten ,  wurden  ebenfalls  keiner  Schonimg 
teilhaft. 

Die  Ermordung  Grittis  befreite  Zapolya  zwar  von  einer 
lästigen  und  erniedrigenden  Aufsicht,  machte  ihn  aber  keines- 
wegs zum  wahren  Herrn  Siebenbürgens.  Denn  der  von  ihm  nach 
Torda  einberufene  Landtag  wählte  Majlath  zum  Woiwoden,  der 
seine  Stellung  als  ziemlich  unabhängig  betrachten  zu  wollen  schien. 
Aufserdem  waren  jetzt  auch  die  Türken  gegen  Zapolya  und  be- 
trachten ihn  als  einen  ,, verräterischen  Hund";  in  Belgrad  wurde, 
nach  Khosrew,  ein  erklärter  Feind,  Mehmed-beg,  sein  Nachbar. 
Schon  im  Jahre  1536,  dann  wieder  1537  sprach  man  von  dem 
Vorhaben  der  Türken,  Ungarn  anzugreifen;  in  ersterem  Jahre 
glaubten  manche  sogar,  dafs  der  Sultan  in  Person  die  Rache 
für  alle  erlittene  Kränkung  übernehmen  werde  ^). 

Der  oft  angekündigte  und  vielfach  gefürchtete  Zug  erfolgte 
nicht  und  auch  die  Herausforderungen  Rares',  der  zwar  seinen 
Tribut   von    loooo  Dukaten    und    die    mannigfachen  sonst  noch 


i)  Siehe  besonders  Ursu  S.    17  ff. 

2)  Vgl.  auch  Hurmuzaki,  Supl.  II,  Bd.  I,  und  die  Exzerpte  aus  dem  Ge- 
sandtschaftsberichte des  Polen  Ocieski ,  die  ich  in  der  Zeitschrift  „Literatura  ?i 
artä"   1900  gegeben  habe. 

3)  Hurmuzaki  II,  S.  104,    107  — loS,  Nr.  Lxxvm ;  S.  109  —  1 10,  Nr.  LXXXI. 


Vernichtung  des   Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   Soliman  II.   usw.       433 

erforderlichen  Gaben  —  g-emünztes  Geld  in  ung-arischen  Gulden, 
Zobel-  und  Luchspelze,  Pferde,  Falken  —  für  Kaiser  und  Wesire 
.am  Sankt  Georgstage  und  am  15.  Aug-ust  ^)  pünktlich  entrichtete, 
aber  am  4.  April  1535  einen  Vertrag-  mit  König-  Ferdinand  g-e- 
schlossen  hatte  ^)  und  bei  jeder  Gelegenheit  laut  von  der  Not- 
wendigkeit sprach,  den  in  Asien  geschwächten  Sultan  gemeinsam 
anzugreifen ,  blieben  ungesühnt.  Denn  die  persischen  Ver- 
wicklungen nahmen  Solimans  ganze  Aufmerksamkeit  in  Anspruch. 
Erst  als  diese  endlich  beigelegt  worden  waren,  konnte  der  Kaiser 
an  einen  neuen  Donauzug  denken.  So  konnten  denn  Peter  Crussich, 
der  Befehlshaber  von  Klissa,  über  dessen  Angriffe  die  Türken 
lange  Zeit  zu  klagen  Gelegenheit  hatten,  und  Katzianer  selbst, 
wie  auch  der  Spanier  Lodron,  mit  kleineren  Truppenabteilungen 
den  Kleinkrieg  an  der  slowenischen  Grenze,  obgleich  nicht  ohne 
bedeutende  Verluste  von  selten  des  Sandschaks  Mehemed  (1537), 
•wagen  ^).  Katzianer  wurde  wegen  der  schlechten  Kriegführung 
in  den  Kerker  geworfen  und ,  als  er  mit  den  Türken  ver- 
räterische Beziehungen  anknüpfte,  hingerichtet. 

Die  Meinung  war  natürlich,  dafs  die  Strafe  allen,  die  in 
letzter  Zeit  türkische  Interessen  geschädigt  hatten,  gelten  werde ; 
und  Solimans  Rüstungen  versetzten  seine  christlichen  Feinde  im 
Norden  derartig  in  Furcht,  dafs  Zapolya,  der  den  Zorn  Solimans 
durch  den  Mord  Grittis  hervorgerufen  hatte  ^),  sich  mit  Ferdinand 
aussöhnte  und  deutsche  Panzerreiter  und  spanische  Infanteristen 
von  ihm  erwartete  ^).  Siebenbürgen  füllte  sich  mit  eilig  zu- 
sammengezogenen Truppen,  und  am  Ojtuzpasse  stand,  wie  im 
Jahre  1476  während  des  moldauischen  Zuges  des  grofsen  Sultans 
Mohammed,  eine  starke  Wacht  unter  Majläth  ^),  während  der 
Szeklergraf  Emerich  Bebek  bei  Gergyö  hielt '');  ein  nach  Klausen- 


1)  Hurmuzaki,  Suppl.  IP,  S.  66 — 67. 

2)  Ebenda  II,  S.  91  ff. 

3)  Istväni'fy,  XIII.   Buch,   im   Anfange. 

4)  Gevay    1536,   S.    il. 

5)  Hurmuzaki  XI,  S.  35  —  36,  Nr.  XLVi;  II,  S.  182;  11*,  S.  151,  160,  164. 

6)  Kronstädter  Archiv,   Fronius  I,    13. 

7)  Ebenda. 


-434  "     Zweites  Buch.     Zehntes  Kapitel. 

bürg  berufener  Landtag  traf  aufserordentliche  Mafsnahmen  ^), 
Der  polnische  König,  dessen  soeben  über  die  Krim  zurück- 
gekehrter Gesandter  der  Anregung  zu  diesem  Kriege  dennoch 
jedenfalls  nicht  fern  stand,  schlofs  mit  dem  jetzt  hilflosen  Mol- 
dauer Frieden  ^).  Auch  hielten  polnische  Truppen  Hotin  am 
Dnjestr  besetzt,  wo  Rares'  Bruder  Theodor  Zuflucht  suchte  ^). 
In  Wirklichkeit  handelte  es  sich,  abgesehen  von  einem  herbst- 
lichen Einfalle  Mehemed-begs  von  Belgrad  nach  Slawonien,  der 
Steiermark  und  Kärnten  *) ,  allein  um  einen  Angriff  auf  die 
Moldau  5). 

Am  9.  Juli  verliefs  Soliman  Konstantinopel,  am  18.  wurde 
das  Lager  bei  der  zweiten  Reichshauptstadt,  Adrianopel,  auf- 
geschlagen. Seine  zwei  jüngeren  Söhne,  aufserdem  Mohammed- 
Pascha  und  Lutfi  und  beide  Beglerbegs  begleiteten  ihn;  an  den 
Tataren-Khan  war  Befehl  ergangen,  gegen  die  Moldau  zu  rüsten, 
um  mit  dem  kaiserlichen  Heere  zusammenwirken  zu  können ;  die 
Walachen  Vlads  erhielten  den  Auftrag,  den  Weg  von  Bäumen 
zu  säubern ;  300  Geschütze  folgten  dem  Sultan  *"). 

Am  7.  August  stellten  sich  Gesandte  Peter  Rares'  beim 
Heere  ein,  um  ,,den  Handkufs"  zu  leisten,  und  gaben  sich  den 
Anschein,  das  Ziel  des  Zuges  nicht  zu  kennen;  sie  wurden  nicht 
abgewiesen;  vielmehr  machte  sich  Sinan  Tschelebi  mit  Olaken 
nach  der  Moldau  auf,  um  dem  Fürsten  den  Befehl  zu  über- 
bringen, selbst  zu  erscheinen.  Nach  einigen  Tagen  kam  er  mit 
der  Antwort  zurück,  dafs  Rares  willens  sei,  dem  Verlangen,  wie 
1529  Zäpolya,  zu  entsprechen.  In  Erwartung  dessen  bewegte 
sich    das  Heer    nur    sehr   langsam    vorwärts;    in  der  Dobrudscha 


1)  Vgl.   auch   Hurmuzaki   II*,   S.    140  ff. 

2)  Ebenda  II,  S.    186—187. 

3)  Ebenda  Supl.  11 1,  S.   iii,  Nr.  lx. 

4)  Ebenda  II,   S.   201,  Nr.  CLV. 

5)  Der  venezianische  Bailo  schrieb  freilich  noch  am  11.  Juli  1538.  dafs  der 
Sultan  sich  an  die  Donau  begebe,  „con  animo  di  fare  la  impresa  della  Tran- 
silvania  et  del  Vallaco  piciolo ,  videlicet  del  Budano '' ;  er  werde  Hermannstadt 
stürmen  und  den  Tod  Grittis  rächen. 

6)  Vgl.  die  Berichte  in  Hurmuzaki  II,  II*,  Supl.  II»,  XI  usw.  Besonders 
das  Tagebuch  Solimans  im  Anhange  zu  Hammer  III. 


Vernichtung  des  Königreichs  Ungarn   durch   Sultan   Soliman  II.  usw.       425 

fand  der  Sultan  Zeit,  das  Grab  des  berühmten  Santons  Saltukdede 
in  Babadagh  zu  besuchen  und  der  Jagd  obzuliegen.  Erst  am 
21,  erreichte  man  die  Furt  von  Isaktsche,  wo  der  Beg  von 
Semendria  auf  den  Kaiser  wartete. 

Hier  erhielt  Chosrew-Pascha  Weisung,  in  Sofia  über  die 
Sicherheit  der  Verbindungen  zu  wachen,  während  Mohammed- 
Pascha,  wie  vormals  der  nun  hingerichtete  Ibrahim,  zum  Serasker 
ernannt  wurde,  allerdings  nur  bis  zur  Ankunft  des  Beglerbegs 
Rüstern  von  Anadol. 

Am  31.  August  überschritt  das  Heer  bei  Fälciitt  den  Pruth ; 
am  9.  September  waren  die  Türken  in  Jassy.  Peter  war  weder 
als  Freund,  noch  als  Feind  erschienen.  Von  König  Ferdinand  hatte 
er  vergebens  2 — 3000  Büchsenschützen  und  Szekler  verlangt^); 
andere  Alliierte  besafs  er,  der  vielmehr  allen  Nachbarn  verhafst 
war,  nirgends ;  hatte  doch  der  Walache  dem  Kaiser  die  begehrten 
Führer  für  das  Heer  mit  Freuden  geschickt  ^).  Die  Bojaren 
wufsten  bereits,  dafs  Soliman  in  Stephan,  dem  Sohn  Alexanders, 
des  als  Geisel  in  Konstantinopel  gestorbenen  Sohnes  Stephans 
des  Grofsen  —  Stephan  selbst  gab  sich  für  einen  Sohn  seines 
grofsen  Vorfahren  aus  — ,  einen  neuen  Fürsten  mitbringe  und 
verrieten  die  Sache  Peters,  der  mit  seinen  bäuerlichen  Scharen 
und  wenigen  Getreuen  keinen  Widerstand  zu  leisten  wagte.  Er 
begab  sich  über  den  Sereth ;  Hotin  wurde  ihm  von  den  Polen 
verschlossen,  Akindschis  und  Verräter  aus  dem  eigenen  Lande 
verfolgten  ihn,  und  er  mufste,  nachdem  er  im  Kloster  Bistrita 
ein  letztes  Gebet  verrichtet  hatte,  nach  Siebenbürgen  fliehen, 
wo  er  sich,  von  den  szeklerischen  Grofsen  achtungsvoll  empfangen, 
in  dem  von  seinen  Vorgängern  geerbten  Schlofs  Csicsö,  im  nord- 
östlichen Winkel  des  Landes,  verbarg  ^). 

So  kamen  die  Türken  nach  Suceava,  das,  wie  1529  Ofen, 
sehr  schonend  behandelt  wurde;  das  Land  gehörte  kraft  des 
Rechtes  des  Schwertes  nun  dem  Kaiser,  der  in  der  Hauptstadt 
seinen    ,, Sklaven"    Stephan    zum    Fürsten    einsetzte.     Vier   Tage 


i)  Hurmuzaki  II,  S.   178 — 179. 

2)  Ebenda  S.   192  — 193. 

3)  Vgl.  „Chilia  ^i  Cetatea-Alba"  S.  184  ff. ;  Documentele  Bistritel  I,  S.  XXXI ff. 


430      Zweites  Buch.    Zehntes  Kapitel.    Verniclitung  des  Königreichs  Ungarn  usw. 

blieb  man  daselbst  (i6. — 21.  September).  500  Janitscharen 
wurden  zurückgelassen.  Am  22.  verliefs  Soliman  die  Stadt  ^) 
und  begab  sich  über  den  Pruth,  um  mit  den  zurückkehrenden 
Tataren  Tighinea,  die  starke  Festung  und  reiche  Zollstätte  am 
Dnjestr,  zu  erreichen.  Hier  wurde  dann  ein  Schlofs,  Bender, 
erbaut,  dessen  Widmungsstein  den  siegreichen  Zug  des  Sultans 
und  die  Niederlage  des  Moldauers,  der  ,,von  den  Pferdehufen 
der  osmanischen  Reiterei  zertreten  worden  war",  verherrlicht^). 
Das  ganze  Land  vom  Flusse  Bic,  der  das  heutige  russische  Bess- 
arabien  quer  durchfliefst,  bis  zur  Donau  hin  bildete  die  Raja, 
das  neue  Gebiet  von  Kili  und  Akkerman  ^).  Am  4.  Oktober 
überschritt  man  die  Donau  auf  dem  Rückwege. 

Den  Winter  verbrachte  Soliman  zum  ersten  Male  in  Adria- 
nopel. Er  durfte  ausruhen.  Das  grofse  Werk,  dem  Reiche  seine 
endgültige  Grenze  zu  geben,  war  dem  klugen  Berechner  aller 
gegebenen  Möglichkeiten  und  dem  energischen  Ausnutzer  sich 
darbietender  günstiger  Verhältnisse  gelungen. 


1)  Mit  dem   24.   schliefst  sein  Tagebuch  ab. 

2)  Denkwürdigkeiten  der  Gesellschaft  von  Odessa  (russisch)  XIII,  S.  263  —  264. 

3)  „Chilia    ^i    Cetatea- Alba"    S.    186 ff. ;    vgl.    „Geschichte    des  rumänischen 
Volkes"  II,  S.   ifif. 


Elftes  Kapitel. 

Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen 

Soliman  11. 


Das  riesig"e  Reich,  das  allen  Feinden  widerstehen  konnte 
und,  obwohl  es  seine  natürlichen  Grenzen  erreicht  hatte,  auf  die 
Angriffspolitik,  die  es  begründet,  noch  nicht  verzichten  wollte, 
ruhte  auf  der  Disziplin  des  besten  Heeres  der  Welt,  dem  alle 
körperliche  und  seelische  Kraft  der  unterworfenen  Völker  zu- 
strömte, auf  einer  streng^gereg-elten  Hierarchie  und  einem  unbe- 
dingten Gehorsam,  der  dem  Vertreter  Osmans  die  Möglichkeit 
sicherte,  alles  nach  seinem  alleinigen  Gutdünken  zu  ordnen,  auf 
dem  Reichtum  verhältnismäfsig  gut  verwalteter  Provinzen,  unzweifel- 
hafter Befähigung  der  Dynastie  und  daneben,  nicht  zum  mindesten, 
auf  den  Tugenden  der  osmanischen  Gesellschaft,  besonders  der 
führenden  türkischen  Rasse,  zum  Teil  auch  wohl  der  mit  ihr 
vereinten  Klasse  der  zahlreichen  Renegaten. 

Das  Volk  lebte  noch  zu  Anfang  des  i6.  Jahrhunderts  in 
sehr  bescheidenen  Verhältnissen  dahin.  In  den  hölzernen  Häusern 
mit  verräucherten  Wänden  war  wenig  zu  sehen ;  Sitze  aus  Holz 
oder  Stein  galten  neben  dem  althergebrachten  Diwan  als  Neuerung. 
Teppiche  bildeten  den  einzigen  Schmuck;  auf  Teppichen  statt 
auf  Leintüchern  schliefen  die  meisten  ärmeren  Türken.  Die 
Wäsche  wurde  im  Innern  des  Hauses  getrocknet.  Auf  der  Erde 
hockend  benutzten  die  Bauern  sowohl  wie  die  Bürger  der  ver- 
schiedenen Marktflecken  und  Städte,  auch  die  Konstantinopels, 
noch  immer  die  bekannten  ledernen  Servietten  zu  ihren  einfachen 
Mahlzeiten,   die  gewöhnlich  aus  schwärzlichem,  dünn  und  schlecht 


438  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

gebackenem,  mit  Sesamsamen  bestreutem  Brot,  etwas  frischem 
Schaffleisch  oder  Pastyrma,  Reissuppe  oder  Reispilaf,  Gemüse 
und  Früchten,  nur  selten  aus  Fischen  bestanden,  weil  der  im 
Wasser  lebende  Fisch  fast  als  unrein  galt;  Gabeln  hatten  sie 
nicht,  sondern  langten  mit  drei  Fingern  zu,  während  nach  ihrer 
Annahme  die  Mohren  fünf  und  ,,der  Teufel  nur  zwei"  gebrauchte. 
Geistige  Getränke  wurden  im  Hause,  im  Kreise  der  Familie  nicht 
gesehen;  alle  Türken  tranken  aus  Zucker  bereiteten  Dschulep 
oder  Sek  er'),  Sorbett  mit  Honig,  mit  Rosenöl  parfümiertes 
Wasser,  in  dem  Rosinen  gekocht  waren,  Hossaf,  und  Most, 
Fechmez^).  Wie  beim  edelsten  Weine  pflegten  die  Sorbett- 
trinker lärmend  die  Gesundheit  eines  jeden  auszurufen.  Die 
Teller  waren  aus  Holz:  nur  in  reichen  Häusern  war  asiatisches 
Porzellan  eingeführt  worden;  sogar  im  Serail  waren  die  Löffel 
hölzern  und  das  Geschirr  gewöhnlich,  wie  in  Venedig,  aus  Bronze*). 
Aber  Ibrahim-Pascha  trank  aus  einem  Türkisenbecher  und  rühmte 
sich,  dafs  sein  Herr  jährlich  zwei  Some  (Pferdelasten)  von  solchen 
Edelsteinen  bekomme  *). 

Den  Stadtbewohnern  standen  als  Gesellschafts-  und  Ver- 
gnügungsorte vor  allem  Bäder  zur  Verfügung;  in  Konstantinopel, 
Sofia,  Nisch  und  Novibazar  hatten  sie  bereits  marmornen  Schmuck. 
Man  zahlte  vier  Asper;  für  diesen  Preis  konnte  der  Türke  oder 
die  weiblichen  Mitglieder  seines  Hauses  stundenlang  im  Bade 
verweilen,  sich  unterhalten  und  essen  und  trinken  ^).  Die  vielen 
Kaffeehäuser  von  heute  gab  es  nicht,  und  der  Gebrauch  des 
Tabaks  war  unbekannt;  damit  fehlte  ein  bedeutender  und  inter- 
essanter Teil  des  heutigen  öffentlichen  Lebens.  Aber  an  Trink- 
buden fehlt  es  nicht,  und  ihr  Besuch  war,  trotz  den  Vorschriften 
des  Korans,  gestattet.  ,,Die  Türken  gehen  hinein,  um  dann 
den  ganzen  Tag  über  zu  trinken  ...  Es  vergeht  kein  Tag,  dafs 
nicht   betrunkene  Türken    auf   den  Strafsen    zu   sehen  wären  ^)." 


i)  „Zucchero  con  acqua  temperato";  Menavino  fol.  34  vo  ff. 

2)  Ebenda;  vgl.  Fortsetzung  desselben  fol.   74  v»  — 75  ;    Bassano  fol.  98  ff. 

3)  Ebenda.  4)  Gevay    1533,   S.    15. 

5)  Bassano   fol.   76  vo  ff. 

6)  „Vanno  i  Turchi  a  bere  tutto  il  di  .  .  .  Nfe  ^  mai   di  che  per  Costantino- 
poli  non  si  veggano  per  le  strade  de' Turchi  imbriachi";  Bassano  fol.  93 — 93  vo. 


Osmanisches   Leben  unter  der  Regierung  des  jungen  Soliman  II.        439 

Reisenden  standen  zahlreiche,  von  Grofsen  des  Reiches  oder 
Sultanen  erbaute  Karawanseraien  zur  Verfüg-ung-,  wo  sie  ganz  frei 
hausen  konnten  *),  Kartenspiel  und  andere  Zerstreuung-en  der 
Christen  waren  den  Türken  unbekannt.  Besonders  g-efielen  jung- 
und  alt  dag-egen  kriegerische  Spiele,  wie  der  Dscherid,  eine  neue 
Form  des  alten  klassischen  Diskusspieles ;  wie  in  ihrem  asiatischen 
Vaterlande  suchten  sie  in  schnellem  Ritt  mit  dem  Dscherid  das 
Ziel  zu  trefifen.  Langsame  Spaziergänge,  bequemes  Lagern  auf 
Teppichen,  die  man  auf  ausgedehnten  Wiesen  am  Flufsufer  aus- 
breitete, oder  in  den  mit  schwarzen  Tannen  bepflanzten  Be- 
stattungsplätzen ,  waren  sehr  beliebt.  In  solchen  müfsigen 
Stunden  spielte  man  auf  den  einfachen  alten  Instrumenten,  den 
aus  Schilf  verfertigten  bäuerlichen  Flöten  2) ,  während  die  or- 
giastische  Freudenmusik  Zimbeln  und  Trommeln  bevorzugte. 
Mit  Blumen  trieben  alle  Türken  einen  wahren  Kultus ;  Soldaten 
durften  beim  Marsch  nicht  auf  Rosen  treten,  und  viele  von  ihnen 
trugen  Blumen  im'  Turban  und  in  den  Händen  ^).  Durch  die 
persische  Dichtung  erschien  in  den  oberen  Klassen  diese  Art 
Blumenreligion  erhoben  und  verklärt. 

Die  sehr  bescheiden  von  Brot  und  Zwiebeln  lebenden  Hand- 
werker, die  Levents,  vereinigten  sich  an  bestimmten  Tagen  unter 
dem  Vorsitze  ihres  Levent-baschas  in  gemeinsamem  Hause,  wie 
die  alten  Korporationsmitglieder  des  römischen,  dann  des  byzan- 
tinischen Reiches;  dort  sangen  und  spielten  sie  zusammen,  um 
bei  anbrechender  Nacht  zahlreiche  Wachslichter  auf  dem  Speise- 
tisch anzuzünden  und  die  gesellige  Stimmung  dadurch  zu  erhöhen ; 
in  den  Strafsen,  wo  kein  einzelner  nach  der  festgesetzten  Stunde 
betroffen  werden  durfte,  ertönten  noch  spät  ihre  frohen  Rufe, 
wenn  sie  den  Levent-bascha  nach  Hause  führten  *). 

Mit  Freudenrufen  wurden  nackte  Pechlivans  von  der  Menge 
empfangen,  denn  ihre  Ringkämpfe  erregten  immer  Interesse,  — 
hielt  doch  der  Sultan  ein  besonderes  Korps  von  80  Mann  ihrer 


i)  Bassano  fol.  98. 

2)  „Zampogne  di  cana."  3)  Bassano  fol.   100. 

4)  Menavino   fol.   36  bis  36  v«. 


430  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Zunft  in  seinen  Diensten  ^).  Ein  anderes  Mal  fesselten  Dschemali, 
Dschomailer,  die  Aufmerksamkeit  des  Volkes;  jung^e  Leute  aus 
guten  Familien,  die  barhäuptig  oder  mit  breiten  Hüten,  mit 
lang"en  Haaren,  silbernen  Ring-en  in  den  Ohren,  Löwen-,  Tig-er- 
odcr  Lcopardenfelle  auf  dem  Rücken,  gruppenweise  herumzog-en; 
silberne  Glöckchen  erklangen  harmonisch,  auf  seidener  oder 
g'oldener  Schnur  besonders  an  den  Knien  befestig't,  bei 
jeder  Bewegung-.  Einer  von  ihnen,  der  sich  durch  Schön- 
heit auszeichnen  mufste,  beg^ann  persische  Liebeslieder  zu 
sing-en,  und  die  anderen  ,, Derwische  der  Liebe"  begleiteten 
ihn  '''■).  Hinter  Gitterwerk  lauschte  ihnen  ungesehen  ein  weib- 
liches Publikum  —  und  ihre  Vorführungen  waren  so  beliebt, 
dafs  auch  die  armen  Handwerker  ihnen  gern  einen  Asper  in  die 
Hand  drückten  ^). 

Die  Derwische,  die  ein  bei  Sultan  Bajesid  Edelknabe  ge- 
wesener Zeuge  ein  ,, fröhliches  Völkchen"  ^)  nennt,  dienten  durch 
ihr  sonderbares  Aussehen  —  mit  ihrem  Schafpelz,  der  spitzen 
wxifsen  Mütze  und  ihrem  Stocke,  zu  welchen  unentbehrlichen 
Stücken  sich  weder  Hemd  noch  irgendeine  Fufsbekleidung 
gesellen  durfte  — ,  durch  ihre  spitzfindigen  Antworten,  ihre  freie 
Kritisierung  aller  Begebenheiten  des  Tages  und  aller  leitenden 
Persönlichkeiten  bis  zum  Sultan  hinauf,  und  durch  tolle  Rufe,  nicht 
minder  der  Unterhaltung  der  Menge.  Während  des  ganzen 
Sommers  lungerten  sie  überall  als  Bettler  —  die  freilich  an 
entlegenen  Orten  auch  Räuber  und  Mörder  werden  konnten  — , 
untätig  herum;  einige  von  ihnen,  die  nicht  zu  den  Observanten, 
sondern  nur  zu  den  ,,  freien"  Brüdern  sich  rechneten,  hatten 
Hütten  und  Höhlen  bei  den  Gräbern  berühmter  Santonen,  wo 
sie  mit  gezähmten  Tieren  und  Vögeln  zusammenlebten;  andere, 
derselben  Derwischart  zugehörend,  besafsen  armselige  Buden. 
An    einem    bestimmten  Tage    des  Jahres    versammelten    sie  sich 


1)  Spandugino   fol.    Ii6. 

2)  „Huomini    della  Religione    d'amore,    et  non   d'osservantia" ;   Menavino- 
fol.   28  bis   28  vo. 

3)  A.  a.  O. 

4)  „Gente  molto   allegra";  Menavino  fol.   28vofif. 


Osmariisclies  Leben   unter  der  Regierung  des  jungen   Soliman   II.        431 

aus  allen  Winkeln  des  Reiches  und  des  ganzen  Islams  am  Grabe 
des  Scheiks  Edebali,  wo  beständig-  500  aus  ihrer  Mitte  Wacht 
hielten ;  eine  Woche  hindurch  wurden  hier  von  einer  Menge  von 
80CO  Leuten,  Fanatikern  und  Betrügern,  die  sich  alle  zum  losen 
Orden  der  Derwische  bekannten,  heilige  Legenden  gelesen  und 
Berichte  aufgenommen;  dann  gab  sich  die  durch  einen  be- 
rauschenden Saft  trunken  gemachte  Menge  der  Zuschauer  wilden 
Tänzen  hin,  während  deren  man.  sich  auch  mit  dem  Dolch 
sonderbare  Figuren  auf  den  Leib  ritzte,  bis  endlich  die  ver- 
schiedenen Scharen  mit  ihren  Fahnen  und  unter  Vorantritt  der 
Trommler  abzogen  ^). 

Von  alten  Santonen  und  anderen  Ausbeutern  des  Volks- 
aberglaubens begleitet,  wanderten  die  sogenannten  Turlaks 
mit  durch  die  Wüste  oder  tauchten  mit  ihrem  glattgeschorenen 
und  gesalbten  Kopfe  gelegentlich  in  den  Trinkstuben  auf;  sie 
wufsten  den  Frauen  die  Zukunft  vorauszusagen  und  liefsen  sich 
ihre  Weisheit  mit  einem  Stück  trockenen  Brotes,  Eiern,  Käse  usw. 
bezahlen,  so  dafs  ein  Christ,  der  längere  Zeit  als  Sklave  im 
kaiserlichen  Serail  gedient  hat,  sie  mit  den  Zigeunern  seines 
lateinischen  Westens  vergleicht  -) ;  sie  trugen  Spiegel  in  den 
Händen  ^). 

Die  Kalender,  die  in  Kleinasien  einen  langwierigen  Aufstand 
verursachten,  beseelte  ein  weit  reinerer  Fanatismus  als  die  bisher 
charakterisierten  heiligen  Leute;  ihr  Kleid  war  aus  Wolle  oder 
Pferdehaar;  sie  trugen  eine  Kopfbedeckung,  die  der  griechischer 
Priester  glich,  und  an  Hals  und  Armen  und  in  den  Ohren  schwere 
eiserne  Ringe  ^).  Dies  religiöse  Gesindel  vervollständigten  die 
wahren  und  die  weit  zahlreicheren  falschen  Emire  mit  grünem 
oder  grün-weifsem  Turban ,  die  für  ausreichende  Bezahlung 
doppeltes  Zeugnis  ablegten  und  von  denen  einige  in  Adrianopel 
öffentlich    Backwaren,     fritelle,     verkauften,     und    weiter    die 


1 )  M  e  n  a  V  i  n  o   fol.    2S  voff.  ;   Bassano   fol.   90  vo  ff. 

2)  ,,Come  sogliono  farc  i  Zingari  ne'  paesi  nostri'';  ^lenavino. 

3)  Spandugino   fol.    129  ff. 

4)  ilenavino   fol.    28  vo. 


433  Zweites  Buch.     Elftes   Kapitel. 

sing-enden  Mohren,  die  eine  Fahne  mit  dem  Zeichen  des  Mondes 
vor  sich  hertrug"en  ^). 

Zu  den  g-rofsen  Tagen  für  das  Volk  gehörten  die  wichtigsten 
reHgiösen  Feste  des  Islams,  vor  allen  anderen  der  Bairam,  wenn  die 
Moscheen  im  Glänze  vieler  Tausende  von  Lichtern  schwammen, 
und  die  feierliche  Rückkehr  der  Pilger,  der  Hadschis,  aus  den 
heiligen  Städten,  sowie  die  bei  jedem  kaiserlichen  Triumphe 
veranstalteten  öffentlichen  Beleuchtungen,  die  Dunanmas  ^). 

Jede  Stadt  war  in  Viertel  eingeteilt,  die  dem  Staat 
gegenüber  eine  Einheit  darstellten.  Die  Bewohner  besoldeten 
gemeinsam  einen  Wächter,  der  jährlich  4  Dukaten  erhielt.  Mit 
einem  Stock  bewaffnet  und  die  Laterne  in  der  Hand  gingen 
diese  Hüter  der  Ordnung  von  einem  Hause  zum  anderen  und 
wachten  darüber,  dafs  bei  Eintritt  der  Nacht  die  Häuser  ver- 
schlossen waren.  Da  diese  zum  gröfsten  Teile  aus  Holz  gebaut 
waren,  war  die  Hauptsorge  der  Wächter,  gefährliche  Feuerbrände 
zu  verhindern,  die,  wie  15 16  in  Philippopolis,  ganze  Stadtviertel 
in  einigen  Stunden  vernichten  konnten  —  in  Konstantinopel 
selbst  brannten  einmal  nicht  weniger  als  3000  Häuser  nieder. 
Alle  Handwerker  mufsten  bei  Einbruch  der  Nacht  jedes  Feuer 
auslöschen.  Der  Wachtdienst  war  so  wirksam,  dafs  viele  Händler 
ihre  Waren  über  Nacht  im  Freien  liefsen  und  nur  zwei  Steine 
darauf  legten,  um  sie  am  Boden  festzuhalten^).  Doch  wurden 
für  die  Sicherheit  der  Hauptstadt  auch  Janitscharenpatrouillen 
aufgeboten  ^). 

Im  Umkreis  einer  Stadt  war  niemand  befugt,  aufser  in  Aus- 
übung militärischer  Funktionen,  Waffen  zu  tragen.  Blut  zu  ver- 
giefsen  wurde  als  eine  Beleidigung  des  Kaisers  betrachtet,  der 
über  den  öffentlichen  Frieden  wachte.  Die  Nachbarn,  die  nicht 
imstande  waren.  Kämpfende  auseinanderzubringen,  mufsten 
wenigstens  den  Mörder  festhalten  oder  ein  Lösegeld  von  nicht 
weniger    als    20000    Aspern    entrichten.     Darum    flofs    in    keiner 


i)  Bassano  fol.  90  v-off. 

2)  Menavino  fol.   30  bis   30  v",  fol.   73. 

3)  Bassano  fol.  83.  4)  Menavino  fol.  42. 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen  Soliman  II.         433 

Hauptstadt  der  Welt  so  wenig-  Blut  wie  in  Konstantinopel  '). 
Auch  trug-  dazu  bei,  dafs  die  Türken,  die  den  Verlust  eines 
Familienangehörig-en  doch  auch  zu  rächen  wufsten,  jedenfalls 
den  für  die  Albanier  so  wichtigen  ,,punto  d'honore "  nicht 
kannten  ^). 

Die  reg-elmäfsig-e  Verproviantierung  der  Metropolis  mit  Korn 
aus  den  Donauländern,  dem  Archipelagus  und  neuerdings  auch 
Ägypten ,  sowie  mit  Schafen ,  Honig  und  Butter  wiederum  aus 
den  Donaufürstentümern  war  eine  der  ersten  Sorgen  der  kaiser- 
lichen Regierung.  Die  Schlächter  oder  Kasapen  hafteten  mit 
ihrem  Leben  für  die  Zufriedenheit  der  Bürger  und  konnten 
gevierteilt  werden,  wenn  es  durch  ihre  Schuld  daran  mangelte. 
Täglich  wurden  looo  Schafe  geschlachtet  ^).  Der  Aga  von 
Konstantinopel  liefs  Kaufleute ,  die  schlecht  wogen,  mit  einer 
Schelle  am  Halse  durch  die  Strafsen  führen  und  zuletzt  mit 
zwanzig  Stockschlägen  bestrafen  *).  Ein  Mortesip,  der  oft  Sand- 
schak  gewesen  war  und  4000  Dukaten  jährlicher  Einkünfte 
genofs,  hatte  die  Aufgabe,  die  Waren  zu  wiegen  und  ihren  Preis 
festzusetzen  ^).  Die  Strafsen  waren  rein  gehalten  und  keine 
Schlächterei,  kein  unsauberes  Handwerk,  wie  Gerberei,  wurde  im 
Umfang  der  Mauern  geduldet  *"). 

In  jedem  Rechtsstreit  wendete  sich  der  Türke,  später  mit 
Ausnahme  der  höheren  Beamten  der  Pforte,  an  den  vom  Mufti, 
■der  auf  Lebenszeit  eingesetzt  war,  für  drei  Jahre  ernannten  Kadi'); 
die  Vorsteher  dieser  Richterschaft,  die  Kadiliskers  oder  Kadis 
des  Heeres,  sprachen  täglich  mit  dem  Sultan  und  hielten  danach 
am  ersten  Tore  des  Serails  Audienz  ab  *).  In  Kriminalsachen 
richtete  in  gröfseren  Städten  der  Subaschi  ^). 

Mit  anderen  Beamten  hatten  die  Bürger  der  Hauptstadt,  die 
frei    wie     die     byzantinische    Plebs    in    der   Zeit    der   christlichen 


i)  Spandugino  fol.   12S  vo.  2)  Bassano  fol.    loo  bis   100  vt). 

3)  Menavino.  4)  Ebenda  fol.   27  vo. 

5)  Spandugino   fol.    129.  6)   Bassano   fol.   92  ff. 

7)  Spandugino   fol.    Ili  vo,    113  yo. 

8)  Ebenda.  9)  Bassano  fol.  89  v^fi". 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.     II.  ^o 


434  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Kaiser  über  alle  Staatsangelegenheiten  zu  sprechen  pflegten^ 
nichts  zu  tun ;  die  komplizierte  Hierarchie  der  Staatsverwaltung 
existierte  nur  für  den  Hof  —  der  eine  besondere  Organisation 
darstellte  — ,  für  die  Politik  und  das  Heer  und  bedrückte  und 
beunruhigte  den  vor  allen  anderen  Klassen  respektierten  „armen 
Mann"  niemals.  Jedem  Türken  stand  das  Recht  zu,  sich  un- 
mittelbar an  den  Sultan  zu  wenden :  wenn  dieser  durch  die 
Strafsen  Konstantinopels  ritt,  nahten  ihm  von  Zeit  zu  Zeit  Leute, 
die  ihre  Eingabe,  ihre  Reka  an  einer  Stange  hochhielten.  Iq 
solchen  Fällen  pflegte  Mohammed  II.  sein  Pferd  sogleich  anzu- 
halten und  ebenso  Bajesid  in  seiner  Jugend;  später  öffnete  er 
wenigstens  bald  nach  seiner  Rückkehr  ins  Serail  mit  eigener 
Hand  die  Eingabe  des  freien  Mannes  mohammedanischen  Glaubens,. 
der  auf  seine  unfehlbare  Gerechtigkeit  Vertrauen  setzte  ^). 

Für  den  ,, armen  Mann"  erbauten  die  Kaiser  Karawansareien 
an  den  Reichsstrafsen ,  Imarets  —  wie  das  Mohammeds ,  das 
schönere  Bajesids  und  das  über  jedes  Lob  erhabene  Solimans  — 
neben  den  von  ihnen  errichteten  Moscheen  ^)  und  Schulen,  deren 
Anzahl  unter  Soliman  auf  vierzehn  wuchs.  Die  Kinder,  die  in 
ihnen  Lesen,  Schreiben  und  Religion  gelernt  hatten,  führte  man 
unter  fröhlichen  Gesängen  durch  die  Stadt,  wie  man  sie  am 
Beschneidungstage  mit  festhchem  Alai  begleitete^). 

Unter  solchen  materiellen  Verhältnissen  erhielten  sich  die 
Sitten  rein,  wie  sie  während  der  patriarchalischen  in  Asien  zu- 
gebrachten Jahrhunderte  gewesen  waren.  Nach  dem  Gesetze 
des  Islams  genügte  eine  Erklärung  vor  dem  Kadi  über  das  der 
Frau  vom  Manne  gegebene  Heiratsgut,  um  ein  Familienbündnis 
rechtskräftig  werden  zu  lassen;  durch  eine  ähnhche  Erklärung 
konnte  es  der  Gemahl  lösen.  Ehebruch  war  eine  Seltenheit,, 
schon  weil  die  Bestrafung  rücksichtslos  und  öffentlich  war:  der 
Schuldige  mufste  die  hundert  ihm  zufallenden  Stockhiebe  noch 
bezahlen,  wie  ebenso  die  ehebrecherische  Frau  den  Esel,  auf 
dem  sie  durch  die  Strafsen  geführt  wurde  ^).     Das  Geschäftsleben,, 


i)  Span  dugino  fol.   117.  2)  Ebenda  fol.    127  vo. 

3)  Bassano  fol.  94. 

4)  Menavino   fol.   27  vo  bis   28;  vgl.   Spandugino   fol.    125. 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen  Solincan  II.        4S5 

soweit  sich  wahre  Türken  daran  beteilig-ten ,  war  von  muster- 
gültig-er  EhrHchkeit ;  manche  Kaufleute  Hefsen  sich  die  von  ihren 
Gläubig-ern  empfang-enen  Quittungen  mit  ins  Grab  geben ;  jeder 
Moslem  war  verpflichtet,  den  genauen  Preis  der  von  ihm  feil- 
gebotenen Waren  anzugeben  ^). 

Sehr  einfach  waren  auch  die  Zeremonien,  die  der  Tod  eines 
Menschen  erforderlich  machte,  und  die  Friedhöfe  glichen  öffent- 
lichen Gärten,  in  denen  die  Abgeschiedenen  von  ihrer  Lebens- 
arbeit ausruhten ;  die  Trauer  dauerte  nur  acht  Tage  ^).  Im  all- 
gemeinen ist  die  Tiefe  und  Innigkeit  des  religiösen  Glaubens 
bemerkenswert,  der  Mildtätigkeit  und  Almosen  zur  Pflicht 
machte;  daneben  freilich  lebten  auch  die  alten  abergläubischen 
Praktiken  des  Orients  in  Talismanen  und  Chiromantie  noch  fort 
—  hatte  doch  der  Sultan  selbst  einen  Perser  als  Propheten  im 
Dienst  3). 

Unter  ^  den  Andersgläubigen  hatten  die  Juden  es  klug  ver- 
standen, sich  eine  vorteilhafte,  durch  kaiserliche  Privilegien  ge- 
schützte Sonderstellung  zu  erringen.  Sie  galten  als  Wucherer 
von  Beruf,  aber  durch  ihre  Kenntnisse  in  der  Arzneikunde  wufsten 
sie  sich  auch  Eintritt  in  das  Serail  und  die  Gunst  der  Herrscher 
zu  verschaffen.  Sie  benutzten  geschickt  jede  Gelegenheit,  dem 
Kaiser  zu  schmeicheln;  dem  siegreichen  Soliman  riefen  sie  in 
Brussa,  Adrianopel  und  Saloniki,  ihren  Hauptsitzen,  wo  sie  grofse 
Schulen  unterhielten,  entgegen:  ,, Hosianna,  Heil  unserem  Herrn, 
Sultan  Soliman  Schach ! "  und  breiteten  kostbare  Tücher  vor  die 
Pferde  des  triumphierenden  Heeres  ^).  Soliman  lachte  darüber  — 
wie  die  ernsten,  schweigsamen  und  tapferen  Türken  gewöhnlich 
über  die  beweglichen,  lärmenden  und  feigen  Juden  lachten  ^)  — 
und  er  liefs  das  fremde  Element,  nicht  immer  zugunsten  des 
Osmanentums,  sich  geschäftig  entwickeln  und  ausdehnen  **).  In 
Konstantinopel    zahlten    ihre    15    eigenen    Kasapen    bedeutende 


i)  Bassano   fol.  92  ff.,   96  vo.  2)  Spandugino   fol.    130  bis    131  v». 

3)  Bassano  fol.    104.  4)  Ebenda  fol.  87. 

5)  Ebenda  fol.  82  voff.  6)  Ebenda. 

28* 


436  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Summen    an    die  Khasna,    um    ihr  Handwerk    unter  kaiserlichem 
Schutze  treiben  zu  dürfen  *). 

Den  Christen  war  jede  BeteiUgung-  am  öfifentHchen  Leben 
verwehrt;  das  Beispiel  Grittis  steht  ganz  vereinzelt;  höchstens 
zogen  Griechen  als  kaiserliche  Kaufleute  nach  der  Moldau  und 
nach  Rufsland,  um  dort  kostbare  Pelze  und  „Fischzähne"  ein- 
zukaufen ^). 

Sonst  aber  lebten  die  Lateiner,  die  Frengis,  unter  dem 
Schutze  ihrer  Bailis  und  Konsuln  ebenso  frei  wie  in  der  byzanti- 
nischen Zeit;  den  Venezianern  war  sogar  erlaubt,  in  ihrem 
Quartier  lärmende  mattinate  mit  Musik  und  Geschrei  zu 
veranstalten  ^).  Die  Venezianer  und  Ragusaner  waren  sogar  von 
der  Verpflichtung  befreit,  den  Eilboten  des  Reiches,  den  Ulaks, 
Pferde  zu  stellen  *).  Die  lateinische  Kirche  übte  in  Pera  alle 
Kulthandlungen  wie  früher  aus;  Türken  kamen,  um  neugierig 
dem  Spiele  der  Orgeln  zuzuhören ;  einmal  erschien  Soliman 
selbst  in  der  Kirche  San-Francesco :  ,,er  liefs  in  seiner  Gegen- 
wart eine  Messe  zelebrieren  und  lachte  darüber"  ^).  In  elenden 
Verhältnissen  mufsten  dagegen  die  im  Kriege  erbeuteten  Sklaven 
dahinleben,  die  von  speziellen  Kaufleuten  auf  öffentlichem 
Platze  feilgeboten  wurden:  ,,es  ist",  schreibt  einer,  dem  dieses 
Los  selbst  beschieden  gewesen  war^),  ,,weit  schlimmer,  sich  in 
ihren  Händen  zu  befinden,  als  zu  sterben"  '^), 

Auch  die  Griechen  gediehen,  obgleich  man  jede  Gelegenheit 
benutzte,  sie  daran  zu  erinnern,  dafs  sie  ein  besiegtes  und  unter- 
worfenes Volk  seien.  Denn  die  Türken  bedurften  ihrer  oft  zu 
solchen  Geschäften,  die  griechische  Klugheit  und  Kenntnisse 
erforderten;  das  hinderte  sie  andererseits  nicht,  die  Skylofrengis 


i)  Menav  ino. 

2)  Meine  „Rela^iile  comerciale  en  Lembergul",  I,  Bukarest   1900,  S.  33. 

3)  Alberi  S.    116,  Jahr  1527.         4)  Bassano  fol.   103  vo — 104. 

5)  „II  Gran-Turco  in  S.  Francesco  in  Pera  entrö,  et  vi  fece  dir  una  messa, 
alla  sua  presenza,  et  se  ne  rise";  Bassano  fol.  82  vo. 

6)  Bassano  fol.  96  flf. 

7)  „  E  peggio  star  iu  man  sua  che  morire  "  ;  vgl.  M  e  n  a  v  i  n  o  fol.  63  vo  ff. 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen  Soliman  II.        437 

oder  „Frankenhunde"  als  Verleug^ner  ihrer  eigenen  Religion, 
die  sie  mit  ihren  Flüchen  profanierten,  zu  verachten  *),  und 
dafs  die  Griechen  sich  die  bequemen  Ehegesetze  des  Islams  zu 
freieren  Verbindungen  zunutze  machten,  trug  nicht  dazu  bei, 
ihnen  Ansehen  zu  verschaffen  ^).  Es  war  ihnen  verboten,  Pferde 
zu  halten,  die  mehr  als  vier  Dukaten  Wert  hätten  ^) ;  vor  jedem 
Moslem  mufsten  sie  absteigen,  und  es  kam  vor,  dafs  ein  Moslem 
ihnen  das  Pferd  einfach  fortnahm  *).  Öfters  ritten  sie,  um  solchen 
Unannehmlichkeiten  zu  entgehen,  auf  Mauleseln  und  wurden 
trotzdem  von  türkischen  Kindern  mit  Steinen  und  Schmähworten 
verfolgt^).  Spahis  liebten  es,  ihnen  Rosen  zu  schenken:  sie 
mufsten  dann  mit  einer  wertvollen  Gegengabe  aufwarten ;  inter- 
essierte Besuche  von  dieser  Seite  waren  überhaupt  häufig  ^).  Wenn 
im  Hause  eines  Christen  Feuer  ausbrach,  zahlte  er  wenigstens 
50  Dukaten,  oftmals  wurde  seine  ganze  Habe  konfisziert  und  der 
,, Schuldige"  konnte  sogar  den  Kopf  verlieren''). 

Die  vom  Sultan  bestätigten  Patriarchen  erfreuten  sich  keiner 
grofsen  Autorität  im  Reiche:  Bulgaren  und  besonders  Serben 
entzogen  sich  der  Anerkennung  der  konstantinopolitanischen 
Hierarchie,  wie  es  auch  die  walachische  und  moldauische  Kirche 
während  einiger  Zeit  getan  hatten.  Ihre  Namen,  die  in  den  kirch- 
lichen Verzeichnissen  erwähnt  werden ,  rufen  keine  Erinnerung 
hervor^).  Der  Patriarch  zahlte  looo  Skudi  an  den  kaiserlichen 
Schatz  und  mufste  aufserdem  noch  gelegentlich  die  vom  Sultan 
von  seinen  Kriegszügen  mitgebrachten  echten  oder  falschen  Re- 
liquien zu  sehr  hohen  Preisen  kaufen  ■').  Ein  Grieche,  der  allen 
üblichen  Unannehmlichkeiten  zu  entgehen,  nicht  vom  Kadi, 
sondern  im  Diwan  Recht  zu  erhalten  und  vor  allem  keine  türki- 
schen Zeugen  gegen  sich  auftreten  zu  sehen  wünschte,  war  ge- 
zwungen, für  vieles  Geld  ein  Huküm,  einen  Freibrief,  zu  erstehen '°). 


i)  Bassano  fol.  86  vo.  2)  Ebenda. 

3)  Spandugino  fol.   206.  4)  Menavino  fol.  66  v". 

5)  Bassano  fol.    100  vo  bis   loi.  6)  Ebenda.  7)  Ebenda  fol.   83. 

8)  Vgl.  Gedeon,  ITar^uaQxcxol  nCvaxtg ,  Konstantinopel  1S90,  80  und 
seine  „Jahrbücher  der  Patriarchen  von  Konstantinopel";  besonders  den  III.  Band 
des  vorliegenden  Werkes. 

9)  Bassano  fol.  82  voff.  10)  Ebenda  fol.  95. 


438  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Der  gewöhnliche  Türke,  wie  der  christliche  Renegat  konnten 
zu  den  höchsten  Stufen  der  Reichshierarchie  aufsteigen,  wenn 
die  Sultane  auch  die  in  ihrem  Serail  erzogenen  Kinder  von 
Christen  bevorzugten.  In  einer  Zeit,  als  ein  Popensohn  aus 
Amphipolis,  ein  Bauernsohn  aus  Parga  und  ein  anderer,  dessen 
Eltern  in  Bosnien  das  Land  bebaut  hatten,  zu  den  höchsten 
Würden  berufen  und  der  Ehre  verwandtschaftlicher  Verbindung 
mit  der  kaiserlich-osmanischen  Familie  ■ —  Lutfi  freilich  ohrfeigte 
die  Sultanm,  seine  Frau,  und  ging  darum  der  Ehre,  wie  auch 
seines  Wesiramtes  sogleich  verlustig  —  teilhaft  werden  konnten'), 
zeigte  der  reiche  Sandschak  Isaak-beg  von  Saloniki  seinen  zahl- 
reichen Besuchern  voll  Pietät  einen  von  seinem  Vater  verfertigten 
Schuh  ^).  Die  Erhöhung  zum  Sandschak,  Kadilisker  oder  Wesir, 
die  mit  ebenso  grofser  Gefahr  wie  Ehre  verbunden  war,  brachte 
nur  selten  häfsliche  Selbstüberhebung  mit  sich,  die  dem  Islam 
bei  der  von  ihm  gepredigten  Vergänglichkeit  aller  Dinge  auf 
Erden  und  der  Nichtigkeit  des  menschlichen  Glückes  und  Lebens 
überhaupt  fremd  ist.  Die  Wesire  blieben  Leute  aus  dem  Volke, 
die  dessen  einfache  Seelenregungen  auch  darin  teilten,  dafs  ihre 
Hauptstärke  ein  gesunder  Verstand  sein  sollte;  zahlreiche,  oft 
sehr  ausführliche  Gesandtschaftsberichte  lassen  leicht  ihre  voll- 
ständige Unwissenheit  in  Geographie,  Geschichte  und  Staatskunde 
erkennen;  sie  fragten  wie  Kinder,  die  keine  Schule  besucht 
haben,  nach  Grenzen,  Wegen,  Heeresverhältnissen,  ohne  sich  für 
Neigungen  und  Eigenart  der  fremden  Herrscher  zu  interessieren, 
denn  nicht  das  Absonderliche,  Individuelle,  Zufällige,  sondern 
nur  das  allgemein  Menschliche  brauchten  sie  zu  ihren  Urteilen 
und  Entschlüssen,  die  auf  dem  Grunde  religiöser  Melancholie 
und   weiser  Resignation  oft  sehr  scharf  zu  unterscheiden  wissen. 

Alle  freilich  beanspruchten,  wenigstens  als  ihrer  Ehre  ge- 
schuldet, sowohl  von  den  Vertretern  fremder  Mächte,  als  den 
Häuptern  des  im  Reiche  amtierenden  christlichen  Klerus  und 
allen  neu  ernannten  Beamten,  die  sich  ihnen  vorzustellen  hatten 2), 


i)   Bassano   fol.  85  voff.  2)  Spandugino   fol.   124 — 124  vo. 

3)  Ebenda  fol.   10. 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen   Soliraan  II.        439 

Geschenke,  deren  Zahl  und  Wert  der  dem  Geber  zukommenden 
Bedeutung-  entsprach.  Da  nun  diese  nicht  rechtmäfsigen,  aber 
regelmäfsig-en  Einkünfte  sich  auf  hohe  Summen  behefen,  konnte 
ein  Daud-Pascha,  ohne  ein  riesiges  unbeweg-liches  Vermög-cn  in 
Anschlag-  zu  bringen,  eine  ganze  Million  in  barem  Gold  hinter- 
lassen '). 

Das  angehäufte  Vermögen  aber  flofs  nach  dem  natürlichen 
Tode,  der  Vergiftung  oder  der  Hinrichtung  eines  türkischen 
Grofsen  in  die  Khasna  des  Kaisers;  auch  Juwelen,  goldener 
Schmuck,  Perlen,  Goldbrokatkleider,  Vorhänge  und  Teppiche, 
Pferde  und  Häuser  wurden  sogleich  öffentlich  feilgeboten  und 
der  Ertrag  vom  Kaiser  in  Anspruch  genommen.  Bei  solchen 
Aussichten,  die  keine  Sicherheit  der  Zukunft  verbürgten,  bei  der 
Gewifsheit,  dafs  die  Familie  von  dem  Reich tume  des  hoch- 
gestiegenen Sklaven  oder  ,, armen  Mannes"  nichts  zu  erwarten 
hatte,  blieb  demjenigen,  der  auf  rechtlichem  oder  unrechtem 
Wege  viel  Geld  im  Staatsdienste  erwarb,  als  einzige  Weisheit 
der  Entschlufs  übrig,  es  für  Luxus  und  Aufwand  jeder  Art  wieder 
auszugeben  und  hierin  allen  Amtsgenossen  und  Rivalen  den  Rang 
abzulaufen. 

Dies  ist  die  eigentliche  Ursache  des  plötzlich  ersichtlichen, 
bis  zum  Verschwenderwahnsinn  heutiger  amerikanischer  Milliardäre 
gesteigerten  Luxus  der  oberen  Klassen  der  osmanischen  Gesell- 
schaft, der  auch,  infolge  der  reichen  Beute,  im  Heere  Eingang  fand. 
Der  ,,arme  Mann"  und  die  überwiegende  christliche  Bevölkerung 
der  Reichsprovinzen  blieben  davon  selbstverständlich  unberührt, 
und  es  erwuchs  ein  eigentümlicher,  scharf  ausgeprägter  Gegen- 
satz zwischen  den  von  Gold  und  Juwelen  strotzenden  Grofsen 
und  Kriegern  und  der  schlichten  Lebensart  des  türkischen 
Bauern  und  Handwerkers,  dem  ursprünglichen  Elend  dps 
griechischen  und  slawischen  Untertanen  vom  Lande  und  dem 
klug  verhehlten  Reichtum  der  nicht  ohne  Grund  vorsichtigen 
und  furchtsamen  griechischen  und  jüdischen  Stadtbewohner. 

Unter  Mohammed  II.  hätte  man  vergebens  nach  einem 
Samtkleide     ausgeschaut  ^).       Bajesid    II.    hatte    noch     die    alte 

i)  Sp  andugino. 

2)  „Fodera  di  velluto";   Spandugino  fol.   i23voff. 


440  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Tradition  der  Kleidereinfachheit  aufrecht  g"ehalten^),  im  Essen 
und  Trinken  waren  die  hohen  Beamten  des  Reichs  bei  grofsen 
Einnahmen  noch  mäfsig  gebheben,  wenn  auch  der  eine  schon 
Malvasier  vom  Bailo  verlang^te  und  der  andere  kretische  Weine 
bevorzug-te  ^).  Nach  ihm  aber  brachten  der  Besitz  Syriens  und 
Ägyptens  und  die  Eroberung  des  uralten  soudanischen  Schatzes 
ein  so  plötzHches  Anwachsen  des  Reichtums  hervor,  dafs  dadurch 
eine  grofse  Veränderung  im  wirtschaftHchen  Leben  der  führenden 
Klasse  eintrat;  unter  Soliman  stieg  endlich  der  Luxus  aufs  höchste. 
Ein  Zeitgenosse,  der  Grieche  Spandugino  Cantacusino,  berichtet 
treffend:  ,,Ihr  Pomp  begann  in  der  Zeit  Bajesids  und  wuchs 
unter  der  Regierung  Selims,  der  grofse  Mengen  Gold  und  Juwelen 
aus  Ägypten  und  Persien  bringen  liefs,  und  heute  treiben  die 
Türken  den  gröfsten  Aufwand  der  Welt  *)." 

Nun  werden  die  2000  Spachioglane  und  Silichdare  von 
keinem  Geringeren  als  Giovio  mit  den  200  Edelleuten  im  Ge- 
folge des  Königs  von  Frankreich  verglichen ;  ihre  Waffen  waren 
wie  die  persischen  nach  der  Mode  von  Damaskus  —  alla 
damaschina  —  fein  gearbeitet.  Die  eigentlichen  Spahis,  die 
sich  gern  in  Konstantinopel  zu  schaffen  machten,  um  gegen 
reichere  Christen  Erpressungen  zu  verüben,  ritten  ,,wie  die 
Cortigiani  in  Rom  umher"  und  ,, trugen  Zaumzeug  von  Gold 
und  Silber  zur  Schau,  das  oft  teurer  war  als  das  Pferd"  ^). 
Rotes  Tuch  —  di  scarlatto  —  mit  seidenen  Franzen  (fiocchi) 
bedeckte  das  Pferd  und  am  Bügel  hingen  ihm  runde  goldene 
Schaustücke,  wieder  von  Franzen  umspielt  ^).  Juwelen  glänzten 
an  Kopf,  Zügel  und  Sattel  des  Pferdes  ^). 


1)  Spandugino   fol.    123  vo  ff. 

2)  Alberi  S.   105. 

3)  „La  pompa  di  costoro  commincio  nel  tempo  di  Baiazette,  et  crebbe  piü 
sotto  il  governo  di  Selim,  il  quäle  et  dalla  contrada  del  Cairo  et  della  Persia  fece 
recare  gran  quantita  d'oro  et  di  gioie,  Perche  hora  i  Turchi  fanno  la  maggior 
pompa  del  mondo'';  a.  a.  O. 

4)  „Come  fanno  i  cortigiani  per  Roma,  a  solazzo  ...  Sfoggiano  i  fomi- 
menti  da  cavallo  dorati  e  di  argento ,  di  modo  che  tal  volta  vale  piü  il  forni- 
mento  che  il  cavallo'';  Bassano  fol.    loo  v»  bis   loi. 

5)  Menavino  fol.  36. 

6)  Alberi  S.    106. 


Osmanisches   Leben  unter  der  Regierung  des  jungen   Solinian  II.        4.4I 

Noch  mehr  durch  den  schweren  breiten  Tuch-  oder  Samt- 
turban, aus  dem  sich  die  feine  leichte  Mütze  erhob  '),  und  durch 
Gürtel,  die  bis  zu  zwanzig-  Dukaten  kosteten,  als  durch  Kleider- 
stoffe —  1526  gingen  nur  Soliman  und  Ibrahim  in  brokatenem 
und  seidenem  Gewand,  während  man  sonst  noch  das  dauerhafte 
Kamelott  bevorzugte;  brokatene  Mäntel  freilich  waren  schon 
unter  Bajesid  keine  Seltenheit  mehr  2)  —  suchten  die  reichen 
Hof-  und  Heerbeamten  des  Reiches  sich  hervorzutun.  Das  die  Mütze 
umwindende  Stück  Leinwand  war  unter  Mohammed  II.  noch  mit 
einem  schmalen  Reif  von  Erz  und  Silber  gebunden  worden,  der 
höchstens  20  Dukaten  kostete  und  bald  schwarz  wurde ;  Bajesid  II. 
fand  das  ,, schmählich"  3)  und  erlaubte  seinen  Hofbeamten  und 
Sandschaks  nur  reines  Gold.  An  den  Fingern  steckten  zahlreiche 
kostbare  Ringe  *). 

Hohe,  in  einigen  Fällen  ungeheure  Summen  stellte  dann 
besonders  der  Wert  der  Frauenkleidung  und  der  Frauenluxus 
dar.  Zwar  erschienen  sie  an  der  Öffendichkeit,  den  Vorschriften 
des  Islams  entsprechend,  stets  von  dem  feinen  Tuch  verhüllt, 
das  heute  Feredsche  heifst  und  damals  mit  anderen  Namen  be- 
zeichnet wurde  ^);  und  die  Frauen  der  Aristokratie  und  die 
Sultaninnen  berührten  niemals  das  Pflaster  der  engen  Gassen 
Stambuls,  sondern  verkehrten  bis  in  die  tiefe  Nacht  hinein  in 
verschlossenen,  mit  Gitterwerk  versehenen  und  mit  Gold  und 
Blumen  verzierten  Wagen,  die  mehr  Käfigen  glichen  ^).  Aber 
im  Bade,  im  gesellschaftlichen  Verkehr  mit  anderen  Frauen  und 
dem  Gemahl  trug  die  Frau  seidene  Kleider  mit  Franzen  und 
leichtem  Besatz  über  einem  weifsen,  roten,  grünen,  blauen, 
gelben  Hemde  von  Taffet.  Die  Ärmel  waren  eng  und  die  Büste 
sollte  hervortreten;  ein  Ausschnitt  unter  dem  Halse  war  nicht 
verpönt.     Das  ganze  Kleid  war  an  allen  Nähten  mit  Perlen  und 


i)  ,,Una  tocca  di  bambagia  sottile,  larga  meza  canna  et  lunga  sette  o   otto, 
et  e  molto  leggiera  et  senza  alcun  fastidio.'' 

2)  Mit  „fogliami  et  fregetti  di  Damasco  o  raso";  Menavino  fol.  35 — 35  vo. 

3)  „Che  gli  era  una  cosa  vergognosa  a  vederli";  Spandugino  fol.  124. 

4)  Alberi  S.   106. 

5)  Menavino  fol.  35  vo :  Barami. 

6)  Bassano  fol.   78  vo  bis  79. 


442  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Edelsteinen  besetzt.  Der  seidene  oder  goldene  Gürtel  blitzte 
von  Juwelen,  die  auch  über  die  aus  feinstem  Brokat  alla 
damaschina  gearbeiteten  Schuhe  gestreut  waren.  Die  frei  in 
den  Nacken  fallenden  Locken  bedeckte  ein  Stück  Taffct  oder 
ein  teurerer  Stoff  mit  Kränzen  ^),  darauf  safs  dann  das  Fekel  2), 
in  Form  einer  venezianischen  Dogenmütze,  das  wie  ein  einziges 
Kleinod  manchmal  aussah.  Die  höhere  silberne  Mütze,  die  auch 
wohl  getragen  wurde  ^),  ermangelte  kostbarer  Verzierungen  eben- 
sowenig *).  Die  Haut  der  inneren  Hand  und  die  Nägel  waren 
rot  gefärbt;  von  den  griechischen  Frauen  der  Hauptstadt  hatten 
die  Türkinnen  die  Kunst  gelernt,  sich  die  Augenbrauen  zu 
schwärzen  und  grelle  Schminken  zu  gebrauchen  ^). 

Um  sich  von  der  ganzen  neuen  Pracht  unter  den  ,, Kaisern" 
—  wie  die  letzten  Herrscher  zum  Unterschiede  von  ihren  Vor- 
gängern genannt  wurden  —  Rechenschaft  geben  zu  können, 
mufs  man  sich  den  Serail  des  Sultans  mit  seinen  zahlreichen 
Höfen,  Pforten,  Galerien,  Kiosken,  Häuserreihen,  Gärten  und 
Esplanaden  am  Meere,  mit  seinen  Kapudschis  oder  Pförtnern, 
Janitscharen,  lOOO  Spahioglanen,  1500  Silichdaren,  200  Mute- 
fariakas,  die  alle  beständig  hier  hausten,  mit  Privatbeamten, 
100  Eunuchen,  Sklaven,  Schulknaben,  Edelknaben,  Mohren, 
Zwergen,  300  Frauen  und  Sklavinnen  —  im  ganzen  unter  Bajesid 
18000  und  unter  Soliman  nicht  weniger  als  35000  Personen  — , 
mit  den  ins  Türkische  übersetzten  hierarchischen  Funktionen 
und  für  ewig  festgelegten  Zeremonien  vor  Augen  zu  stellen 
suchen  ^). 

Für  die  Frauen  bestand  ein  eigenes  Serail,  das  ,,  alte  Serail " 
(Eski  -  Sarai) ;    es  war  mit  starken  Mauern  ohne  Türme  umgeben 


i)  „Cotne    una    stola    de    prete ,    d'ormesino    con    una    francietta  nel  fine"; 
Bass  ano  fol.   78  vo. 

2)  tf'uxLÖXi,  fazzuolo. 

3)  „Aguzza,  et  e  tre  palmi  lunga,  che,  vedendole,  paiono  lioncorni";  Mena- 
vino  fol.  35  vo. 

4)  Ebenda;  vgl.  Spandugino  fol.    124;  Bassano  fol.   78  vo  bis  79. 

5)  Bassano  a.  a.  O. 

6)  Vgl.  auch  Spandugino  fol.    109  vo,   ii6vo. 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen  Soliman  II.       44$ 

und  hatte  zwei  Tore,  von  denen  nur  eines,  natürlich  unter  Be- 
wachung-, g-eöfifnet  war.  Hier  lebten  in  25  einzelnen  Häusern  die 
Sultaninnen  und  die  Söhne  und  Töchter  des  regierenden  Sultans 
mit  ihren  Müttern  —  die  Töchter  erhielten  loo  Asper  täglich, 
die  Mütter  nur  30,  und  dreimal  im  Jahre  brokatene  Kleider ;  den 
anderen  Frauen  mufsten  15  Asper  täglich,  den  Sklavinnen  10, 
und  die  Kleidung-  genügen.  Inmitten  prachtvoller  Gärten,  in 
denen  Pfauen  und  Straufse  zu  sehen  waren,  erhoben  sich  zwei 
Kioske  für  den  Herrn;  hierher  kam  er,  um  durch  Herabreichen 
eines  feinen  gestickten  Taschentuchs,  eines  Fekel,  das  in  der 
feinen  türkischen  Welt  gewöhnlich  zu  Geschenken  benutzt  wurde, 
einer  seiner  Sklavinnen,  die  ihm  dann  zugeführt  wurde,  seine 
Gunst  zu  bezeigen  ^). 

Hier  weilte  Soliman  Stunden,  selten  ganze  Tage,  wenn  ihn, 
nur  in  seiner  frühen  Jugend,  eine  neue  wilde  Schönheit  fesselte. 
In  seiner  Abwesenheit  führte  der  Kizlar-Aga,  mit  seinen  Eunuchen, 
die  Herrschaft,  und  unter  den  herkömmlichen  Unterhaltungen, 
unter  Plaudern,  Musik  und  Beschauen  der  prachtvollen  Natur 
dieses  kleinen  Paradieses,  lernten  die  Mädchen  von  eigens  dazu 
bestellten  Meisterinnen  die  Kunst  der  schönen  feinen  Stickerei 
des  Morgenlandes ,  wie  sie  alle  morgenländischen  Frauen  be- 
herrschen sollten,  und  die  ihnen  das  eintönige,  blafs  glückliche 
Leben  verkürzen  half  ^). 

Am  Kap  Sankt  Dimitri  erhob  sich  das  vom  Sultan  selbst 
bewohnte  Serail,  das  ebenso  prachtvolle  Gärten  und  auf  den 
Höhen  im  Umkreise  von  zwei  Meilen  hinan  viele  Wohnungen 
umfafste.  Von  den  eisernen  Toren  der  sechs  Türme  diente  nur 
eins  als  öffentlicher  Eingang,  — farbige  Arabesken  und  eine  goldene 
Inschrift  in  Marmor  schmückten  es ;  —  der  Sultan  selbst  benutzte 
ein  anderes  am  Meere,  dessen  Turm  mit  Artillerie  versehen  war 
und  vor  dem  40  Geschütze  aufgestellt  waren  ^).  An  jenem 
wachten  bis  unter  Soliman,  der  sie  entfernte,  300  Kapudschis 
mit  ihren  Stöcken  in  der  Hand  ^).     Rechts  lagen  die  Gärten  des 


i)  Menavino   fol.  48  vo  ff. 

2)  Ebenda  a.  a.  O.  3)  Ebenda  fol.   36  vo  bis  37. 

4)  Siehe  auch  ebenda  fol.  41. 


444  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Kaisers  mit  Kiosken,  auf  deren  Dächer  unaufhörlich  kaltes  Wasser 
niederrann;  links  befand  sich  die  zur  Küche  umgewandelte  kleine 
Kirche,  die  ,,die  kleine  Hagia  Sophia"  genannt  wurde.  Hier 
konnten  bis  zu  20  000  Reiter  lagern  ^).  An  der  zweiten  Pforte, 
die  früher  Janitscharen  anvertraut  gewesen  war,  standen  jetzt 
Kapudschis;  an  ihr  mufste  jeder  Besucher  des  Diwans,  jeder 
Hofbeamte  und  Vertreter  eines  fremden  Fürsten  vom  Pferde 
steigen.  Auf  einem  zweiten  kleineren  Platze  befand  sich  bis  unter 
Soliman  dieKhasna^);  die  Kriegs-Khasna  dagegen  befand  sich  unter 
dem  Schutze  von  500  höher  besoldeten  Janitscharen  und  dem  eines 
Dizdars,  wie  er  jeder  Festung  vorstand,  in  den  ,,  Sieben  Türmen"  der 
byzantinischen  Umfassungsmauer  am  Meere,  die  jetzt  ,,Jedi  Kule" 
heifst  ^).  Soliman  liefs  die  Baulichkeiten ,  in  denen  die  Khasna 
war,  wie  die,  in  denen  Audienzen  bei  den  Wesiren  und  dem 
Janitscharen-Aga  und  die  Sitzungen  des  Tefderdars  stattgefunden 
hatten*),  niederreifsen  ^).  Rings  herum  lagen  die  Küchen  des 
Mutpak  -  Emini  mit  seinen  sechzig  Köchen ,  in  denen  man 
täglich  40  Schafe,  4  Ochsen  und  eine  grofse  Anzahl  Hühner 
für  die  drei  Mahlzeiten  des  Hofes  schlachtete  ^),  und  die  Ställe, 
in  denen  der  grofse  und  der  kleine  Imrochor  mit  900  Stall- 
knechten ^)  und  1000  christlichen  Vojniklar,  die  Futter  für  die 
Pferde  zu  mähen  hatten,  ihres  Amtes  walteten.  Bei  feierlichen 
Audienzen  der  Gesandten  reihten  sich  hier  auf  einer  Seite  Jani- 
tscharen und  Adschemoglane,  d.  h.  junge  Janitscharen,  auf  der 
anderen  Spachioglane ,  Ulufedschis  und  andere  goldstrotzende 
Hoftruppen  auf  ^).  Im  Hintergrunde  war  eine  kleine,  mit  goldenem 
Halbmond  geschmückte  Loggia  aus  Marmor  für  den  Sultan  be- 
stimmt, wenn  er  einmal  im  Jahre  vor  den  Janitscharen,  die  ihre 


i)    Vgl.    Spandugino     fol.    117 — 117  v»,     dann    die    deutschen    Gesandt- 
schaftsberichte  in  G  e  V  a  y. 

2)  Siehe  über  sie  Menavino  fol.   37  vo  bis  38. 

3)  Übersetzung  des  griechischen  Heptapyrgos ;  Menavino  fol.  49  vo. 

4)  Über    deren    Amt    siehe    Spandugino    fol.    iil  vo.      Sie    kauften    unter 
anderem  Tucliwaren  für  den  Hof  ein, 

5)  Alb^ri  S.    116.  6)  Spandugino  fol.   109. 

7)  Menavino  fol.  42  vo. 

8)  „Vestite    quäl    d'oro,    quäl    di    vellutto   et   qnal  di    seta'';    Spandugino 
fol.   117 — 117  vo. 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen   Soliman   II.        445 

Geschenke  erhalten  hatten,  feierlich  erschien  und  sich  zujubeln 
liefs  ').  Daneben  bewachten  Eunuchen  unter  dem  Kapi-Aga  das 
Pförtchen,  das  ins  Innere  des  Serails  und  in  die  kaiserlichen 
Gemächer  führte  ^). 

Hier  befand  sich  die  Serailschule,  an  der  vier  Schulmeister 
zahlreiche  Kinder  den  Koran  und  andere  heilige  Bücher  aus- 
wendig lernen  hefsen,  um  sie  so  für  hohe  Reichsämter  vorzu- 
bereiten. Die  Schüler,  die  sich  durch  Verlesung  von  ,, Psalmen" 
an  der  Bahre  von  Toten  in  der  Stadt  etwas  verdienen  konnten, 
erhielten  vom  Kaiser  Kaftane  und  andere  Geschenke,  und  er 
zahlte  den  Doktoren ,  die  ihre  Zöglinge  nur  einmal  am  Tage 
schlagen  durften,  wenn  sie  ihre  rechte  Hand  behalten  wollten, 
lO  Asper  täglich  ^).  Nach  Beendigung  ihrer  Studien  wurden 
die  Zöglinge,  die  dann  im  Alter  von  25  Jahren  standen,  dem 
Kaiser  beim  Verlassen  seines  Serails  mit  goldenen  Binden  an 
der  Adschemoglanenmütze  vorgestellt  und  empfingen  in  einem 
Fekel  looo  Asper  und  einige  gute  Ratschläge  aus  dem  Munde 
ihres  ,, Vaters",  des  Padischah-Baba ,  des  Kaisers  der  Erde  und 
des  Meeres  ■*). 

Im  Serail  lebten,  dem  Sultan,  seinem  ganzen  Hofe  und 
Heere  zur  Verfügung,  Tausende  von  Dienern,  die  verschiedene 
Klassen  bildeten.  Da  besorgten,  um  von  unten  anzufangen,  einige, 
die  aus  weifsem,  grünem  und  schwarzem  Marmor  gebauten  kai- 
serHchen  Bäder;  Wasser  brachten  die  Sakadschis  •'')  in  Büffel- 
fellen herbei ;  Holz  fällten  die  Baitadschis  ^) ;  die  Kleiderwäscher 
erhielten  als  Bezahlung  die  getragene  Wäsche  des  Sultans  ') ; 
siebzig  Gehilfen  waren  an  den  vier  Backöfen  beschäftigt,  die  das 
kaiserliche  Brot  buken  ^) ;  200  Maimardschis,  darunter  auch  Grie- 
chen, hatten  die  Bauten  instand  zu  halten^);  300  Nalbandschis 
oder  Nalbants  beschlugen  die  Pferde;  den  Dogandschis  waren 
Vögel  und  Hunde,  den  Seimens  nur  die  Jagdhunde,  den  Tscha- 


i)  Spandugino  fol.   118.  2)  Ebenda  fol.    117 — 117  vo. 

3)  Menavino   fol.  38 — 38  v».  4)  Ebenda  fol.  40  v»  bis  41. 

5)  Nach  der  Saka,  dem  Karren  benannt,  der  zum  Transport  benutzt  wurde. 

6)  Spandugino  fol.    109  vo.  7)  Menavino  fol.  39voft". 
8)  Ebenda  fol.   39.                                   9)  Ebenda  fol.  45  v°. 


446  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel, 

kirdschis  wieder  Vögel  anvertraut  ^) ;  die  Elefanten,  Löwen,  Leo- 
parden, Wildkatzen,  Affen,  die  man  nach  dem  Beispiele  der  Sou- 
dane  von  Kairo  in  der  einmal  als  Wasserleitung-  benutzten  unter- 
irdischen Galerie  Bin-bir-direk  unterhielt,  hatten  ihren  beson- 
deren Pfleger^).  Im  Keller,  wo  Brot,  Dschulep,  Zucker,  kan- 
dierte Früchte,  Spezereien  usw.  aufbewahrt  wurden,  waltete  der 
Kelerdschi-Bascha  mit  seinen  25  jungen  Kelerdschis,  die  sich 
noch  im  Lesen  und  Schiefsen  vervollkommneten  ^) ;  die  Gärten 
unterstanden  der  Obhut  des  Bostandschi-Baschas  und  seiner  300 
Bostand^his,  die  einen  Teil  der  geernteten  Früchte  auf  öffent- 
lichem Markte  verkauften  —  freute  sich  doch  der  Sultan  über 
solchen  Gewinn,  der  nicht  den  Schweifs  des  Volkes  kostete, 
ganz  besonders  *).  Junge  Janitscharen  bereiteten  das  Eis  für  die 
Tafel  ihres  ,,  Vaters"  ^).  Den  Köchen  zur  Seite  arbeitete  ein 
Halvadschi,  um  die  Halva  genannte  süfse  Masse  herzustellen  ^). 

Für  die  persönlichen  Bedürfnisse  des  Kaisers  allein  waren 
wiederum  besondere  Kategorien  von  Hofbeamten  bestimmt,  30 
Schneider,  70  Goldarbeiter,  die  auch  im  Basar  Buden  hatten, 
50  Münzschläger,  Schuhmacher,  Schmiede,  Schreiber  usw.  Prie- 
ster ^)  gehörten  zum  kaiserlichen  Hause  *).  Bartscherer  warteten 
auf  ein  Zeichen  des  „Herrn";  jüdische  oder  arabische  Ärzte, 
Hekims  oder  Dscherachs,  hatten  ihre  Wohnung  im  Serail  ^).  Ein 
kundiger  Perser,  dem  200  Sklaven  zugeteilt  waren,  sagte  als 
Astrolog  dem  Herrscher  die  Zukunft  voraus"').  Überall  gingen 
Eunuchen,   die  oft  aus  Indien  gebracht  waren,  umher. 

Des  Morgens  kam  der  Tschohodar,  um  dem  Sultan  Wasser 
zum  Waschen  zu  bringen;  die  Kleider,  die  er  nur  einmal  zu 
tragen  pflegte,  reichte  ihm  der  Keptar;  der  Silichdar  trug  für 
Schwert  und  Bogen  Sorge   und    galt  als  erster  unter  den  Favo- 

i)  Menavino  fol.  46. 

2)  Ebenda;   Bassano   fol.    102 — 102  vo. 

3)  Ebenda  fol.   38. 

4)  „Perch^  dice  che  quelli  sono  danari  di  buon'  acquisto,  et  non  di  sudore 
di  poveri  huomini'";   ebenda   fol.   38  vo   bis   39. 

5)  Menavino   fol.  46.  6)  Spandugino  fol.    109. 
7)  Bassano  fol.   104  vo.  8)  Ebenda  fol.  45. 

9)  Men  av  in  o  fol.  40 — 40  vo.       10)  Bassano  fol.   102. 


Osmanisches   Leben  unter  der  Regierung  des  jungen   Soliman   II.        447 

riten  —  sein  Gehalt  betrug-  zehn  Dukaten  monatlich  ').  Mehrere 
Itschoglane  unter  Oda-baschis,  d.  h.  Edelknaben  unter  Kammer- 
herren ,  leisteten  die  kleinen  Handreichungen  und  hatten  Sirup 
und  Confetti  in  Verwahrung-  ^).  Wenn  —  dreimal  im  Sommer, 
zweimal  im  Winter  —  die  Stunde  der  Mahlzeit  kam ,  eilte ,  mit 
dem  Stabe  in  der  Hand,  der  Tschisnedschir-Bascha  und  sein  Ge- 
folg-e  aus  der  Küche  herbei.  Die  schon  in  kleine  Stücke  zurecht- 
g-eschnittenen  Speisen  lag-en  auf  Porzellantellcrn  und  waren  mit 
Silber  zug-edeckt.  Vor  den  auf  Teppichen  sitzenden  Kaiser  wur- 
den zunächst  zwei  Leintücher  ausgebreitet,  dann  die  altherge- 
brachte, jetzt  fein  gearbeitete  lederne  Serviette,  die  Sofra.  Kniend 
bot  der  Tschisnedschir  seinem  Herrn  die  Teller  dar,  während 
die  drei  männlichen  Favoriten  des  Sultans  ihm  mit  Sirup  oder 
Dschalep  in  einer  mit  Silber  eingefafsten  und  mit  Smaragden 
oder  anderen  Edelsteinen  besetzten  Kokosnufsschale  aufwarteten  ^). 
Oft  war  ein  Arzt  bei  dem  Mahle  zugegen,  um  den  Herrscher 
vor  Gift  zu  bewahren  ■*). 

Nach  dem  Essen  las  der  Sultan  aus  ,,  dem  Buche  von  Ale- 
xander" oder  philosophisch -religiöse  Traktate^).  Oder  er  rief 
Zwerge,  Narren ,  Pechlivans  vor  sich ;  letztere  nur  mit  ledernen 
Hosen  bekleidet,  auf  dem  Kopf  eine  kleine  schwarze  oder  weifse 
Lammfellmütze  und  im  Nacken  ein  Mäntelchen,  das  sie  abwarfen, 
wenn  das  Ringspiel  begann  ^).  Nach  dem  von  der  Etikette  vor- 
geschriebenen Nachmittagsschlaf  auf  dem  Diwan  pflegte  Soliman 
sich  eine  der  vier  goldgeschmückten  Barken  aus  dem  Arsenal 
bringen  und  sich  mit  Ibrahim  oder  einem  anderen  Freunde  unter 
seinen  Sklaven  nach  den  asiatischen  Gärten  übersetzen  zu  lassen. 
Adschemoglane  safsen  am  Ruder  und  der  Bostandschi-Bascha 
vorn  am  Steuer  '). 


i)  Menavino  fol.   37. 

2)  Vgl.  Spandugino  fol.   107  vo  bis   108  vo. 

3)  Unter  Bajesid :  ,,Scorza  di  noce  indiana,  legata  in  verghe  d'oro,  et  il 
piede  simile,  con  una  luna  in  cima,  due  smeraldi  bellissimi  per  ogni  banda"; 
Menavino   fol.   48  —  48  vo. 

4)  Bassano   fol.   85.  5)  Ebenda. 

6)  Menavino   fol.   46 — 46  v«;  Bassano   fol.   87 — 87  yo. 

7)  Vgl.   Alberi  S.   96   mit  Bassano   fol.   87  —  87  vo. 


448  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Des  Abends  zeitig-  bereiteten  Kammerherren  dem  Sultan  in 
dem  von  ihm  bezeichneten  Räume  —  vorsichtshalber  schlief  er 
nie  zwei  Nächte  nacheinander  in  demselben  Zimmer  —  das  Lager. 
Tagsüber  ruhte  er  auf  zwei  Matratzen ,  eine  aus  silbernem,  die 
andere  aus  goldenem  BrokatstofF,  beide  mit  Edelsteinen  besetzt, 
und  stützte  sich  auf  vier  ebensolchen  Kissen.  Der  Nachtruhe 
dienten  drei  mit  rotem  Samt  überzogene  Matratzen,  von  denen 
zwei  mit  Baumwolle,  die  unterste  aber  mit  Federn  gefüllt  waren ; 
im  Sommer  deckte  er  sich  mit  einer  Decke  aus  rotem  Tafifet, 
im  Winter  mit  einem  kostbaren  Schwarzfuchsfelle  zu;  von  den 
Kissen  hingen  seidene  Kränzen  mit  goldenen  Knöpfen  herunter. 
Darüber  spannte  sich  an  Schnüren  ein  goldener  Baldachin  aus. 
Über  das  Hemd  zog  der  Sultan  nachts  eine  Jacke  aus  feinem 
Tuche.  Wenn  er  sich  niederlegte ,  wurde  einer  oder  zwei  zu 
beiden  Seiten  des  Bettes  aufgestellte  silberne  Kandelaber  an- 
gezündet, deren  Licht  die  Augen  des  Schlafenden  nicht  be- 
lästigte. Fünf  Kammerherren  hielten  bis  zum  Morgen  bewaffnet 
Wache  »). 

Am  Morgen  empfmg  der  Sultan  seine  höchsten  Beamten, 
bevor  sie  selbst  Audienzen  erteilten.  Dann  begaben  sich  die 
Wesire,  Kadilisker,  Tefterdare,  der  Janitschar- Aga  und  später 
auch  Khaireddin,  der  Beglerbeg  des  Meeres  ^),  mit  seinen  Kollegen 
von  Rum,  Anadol ,  Diarbckr,  Karaman,  Sulkadr,  Syrien  und 
Ägypten,  soweit  sie  in  Konstantinopel  anwesend  waren,  und  dem 
Dragoman  zum  Gerichte.  Der  Audienzsaal  war  reich  mit  Mosaiken 
ausgestattet  und  ruhte  auf  marmornen  Säulen;  goldene  Arabesken, 
die  in  BlumenmusternEdelsteine  umgaben,  schmückten  die  Wände  ^), 
die  Gesandten  sprachen  sogar  mit  Bewunderung  von  dem  ,,ver- 
guldten  Poden "  *) ;  Spahis,  Mutefariakas  u.  a.  verliehen  den  Ver- 
handlungen durch  ihre  Gegenwart  höhere  Würde.  Ernennungen 
wurden  vollzogen,  falsches  Geld  untersucht,  Staatsangelegenheiten 


i)  Menavino  fol.  37  v,  48  vo;  Bassano   fol.  85. 

2)  Bassano  fol.  88  vo. 

3)  Ebenda  fol.  83  v». 

4)  Gevay   1530,   S.  41- 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen  Soliraan  II.        449 

jeder  Art  beraten  und  Prozefsberufung-en ,  zu  denen  Tschausche 
die  interessierten  Teile  vorriefen,  endg-iiltig-  entschieden;  der  Ver- 
urteilte erhielt  auf  der  Stelle  seine  Stockhiebe  oder  wurde  dem 
Henker  zu  ausgesuchten  Folterqualen  oder  zur  Hinrichtung-  — 
durch  Köpfen,  Erwürgen,  Pfählen  oder  Festsetzen  mit  eisernen 
Klammern,  guanci  ^) —  überwiesen.  Die  Sitzungen  wurden  durch 
die  Mahlzeiten  der  Mitglieder  unterbrochen,  denen  man  Hühner, 
Wildbret  mit  Gewürz-  und  Safransaucen  und  Limonensaft  vor- 
setzte ;  die  Audienz  ging  dann  im  Sommer  bis  nachmittags ,  im 
Winter  bis  abends,  zur  Kindistunde,  fort.  Dem  Sultan  gaben 
anfänglich  die  Kadilisker,  dann  die  Wesire  und  Beglerbegs  durch 
ein  Arz,  d.  h.  einen  schriftlichen  Bericht,  Kenntnis  von  den  ge- 
troffenen Entscheidungen  ^). 

Viel  feierlicher  gestalteten  sich  die  Audienzen,  wenn  der 
Sultan  —  statt  hinter  schwarzem  Vorhange  ungesehen  an  einem 
offenen  Fensterchen  zu  lauschen  —  öffentlich  erschien  und  auf 
seinem  mastabe,  dem  goldenen  Throne,  Platz  nahm.  Kapu- 
dschis  mit  Stöcken  aus  schwarzem  Ebenholz  mit  Silbereinlage 
gingen  ihm  voran;  dann  folgte  in  langsamem  Zuge  der  Grofs- 
wesir;  zwei  andere  Wesire  begleiteten  rechts  und  links  den 
Kaiser.  Die  drei  Favoriten  mit  goldenem  Kissen  und  die  Eunu- 
chen ersten  Ranges  schlössen  sich  ihm  an.  Die  Hände  auf  der 
Brust  kreuzend  und  die  Augen  zur  Erde  richtend,  standen  die 
Anwesenden  unbeweglich.  Hatte  sich  der  Sultan  nach  morgenlän- 
discher Art  niedergelassen,  so  setzten  der  Grofswesir  und  der  Kadi- 
lisker von  Rum  sich  auf  die  Bänke  zur  rechten  Hand,  zur  linken  der 
andere  KadiHsker  und  die  übrigen  Wesire.  Die  Beratung  ging 
vor  sich,  ohne  dafs  der  Kaiser  das  Wort  nahm;  darauf  speiste 
man  gemeinschaftlich.  Endlich  teilten  die  Kapudschis,  der  Wei- 
sung des  Herrn  entsprechend,  Brokatkleider  oder  Kaftane  aus; 
derjenige  Beamte,  der  bei  solcher  Gelegenheit  einen  Kaftan  aus 
schwarzem  Tuche  erhielt,  begab  sich  ohne  einen  Laut  dahin, 
wo  ihn  der  Strick  des  Henkers  erwartete  "). 


i)  Bassano. 


2)  Ebenda  fol.  87  voff.     Vgl.  Gcvay,  passim. 

3)  Vgl.    Menavino    fol.    47 — 47  vo;    Spandugino    fol.    124  vo    bis   125; 
Jorga,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches.    II.  äö 


450  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

Fand  der  Diwan  zum  Empfang  eines  fremden  Gesandten 
statt  —  man  unterschied  zwischen  dem  Feinde,  der,  um  einen 
Pafs  zu  erhalten,  als  Gefangener  nach  Konstantinopel  oder  Adria- 
nopel begleitet  und  in  dem  ihm  angewiesenen  Hause  von  Jani- 
tscharen  bewacht  wurde  und  den  Sultan  nicht  zu  Gesicht  bekam, 
und  dem  Freunde  — ,  so  hatte  die  kaiserliche  Audienz  einen 
etwas  anderen  Charakter.  Bei  seiner  Ankunft  ritt  der  Gesandte 
auf  einem  Paradepferde,  von  30  bis  40  Imrochoren  begleitet,  ein ; 
am  dritten  Tage  erst  durften  seine  unwürdigen  Augen  den  Kaiser 
sehen.  Er  machte  die  Reverenz,  die  tiefe,  vom  Hofzeremoniell 
vorgeschriebene  Verbeugung;  der  Sultan  stand  auf,  was  vor  kei- 
nem Untertanen  seines  Reiches  geschah,  und  reichte  dem  Ge- 
sandten die  Hand  zum  Kusse.  Auf  einem  kleinen  roten  Stuhle 
europäischer  Art  mufste  der  Fremde  Platz  nehmen,  und  der  Dra- 
goman verlas  die  Briefe  seines  Herrn.  Nicht  selten  nahm  Soli- 
man  selbst  das  Wort,  stellte  Fragen  und  erteilte  Rügen,  so  dafs 
er  die  Milde  mit  der  Strenge  oft  wechselte.  Darauf  wurde  der 
Gesandte  zu  den  Wesiren  geleitet,  und  diese  bewirteten  ihn  in 
einem  anderen  Zimmer,  wenn  er  ein  Franke  war,  alla  franca, 
d.  h.  es  wurde  auf  silbernen  und  goldenen  Tellern  serviert  und 
Wein  getrunken. 

Der  Gesandte  teilte  dann  seine  Zeit  zwischen  Verhandlungen, 
die  oft  absichtlich  in  die  Länge  gezogen  wurden ,  und  Spazier- 
ritten durch  die  Stadt,  wobei  ihn  ein  Tschausch  und  eine  Wache 
von  Janitscharen ,  die  ein  Trinkgeld  —  Bakschisch  —  und  Be- 
förderung in  ihrer  militärischen  Karriere  erwarteten,  begleiteten, 
um  die  Menge  von  ihm  fern  zu  halten.  Täglich  erhielt  er  aus 
der  Khasna  bis  20  Golddukaten  für  seine  Ausgaben.  Am  Tage 
der  Abreise  durfte  er  noch  einmal  vor  dem  Sultan  sprechen  und 
seine  Antwort  vernehmen,  auch  nahm  er  oft,  neben  ihm  sitzend, 
noch  an  einem  festlichen  Mahle  teil ;  wenn  er  von  den  zehn  bis 
fünfzehn  gleichzeitig  gebrachten  fremden  Gängen  gekostet  hatte, 
erhielt  der  Fremde  einen  oder  mehrere  Kaftane  aus  Damast, 
Samt  oder  Brokat,    die   oft  einen  Wert  von  2000  bis  3000  Du- 


siehe     auch     Hurmuzaki     II,     62;     Bassano     fol.     88  v»     bis     89;     Alb^ri 
S.    116. 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen   Soliman  U.         451 

katen  hatten.     Darauf  nahm  er  die  kaiserliche  Antwort  in  einem 
kostbaren  gestickten  Säckchen  auf  die  Reise  mit  ^). 

Jeden  Freitag  begab  sich  der  Sultan  in  die  Moschee :  es  war 
jedesmal  der  imposanteste  Aufzug  damit  verbunden,  den  die  Be- 
völkerung seiner  Hauptstädte  sehen  konnte.  Berittene  Tschausche 
liefsen  ihren  Ruf:  „Zurück,  der  Herr  kommt!"  erschallen  2). 
Daraufkamen  2000  Janitscharen,  2000  Spahis,  Solaken  mit  Schwer- 
tern und  Beilen  am  Gürtel  und  Flinten  auf  dem  Rücken,  Spa- 
chioglane  zu  Pferde,  mit  Schwert  und  Bogen,  den  Buzdugan  am 
Sattel,  vorbei.  In  einiger  Entfernung  folgten  zwei  Imrochore, 
dann  15  bis  20  Pferde,  die  mit  Perlen  und  Edelsteinen  besetzte  Zügel 
und  wallende  rote  Decken  trugen.  Die  drei  Agas  des  kaiser- 
lichen Gemaches,  der  Silichdar-Aga  und  seine  Gefährten  schlössen 
sich  mit  den  Zeichen  ihrer  Würde  an.  ,,  Tiefes  Schweigen  herrschte 
und  nichts  war  zu  hören  als  Schritte  und  Pferdehufe  2)."  Das 
Volk  grüfste  schweigend  und  allen ,  auch  Christen  und  Juden, 
nickte  der  Kaiser.  Nachdem  er  gegen  zwei  Stunden  in  seinem 
gläsernen  Kiosk  gebetet  hatte,  kehrte  er  unter  demselben  Zere- 
moniell zurück  ^). 

Sonst  erschien  er  öffentHch  auch  wohl ,  wenn  ein  mit  wei- 
fsen  Buchstaben  auf  schwarzem  Grund  geschriebener  Brief  ihm 
den  Tod  eines  kaiserlichen  Prinzen  verkündete,  mochte  er  auch 
auf  seinen  Befehl  ermordet  worden  sein.  Dann  warf  der  Sultan 
seinen  Turban  zu  Boden,  legte  alle  Juwelen  ab,  liefs  den  Wän- 
den ihren  Schmuck  nehmen  und  die  Teppiche  umkehren,  und 
drei  Tage  lang  durfte  in  der  Hauptstadt  keine  Musik  ertönen ; 
Schafe  wurden  geopfert  und  bis  zu  7000  Asper  wöchentlicher 
Almosen  verteilt.  Am  Tage  der  Beisetzung  ging  der  Herrscher 
hinter  der  Bahre  des  Verstorbenen  her,  und  die  Pferde,  die  ihn 


i)  Menavino  fol.  47  vo  bis  48;  Bassano  fol.  102  voff.;  Alberi  S.  116; 
vgl.  oben  S.  300  ff.     Eine  Audienz  im  Lager  (1537),  Charriere  I,  S.  344  ff. 

2)  „Fatevi  indietro ;  ecco  il  Signor  che  viene";  Bassano  fol.  81  vo  bis  82. 

3)  „Silentio  grandissimo,  ne  si  sente  altro  che  il  suono  delle  scarpe  ferrate 
et  il  strepito  de'  cavalli";  ebenda. 

4)  Ebenda. 

29* 


453  Zweites  Buch.     Elftes  Kapitel. 

zogen,  mufsten  „weinen"  —  man  hatte  ihnen  tränenfördernde 
Reizmittel  in  die  Augen  gebracht  ^).  In  der  Trauer  aber  wie  im 
Triumphe  wurde  dasselbe  unvergleichliche,  majestätische  Schwei- 
gen bewahrt. 

Wenn  sich  der  Sultan  zu  einem  Kriegszug  in  Bewegung 
setzte,  hatten  selbst  die  looo  Karipidschis ,  ,,arme  Leute",  dar- 
unter Christen  und  Mohren ,  schöne ,  kostbare  Uniformen  an. 
Der  Emir-Alem  mit  sechs  Sandschaks  trug  ihm  das  kaiserliche 
Zeichen,  den  Tug,  voran  2).  4000  glänzende  Spahioglane,  von 
denen  je  500  um  das  Zelt  des  Kaisers  bei  jedem  Wetter  im 
Freien  schlafen  mufsten,  waren  ihm  beritten  zur  Seite;  je  zehn 
Silichdare  führten  die  kaiserlichen  Pferde.  Diese  auserwählten  und 
hochbesoldeten  Krieger  hatten  ihrerseits  wieder,  wie  auch  die 
Ulufedschis  und  Mutefariakas,  zwei  oder  drei  Sklaven  in  pracht- 
vollen Kleidern  mit.  Der  Imrochor  war  von  tausend  Janitscharen 
und  eigenen  Sklaven  umgeben.  Alle  Tschausche  waren  unter 
ihrem  Führer,  dem  Tschausch-Bascha  zugegen :  mit  dem  Buzdu- 
gan  in  der  Hand  ordneten  sie  geräuschlos  die  Reihen  des  Heeres. 
Unter  ihren  zwei  Agas  und  zwei  Kehajas  schritten  die  Solaks  mit 
weifsen  und  goldenen  Mützen,  wie  die  Janitscharen,  einher.  In 
Gold  und  Seide  prangten  die  Kapudschis,  die  auch  als  Massa- 
ladschis  in  der  Nacht  dem  Herrn  mit  Windlichten  den  Weg 
wiesen  ^).  Schnelle  Läufer  eilten  in  ihrer  eigentümlichen  Klei- 
dung voran.  Das  Korps  der  Janitscharen,  die  jetzt  Panzer  tru- 
gen und  oft  auch  schon  Flinten  führten,  erregte  die  allgemeine 
Bewunderung  ^).  Auf  neuen,  von  spanischen  Mohren  nach  dem 
Vorbilde  der  in  ihrer  Heimat  gebräuchlichen  gebauten  Karren 
kam,  von  1000  Toptschis  und  häufig  christlichen  Meistern  be- 
dient, die  bronzene  und  eiserne  Artillerie;  notwendige  Repara- 
turen an  Geschützen  und  anderen  Waffen  auszuführen,  war  Sache 


1)  Bassano  fol.   51  v». 

2)  Spandugino  fol.   113  ff. ;  Menavino  fol.  41  vo. 

3)  Vgl.  Menavino  fol.  42voff. ;  Spandugino  fol.   113  v»  bis   115. 

4)  Die  farbige  Abbildung  eines  Janitscharen  zu  Anfang  des  i.  Bandes  meiner 
„Acte  §i  fragmente". 


Osmanisches  Leben  unter  der  Regierung  des  jungen  Soliman  II.         453 

der  Dschebedschis  ^).  Den  Beschlufs  des  Zug-es  bildeten  die 
Maultiere  unter  dem  Katirdschi-Bascha  und  die  seit  Selims  Tagen 
für  den  Transport  des  schweren  Gepäckes  benutzten  Kamele  ^). 

So  vereinigten  sich  Pracht  mit  numerischer  Stärke,  Disziplin, 
persönliche  Tapferkeit,  Treue  gegen  den  Sultan,  Hingebung  an 
den  Islam  und  Lebensverachtung,  um  aus  diesem  Heere  das  erste 
der  Welt  und  in  ihm  das  Reich  Solimans ,  selbst  wenn  es  die 
erstrebten  Ziele,  wie  1529  und  1532,  nicht  immer  vollständig  er- 
reichen konnte,   unüberwindlich  zii  machen. 


i)   Spandugino   fol.    115. 
21  Ebenda. 


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Druck  von  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  Gotha. 


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