ALLGEMEINE STAATENGESCHICHTE.
Herausgegeben von KARL LAMPRECHT.
I. ABTEILUNG : GESCHICHTE DER EUROPÄISCHEN STAATEN. — II. ABTEILUNG : GE-
SCHICHTE DER AUSZEREUROPÄISCHEN STAATEN. — III. ABTEILUNG : DEUTSCHE
LANDESGESCHICHTEN.
Erste Abteilung:
Herausgegeben
von
A. H. L. HEEREN, F. A. UKERT,
W. V. GIESEBRECHT UND K. LAMPRECHT.
Siebenunddreifsigstes Werk.
JORGA, GESCHICHTE DES OSMANISCHEN REICHES.
Zweiter Band.
(Bis 1538.)
GOTHA 1909.
FRIEDRICH ANDREAS PERTHES
AKTIENGESELLSCHAFT.
Prof. Dr. Franz TaDsc
GESCHICHTE DER EUROPAISCHEN STAATEN.
Herausgegeben von
A. H. L. HEEREN, F, A. UKERT, W. v. GIESEBRECHT
UND K. LAMPRECHT.
Siebenunddreifsigstes Werk.
GESCHICHTE
DES
OSMANISCHEN REICHES.
NACH DEN QUELLEN DARGESTELLT
VON
N. JORGA,
Professor an der Universität Bukarest.
Zweiter Band.
(Bis 1538.)
GOTHA 1909.
FRIEDRICH ANDREAS PERTHES
AKTIENGESELLSCHAFT.
Vorwort.
Bei Abschlufs dieses zweiten Bandes der „Geschichte des
osmanischen Reiches " halte ich es , besonders den über die
„Geschichte des rumänischen Volkes" und den ersten Band
dieses Werkes erschienenen Kritiken gegenüber, für meine Pflicht,
den Standpunkt dieser Arbeiten vor der Öffentlichkeit mit
einigen Worten zu rechtfertigen.
Ich habe so wenig den Ehrgeiz wie die Möglichkeit, Werke
zustande zu bringen, an denen Spezialisten und besonders solche
in anderen Zweigen der Wissenschaft, Philologen, Orientalisten,
Ethnographen usw., nichts auszusetzen finden. Denn oft mangelt
es mir hier am Orte meiner Tätigkeit an den erwünschten
Quellen, wie an einem anderen Studienorte wieder die in Bu-
karest befindlichen Hilfsmittel fehlen würden. Aber selbst wenn
mir das ganze Material zur Verfügung stände, wäre es nicht
mein erstes Bestreben, jede Einzelheit mit der manchen For-
schern wohl eigentümlichen Liebe zu verfolgen. Noch weniger,
in den Anmerkungen alle von mir benutzten Quellen mit ge-
bührender Genugtuung aufzuzählen ; der Wissende wird erkennen
und ich kann versichern, dafs ich manches verwandt habe, was
ich der Kürze wegen und um dem Leser das Mitgehen nicht
zu verleiden, auf seinen ersten Ursprung zurückzuführen ver-
schmähte. Es mag das vielleicht ein Fehler sein, ich kann und
mag ihm aber nicht abhelfen.
Bücher über die Geschichte eines Volkes und eines mäch-
tigen Weltreiches sind, wenn ich nicht irre, von einem anderen
Standpunkte aus als dem der Chronologie und der Schreibart
orientalischer Namen zu beurteilen. Die Zeitschriftenkritik ist
VI
Vorwort.
in eng-en Rahmen gebannt, darum aber braucht sie noch nicht
kleinhch zu sein und das besprochene Werk auf das Niveau
einer akademischen Dissertation herabzudrücken, um es dann
wie eine solche zu zerfasern. Auch Anordnung , Auffassung-
und Form haben ihren Wert , und es ist ungerecht , sie un-
besprochen zu lassen, um der bequemen Jagd nach ,, Fehlern"
in Zeitangaben und Orthographie fremder Namen obzuliegen.
Der Verfasser eines umfassenden historischen Werkes lädt
augenscheinlich in der Auffassung mancher Leute durch seine
Kühnheit schon eine grofse Schuld auf sich und begibt sich
mancher Rechte. Zwei aber nehme ich jedenfalls für mich in
Anspruch : den von mir gewählten , sozusagen philosophischen
Standpunkt berücksichtigt zu sehen und auf Grund der ge-
gebenen Möglichkeiten beurteilt zu werden. Danach handelten
jene älteren Kritiker, deren Arbeit nun wirklich ermunternd und
befruchtend war und die leider seit einigen Jahrzehnten aus-
gestorben scheinen.
Sie würden anerkannt haben, dafs der Wissenschaft und
ihrer Verbreitung in weiteren Kreisen durch meine umfassenderen
Werke dennoch ein Dienst geleistet wird.
Bukarest, den 19. August 1908.
N. Jorga.
Inhalt.
Seite
Erstes Buch. Bildung- des osmanischen Kaiserreiches durch
Mohammed II i
Erstes Kapitel: Eroberung Konstantinopels 3
Charakteristik Mohammeds, S. 3. Erste Mafsregeln desselben als
Herrscher, S. 5. Feldzug in Asien, S. 6. Veränderungen im os-
manischen Heere, S. 7. Konflikt mit dem byzantinischen Kaiser,
S. 8. Erbauung der osmanischen Schlösser am Bosporus, S. 9. Ein-
fall Turakhan-begs in Morea, S. II. Haltung Europas in der byzan-
tinischen Krise: die versprochene päpstliche Hilfe, S. 13. Unions-
feinde in Konstantinopel, S. 14. Venezianische Politik gegenüber
Mohammed II., S. 15 Ankunft der venezianischen Schiffe in den
byzantinischen Hafen, S. 16 Genuesische Hilfe wegen Peras, S. 17.
Schaffung einer osmanischen Artillerie, S. 17. Erscheinen der
Truppen Mohammeds vor Konstantinopel, S. 19. Stellung derselben
bei der begonnenen Belagerung, S. 21. Innere konstantinopolitanische
Zustände, S. 22. Anteil der ,, Lateiner" bei der Verteidigung Kon-
stantinopels, S. 23. Beschiefsung der Stadt und erste geöffnete
Breschen, S. 24. Überfuhrung der osmanischen Schiffe vom offenen
Meere in das Goldene Hörn, S. 25. Vorbedeutungen der endgültigen
Katastrophe Konstantinopels, S. 27. Vergebliche Erwartung der „la-
teinischen " Schiffe aus dem Westen. S. 28. Letzte Kämpfe zwischen
Türken und Christen vor dem grofsen Sturme , S. 29. Erstürmung
Konstantinopels, S. 30. Eintritt Mohammeds II. in die eroberte
Stadt, S. 30. Ergebung der Bewohner Peras an den Sultan, S. 34.
Schicksal der cliristlichen Schiffe, S. 35. Hinrichtungen einiger
Führer der Verteidigung Konstantinopels, S. 36. Neue, vom Sultan
geschaffene Ordnung in seiner neuen Hauptstadt, S. 36.
Zweites Kapitel: Die nächsten Folgen der Eroberung Konstan-
tinopels 39
Der durch den Fall Konstantinopels verursachte Eindruck im Westen,
S. 39. Klagen der Humanisten, S. 40. Päpstliche und venezianische
Ermahnungen, eine Liga gegen die Osmanen zu bilden, S. 42. Ge-
nuesische Politik nach dem Falle Konstantinopels , S. 44. Die von
Venedig angeordneten Mafsregeln, S. 44. Haltung des Königs von
Aragonien und Neapel in der türkischen Frage, S. 46. Neue Stel-
lung Mohammeds U. in der islamitischen Welt, S. 47. Erhöhung
des Tributs der schon besiegten christliclien Länder, S. 48. Frei-
Tin
Inhalt.
Seite
willige Unterwerfung der Inseln Lemnos, Imbros und Thasos, S. 49.
Veränderungen unter den hohen osmanischen Beamten, S. 50. Bauten
und Arbeiten in Konstantinopel und Gallipolis , S. 50. Erneuerte
Huldigung des Herrn von Lesbos , S. 51. Erscheinen der osmani-
schen Flotte vor Chios, Rhodos u. a. , S. 51. Verhandlungen der
genuesischen Beamten in der Krim mit dem Sultan, S. 52. Erste Tri-
butsendung des Fürstentums Moldau, S. 53.
Drittes Kapitel: Erste Kämpfe Mohammeds II. an der Donau,
gegen Serben und Ungarn, Eroberungen im Archipelagus ... 54
Pläne Mohammeds II. gegen Serbien, S. 54. Politik des serbischen
Despoten Georg, S. 55- Einnahme Ostrowitzas durch die Osmanen,
S. 55. Der Regensburger Tag und die Kreuzzugspläne, S. 57. Er-
mahnungen an den ungarischen König als natürlichen Vertreter der
Idee eines Krieges gegen den Sultan, S. 59- Beziehungen Johann
Hunyadys zum liinsterbenden byzantinischen Reiche, S. 59. Unga-
rische Vorbereitungen, S. 59. Frankfurter Kreuzzugstag, S. 60. Sieg
Hunyadys bei Kruschewatz und Angriff auf Widin, S. 61. Ver-
söhnung des serbischen Despoten mit dem Sultan, S. 62. Neustädter
Zusammenkunft und Pläne gegen die Türken, S. 63. Neue ungarische
Rüstungen, S. 64. Tod des Papstes Nikolaus, S. 64. Zweiter Zug
Mohammeds gegen Serbien, S. 65. Einnahme Novobrdos , S. 67.
Eindruck in Europa, S. 67. Die Erbschaft des Fürsten von Lesbos,
Dorino Gattilusio, S. 68. Eroberung Neu- und Alt-Phokäas, S. 69.
Zänkereien zwischen Dorino Gattilusio und seiner Familie, S. 69.
Zug gegen Änos, S. 70. Angriff der osmanischen Flotte auf Chios
und Lemnos, S. 71.
Viertes Kapitel: Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an
der Donau 72
Päpstliche und kaiserliche Bemühungen , den Kreuzzug zustande zu
bringen, S. 72. Ungarische Wirren und ungarische Ohnmacht, S. 73.
Aufbruch Sultan Mohammeds gegen Belgrad, S. 74. Einsetzung des
walachischen Fürsten Vlad Tepe§ durch Hunyady, S. 74. Beschrei-
bung Belgrads, S. 75. Die Verteidiger desselben: die Kreuzfahrer
Johanns von Capistrano, S. 76. Osmanische Stürme gegen Belgrad,
S. 77. Rückzug des Sultans, S. 78. Schicksal der Krieger Capi-
stranos , S. 79. Serbische und ungarische Zwistigkeiten nach dem
Entsätze Belgrads, S.So. Tod des Despoten Georg: sein Nachfolger,
S. 81. Die vom Erfolge Hunyadys im Westen erweckten Hoffnungen
einer christlichen Offensive, S. 81. Zusammenbruch der ungarischen
Kriegsmacht, S. 82. Die albanesische Revolte und ihr Führer, Skan-
derbeg, bis 1457, S. 83. Gerüchte eines osmanisclien Angriffs auf
Belgrad und Ragusa, S. 85. Erscheinen einer päpstlichen Seemacht
vor Rhodos, Lemnos, Thasos u. a. , S. 85. Tod des Königs Ladis-
laus von Ungarn und des Papstes ; serbische Unterwerfungsvorschläge,
S. 86.
Fünftes Kapitel: Abrundung des Reiches in Europa und Asien
unter Mohammed II 87
Griechiscli-latcinische Zustände in Morea, S. 87. Der Despot Deme-
trios und sein türkenfreundliches Betragen, S. 88. Zug Turakhan-begs
nach Morea, S. 89. Rückstand des moreotischen Tributs und trübe
Zustände im fränkischen Athen , S. 89. Angriff des Sultans auf die
Inhalt. IX
Seite
Halbinsel, S. 90, Athens Schicksal, S. 91. Wiedereinnahme der
Inseln Lesbos, Imbros und Leranos, S. 91. Bruderkampf zwischen
den Despoten Demetrios und Thomas, S. 92. Erster Zug Sultan
Mohammeds gegen das Kroia Skanderbegs , S. 93. Zweiter Angriff
desselben auf Morea und Vernichtung der griechischen Herrschaft auf
der Halbinsel, S. 93. Pläne des Papstes Pius II., S. 95. Wiener
Tag, um den Kreuzzug zu beraten, S. 96. Anerbieten seitens Venedigs
und einiger kleinasiatischen Mächte, S. 97. Usuii-Hassan, der neue
turkmenische Kaiser, und seine Macht, S. 98. Zug des Sultans gegen
Sinope, S. 100. Angriff auf das Kaiserreich Trapezunt, S. lOi. Die
trapezuntinischen Kaiser der Zeit, S. 102. Einnahme Trapezunts und
Schicksal der letzten Komnenen, S. 103.
Sechstes Kapitel: Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe
Mohammeds an der Donau mit Rumänen und Ungarn .... 105
Tod des serbischen Despoten Lazar, S. 105. Besetzung Belgrads
durch die Ungarn und Anrufung des päpstlichen Schutzes seitens der
Serben, S. 106. Zug der Türken gegen Serbien: Einnahme Resa-
was und anderer Schlösser, S. 106. Einnahme Golubatschs, S. 107.
Osmanische Streifztige in Ungarn und ungarische Verteidigungsmafs-
regeln, S. 107. Bosnische Ansprüche auf Serbien, S. 108. Wieder-
eroberung Semendrias durch die Osmanen und Flucht der Königin
Helena. S. 109. Zustände in Bosnien und der Herzegowina, S. 109.
Unzufriedenheit der bosnischen Gröfsen mit ihrem König, S. iio.
Kämpfe unter Belgrad; Hinrichtung Michael Szilagyis in Konstan-
tinopel, S. IIO. Einfälle Ali-beg Michaloglis ins ungarische Banat,
S. III. Türkenfeindliche Politik des walachischen Fürsten Vlad
fepe^, S. III. Zusammenstofs desselben mit den Türken bei Giur-
giu, S. 113. Verheerungszüge Vlads über die Donau, S. I13. Zug
Mohammeds gegen die Walacliei, S. I14. Angriff des moldauischen
Fürsten Stephan auf den walachischen Hafen Chilia, S. 115. Ein-
setzung Radus als Fürst der Walachei und Rückzug des Sultans,
S. 116. Unterbrochener Revanchezug des ungarischen Königs Mat-
thias, S. 117. Einnahme der Insel Lesbos, S. 118. Türkische Ein-
mischung in die Herzegowina und Vorwände für einen Angriff auf
Bosnien, S. I19. Bosnischer Krieg und Tod des Königs Stephan,
S. 120. Erscheinen der osmanischen Truppen in Kroatien und der
Herzegowina, S. 12 1. Folgen der Eroberung Bosniens durcli die
Türken; Eindruck in Ungarn und in Albanien; Einnahme der Stadt
Argos, S. 122.
Siebentes Kapitel: Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter
Kampf der Christen gegen Mohammed II 123
Kreuzzugsvorbereitungen des Heiligen Stuhls, S. 1 23. Türkisch-ungarische
Grenzstreitigkeiten und Vertrag von Peterwardein zwischen Ungarn
und Venedig, S. 124. Eroberung Jaices durch die Ungarn, S. 124.
Christliche Erfolge in der Herzegowina, S. 125. Vergebliclier An-
griff Mohammeds 11. auf Jaice, S. 126. Belagerung Zworniks durch
die Ungarn, S. 127. Ankunft venezianischer Söldner in Morea, S. 127.
Wiedereroberung der Stadt Argos, S. 128. Tod Bertoldos von Este
bei Korinth , S. 128. Siege der Türken über die Reste der vene-
zianischen Truppen, S. 128. Eintritt derselben in Argos, S. 129.
Belagerung Mitylenes durch die Venezianer, S. 129. Letzte Mafs-
regeln für die Zustandebringung des Kreuzzugs, S. 13 1. Einschiffung
des Dogen und Tod Pius' II., S. 131. Die venezianische Flotte im
Inhalt.
Seite
Arcliipelagus, S. 131. Vereinigung Sigismondo Malatestas, des vene-
zianischen Generals, mit den albanesischen Führern, S. 132. Ver-
längerung des moreotischen Krieges, S. 132. Venezianische Schiffe
vor Gallipolis, S. 133. Die Flotte Cappellos gegen die türkischen
Inseln des Archipelagus , S. 133. Einnahme Patras' durcli die Vene-
zianer, S. 134. Türkische Siege, S. 134. Friedensverhandlungen,
S. 135. Neue Projekte des Sultans, S. 136. Verhältnisse in der
Herzegowina, S. 137. Rückkehr Skanderbegs nach Albanien, S. 137.
Zug Mohammeds gegen denselben, S. 138. Kämpfe nach dem Rück-
zuge des Sultans, S. 139. Neuer Zug desselben gegen Skanderbeg,
S. 140. Tod des albanesischen Helden, S. 141. Die Venezianer in
Kroia, S. 141. Verhandlungen des Sultans mit Ungarn und Venedig;
ungarische Gebietsabrundungen, S. 142. Tag zu Nürnberg und Kreuz-
zugspläne, S. 142. Türkische Einfälle in Dalmatien und Kroatien,
S. 145. Unternelmiungen gegen Andres seitens der Türken, und
gegen Änos , Neu-Phokäa, Alt-Phokäa seitens der Christen, S. 146.
Zug des Sultans nach Karamanien, S. 147. Die osmanische Flotte
in dem Archipelagus: Einnahme von Imbros und Lemnos; Plünde-
rungen auf der Insel Skyros, S. 147. Angriff auf Negroponte, S. 147.
Fall der Stadt Negroponte und der benachbarten In-eln, S. 149.
Streifzug des Wesirs in Morea, S. 150. Eindruck des Verlustes Ne-
gropontes, S. 151. Friedensverhandluns^en Venedigs mit dem Sultan,
S. 152. Raubzüge der Türken in Dalmatien und Albanien, S. 152.
Neue türkische Waffentaten in Albanien, S. 153. Asiatischer Kreuz-
zug der christlichen Liga, S. 153. Angriff auf Satalieh und Plünde-
rung Smyrnas; Versuch der Christen gegen die osmanische Flotte,
S. I54. Unternehmungen derselben gegen Siki , Gorigo, Myrrha,
Makri , 8. 155- Haltung der Ungarn, S. 155. Der Regensburger
Tag und die türkische Frage, S. 156. Einfall der Türken in die
österreichisclien Grenzländer, S. 157. Neuer Raubzug derselben in
diese Gegenden, 1473 t)is 1474, S. 158. Augsburger Tag und De-
batte wegen der Verteidigung dieser Reichsgrenze, S. 158.
Achtes Kapitel: Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Seine letzten
europäischen Eroberungszüge 159
Tod des Karaman-begs Ibrahim, S. 159. Krieg der Osmanen gegen
seinen Nachfolger, Isak-beg, S. 161. Revolte des Karamanen Pir-
Achmed, S. 161. Zug des Sultans gegen denselben, S. 161. Neue
karamanische Wirren, S. 162. Erste Zusammenstöfse zwischen den
Interessen Mohammeds II. und denen Usun-Hassans, S. 163. Unter-
stützung der Erben von Sinope und Karamanien durch denselben,
S. 164. Krieg Mohammeds gegen seinen Nebenbuhler, S. 164.
Besiegung des osmanischen Vortrabs durch die Truppen Usuns, S. 166.
Endgültige Niederlage der Turkmenen, S. 166. Ordnung der klein-
asiatischen Verhältnisse und Rückkehr des Sultans nach Konstanti-
nopel, S. 167. Weitere Beziehungen Venedigs zu Usun und phan-
tastische Kreuzzugspläne, S. 168. Feindliches Betragen des moldauisclien
Fürsten Stephan, S. 169. Krieg desselben gegen die in sein Land
eingefallenen Tataren, S. 169. Vergeltungszug Stephans gegen die
den Türken unterworfene Walachei, S. 170. Offensive der Donau-
Begs , S. 171. Vorbereitungen Stephans für den Zusammenstofs
mit der ganzen osmanischen Macht, S. 172. Schlacht von Podul-
Innalt, S. 172. Sendung der osmanischen Flotte gegen die Moldau,
S. 173. Einnahme von Caffa und Matrega, S. 174. Eroberung des
Zwergstaates Mangup, S. 174. Unterwerfung der Krim -Tataren,
Inhalt.
XI
Seite
S. 175. Versöhnung zwischen Stephan und dem König Matthias,
S. 175. Einnahme der Festung Schabatz durch die Ungarn, S. 175.
Raubzug Vlad '^epe^' und des serbisclien Prätendenten Wuk in Bos-
nien, S. 177. Aufbruch des Sultans gegen die Moldau, S. 1 78.
Schlacht von Räzboieni oder Valea-Albä, S. 179. Ergebnisse des
moldauischen Zuges, S. 180. Einsetzung Vlad fepes' als walachischer
Fürst und Tod desselben, S. 180. Neue walachische Wirren, S. 181.
Schlacht von Kenyermezö, S. 181. Einfall der Ungarn ins türkische
Bosnien und auch in Galizien, S. 182. Angriffe der Türken auf das
ungarische Banat und auf die Moldau, S. 183. Fortsetzung der
türkisch-venezianischen Friedensverhandlungen, S. 184. Entsatz des
von den Osmanen belagerten Lepanto und des Schlosses Kokkino
auf Lemnos, S. 184. Verwüstung der Insel Naxos, S. 185. Zustände
in Albanien, S. 185. Einfall der Türken ins Friaul, S. 185. Raub-
zug der Bosnier jenseits der Save, S. 186. Neuer Einfall der
Akindschis ins Friaul und in die österreichischen Grenzgebiete, S. 186,
Belagerung Skutaris durch Mohammed It., S. 187. Friedenssclilufs
zwischen Venedig und dem Sultan, S. 189. Besetzung Woditzas und
der Inseln Kephallenia und Santa-Maura; Angriff auf die benachbarten
venezianischen Besitzungen, S. 190. Krieg Mohammeds II. gegen
Rhodos, S. 190. Zug ."Vchmed-Gediks gegen das Königreich Neapel
und Einnahme Otrantos, S. 192. Italienische Liga gegen die Türken,
S. 192. Nürnberger Tag und Beratungen gegen die Osmanen, S. 193.
Türkische Stieifzüge und türkische Einmischung in das österreichische
Grenzgebiet, S. 193. Frage des Fürstentums Sulkadr, S. 194. Zer-
würfnis mit dem Sultan, S. 195. Aufbruch Mohammeds nach Asien
und Tod desselben, S. 195.
Neuntes Kapitel: Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mo-
hammed II 196
Das politische Ideal des Sultans, S. 196. Schonung der christlichen
Untertanen, S. 197. Übertritte der Christen zum Islam; Rolle
der Renegaten, S. 199. Griechische Träumer der christlichen Re-
vanche und griechische Schmeichler des Sultans, S. 201. Griechen
im Dienste des osmanischen Reiches, S. 201. Anteil der Albanesen
an der Leitung des Reichs, S. 202. Serben und Bosniaken in mili-
tärischen und politischen Stellungen, S. 203. Bulgaren, Italiener usw.
unter den osmanischen Beamten , S. 203. Die alten türkischen Fa-
milien : Ewrenos-ogli und Michal-ogli , S. 204. Verschönerung und
Kolonisation der neuen Reichshauptstadt Konstantinopel, S. 205. Cha-
rakter der neuen Bevölkerung, S. 207. Das alte Serail und die Mo-
scheen Mohammeds IL, S. 207. Andere Stiftungen Mohammeds,
S. 208. Wiedererbauung der byzantinischen Mauern, S. 209. Neuer
Begriff eines Sultans, S. 210. Pracht und Luxus, neue Hofchargen,
S. 210. Ärzte des Sultans, S. 211. Osmanische Hofetiquette unter
Mohammed IL, S. 211. Interesse des Sultans für Wissenschaft und
Literatur, S. 212. Literarische Tätigkeit unter seiner Regierung,
S. 212. Verbreitung einer neuen Lebensart unter den Osmanen,
S. 212. Neue Hierarchie der Reichsbeamten : der Grofswesir, S. 213.
Die Sandschaks, ihre Pflichten und Einkünfte, S. 214. Die Begler-
begs, Emins usw., S. 215. Die Abgaben im osmanischen Reiche:
die Kapitationssteuer, S. 215. Die Zehnten und andere Einkommen-
quellen, S. 216. Das Kharadsch der autonomen Länder, S. 21 7,
Ausgaben des Reichs: Zahlung der Janitscharen, S. 218. Andere
Spesen für das Heer, S. 219. Geschenke an die Janitscharen, S. 219.
XU
Seite
Inhalt.
Ausgaben im Serail, S. 220. Allgemeine Kriegspflicht, S. 220. Raub-
züge der Akindschis, S. 222. Charakter eines persönlichen Kriegszugs
des Sultans, S. 225. Anzahl und Bewaffnung der Truppen, S. 225.
Kaiserliches Lager, S. 226. Osmanische Artillerie, S. 227. Tech-
nische Kriegskunst der Türken, S. 228. Bedingungen für einen Sturm,
S. 229. Die osmanische Flotte, S. 229.
Zweites Buch. Festsetzung' der endgültigen Grenzen des
osmanischen Kaiserreiches von Bajesid II. bis unter
Soliman II 231
Erstes Kapitel: Periode der Ruhe nacli den Stürmen der Eroberung.
Bajesid II. Seine Einsetzung. Kampf mit seinem Bruder Dschem
und dessen Schicksal 233
Die Söhne Mohammeds II., S. 233. Dschem Sultan, S. 233. Bajesid
Sultan, S. 234. Anhang der beiden Thronfolger, S. 234. Bedingungen
eines Sultanwechsels, S. 234. Wirren in der Hauptstadt, S. 235.
Eintritt Pajesids II. in Konstantinopel, S. 236. Aufbrucli nach Asien
und Krieg mit Dschem, S. 237. Flucht Dschems nach Rhodos,
S. 237. Schicksale desselben im fränkischen Westen, S. 238. Ver-
schwörung zugunsten Dschems, S. 240. Dschem in Rom, S. 241.
Tod Dschems, S. 242.
Zweites Kapitel: Reichspolilik unter Bajesid II. Asiatische Ver-
hältnisse 243
Friedliche Politik des neuen Sultans, S. 243. Beziehungen zum Sou-
dan, S. 244. Krieg zwischen osmanischen und mamelukischen Kräften
in der Gegend des Taurus, S. 244. Angriff der Mameluken und
Syrier im Jahre i486, S. 245. Niederlage Achmed Chersekoglis (Her-
sekoglis), S. 246. Dritter osmanischer Feldzug an der syrischen
Grenze, S. 246. Feldzug vom Jahre 1488, S. 246. Beziehungen des
Soudans zu den christlichen Mächten des Westens, S. 248. Einsetzung
der Söhne Bajesids als Verwalter der asiatischen Provinzen, S. 249.
Kriegsbegebenheiten in Kleinasien, 1499 bis 1501, S. 249. Religiöse
Bewegung unter den anatolischen Bauern, S. 249. Bauernkrieg gegen
das Reicli ; Tod Ali-Paschas, S. 250. Beruhigung Kleinasiens, S. 25 i.
Revolte Ismails, S. 251. Siege desselben und Gründung des sofia-
nischen Reiches, S. 253. Kämpfe zwischen Ismail und dem Turkmenen-
kaiser Scheibani, S. 254. Besetzung Bagdads, S. 254. Erste Einfälle
der Schiiten in das Einflufsgebiet des osmanischen Reichs, S. 255.
Drittes Kapitel: Bajesids II. Reichspolitik an der Donau . , . 257
Angriff des moldauischen Fürsten Stephan gegen die Walachei, S. 257.
Einsetzung Vlads des Mönches, S. 258. Nürnberger Tag und die tür-
kische Frage, S. 258. Zug Kinizsys nach Serbien, S. 259. Zug
der Türken bis Temesvär, S. 260. Plünderungen der Türken im
Gebiet des Kaisers, S. 260. Aufenthalt des Sultans in Sofia, S. 261.
Waffenstillstand mit Ungarn, S. 262. Weitere Beziehungen zwischen
Ungarn und Türken, S. 262. Kreuzzugsversammlung in Rom, S. 263.
Tod König Matthias', S. 263. Angriffe der Türken auf Temesvär,
Schabatz und Severin, S. 264. Einfall der Akindschis in Kroatien,
S. 264. Neuer Angriff auf Severin, S. 265. Niederlage des kroati-
schen Bans Emerich, S. 265. Türkischer Plünderungszug in Sieben-
bürgen, S. 266. Ritt Kinizsys nach Serbien, S. 267. Belgrader Ver-
Inhalt. XIII
Seite
schwörung, S. 267. Raubzug über die Save, S. 267. Neuer Waffen-
stillstand mit Ungarn, S. 267. Türkische Gesandtschaft an den
Kaiser, S. 268. Einnahme Chilias und Moncastros (Cetatea - Alba),
S. 268. Huldigung des moldauischen Fürsten Stephan an den pol-
nischen König, S. 270. Zerstörung der moldauischen Hauptstadt Suceava
durch die Türken, S. 270. Sieg Stephans bei Cätläbuga und Scheia,
S. 270. Kämpfe des polnischen Thronfolgers mit den Tataren, S. 271.
Waffenstillstand Polens mit der Pforte, S. 271. Erneuerung des-
selben, S. 272. Zug König Johann Albreclits gegen die Moldau,
S. 272. Ritt der Donautürken bis Lemberg, S. 273. Weitere tür-
kische und tatarische Plünderungen in Polen, S. 274. Friedensschlufs
mit der Moldau, S. 274. Fürst Steplian als Vasall der Türken,
S. 274. Tod desselben, S. 275.
Viertes Kapitel: Die Türken in Albanien, den umliegenden sla-
wischen Ländern und in Morea unter Sultan Bajesid II. . . . 276
Wiedereroberung Otrantos durch die Christen, S. 276. Türkische
Einnahme Novis, S. 277. Ragusa und das Reich, S. 277. Bedeu-
tung des neuen Kriegshafens in Avlona, S. 278. Albanesische Un-
ruhen, S. 278. Venezianische Stellung und Politik in Albanien,
S. 2S0. Beziehungen des neapolitanischen Königs zu den Albanesen,
S. 2S0. Waffentaten des Albanesenführers Klada, S. 281. Raubzüge
der Türken an der italienischen Küste, S. 282. Kämpfe der Türken
mit Johann Tschrnojewitsch, S. 283. Zug des Sultans bis Monastir,
S. 283. Einnahme der Festungen Chimära und Sopoto , S. 2S4.
Französische Pläne eines neuen lateinisclien Kaiserreichs Konstanti-
nopel, S. 284. Bewegungen der Albanesen während des türkisch-
venezianischen Kriegs, S. 285. Festsetzung der Venezianer in Zante,
S. 287. Die Stratioten im Dienste Venedigs, S. 287. Nachbar-
schaftsverhältnisse zwischen Türken und Venezianern in Morea, S. 288.
Venezianische Besitzungen auf der Halbinsel, S. 289. Vorwände für
den neuen türkisch-venezianischen Krieg, S. 290. Schlacht bei Na-
varino, S. 291. Kapitulation Lepantos, S. 292. Ankunft des neuen
venezianischen Befehlshabers Trevisano ; Belagerung des Schlosses
Kephallenia, S. 293. Bewegungen der türkischen Truppen in Morea,
S. 294. Belagerung Modons, S. 294. Fall der Stadt, S. 296. Ka-
pitulation Korons , S. 296. Erfolgreiche Verteidigung Nauplions,
S. 297. Ankunft Gonzalvo de Cordovas mit den spanischen Schiffen;
Einnahme Kephallenias, S. 297. Venezianisch-ungarische Liga gegen
die Türken; türkischer Angriff gegen Jaice, S. 298. Kharaaleddins
Flotte in den venezianischen Gewässern, S. 298. Französisciie Schiffe
segeln bis Clüos, S. 299. Friedensschlufs zwischen Venedig und den
Osmanen, S. 299.
Fünftes Kapitel: Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung
durch seinen aufständischen Sohn Selim und sein Tod .... 300
Zeremonien für die Ankunft und die Audienz eines venezianischen
Gesandten, S. 300. Die Grofswesire Sultan Bajesids, S. 300. Die
anderen Wesire, S. 302. Vorsorge Bajesids II. für seine Hauptstadt
Konstantinopel, S. 303. Einkom.men des Reiches unter Bajesid, S. 304.
Unzufriedenheit der Janitscharen mit der friedlichen Regierung des
Sultans, S. 306. Janitscharenaufstand im Jahre 1484, S. 306. Die
Günstlinge des Sultans, S. 307. Bestechlichkeit und Korruption der-
selben, S. 308. Die Söhne Bajesids, S. 308. Korkud und Selim,
S. 309. Selim bei den Krimtataren und Einfall desselben in Ru-
■Xiy Inhalt.
Seite
melien, S. 310. Schlacht von Sirtköi, S. 311. Krieg zwischen dem
Sultansohne Achmed und seinem Neffen Mohammed, S. 31 1. An-
kunft Achmeds und seines Bruders Korkud in Konstantinopel, S. 312.
Zweiter Besuch Selims in Rumelien und Absetzung seines Vaters,
S. 313. Tod des enttlironten Selim. S. 314. Kampf Selims mit
Achmed für den osmanischen Thron, S. 314. Ermordung aller Brü-
der und Neffen des neuen Sultans, S. 315.
Sechstes Kapitel: Sultan Selims Politik in Europa 316
Strenge des Sultans gegen Beamte und Soldaten, S. 316. Neigungen
Selims zum Kriege, S. 317. Furcht der Könige von Ungarn und
Polen vor seinen Plänen, S. 317. Verteidigungsmafsregeln derselben,
S. 317. Tatarenzüge gegen Polen und Aloldau, S. 31S. Walachische
Zustände bis zur Einsetzung des Fürsten Neagoe, S. 319. Bosnische
Akindschis gegen die ungarischen Schlösser, S. 320. Andere Unter-
nehmungen der Türken an der ungarischen Grenze, S. 320. Frie-
densverhandlungen zwischen Ungarn und den Türken, S. 320. Tür-
kischer Einfall in Kroatien, S. 322. Sieg des neuen moldauischen
Fürsten Stephan gegen die Tataren, S. 322. Frieden des Sultans
mit Ungarn und Polen, S. 323. Neigungen der Venezianer zum Frie-
den, S. 323. Erneuerung der türkisch - venezianischen Friedensakten,
S. 323. V'orschlag seitens der Türken wegen eines venezianischen
Angritjfs gegen das Königreich Neapel, S. 324. Kreuzzugspläne des
Papstes, des römischen und des französischen Königs, S. 325.
Siebentes Kapitel: Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den
Schach und den Soudan. Besetzung Syriens und Ägyptens . . 327
Beweggründe für den Krieg gegen Persien, S. 327. Feindseliges Be-
tragen Scliach Ismails gegen Selim, S. 329. Persischer Einfall in
Kleinasien, S. 329. Schlacht von Tschaldiran, S. 331. Sciiwieriger
Rückzug des Sultans, S. 332. Zweiter Zug Selims nach Kleinasien:
Ordnung der Zustände im Lande Sulkadr, S. 333. Versuche Schach
Ismails, eine Liga gegen Selim zu bilden, S. 333. Kämpfe zwischen
Türken und Persern bei Diarbekr, S. 334. Friedliche Beziehungen
Selims zum ägyptischen Soudan, S. 334. Unerwarteter Aufbruch
Selims gegen Syrien, S. 335. Schlacht am „ Grabe Davids ", S. 336.
Unterwerfung der Städte Alep, Damaskus und Jerusalem, S. 337.
Schlacht bei Gaza, S. 337. Schlacht bei Kairo, S. 337. Eroberung
der ägyptischen Hauptstadt, S. 339. Gefangennahme des Soudans,
S. 339. Ankunft einer osmanischen Flotte in dem Hafen von
Alexandrien , S. 339. Anerkennung des neuen osmanischen Kalifs
durch den Scherif von Mekka, S. 340. Junus-beg Pascha von
Ägypten, S. 340. Rückkehr Sultan Selims, S. 340. Ägyptische Re-
volte, S. 340. Tod Sultan Selims, S. 341.
Achtes Kapitel: Sultan Solimans II. Jugend. Seine Wesire und
Günstlinge. Asiatische Kriege
Charakteristik Sultan Solimans, S. 342. Seine „Frau", die Russin
S. 344. Begriff der kaiserlichen Macht , S. 346. Der Grofswesir
Ibrahim, S. 347. Tod Ibrahims, S. 349. Wesir Mustafa, S. 349
Wesir Piri, S. 350. Beweggrund Solimans zum Kriege, S. 350. Be
handlung der Janitscharen durch den neuen Sultan, S. 351. Die
Elitetruppen unter Soliman , S. 351. Die übrigen Krieger, S. 352
Kriegsführung der Osmanen in den ersten Regierungsjahren Solimans
S. 352. Verstärkung der osmanischen Seemacht, S. 353. Einkünfte
342
Inhalt. XV
Seite
des Reiches, S. 354. Osmanische Münzen, S. 355. Zustände in den
asiatischen Provinzen, S. 356. Ägyptische Revolte Al-Ghazalis, S. 357.
Hinrichtung Schachsuwars, S. 357. Tod des Wesirs Ferhad, S. 358.
Verlängerung des Friedens mit Persien, S. 358. Neue Verwalter
Ägyptens, S. 358. Revolte des Wesirs Achmed in Ägypten, S. 359.
Verwaltung Ibrahim-Paschas in dieser Provinz, S. 359. Krieg Ibra-
hims gegen die aufrührerischen Kalenders, S. 361. Der neue Schach
Thamasp, S. 361. Reformen desselben, S. 362. Vorwände zu einem
neuen osmanisch -persischen Kriege, S. 362. Einnahme der Stadt
Tebriz, S. 363. Ankunft des Sultans auf dem Kriegsschauplatze,
S. 363. Einzug Solimans in Bagdad, S. 364. Verdrängung der
Türken aus Tebriz, Wiedereroberung der Stadt durch den Sultan und
endgültiger Verlust derselben, S. 364. Einmischung Soliman-Paschas
von Ägypten in die indischen Wirren, S. 365.
Neuntes Kapitel: Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu
Venedig. Eroberung von Rhodos. Kreuzzugsgedanken und Kreuz-
zugstaten. Krieg mit Venedig und Eroberungen im Archipelagus 366
Erneuerung des Friedens mit Venedig , S. 366. Nachbarschaflliche
Beziehungen zwischen Türken und Venezianern in Morea, S. 367.
In Saloniki und Albanien, S. 368. Plan der Osmanen, das dalma-
tinische Scardona zu befestigen, S. 368. Piratentreiben im Archi-
pelagus, S. 369. Beziehungen der Seeräuber zu dem Herzoge des
Archipelagus und den Johannitern, S. 369. Angriff auf Rhodos,
S. 370. Ankunft des Sultans, S. 371. Übergabe der Stadt Rhodos,
S. 373- Der Grofsmeister in Italien, S. 373. Der erste Sandschak
von Rhodos und seine feindselige Haltung gegen die Venezianer,
S. 374. Friedliche Gesinnung des Sultans, S. 375. Einnahme Korons
durch Andrea Doria, S. 376. Tätigkeit Khaireddin Barbarossas,
S. 377. Zug Kaiser Karls gegen Tunis, S. 378. Zerwürfnis der
Venezianer mit den Osmanen, S. 379. Landung Khaireddins auf der
adriatischen Küste Italiens, S. 379. Solimans Ankunft in Avlona,
S. 380. Neue Zusammenstöfse zwischen Venezianern und Osmanen
auf dem Meere, S. 380. Türkischer Angriff auf Korfu, S. 381. Er-
oberung Klissas und Plünderungen in Morea; türkische Schiffe neh-
men die Inseln des Archipelagus ein, S. 381. Venezianische Er-
oberungen in Dalmatien, S. 382. Christliche Liga gegen die Os-
manen , S. 382. Untreue Haltung des spanischen Admirals Doria.
S. 383. Einnahme Castelnuovos und Risanos durch die Christen,
S. 3S3. Rachezug Khaireddins im Archipelagus, S. 383. Unter-
nehmungen der türkischen Seeräuber ; dalmatinische Zustände, S. 385.
Waffenstillstand und endgültiger Frieden zwischen Venedig und dem
Sultan, S. 383.
Zehntes Kapitel: Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Soli-
man IL Unterwerfung der Moldau 385
Türkische Angriffe im ungarischen Bosnien, S. 385. Allgemeine Furcht
wegen eines Zugs des Sultans gegen Ungarn, S. 386. Rumänische
Berichte darüber, S. 386. Einnahme der Festen Schabatz und Semlin
durch die Türken, S. 387. Eroberung Belgrads, S. 388. Tod des
walachischen Fürsten Neagoe und Kämpfe seines Nachfolgers Radu
de la Afuma^I gegen die Donaubegs, S. 390. Haltung des mol-
dauischen Fürsten Stephan des jungen , S. 392. Verteidigungsmafs-
regeln in Kroatien und Dalmatien usw., S. 393. Türkischer Angriff
XVI Inhalt.
Seite
auf Severin; Reichstag zu Ofen, S. 393. Einnahme Severins und
Orsovas, S. 394. Osmanischer Versuch gegen Jaice, S. 394. Vor-
bereitungen Solimans für die Eroberung Ungarns. S. 395 • Ungarische
Verteidigungsmafsregeln, S. 395- Schwäche des Königs Ludwig II.,
S. 396. Aufbruch des Sultans, S. 397. Einnahme Peterwardeins
und Ujlaks, S. 398. Zusammensetzung des ungarischen Heeres,
S. 398. Schlacht bei Mohacs, S. 399. Die letzte Heeresmacht Un-
garns, S. 402. Einzug Solimans in Ofen, S. 402. Rückzug des
osmanischen Heeres, S. 403. Erwählung der neuen Könige von Un-
garn, S. 404. Kämpfe König Johann Zäpolyas gegen den „Tzar
Iwan", S. 405. Einnahme Jaices und Banjalukas durch die Türken,
S. 405. Gesandtschaft Hieronymus Laskis an den Sultan , S. 406.
Gesandtschaft seitens König Ferdinands an denselben, S. 406. Ru-
mänische Zustände, S. 407. Sieg des moldauischen Fürsten Peter
Rare? bei Földvar, S. 408. Aufbruch Solimans gegen Ungarn,
S. 40S. Lager beim Mohacser Schlachtfelde, S. 408. Einnahme
Ofens durch die Türken, S. 409. Einsetzung König Johanns, S. 410.
Ablehnung der Anerbietungen König F'erdinands seitens des Sultans,
S. 410. Ritt der Akindschis nach Innerösterreich, S. 411. Belage-
rung Wiens, S. 41L. Rückzug des Sultans, S. 412. Neue walachische
Thronstreitigkeiten, S. 413. Gesandte König Ferdinands in Konstan-
tinopel, S. 414. Deutscher Angriff auf Ofen, S. 414. Neue Gesandte
Ferdinands an die Pforte, S. 415. Aufbruch Solimans gegen Karl V.,
S. 415. Plünderungen der Tataren in Ungarn, S. 416. Belagerung
der Feste Güns, S. 416. Rückzug Solimans, S. 417. Dritte Gesandt-
schaft Ferdinands in Konstantinopel; Verhandlungen Grittis für Zä-
polya, S. 418. Mission Grittis in Ungarn, S. 419. Sein Betragen
in Siebenbürgen und seine Hinrichtung, S. 421. Beziehungen Zä-
polyas zu den Donaubegs, S. 422. Kleinkrieg an der slowenischen
Grenze, S. 423. Befürchtungen, dafs ein neuer Zug des Sultans gegen
Ungarn bevorstehe, S. 423. Aufbruch Solimans, S. 424. Eintritt in
die Moldau und Flucht Peter Rare§, S. 425. Einsetzung eines neuen
Fürsten und Rückzug des Sultans, S. 425.
Elftes Kapitel: Osraanisches Leben unter der Regierung des jungen
Soliman II 427
Volksleben im osmanischen Reiche, S. 427. Bäder, S. 428. Trink-
buden, S. 428. Karawanseraien, S. 429. Spiele: das Dscherid,
S. 429. Musik und Blumen, S. 429. Die Handwerker und ihre
Festlichkeiten , S. 429. Die Pechlivans und ihre Possen , S. 429.
Die Dschemalis und ihre Lieder, S. 430. Die Derwische, S. 430.
Die Turlaks, S. 431. Die Kalenders, S. 431. Die Emire, S. 431.
Religiöse Festlichkeiten, S. 432. Beleuchtungen, S. 432. Stadt-
polizei, S. 432. Verproviantierung Konstantinopels; die Kasapen,
die Mortesips, S. 433. Justizwesen : Kadis und Kadiliskers, S. 433.
Eingaben an den Sultan, S. 434. Imarets und Schulen, S. 434.
Heiraten nach dem Koran , S. 434. Allgemeine Ehrlichkeit im tür-
kischen Volke, S. 434. Bestattung der Toten, Almosen, Aberglauben,
S- 435. Stellung der Juden im Reiche, S. 435. Stellung der Fran-
ken, S. 436. Stellung der Griechen, S. 437. Der griechische Pa-
triarch und die weltliche Macht, S. 437. Zugang für jeden fähigen
Mann zu den Jiöchsten Würden des Reiches; einfache Psychologie
der Reichsgrofsen , S. 438. Bestechlichkeit der osmanischen Wür-
denträger, S. 439. Gebrauch des Reichtums: der Luxus in der Be-
Inhalt. XVII
Seite
kleidung, S. 439. Geputzte Spahioglane , S. 44.0. Kostbare Gürtel
und Turbane, S. 441. Frauenkleidung. S. 441. Pracht des Serails,
S. 442. Das „alte Serail" der Frauen, S. 442. Das vom Sultan
bewohnte Serail, S. 443. Die Schule des Serails, S. 445. Die Be-
amten des Serails, S. 445- Die persönlichen Diener des Herrschers,
S. 446. Bedienung desselben, S. 446. Audienz beim Sultan, S. 448.
Diwan der Wesire, S. 448. Öffentliche kaiserliche Audienzen, S. 449.
Empfang eines fremden Gesandten , S. 450. Besuch der Moschee
durch den Sultan, S. 451. Begräbnis eines Mitgliedes des Hauses
Osman, S. 451. Kriegszug des Sultans, S. 452.
Berichtigungen.
S. 95, Z. lo von unten: Correggios, statt Carreggios.
S. 130, Z. I von oben: von Lesbos, statt bei Lesbos.
S. 141, Z. 8 von unten: Tschernojewitsch, statt Tscherwojewitsch.
S. 173, Z. 3 von oben: Racovä^;, statt Racova.
S. 208, Z. 13 von oben: Gläubigen, statt Gläubiger.
S. 253, Z. II von unten: sofianische, statt suf hianische.
S. 262, Z. 8 von unten: Johannes des Eleemosinaren, statt Johannes des
Täufers.
S. 286, Anm. 4, Z. 2 von oben: S^'^, statt S^ia.
S. 287, Z. 13 von oben: die Beziehungen in der Halbinsel Morea, statt die
Beziehungen.
S. 329 — 336 überall: Ismail, statt Ismael.
S. 336, Z. 12 von unten: Tschaldiran, statt Tschaldinan.
Bei den Namen raufs durchweg: Vladislav (rumänischer Fiirstl , Wladislaw
(serbische Dynasten), Achmed, Herseskogli, Ismail, Gedük, berichtigt werden.
Erstes Buch.
Bildung des osmanischen Kaiserreichs
durch Mohammed IL
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II.
Erstes Kapitel.
Eroberung Konstantinopels.
Mohammed IL war gewifs eine aufserordentliche, wenn nicht
wirklich geniale Persönlichkeit: allein seinen seltenen Eigen-
schaften ist das neue Werk der gigantischen und glänzenden
Eroberung zuzuschreiben, und nur ihm gebührt das Verdienst,
die imposanten Kräfte des Reichs für höhere politische Zwecke
verwandt zu haben.
Schon zu Anfang seiner Regierung, als der junge aus dem
asiatischen Verbannungsorte Amasia zurückgekehrte Tschelebi
kaum einundzwanzig Jahre zählte, sprach man unter den Lateinern
des Ostens, die bald auch den Abendländern die Nachricht über-
mittelten , von der Mäfsigung des neuen türkischen Herrschers,
der sowohl das tierische Essen, den übermäfsigen Weingenufs, den
weichlichen Schlaf, Dinge, denen einige seiner Vorfahren gefrönt
hatten, als auch die noch von seinem Vater nicht verschmähten
Ergötzungen des Harems und die bei den morgenländischen
Grofsen in Ehre gehaltene Falken- und sonstige Jagd vernach-
lässigte; nicht einmal an dem wollüstigen Tanze der Juden und
Jüdinnen, an den nasalen Weisen der türkischen Hofmusiker, an
den derben, oft sehr bissigen und dreisten Späfsen des Haus-
zwerges, des Karagöz, fand er, der Sitte zuwider. Gefallen. Aus
seinem energischen Gesicht mit den feingebogenen Brauen, der
mächtigen Adlernase, dem stark vorspringenden Kinne, leuchtete
ein Paar melancholischer Augen als Ausdruck der tiefen Ge-
danken, in die er versunken war. Dennoch aber war er keines-
wegs ein Träumer oder Phantast, sei es auch vom Schlage eines
Karl XII. oder von der übermenschlichen Gröfse eines Napoleon.
1*
4 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
Zwar hatte auch der OsmanenspröfsUng' eine ehrgeizige Seele,
die er durch Lesen der ins Arabische übersetzten Volksbücher
von Alexander dem Grofsen oder Julius Cäsar, dem ersten Kaiser
in Rum, nährte und beflügelte ^) ; aber sein Verstand blieb immer
scharf und ruhig ; er trachtete nicht nach dem Ruhm , alles zu
zerstören und riesige Ruinen als Spuren eines Dämons zu hinter-
lassen, vielmehr wollte er systematisch aufbauen und für alle
Zeiten schaffen. Ein eiserner Körper, schlank aber ausdauernd,
half ihm jede Gefahr und Müdigkeit und Härte des Klimas in
den sonnenverbrannten Tälern des Südens wie in den undurch-
dringlichen Wäldern der nördlichen Berge überwinden. Für ein
wahrhaft kaiserliches Werk, das einen grofsen Plan, emsige täg-
liche Tätigkeit, selbstsichere Ruhe in den entscheidenden Augen-
blicken, sparsames Ausnutzen menschlicher Kraft, Schonung
menschlichen Blutes und Streben nach einer harmonischen Staats-
bildung in neuen Formen verlangte, war er wie geschaffen ^).
Gleich in den ersten Tagen trat er als Herr hervor. Zu-
nächst schaffte er Ordnung in seiner unmittelbaren Umgebung.
Des glänzenden höfischen Lebens, wie es die hochgeborenen
christlichen und mosleminischen Prinzessinnen, die Gemahlinnen
des bis zuletzt den Freuden des Lebens zugetan gebliebenen
gutherzigen Vaters noch bezeugten, war er seit langem satt.
Eine der Sultanswitwen, die Tochter Isfendiars, wurde genötigt,
1) Vgl. auch die Chronik von Zorzo Dolfin, Ausg. Thomas.
2) Vgl. über ihn die Urteile in „Notes et extraits" I-, S. 274, 317 — 318: das
1453 von dem kundigen Levantiner Niccolo Sagundino entworfene Bild,
die Lebensbeschreibung von Kritobulos in Müller, Fragm. hist. graec, letzter
Faszikel, auch in der nicht im Handel befindlichen Sammlung Dethier und
Hopf für die ungarische Akademie vorbereitet, Bd. I. Ebenda, Bd. III, die dem
Sagundino entlehnte Charakterisierung durch den Genuesen A'dam di Montaldo,
in der Mohammed als Wüstling und Trunkenbold hingestellt wird. Der Humanist
Philelphus, der gute Quellen hatte, stimmt in seinem Epos „Amyris" mit
Sagundino überein. Aber in dem von 145 1 datierten Schreiben an König Karl VII.
von Frankreich spricht er mit der gröfsten Verachtung von dem unerfahrenen und
ungelehrten Jüngling, der ,,totus est in potu, totus in venere". Dethier-Hopf
III, S. 538. Ernster äufsert sich der Venezianer Giacomo Langusto in der
Chronik des Zorzo Dolfin, Ausg. Thoraas. Der berühmte Cyriacus Anconitanus
soll sein Lehrer gewesen sein.
Eroberung Konstantinopels. 5
img"esäumt Isakbeg zu heiraten, den er in der ehrenvollen Stel-
lung eines Beglerbegs nach Asien entsandte; ihren acht Monate
alten Sohn Ahmed liefs er ins Wasser werfen , und der Voll-
strecker dieser harten Mafsregel, Ewrenos' Sohn Ali, war nach
einigen Tagen selbst nicht mehr am Leben ^). Die serbische
Despotentochter Mara, die den konstantinopolitanischen Kaiser
zu heiraten gedacht hatte , wurde mit einem anständigen Leib-
gedinge von vielen Dörfern im Gebiete des kaiserlichen Serbiens
ausgestattet und in kaiserlichem Triumphzuge zu ihrem alten er-
fahrenen Vater zurückgeschickt. Die Mutter Mohammeds, eine
unbekannte Sklavin ^), der er vielleicht die starke Prägung seiner
Seele verdankte, war bereits tot. Das einzige Mitglied der os-
manischen Dynastie, welches aufser ihm lebte, der junge Urkhan,
weilte eingeschlossen in den Mauern Konstantinopels, und Mo-
hammed beeilte sich , dem hinsterbenden Schattenkaiser dort
jährlich 300000 Aspern, die er aus den Einkünften der Städte
am Strymonfiusse zu erheben hatte, für die gute Bewachung des
Staatsgefangenen zu versprechen. Übrigens brauchte der Sultan
sich vor einem solchen schon gräzisierten, von allen vergessenen
Jüngling nicht allzusehr zu fürchten. Hofgünstlinge duldete
Mohammed nicht; Sarudsche und dem ,,Illyrier", d. h. Albanesen
Saganos ^) liefs er ihre unter Murad erworbenen Würden ; den
um sein Schicksal besorgten alten Khalil, der in den letzten
Jahren des alten Herrschers alles in Händen gehabt hatte — zählte
er doch in seiner Familie sieben Vorfahren , die für das Glück
und die Gröfse des Reiches gekämpft hatten^) — , nannte er
ehrerbietig seinen ,, Vater", seinen ,,Lala". Aber er ging mit
dem Plane um , alle diese Greise als die Vertreter einer reser-
vierten und jetzt überlebten Politik des allzu vielen diplomatischen
Unterhandelns zu entfernen und einen kühneren, rücksichtsloseren
„neuen Kurs" mit ganzen Leuten seines Schlages zu eröffnen ^).
i) Philelphus, De imbecillitate et ignavia Turchorum , Cod. monac. lat.
5333, fol- 193 v°.
2) Dukas S. 230. 3) Pusculus, in Dethier-Hopf III, S. 171.
4) Philelphus a. a. O. fol. 190.
5) Vgl. Chalkokondylas S. 375ff.; Dukas S. 23iff.; Phrantzes
S. 233 ff. S. auch „Notes et extraits" II, S. 449, 455.
C Erstes Buch. Erstes Kapitel.
Selbstverständlich besuchten beim Anbruch des Frühlings
145 1 die Vertreter aller seiner Vasallen , später auch die seiner
unabhängig-en Nachbarn, Mohammed in Adrianopel , und in der
Khasna häuften sich kostbare Gaben in reicher Mannigfaltigkeit.
Nur der karamanische Gesandte fehlte: sein Herr, obgleich mit
dem Projekte der Eroberung Cyperns beschäftigt, wollte noch
einmal die Frage an das Schicksal stellen , ob er seine Länder
nicht doch als selbständiger Fürst des ,,ewig dauernden" Kara-
maniens zu behaupten vermöge. So sollte ihm denn auch die
Ehre des ersten kriegerischen Unternehmens Mohammeds gelten.
Der Feldzug ging rasch vonstatten. In den ersten Tagen
des Frühlings siedelte Mohammed nach Asien über, Sarudsche
blieb als sein Stellvertreter in Europa zurück. Ibrahimbeg wagte
nicht, das von ihm zurückgewonnene Gebiet zu verteidigen,
sondern suchte wiederum eine sichere Zuflucht im Gebirge.
Mohammed, der von Brussa und Kiutayeh bis nach Karahissar
und Akschehr gelangt war, geruhte, ihm Verzeihung zu gewähren,
aber nicht, ohne die Gelegenheit zu benutzen, die endgültige Zession
des wichtigen Hafens Candelore zu erzwingen ^). Auch in Mente-
sche wurde die Ordnung unverzüglich wiederhergestellt. Um jeden
weiteren Versuch einer Rebellion unmöglich zu machen, verfügte
Mohammed, dafs der neue Beglerbeg Isak nicht mehr im ent-
fernten Angora, sondern in der ehemalig kermianischen Residenz
Kiutayeh seinen Sitz habe ^). Dadurch bekundete er, dafs sein
Interesse vorläufig nicht bis in das entlegene turkmenische Ge-
biet reiche, wo eben damals Usun-Hassan oder der lange Hassan
als Führer der Horde des Weifsen Hammels die in Turkestan
siegreichen Karakojunlu, die Nomaden des Schwarzen Hammels,
die BlavQOTtQoßaravTai unter Dschihan und dessen Sohn Hassan
Ali geschlagen, Armenien an sich gebracht, Ersindschan besetzt
und überall Butter und Kamele als Tribut verlangt hatte. Gleich-
zeitig hatte nach Abschlufs der eigentlichen Timuridenära auch
der Samarkander Mehmed Dschügi, ein Spröfsling Timurs, Bagdad
i) Vgl. die kurze Erwähnung bei den türkischen Annalisten — Seadeddin II,
S. 127!., Leunclavius Sp. 573 — , dann Dukas S. 234; Ch alkoko ndy las
S. 376.
2) Seadeddin II, S. 130.
Eroberung Konstantinopels. 7
eingenommen , aber auch dafür schien der neue Sultan kein
Auge zu haben ^).
Schon im Mai war der unblutige Sieger nach seinem Adria-
nopel zurückgekehrt, wo er bald darauf Mafsregeln zur Erbauung
eines schöneren marmornen Palastes am Tundschaflusse traf ^).
Auch dadurch machte er seine Absicht offensichtlich, vor allem
europäischer Herrscher, Basileus des westlichen Rum zu sein.
Im übrigen verhef dies erste Jahr der Regierung Mohammeds
sehr ruhig. Kurdschi -Dogan- Pascha, den bisherigen Aga der
Janitscharen , setzte er ab und liefs ihn zur Strafe für die bei
seiner Thronerhebung ausgebrochene Revolte dieser ausgewählten
Truppe ,, geliebter Söhne" des Herrschers 3) , und weil er eine
weitere Meuterei der bei dem karamanischen Feldzuge ver-
wandten Janitscharen, die lärmend ihr donativum verlangt hatten,
nicht zu verhindern gewufst *) , körperlich züchtigen. Er wies
den 7000 bisherigen Falkenträgern, den Tschakirdschi, sowie den
Hundewärtern andere Aufgaben zu und liefs sie in die Reihen
der kämpfenden Janitscharen eintragen ^). Dadurch gab er zu
verstehen, dafs der neue Kaiser nicht wie seine nächsten fried-
lichen Vorgänger zahlreiche Aufwärter bei der Jagd um sich
wünsche; vielmehr sollte der ganze Hof Waffen tragen und
gebrauchen, und zwar mufste nun ein jeder dieser Adoptivsöhne
des Sultans, die aus der Mitte der christlichen Bevölkerungen
genommen waren, vom 21. bis zum 35. Lebensjahre als Fufs-
soldat kämpfen, um dann bis zum 45. Reiterdienste zu verrichten.
Infolge dieser allgemeinen militärischen Organisation der Sklaven
seines Hofes konnte Mohammed über 12000 Infanteristen und
8000 Reiter neben den vielen Tausenden von Spahis '') und den
Söhnen der mächtigeren Familien '') verfügen. Zugleich wurden
i) Chalkokondylas S. 379. Vgl. Vämbery II, S. I3ff.
2) Kritobulos (Ausg. Dethier-Hopf) S. 36fif. ; Serb. Janitschare Kap. xxn;
türkische Chroniken.
3) Chalkokondylas S. 375—376, 378.
4) Seadeddin II, S. 129— 139; Chalkokondylas S. 377— 378. 5) Ebenda.
6) Nach Sagundino 80000, nebst 40000 Mann Reserve : „ Notes et extraits "
I-, S. 322.
7) Derselbe zählt deren sogar 10 000 auf: ebenda, S. 323.
8 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
die Rechnungen der letzten Zeit sorg-fältig- revidiert, und rasch
kam aus den eing-ezogenen Geldern ein grofser Krieg-sschatz
zusammen ').
All das wurde von den östlichen und westlichen Christen
keinesweg-s mit Furcht oder nur mit besonderem Mifstrauen auf-
genommen. Im Gegenteil waren die interessierten Nachbarn mit
diesem neuen Mohammed durchaus zufrieden. Kaiser Konstantin
hatte einige Ortschaften auf dem asiatischen Ufer und vielleicht
das beim Tode Johanns verlorene Heraklea zurückerhalten ^).
Der Despot konnte hoffen, dafs das Leibgedinge seiner ver-
witweten Tochter für immer mit seinem christlichen Serbien ver-
eint bleiben werde, er durfte Srebrnica und später auch Zwornik
wieder mit seinen Staaten verbinden ^) ; allgemein sah man ihn
als einen besonderen und sehr einflufsreichen Freund des Sultans
an. In ähnlicher Weise gelang es ihm, den bosnischen König mit
der Pforte zu versöhnen. Seinerseits war seine alte Feindschaft mit
Hunyady dadurch beigelegt worden, dafs der älteste Sohn des
Gubernators sich mit der Tochter der mit dem Grafen von Zilly
verheirateten Schwester Georgs verlobte. Durch Vermittlung des
serbischen Dynasten wurde auch der türkische Waffenstillstand
mit Ungarn am 20. November 145 1 auf weitere drei Jahre ver-
längert: der Sultan versprach, keine neuen Schlösser an der
Donau anzulegen, Vladislav als walachischen Fürsten anzuerkennen
und dessen Beziehungen zu Ungarn kein Hindernis in den Weg
zu legen; er liefs zu, dafs der seit lange zwischen Moldauern
und Walachen strittige und jetzt endlich Vladislav gehörige
Hafen Chilia an den Donaumündungen auch weiterhin von un-
garischen Truppen besetzt gehalten wurde, entzog sogar dem
rührigen bosnischen Herzog Stipan seine Unterstützung und be-
fahl, dafs die 145 1 nach dem Treffen von Tomba (i. Juli) in
der Gegend von Konawlje (Canale) von diesem besetzten Plätze
den geschädigten Ragusanern zurückgegeben würden; dagegen
i) Dukas und Kritobulos, § 25 ff.
2) Chalkokondylas S. 376 spricht sogar von j) ttj; l4a(ag nctQahog.
Vgl. Pusculus in Dethier-Hopflll, S. 153 ff. ; „La progenja della cassa de
Octmanj", ms. it. cl. VI der S.-Marco-Bibliothek.
3) „Notes et extraits" II, S. 449, 453, 476.
Eroberung Konstantinopels. 9
wurde einzig" ausbedungen, dafs die Ungarn ihrerseits keine neuen
Befestigungen an der Grenze anlegen und von allen Tribut-
pflichtigen, Bosnien, Serbien und der Walachei die vorbestimmten
Summen auch weiter jährlich an die Pforte entrichtet werden
sollten ^). Am lO. September hatte auch die Republik Venedig,
die übrigens an die Besetzung des bosnischen Hafens Narenta
und an Fortsetzung des Krieges gegen die Genuesen mit Hilfe
des Königs von Aragonien und Sizilien dachte, ihren Vertrag mit
dem Sultan unter den gewöhnlichen Bestimmungen erneuert ^).
All das aber war in Wirklichkeit nur ein Schritt nach rück-
wärts, um dann desto sicherer zu einem grofsen Anlauf ausholen
zu können. Und dieser gelang Mohammed denn auch wider
alles Erwarten.
Schon im Winter des Jahres 1451/52 eröffnete der Sultan
die Feindseligkeiten gegen den Kaiser, angeblich weil dieser
für den weiteren Unterhalt seines osmanischen Gastes allzu hohe
Forderungen stellte ^). Im Februar war in Italien die Nachricht
verbreitet, dafs die Türken neuerdings eine griechische Festung
besetzt hätten *).
Tatsächlich hatte Mohammed den Entschlufs gefafst, dem
byzantinischen Reiche seine eigentliche Lebensquelle, die Zoll-
erhebung in den Meerengen , zu verstopfen. Dazu glaubte er
als Herr der ganzen Pontusküste von den Mündungen der Donau
bis unter die Mauern der kaiserlichen Hauptstadt vollauf das
Recht zu haben. Und als echter Türke konnte er auch auf den
lockenden Gewinn vieler abendländischer Dukaten und Florinen
und morgenländischer Perperen nicht verzichten. Er wollte auf
dem ihm gehörigen Boden am Bosporus eine neue Zollstation
1) ,,Acte §i fragmente" I, S. 23 ff. Vgl. Dukas S. 233 und Teleki, Hunyady-
ak Kora X, S, 322 — 323: Brief Hunyadys an die Kronstädter Kaufleute, um ihnen
anzukündigen, dafs die Handelswege im osmanischen Reiche nun frei seien. Siehe
auch über die Verhandlungen Kronstädter Archiv, Urk. 116.
2) „Notes et extraits" I'^, S. 269 — 270, Commemoriali V, S. 65; „Notes et
extraits" 11, S. 461, Anm. i ; S. 464, 471 — 472, 476, 4S3.
3) Dieser Vorvvand wird nur bei dem ,,latinophronen" Dukas S. 237 an-
gegeben.
4) „Notes et extraits" II, S. 462.
10 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
mit den nötig-en Befestig-ung-smauern und einem Marktplatz, ein
wahres oppidum, eine Tcoh'xy*] neben Güseldsche-Hissar, der
asiatischen Schöpfung- seines Ahns Bajesid, errichten. Auch
sicherte er sich dadurch den mit der gröfsten Gefahr für das
osmanische Reich verbundenen Übergang von Asien nach
Europa *),
Am 26. März 1452 — die Venezianer freilich hörten davon
erst zu Anfang Mai, aber bereits im Februar war ein griechischer
Gesandter nach Venedig gekommen, um von den Vorbereitungen
des Sultans Kunde zu geben ^) — begann unter dem Schutze
einer Flottille von 30 Schiffen die Arbeit, welche von den Tausen-
den militärisch requirierter Tagelöhner und Sklaven schnell genug
beendigt wurde. Jedem Wesir war ein Turm als sein Teil zu-
gewiesen worden ; einige Vasallen , wie der in Edremid resi-
dierende Sohn Isfendiars, wurden nach türldscher Gewohnheit
herbeigerufen, um persönlich ihr Kontingent von Arbeitern zu
bringen und zu überwachen. Mit der Schaufel in der Hand er-
wiesen sich die von den Kadis der Dörfer befehligten Krieger
und Untertanen ebenso diszipliniert und willfährig wie auf den
Schlachtfeldern, wo Beute und Ruhm in Aussicht stand. Ein
lehrreiches und merkwürdig^es Schauspiel für die umwohnende
christliche Bevölkerung, die herzuström^e , um das wunderbare
Unternehmen anzusehen , und dem ohnmächtigen Kaiser mit
Klagen anlag, dafs ihre F'eldarbeit aufgehalten oder vereitelt
werde. Aus dem reichen von Kataphygia, Nikomedien und Ponto-
heraklea herübergebrachten Material, aus den Steinen zerfallener
Kirchen, wie der des Erzengels Michael, entstand oberhalb des
Dorfes Asomata ^) nicht weit von Epibatai, wo Isfendiarogli sein
Lager aufgeschlagen hatte, eine mächtige Ringmauer mit 30 Tür-
men , von denen der des Wesirs Khalil bronzene Kanonen
erhielt; Feriz-Aga wurde mit 400 jungen Soldaten zum Befehls-
haber des Hafens und Zolleinnehmer eingesetzt *). Als die
Griechen gegen diese Drohung zuletzt nicht nur durch Missive
l) Kritobulos§3off. 2)GiornalediN. Barbaro, Wien 1S56, Anhang.
3) Karä ro axtvog iyyvg rov üvojTfQov fi^Qovg Tijg tov Aao)fi(iTov xoturig,
Phrantzes S. 223. Kajä tö töv Aao)utab)v arsröv, ebenda S. 233.
4) Dukas S. 237 ff. „La progenja" beschreibt das Schlofs folgender-
Eroberung Konstantinopels. H
und Gesandtschaften, sondern auf dem Wege von Repressalien
Einspruch erhoben, indem sie die in Konstantinopel befindlichen
Türken drei Tage gefangen setzten, begann im Juni der offene
Krieg. Die griechischen Gesandten wurden enthauptet, die fried-
lichen Arbeiter der ,, neuen Stadt", welche von den Griechen
yiai(.ioxo7iia, von den Türken Kessen-Hissar oder Boghaz-Kessen ^)
genannt wurde, verwandelten sich sogleich in bewaffnete Truppen,
die beinahe alles , was in der Umgebung Konstantinopels noch
den Christen gehörte, unter die osmanische Fahne brachten. So
gingen Selymbria, Perinthos, Epibatai, das Schlofs von Mesembria,
nach einer anderen Quelle auch Anchialos, Vizya, St. Stephanos
bei Selymbria in die Hände des Sultans über ^). Während die
Bewohner der letzten Provinz des schwachen Reiches sich furcht-
sam in der Hauptstadt versteckt hielten, während der Kaiser sich
noch einmal mit verzweifelten Bitten an die westlichen Mächte
wandte — Konstantin beabsichtigte sogar, seine Brüder in den
Okzident zu schicken, und beauftragte seinen alten treuen Phrantzes
mit einer Mission an den zyprischen König ^) — , traf Mohammed
am I. September wieder in Adrianopel ein, vollauf zufrieden
mit dem Ergebnis dieses ersten europäischen Kriegsjahres *).
Er war am 28. August bis zu den Gräben Konstantinopels ge-
drungen, welches den sicheren Fall vor sich zu sehen meinte ;
vielleicht waren die vom Schatzmeister gebrachten Baiistarien
schon dort.
Anfang Oktober wurde dann das Lager von Pherai nach
Morea verlegt. Auch die dortigen Paläologen Thomas und De-
mafsen: „ Con sete tore coperte de piombo, con uno barbagano ala Marina, con
XVIIj boche de bonbarde grose. "
i) Siehe auch Hierax über den späteren Namen von Jeni-Hissar.
2) Kritobulos § 90 ff.; Dukas S. 258; Pusculus S. 185.
3) Phrantzes S. 223. Andronikos Leontaris, der griechische Schatzmeister,
kam im Mai nach Venedig. Einen Beglaubigungsbrief, datiert aus dem März,
enthält das Archiv von Modena: Lettere principi, Oriente, gedruckt von Cave-
doni in Dep. di st. patria, Modena-Parma, Atti e raem. III (1865).
4) Siehe besonders Kritobulos, dann Dukas S. 237ff., Phrantzes
S. 223f., Chalkok ondylas 379 — 381 ; die türkischen Chroniken „Notes et ex-
traits" r-, S. 262 — 263, 264 Anm. i, 271 Anm. 2; Cor n et-B arbaro.
12 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
metrios sollten die Macht des neuen Türkenherrschers empfinden.
Die Klagen des Despoten Demetrios, der wiederum einen
Länderaustausch mit dem Bruder anstrebte, und des zweiten
Centurione Zaccaria , des Sohnes des 1432 gestorbenen ehe-
maligen Fürsten von Achaia und zuletzt Barons von Arkadia, der
neuerdings, unter dem Vorwande, seinen griechischen Schwager
zu besuchen, von Venedig- nach Morea zurückgekehrt war, um
die Wiederbelebung der lateinischen Frage anzuregen, kamen
dem Sultan gerade erwünscht '). Turakhan-beg und seine beiden
Söhne Ahmed und Umur befehligten den Einfall; die Be-
festigungen des Isthmus wurden aufs neue geschleift, ohne dafs
man zu ihrer Behauptung eine Schlacht gewagt hätte. Denn
die griechischen Herren hatten gar keine Heeresmacht zur Ver-
fügung; von den Venezianern, die sie täglich reizten, indem sie
die Albanesen aufhetzten und die in die moreotischen Täler
niedersteigenden Herden ungebührlichen Abgaben unterwarfen,
hatten sie keine Hilfe zu hoffen. Bis an den messenischen
Meerbusen und Mantinea drangen die Asapen, um ihre gewöhn-
liche Arbeit zu verrichten. Ein glücklicher Überfall auf Ahmed,
der Matthäos, dem Paläologen und Asanen von Korinth, einem
,,sororius" der Despoten, gelang, und die Gefangennahine des
jungen Türken hatten keine Folgen und dienten kaum, die schwer
geschädigten Fürsten einigermafsen zu trösten '^). So hatte der
Sultan auch diesen byzantinischen Epigonen leicht klargemacht,
dafs sie sich lediglich um das , was ihnen noch persönlich zu
eigen gehörte, zu bekümmern hätten.
Solche Fehden zwischen Griechen und Türken waren allzu
gewöhnlich, als dafs sie die westlichen Mächte besonders hätten
interessieren können. Wer hätte auch vermuten sollen, dafs der
1) Chalkokondylas S. 378, 406 f. ; Hopf II, S. 86, 117 — 119; auch
Sathas I, S. 215 f.; „Kotes et extraits" II, S. 57.
2) Phrantzes S. 236; Chalkokondylas S. 378, 381 — 382; „Notes et
extraits" !"■', S. 266. Der Zug wird in Chalkokondylas S. 409 ff. ganz anders
dargestellt: danach hätten die Despoten selbst Turakhan ausdrücklich gegen die
Albanesen und die Trümmer der lateinischen Herrschaft herbeigerufen. Ein Brief des
„Mattheus Paleologus Asanus et sororius domini mei despote" im Archiv von Modena
a. a. O. Ebenda ein Brief des Despoten Demetrios, des Oberherrn des Asanes.
Siehe Norden a. a. O., S. 733.
Eroberung Konstantinopels. 13
milde und gelehrte junge Sultan mit den sanften Worten im-
stande sei, das auszuführen, was einem Murad II. , einem Musa,
einem Bajesid Ilderim mifsglückt war? Zwar wurde bei den zu
Ehren des alten schlauen Kaisers Friedrich III., der, etwas spät,
nach Italien kam, um sich krönen zu lassen, veranstalteten Fest-
lichkeiten viel von der natürlichen Mission eines Kaisers, ,, die
Christenheit zu retten", geredet'), aber jedermann war sich be-
wufst, dafs das lediglich schöne, pomphafte Phrasen eines Hu-
manisten waren, der als solcher ein Freund des alten Griechenland
zu sein liebte. Ebensowenig war der von F"riedrich am 22. Januar
1453 aus Neustadt an den Sultan gerichtete Brief, der auf Scho-
nung Konstantinopels drang, ernst zu nehmen ^). Ein wirkliches
Interesse für die neue Gestaltung der Dinge im Orient konnten
nur der Papst und die beiden Handelsrepubliken haben.
Was den ersteren betrifft, so hatte Kaiser Konstantin, wenn
auch weniger streng als sein verstorbener Bruder Johann VIII.,
die Florentiner Verpflichtungen eingehalten, so sehr er dadurch
den allgemeinen Gefühlen seiner konstantinopolitanischen Be-
völkerung ins Gesicht schlug. Der Patriarch Gregorios Mammas,
ein Freund der Union ^), war im August 145 1 aus der Residenz
entflohen, um den Ränken des mächtigen Lukas Notaras zu ent-
gehen *) ; aber dieser wichtige Vorfall änderte die kirchliche
Politik des Kaisers, der sich bei jeder Gelegenheit als hart-
näckiger Latinophron aufspielte, auf die Dauer nicht. So fühlte
sich denn Nikolaus V., der neue Papst, einigermafsen verpflichtet,
den bedrohten Byzantinern Hilfe zu schicken. Zuvor aber wollte
er der Wirklichkeit der Union sicher sein. Im Juli ging er da-
mit um, den Belagerten Korn durch zwei bewaffnete Galeeren zu
schicken. Ein Kenner der orientalischen Angelegenheiten, der
infolge Abschlusses der Union von Florenz, für die er gestimmt
hatte, die Würde eines Kardinals von S. Sabina erhalten hatte,
der gewesene Abt Isidor ^) von St. Demetrios in Konstantinopel
1) Die Rede des Äneas Sylvius in Rinaldi z. J. 1452.
2) „Not. et extraits"II, S. 481—482. Abschrift im Cod. monac. lat. 4143, fol. 100.
3) Siehe auch Pusculus in Dethier-Hopf III, S. 150.
4) Phrantzes S. 217.
5) Vgl. Pelesz, Geschichte der Union der ruthenischen Kirche I, Wien 1878,
14 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
und spätere Metropolit von Rufsland, als welcher er Cardinalis
Ruthenus g-enannt wurde — in Wirklichkeit war er ab er zum Nach-
folger des seit einiger Zeit gestorbenen lateinischen Patriarchen
von Konstantinopel, Giovanni Contarini, ernannt^) — , ging- mit
dem Bischof von Koron '-') nach Konstantinopel, um sich von der
dortigen Lage Rechenschaft zu geben. Er trug einen gebiete-
rischen Brief des Papstes bei sich, der inständig- die Vervoll-
ständigung der Union und die Zurückberufung des Gregorios
verlangte ^). In Chios angelangt, nahm er den dortigen Metro-
politen Leonard mit auf sein genuesisches Schiff und fügte den
50 Baiistarien, die schon an Bord waren, andere hinzu, die er
auf der Insel angeworben hatte; auch wurden Wein und Vorräte
mitgeführt. Isidor kam im November in den Hafen von Kon-
stantinopel, zelebrierte am 12. Dezember 1452 die Liturgie in der
Hagia Sophia selbst, und nannte, den Florentiner Beschlüssen
gemäfs, den Papst neben dem entflohenen Patriarchen Greg-or
bei den Ektenien.
Einige hochangesehene byzantinische Persönlichkeiten , wie
Johann Argyropulos und Michael Apostolos, arbeiteten in dem-
selben Sinne *). Das war aber auch alles , was der Heilige
Stuhl , in verschiedene italienische Angelegenheiten verwickelt,
vorläufig für das unierte Reich des Ostens tun konnte und
wollte ^). Darum wurde auch der Leiter der intransigenten ortho-
doxen Opposition, der gelehrte Georgios Scholarios, nunmehr
Mönch Gennadios, von vielen ang-esehenen Priestern und Bürgern
in seiner Zelle im Kloster des Pantokrators besucht, und in
allen Wirtshäusern sprach das gemeine Volk, über die Ankunft
und das Betragen des fremden Prälaten entrüstet, von der g-ottes-
lästerlichen Politik des ungekrönten Scheinkaisers Konstantin ^).
und Hefele, Die temporäre Wiedervereinigung der griech. und der lat. Kirche,
in der „Tübinger Theol. Quartalschrift", 1848 (XXX), S. 179 ff. (mir unzugänglich).
i) „Notes et extraits" P, S. 272 — 273; vgl. Dukas S. 252 ff.
2) „Notes et extraits" II, S. 28.
3) Rinaldi, z. J. 1452; Dethier-Hopf lU, S. 567ff.
4) Pusculus S. 195 — 196; vgl. „Notes et extraits" U, S. 522: Brief des
Isidorus; Byz. Zeitschrift V, S. 580 fr.
5) Vgl. besonders „Notes et extraits" P, S. 272 — 273.
6) Dukas a. a. O. Leonardus Chiensis erwähnt unter den Parteigängern
Eroberung Konstantinopels. 15
Venedig war in Bosnien engagiert; es mufste einen Krieg
mit dem dortigen König wegen der Besetzung von Narenta durch
venezianische Truppen fürchten. Ragusa glaubte, dafs seine ehe-
mahge Beschützerin sich mit dem ,,Herzeg" verbunden habe,
um der ragusanischen Macht und Unabhängigkeit ein Ende zu
setzen. Stephan Tschernojewitsch war neuerdings in venezianischen
Dienst getreten , um durch seine ritterhchen Taten das Gebiet
von Cattaro abzurunden. Anderseits grifif 1452 der serbische
Despot Skutari an, und die Venezianer sahen mit Besorgnis,
dafs auch Türken in den vom VVoiwoden Altoman und von Thomas
Kantakuzenos befehligten Reihen seines Heeres kämpften ^). In
Morea machte nach 145 1 Nerio degli Acciaiuoli, als Vasall des
Sultans, der Republik zu schaffen ^) ; gegen die unruhigen, hab-
gierigen Despoten beabsichtigte sie ernste Mafsregeln zu treffen.
Aufserdem trachteten die Venezianer danach, den König von
Zypern, ihren Schützling, mit den Karamanen zu versöhnen; zu
dem Zweck wurde auch 145 1 ein Gesandter nach Konieh ge-
schickt ^). Von Mohammed wollten sie eine Ermächtigung zur
Kornausfuhr erhalten, und soeben war ein für die Signoria gün-
stiger Vertrag geschlossen worden *). Darum wurde zugunsten
des bedrängten Kaisers nur der Beschlufs gefafst, dafs er sich
so viele Baiistarier, wie er brauche und zu bezahlen vermöge,
auf venezianischem Boden anwerben dürfe und kein Untertan
der Republik sich in türkische Dienste begeben solle ^).
Wie gewöhnlich, wurden Mafsregeln für das Viagium Ro-
maniae genommen^).
Doch ist im Auge zu behalten, dafs die sparsame Signoria
ebensowenig wie die anderen westlichen Mächte einen energi-
schen und erfolgreichen Angriff auf das uneinnehmbare Kon-
der Union nur Argyropulos , Theophilos Paläologos , „ einige wenige Mönche und
andere Laien"; in Reufsner, Epistolae turcicae, 1597, in Bzovius, Annales,
in Migne, CIX, usw. Siehe eine Diskussion über die Frage, ob der Papst die
Griechen unterstützen solle (2. Dez. 1453), i" ^^^ Handschrift von Rom, Biblio-
teca Casanatense, D. i, 20.
i) „Notes et extraits" P, S. 269 — 273.
2) „Notes et extraits" P, S. 265.
3) Ebenda. 4) Ebenda, S. 269 fr. 5) Ebenda.
6) August 1452; Cornet-Barbaro, Anhang.
16 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
stantinopel erwarten konnte. Dem im Herbste ang-ekommenen
byzantinischen Gesandten wurde der wohlfeile Rat g-egeben, sich
an den Heiligen Vater, von dem in Kreuzzugssachen alles ab-
hänge, zu wenden ^). Auch im Februar 1453 glaubte die Republik,
dafs sie am besten tue, wenn sie den Papst anflehe ^). Erst als die
türkischen Kanonen von Boghaz-Kessen das Schiff" Antonio Rizos,
der im November vom Schwarzen Meere in den Bosporus ein-
fuhr, beschossen, als dessen Besatzung gefangengesetzt und ge-
foltert wurde — Rizo selbst starb eines qualvollen Todes am
Pfahle — , wurde für alle Augen ersichtlich, dafs Mohammed nie-
manden zu schonen gewillt war, der ihm in den Weg trat ^).
Schon vor der Ankunft des Kardinals Isidor langte Gabriel
Trevisano mit zwei kleinen Galeeren in dem konstantinopoli-
tanischen Hafen an; er war abgeschickt worden, um die mit
kostbaren Waren befrachteten Handelsschiff"e des Viagium
von Tana vor einem Überfall seitens der Türken, die sich schon
damals mit den griechischen Seeräubern zu schaff"en machten, zu
sichern. Auch diese Schiffe wurden , weil sie das Verbot des
Sultans nicht beachten wollten, am neuen Schlosse mit Stein-
kugeln empfangen und konnten sich kaum durch die Geschicklich-
keit ihres Capitano retten ; besser entging die trapezuntische
Flottille der Venezianer der türkischen Feindschaft *). Nun be-
rief der Kaiser den Legaten, den Bailo und andere angesehene
Lateiner in die Sophienkirche und verlangte, dafs die drei Handels-
schiffe und die Galeeren Trevisanos auf seine Kosten im Hafen Kon-
stantinopels blieben, um die Stadt gegen den zu erwartenden türki-
schen Angriff" zu verteidigen; und die Venezianer fafsten bei ihrer
Versammlung in der S. -Maria-Kirche (14. Dezember 1452) mit
grofsem Widerstreben einen Beschlufs in diesem Sinne. Doch ver-
langten sie ihrerseits, dafs die Waren auf die Schiffe zurückgebracht
würden, wofür die Capitani sich eidlich verpflichteten, ohne kaiserliche
i) Cornet-Barbaro, Aniiang.
2) Ebenda.
3I Niccolu Barbaro; Zorzo Dolfin, Ausg. Thomas; Philippus
Ariminensis, in Dethier-Hopf III, S. 666 — 667; Dukas S. 248.
4) Barbaro in Detli ie r-Hop f S. 697 — 700.
Eroberung Koastantinopels. 17
Erlaubnis nicht abseg^eln zu wollen ^). Einige von ihnen aber
brachen den Eid, so besonders die aus Kreta, deren Fahrzeuge
auch viele Kaufleute mit sich führten. Die meisten blieben
wirklich, und die venezianischen Seeleute wurden in der Gegend
des alten Hebdomanpalastes , wo seit langem keine Gräben
mehr vorhanden waren, sogar zur Befestigung Konstantinopels
herangezogen. Auch wurde mit ihrer Hilfe am 2. April eine
lange Kette mit Eisen verklammerter Balken von der Punta Kon-
stantinopels, der Pforte Horaia, bis zu den zuletzt noch im 15. Jahr-
hundert verstärkten Mauern des genuesischen Pera gelegt ^).
Einen viel stärkeren Widerhall hatte die schon im März
1452 eintreffende Xachricht der türkischen Rüstungen in Genua.
Denn hier stand das Los des blühenden Pera auf dem Spiele,
und man wufste , dafs die stark befestigte Kolonie an vielen
Mängeln, besonders an Goldmangel, leide. Aber erst im No-
vember, als mit Giovanni da Mare ein letzter verzweifelter Hilfe-
ruf der Peroten an die Metropole gelangte, wurde das Schiff
Azzelino Lercaros mit 300 Ballistarien nach dem Bosporus ge-
schickt ^) ; und die genuesischen Behörden schrieben an den
König von Frankreich, an die verbündete Republik Florenz um
Hilfe in der Entscheidungsstunde , sei es auch lediglich durch
Gewährung von Subsidien. Solange Venedig und Genua sich in
Italien feindlich gegenüberstanden, war ein Zusammenwirken
beider Handelsmächte absolut ausgeschlossen ^). Erst am 26. Ja-
nuar langten zwei genuesische Galeeren mit 700 Soldaten in
Konstantinopel an. Voll Freude ernannte Kaiser Konstantin ihren
Befehlshaber, Giovanni Giustiniano Longo, sogleich zum Ober-
befehlshaber der Landkräfte ^) , gab ihm den Titel eines Pro-
tostrators und verlieh ihm den Besitz der grofsen Insel Lemnos ^).
Währenddessen hatte Mohammed im tiefen W^inter seine
Mafsregeln zum Kriege gegen das griechische Zwergreich ge-
i) Barbaro a. a. O. 21 Ebenda S. 722 — 724.
3) Vgl. auch Dukas S. 265.
4) „Notes et extraits'- I-, S. 274f. ; II, S. 47Sf.
5) Barbaro S. 717. 6) Siehe auch Duka< S. 266.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. U. ^
18 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
troffen. Derselbe konnte nur eine Absicht haben: die Belag-erung-
Konstantinopels. Und eben dazu wurden, wie niemals vorher,
Anstalten g-emacht. Den ganzen Winter hindurch waren asiatische
Truppen aus Mysien und Paphlagonien , den ehemaligen Be-
sitzungen Isfendiars, in der Umgebung Konstantinopels geblieben,
um die Blockade nicht vollständig zu unterbrechen ; ihr Befehls-
haber wird in keiner Quelle genannt; es scheint keiner der Wesire
gewesen zu sein. Auf dem Meere konnten die griechischen Frei-
beuter ruhig ihrem Gewinn nachgehen und die Leiden ihres Volkes
durch Verbrennung asiatischer Dörfer um Kyzikos und Hinmetze-
lung friedlicher mosleminischer Bauern grausam vergelten.
Nun war Mohammeds einzige Sorge auf die Beschaffung der
erforderlichen Artillerie gerichtet; alles andere mufste von selbst
mit mechanischer Sicherheit und Pünktlichkeit an dem schon im
Herbste vorher angezeigten Tage sich unter den Mauern Konstan-
tinopels einfinden. Denn der neue Sultan verstand als erster unter
den osmanischen Herrschern allzu gut, dafs durch den Gebrauch
des Pulvers ein neues, andersartiges Zeitalter in der Entwick-
lung der Kriegskunst eröffnet worden war. Viele Renegaten
konnten ihm von bronzenen Kanonen und den von ihnen be-
wirkten Wundern erzählen ; sie hatten an grofsen abendländischen
Schlachten und Belagerungen, wo die Steinbomben durch die
von Pulverdampf vergiftete Luft über die Köpfe der erschrockenen
Krieger hinflogen, teilgenommen. Da er keine Meister in diesem
Fache hatte, war es ihm sehr willkommen, als ein Flüchtling,
Urban genannt, dem die Griechen eine ,,dakische", d. h. eine
ungarische oder, viel wahrscheinlicher, eine rumänische Herkunft
zuschreiben, sich ihm vorstellte ^).
Dieser Urban war ein genialer Techniker, mit einfachen
Mitteln, aber erfinderischem Geiste, so wie sie in der Zeit eines
Antonio Marini, der sich ebenso gut auf Hydrographie, Keramik
und Bierfabrikation als, von politischer Projektenmacherei ganz
zu geschweigen, auf vieles andere verstand, nicht selten auftauchten
und sich fleifsig nach einem Gönner, den sie zu bereichern oder
in seinen Kriegen siegreich zu machen sich anheischig machten,^
l) Chalkokondylas S. 385.
Eroberuug Konstantinopels. 19
umsahen^). In der Tat wurde Konstantmop el , dank den Ein-
fällen und der Geschicklichkeit Urbans, erobert. Die Energie
Mohammeds, seine Gabe, die Lehren der Zeit in sich aufzunehmen,
hatten in diesem Christen und Fremdlinge , den ein günstiger
Zufall zu ihm geführt hatte, ein unschätzbares Werkzeug ge-
funden. Wie froh und stolz war der Sultan, als er im Februar
eine riesige Kanone vor sich glänzen sah, die sich auf 30 von
60 Ochsen gezogenen Karren vorwärts bewegte, während 200 Sol-
daten Wacht um das kostbare Kriegswerkzeug hielten und 50
andere, mit 300 Salahoren, Wege und Brücken bereiteten ^).
Im Frühling erschien zuerst Karadscha, der europäische
Beglerbeg, und bereitete das Terrain vor, indem er sogar die
Weingärten abholzen liefs, damit die Belagerer frei in die riesige
Stadt hineinschauen konnten. Kleinere Abteilungen des Vor-
trabs machten sich daran, die noch von den Griechen besetzt
gehaltenen Burgen Therapia und Studion zu erobern; und, weil
die byzantinischen Besatzungen die Übergabe abgeschlagen hatten,
wurden die Gefangenen gehängt, damit die Konstantinopolitaner
die Leichen ihrer Stammesgenossen sehen könnten ^). Unzählige
Boote brachten die Asiaten, Spahis, Asapen und gemischtes
Gesindel herüber ; unter dem Schutze des neuerbauten Schlosses
konnten sie ruhig ihre Landung vollziehen ; die im Winter so
kecken griechischen Piraten waren gänzlich verschwunden. End-
lich kam Isak-beg, der Vizekaiser, selbst aus Asien; auch der
Sohn Isfendiars von Sinope, Ismail, stellte sich ein *), und unter
ihm stand ein ganzes paphlagonisches Kontingent ^). Auf allen
Landwegen des Nordens und Westens strömten gleichzeitig die
rumelischen Truppen heran ; auch das gut berittene serbische
Kontingent sah man, das jedoch möglichst wenig von sich
i) Siehe über Marini meinen Aufsatz in den „Melanges Monod".
2) Dukas S. 258, 266, 282—283.
3) Vgl. Kritobulos S. 72 und Phrantzes S. 236, der die chronologi-
sche Bestimmung gibt. Ebenso Chalkokondylas S. 383.
4) Chalkokondylas S. 390 ff.
5) Pusculus S. 209.
2*
20 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
sprechen machte *). Viele andere christliche Kontingfente mufsten
sich unter den Mauern Konstantinopels einfinden. Bald wurde
auch das kaiserliche Lag-er ein Sammelplatz für alle beutegierigen
Elemente, die neben den Werkmeistern und Kaufleuten jeder Art
den gröfsten Teil der sogenannten Belagerungsarmee bildeten ^).
VonGallipolis kam endlich unter dem Befehl Baltioglis, des dortigen
Befehlshabers und Admirals — er war eigentlich der Sohn eines
bulgarischen Bojaren und hatte sich durch die berühmte Ge-
sandtschaft von 1444 nach Ungarn ^) und einen Einfall auf Lesbos
im Jahre 1449 die Gunst des Sultans erworben *) — , eine bisher
niemals gesehene osmanische Flottille von mehr als 300 gröfseren
und kleineren Schiffen , die den mühsam zusammengebrachten
fünf Fahrzeugen — Überbleibseln der byzantinischen See-
macht — , den venezianischen aufgehaltenen Galeeren, den genue-
sischen des Giustiniano , den drei kretischen Fahrzeugen , denen
sich ein katalonisches und ein provenzalisches , die der Zufall
herbeigeführt hatte, zugesellten ^), unvergleichlich überlegen war.
Denn auch das asiatische Arsenal von Nikomedien hatte seinen
Anteil geschickt ^).
Eine solche Heeresmacht zu schätzen, ist selbstverständlich
unmöglich : das unstete , nichtmilitärische Element war allzu
stark vertreten. Dennoch kann man so viel sagen, dafs die
Truppen, die Konstantinopel belagerten und einnahmen, nicht
zahlreicher gewesen sind als die, welche bei jeder persönlichen
Unternehmung des Sultans einberufen oder mitgebracht wurden.
i) „Der serbische Janitschar" ; auch in Dethier-Hopf III — IV.
2) Vergleiche Tedaldi in Martene-Durand, Thesaurus novus I, S. 1819:
„ robeurs , gasteurs , raarchands, artisans et autres, faisant le siege pour gagner " ;
vergleiche auch die folgenden Seiten.
3) Siehe den „Serbischen Janitscharen", Kap. XXI.
4) Dukas S. 270.
5) Phrantzes S. 240.
6) Phrantzes a. a. O. Er unterscheidet zwischen den europäischen Schiffen:
30 Dreimastern und Dromones, anderen 130 Fahrzeugen und zwischen den ana-
tolischen : 18 Dreiruderern, 48 Zweiruderern, 25 Dromonen und anderen 219 Ein-
heiten (im ganzen zählt er 320 Schiffe). Es ist dies die präziseste Quelle. Bei
Chalkokondylas S. 383 — 384 werden 200 kleine Schiffe und nur 30 grofse
mitgezählt. Bei Barbaro S. 737: 145.
Eroberung Konstantinopels. • 31
Eigentlich waren auch hier nur die Janitscharen und die Spahis
der wertvolle und wirklich kämpfende Teil der ungeheuren
Menschenmassen, die Disziplin oder einfache Beutelust im schönen
lachenden Frühlinge des Jahres 1453 unter den alten Mauern der
grolsen christlichen Stadt des Ostens zusammengeführt hatten.
Nach den feststehenden Regeln nahm natürlich jedes angekom-
mene Kontingent den ihm vorbestimmten Platz ein. Anfang
April erwartete man den Sultan und dessen Hof.
Am Morgen des 2. April traf der oberste Befehlshaber mit
seinem glänzenden Gefolge ein. Er schlug sein Lager zwei und
eine halbe Meile von den Mauern entfernt in einem Orte auf,
welcher der Romanospforte und somit dem eigentlichen Zentrum
der Mauereinfassung, die 126 Stadien mafs, entsprach. Jani-
tscharen und andere Sklaven umgaben sein Zelt. Rechts reihten
sich die asiatischen Spahis bis zur Goldenen Pforte hinauf; links
bis zur Hölzernen lagerten die Leute von Rum; Saganos war
nach Pera hinbeordert und stand auf dem Hügel dort, um eine
leichte, vielleicht durch Geld gemilderte, jedenfalls sehr schonende
Blockade zu markieren ^). Jeder Wesir hatte einen Teil der
Mauern zugewiesen erhalten , so dafs die ganze riesige Belage-
rungslinie zwischen ihnen und dem Sultane aufgeteilt war: Mo-
hammed selbst, von Sarudsche und dem alten erfahrenen KhaHl
umgeben, hatte das schon genannte Quartier, wo die Befesti-
gungen weit schwächer waren, bis zuletzt inne. Saganos war Ga-
lata und Pera, der Plafen und die ganze Strecke bis zur Hölzernen
Pforte anvertraut , und er hatte den Auftrag , auf vielen leeren
Weinfässern eine Plattform in der Gestalt einer Brücke zwischen
seinem Lager und dem sogenannten Keramiken, einem Häuser-
komplex in Konstantinopel, zu erbauen, Karadscha-beg befeh-
ligte vor der ebengenannten Pforte, dem Palaste des Porphyro-
geneten und der Pforte Charsu. Endlich traf man den asiatischen
Beglerbeg, dessen Krieger ihre Zelte von Myriandrion bis zur
Goldenen Pforte aufgeschlagen hatten ^j. Am 6. April begann
die Belagerung.
i) Siehe Phrantzes und Chalkokondylas.
2) Kritobulos S. 63 — 64.
23 ■ Erstes Buch. Erstes Kapitel.
Seinerseits hatte Kaiser Konstantin nur 4973 Soldaten ^)
nebst vielen — bis zu 2000 — Lateinern, die verschiedenen
Nationen angehörten und sich mifstrauisch g-eg-enüberstanden,
zur Verfügung. Die Bevölkerung war gegen ihn gestimmt; sie
hatte mehrmals den Ruf: „Besser unter den Türken, als
unter den Lateinern" hören lassen, und sogar der mächtigste
aus dem byzantinischen Beamtenadel , der berühmte Megadux
Lukas Notaras, der ,,Chirluca" der Italiener, hatte öffentlich
dem lateinischen Hut die türkische Mütze vorgezogen ^). Eine
mächtige Opposition des Klerus, der reicheren Familien, der
Volkskreise, hemmte die Tatkraft des noch jungen Fürsten,
der in Morea oft seine Tapferkeit und sein politisches Talent
bewiesen hatte. Diesmal fühlte er sich durch die grollende
Unzufriedenheit der Menge und der mafsgebenden Faktoren wie
gelähmt.
So weist denn die letzte christliche Verteidigung Konstan-
tinopels eher einen ritterlich -lateinischen als schwärmerisch-
griechischen Charakter auf. Lateinisch sind die Schiffe im Hafen ;
von Lateinern, und nicht vom griechischen Morea, von dem
trapezuntischen Kaiser, von dem iberischen Könige, dessen
Tochter Konstantin zu heiraten gedacht hatte ^), wird alle Hilfe
erwartet: Nahrungsmittel, Galeeren, Waffen, Ballistarien. Der
einheimische Patriarch fehlt, den lateinischen dagegen sieht man,
mit seinem Metropoliten von Mitylene und vielen Familiären
seines Hauses, bei Kynegesion und bis zur Kirche des Heiligen
Demetrios auf den Zinnen. Die Schlüssel der vier Haupttore
sind in den Händen angesehener venezianischer Kaufleute. Als
Befehlshaber in den Türmen findet man von Griechen nur Notaras,
an der kaiserlichen Pforte und am Hafen , dann auf der Linie
von Petrion an der Pforte des Heiligen Theodosios den gelehr-
ten Theophilos Paläologos, einen Kantakuzenen, Demetrios, dessen
i) Phrantzes S. 240 — 241 ; vgl. Dukas S. 275 — 276. Auch bei Te-
daldi S. 896 wird die Anzahl von 6 — 7000 Kriegern ,,und nicht mehr" an-
gegeben. Vgl. auch Pusculus S. 193.
2) Dukas S. 264, 291: KqbTttov l/nntadv ftg /iTQKg rwv Tovnxwv fj
'pQriyywv.
3) Phrantzes S. 217.
Eroberung Konstantinopels. 33
Schwieg-ersohn, Nikephoros Paläolog"os, die einflufsreichen Kanta-
kuzenen Johann und Andronikos *). Nach dem abendländischen
Studenten Pusculus, der anwesend war. hätten beide an der
Chrysea, neben Cattarino Contarini, Stellung-en g-ehabt '^). Niko-
laos Gudello und seinen Schwieg'ervater Demetrios Paläologos
trifft man an der Pforte Peg-e ■^) ; und kaum einig-e andere Griechen,
wie Alexios Disypates, Metochites , Philanthrochos Paläologos,
bilden den Hof des letzten konstantinopolitanischen Kaisers. Da-
g-egen ist alles dem Protostrator Giustiniano überlassen ; im kaiser-
lichen Palaste, in den jetzt von den offiziellen Persönlichkeiten
verlassenen dvd/itOQa sind Venezianer zu Hause, und der Bailo
Girolamo Minotto benimmt sich als Herr; auch Dolfm und Gio-
vanni Loredano, Gritti, Storlado , Molin, Zorzi Cornaro hatten
ihren ang-ewiesenen Platz. Von Bukoleon bis Kontoskalion, an
der Pforte des Hippodromos wird katalanisch g-esprochen : der
Hauptmann ist Pier Zulian, ein Untertan des aragonischen König-s ;
an der Goldenen Pforte hört man auf die Befehle des Genuesen
Manuel und am Myriandrion stehen drei fränkische Brüder, Paolo,
Antonio, Troilo de' Buzardi (Bocchiardi) ; an der Hölzernen
Pforte und am Turme ,,der Winde" sind die Genuesen Giro-
lamo und Lionardo di Lang-asco neben Manuel dem Paläologen
zu treffen; bei Horaia kämpfen Matrosen aus Kreta; Gabriel Tre-
visano ist der Turm am Kanäle, das Kynegfion, zug-ewiesen; der
alte Theodoros Karystinos, der neben dem Deutschen Jo-
hann Grofs und dem Kreter Manuel Gudelli an der Kalig-aria
die Verteidig-ung- betreibt, ist aus Karystos, auf der Insel Euböa,
gebürtig-, also venezianischer Untertan. Ein Contarini, Giacomo,
hat die Mauern am „äufseren Hafen" bis Hypsomathia unter
sich. Einen hervorragenden Anteil ^) hatten die Genuesen Mauricio
Cattaneo und Paolo Bocchiardo. Auch ein Giovanni del Carretto,
ein de' Fornari, ein Salvadego, ein Gattilusio, ein Giovanni Dal-
mata werden in den Kämpfen um Konstantinopel genannt^)
i) Pusculus S. 216. 2) S. 215.
i) Pusculus S. 216. 2) S. 215.
3) Pusculus; Leonardus Chiensis.
4) Montaldo und Brief des Podesta in „Notices et cxtraits " XI',
79-
5) Leonardus Chiensis.
24 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
Neben dem Kaiser selbst erscheint, als „neuer Achilles", der
Spanier Don Francisco de Toledo, angeblich ein Verwandter
der Paläolog-en *), Endlich ist der venezianische Befehlshaber
aller Seekräfte im Hafen, der Capitano der Handelsflotte von
Tana, Aloisc Diedo, zu nennen ^).
Sog-leich wurde ersichtlich , dafs Mohammed nicht sowohl
auf glänzende Heldentaten im alten romantischen Sinne, als viel-
mehr auf die Ausnutzung' seiner Bombarden und Kanonen aus-
ging-, mit denen er sicher war, in einigen Tagen, wenn nicht die
starke , hohe , mit Zinnen versehene innere Mauer , so doch
wenigstens die niedrigere äufsere zu zerstören. Dadurch hoffte
er der Belagerung einen neuen ungewöhnlichen Charakter zu
geben. Am ii. April wurden drei OAEval, VVurfmaschinen, dem
kaiserlichen Palaste Hebdomon gegenüber, drei andere an der
Pforte Pege, zwei an der Pforte Charsu, andere vier an der des
Heiligen Romanos aufgestellt. Und mit grofsem Erfolge wurde
die Zerstörungsarbeit auch sofort in Angriff genommen ^).
Der Gang der Ereignisse liefs sich übrigens langsam genug
an und es erfolgen tragische Zwischenfälle. Nur einmal versuchten
die Belagerten einen Angriff auf die Türken ; sie wurden zurück-
geschlagen und hatten keine Lust mehr, den mifslungenen Ver-
such zu erneuern ^). In der finsteren Nacht vom 17. zum 18. April
wollten sich die Türken durch eine Überrumpelung der Stadt
bemächtigen ; der Kampf mit den spärlich verteilten Verteidigern
dauerte vier volle Stunden und endlich mufsten die Osmanen
sich zurückziehen. Am 20. April kamen drei oder vier genuesische
Schiffe mit Vorräten an Bord an ; da an eben diesem Tage der
Wind schwieg, konnte Baltiogli unter den Augen des Sultans
ihnen eine förmliche Schlacht Hefern , an der auch die kaiser-
liche Galeere teilnahm, die mit dem türkischen Admirale selbst
in Kampf geriet. Nach langem , blutigem Ringen erkannte
der letztere die Unmöglichkeit, die christliche Hilfsmacht zu
1) Phrantzes S. 252 f., 286.
2) Ebenda; vgl. auch Barbaro S. 727 ff. ; Pusculus S. 215 ff.
3) Barbaro S. 733; Tedaldi S. 899; vgl. auch Pusculus S. 225.
4) Kritobulos S. 62.
Eroberung Konstantinopels. 35
vernichten. Vom Goldenen Hörn kamen die Schiffe des Gabriele
Trevisano und des Zaccaria Grioni heraus, um die Ankömmling-e
festlich zu empfangen und in das sichere Versteck diesseits der
Sperrkette zu bringen. Mohammed war gegen den Besiegten
unerbittlich ; obgleich der arme bulgarische Renegat durch einen
Steinwurf am Auge verwundet worden war, verlor er seine hohe
Stellung und wurde sofort durch Hamza-beg, den Sohn Dschali-
begs , des unglücklichen Kämpfers gegen Pier Loredano , er-
setzt 1).
Aber am folgenden Tage (21.) schon wurde ein Teil der Mauern
an der Romanospforte niedergeworfen. EiHg arbeiteten Griechen
und Franken, die grofse Öffnung durch Tonnen mit Schutt und
Steinen wieder auszufüllen ; auch wurde ein neuer Graben da-
hinter aufgerissen und aus der dabei gewonnenen Erde ein Damm
gebaut. Aber dieser Erfolg der Osmanen war doch die erste
Andeutung der Katastrophe. Täglich schleuderten die Kanonen
mächtige Steingranaten gegen dieses schwache Mesoteicheion und
bald vermehrten sich die Breschen , die freilich noch immer
ebenso schnell durch Ausfüllung mit Tonnen scheinbar aus-
gebessert wurden.
Da verfiel Mohammed auf ein heroisches Kriegsmittel, um
die schon dünn gesäten Verteidiger noch mehr zu zersplittern.
Aus ihrer Stellung an den zwei ,,Kiones", den ,, Säulen", jen-
seit des Kaps von Galata-Pera, wollte er seine Fahrzeuge in das
Goldene Hörn herüberbringen und dadurch die 35 Stadien lange
Mauerlinie gegen das Meer bedrohen, so dafs die Soldaten und
Verbündeten des Kaisers auch dort zu tun hätten. Diese List,
die der griechische Chronist des siegreichen Sultans, der Im-
briote Kritobulos, und der fleifsige lateinische Schüler Fusculus
als denen des Xerxes überlegen rühmt, war für die Techniker
der Zeit vom Schlage des grofsen Artilleriemeisters Urban keine
allzu schwierige Aufgabe. Etwas Ähnliches hatte Antonio Marini
1) Besonders Kritobulos S. 81 ff. und Barbaro S. 741 ff. Vgl. Fusculus
S. 229 ff. : er spricht von drei genuesischen Fahrzeugen und einem, das dem Kaiser
selbst gehörte; ebenso Zorzo Dolfin.
36 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
bei Lizza-Fusina mit seinem berühmten carro g-emacht ^), auch
hatten die Venezianer letzthin durch ein Verfahren der Art Schiffe
in den Gardasee gebracht^). Erst wurden die kleineren, dann
die grofsen Fahrzeug^e auf unbeweglichen Rädern, die g"ehörig
mit Fett g^eschmiert waren, durch die vereinten Anstrengung^en
zahlreicher Salahors und einig^er Büffel zur Höhe des g'eebneten
und mit Balken versehenen Abhang-es des g"rofsen, früher g"anz
mit Weing^ärten und Bäumen bedeckten Hüg^els von Pera em-
porg-ehoben, um dann von oben mit g'eblähten Seg^eln unter dem
furchtbaren Jubelgeschrei der Mannschaft und der g'ewöhnlichen
betäubenden Musik der nacchere und zur entsetzten Verwunde-
rung- der Christen blitzschnell ins schäumende Wasser des Goldenen
Horns herabzug-leiten ^). So kamen nicht wenig-er als 67 Fahr-
zeug-e in den Schlupfwinkel der christlichen Flottille hinein. Sie
versuchten selbstverständlich g^ar nicht, die kaiserliche Flottille
im Kampfe zu schlag^en und zu zerstören, doch leisteten sie auf
zweierlei Weise der Belag-erung- Vorschub. Einmal, da die
Christen in den Schiffen nun immerfort auf der Hut sein mufsten
und somit nicht mehr zur Verteidigung- der Stadt abkömmlich
Avaren, und dann, wie schon gesagt, weil mehrere Abteilungen
der Kaiserlichen am Ufer aufgestellt wurden, um die Mauern auf
dieser bestens geschützten Linie zu besetzen. Alle Versuche
der Christen, diese eingedrungenen türkischen Fahrzeuge durch
Feuer zu vernichten, blieben erfolglos. Als Giacomo Cocco am
28. April mit seiner Fusta von Trapezunt und einigen andern
Schiffen kurz vor Tagesanbruch Feuer zu legen versuchte, wurde
er, angeblich von den Genuesen verraten, mit einem Schufs
empfangen, der ihn und seine Gefährten ins Meer warf, wo alle
i) „M61anges Monod" S. 447.
2) Chronik des Zorzo Dolfin.
3) Barbaro S. 752 spricht ausdrücklich von den „ruodoli convexi ... onti
benissimo di sevo"; vgl. Krit obulos S. 85 — 86; Anon. Thyselii ebenda, §12;
Pusculus S. 234 — 238; „Serbischer Janitschar", Kap. XXVI; Dukas S. 271
bis 272; „Notes et extraits" II, S. 516; Isidorus, in „Notes et extraits" II,
S. 523. Noch heute werden auf der Donau und kleineren Flüssen oft von türki-
schen und christlichen Matrosen oder gedungenen Knechten Barken auf den
„Jedek" gezogen. Hier hatte man statt des Flusses die geschmierten Räder unter
dem Schiffe.
Eroberung Konstantinopels. 27
ertranken ; beinahe hätte auch die Galeere Trevisanos , die von
diesem selbst befehligt war, dasselbe Schicksal g-ehabt ^).
Indessen war der Monat Mai gekommen, und in der grofsen
Stadt, die in ihrem Befestigungsumkreise auch viele Gärten und
Felder einschlofs, begann sich der Mangel an Vorräten fühlbar
zu machen. Die Bevölkerung glaubte in manchen aufserordent-
lichen Umständen Vorzeichen des nahen Verderbens zu ent-
decken : das wunderwirkende Bild der Mutter Gottes fiel während
einer Prozession zur Erde und konnte nur mit Mühe wieder auf-
gehoben werden ; ein schreckliches Ungewitter zerstreute ein
anderes Mal die Menge , die sich , Litaneien singend , mit dem
Klerus an der Spitze, langsam durch die Strafsen bewegte; ein
dichter Nebel verbarg während der ersten Stunden des Tages
den lachenden Frühlingshimmel ; ein furchtbarer Drache erschien
in der Umgebung und begann die Tiere zu fressen. Blut flofs
aus den gefischten Austern, und der Mond nahm sonderbare, un-
erklärliche Formen an. Man hoffte aber noch immer, dafs Gott
das endgültige Verderben der von ihm und seiner heiligen
Mutter beständig beschützten Stadt nicht zulassen werde, und
die alte Sage von dem himmlischen Ritter, der an der Kon-
stantinsäule erscheinen werde, um mit der von einem Engel ihm
zugebrachten Keule die Eindringlinge bis an ,, das persische Ge-
birge" zurückzuschlagen, zu verfolgen und zu vernichten, wurde
wieder in den Seelen der bedrängten Christen lebendig ^).
Aber die schon seit langem angezeigte Hilfe des befreundeten
Europa blieb aus. Schon Ende Februar hatte der venezianische
Senat ,,aus der Ehrfurcht Gottes, zum Besten der Christen, zur
Ehre der Signoria und zur Bequemlichkeit (commodum) und
Nutzen der Kaufleute" den Beschlufs gefafst, bis zu zwölf Ga-
leeren in Venedig selbst und in den Kolonien zu bewaffnen
und nach der gefährdeten Metropolis des Ostens zu entsenden:
ein Loredano, Giacomo, wurde zum Generalkapitän dieser mäch-
tigen Flotte ernannt, vielleicht auch , weil sein Name eine gute
i) Barbaro S. 759 ff. ; Pusculus S. 240 ff. ; vgl. „Notes et exlraits'* P,
S. 289, 290 Anm.
2) Kritobulos; Dukas S. 289 — 290.
38 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
Vorbedeutung- für das Erg^ebnis des Zug^es war. Aber erst am
7. Mai waren die Vorbereitung-en endlich erledigt und Loredano
die nötigen Instruktionen g-eg-eben; er hatte Weisung-, die Türken
mög-lichst zu schonen und keineswegs ohne Provokation sich mit
ihnen in eine Schlacht einzulassen; zug"leich wurde auch ein Ge-
sandter, Bartolomeo Marcello, an den Sultan abg^eordnet, um
eine Versöhnung- zwischen dem Kaiser und dem Sultan, sei es
auch unter den von dem letzteren vorg-eschlagenen ,, nicht allzu
schweren" Beding-ung-en zustande zu bring-en ').
Auch damals aber hatte der König- von Arag-onien, der von
venezianischer Seite rechtzeitig- zu einem Zusammenwirken ein-
geladen worden war, noch keinen Entschlufs zugunsten seines
konstantinopolitanischen Vetters , den er sogar einmal zu er-
setzen gedacht hatte, gefafst, und auch der Karamane, der zwar
bereits am 12. Februar seine Allianz gegen den gemeinsamen
Feind, wenn der Krieg nur ernst gemeint wäre, angeboten hatte,
liefs es bei diesem blofsen Versprechen bewenden. Das von
Venedig angerufene Ungarn rührte sich nicht : hier war König
Ladislas vom kaiserlich deutschen Hofe endlich angelangt, die
Reichsstände waren mit den inneren Angelegenheiten allzu be-
schäftigt ^). Kaiser Konstantin hatte vergeblich auch die Hilfe
des entfernten französischen Königs angerufen , der ihm noch
im Sommer 1452 antwortete, er habe nicht vergessen, dafs der
Patron seines Reiches, Saint-Denis, ein Grieche gewesen sei, aber
die inneren Verhältnisse Frankreichs gestatteten ihm einen Kreuz-
zug nicht; übrigens hatte dem Könige der italienische Humanist
Franciscus Philelphus , ein Nachfolger des Manuel Chrysoloras,
imd durch seine Mutter ein Verwandter Ilario Dorias und der
Paläologen, eine schön geschriebene Exhortation geschickt und
ihm methodisch bewiesen, dafs nichts leichter sei, als das türkische
Reich mit dessen armseligen 60 000 Kriegern und damit jede
mosleminische Herrschaft in der Welt zu vernichten ^). Endlich,
i) S. a. Cron. diZorzo Dolfin, Ausg. Thomas ; auch in De th ier-Hopf III.
2) Cornet-Barbaro, Anhang. Siehe für die Politik Alfonsos, Cerone,
in Archivio storico per le provincie napoletane, 1902.
3) Vgl. Philelphi Epistolae; Ducange, Fam. byz. S. 246 ff. ; beide in
Dethier-Hopf III wieder gedruckt.
Eroberung Konstantinopels. 39
erst Anfang' Juni , traf in Venedig" der vom Papste geschickte
Erzbischof von Ragusa ein , um über die Bewaffnung- von fünf
Galeeren unter der Fahne Petri zu verhandeln ^). Auch war ein
päpstlicher Legat vergebens in Albanien gewesen, um den noch
ruhig abwartenden, wenn auch mit den Türken noch nicht ver-
söhnten Kastrioten zu einer Diversion nach dem Osten anzu-
stacheln ^). Genua selbst, die am meisten interessierte Macht,
hatte zwar sieben Schiffe zusammengebracht, und am ii. Juni
wurde auf dem des Kapitäns die Flagge des Heiligen Georg ge-
hifst. Aber diese Seekräfte waren einzig für den italienischen
Krieg-, in den die Republik, dann Venedig-, der König des Südens
und der grofse Herzog im Norden verwickelt waren, bestimmt ^).
Am 3. Mai wurde aus dem inneren Hafen ein Brigantino
ausgeschickt, um Nachricht einzuziehen, ob Loredano schon in
den Gewässern des Archipelagus ang-elangt sei; die Kundschafter
kamen mit verneinender Antwort, die noch mehr demorali-
sieren mufste, zurück. Am 5. versuchten die Türken wiederum
einen Streich gegen die christliche Flottille, indem sie auf dem
Hügel des Heiligen Theodoros von Pera eine Batterie aufstellten ;
aber nur ein genuesisches Handelsschiff kam zu Schaden *) ; die
anderen suchten jenseits der Sperrkette unter den Mauern Peras
eine bessere Stellung, wo sie freilich fortwährend mit Steinkugeln
bedeckt wurden ^). Erst nach einigen Tagen konnten sie ihre
frühere Stellung wieder einnehmen.
Die Sturmangriffe am 7. und 12. Mai g-elang es den Griechen
zurückzuschlagen. Darauf errichteten die Türken eine starke
Bastion, und die Bemannung vermochte die Gräben an dem be-
drohten Punkte bei der Pforte Charsu mit Erde auszufüllen. Zu-
gleich schlug man eine Brücke von Pera bis nach Konstantinopel
und hatte nun eine ausgezeichnete Basis zur Beschiefsung- und
1) „Notes et extraits" I-, S. 28oflf.
2) Ebenda U, S. 485 und Anm. 2.
3) Ebenda S. 488—489.
4) Barbaro S. 769 S. ; Kritobulos; Pusculus S. 234 ff. ; Dukas
S. 278.
5) Ebenda.
30 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
aufserdem eine geeignete Ablenkung", um die Arbeit auf der
Landseite zu fördern. Auch wurden in vielen Richtungen,
durch herbeigezogene Arbeiter der Bergwerke von Novobrdo,
Minen gegraben ^) , aber die Geschicklichkeit des Technikers
der Byzantiner , des Deutschen Johann Grofs , vereitelte ihre
Wirkung ^).
Vom 26. an sah man bis spät in die Nacht hinein viele
Feuer im ungeheuren türkischen Lager leuchten, besonders an
der Romanospforte, wo der Sultan selbst stand ; zugleich erscholl
ein so mächtiges Geschrei, dafs die Belagerten glaubten, ,, der
Himmel werde sich öffnen". Am 28. arbeiteten die Kanonen
eifriger als bisher, und türkische Herolde riefen aus, jedermann
möge sich zu dem grofsen Sturm, der am nächsten Morgen ver-
sucht werden solle, vorbereiten, und zwar an dem ihm bestimmten
Orte ; Mohammed selbst ritt überall hin, um die pünktliche Voll-
ziehung seiner Befehle zu überwachen. Alles dies wurde auch
in der belagerten Stadt bemerkt, die Glocken ertönten von allen
Kirchen und in allen Klöstern, die heilige ReHquien, ehrwürdige
Kaisergräber und kostbare Kunstgegenstände bewahrten: sie sollten
auf die tragische Majestät des letzten Tages des christlichen
Konstantinopels vorbereiten.
Bereits drei Stunden vor Tagesanbruch begann im türkischen
Lager die Bewegung. Die christlichen Hilfsvölker und die unteren
Schichten der Moslems , die man mit eisernen Ruten und Peit-
schen antrieb, hatten den Auftrag, die Leitern an die in einem
elenden Zustande befindlichen Mauern an der Romanospforte,
die ein Machwerk von Tonnen , Säcken usw. darstellten , zu
bringen. Sie kamen in Masse um , aber leisteten dem eigent-
lichen Heere diesen wichtigen Dienst; solches Material waren
die osmanischen Heerführer nicht gewöhnt zu schonen, konnte
es doch so leicht ersetzt werden ! Nun traten unter dem Befehle
Mohammeds selbst und beider Beglerbegs die Janitscharen, wo
sich der Sultan befand, an der Pforte des Heiligen Romanos,
wie auch an denen von Pege und Kaligaria ^) in Tätigkeit : sie
i) Vgl. auch Pusculus S. 244».; Tedaldi S. 897.
2) Leonardas Chiensis. 3) Tedaldi.
Eroberung Konstantinopels. 31
waren durch die eiserne Disziplin ihres auserwählten , ruhm-
bedeckten Korps verpflichtet zu siegen oder zu sterben. Unter
ihnen ragte ein Riese, Hassan von Lopadion, hervor, bis er end-
lich, von den Christen tödlich getroffen, herunterstürzte '). Der
Rauch der donnernden Bombarden umgab sie und verbarg den
Belagerten die rasch Vordringenden.
Giustiniano war auch an diesem entscheidenden Tage der oberste
Befehlshaber; der Kaiser selbst, von einigen hohen landesbürtigen
oder fremden Persönlichkeiten umgeben, tat sich nicht hervor;
er hatte seine heilige Majestät zu wahren und konnte sich dem
Handgemenge nicht aussetzen. Doch war er auf den Tod ge-
fafst und hatte in der Hagia Sophia das Heilige Sakrament ge-
nommen. Die Venezianer mit dem Bailo an der Spitze kämpften,
trotzdem sie auf den genuesischen Protostrator neidisch waren,
nach Möglichkeit. Auch sah man den türkischen Prätendenten
Orkhan unter den Führern der Besatzung. Stundenlang, bis zum
Morgen, wurde an der äufseren Palisade heifs gekämpft ^). Eine
Kugel traf Giustiniano in die Brust, er wurde tödlich verwundet
weggetragen und von seinen Getreuen auf sein Schiff ge-
bracht.
So entstand eine Lücke in der Reihe der Verteidiger; es
folgte eine allgemeine Verwirrung. Niemand hatte genug Au-
torität, den verschwundenen Generalissimus zu ersetzen ; bei dem
furchtbaren Lärme der Kanonen und dem ermunternden Geschrei
der Janitscharen wurde kein Kommandowort mehr gehört. Die
Türken, einmal schon zurückgeworfen, füllten den Raum zwischen
der niedrigen äufseren Palisade und den hohen Mauern, die an
mehreren Punkten stark von Bomben beschädigt waren. Es
glückte einigen von ihnen, auf schnell angelegten Leitern bis an
die verlassenen Zinnen zu gelangen, wo einige Augenblicke vor-
her Giustiniano gefallen war. Zugleich wurde die kleine Pforte,
durch welche die Genuesen aus dem Mauerring herauszukommen
pflegten, um die Palisade und die äufseren Werke zu verteidigen,
besetzt; so kamen mehrere von den Janitscharen in die Stadt.
i) Phrantzes S. 285 — 286.
2) "E^w toD xdaiQOv Iv TOI TiiQvßöXM, Sagt ausdrücklich Dukas S. 284.
32 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
Aber in dem grofsen Wirrwarr entging- dieser Erfolg- den
Kriegern beider Nationen , die im ganzen Umkreise der Mauern
im Todeskampf miteinander rangen. Am Ufer waren die Ma-
trosen der grofsen Flotte des Marmarameeres gelandet, ihnen
folgten nun auch die der im Goldenen Hörn liegenden Fahr-
zeuge ; sie wollten ihren Anteil an der feierlich und öffentlich
versprochenen freien Beute nicht versäumen.
Währenddessen bildeten sich aus den bereits in die Stadt
gedrungenen Janitscharen Reiterabteilungen, die durch die engen
Strafsen mit ihren meistens hölzernen Häusern von einem Platze
zum anderen nach dem Zentrum , zum Hippodromos mit dem
Obeliskus und der ehrwürdigen Sophienkirche hinstrebten; ihre
Absicht war, von den verheifsenen Spolien das Beste für sich
vorwegzunehmen. Besonders wurde in jedem Winkel nach kräf-
tigen, schönen Sklaven, oder nach reichen, die sich loskaufen
konnten, gesucht. Getötet wurden nur die, die sich widersetzten,
und die mit blutigen Waffen in der Hand angetroffenen Kaiser-
lichen oder Franken. Die Osmanen waren nicht töricht genug,
sich ihren Gewinn durch sinnlose Hinschlachtung von Menschen
im Stile eines Timur zu verderben ^). Nur Kranke, Greise und
kleine Kinder wurden geopfert, wenn sie den räuberischen Siegern
vor Augen kamen ^).
Es war der Tag der heiligen Theodosia, deren Reliquien
Konstantinopel neben so vielen anderen bewahrte, und trotz der
frühen Stunde, da ,, der Schlaf für die Augen der Jünglinge und
Jungfrauen süfs ist" ^), waren alle Kirchen bereits voller Menschen;
wer durch die ersten Boten von dem Unglück benachrichtigt
worden war und der traurigen Kunde Glauben schenkte — denn
manche lachten darüber und trotzten auf den göttlichen unfehl-
baren Schutz ! — , vermehrte die immer dichter werdende Menge,
in der Mitglieder aller Stände und Klassen sich zusammendrängten.
1) Vgl. das kundige Urteil Dukas', der die kleinasiatischen Angelegenheiten
und Sitten ausgezeichnet kannte: <PiXoyQrifiaTov yä(> ov t6 y^vog tovto, et xai
(poveii; nuTQixdg Ifxn^aot, Iv laTg /fQalv aviGiv, diä yjivaov unokvovai, S. 287.
2) Dukas S. 295.
3) '0 TiQOHvög vTivo; ^Svg i'jv iv 6(p&akfxoii tGjv vicov xai viaviSwv;
Dukas S. 288.
Eroberung Konstantinopels. 33
Wie Wilde, von lauter Gier angespornt, aber durch Disziplin
abgehalten sich gegenseitig in die Haare zu geraten, brachen
die Osmanen in diese recht eigentlich wie für sie angelegten
Hürden menschlicher Beute ein : an Händen , Kleidern und
Barten wurden die Gefangenen gepackt und fortgeschleppt. Aufs
schnellste beraubte man die Kirchen und Privathäuser — den
kaiserlichen Palast, das Kloster des Prodromos, die neuere, mit
wunderbaren Mosaikbildern, die heute noch zu sehen sind, ge-
schmückte Mone tes Choras , mit ihrem berühmten Bilde der
Mutter Gottes, und die Wohnung des Protostrators aller Kost-
barkeiten wie : Stoffe, Teppiche, edle Metalle, Perlen, Edelsteine,
Bücher, die besonders teuren Einbände der Aufmerksam-
keit der hastig suchenden Eindringlinge empfahlen, und gewifs
nahm der Hof des Sultans bei dieser anarchischen Verteilung
den Löwenanteil. Viele wählten sich auch schon die Häuser,
in denen sie fortan an Stelle der getöteten oder geflohenen
Griechen zu wohnen gedachten.
Mohammed IL wollte seine kaiserliche Würde — nun war
er tatsächlich ein Kaiser! — nicht durch sein Erscheinen im
wilden Kampfe der häfslichsten Leidenschaften entweihen. Er
wartete an der nun weit geöffneten Pforte, vor der sein Zelt
zwei Monate lang gestanden hatte, während deren er sich in den
Besitz Konstantinopels geträumt hatte. Hier empfing er auch
die Nachricht, dafs der rumische Herrscher, der Melik des nun-
mehr den Gläubigen zugefallenen Istambul ^) , nicht mehr am
Leben sei. Nach dem Zeugnis des gleichzeitigen Chronisten
Dukas soll er im Augenblicke der Auflösung aller Bande und
des Erlöschens aller Autorität schmerzlich ausgerufen haben :
,,Gibt es niemand hier, um mir ein Ende zu machen?^)" Er
scheint im Gedränge erstickt worden zu sein. Erst später suchte
man auf Befehl des Sultans nach ihm ; endlich meldete sich ein
Türke , der künftige Pascha von Aidin , und sagte aus , er habe
i) Istambul = flg Ttjv ITöXtv, wie griech. Istachio (Escion-Tedaldi) =
Chics, Stalimene = Lemnos.
2) Ovx iGTi Tig Tüjv /QiaTcavöiv Tov kaßttv rrjv xtcpaltjf fxov an if^ov;
S. 286.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 0
34 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
auf einem Haufen Leichen an der erstbesetzten Pforte einen
Mann gesehen, der dem Kaiser Konstantin ähnlich war; man
begab sich dorthin und erkannte bald die purpurnen Schuhe,
die mit dem kostbareren Purpur des Märtyrerblutes bespritzt
waren , heraus. Der Kopf wurde abgeschnitten und noch am
selben Tage auf der Säule des Augusteons aufgepflanzt, wo
er bis abends blieb ^), um allen Griechen dadurch kundzutun,
dafs sie keinen Herrscher mehr besäfsen und nun im Sultan ihren
Beschützer und Basileus zu erblicken hätten. Nach einigen Tagen
wanderte der abgeschnittene Kopf in einer kostbaren Büchse
von einem mosleminischen Herrscher zum anderen, um allen
den Sieg Mohammeds , besser als jedes andere Zeugnis es ver-
mocht hätte, bekanntzugeben. Der Platz , wo man den Körper
begrub, wenn man ihn nicht einfach ins Meer warf, ist unbekannt
geblieben.
Nach drei Tagen '■'), als die für die Plünderung vorgesehene
Zeit verstrichen , als einige Strafsen gesäubert waren , die ge-
sättigten, zufriedenen und ermüdeten Türken sich in ihren Lagern
oder auf den ihnen angewiesenen Posten befanden und die leeren
Kirchen keine türkischen Soldaten mehr in sich bargen , hielt
der neue Kaiser, mosleminischen Glaubens, in einfacher Weise
seinen Einzug. Er ging durch die öden Strafsen, wo kein Mensch
zu sehen war^), geradeswegs zur Sophienkirche, die er durch
sein Gebet in eine Moschee verwandelte. Er trat zum Altar und
verrichtete auf dem Stein des heiligen Tisches seine Andacht
an Allah, der Segen spendet und Sieg verleiht ^).
Der Podestä von Pera, von Saganos ermuntert, hatte Babila
Pallavicini und Marchione de' Franchi, angesehene Mitglieder der
Kolonie, mit einem Dolmetscher an Mohammed geschickt, um
für sich und die Seinigen , die gegen die Osmanen öffentlich
nicht gekämpft hatten , obgleich die Soldaten von Chios , die
neuen aus Genua angekommenen Baiistarien , viele Bürger und
i) Dukas S. 300. 2) Montaldo.
3) OtTf üv&owTiog, ovth XTfjvog , ovt' ÖQvtov xQUvyduov i] }.ak€iv Ivtös;
Dukas S. 302.
4) Dukas S. 299.
Eroberung Konstantinopels. 35
sogar der Neffe des g-enannten Podestä unter den Verteidigern
Konstantinopels gewesen waren '), Schonung zu erflehen ^). Ihre
Stellung war die von Christen, die sich nicht widersetzen und
dadurch Schutz ihrer Person und Achtung ihres Eigentums und
der von ihnen bewohnten Häuser beanspruchen dürfen. Sie
wurden ihnen denn auch durch einen kaiserlich türkischen Briefe)
feierlich aus Adrianopel gewährt, nachdem sie seitens des Sul-
tans schwere Vorwürfe für ihr zweideutiges Verhalten , das die
Einnahme Konstantinopels so lange verzögert habe, hatten hin-
nehmen müssen. Doch wurden die Mauern zum Teile nieder-
gerissen ; der Turm Santa Croce hatte dasselbe Schicksal. Alle
Waffen mufsten abgeliefert werden, und der Sultan drohte, dafs
er auch die Habe der entflohenen Bürger, die nicht zurück-
kehren würden, für seine Khasna einziehen werde, weshalb der
Podesta sich beeilte, dieselben unverzüglich durch ein nach Chios
geschicktes Schiff zurückzurufen ^). Ein ,, Sklave" wurde zum
wirklichen Verwalter bestellt; die Autorität des Podestä erkannte
man nicht mehr an, und ein protogero mit vier gewählten
Bürgern übte von jetzt an die Gerichtsbarkeit in Pera ^).
Was die Schiffe betrifft, so gingen die fünf Galeeren des
toten Kaisers in den Besitz seines Nachfolgers über ; auch einige
der fränkischen Schiffe wurden zur Beute geschlagen. Aber die
meisten venezianischen, kretischen und manche genuesischen Fahr-
zeuge — darunter die , die den bald darauf in Chios ^), wo er
auch begraben liegt , verstorbenen Giustiniano , fortführten — ,
benutzten die Stunde der Verwirrung und des Siegesrausches,
i) „Notices et extraits" XI \ S. 74 — 79.
2) Dukas S. 297.
3) Siehe diesen Akt, in griechischer und italienischer Sprache, im Archiv von
Genua, Oriente (1410—830) in ZorzoDolfin, in der Handschrift Bibl. Marciana,
lat. cl. XIV, c. 267, fol. 24 vo; vgl. Zinkeisen II, S. 26 Anm. i; Hammer I,
Anhang, S. 675 ff. ; auch in mehreren anderen Handschriften.
4) Brief des Podestä in „Notices et extraits" XI ', S. 74 — 79; vgl. Dukas
s. 313-
5) ,, Notes et extraits" H, S. 293.
6) Am 15. September beschäftigt sich die genuesische Regierung mit seiner
Hinterlassenschaft; Archiv von Genua, Lett. 18, fol. 428, no. 1791. Vgl. Dethier-
Hopf m, S. 813, Anm.
3*
36 Erstes Buch. Erstes Kapitel.
um zu entkommen. Auch hatten zahlreiche lateinische und selbst
griechische Bürg-cr Konstantinopels darauf mit ihren Reichtümern
Zuflucht g-esucht. Unter den Flüchtling-en, die sich auf einfachen
Booten und in türkischen Kleidern als gemeine Reisende zu
retten unternahmen, war auch der russische Isidor, der lateinische
Patriarch Konstantinopels, und sein Genosse, der mitylenische
Metropolit Leonard, die wirklich entkamen, während der unglück-
liche Osmanenspröfsling Urkhan entdeckt und unverzüglich ge-
tötet wurde ^).
Als Friedensbrecher aber und erklärter Feind der kaiser-
lichen Majestät wurde noch am Tage der Eroberung der vene-
zianische Bailo Girolamo Minotto geköpft, und wie es gewöhn-
lich mit Staatsverbrechern gehalten wurde, mufsten ihm auch
sein junger Sohn und sieben Venezianer in den Tod folgen ^).
Auch der katalanische Konsul, seine zwei Söhne und einige
Kaufleute wurden unter demselben Vorwande hingerichtet. Dem
einflufsreichen griechischen Megadux und eigentlichen Leiter der
Angelegenheiten in Konstantinopel in den letzten Jahren, Lukas
Notaras, der vom Volke oxrjlri Pcof-iaitov, die ,, Säule der Griechen" ^),
genannt wurde und sich während des ganzen Verlaufes der Be-
lagerung nicht hervorgetan hatte , weil er seinem Herrn aus
religiösen Gründen grollte, schien Mohammed verzeihen zu wollen.
Aber einige Stunden darauf fiel der mächtige christliche Wesir,
wahrscheinlich infolge der Bemühungen byzantinischer Feinde,
und sicherlich nicht, weil er dem betrunkenen Sieger den ver-
brecherischen Mifsbrauch seiner zwei Söhne verweigerte *) , mit
diesen durch das Beil des Henkers ; vielleicht auch wollte der
Sultan sich dadurch die reiche Hinterlassenschaft des konstan-
tinopolitanischen Magnaten sichern.
Von allen griechischen Behörden liefs der neue Herrscher
nur die Vorstadtvorsteher im Amte. Da er aber durch eine
i) Dukas S. 300 — 301 ; Chalko k ondy las S. 398; Sommern in „Notes
et extraits" I*, S. 311. Nach Kritobulos hätte er sich, um einem solchen
schändlichen Lose zu entgehen, von der Höhe der Mauer herabgestürzt.
2) Vgl. auch „Notes et extraits" P, S. 288—289.
3) Pusculus in Dethier-Hopf III, S. 144.
4) Wie Dukas S. 302 — 305 vorgibt.
Eroberung Konstantinopels. 37
von ihm anerkannte Autorität mit seinen christlichen Untertanen
in Verbindung treten und vor allem durch ihre Vermittlung' den
Kharadsch erheben wollte, so bedurfte er auch des Patriarchen ;
hatten die Türken doch stets in eroberten Städten den Bischöfen
und Metropoliten alle gerichtlichen Privilegien, manche Einkünfte
und einen Teil ihrer ehrenhaften Stellung gelassen. Mohammed
hatte kein Interesse, das hierarchische Gefüge der christlich ortho-
doxen Kirche zu lockern ; im Gegenteile sah er in ihr ein aus-
gezeichnetes instrumentum regni, eine alte ihm und seinen
Zwecken sehr nützliche eiserne Organisation , die in manchen
Beziehungen die in der Staatseinrichtung noch vorhandenen Un-
vollkommenheiten ausgleichen konnte. An den flüchtigen Isidor,
den Agenten des Papstes , den die Bevölkerung hafste , dachte
jetzt niemand mehr. Aus seiner Mönchszelle, wo er in der
letzten Zeit so viele Besuche empfangen hatte, dafs er gewisser-
mafsen als der verborgene Führer der rechtgläubigen Orthodoxie
erschien, wurde Gennadios Scholarios ins kaiserliche Quartier be-
rufen und zum Patriarchen ernannt. Er speiste mit dem neuen
Basileus und erhielt von ihm ein Ehrenkleid, ein kostbares
ÖEKaviÄiov. Mohammed begleitete ihn bis in die Mitte des Hofes;
auf einem kaiserlichen Pferde ritt er dann nach Hause zurück.
Statt der mosleminisch gewordenen Hagia Sophia wurde ihm
die Kirche der Heiligen Apostel mit dem Grabe Konstantins und
den Reliquien der Heiligen Andreas, Lukas, Timotheus, Spiridion
und Margarete ^) angewiesen, und als auch diese durch den
darin erfolgten Tod eines in der Halle aufgefundenen Türken
profaniert worden war, siedelte Gennadios in das schöne Gebäude
des Pammakaristos ^) über. Er konnte sich durch die ihm
genehmen, in seiner Nähe residierenden Metropoliten konsakrieren
lassen. In Wahrheit aber war er durch die Gnade des neuen
Basileus mosleminischer Religion Patriarch geworden, und dies
war das Entscheidende. Die oberste geistliche Macht für Griechen
i) Pilgerreise in Cod. mon. lat. 8501, fol. 79; Ducange, Const. christiana,
B, S. 105 ff.
2) Siehe Phrantzes S. 304 ff. Nach Kritobulos wäre der künftige
Patriarch erst später unter den Sklaven in Adrianopel gefunden und Ende 1453
auf den Stuhl erhoben worden.
S8 Erstes Buch. Erstes Kapitel. Eroberung Konstantinopels.
und morg-enländische Christen hatte den neuen Zustand der
Ding-e vorbehaltlos anerkannt; das Volk und die meisten Griechen
gehorchten dieser Macht, so dafs also schon im Anfange der
neuen Ära jeder Keim einer Opposition seitens der neuen Unter-
tanen und Kharadschpflichtigen erstickt war ^).
Nachdem er dann den alten verdächtig-en Khalil , den be-
rüchtig-ten Gönner der Giauren , Giaur-Ortak , verdrängt , beraubt
und gefangen nach Adrianopel geschickt hatte ^), ohne vorläufig
jedoch den Mut zu haben, diesen greisen verdienstvollen „Lala"
seiner Jugend zu töten ^) , ernannte Basileus Mohammed einen
gewissen Soliman zum Subaschi von Konstantinopel. Er hatte die
Mission, die Stadt zu säubern, deren Amter ins türkische System
zu übertragen und türkischen Beamten anzuvertrauen, und die
Bevölkerungsverhältnisse durch Zurückführen der früheren , ge-
flohenen Bürger, sowie innerhalb dreier Monate durch Kolonisation
der privilegierten mosleminischen Elemente zu ordnen. Ein Kadi
hatte die Pflichten eines Richters zu erfüllen. Nur 1500 Jani-
tscharen wurden als Besatzung zurückgelassen *) , viele Asapen
und Sklaven aber in den leeren Häusern angesiedelt. Die
Glocken, die Grjj^iavTyjQia , eiserne Platten, an die mit einem
Hammer geschlagen wurde, um die Gläubigen herbeizurufen,
verbot man. Zunächst richtete der Sultan dann am 18. Juni
seinen Weg nach Adrianopel, wo er seine Residenz nahm ^).
i) Die Rechte des Patriarchen in Gerichtssaclien wurden auch Venedig gegen-
über im neuen Vertrage garantiert; Barbaro, Ausg. Cornet; z. J. 1454. Vgl. auch
das Zeugnis in der Chronik Dolfins: „sei prende citade, quella lassa in sua lege".
2) Brief des Podestä a. a. O., S. 77.
3) Phrantzes S. 293—294; Kritobulos; Chalkokondylas S. 406.
4) Brief des Podesta von Pera; Seadeddin II, S. 165.
5) Siehe die schon oft angegebenen Quellen, besonders Dukas S. 313 — 314;
Pusculus S. 169. — Kritische Darstellungen der Eroberung Konstantinopels sind
von Mordtmann (1858) und von Vast in der „Revue historique" 1880, ge-
geben worden. Vgl, auch Krause, Die Eroberungen von Constantinopel im 13.
und 15. Jahrhundert (1870); Vlasto, Les derniers jours de Constantinople (Paris
1883); Paspatis, IIoXiOQxla xal tikwaig rijg KiavaTccvTivovnöktwg vnö xBv
'O&tüfidvoiv iv hu 1453 (Athen 1890); L. Fincati im „Archivio veneto"
XXXII, S. I — 36; vgl. Pastor I, zweite Ausgabe, S. 500 und Anm. 2, 3; Mordt-
mann, Esquisse topographique de Constantinople, Lille 1892.
Zweites Kapitel,
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels.
Nach vier Tagen Meerfahrt gfelangten die aus Konstantinopel
flüchtig-en Schiffe in den Hafen von Neg^roponte und fanden hier
den eben angekommenen Loredano mit seiner mächtigen Flotte
vor, die nun freilich nichts mehr ausrichten konnte *). Die päpst-
lichen Galeeren waren bereits ohne Befehl umgekehrt, wofür ihre
fünf Kapitäne dann vor Gericht gestellt wurden ^).
Aber erst gegen Ende Juni wurde die Unglücksnachricht in
Venedig durch die Galeere Sommaripa und dann auch durch
die zurückgekehrten Schiffe des Viagium Roman ie bekannt,
wo manche Mitglieder der herrschenden Klasse und viele Leute
aus dem Volke in qualvoller Erwartung sich um das Schicksal
ihrer in der eroberten Stadt befindlichen Verwandten und Freunde
sorgten. Noch viel trauriger war die Hiobspost für Genua, das
so viele seiner besten, reichsten und fähigsten Söhne im nun
verlorenen Konstantinopel, in dem vom Sultan beschlagnahmten,
mit ungewisser Rache bedrohten Pera hatte. Auch in Rom
machten die ersten Briefe auf den alten , von den besten Ab-
sichten beseelten Papst Nikolaus einen tiefen Eindruck. In allen
Handelsstädten und an den Höfen aller christlichen Fürsten er-
regte der Fall des einst so mächtigen und blühenden Byzanz
Bestürzung und Trauer.
Zugleich setzten flammende Ermahnungen das Abendland
von den ehrgeizigen Absichten des Siegers in Kenntnis und ver-
i) Zorzo D o If i n.
2) Cronicon F. 33 der k. oft". Bibl. zu Dresden, fol. 114 v".
40 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
langten unverzüg-liche Hilfe. Selbst erfahrene Politiker, die
der Katastrophe des 29. Mai entgangen waren, ein Isidor, ein
Leonard von Chios, der venezianische Kapitän des Meeres, spra-
chen ebenso wie die italienischen Kaufleute und Schüler von
den eiligen Vorbereitungen des Sultans, der auf nichts weniger
sinne, als sich der Inseln des Archipelagus zu bemächtigen und
vielleicht auch seine Stellung im Schwarzen Meere und an der
Donau dadurch zu befestigen, dafs er Cafifa und das genuesische
Dominium der Krim, dann Trapezunt, Silistrien, Belgrad und
Semendria seinen Besitzungen einverleibte. Der Grofsmeister
der Johanniter fürchtete für den Frühling einen Angriff auf seine
Insel *), und der König von Zypern verlangte gleichfalls vom
Capitaneo Generale Schutz für sein Reich ^). Im September be-
suchte ein Gesandter des zyprischen Königs viele italienische
Höfe und Städte, um Hilfe gegen die Türken zu heischen^).
Der neue heidnische Basileus Neu-Roms habe , schlofs er , in
stolzen, prahlerischen Worten seinen brennenden Wunsch ge-
äufsert, das ehrwürdige alte Rom den Händen der Priester zu
entreifsen, in osmanischer Form das Imperium unicum wieder-
herzustellen und den Titel eines ,, neuen Alexanders" zu recht-
fertigen *). Das türkische Heer wurde auf 200000 Mann geschätzt,
und nach denselben voreingenommenen oder allzu furchtsamen
Kundschaftern hätte die Flotte an 200 Fahrzeuge, darunter 24
grofse Galeeren, viele Galioten und Boote und eine grofse Menge
von Transportschiffen, gezählt ^).
Nun begannen also die Vertreter des Humanismus als rhe-
torische Naturen, die an dem aus den besten klassischen Quellen
ausgewählten lateinischen Material ihre Freude hatten und keine
i) Sein Brief in Rinaldi, z. J. 1453; ^'" anderer Mrief desselben an den
Prior von Deutschland in der Handschrit 3520 der Wiener Hofb., fol. 29 — 30;
derselbe Brief und ein dritter Cod. lat. mon., 19697, fol, 127 ff.
2) Archiv von Venedig, Sen. Secr. 19, fol. 210.
3) Priorista, Bibliot. Magliabecchiana zu Florenz XXV, 379 und andere;
vgl. Commenaoriali XIV, S. 121 — 122; 15. Jannar 1454 (== Ausg. Predelli V,
S. 83, Nr. 272).
4) „Et asserit maxime et notabilissime se esse facturum et velle alterum esse
Alexandrum"; Archiv von Venedig, Sen. Secr. 19, fol. 216 v°,
5) Ebenda.
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels. 41
Gelegenheit vorübergehen hefsen , ohne dem Kreise der ge-
schulten Kundigen heftige Reden im Stile eines Cicero oder
schöne Beschreibungen nach dem Vorbilde eines Livius vor-
zutragen , ihr Wehegeschrei , ihre prophetischen Ermahnungen,
ihre donnernden Verwünschungen, wie ihre künstlich ausgeklügelten
Projekte zu verbreiten. 145 1 schon hatte derselbe Philelphus,
der nach der Einnahme Konstantinopels ziemlich demütig und
schmeichlerisch an Mohammed schreiben sollte , um die Frei-
lassung einer Verwandten von ihm zu erlangen, in einem schönen
Elaborat von einem dreifachen Angriff auf den Sultan, durch die
Ungarn im Norden, durch P>anzosen , Italiener , i\lbanesen und
die überschätzten Kräfte der moreotischen Despoten im Westen,
und endlich durch eine vereinte europäische Seemacht unter
dem obersten Befehle König Karls VII. von Frankreich, ge-
sprochen ^). Der Domherr Timoteo von Verona rief zum hei-
ligen Werke Venezianer und Genuesen , den condottiere Gia-
como Piccinino ^), Carlo Gonzaga, den mächtigen Sforza^), die
reichen Florentiner und alle italienischen Fürsten auf. In
demselben Sinne klagte und ermahnte auch der Deutsche
Benedikt von Kreyburg ^). Der berühmte Kardinal Bessarion,
der Führer der griechischen Unierten, beweinte in einem Briefe
an den Dogen von Venedig das Los seines Konstantinopels,
dieses ,,gymnasium optimarum artium" und machte sich an-
heischig zu zeigen, wie leicht die überhandnehmende osmanische
Macht zu brechen wäre ^). Andere folgten diesen Beispielen :
i) In dem Cod. lat. mon. 5333, fol. 25 ff. Auch in D ethi er-Ho p f III.
Über die Niederlassung des Philelphus in Venedig, Sen. Terra 4, fol. 135 vo.
2) Vgl. Florentiner Archiv, Strozziane, serie prima iii, fol. 115: ann. 1455:
er sei bereit, die Türken zu bekriegen.
3) Wiener Hofb., ms. 3210, fol. i — 6 v-o ; gedruckt in Pez-Huebcr, Codex
diplomatico -historico-epistolaris, Augsburg - Graz 1729. III, S. 367 — 368; vgl.
Maffei, Verona illustrata II, S. 519. Eine andere Handschrift in der Univ.-
Bibliothek von Bologna, ms. 182, fol. 122 vo und ff.
4) Wiener Hofbibliothek, ms. 3520, fol. 34ff. ; cod. mon. lat. 27063, fol. ggff. ;
gedruckt in Pez-Hueber III (V. Bd.), S. 362—367.
5) Cod. lat. monacensis 5333, fol. 77 voff. Siehe auch eine Predigt an-
läfslich des Falles Konstantinopels in der Leipziger Univ.-Bibliothek , ms. 940.
43 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
zwar wurden die gfekünstelten Phrasen nach Mög-lichkeit ver-
ändert, aber die Gedanken blieben dieselben : g-rofsartig-, unprak-
tisch und eitel.
Während die Gelehrten, mit Opuskeln über die ,, Theologie
Mahommeds" und ,,den Stammbaum des osmanischen Hauses"
versehen ^) , sich mit solchen mehr oder weniger glänzenden
Übungen beschäftigten, während die östlichen Christen sich mit
Klagen, alten prophetischen Zeilen 2), mit Erzählungen, die ge-
wöhnlich einen starken Zusatz von Phantasie enthielten, trösteten,
während die Abendländer naive Legenden erfanden, worin von
einem unglücklichen Kaiser, einem verräterischen Sekretär und
den siegreichen Ränken des Teufels die Rede war ^) , während
hier und da endlich mit Entrüstung der falsche Schmähbrief
Mohammeds, des ,, Nachfolgers und Rächers Rektors und anderer
Trojaner", an den Papst, als den ,, Vikar des von den Juden ge-
kreuzigten Jesus", wie auch, durch Aneas, des Cäsar selbst, ge-
lesen wurde *), fanden die Realpolitiker in Italien und der päpst-
liche Hof, der den ganzen Umfang seiner Pflicht sehr wohl
erkannte, keine Mittel, um das Geschehene zu rächen oder wieder
wettzumachen. Als der venezianische Ermahnungsbrief, ein
Meisterstück der Schreibkunst •^), in Rom ankam, waren sich so-
wohl der Empfänger als die, die ihn zum Heiligen Krieg an-
spornten, bewufst, dafs die italienischen Verhältnisse und der
lombardische Krieg, der ihr natürliches Ergebnis war, keine
Eine griechische Predigt des Metropoliten von Lesbos, Dorotheos, in BvC-
Xqovixcc XII.
i) Mailand, Bibl. Ambrosiana, R. 113, fol. 181 ff., 205 ff.; od. lat. mona-
censis 14668, fol. i ff.
2) Wien, Hof bibl. , cod. hist. LXXX — LXXXI: TaCra rä yQKfxixKTtt tvQi-
d-r)ac(v tig fivTjUiiov fxitQfiuQtviov toD Tii(f>ov Tov MfydXov KwvaravTivov usw.
3) Hdschr. 1327 der Universitätsbibliothek zu Leipzig; Wiener Hofb. 12880,
fol. 265 f.; eine Skizze in „Notes et extraits" P, S. 332 ff.; ein falscher Brief des
angeblichen Patriarchen Samuel von Konstautinopel im „Archiv des Vereins für
siebenbürgische Landeskunde" II, S. 156 ff.
4) Exemplar in Florenz, Bibl. Magliabecchiana II, 4, 109, fol. 97 vo bis 99;
vgl. cod. lat. monac. 3507, fol. 353 V. Vgl. auch Münchener Hof bibl., Cod.
lat. 4689, fol. 146 und Bauer, Der Türkenschreck in Europa, Breslau 1877.
5) Auch in der Bibl. Magliabecchiana VIII, 1282, fol. 40 vo.
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels. 4S
Intervention auf dem Grunde des allg-emeinen Friedens Christi
zuliefsen. Zwar sahen bei einer Audienz im November, als sich
der Heilige Vater öffentlich über die türkische Gefahr ausliefs,
die florentinischen Gesandten, die den italienischen Frieden ver-
mittelten ^) , Tränen in den Augen des im tiefsten Herzen ver-
wundeten Greises ^). Aber nicht allein der Schmerz, sondern vor
allem das Gefühl gänzlichen Unvermögens zu helfen , machten
ihn weinen. Er mufste sich damit begnügen, dem Kardinal von
Fermo, wie auch dem von S. Angelo •^), die Mission zu übertragen,
den König von Neapel und seine Gegnerin Florenz, dann auch
Venedig und Mailand im Interesse des Friedens und der heiligen
Sache aufzusuchen''). Bald erfolgte von Neapel, bei dem die
Entscheidung stand, in der Tat eine günstige Antwort: ein Frie-
denskongrefs in Ankona schien bevorzustehen ^). Viele glaubten,
dafs wenigstens ein Waffenstillstand auf fünf Jahre zustande kommen
werde ^). Auch legte der Papst der ganzen Christenheit eine
Kriegskontribution auf, aber freilich fand sich wenig Bereitwillig-
keit, solche Opfer zu bringen. Die Kardinäle sollten den Zehnten
ihrer Einkünfte entrichten. Im Sommer des nächsten Jahres
wurde ein dritter Prälat, Erzbischof Jakob von Ragusa, zum ,, päpst-
lichen Kommissar für die Flotte gegen die Türken" ernannt').
Er kam wirklich nach Venedig, um hier die längst angekündigten
fünf Galeeren des Heiligen Stuhles auszurüsten; aber, trotz jahre-
langen Hinziehens, blieb die Mission resultatlos. Nach vielen
Bemühungen konnte der Papst endlich am 25. Februar feierlich
den in Neapel zwischen den Republiken und den Tyrannen der
Halbinsel geschlossenen Frieden verkündigen ^).
i) Archiv von Genua, Lib. Div. 57.
2) „Notes et extraits" II, S. 502.
3) Archiv von Mailand, Bolle e Brevi, busta XXXVIII.
4) Archiv von Venedig, Sen. Secr. 19, fol. 206 vo.
5) 3°- Jiili ; ebenda fol. 208 vo bis 209.
6) Robert de Marceliis an den Herzog von Mailand; Korn, 11. Sep-
tember ; Mailänder Staatsarchiv.
7) Rinaldi, z. J. 1453 — 1454, und ., Notes et extraits" II, S. 30; Archiv
von Venedig, Sen. Secr. 19, fol. 205: 18. Juli 1453.
8) Archiv von Mailand, Sez. istorica, Autografi Pontefici.
44 Erstes Bucli. Zweites Kapitel.
Genua hatte nichts vom Sultane zu verlangen und betrachtete
sich nicht als im Krieg-e mit ihm befindlich *). Giustiniano wurde als
ein Söldling- des verstorbenen Kaisers ang'esehen; Pera hatte nicht
öffentlich die Partei der Griechen erg-riffen. Nur traf man g-e-
leg-entliche Mafsreg^eln im Interesse der in die Metropolis zurück-
gekehrten Peroten und einig^er Personen, die seitens der Türken
besonders g-elitten hatten. Einen Aug-enblick, im September,
wurde die Idee einer Gesandtschaft an den Sultan ventiliert ^).
Aber erst Ende Oktober ^) wurden, besonders um Caffa zu retten,
die Gesandten erwählt. In deren Instruktionen war vorg"esehen,
dafs die Republik keinen Tribut zu zahlen g-eneigt sei, weil Caffa
tmd die anderen Besitzungen im Schwarzen Meere nicht zum
griechischen Reiche gehört hätten^). Das war alles, wozu die
Einnahme Konstantinopels die vorsichtigen und durch vieles Un-
glück gewitzigten Genuesen vermochte ^). Denn die Republik
erinnerte sich noch im Juli der feindlichen Absichten des Königs
von Neapel *') und seiner Katalanen , wie auch der Ränke ihrer
Verbannten, der Fuorusciti ^).
Seinerseits wollte auch Venedig, trotz aller schönen Ver-
heifsungen, die es bei jeder Gelegenheit zu verbreiten nicht er-
mangelte, keine Feindseligkeiten gegen den mächtigen Sultan
unternehmen ^) und beschränkte sich darauf, in Negroponte,
Phittleon, Ägina, Modon, Lepante, sogar Skutari und anderen
i) Vgl. den Brief des Niccolo Soderini an den Herzog von Mailand
(Mailänder Archiv, Genova, bis 1455): „I Genovesi non anno perduto in Levante
nuUa col Turcho, et vuole buona pace coUoro : di che egliono sono tutti di buona
voglia et molto allegri" (14. August 1453).
2) Archiv von Genua, Lett. 18, fol. 422, no. 992.
3) Divers. Filze 20; 23. Oktober.
4) Filze C. : „ Duo articuli in instructione data legatis missis ad regem
Turcorum : , Si vero rex ipse aut sui ullum sermonem facerent de censu seu tri-
buto propter Capham et alias terras Maris Pontici persolvendo, voluraus respon-
deatis nos non fuisse miratos si pro terris que quondam fuerunt sub imperio
Grecorum Excellentia Sua tributum aliquando petiit'." Vgl. unten, S. 53.
5) Siehe „Notes et extraits" I-.
6) Archiv von Genua, Lib. Div. 57: 10. — 13. Juli.
7) Lib, Div. 57.
8) Einige türkische Schiffe wurden aber von Loredano gekapert ; Cod. it
monacensis 527, fol. 503.
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels. 45
bedrohten Kolonien Verstärkung'en und Ausbesserungen vor-
zunehmen ^). Auch bHeb Loredano andauernd in den Gewässern
der Levante stehen und kaperte einig-e Piratenboote. Die Re-
pubHk fafste den Beschlufs, 14 — 16 neue Galeeren sottili, dann
noch weitere 20 zu erbauen^). Das Viagium Romaniae
wurde für das Jahr verboten ^). Die falsche Nachricht der Er-
oberung- von Negroponte war angekommen *). Um Mohammed
zu beg'ünstig'en, g'ing- die Sig"noria so weit, oder fiel vielmehr so
tief, dafs sie die Tragödie ihrer nach der Einnahme Konstanti-
nopels hingeschlachteten Bürger wie ungeschehen hinnahm. Schon
am 12. Juli, als kaum die ersten Tage allgemeiner Trauer vorüber
waren ^), befahl sie Marcello, trotz der Ereignisse die angetretene
Reise an den Hof des Sultans fortzusetzen; er solle die Be-
teiligung von Venezianern an den konstantinopolitanischen Wirren
damit entschuldigen, dafs die Republik nichts davon gewufst und
noch weniger sie veranlafst hätte; und da der Sultan sich auf
eine höhere Machtstufe erhoben habe, dürfte ihm der Gesandte
eine Erneuerung des Friedens unter entgegenkommenderen Be-
dingungen anbieten. Nur der Schmach des Kharadschs, der
Stellung eines Tributpflichtigen, möchte die Signoria um jeden
Preis ausweichen; im übrigen sei sie bereit, unter dem Titel eines
,,cotimo" — cotimus mercantiarum — 3000 bis 5000 Dukaten
jährlich zu bezahlen, besonders wenn der Sultan in die Zession
der Inseln Lemnos, Imbros, Samothrake ,,jenseit der Meer-
engen", die dem Kaiser gehört hatten, willigen wolle. Auch
den Zoll von 2 Prozent auf alle Einfuhr und ebensoviel auf die
Ausfuhr ist sie geneigt anzunehmen, nicht minder die richter-
liche Kompetenz des Kadis in gemischten Streitsachen zwischen
1) Archiv von Venedig, Sen. Mar 4, fol. 199 ff. : 4. bis 12. Juli; 3, fol. 2 vo :
9. bis 14. August usw.
2) Ebenda fol. 2 (9. August) und auch die folgenden; Sen. Terra 3, fol. 75 vo,
77 vo bis 78; Sen. Secr. 19, fol. 210 vo bis 211.
3) Sen. Mar 5, 6 vo bis 7.
4) Not. Coli. 17, 7.
5) Am 5. wurde dem Gesandten Befehl erteilt, vorläufig noch in Negroponte
abzuwarten; Sen. Secr. 19, fol. 203 vo. Am 9. November war er dorthin
zurückgekehrt , um den Winter zu verbringen ; Brief der dortigen Offiziere nach
Kreta ; Duc. e lett. ric. Q 26.
46 Erstes Bach. Zweites Kapitel.
Türken und Venezianern oder venezianischen Untertanen ^).
Dennoch zog" sich der Abschlufs des Friedens in bedenklicher
Weise hin, und im Dezember wurde höchste Gefahr als vor-
liegend erklärt und äufserste Mafsregeln zur Verteidigung' ge-
troffen. Am 23. April 1454 aber liefs sich Mohammed endHch
herbei, Frieden zu schliefsen. Darin wurden die früheren Klau-
seln bekräftigt, aber zugleich durch neue, die im schon an-
gegebenen Sinne den Handel und die Nachbarschaftsverhältnisse
regelten, ergänzt; vom Kharadsch und der damit zusammen-
hängenden Frage der byzantinischen Inseln war jedoch nicht darin
die Rede ^).
Übrigens hatten die Venezianer im Hafen von Gorigos, der
sich im Besitze des Grofskaramanen befand und für den Handel
mit Seide, Krmz (rote Farbe) und ,,ramina" (Alaun) bequem lag,
einen Ersatz für den von Konstantinopel in Aussicht genommen
und deswegen eine Gesandtschaft geschickt ^).
Vergebens sandte Venedig Anfang 1454 den Negropontiner
Niccolö Sagundino an den König von Aragonien. Zwar folgte
man seiner schönen lehrreichen Sposizione in Neapel mit
grofsem Interesse; aber Alfonso, der sich von Kaiser Konstantin
schon seit langem Lemnos erbeten hatte ^) und Beziehungen zu
den sich jetzt ruhig verhaltenden Albanesen unterhielt, deren
Land er gern besetzt hätte ^), liefs sich zu keiner gemeinsamen
Tätigkeit überreden. Er verfolgte lediglich seine traditionelle
Politik im Osten, indem er dem wieder in Tätigkeit getretenen
Skanderbeg, den der König seinen ,,capitanio de armi" nannte,
Raymund Orrofas als ,, Vizekönig" mit einigen Truppen zu Hilfe
i) Cornet im Anhange des „Diario Barbaros"; vgl. auch Ljubic X,
S. I3ff. ; Sindicamenti II, fol. 69 vo.
2) Commemoriali ; Auszug in dem Werke von Frede 111, Libri Commc-
moriali V, S. 91 — 92, nr. 288. Auch in Greta, Ducali e lettere ricevute, Q. 26,
sind die „capitoli da novo contrati et conclusi" zu finden. Eine Verteidigung
der venezianischen Politik von 1453, i" '^^^ Rede des Bernardo Giustiniani beim
Begräbnisse des Dogen Foscari; cod. lat. XI, 9 der Bibl. Marciana, fol. 42 vo.;
gedruckt in Orazioni, elogi e vite scritte da letterati veneti I.
3) Sen. Terra 3, fol. 78; 14. September 1453; Greta, Ducali 27, fol. 2.
4) Phrantzes S. 327.
5) Vgl. auch „Notes et extraits" II, S. 45 f Vgl. oben S. 28.
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels. 47
schickte ^). Eigentlich war dies ein Akt der Feindschaft geg-en
Venedig", denn Skanderbeg hatte schon im JuH kriegerische Ab-
sichten gegen den Bailo von Durazzo zu erkennen gegeben ^)
und erst im Herbste sich eines Besseren besonnen ^). Übrigens
hatte der Fall Konstantinopels den jungen Helden von Kroia
so sehr gedemütigt, dafs er schon daran dachte, auf veneziani-
schen Schiffen über Alessio nach Italien zu fahren und Rom und
Neapel zu besuchen •*). Auch zu einem gewissen ,, Lancelothus
de Macedonia" unterhielt der König Beziehungen^). Zu einem
energischen Vorgehen aber konnten den König auch die Gesandten
des Grolskaramanen, die ersten, die in Europa erschienen, nicht
bestimmen •'). Der im Oktober 1453 in Neapel weilende türkische
Prätendent Daud, der getauft war, erhielt als fremder Fürst die
üblichen Geschenke ''), und dem Konstantinopolitaner Flüchtlinge
Demeter ,,Calapa" und ,,dem griechischen Dichter Theodor"
wurde keine gröfsere Aufmerksamkeit zuteil ^). Denn Alfons
hatte auf einem anderen Gebiete, gegen die Moslems von Dscherbe,
Tunis und Tripolis bessere Gelegenheit, seinen christlichen Eifer
zu bezeigen, und tat dies in glänzenden, ritterlichen Zügen, die
von den Zeitgenossen bewundert und besungen wurden ^).
Inzwischen empfing Mohammed, während sein konstantino-
politanischer Subaschi an dem Bau des neuen Palastes, der heute
den Namen Eski-Sarai, ,,das alte Sarai", trägt und verdient,
arbeiten liefs ^^), in Adrianopel die Gesandten aller christlichen
i) „Notes et extraits " II, S. 45 f.
2) Sen. Mar fol. i v».
3) Ebenda fol. 6 vo; Ljubic X, S. 17.
4) Ljubic X, S. 18.
5) Handschrift des Francesco Tranchedino, Wiener Hof bibliothek 2398.
6) „Notes et extraits", II, S. 51.
7) Ebenda.
8) Neapeler Archiv, Esecutoriali 1442 — 1460, fol. 345 v« bis 346 vo, 431 vo
bis 433; Hopf II, S. 125.
9) Siehe Gaspari Pelcgrini, Historia Alphonsi primi, Aragonuni, Neapolis
regis, Handschrift der Neap. Nationalbibliothek IX, 22, fol. 49 voff. Über eine
serbische Gesandtschaft an den König „Notes et extraits" II, S. 53. Sie wurde
durch die Sendung Giunio de Gradis erwidert.
10) Dukas S. 317—318; Kritobulos.
48 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
Mächte der Balkanhalbinsel und des Archipelagus , Trapezunts-
und der Insel Rhodos. Jetzt war er nicht mehr der frühere
„Grofsherr und Emir", sondern, wie seine Medaillen ihn nennen,
der ,,g-rofse König ganz Romaniens und Anatoliens", 6 f.i[eyag\
f-iEXiKr^g Ttäor^g Po/Liav[iag] 'Aal AvatoXf]g ') oder ,,Asie et
Gretie Imperator", wie ihn auf einem anderen bronzenen Bilde
der italienische Künstler Constantius betitelt ^). In dieser seiner
neuen Eigenschaft hatte er dem ägyptischen Sultan 200 junge
Gefangene aus der in Konstantinopel gemachten Beute übersandt,
imi ihm durch diese lebendige Probe die grofse Eroberung an-
zukündigen; mit einem ähnlichen Geschenk beehrte er auch
einen anderen der älteren mosleminischen Regenten, den König
von Tunis. An beide erging zugleich der Vorschlag, die Sache
des Islams fortan mit vereinten Kräften zu fördern ^). Auch be-
glückwünschten ihn die mosleminischen Vettern zu seinem Sieg
durch spezielle Gesandte *). Selbstverständlich war all dies für
den Augenblick nur leere Form : der Soudan sah in Mohammed
nur den ,,wohlgebornen Melek-el-Nasr Mohammed, den Sohn
des grofsen Murad-beg, des Sohnes Osmans"^), und erkannte
ihm keineswegs die vom Eroberer schon zugesprochene Superio-
rität an ; im Gegenteil erteilte er ihm wegen seines Betragens
gegen den König von Zypern eine ,, scharfe Rüge" ^).
Den Genuesen in Anos , Chios und Lesbos und den Grie-
chen auf den kleineren Inseln, sowie den moreotischen Despoten —
die eine bei der Nachricht von der Katastrophe in Konstantinopel
ausgebrochene allgemeine Revolte der Albanesen unter Peter dem
Lahmen , der die Venezianer und sogar die Türken zu Hilfe
i) Dethier-Hopf III, S. 950, Anm.
2) Siehe auch Thuasne, Gentile Bellini et Sultan Mohammed II, Paris 1888.
3) Nach einem Briefe des venezianischen Capitano del Mar , 30. September,
in Sen. Secr. 19, fol. 216 vo.
4) Kritobulos; vgl. cod. it. monacensis 90, fol. 5 ff .
5) „Eccellentissimo Emelcar Enasar Mahomet, figliulo del gran Morambach,
figliuolo di Ottomane"; weiter unten: „il signore Elmachar Hassari, figliuolo
d'Ottoraano".
6) „Ammonitioni grandi"; ebenda, November 1453.
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels. 49
berief, zu bekämpfen hatten — , wurde ein höheres Kharadsch auf-
erlegt ^). Die Despoten zahlten jetzt loooo, Chios 6000 Dukaten
(vo/Aia/xaTa) jährlich, Lesbos 3000^).
Doch wurden sie für die erhöhten Leistungen in der Art
entschädigt, wie die Venezianer es gewünscht hatten, um den
verlangten cottimo zu zahlen. Einige Tage nach dem Falle
Konstantinopels hatten die Einwohner der letzten byzantinischen
Inseln, Lemnos, Imbros und Thasos, nachdem ihre vom Kaiser
ernannten Befehlshaber auf italienischen Fahrzeugen sich ge-
flüchtet hatten, ihren Metropoliten und den schlauen, verständigen
Schreiber Kritobulos an den Admiral Hamza nach Gallipolis ge-
schickt, um ihre vollständige Unterwerfung anzubieten. Der Sultan,
davon benachrichtigt, hielt es nicht für nötig, einen moslemini-
schen Subaschi in dieses Thema des Archipelagus zu entsenden.
Vielmehr wurde die ausgedehnte Insel Lemnos, die Residenz des
Metropoliten , mit zwei Städtchen , sechs Burgen und hundert
Dörfern, ebenso wie Thasos, gegen eine Tributerhöhung bis
2325 Dukaten^), Dorino, dem Herrn von Lesbos, dessen Sohn
am Hofe des Herrschers weilte , überlassen. Der andere Gatti-
lusio, der in Anos seinen Stuhl hatte, erhielt für 200 Du-
katen*) Imbros, das eine kleine „civitas", fünf Schlösser
und nur 20 Dörfer umfafste ^). Man sieht, dafs Mohammed auf
dem Meere nur dreierlei erstrebte : den Ruhm des alten Alexander,
den Reichtum eines Dschingis-Khan und die sichere und be-
queme Regierungsart desselben.
i) Sen. Secr. a. a. O. ; Sen. Mar 5, fol. 12 vo; für die Albanesen siehe
Sathas I, S. 215 — 217. Am 28. September beratschlagte man in Venedig über
die moreotischen Angelegenheiten; Sen. Terra 3, fol. 80. Am 17. Oktober wurde
Niccolo de' Canali auf die Halbinsel geschickt; Sathas I, S. 217. Der Kardinal
Isidor bot den Venezianern seine Vermittlung zum Zweck einer Versöhnung mit
dem Despoten an; Sen. Mar 5, fol. 13; 11. Dezember 1453. Siehe auch Sen.
Terra 3, fol. 92 vo. Besonders Chalkokondylas S. 407.
2) Dukas S. 314—315.
3) Dukas S. 328. 4) Dukas ebenda.
5) Kritobulos. Die Beschreibung der Inseln im Traktate „Terre hodierne
Grecorum et dominia secularia et spiritualia ipsorum", im Jahre 1436 geschrieben;
in dem cod. monacensis lat. 18298, fol. 115 ff.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. *
50 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
Während die verschiedensten und schreckUchsten Gerüchte
über seine Absichten, seine unersättliche Ländergier, seinen Durst
nach christlichem Blut im westlichen Europa umg^ingen , blieb
Mohammed so den ganzen Sommer in seiner alten Residenz zu
Adrianopel, mit dem Empfange feierlicher Botschaften beschäf-
tigt. Erst gegen Ende des Jahres zog er wieder nach Pera,
dann nach Konstantinopel, wo er am 24. Dezember seinen Ein-
zug hielt. Khalil aber war nicht mehr an seiner Seite; der Al-
banese Saganos war ebenfalls in Ungnade gefallen; auch seine
Frau , die Tochter des Mazuls , hatte der Sultan fortgeschickt :
beiden waren Ländereien in Asien zugewiesen. Der einzige
Mann, der jetzt Einflufs auf den Herrn hatte, war der Gemahl
einer anderen Tochter des Saganos , der Grieche Mahmud , ein
Sohn Milhaloglis und Enkel des Archonten Philaninos von Hellas,
ein Mann, der neben persönlicher Tapferkeit die geistigen Eigen-
schaften seines Stammes im höchsten Grade besafs ^).
Mohammed sah sich die Arbeiten an seinem neuen Palaste,
der mit allen seinen Anlagen und den prachtvollen Gärten im
Umfange nicht weniger als acht Stadien messen sollte , und die
an den byzantinischen Mauern vorgenommenen eiligen, aber auch
groben Reparaturen an. Die entweihten Kirchen wurden so weit
instand gesetzt, um als Moscheen benutzt werden zu können,
und die meisten Wandmalereien und Mosaiken wurden schonungs-
los mit Kalk übertüncht; beim Kloster Manganai siedelten sich
Derwische an ; im Pantokrator arbeiteten jetzt türkische Schuster,
und manche der kleineren Gotteshäuser wurden der bleiernen
Dächer entkleidet, um für die Wohnung des Sultans Material zu
liefern ^).
In Gallipolis wurde eifrig unter der Aufsicht des neuen
Wesirs an der Vergröfserung der Flotte gearbeitet und so die
Meinung erweckt, dafs ein künftiges Unternehmen des Eroberers
der grofsen Insel Negroponte gelten werde ^).
i) Besonders Kritobulos. Vgl. auch Ch alkokondy 1 as S. 403 — 404.
Über die Ankunft des Sultans in Konstantinopel siehe den Brief aus Venedig an
Antonio de Merliano, undatiert, im Archiv von Mailand, Venezia.
2) Dukas S. 317 — 318.
3) Brief an Antonio di Merliano.
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels. 51
Aber die gleich zu Beg-inn des Frühling-s 1454 auslaufende
Flotte war gegen die in der Nähe liegenden Inseln gerichtet, ohne
das verfolgte Ziel zunächst erkennen zu lassen. So schickte der
Herr von Lesbos, um Schonung zu erwirken, durch den Chronisten
Dukas, dem wir auch die Angabe verdanken, an den Sultan das
Kharadsch und ein Geschenk — im ganzen 6000 Dukaten — ,
schöne Stoffe und reichen Mundvorrat ^).
Hamza , der noch immer Admiral war , nahm endlich vor
Chios mit 180 Schiffen Stellung (29. Mai). Da die Maona dem
Sultan letzthin 40 000 Dukaten, die einem Genuesen gehörten,
streitig gemacht hatte, behandelte Hamza die Insel feindlich und
zerstörte die Weingärten in der Umgebung des Hafens S. Isidoro;
die Stadt Chios selbst aber war gut befestigt und eine Flotte von
20 Schiffen stand zur Verteidigung bereit. Die von den Ein-
wohnern geschickten Unterhändler — darunter Quirico Giusti-
niano — • wurden fortgeschleppt. Die türkischen Schiffe erschienen
dann vor Rhodos, in dessen Hafen viele grofse Kriegsschiffe
lagen ^) ; dann wurde auf der kleinen Insel Langos und vor Kos,
die den Johannitern gehörte, geraubt. Nach einem Aufenthalt von
22 Tagen gingen die Türken wieder zu Schiff, ohne eine Besatzung
in den Schlössern Kos und Racheia zurücklassen zu können. Weil
Hamzas Unternehmung fast kein Ergebnis aufzuweisen hatte
— Chios hatte aber 20000 Dukaten bezahlt — -, wollte ihn der
Sultan , der seinem Vorgänger Baltioglu die Niederlage unter den
Mauern des griechischen Konstantinopels verziehen hatte, köpfen
lassen ^) , verwies ihn aber schliefslich als Befehlshaber von Sata-
lieh nach Asien *).
Zugleich mit diesem militärischen Besuche im Archipelagus
ordnete Mohammed einen weiteren im Schwarzen Meere an, nicht
i) Dukas S. 321 — 322.
2) Dukas; genuesische Mafsregeln für die Verteidigung der Insel im Archiv
von Genua, Div. 57: 14. Juli 1453.
3) Kritobulos.
4) Dukas S. 321 f. Interessante, präzise Nachrichten, die mit denen des
Kritobulos nicht immer übereinstimmen. Wichtige Nachricht in Vigna, Co-
dice diplomatico, I, S. 300 ; vgl. S. 353 — 354.
4*
53 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
sowohl um den dortigen g-enuesischen Kolonien seine unmittel-
bare Suzeränität aufzudringen, als vielmehr in der Absicht, die
alten Nachbarn den Umfang seiner Macht fühlen zu lassen.
Durch ein im November getroffenes Abkommen hatte Genua
seine euxinischen Besitzungen dem Banco di S. Giorgio über-
tragen, um so jedem Risiko zu entgehen '). Trotzdem hielt sich
die Republik für verpflichtet, für ihre hier in der Ferne an-
gesiedelten Bürger am Hofe des Sultans ein Wort einzulegen.
So wurden denn im März 1454 zwei Gesandte abgeschickt, um
die künftige Stellung Caffas und der umliegenden Ortschaften
zum osmanischen Reiche mit Mohammed zu regeln.
Sie erreichten nichts. Einer genuesischen Herrschaft im
Schwarzen Meere arbeitete der tatarische Khan entgegen, der
sich bis dahin kaum je an den osmanischen Sultan gewendet
hatte, dessen Superiorität ihm, dem Nachfolger Timurs und
Dschingis-Khans , dem von Polen , Russen und Rumänen ge-
fürchteten ersten Giraiden , sehr wenig genehm war. Hadschi-
Girai wollte Caffa für sich selbst haben ; dafür war er aber bereit,
dem Sultan die ganze Beute, die Sklaven eingerechnet, zu über-
lassen. Die Behörden Caffas beeilten sich zwar, den Khan durch
eine Erhöhung des Karadschs um 600 sommi günstig zu stim-
men. In allen genuesischen Häfen und ebenso in Monkastro
an der Dnjestrmündung, das sich im Besitz des schwachen
moldauischen Fürsten Petru Aron befand, wurden Vorkehrungen
zur Abwendung der Gefahr getroffen. So war, als die 56 bis
60 Fahrzeuge zählende Abteilung der osmanischen Flotte unter
Timur-Khodscha, dem Stellvertreter des im Archipelagus be-
schäftigten Kapudan-Bascha, erschien, alles in gutem Vertei-
digungszustande. Die Türken statteten dem Hafen von Mon-
kastro einen Besuch ab , sie besetzten für kurze Zeit Se-
bastopol und griffen am 13. bis 14. Juli, aber nicht allzu ernstlich,
Caffa selbst an. Auch auf dem Strande Gotiens, wo in Mangup
oder Theodoroi ein christlicher Fürst mit dem tatarischen Namen
Olobey herrschte , wurde Beute gesucht. Noch im Sommer
waren auch diese Schiffe nach Gallipolis zurückgekehrt, nachdem
i) S. auch „Notes et extraits" P, S. 290, Anm.
Die nächsten Folgen der Eroberung Konstantinopels. 53
sie die neue Macht des Sultans Mohammed glänzend kundg-etan
hatten ^).
Endlich wurde im März 1455 von den Vertretern Cafifas ein
Vortrag- abgeschlossen; die dortigen Genuesen verzichteten auf
Samastro, das im geheimen dennoch befestigt wurde , und ver-
pflichteten sich, 3000 Dukaten als Kharadsch an die kaiserliche
Khasna zu entrichten ^). Mohammed hatte acht neue Bombarden
am Bosporus aufgestellt und gab dadurch kund, dafs er das Do-
minium des Schwarzen Meeres behalte.
UmMonkastro und das an den Mündungen der Donau gelegene
Chilia vor weiteren türkischen Angriffen zu sichern und das Recht,
seine moldauischen Fischer auch weiterhin auf dem Meere segeln
zu lassen, zu behalten, mufste auch Petru Aron dem wiederholten
Befehle des Sultans Folge leisten und schweren Herzens sich
zur Zahlung eines jährlichen Kharadschs von 2000 ungarischen
Gulden verpflichten. Das Privilegium des Sultans , das einzige
Dokument dieser Art, das uns überliefert worden ist, ist von
,,Sarkhanbeglie" (Sarukhan-beg-Ili) datiert, am 5. Oktober 1456,
als Mohammed schon von der Belagerung Belgrads zurückgekehrt
war und sich augenblicklich in Asien befand ^).
i) Belgrano in „Atti della societä ligure" XIII, S. 261 fif.; Vigna, Codice
diplomatico I, S. 86ff., I02ff., i3off., 136, 139 — 140, 351; vgl. Wolkow, Vier
Jahre aus der Geschichte der Stadt Kaffa, in den „Abhandlungen der liter. Ge-
sellschaft" von Odessa (russisch) YIII, S. 109 ff. ; meine „Chilia §i Cetatea-Albä"
2) Hurmuzaki IP, S. 670 — 671 ; Rykaczewski, Inventarium, Paris 1862,
S. 139; vgl. S. I3ff. ; vgl. „Chilia gi Cetatea-Albä" S. 119 — 120. Vgl. auch die
Arbeit von Giurescu, Capitula^iile Moldovei cu Poarta Otomana, Bukarest,
1908, S. 5 4 ff.
3) Vigna I, S. 112 f., 255 f., 269, 284 f. usw.
Drittes Kapitel.
Erste Kämpfe Mohammeds II. an der Donau, gegen
Serben und Ungarn. Eroberungen im Ärchipelagus.
Der Sultan selbst hatte für die Unternehmung'en im Ärchi-
pelagus kein allzu grofses Interesse übrig: noch dachte er nicht
an die Thalassokrateia, die unbestritten den damals schon mit ihm
versöhnten Venezianern und den Genuesen, die keine Feinde für
ihn waren, gehörte. Als er sich nach Asien begab und nach dem
gröfsten Erfolge , den jemals ein Osmanenfürst errungen hatte,
Brussa, die alte ehrwürdige Residenz seiner Vorfahren, aufsuchte,
als er sich am Anblick des friedlich schlummernden Asiens er-
freute, durften die Nachbarn wieder hoffen, dafs auch der ge-
fürchtete Nebenbuhler eines Alexander des Grofsen nach einer
gröfseren Anstrengung wie andere Menschen Ruhe brauchte ').
Aber in Wahrheit war Mohammed schon entschlossen, den
alten rührigen serbischen Despoten, der die Interessen Ungarns
und die Hoffnungen auf die Wiederbelebung der christlichen
Herrschaft auf der Balkanhalbinsel vertrat und wegen seiner lang-
jährigen Erfahrung und seines vorsichtigen Verfahrens besonders
zu fürchten war, aus seiner gesicherten Stellung zu verdrängen,
wenn nicht sogar ihn zu vernichten. Ein anderer Beweggrund
gesellte sich dazu : ganz Serbien war in der ersten Periode der
Regierung seines Vaters Murad eine osmanische Provinz geworden,
und nur dem siegreichen Eingreifen Hunyadys hatte Georg Branko-
witsch die Wiedergewinnung des gröfsten Teiles seines Gebietes
zu verdanken; so hatte Mohammed einigermafsen die Pflicht,
i) über die asiatische Reise, Kritobulos, II, § 9.
Erste Kämpfe Mohammeds II. a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 55
diesen Verlust seines Vaters wieder gutzumachen. Besonders
lockten ihn die reichen Bergwerke von Novobrdo , die dem
Despoten die Mittel lieferten, seine Unternehmungen durchzu-
führen, sowie der Besitz der grofsen Heer- und Handelsstrafse,
die vom ungarischen Belgrad durch die Länder Brankowitsch',
die ihr ihren Reichtum verdankten, über Philippopolis weiter nach
dem den Osmanen gehörigen Konstantinopel führte.
Am 1. August 1453 waren serbische Gesandte vor dem
siegreichen Sultan erschienen und hatten ihm das neuerdings
verlangte höhere Kharadsch von 12 000 Dukaten überbracht.
Man empfuig sie gut und erlaubte ihnen, viele der in Konstanti-
nopel erbeuteten Christen, besonders Mönche und Nonnen, los-
zukaufen und in Freiheit zu setzen ^). Georg war damals haupt-
sächlich mit Eroberungsprojekten am Adriaufer beschäftigt : durch
die mit dem bosnischen ,,Herzeg" geschlossene Allianz — der
Sohn Stipans, Wladislaw, mit dem Vater endlich versöhnt, hatte
vielleicht eine Verwandte Georgs geheiratet ^) — fühlte er
sich gestärkt; die Serben griften den im venezianischen Dienst
stehenden Tschern ojewitsch an ^). Venedig besorgte neue ser.
bische Fortschritte in dieser Zenta, deren Besitz der kluge Georg
vor anderen schätzte. Noch mehr. Dem Sultan einen höheren
Tribut zu entrichten, um sich dann frei, vielleicht sogar mit os-
manischer Hilfe in der Fremorje ausdehnen zu können, war für
den Herrn der Bergwerke von Novobrdo gewifs kein grofses
Opfer. Er glaubte sich auch durch den, dank seiner diploma-
tischen Geschicklichkeit 145 1 zwischen Osmanen und Ungarn
abgeschlossenen dreijährigen Waffenstillstand, der bis 1454/55
hätte dauern sollen, vollauf gesichert.
Mohammed leitete, im Sommer 1454, den Angriff persönlich.
Seine Absicht war diesmal nur, das Feindesland in seiner ganzen
Ausdehnung zu durchkreuzen und zu verwüsten. Viele Tausende
wurden auf schnellem Zuge gefangengenommen und als neue christ-
i) Dukas S. 315.
2) Vgl. Klaic S. 389 — 390.
3) Ljubic X, S. 19—23.
56 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
liehe Bürger nach Konstantinopel geführt. Die ihm entgegenge-
schickten Reiter des Despoten, der in Semendria eingeschlossen
war — ein Venezianer, der Hunyady besuchte, spricht von 9000
Mann — , wurden leicht zurückgeworfen. Mohammed kam nach
Ostrowitza-Siwrihissar, wo viele Reichtümer desBrankowitsch hinter-
legt waren, und nahm das Schlofs ohne grofse Anstrengungen ein.
Das grofse Heer, das aus den Janitscharen und den europäischen
Spahis Karadscha-begs bestand, ging dann weiter und erblickte
nach einigen Tagen die hohen ausgedehnten Mauern Semendrias
an der Donau vor sich. Hier gelang es dem Sultan ziemlich
leicht, die äufseren Werke und die ganze unbefestigte Vorstadt
einzunehmen. Doch war es zu spät, um eine förmliche Belage-
rung zu beginnen.
Um im Oktober wieder in Adrianopel zu sein und nicht,
weil er die päpstlichen, aragonischen und burgundischen Rü-
stungen gegen Konstantinopel gefürchtet hätte, liefs der Sultan
den Rückzug antreten. Die Serben verzeichnen den Einfall
Mohammeds, die Verwüstung des Landes, die Einnahme Ostro-
witzas in ihren Annalen und fügen hinzu, dais der ,,Bascha"
Karadscha nach der Abreise seines Herrn einen eigenen Raub-
zug unternommen habe ^). Dagegen hat die osmanische Reichs-
chronik nur eine kurze Erwähnung dieser Vorgänge ^). Denn
kein neuer Glanz umstrahlte diesmal die osmanischen Wafifen.
Der serbische Krieg sollte vielmehr noch einmal beginnen ^).
Während dieses nicht gerade ergebnisreichen Versuches
Mohammeds gegen Serbien dauerte die ewig vergebliche Be-
l) n.liHII KhCJIHHG II CKOEQJIHHKa HlIKO.IS OyXBaTII; Bogdan,
Ein Beitrag, S. 523. Nach Seadeddin hätte der Despote dadurch den Krieg
hervorgerufen, dafs er den Weg nach Usküb geschnitten hätte.
2) Zink eisen II, S, 73, Anm. 2.
3) „Serbischer Janitschar." Weil dieser Zug so wenig bekannt ist, wird
folgende Stelle aus einem Briefe des Antonio Guidobono an den Herzog von Mai-
land Interesse erwecken (Archiv zu Mailand, Venezia, 142 1 — 1456): „... De novo
non c'e cossa veruna, salvo chel Turcho era venuto verso le parte de Valachia e del
despoto de Rassa cum grande zente. El quäle despoto , credendo voiesse cum
dexordine, cum alchune zente, circha persone VIII j™, andö per assaltarli. Ma trovo
Erste Kämpfe Mohammeds II. a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 57
mühung- der christlichen Mächte fort, in ItaUen und im Reiche
Frieden herzustellen , um dann mit vereinten Kräften diesen
jjNabuchodonosor " nach Asien zurückwerfen zu können.
Am St.-Georg'stage des Jahres 1454 fand, den Ermahnungen
des päpstlichen Legaten , Johann von Castiglione , des Bischofs
von Padova ^), zufolge, in Regensburg der erste Reichstag zur Be-
sprechung der Kreuzzugsangelegenheit statt. Der grofse Humanist
und Phrasenmacher Aneas Sylvius , der Kardinal Piccolomini,
ein feuriger Vertreter der kämpfenden christlichen Idee, ein be-
geisterter Verteidiger des Rechtes des alten klassischen Bodens,
vor barbarischer Entweihung bewahrt zu werden, und aufserdem
ein Kenner der Verhältnisse im deutschen , ungarischen, pol-
nischen und rumänischen Osteuropa, schilderte in schönen Wor-
ten — bewunderte ihn seine Zeit doch als den Meister der Rhe-
torik — den Zustand der Christen in dem von den ,, heidnischen
Hunden" überschwemmten Orient und predigte die Union aller
Gläubigen, den Kreuzzug unter der Fahne des Heiligen Römischen
Stuhles und des Heiligen Römischen Reiches. Und die Herzöge
von Burgund und von Bayern, der Markgraf Albrecht von Branden-
burg, Dr. Ludko, Domherr von Gnesen, als Vertreter des pol-
nischen Königs Kasimir, die Gesandten der Herzöge von Sa-
voyen und Österreich, des Deutschen Meisters und einiger Fürst-
lichkeiten im Reiche lauschten der Rede mit Vergnügen, ohne
li Turchi bene in ordine et hebe la pezore. Ne remassero prexi et morti la piu parte
d'essi Ungari. Poy chel predetto Turcho sente chel papa, la Maiestate del R^ d'Ara-
gona et Ducha de Bergogna andaveno o vero mandaveno alchuna possanza verso Con-
stantinopoli, deliberö de retornare indireto per provedere ad decta citade Constan-
tinopoli. Et cossi retornö cum una parte de sue zente piü utille. Li altri sono
restati ad danni del predicto dispoto e de' Valachi. II Biancho sla la vicino ad
la guarda del Danubio, aspeta grande exercito de Ungari, quali non porano
meterse inseme, Ime non sia facto el raccolto, quäle serä facto ad kaiende
d'agosto. Queste sono novelle portate per uno Venetiano, persona intendente,
partito dal Biancho da XVIII di in qua." — Die Kämpfe um Semendria werden
nur in dem Briefe Hunyadys an den Kaiser — Fejer, Genus Joiiannis Corvini,
S. 202 ff. ; auch in Hurmuzaki II*, S. 47 — 48 — erwähnt: „captaque exteriori
civitate Zendero, obsidens circumvallavit."
i) Vgl. auch cod. monacensis 1586, fol. 3853.; cod. lat. monacensis 9503,
fol. 354 — 356 yo. ; vgl. cod. 940 der Leipziger Universitätsbibliothek.
58 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
sich g^erade davon überzeugen zu lassen. Der Kaiser hatte auch
den französischen König- eing-eladen '). Doch traf man Mafs-
reg-eln, um den Reichsfrieden auf fünf Jahre zu sichern, ein zahl-
reiches Heer für einen Dienst von drei Jahren zusammenzubring^en,
das „ die Türken aus Europa verjag-en sollte ". Die künf-
tigen Soldaten Christi — deren Anzahl auf 200000 berechnet
wurde — , sollten sich einer Kommission von drei Mitgliedern
vorstellen, um sich in die Heereslisten eintragen zu lassen; sechs
Provisores werden die Oberaufsicht haben. Bereits im Monat
April wurden die Truppen beordert, sich auf die Donau zu in Bewe-
gung zu setzen, und zugleich sollte eine italienische Flotte nach der
Levante segeln, um von Gallipolis und Lesbos aus den Versuch
zu machen, die Schiffe des Sultans zu vernichten. An den
Herzog von Burgund, der dem Kaiser schon 145 1 seine Neigung
zum Kreuzzuge bekundet hatte ^), und an den von Savoyen wollte
man Aufforderungen ergehen lassen und zugleich eine Allianz
mit Ragusa, ,, denen uss der Bulgary, den Albaneser, uss Dal-
macien, Croacien und den Sclaven oder Windischen", mit dem
,, Kaiser Trapesen, der ouch ein Christ ist", mit dem ,, Kunig
von Hyberny" und ,, dem Halden Caramannus, der sich gewiiget
hant wider den grofsen Türken", zu verwirklichen suchen ^). Der
Friede im Reiche sollte Weihnachten beginnen und fünf Jahre
dauern ; die Kämpfer für die Sache Christi sollten, wie in den Tagen
der alten Kreuzzüge, in ihrer Person und ihren Gütern geschützt
werden. T'inem neuen Tage, zu St. Michael (September), an dem
man in Frankfurt oder Nürnberg zusammentreten sollte, wurden
die näheren Bestimmungen vorbehalten *).
i) Cod. lat. monacensis 4143, fol. 105 vo ff. Ein Brief des Äneas Sylvias an
den berühmten deutschen Kardinal Nikolaus von Kues ; Graz, 21. Juli 1453 im
cod. lat. monacensis 27063, fol. 84. Vgl. auch Jahresbericht des steir. Land-
archivs I (1869), S. 56ff. und Hist. Jahrbuch der Görresgesellschaft XII, S. 351 ff.
2) „Notes et extraits" P, S. 342 ff. Vgl. die Memoiren von Olivier de
la Marche, Kap. xxix.
3) Über die venezianische Gesandtschaft der Giovanni Mocenigo an denselben
vgl. oben S. 15 und auch Archiv des Herzogs von Kreta, Ducali e lett. ricevute, Q. 28.
4) Cod. lat. monacensis 5333, fol. 97 — 100 vo ; 26604, f'^l. loff. ; 7384,
fol. 6ff. ; 27063, fol. 161 vo ; cod. germ. 1586; Nürnberger Staatsarchiv, Bündel
S. I, L. 79, N. 26a.
Erste Kämpfe Mohammeds II. a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 59
Viel häufiger noch als den Kaiser rief man den unmündig-en,
kaum fünfzehnjährig-en König Ladislaus von Ungarn in schöner
ciceronischer Prosa, in kunstvollen Versen, in langen Predigten
zur Erfüllung seiner christlichen Pflichten auf. Zu diesem Zweck
kam der dem Predigerorden angehörige Bischof von Caffa, der
soeben aus Klein-Armenien zurückgekehrt war und die Klagen
des Patriarchen Garabed, des nationalen Oberhauptes ^), und die
der vier Erzbischöfe der unierten Armenier mit sich brachte. Auch
der Bischof von Padua erschien am Hofe von Ofen ^). Und
italienische Dichter verherrlichten in Hunyady, im ,, Jannes Panno-
nius", den künftigen Rächer des Kreuzes^).
Im Laufe des Jahres 1453 aber hatte der alte Held andere
Sorgen : er wollte seinen älteren Sohn Ladislaus verheiraten und
schrieb an die Venezianer nicht in Sachen der Wiedergewinnung
des kaiserlichen Konstantinopels , sondern um Edelsteine , die
die Braut schmücken sollten und für die die Republik garantieren
mufste. Ende des Jahres beabsichtigte er, anderer Zwecke halber
mit einem Geleite von 400 Reitern und Fufssoldaten nach Italien
zu gehen *). Phrantzes versichert, dafs er 1453 das Diplom habe
schreiben lassen, durch das Hunyady, falls er Konstantinopel
entsetzen wolle, — wenn nicht Selymbria — Mesembria überliefert
würde ^). Ohne Erfüllung dieser Bedingung habe er den Bedrängten
nicht helfen wollen ^).
Im Februar 1454 aber wufste man in Genua von einem grofsen
Plane des gröfsten Türkenfeindes ^) ; es hatte eine Einladung zu
i) „Carebetb, generalis omnium Armenorum, et patriarche Vagsciabat"; cod.
lat. monacensis 3520, fol. 34 ff.
2) Cod. lat. monacensis 5333, fol. 39. Ebenda Antwort des Bischofs Johann
von Grofswardein.
3) Gedichte von Basinius, Franciscus Durantis Fanensis, cod. IV
F 24 der Bibliothek von Modena; Prophezeiungen ungarischer Erfolge gegen die
Türken im cod. marcianus X, 299, fol. 7 2 ff.
4) Sen. Terra 3, fol. 69 vo, 86—87. 5) S. 326—327.
6) Im Winter 1452 fürchtete man einen türkischen Einfall in Siebenbürgen;
Kronstädter Archiv, Samml. Schnell II, Nr. 33.
7) „Vestrum laudabile in Teucros propositum et christiani nominis defensione
atque tutela"; Archiv von Genua, Divers. Filze 21; 21. Februar 1454.
60 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
dem Befreiung-skampfe erhalten und antwortete in schönen glatten
Worten, ohne etwas fest zu versprechen. Seit dem ii. Januar
tagte eine ungarische Reichsversammlung-, um über die Pflichten
des Donaureiches gegenüber der osmanischer Invasion zu berat-
schlagen. Der Beschlufs trug der aufserordentlichen Gefahr
Rechnung, ohne den alten Privilegien der Stände für die Zukunft
etwas vergeben zu wollen. Hunyady — der den noch in Böhmen
weilenden König in allen Zweigen der Regierung vertrat — wurde
zum Kriegshauptmann gewählt. Ein grofses Heer sollte zunächst
nach dem vom Kaiser Siegmund eingeführten Systeme aus den
Banderien, dann aus den Reitern und F'ufsleuten, die die Jo-
bagyen zusammenzubringen befehligt wurden ^) gebildet werden.
Schwere Strafen wurden für die vorgesehen , die dem Auf-
gebote nicht Folge leisten würden ^). Ladislas liefs, von diesen
Beschlüssen benachrichtigt, im März auch einen böhmischen
Reichstag über die türkische Frage beraten und erwirkte von
demselben das Versprechen, 6000 Fufsgänger und 1200 ge-
panzerte Ritter zu schicken ^).
SelbstverständHch wurden in Deutschland so wenig wie im
bedrohten Ungarn Mafsregeln für das Zusammenbringen des
Heeres getroffen. Ruhig konnte der Sultan seine militärische
Reise vom Archipelagus an die Donau ausführen. Die west-
lichen Christen nahmen davon keine Notiz ; sie dachten vielmehr,
wenn auch nicht sehr ernstlich, an den neuen Reichstag, der für
den 20. September nach Frankfurt zusammenberufen worden war.
Aber der Kaiser erschien auch hier nicht selbst; ,, andere
Angelegenheiten" hielten ihn zurück, und er liefs sich durch seinen
Reichsmarschall , durch den Kanzler Ulrich und andere Kron-
beamten vertreten; König Ladislas hatte seinen böhmischen
Kanzler und den Vizekanzler von Ungarn geschickt; für den
Papst waren Aneas Sylvius, der mit seiner gewöhnlichen, schönen
und edlen Beredsamkeit sprach , und der Bischof von Pavia,
1) Diese waren aber nicht verpflichtet, die Reichsgrenze zu überschreiten.
2) Cod. lat. monacensis 13 192, fol. 128 v" ff. Vgl. auch Fefsler II,.
S. 546, nach dem Corpus iuris hungarici.
3) Fe/sler a. a. O.
Erste Kämpfe Mohammeds II, a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 61
dem diese Versammlung-en zu verdanken waren, eing-etroffen ; die
anwesenden Deutschen waren zahlreich. Es wurde bestimmt, dafs
die Regensburg-er Beschlüsse in Kraft treten sollten. Den König
von Ungarn ersuchte man, mit den Türken keinen neuen Frieden
schliefsen zu wollen. Der Papst sollte im Einverständnisse mit
allen italienischen Mächten eine Flotte rüsten. Dem Könige von
Frankreich wollte man Vorstellungen machen, um ihn aus seiner
Gleichgültigkeit zu erwecken. Der Reichsfriede wird zwei Jahre
dauern. Um die letzten Vorkehrungen zu treffen , sollten der
Kaiser, der König von Ungarn, die beiden Kanzler des letzteren
und die Kurfürsten in Wien-Neustadt zu Anfang des neuen Jahres,
um Maria Reinigung, eine Zusammenkunft haben ^).
Bisher hatte Hunyady nichts gegen den kaiserlichen Friedens-
brecher unternommen. Erst nach dem Frankfurter Tage , als
der osmanische Befehlshaber des nördlichen Serbien, ,,Feriz-
begowitsch", der Sohn Feriz-begs, im schon von früher her den
Türken gehörigen Kruschewatz allein blieb , ging der Reichs-
hauptmann — weil es sich als unmöglich erwiesen hatte , die
grofse Armee zusammenzubringen — mit wenigen Reitern über
die Donau. Auch war gerade die dreijährige Frist des mit den
Türken geschlossenen Vertrags abgelaufen 2). Unter Krusche-
watz wurde der serbische Beg geschlagen und gefangenge-
nommen. Beim Rückzuge nahm dann Hunyady den Weg gegen
Vidin, um über Severin nach Ungarn zu kommen. Die mäch-
tige Donaufestung wurde auch angegriffen , aber ohne Erfolg ^).
i) Cod. lat. monacensis 5333, dann 26604, fol- 10 ff. Auch im Münchener
Reichsarchive, „Türkenhilff de 1446 bis 15 16".
2) Ein Brief aus Wien, nach den Angaben des ungarischen Kanzlers, bestätigt,
dafs in Ungarn vor dieser Zeit kein Reichskrieg beabsichtigt worden war : „ Isto
anno de regno Ungariae nullus apromptuaret se super Turcis : ita esse iam con-
clusum , sed ad annum proxime futurum , propter pacem cum ipsis Turcis per
gubernatorem initam"; Kronstädter Archiv, Samml. Schnell II, Nr. 12.
3) Vgl. den schon zitierten Brief an den Kaiser, sowie den an die sieben-
bürgischen Sachsen, Teleki X, S. 430; Keve, 10. August 1454. Vgl. auch den
undatierten ragusanischen Brief an den König von Aragonien — Archiv von Ragusa,
Lett. Lev., 1454 — 1460, fol. 262 vo. : „Quem gubernatorem castra posuisse contra
quoddam oppiduca Teucrorum in ripis Danubii nuncupatum Bdign. Intelleximus
63 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
Dennoch wurde der kurze Feldzug- Hunyadys von vielen als ein
grofser Sieg der Christen ang-esehen , und im November lobte
Rag-usa das Unternehmen als ein solches, das dem ung-arischen
Reichshauptmann ,, ewig-en Ruhm" bringen werde ^).
Der Despot hatte sich an dem Zuge nicht beteiligt. Denn
der alte Herr wufste nur allzu gut, dafs mit schönen ritterlichen
Taten nichts Dauerndes gegen die sicher vorwärtsschreitenden
Osmanen erreicht werden konnte ; er wufste aber ebenso , dafs
Goldmünzen für türkische Ohren einen guten Klang hatten.
Und, da Georg noch genug goldene Dukaten hatte, erbot er sich,
das Kharadsch bis zu 30000 Dukaten zu erhöhen, obwohl der
Sultan ihm ein umfangreiches und nützliches Gebiet, das er
zurückzufordern nicht den Mut besafs , entrissen hatte. Seiner
Bitte wurde gewillfahrt; ohne der früheren Gunst wieder teil-
haftig zu werden , durfte Georg wenigstens wieder in sein Se-
mendria einziehen, wo er sich am 19. November befand. Viel-
leicht hatte er damals schon Frieden mit Mohammed geschlossen ;
jedenfalls weilten seine Gesandten und die Hunyadys in jenem
Monate an der Pforte, um dieses Ziel zu erreichen. Das Er-
gebnis erwartete der Reichshauptmann, der keine Lust zum Kriege
auf eigene Kosten und eigene Gefahr mehr hatte , im stark be-
festigten Belgrad ^) , wohin er eine Heerschau der ungarischen
Kräfte im Winter anberaumt hatte ^). Denn man war auf einen
neuen rächenden Einfall des Sultans im Herbst oder Winter ge-
fafst; Hunyady hatte sogar die Nachricht bekommen, dafs Mo-
hammed nicht umgekehrt sei, sondern sich zwischen Pirot und
Sofia befinde *). Erst als die Donau nur so leicht fror, dafs das
quod oppidum commoditate loci et suis fortissimis meniis in rem ipsius magnanimi
gubernatoris futunis est si ipso potiri contigerit." Die Schlacht von Kruschewatz mufs
nach dem i. September gesetzt werden, weil sie in den serbischen Annalen dem
Jahre 6963 (i. September 1454 bis i. September 1455) zugeteilt wird. Siehe auch
die byzantinischen Chroniken — Dukas S. 315 — 317; Chalk okondylas
S. 414 und den Ungarn Thuröcz S. 265; besonders auch den oben gedruckten
venezianischen Brief.
1) „Dipl. Rag." S. 561; vgl. S. 556—557-
2) „Dipl. Rag." S. 557, 560, 565—568.
3) Ebenda S. 569; Teleki, a. a. O.
4) Sein schon zitierter Brief.
Erste Kämpfe Moliaiumeds II. a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 63
Eis nicht imstande war, den Feinden als feste Brücke zu dienen ^),
verschwand die Furcht vor einer blutig-en türkischen Rache für
die Herausforderung- Hunyadys.
Der Despot hatte mit den Türken bereits Frieden geschlossen,
als Hunyady in der Sicherheit, dafs die Reichsgrenze keinen An-
griff von Seiten der durch ihn beleidigten und geschädigten Os-
manen zu gewärtigen habe, von Belgrad aufbrach. Er ging zu
dem ungarischen Tage in Ofen , wo , wie auch gleichzeitig auf
der Reichskonferenz in Neustadt, die Mafsregeln für den grofsen
Zug gegen den Sultan getroffen werden sollten.
In Neustadt, wo sich, im Februar 1455, der Kaiser selbst ein-
gefunden hatte und auch aragonische und polnische Botschafter
eintrafen, die ersteren mit besonderem Luxusaufwande, um den Zug
ihres Herrn für den Frühling als sicher anzukündigen , sprach
wieder der berufene Vertreter der Kreuzzugsidee und land neue
künstlerische Mittel , um durch ,, eine schöne getzirde latteini-
sche Red", die doch etwas ,, erkältete Gemüt" mehrerer
hoher Herren zu erwärmen; besonders lobte er den treuen Sinn
des brandenburgischen Markgrafen Albrecht, den er ,,den
tewtzsch Achilles" nannte; in Anwesenheit der aragonischen und
burgundischen Gesandtschaften wies er auf die Macht des Reiches
hin , das allein imstande sei , einen grofsen Zug gegen die
Türken zur Ausführung zu bringen; er tat allgemein kund, dafs
Hunyady, der aus den Ländern seines Königs allein 40000 Mann
aufbringen zu können glaube, nur ebenso viele aus dem Westen
verlange, um das heilige Werk mutig in Angriff zu nehmen.
In demselben Sinne redete dann, auch in deutscher Sprache,
der kaiserliche Delegierte Ulrich Riederer. An Anerbietungen
mangelte es nicht. Aber schon stand der Kaiser im offenen
Konflikte mit den Fürsten seines Reiches, und so gingen die
Vertreter der Kurfürsten mit dem Erzbischofe von Trier nach
Wien, um sich bei dem König von Ungarn, der mit grofser
l) Vgl. die in Neustadt gehaltene Rede der ungarischen Gesandten ; Wiener
Hofbibliothek, ms. 3147, fol. 281 ff.: „Profecto nisi hyems solito levior Danubium,
qui illa ex parte nobis murus est, fragili admodum glacie astrinxisset, arderent
iam vici nostri, castella quaterentur, machinis urbes everterentur."
64r Erstes Buch. Drittes Kapitel.
Pracht dorthin gfekommen war, Rats zu erholen, was ,, wider des
Keysers Willen" war. Von den 72 Reichsstädten waren nur
ung-efähr 30 vertreten, ,,wan die Gehorsam", sagte der von Trier,
als Führer der Opposition, ,,were so kleyne". Es wurde
von derselben Seite der Furcht Ausdruck g-egeben, ,,das nye-
mant diessem Anslag uss dem Rieh nach kommen werde", weil
,,allenthalb im Reich Zwitracht und kein Frid" herrsche. Ver-
gebens wurde der Kaiser aufgefordert, ins Reich zu kommen,
um den Frieden wiederherzustellen. Vergebens erboten sich
die ungarischen Gesandten, den Krieg fortzusetzen, 20000 Krieger
zu bewaffnen und dem christlichen Heere Vorräte zu liefern ^) ;
man blieb schliefslich bei dem früheren Projekte stehen ^).
Seinerseits stimmte der ungarische Reichstag zu Ofen am
23. Februar 1455 für den Krieg gegen die Türken. Auch ein bur-
gundischer Gesandter, der alte Schwärmer Bruder Nikolaus aus
dem Predigerorden, hatte sich bei Hunyady eingefunden, um die
Bereitwilligkeit seines Herrn für den grofsen erlösenden Krieg
zu bezeugen; er glaubte mit Sicherheit, dafs der König von
Aragonien eine Flotte zusammenbringen werde ^).
Da starb am 24. März Papst Nikolaus. Auf die Nachricht
von seinem Hinscheiden wollte Kaiser P'riedrich nicht mehr vor
seinen politischen Gegnern in Neustadt erscheinen, sondern liefs
ihnen die Antwort zugehen, dafs durch dieses Ereignis und die
Unsicherheit in betreff der welschen Flotte alles bis zum Früh-
linge des Jahres 1456 aufgeschoben werden müsse. Mit man-
cherlei Aufserungen über diese Willensmeinung, aber im Grunde
recht zufrieden, zerstreuten sich dann Ende April die Mitglieder
der im Februar zusammengetretenen ergebnislosen Konferenz ^).
i) „Antea, propter indutias quas cum Turcis habebamus, non licuisset pugnare,
nunc autem, quando eas ultimus nuper clausit dies, libenter auxilium et operam
nostram pollicemur, ad postulata respondere promptissimi" ; Wiener Hofbibliothek
ms. 3147, fol. 281 ff.
2) Nürnberger Archiv a. a. O. 3) „Dipl. Rag." S. 572 — 573.
4) Nürnberger Archiv S. i, L. 79, Bd. V, Nr. 4: Bericht über die Verhand-
lungen in Neustadt. Ein Brief an König Karl VII. in den Wiener Registratur-
büchern K. , fol. 231 vO; 2. Mai 1455: „Necessarium sit hoc tempore nostro
contra Turchos arraa capessere, qui nostram religionem pessumdare nituntur." Vgl.
Teleki, X, S. 439—440.
Erste Kämpfe Mohammeds II. a, d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 65
Trotzdem der Nachfolger Nikolaus' V., Calixtus III, ein Spanier
von Geburt und ein berühmter Rechtsgelehrter und bekannter
Türkenfeind, gleich beim Antritt seiner Reg"iening, am 8. April,
feierlich schwor, dafs er keine Ruhe finden werde, bis er Kon-
stantinopel der Christenheit zurückgeben könne , und schon am
14. April dem ungarischen Könige seine Absicht, die Türken
aus Europa fortzujagen, kundgab ^), waren alle Vorbereitungen
für das Jahr 1455 dadurch lahmgelegt. Der Kaiser war der
Verpflichtung, sein Versprechen persönlicher Teilnahme am Zuge
zu erfüllen, entgangen. Schon am 23. April liefs er den Ge-
sandten des Königs von Ungarn durch Aneas Sylvius erklären,
dafs der Krieg erst im Mai 1456 beginnen könne, und zwar
unter einem noch zu erwählenden Hauptmanne , dafs er aber
selbstverständlich bei allen Fürsten sein kaiserliches Wort ein-
legen werde ^).
Zur Zeit dieses Verzichtes hatte Sultan Mohammed seinen
zweiten serbischen Zug bereits begonnen, ohne auf den ge-
schlossenen Frieden und die verheifsene Gnade Rücksicht zu
nehmen. Denn durch die ungarischen Vorbereitungen glaubte
er sich von seinem Eide und allen daraus abzuleitenden Pflichten
entbunden.
Im Frühlinge des Jahres 1455 waren die üblichen 50 000
Spahis Asiens und Europas unter Karadscha-beg und dem Begler-
beg Asiens bei Adrianopel, wo sich, von den kriegsbereiten
Janitscharen umgeben, Mohammed befand, versammelt. Das
Heer brach um den St. Georgstag der Christen, als die gewöhn-
liche Zeit für jede kriegerische Unternehmung der Osmanen,
auf. In sieben Tagen gelangte es bis zu dem ,, Lande Kon-
stantins " unter dem Hämusgebirge. Von Küstendil aus wurde,
statt des nördlichen Weges nach Sofia, der südwestliche geg-en
Kratowo eing-eschlagen. Hier wartete man auf den bosnischen
i) Vgl. Zinkeisen II, S. 6iff. und den erwähnten Brief im Nürnberger
Archive a. a. O. : ,,Ut illi ininianissirai hostes christiani Hominis non solum a
civitate constantinopolitana, quam nuperrime occupaverunt , sed a finibus Europe
penitus expellantur. "
2) Cod. lat. raonacensis 7384, fol. 6.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. O
66 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
Woiwoden, der in der letzten Zeit nicht wenig für die Aus-
dehnung' des Reiches getan hatte und auf seinen Zügen durch
das in Zwiespalt zwischen dem Könige und den Woiwoden
lebende Reich viele christliche Bauern — es wird von 1 1 ooo
gesprochen — in die Sklaverei geschleppt hatte.
Es scheint, dafs während der paar hier verbrachten Tage
einige serbische Grenzbefehlshaber sich erdreisteten, die nach
Lebensmitteln vorausgeschickten Akindschis zu überfallen und
zu züchtigen ; ein Zeuge, der unter den Janitscharen selbst diente,
versichert, dafs die Serben — die von Sitnitza waren besonders
zahlreich — einen wirklichen Sieg davongetragen hätten und nur
vor dem Eingreifen des Sultans selbst sich „ an die Gewässer
von Trepanja" zurückgezogen hätten ^).
Endlich erschien Isa-beg, der Sohn des grofsen Isak und
Markgraf der nordwestlichen Provinzen, und nun bewegte sich
das Heer weiter gegen das reiche Novobrdo, wo es am 25. Tage,
nachdem die Grenze überschritten war, anlangte ^).
Der Despot leistete auch diesmal so wenig wie 1454 offenen
Widerstand. Städte und Schlösser wurden möglichst mit Besatzun-
gen und Lebensmitteln versorgt, den Bewohnern auf dem Lande
der Rat erteilt, sich entweder in die befestigten Plätze oder in die
grofsen Wälder und ins Gebirge zu flüchten. Semendria, die neue
Hauptstadt des Reiches, war imstande, einer längeren Belagerung
Trotz zu bieten. Georg selbst nahm seine Gemahlin und Kinder,
wie auch einige Mitglieder seines Hofes mit und begab sich
über die Donau nach Ungarn , wo er in den südlichen Land-
schaften ausgedehnte Ländereien und starke Schlösser hatte.
Mit Hunyady seit langem versöhnt, wufste er, dafs ihm hier keine
weitere Gefahr drohe ^).
Nicht weniger als 40 Tage, während der Monate Mai und
Juni, dauerte die Belagerung Novobrdos, das Mohammed und
i) „Der serbische Janitschare." Doch schweigt die offizielle osmanische
Chronik, Seadeddin U, S. lyoff. , und ebenso der offiziöse Grieche Krito-
b n 1 o s sorgfältig darüber.
2) Die Zeitangaben bei Kritobulos, der das Itinerär des Sultans benutzt
zu haben scheint.
3) Die schon angegebenen Quellen.
Erste Kämpfe Mohammeds IL a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 67
den Seinig-en reiche Beute versprach, und der Sultan konnte ihr,
trotz ungarischer Prahlereien, ungestört obliegen. An einen
Entsatz war nicht zu denken. Nur durch den Geist ritterlicher
Aufopferung zog sich die Einnahme der Stadt hin. Erst Anfang
Juni betraten die Türken die berühmte Silberstadt ^). Es wurden
dann, wie gewöhnlich, ein Subaschi und ein Kadi zurückgelassen;
viele der zu Sklaven gewordenen Einwohner mufsten nach dem
entfernten Konstantinopel pilgern, um die neue Hauptstadt des
Reiches zu bevölkern. Nach einigen Tagen wurde auch das
bosnische Treptsche , das gleichfalls Bergwerke besafs , eine ra-
gusanische Handelskolonie beherbergte und im alten Patrimonial-
gebiete der Brankowitsch lag, eingenommen 2). Prisren und
Bichor in Zagorien ^) übergaben sich Karadscha , dem mit den
europäischen Asapen auf Raub und Verwüstung ausgeschickten
Beglerbeg Rums *). Bis zum Morawaflusse hin wurde das ganze
Land der unmittelbaren Autorität des Sultans unterworfen ^).
Wahrscheinlich im September zog endlich das ganze Heer
auf der Hauptstrafse über Sofia bis Kossowo aufwärts , dessen
berühmtes Schlachtfeld Mohammed schon einmal, als junger
Tschelebi, in der siegreichen Schlacht gegen Hunyady gesehen
hatte. Darauf befahl er den Marsch nach Saloniki, wo er zum
ersten Male einige Tage weilte, um sich dann auf dem Handels-
wege des Westens nach Konstantinopel zu wenden *').
Schon am 26. August 1455 hatte der vom Falle Novobrdos
und der Unterwerfung ,, jenes Teils von Mösien, welchen wir
Serbien nennen", benachrichtigte Doge Pietro di Campofregoso
von Genua an den neuen Papst geschrieben und ihm den Zu-
stand der christlichen Besitzungen im Archipelagus, die nun
i) „Dipl. Rag.'' S. 5S0: die traurige Nachricht erfolgt am ii. Juni, aus Ragusa
geschickt.
2) Seadeddin II, S. 473. Der „serbische Janitschare" ist hier in Novobrdo
gefangengenommen worden, aber seine Angaben sind oft falsch oder verworren.
3) Engel, Gesch. Serwiens, S. 407.
4) Seadeddin II, S. 173.
5) Vgl. auch die serbischen Annalen in Bogdan, Beitrag, S. 523.
6) Über den Rückzug Seadeddin II, S. 173; Phrantzes S. 384; Chal-
kokondylas S. 414.
5*
68 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
vom Winke des auch zum Thalassokrator sich erhebenden Mo-
hammed abhingen, g-eschildert , zu ihrer Rettung- die Hilfe aller
erflehend. Er erwähnte auch der mächtigen gegen Chios ge-
sammelten Flotte und wies darauf hin , dafs der Verlust dieser
grofsen, von genuesischen Maonesen verwalteten Insel auch den
Untergang der lateinischen Herrschaft in Zypern und Rhodos
nach sich ziehen müsse ^).
In der Tat erregten die unter sich uneinige Herrschaft der
Gattilusü und das den Maonesen aus Genua gehörige Chios
zwischen 1454 und 56 die Aufmerksamkeit des Sultans. Einen
Grund zur Dazwischenkunft erhielt er aber von den dortigen
Christen selbst; erst als die Gelegenheit sich darbot, als die
Lösung der Verhältnisse durch die türkische Besetzung einer neuen
Provinz am Ufer oder auf den Inseln sich von selbst aufdrängte,
beseitigte er die bequemen lokalen Autoritäten und setzte seine
Kadis und Subaschis in den Städten ein , die er vorläufig nicht
kolonisieren konnte.
Der Fürst Dorino von Lesbos starb im Juni 1455 ^) und
hinterliefs seine Erbschaft dem bisherigen Verweser, Domenico
Gattilusio , der sogleich mit dem Kharadsch von 3000 Dukaten
den Chronisten Dukas an den Hof des Sultans schickte, um über
seine Anerkennung zu unterhandeln. Nach der osmanischen
Überlieferung verlangte Mohammed, dafs der Vasall sich selbst
vor ihm einfinde und das goldene Ehrenkleid, den Brokatkaftan,
aus seiner Hand erhalte. Selbstverständlich mufste derselbe
seine Beförderung, die ,, kaiserliche Gnade", auch durch Ge-
schenke, Erhöhung des Tributs und Gebietsabtretungen bezahlen.
Domenico suchte den Sultan auch wirklich während des grofsen
serbischen Zuges auf und fand ihn und die Wesire Mahmud und
Seid-Ahmed im bulgarischen Slatitza, das die Türken Izlati nann-
ten. Hier also trat der neue Herr von Lesbos seine Rechte auf
die Insel Thasos ab und versprach den bisherigen Kharadsch
i) Archiv von Genua, Oriente, 1400 — 1830; Abschrift aus dem 18. Jahr-
hundert.
2) Hopf II, S. 152.
Erste Kämpfe Mohammeds IL a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. G9
um 1000 Dukaten zu erhöhen. Auch mufste er einen schriftUchen.
Treueid leisten. Nur so wurde er des Kaftans teilhaftig- *).
Im Hochsommer war auch der neue Admiral Junis, ein junger
Favorit und Spanier von Geburt, von Gallipolis ausgelaufen.
Trotz eines heftigen Sturmes, der viele Schiffe beschädigte oder
zum Untergang brachte, kam er vor Chios an, ohne dort Feind-
seligkeiten anzufangen ; ebenso vor Lesbos, wo er Nachforschun-
gen nach einem Schiff, das der Schwiegermutter des dortigen
Fürsten gehört hatte, anstellte. Der Zweck dieses zweiten See-
zuges nach der Einnahme Konstantinopels wurde erst ersichtlich,
als Junis, von den wichtigen Alaunwerken bei Foglie-Nove,
Neu-Phokäa, angezogen, sich gegen die asiatische Küste wandte.
Hier landeten die Asapen und drangen ohne vorhergehenden
Kampf in die befestigte Stadt. Aus der Bevölkerung wurden
nur hundert Kinder für das Janitscharenkorps ausgelesen und mit-
genommen. Der erste osmanische Befehlshaber bUeb in Phokäa.
Am 14. November war der Kapudan-Pascha wieder in Gallipolis,
und nach einer Woche, am 24. des Monats, wehte auch über
Alt-Phokäa die rote osmanische Fahne mit dem Halbmonde ^).
Der Signore von Anos, ein zweiter Dorino Gattilusio, der
Sohn des 1455 g"estorbenen Palamedes', lebte in schlechten
Beziehungen zu der Familie seines verstorbenen älteren Bruders,
der Witwe, deren Onkel von mütterlicher Seite und ihrem Sohne,
der sich ebenfalls als rechtmäfsiger Erbe dieser Herrschaft be-
trachtete ^). Durch seine Fischereien am Meere, im Häbrosflusse
und besonders im nördlich gelegenen See Stentoris , wie weiter
durch seine Salzteiche an der Küste, war Anos reich genug, um
die Gelüste der Türken anzureizen, obschon sie zwei Dritteile seiner
i) Die Erzählung des Dukas S. 328 ff. Über die venezianischen Quellen
Hopf II, S. 126.
2) Die ganze Erzählung nur bei Dukas S. 331 ff. und Kritobulos.
3) In den Stammtafeln bei Hopf, — vgl. Griechenland II, S. 152 \ — er-
scheint nur Dorino II., die mit Lodovico Fregoso verheiratete Tochter Ginevra,
zwei andere Töchter und der Bastard Lucchino ; Kritobulos ist aber sehr aus-
führlich und mufste als „Nesiote" die Verhältnisse kennen.
70 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
Einkünfte bezogen. Als sich nun die feindliche Schwägferin Dorinos
an den Hof des Sultans begab und durch den schon genannten
Oheim ihre Klagen vorbrachte, entschlofs sich Mohammed, der
bereits zurückgekehrt war, zu einem Eroberungszuge gegen Anos.
Auch Botschaften der Moslemins in Ipsala und Feredschik, die
beständig mit den Christen in Anos in Zwiespalt lagen, bewogen
ihn gleichfalls zu diesem Schritte.
Um jede Hilfe von Westen her unmöglich zu machen, wurde
der Zug für die Mitte des besonders harten Winters angeordnet.
Der Kapudan Junis erhielt Befehl , nach Anos zu segeln , und
bald erschienen zehn türkische Schiffe im Hafen von Pacheia
und an der Mündung des Häbros. Mit seinem Hofe und einigen
eilig zusammengebrachten Reitern begab sich Mohammed unter
grofsen Leiden infolge der Kälte nach Kypsella, von wo aus er
an die Einwohner von Anos die Aufforderung richtete, sich un-
verzüglich zu ergeben. Da Dorino , der den Winter in Samo-
thrake verbrachte, abwesend war, zögerten sie nicht, die os-
manischen Truppen aufzunehmen. Der Wesir Mahmud zog zuerst
ein (24. Januar); dann folgte der Sultan selbst. Änos mufste
150 Kinder als Rekruten für das Janitscharenkorps stellen und
Murad wurde der erste Subaschi der Stadt.
Nachdem der Sultan wieder umgekehrt war , nahm Junis
Imbros ein, dessen Schlüssel vom Geschichtschreiber und Pane-
gyriker Mohammeds, Kritobulos, überbracht wurden. Ein os-
manisches Schiff kam nach Samothrake und stellte Dorino den
Befehl zu, sich baldigst an der Pforte einzufinden. Er gehorchte
unverzüglich, ohne vorher seine von Murad verwaltete Residenz
noch einmal betreten zu haben. Heimlich kam er nach Kon-
stantinopel und hoffte seine Inseln, wenn nicht Anos selbst,
unter denselben Bedingungen wie sein Vetter von Lesbos zu be-
kommen. Aber die Ränke des neuen Subaschi vereitelten seine
Erwartungen. Vielmehr wurde dem Genueser Herrn eine der
schönsten Provinzen, das entfernte Sichna, als Verbannungsort
angewiesen. Mit dem Schwerte in der Hand entkam er aber
seinem türkischen Geleite. Er ging nach Lesbos, wo er keinen
guten Empfang fand , dann zum venezianischen Herzoge des
Erste Kämpfe Mohammeds II. a. d. Donau. Eroberungen i. Archipelagus. 71
Archipelag-us, der sich ebenfalls fürchtete , diesen Verräter des
Sultans bei sich zu beherberg-en ; endlich blieb Dorino auf der
direkt von Venedig- aus verwalteten Insel Tinos, wo er die Tochter
eines dortigen Archonten heiratete ^).
Endlich beschlofs im Frühlinge des Jahres 1456 ein letzter
Zug die vorläufige neue Ordnung der Verhältnisse im Archi-
pelagus. Wie die Genuesen gefürchtet hatten ^) , wandte sich
Ismail, der Nachfolger des zum Beg von Karlen, dem uner-
schöpflichen Piratennest, ernannten Junis, gegen Chios. Um der
Gefahr einer endgültigen Besetzung und der Verwaltung durch
einen Subaschi zu entgehen, mufste die grofse Insel eine ein-
malige Summe von 30000 Dukaten zahlen und sich zur Leistung
eines Kharadsch von 10 000 Dukaten jährlich verpflichten. Die
Einwohner von Lemnos, die mit dem Befehlshaber Nikolaos,
einem Griechen — die Gattilusii von Lesbos hatten auch in
Lemnos, wo sie das Schlofs Kokkinon besetzt hielten, ausgedehnte
Rechte ^) — , unzufrieden waren, verlangten selbst die Einsetzung
eines osmanischen Beamten und erhielten ihn in einem gewissen
Hamza. Im Mai war dieser dritte Zug der türkischen Flotte in
den Archipelagus beendigt *).
Es harrten ihrer andere Aufgaben. Alle Kräfte des Reiches
wurden gegen Belgrad in Bewegung gesetzt , wo der Sultan zu-
gleich die Serben, die stolzen Ungarn, den Genius Hunyadys
und den schwärmerischen Geist der Kreuzfahrer aller Nationen
zu bekämpfen hatte.
i) Vgl. die schlichte und wahrheitsgetreue Erzählung des Seadeddin 11,
S. 168 — 170; die Notizen bei Dukas S. 335; das betreffende Kapitel in Kri-
to bul o s.
2j Archiv von Venedig, Creta, „Ducali e lett. ric. ", Q. 28.
3) Hopf II, S. 152^
4) Dukas S. 335 ff.
Viertes Kapitel.
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe
an der Donau.
Schon im Herbste 1455 hatte der neue Papst seine Mafs-
reg"ela für den künftigen allgemeinen Krieg gegen die Türken
getroffen. Im November weilte als Legat der Kardinal von
S. Angelo beim Kaiser, der dem scheuen, vorsichtigen Fried-
rich nichts Geringeres vorschlug, als sich selbst an die Spitze
des Kreuzzuges zu setzen , und er schmeichelte sich , sein Ziel
erreicht zu haben. Der eifrige Prälat , den nach dem Ruhme
seines bei Warna getöteten Vorgängers Giuliano Cesarini zu ge-
lüsten schien, schrieb auch an alle Reichsfürsten, um ihnen die
grofse Gefahr vor Augen zu führen, die aus einem durch
Bosnien nach Deutschland gerichteten Einfall des Sultans für das
letztere entstehen konnte ^), und er betonte weiter, dafs ,,die
Ehre der deutschen Nation" auf dem Spiele stände ^). Von Neu-
stadt begab er sich an den Hof des jungen ungarischen Königs-,
der noch nicht in sein Reich zurückgekehrt war. Auch hier
liefs er sich von den schönen Worten der mafsgebenden Fak-
toren täuschen. Denn die ungarischen Vorbereitungen waren
genau so ernst gemeint wie die einer starken Seemacht, die
nach der Angabe des Papstes noch vor dem i. April ^) absegeln
i) „Cum iste Christi persecutor, Christianorum occisor, per regnum Bozne,
federe et tributo ei obnoxium, facile in Germaniam potest copias suas adducere";
Münchener Reichsarchiv, Türkenhilff a. a. O., Nr. 6.
2) „De fide et honore inclite nacionis Germanie."
3) „Per totum mensem Martii proxime instantis vel circa Kai. Aprilis ad
summum."
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an der Donau. 73
sollte und zu deren „Legat, General-Kapitän und Admiral" —
„ legatus et capitaneus generalis marisque admiratus " — schon
im Januar der Patriarch Ludwig- von Aquileja ernannt wor-
den war ^).
Zwar fand eine Versammlung der Kurfürsten tatsächlich vor
Ostern statt. Aber den damals unter den Reichsfürsten herrschen-
den Geist zeigten am besten die gegen die Erhebung des Zehnten
von den Einkünften des Klerus und das Aufstellen von Sammel-
stöcken, um ,,zu den türkischen Sachen Gelt zu versampnen", wie
solche, als päpstlicher Beauftragter, der Erzbischof von Norwegen
anregte, von den meisten vorgebrachten Einwendungen ^). Ver-
gebens waren auch alle lediglich zum Schein erfolgenden Er-
mahnungen des Kaisers an die Fürstlichkeiten und Städte. Das
ganze Unternehmen des heiligen Krieges war aussichtslos ge-
worden.
In Ungarn hatte Hunyady während des ganzen Jahres 1455
mit der hartnäckigen Gegnerschaft der Umgebung des Königs
und besonders des rachsüchtigen Grafen von Cilly zu kämpfen.
Zwar war Graf Friedrich, der Vater, eben in diesem Jahre ge-
storben, aber seinen ganzen Hafs schien der Sohn, Ulrich,
geerbt zu haben; mehrere Projekte wurden geschmiedet, Hunyady
zu ermorden. So legte im Sommer der beste Mann Ungarns
alle seine Würden nieder und begnügte sich mit dem Titel eines
Grafen von Bistritz in Siebenbürgen. Auch versöhnte er sich
dann feierlich mit seinen Gegnern und gab seine Einwilligung
zu einer Familienverbindung — die freihch der Tod der Braut
vereitelte. Die Politik des Reiches, das ein von Wüstlingen um-
gebenes Kind mit linkischen Händen zu führen suchte, war nicht
mehr die einst von Hunyady vertretene.
So herrschte auch auf dem für den Frühling 1456 aus-
gerufenen Tage nicht der Geist Hunyadys. Vielmehr dachte der
i) Brief des Papstes an den Kaiser; 7. Januar 1456; Nürnberger Archiv
S. I, L. 79, nr. 26^. Ermahnung des Kaisers an die Reichsstädte, ebenda.
2) Münchener Reichsarchiv, Türkenhilff, a. a. O., nr. 10, 11 ; Nürnberg,
Briefbücher 26, fol. 115.
74 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
König nur an seine Vergnügungen. Die versammelten Prälaten
und Edelleute begnügten sich, die bekannten Versprechungen
für den Fall eines grofsen christlichen Krieges zu wiederholen
und die Erhebung einer Kontribution von einem Gulden von
jedem Bauernhofe zur Verteidigung des Reiches zu dekretieren.
Die Unterhaltungen, Jagden und festlichen Gelage aber dauerten
fort, bis die Ankunft Mohammeds an der Donau dem faulen
sardanapalischen Wesen ein schnelles Ende machte ^).
Am festgesetzten Tage des heiligen Georg sammelten sich
in Adrianopel alle Bestandteile des osmanischen Heeres zum Be-
ginn eines neuen Unternehmens, dessen Leitung sich der Sultan
selbst vorbehalten hatte. Es war allgemein bekannt, dafs der
Schlag Ungarn gelten sollte. Schon im Winter war ein Zug unter
der Führung des Beglerbegs von Rum gegen die Walachei vor-
bereitet worden; Hunyady hatte noch im Jahre 1455 die guten
Beziehungen zum walachischen Fürsten Wladislaw erneuert, und
es hat den Anschein, als sei er im November in das trans-
alpinische Fürstentum gekommen, um die dortige Donaulinie in
Verteidigungszustand zu setzen ^). Bereits im März hatten
Ungarns Kundschafter auf der Balkanhalbinsel, die treuen Bürger
Ragusas, von dem bevorstehenden Angriffe Nachricht gegeben;
wie im Jahre 1453 waren die Bombarden vorausgeschickt worden
und befanden sich in Usküb. Der venezianische Bailo Marcello,
der sich im April in Ragusa einschiffte, konnte versichern, dafs
die Türken sich gegen die ihnen seit langem in die Augen
stechenden Schlösser an der Donau wenden würden ^).
In den damaligen Verhältnissen konnte Hunyady nichts zur
i) Siehe Katona XIII, S. I025ff.; Pray, Ann. Reg. Hung. III, S. isyff.
2) Krönst. Archiv, Urk., no. 140 ; 15. November. Es ist auch zu bemerken,
dafs ein Rumäne, „Kaffrvvcz Radwl de partibus transsalpinis Turcos, huius regni
inimicos, ad regnum istud, una cum nonnullis Wolahys de regne Transsalpinarum
importavit civitatemque domini nostri regis Saam (!) vocatam et certas partes
regni huius per ipsos Wolalios et Turcos spoliare fecit, ipsique Wolahy omnia
spolya illarum parcium ad Wolahyam asportarunt" ; ebenda no. 141 (auch in
Teleki X, S. 489). Vgl. „Dipl. Rag." S. 585, 589.
3) „Dipl. Rag." S. 592.
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an der Donau. 75
Rettung des bedrohten ungarischen Reiches tun. Was er einzig
ins Werk setzte, um gegen die Osmanen besseren Rückhalt zu
haben, war, dafs er zum Ersatz des schwachen und schwanken-
den Wladislaw, der auch die ihm vorenthaltenen siebenbürgischen
Lehen zurückverlangte und im Frühlinge das Schlofs Fogaras an-
gegriffen hatte, einen neuen Fürsten nach der Walachei schickte.
Ein Sohn Draculs , wie sein Vater Vlad geheifsen , befand sich
seit einiger Zeit in Siebenbürgen ; die ungarische Regierung selbst
hatte ihn aus der Moldau, deren Fürst mit ihm mütterlicherseits
nahe verwandt war, als Prätendenten herbeigezogen und gewährte
ihm Schutz. Dank Hunyadys Unterstützung drang dieser Vlad
im April oder Mai 1456 in seine walachische Erbschaft ein und
beraubte Wladislaw, der vielleicht damals auf seine Veranlassung
ermordet wurde — er liegt im Kloster Dealu, in der Nähe seiner
Hauptstadt Tirgoviste, begraben — der seit mehreren Jahren be-
haupteten Herrschaft ^).
Der Sultan schlug die gewöhnliche Heerstrafse nach Sofia
ein und wandte sich von dort nach dem von deutschen Meistern
für die örtlichen Verhältnisse trefflich befestigten ^) Belgrad, das,
zwischen der Donau und der Save eingekeilt, von der allein
offenen Seite im Westen durch eine hohe Mauer und einen tiefen
Graben, wie auch durch sein starkes, mit doppelten Mauern um-
gebenes Schlofs, gegen jeden Angriff ausreichend geschützt
schien. Die aus Usküb und Kruschewatz herbeigeschafften Ge-
schütze wurden sofort in Stellung gebracht. Zwölf derselben,
von denen die Christen mit Grauen erzählen, hatten ,,an der
Lenng XXXIj Spann und an der Weyt siben Spann" —
und nach einigen Tagen waren die Mauern nur noch ein Trümmer-
haufen. Belgrad lag nun, wie sich Hunyady selbst in seinem be-
rühmten siegeszuversichtlichen Briefe ausdrückt, gleichsam in
i) Siehe „Geschichte des rumänischen Volkes" I; besonders aber „Lucruri
nouä despre Vlad fepe?" in „Conv. lit." XXXV, und „Indreptäri §i intregiri",
S. 13 ff.
2) Ein Italiener vergleicht das bewunderte Belgrad mit einem mittleren
Schlosse Italiens: „El cassero , che nui chiamamo la ciptadella, che b per uno
bono castello de Italia." Vgl. auch Jirecek, Handelsstrafse, S. 122 — 123.
76 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
freiem Felde. Die Gräben waren zum grofsen Teile, wie die
Konstantinopels am 28. Mai, von ung-eheuren Mengen Schutt
angefüllt. Mohammed, der den Ungarn in Belgrad dasselbe
Los wie den letzten griechischen Verteidigern Konstantinopels
zugedacht hatte, befahl in der Nacht vom 21. zum 22. Juli, am
Abende des Tages der heiligen Margarete, den Sturm.
Im Schlosse eingeschlossen waren nur wenige Deutsche und
Ungarn, denn Hunyady, der, nachdem er rechtzeitig Briefe mit
dem Ansuchen um Hilfe im ganzen Reiche verbreitet hatte ^),
hingeeilt war, lagerte in Peterwardein jenseits der Donau und
hatte etwa 3000 Fufsleute und nur hundert Büchsenträger bei
sich; auch 300 Polen dienten in diesem kleinen Heere. Von
den Grofsen des Reiches befanden sich nur Hunyadys Schwager,
Michael Szilagyi, Nikolaus von Ujlak, Ladislaus von Kanizsa,
Sebastian Rozgonyi ^) und wenige andere in Belgrad oder in
dessen Nähe. Niemals hatte Ungarn seine wesentlichen Inter-
essen schlechter verstanden und seiner Ehre so schmählich ver-
gessen. Der auf den 1. August angesetzte Zug des Königs v/ar
selbstverständlich unterblieben ^).
Dennoch sollte Belgrad so viel Verteidiger wie kaum eine
andere christliche Stadt haben. Schon am ersten Tage des
Monats waren auf fünf kleineren Transportschiffen einige der-
selben angekommen und hatten unter christlichen Gesängen
ihren Einzug in die noch nicht von den Türken eingeschlossene
Stadt gehalten. Am 14. , als die Bombarden Mohammeds ihr
Zerstörungswerk bereits begonnen hatten, erschienen nicht weniger
als 200 Boote, die viele Tausende trugen. Es waren einfache
Leute, besonders aus Ungarn selbst, aber auch aus Deutsch-
land, Böhmen , dem schismatischen rumänischen Siebenbürgen,
auch etliche ItaUener ,,Hantwerckgesellen", Mönche: ,, Prüder"
und andere Soldaten desselben Schlages , ,, gemeines Volk aus
Stetten und Dorffern und Merkten". Sie waren alle durch die
feurige, höchst pathetische und ganz volkstümliche Beredsamkeit
i) Teleki X, S. 525«.
2) Bonfinius, dec. III, 1. VIII,
3j Nürnberger Archiv S. i, R. 79, no. 20a.
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an der Donau. 77
des siebzigjährigen , aus den Abruzzen gebürtigen Mönchs
Giovanni di Capistrano gewonnen worden. Der merkwürdige
Fanatiker hatte Spanien, Frankreich, das deutsche Reich, Polen
und Ungarn — seit 1455 — durchreist und vor dem Volke wie
auch vor hohen Prälaten und Fürsten, ja sogar dem Kaiser, auch
auf der Konferenz von Neustadt über die moralischen Pflichten
der Christen, über den bedrängten gläubigen Orient und über
die Notwendigkeit des Kreuzzuges gegen Juden, Hussiten, Schis-
matiker und Türken gesprochen , viele zum Eintritt in seinen
Franziskanerorden , dem überall neue Häuser gebaut wurden,
überredend. Der Papst hatte ihm durch den Kardinal von Sant'
Angelo das Kreuz anvertraut und eine Fahne mit dem Bilde des
San Bernardino zugeschickt, die in der Schlacht Wunder
wirken sollte. Er wurde wie ein heiliger Apostel angesehen und
war bald der am meisten verehrte Mann in Belgrad.
Am 15. Juli drangen dann Capistrano und der viel jüngere
Hunyady ins Schlofs; sie benutzten die Nacht dazu, obwohl die
Verbindungen nicht abgeschnitten waren. Denn die wenigen
auf der Donau befindlichen grofsen türkischen Fahrzeuge konnten
sich kaum dort halten ; sie waren von der Flottille der christ-
lichen Boote , die an 200 zählte , mehrmals angegriffen worden
und hatten ziemliche Verluste erlitten ; drei Galeeren waren
untergegangen und andere vier wurden in dem bedeutendsten
Gefechte unter den Mauern von Semlin gekapert; für weitere
christliche Transporte von Lebensmitteln und Truppen waren die
beiden Flüsse vollständig frei , und unter den Geschützen des
inneren Schlosses, des ,,Cassero", war für die ungarischen Fahr-
zeuge ein sicherer Aufenthalt vorhanden.
Der türkische Sturm dauerte einige Stunden der Nacht vor
Tagesanbruch, dann weiter bis spät in den Morgen hinein, an.
Die Janitscharen betraten in kleinen Abteilungen, die im ganzen
kaum 600 Leute ausmachten , dreimal die Stadt, und dreimal
wurden sie von Hunyady, der aus dem Schlosse herzueilte,
zurückgeworfen; die Menge der ,,Kreuzter", der ,,ainfältigen
Läutten", die in der sie beseelenden Schwärmerei ihr Leben
nicht schonten, trugen wesentlich zum Widerstand und zur Ver-
folgung bei. Als die Türken sich zum dritten Male zurückziehen
78 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
mufsten, gingen ihnen die Christen bis zu den Geschützen nach.
Und die ausgezeichneten, sonst so wunderbar zäh aushaltenden
Soldaten konnten der von heiliger Märtyrerwut ergriffenen und
besessenen militärischen Plebs nicht widerstehen. Sie starben
neben ihren Bombarden, die ins Wasser und in die Gräben ge-
worfen und zerstört wurden. Doch machte diese Menge vor
der Front der Janitscharen , in deren Mitte unbeweglich der
Sultan wartete , natürlich halt. Beutelust zerstreute die losen,
heterogenen Elemente. So konnten denn die Osmanen sich
ruhig zum Rückzuge vorbereiten. Am nächsten Morgen waren
an Stelle des abgebrochenen Lagers nur einige Reste zu sehen ;
die Toten waren nach mosleminischem Ritus begraben worden,
und zahlreiche Karren führten die Schwerverwundeten fort. In
den Reihen der Abziehenden fehlte auch Karadscha-beg: eine
Bombardenkugel hatte ihn zerschmettert; ferner war Hassan, der
Aga der Janitscharen , als er seinen Herrn mit dem eigenen
Körper deckte, getötet worden^). Der Sultan selbst soll durch
einen Pfeil am Schenkel verwundet worden sein ^).
Ihn zu verfolgen wäre eine ebensolche Unmöglichkeit ge-
wesen, wie dieser Erfolg bereits ein grofses Wunder war. Die
Äufserung des Siegers, dafs er unter gewissen Umständen jetzt
vermöchte, sehr leicht das ganze türkische Reich einzunehmen ^),
entbehrte des Ernstes : ,, du kennst die Gebräuche und das
Geschwätz der Ungarn", schrieb ein Deutscher in Beziehung
auf solche Gefühlsausdrücke ^). In Peterwardein, Futtak und
mehreren anderen Plätzen , an der Donau , dann weiter hinauf
bei Ofen und Wien warteten die endlich angelangten Reichs-
kontigente und Vagabundenscharen auf einem Befehl der
nicht kam , weil er nicht kommen konnte. Eine vollständige
und klägliche Anarchie herrschte , die der Kreuzzugsidee den
Todesstreich gab. Es war für Capistrano, der die Hauptverant-
wortung trug und für Hunyady, auf den man als natürlichen
i) Chalkokondy las S. 423.
2) Dieses wird auch von Dukas S. 337: Iv räi fifjQio bestätigt.
3) „Totum regnum Thurciae obtinere possetn valde leviter."
4) „Tu nosti mores et clamores Ungarorum"; cod. mon. lat. 27063,
fol. 131 vo ff.
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an der Donau. 79
Befehlshaber hinsah, eine unhaltbare Lage, Beide entgingen ihr
durch den Tod. Der Reichshauptmann erlag am ii. August in
dem ungesunden Lager der seit 1455 wütenden Pest, und Ende
Oktober schlofs auch der neapolitanische Mönch in der Stadt
Ujlak die Augen. Mit ihnen waren der ritterliche und der
heilige Typus des Kreuzzugmachers für immer verschwunden.
Die mit dem Kreuz bezeichneten Krieger hatten die mit-
gebrachten Vorräte bald verzehrt und wurden nun eine wahre
Plage für das Land , so dafs die Bauern sich erhoben , um sie
auszurotten. Erst gegen den Winter kamen einige der Unglück-
lichen, um traurige Erfahrungen bereichert, zurück: sie hatten
ihre Sünden getilgt, aber Vertrauen, Mut und Opfersinn waren
ihnen dabei ebenfalls erloschen ^). Währenddessen war der ,, Be-
siegte " ruhig in sein Konstantinopel zurückgekehrt; und er war
als Vertreter einer reellen, organisierten Macht jeden Augenblick
imstande, den an dem verzweifelten Widerstände der Schwärmer
zunächst gescheiterten Versuch zu erneuern ^).
Mohammed hatte in den neuerdings 1454 — 55 von ihm er-
oberten Gebieten Ali als Sandschak zurückgelassen. Gegen den
i) Die Briefe der Nürnberger Hauptleute; Archiv von Nürnberg, Brief-
bücher 26, fol. 196 a— b^ 202 a^ 203 yo bis 204, 204 vo, 2IO yo , 234 yo, 236 usw.
2) Von türkischer Seite haben wir die Erzählungen Seadeddins II, S. 174 ff.,
des „serbischen Janitscharen" und des sehr wichtigen und immer wahrheits-
getreuen Kritobulos; zur selben Kategorie von Quellen gehört auch Chalko-
kondylas a. a. O. Der Brief Hunyadys vertritt den ungarischen und persönlich
Hunyadyschen Standpunkt; er ist unter anderen in Pray, Ann. Reg. Hung. III,
S. 180 — 181 ; Fej6r, Genus loannis Corvini S. 223 — 225; Hurmuzaki II-, S. 59
bis 60 (vgl. cod. lat. mon. 5141, fol. 132 — 132 yo; 4143, fol. 115 — 116; 14610,
fol. 201 — 201 yo) abgedruckt. S. auchLjubic X, S. 94 — 95. — Der Standpunkt
des Capistrano und seiner „ crucesignati " ist in den Briefen des Giovanni di
Tagliacozzo vertreten (bei Wadding; s. Epistola ad Petri de Jacoviccio [sie] de
Tagliacocgo brevissima, de la vita del beato Johanni de Capistrano ; Rom, Bibl. Vittorio-
Emmanuele, ms. 37, fol. iiofl. ; danach auch in der Erzählung in der Leipziger
Handschrift der Universitätsbibliothek 1092, in den im Nürnberger Archive befind-
lichen Briefen S. i, L. 73, N. 16; S. I, L. 79, N. 26a; wie auch im cod. lat. mon.
27063, fol. 1310 yo, Brief vom 6. Oktober). Vgl. auch den Brief des Stephan
von „ Wassen " (Bosnien), cod. marc, cl. XIV, 246, fol. 157 vo; Wadding, Annales
80 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
Despoten Georg" hatte er damals keinen Grund einzuschreiten.
Denn der erfahrene Greis war kein Schwärmer für die Idee der
Kreuzzüg-e und sehr zufrieden, durch den neuen Vertrag- von 1455
wenigstens einen Teil seiner früheren Besitzung-en zurück-
erhalten zu haben. Während der Belag'erung' Belgrads und der
darauffolgenden Ereignisse hielt er sich vorsichtig in seinem,
von den Greueln einer Eroberung bisher noch verschont ge-
bliebenen Semendria eingeschlossen und» liefs sich von seiner
abwartenden Haltung durch keine Ermahnungen abbringen. Nach
Hunyadys Tode stellte er sich mit 1500 Reitern dem Könige
bei seiner Ankunft vor ^). Es kam dann sogar zu feind-
schaftlichen Handlungen und räuberischen Überfällen zwischen
dem verstimmten Despoten und Michael Szilägyi, dem Schwager
des verstorbenen Gubernators, der die Hunyadische Sache jetzt
weit mehr als dessen junge Söhne Ladislaus und Matthias ver-
trat. Szilägyi liefs Cilly in Belgrad ermorden und behauptete
Schlofs und Stadt auch weiter als Privatgut seiner Familie.
Bei einem Überfalle seitens der Serben wurde Michaels Bruder
getötet, und dieser suchte und fand Gelegenheit Rache zu nehmen.
Im Dorfe Kupinik wurde Georg gefangengenommen, nachdem
er heftigen Widerstand geleistet und dabei zwei Finger seiner
rechten Hand verloren hatte. Er mufste sich mit einer be-
deutenden Summe Geldes und dem Versprechen, seine ungari-
schen Güter abzutreten, loskaufen, doch soll er durch serbische
Banditen das Geld aus den Händen der Beauftragten Szilägys
wiederbekommen haben. Als er das Belgrader Schlofs verliefs,
war er noch derselbe heimliche Freund der Türken, oder besser.
Minorum U, S. 340 ff. ; Katona a. a. O. S. 1033 ff. ; die ungarischen Chroniken
und das Zeugnis des Äneas Sylvias in dessen „Opera". — Eine richtige
Schätzung der Verhältnisse in dem vom 15. Oktober aus Futtak datierten Briefe
der Nürnberger Hauptleute: ,,Dye nicht alss gross sey alss jder man sagt, aber
dem Turcken sint fyl guter Lewt do pliben , von der Cristen, pey II™ und dem
Turcken sey solicher Zeug angewinnen, dass ney kein Man solchen Czewg gesechen
haben, von Puschssen und Wegen und allerley Czewg."
1) Brief der Nürnberger Hauptleute: Anfang November. Über eine angeb-
liche Revolte in Novobrdo siehe einen Brief Capistranos in Katona a. a. O.
S. iioi — 1103.
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an der Donau. 81
derselbe kalte Berechner der einzig" gegebenen Möglichkeit *).
Aber die letzten Umgestaltungen der Lage und ihre Anstren-
gungen hatten den ins Patriarchenalter gelangten Greis doch an die
Schwelle des Grabes geführt. Am 24. Dezember 1456 segnete
er, wahrscheinlich in Semendria, das Zeitliche ''').
Er hinterliefs drei Söhne, von denen nur der mit der Kanta-
kuzenin Irene erzeugte jüngste, Lazar mit Namen, zur Über-
nahme der Regierung tauglich war; die zwei älteren, Gregor und
Stephan, waren blind. Nach der Herrschaft im serbischen
Despotat, das sowohl von den Ungarn in Belgrad, als auch
von den Türken in Kruschewatz und in Südserbien zu leiden
hatte, strebten auf der einen Seite Irene und ihr Bruder Thomas,
auf der anderen Mara, die verwitwete Zarin der Osmanen,
die trotzdem eine ,,gottesfürchtige" Frau war. Nach einigen
Monaten aber, im Mai 1457, ^^s der Sultan noch nicht zu seinem
ersten moreotischen Zug aufgebrochen war, starb die Despo-
titza in Rudnik eines plötzlichen Todes, angeblich von Lazar
vergiftet; Stephan verblieb zunächst vielleicht noch bei dem
Bruder — später floh er nach Ungarn, dann, 1460, nach Al-
banien ^) — , der die ganze Macht im noch freien Serbien an sich
gerissen hatte, während Gregor, Mara und Thomas Kantakuzenos
sich an den Sultanshof begaben, um gegen den verbrecherisch
ehrgeizigen Jüngling ihre Klagen vorzubringen *).
Die Nachricht von der Entsetzung Belgrads hatten der stolze,
kurze Brief Hunyadys und die schwärmerischen Erzählungen
Capistranos und seiner italienischen Gefährten bald in ganz
1) Vgl. den „Serbischen Janitscliaren" und die „Serbischen Annalen", dann
die anderen, bei Engel, Geschichte Serwiens, S. 41 1 f. und bei Fefsler II,
S. 568 — 570, angegebenen Quellen.
2) ,, Sei bische Annalen", auch bei Bogdan a. a. O. S. 523. In diesem Jahre
und nicht 1457 fiel dieser Tag auf einen Freitag. Auch ist zu beachten, dafs
schon am 14. "November 1457 Gesandte Gregors und Maras in Ragusa ein-
getroffen waren; „Dipl. Rag." S. 600. Vgl. auch Archiv von Ragusa, Lett. Lev.,
1448 — 1488, fol. 179 — 180 vo, 189 — 190, 190 vo bis 194 vo.
3) Engel S. 413; „Dipl. Rag." S. 748.
4) „Serbische Annalen", Bogdan a. a. O. S. 523.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 6
82 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
Europa verbreitet. In Neustadt liefs Kaiser Friedrich, um seiner
hohen Würde genugzutun , eine Prozession abhalten ; dasselbe
taten die Venezianer in Venedig und allen ihren Besitzung"en.
Calixtus III. stiftete sogar ein neues Kirchenfest, um seine Freude
zu bezeigen ^). Einen Augenblick glaubte man sogar, dafs die vom
Papste zusammengebrachten Galeeren Konstantinopel wieder-
erobert hätten; das Gerücht stammte aus Rom selbst^). Neue
päpstliche Bullen ergingen, um die ganze Christenheit zum heiligen
Kriege aufzurufen ; in jeder christlichen Gemeinde sollte einmal
am Tage die Kreuzzugsglocke geläutet werden und die Gebete
der Gläubigen zum Himmel begleiten, um ihm die Verdrängung
der Türken aus Europa abzugewinnen ^).
Aber nur der Papst tat seine Pflicht und traf ernstliche Mafs-
regeln, um im Frühling die Ausfahrt seiner Galeeren zu ermög-
lichen. Der Kaiser dagegen war zufrieden , dafs die auf den
Herbst angesetzte und in Wahrheit gegen ihn gerichtete Ver-
sammlung der Oppositionspartei zunichte geworden war. Und,
was Ungarn betrifft, so hatte, wie gesagt, Ladislaus, der ältere
Sohn Johann Hunyadys , Ulrich von Cilly , den ärgsten Feind
seines Hauses, im November in Belgrad ermorden lassen; der
König verurteilte den Mörder zum Tode und liefs ihn in der
Tat im März 1457 in Ofen hinrichten; König Ladislas, eine ver-
derbte Natur, war nicht der Mann, die grofse Erbschaft des ver-
storbenen Gubernators auf sich zu nehmen *).
Obwohl die Verhältnisse also günstig genug lagen, bereitete
Mohammed keinen neuen persönlichen Zg für dieses Jahr 1457 vor.
Nicht die von ihm unter den Mauern Belgrads erlittenen Verluste
waren die Ursache dieser unerwarteten Untätigkeit; vielmehr war
diese der im Juli empfangenen Wunde und besonders den Feier-
1) „Festum dupplex Transfiguracionis domini nostri Ihesu Christi cum gratiis
et indulgenciis solemnitatis Corporis Christi"; cod. lat. mon. 18967, fol. 214.
2) Nürnberger Korrespondenz, s. oben; Brief des Benedikt von Krayburg,
cod. lat. mon. 27063, fol. 131 vo ff.
3) Siehe unter anderen Nürnberii^er Brief büclier 26, fol. 150 — 150 vo ; cod.
lat. monac. 5141, fol. 133 yo bis 134.
4) Fefsler II, S. 564fr.
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an der Donau. 83
lichkeiten zur Beschneidung' seiner zwei älteren Söhne Bajesid
und Mustafa zuzuschreiben *).
Auf dem Festlande wurde nur der schon 1455 ^)
ausgebrochene Krieg mit Skanderbeg ^) , der sich „General-
hauptmann des Königs von Aragonien"*) nannte, von dem er
über das venezianische Durazzo und Chimara fortwährend Söld-
linge, Waffen und Lebensmittel erhielt, fortgesetzt. Zuerst über-
nahm Isa, der '<Sohn», d. h. Enkel des Ewrenos, die Führung^).
Er schlug die Albanesen, die Berat angegriffen hatten (Juli) ; aber
ein anderes türkisches Korps unter Sebalia, der sich ,, General-
hauptmann des türkischen Sultans " nannte ") , hatte nicht den-
selben Erfolg zu verzeichnen, obgleich er einige Schlösser dem
Skanderbeg entrifs (1456 — 57) ''). Die schwächeren Nachbarn und
Verwandten Skanderbegs wufste man geschickt gegen ihn auf-
zuwiegeln **) ; Venedig stellte ihm den alten Arianites ent-
gegen, der als ,, Hauptmann in ganz Albanien von Skodra bis
Durazzo" (1456) bezeichnet wurde. Dennoch gelang es dem
besten Vertreter albanesischen Freiheitsgeistes, das Gebiet seines
Oheims Musa, Dibra, sowie dasjenige der Zenebisi und der
letzten albanesischen Balschiden, an sich zu bringen ; in Rotezo,
am Meerufer, im alten Mat und in Tomornitza herrschten seine
Getreuen ; diesseits und jenseits des grofsen scheidenden Tomor-
gebirges hatten ihm alle Häuptlinge gehuldigt ^). Noch im Jahre
i) Seadeddin II, S. 179 ff.; vgl. Sathas, Mon. I, S. 236, nr. 157.
2) Im Februar liatte Skanderbeg die venezianische Unterstützung angerufen ;
Ljubic X, S. 27. Vgl. S. 28—30.
3) Die ragusanische Chronik im Cod. mon. it. 551 erwähnt 1454 die An-
kunft des „Zuan Scanderbeg" aus Apulien : er wollte sich nicht zu Stepan be-
geben, der ihn gerufen hatte. Ragusa liefs ihn dann nach Redoni führen.
4) „Strenuus genciuni armorum capitaneus Maiestatis nostre"; das ihm von
König Alfons im Januar 1457 erteilte Privileg im neapolitanischen Archive „Ese-
cutoriale" 1442 — 1460, fol. 285.
5) Seadeddin 11, S. 183; Chalkokondylas S. 431 f.
6) Ljubic X, S. 124.
7) Hopf II, S. 134 nach ungedruckten venezianischen Quellen. Siehe auch
Ljubiö X, S. 44; Dezember 1454.
8) Siehe auch ebenda.
9) Hopf a. a. O. Über das Los Dagnos Ljubic X, S. 90 ff.
84 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
während des Belgrader Zuges soll ein osmanisches Korps unter
Ferizbeg"owitsch , dem ehemaligen Verwalter in Kruschewatz,
und Ali , dem Sohn Michals , der zum Statthalter Albaniens er-
nannt worden war, im Gebirge bei Kroia und Sfetigrad und am
Meere bei Biograd heifs mit dem kühnen, von den Einwohnern
geUebten und treulich unterstützten Helden gekämpft haben '),
Die später von dem Süditaliener Barletti, der ein Epos
nach antikem Muster dichten wollte, gesammelten Sagen wissen
von Treffen mit den Begs und Kephaljas des türkischen Albaniens
zu berichten ; aber ein Ergebnis der verschwendeten Tapferkeit
war kaum wahrzunehmen. So viel wurde gewonnen, dafs
Skanderbeg jetzt noch nicht zur Flucht nach Italien gezwungen
war. Im Monate April 1457 bestätigte Alfons dem Bischof
von Kroia und den Einwohnern , die damals Frieden genossen,
die alten, ihnen von serbischen und griechischen Machthabern
erteilten Besitz- und Handelsprivilegien ''').
Den Türken gelang es schliefslich, die meisten Täler zu be-
setzen; noch 1457 wurde Skanderbeg von den Begs Isa und
Hamza bis nach Alessio zurückgedrängt; aber mit päpstlichen
Geldern und Truppen und der Unterstützung seines aragonesischen
Oberherrn vermochte er dem Feinde eine grofse Niederlage an
der Tomornitza beizubringen : Hamza Zenevisi der Renegat ging
als Kriegsgefangener nach Neapel. Zur Belohnung wurde der
Sieger zum Generalkapitän der Kurie in diesen Gegenden er-
nannt. Zenevisi , die Dukaschine , die zeitweilig auch die vene-
zianischen Ortschaften Dagno und Satti besetzt hatten ^) , der
frühere Despot von Arta, Carlo Musachi Topia, und Leonard III.
Tocco standen ihm im Kampfe mit Sinan, Jussun und Karadscha-
beg (1458 — 59) zur Seite. Zum ersten Male erschien der albanesi-
1) Chalkokondylas S. 416.
2) Jirecek im Archiv für slav. Philologie XXI, S. 78iT. Siehe Barletius,
passim. Vgl. auch das zitierte Werk von Pisko, Skanderbeg. Über die Beziehungen
Skanderbegs zu Venedig und dem aragonischen König, der 1456 Chimara be-
setzen liefs, siehe Hopf II, S. 133 — 134; über jene zu Ragusa: Gesandtschaften
des Gazulo und Ninazo — 1459 — „Dipl- Rag." S. 745 ff-
3) Nach einem zwischen Venedig und Skanderbeg deswegen 1458 geschlossenen
Vertrag; ,,Comraemoriali" V, S. 139— 140, Nr. 62.
Die Belagerung von Belgrad und die Kämpfe an der Donau. 85
sehe Stamm unter seinem Siegeszeichen seine Einheit bekunden
zu wollen i).
Anderseits erschienen 1457, obwohl ein neuer und stär-
kerer Ang-riff" auf das kaum gerettete Belgrad gefürchtet wurde,
unter Isa, dem Sohne Hassans, nur einige Scharen an der Donau,
die nicht viel ausrichten konnten ^),
Auch das Gerücht, daß Isabeg, der bosnische Markgraf,
sich im Einverständnisse mit Stipan, den die Türken als ,,cher-
zech " anerkannt hatten, zur Belagerung Ragusas rüste, erwies
sich als unbegründet ^). Kein neues Gebiet wurde im Laufe des
Jahres dem Reiche einverleibt.
Auf dem Meere erlitten die Osmanen sogar bedeutenden
Schaden und mufsten der christlichen Offensive untätig zuschauen.
Schon im Herbste waren die päpstlichen Galeeren vollständig aus-
gerüstet gewesen und auch im offenen Meere erschienen. Mit
den neuerlichen Subsidien, die, trotzdem manche Fürsten sich nicht
scheuten, die Zehnten ihres Gebietes zu unterschlagen, aus Dalma-
tien allein 4000 Dukaten zu Kreuzzugszwecken betrugen, war der
Papst imstande den Patriarchen Ludwig als seinen Admiral mit
einer wirklichen kriegerischen Mission zu betrauen. Mit elf Galee-
ren und im ganzen 32 Schiffen segelte dieser nach Rhodos. Von
hier aus richtete sich die christliche Flotte gegen Lemnos , wo
der osmanische Befehlshaber, Murad, der kaum hundert bewaff-
nete Leute um sich hatte , dem christlichen Andränge weichen
mufste : ein gewisser Luis , ein Spanier , blieb dort als Befehls-
haber zurück. Nach einigen Tagen erschienen die neuen Kreuz-
fahrer vor Thasos, das mit Gewalt genommen wurde. Krito-
bulos übergab einem Beauftragten des Patriarchen die Insel
Imbros. Auch in den Gewässern von Samothrake, von Chios
und Lesbos erschienen die rächenden Schiffe des Westens, unter
der Fahne des Heiligen Vaters. Erst nachdem sich Ludwig
i) Vgl. auch Ljubic X, S. 50 ff.
2) Siehe besonders ,, Dipl. Rag." S. 595 ff. ; Makus ce v, Monumenta hist. Slav.
merid., Warschau 1874, S. 216; Berichte des venezianischen Gesandten in Ofen,
Pietro de Tommasi, im Mailänder Archive; Missive 38; Seadeddin II, S. 183.
3) „Dipl. Rag." S. 577, 602.
86 Erstes Buch. Viertes Kapitel. Die Belagerung von Belgrad usw.
wieder nach Rhodos begeben hatte , in dessen Hafen er dann
bHeb, ging der Kapudan Ismail gegen den Herrn von Lesbos vor,
obwohl derselbe für zwei Jahre den Tribut gezahlt hatte , und
belagerte, freilich erfolglos, die Festung Methymne. Ein schwacher
Ersatz für die Einbufse an Geltung, welche die für unbezwing-
lich gehaltenen osmanischen Wafifen erlitten hatten ').
Aber dieses verlorene Jahr wurde durch zwei für die türkische
Gebietsausdehnung aufserordentlich wichtige Nachrichten abge-
schlossen. Am 20. November starb der junge König von
Ungarn , der sich eben zu seiner Heirat mit einer französischen
Königstochter rüstete. Und ebenfalls im November gingen
Gesandte Gregors, des ältesten Sohnes Georg Brankowitsch' —
er war einer von den Unglücklichen , die von Sultan Murad,
ihrem Schwager, geblendet worden waren — , und seiner Schwester
Mara, der Kaiserin-Witwe der Osmanen, an die Pforte, um wegen
der Nachfolge des 1456 verstorbenen Despoten zu unterhandeln ^).
Auch schlofs der energische Spanier auf dem Stuhle Petri im
August des nächsten Jahres seine Augen.
Durch diese wichtigen Ereignisse wurde der Weg nach Norden
wieder für die Türken frei. Mohammed aber war der Meinung,
dafs die Regelung der Balkanverhältnisse in Morea und Albanien
vorgehe. Zu diesem Zwecke setzte er sich im Frühlinge des
Jahres 1458 in Bewegung.
i) Die Erzählung bei Kritobulos und Dukas S. 337 — 338; vgl. Chal-
kokondylas S. 429. Vgl. auch Hopf II, S. 153 S nach den „Annalen"
Magnos und der Handschrift „Guerre dei Turchi".
2) „Dipl. Rag." S. 600 ; Archiv von Ragusa, Lett. Lev. 1448 — 1488, fol. 179
bis 180 vo, 189 — 190, 190 vo bis 194 vo.
Fünftes Kapitel.
Äbrundung des Reiches in Europa und Asien unter
Mohammed U.
Zuerst wurde die moreotische Frage zu einer endgültig'en
Lösung- gebracht.
Die Unruhen auf der Halbinsel waren zu keiner Ruhe ge-
kommen und sollten diesem letzten Asyl der griechischen Un-
abhängigkeit ein jähes und schmähliches Ende bereiten ^). Die
Albanesen Peter Buas (albanesisch Sachetai) des Lahmen, die sich
seit einigen Jahrzehnten in vielen Städten und Dörfern ange-
siedelt hatten, wollten sich nicht mehr mit blofser Duldung be-
gnügen ; sie hatten Manuel Kantakuzenos , einen nach Morea
zurückgekehrten Spröfsling des ersten Gründers und Verteidigers
des Despotats, zum Herrscher des Landes ausgerufen. Sie boten,
im Herbste 1453, das Land, um die Griechen loszuwerden,
der Republik Venedig an '■'), die sich nicht abgeneigt zeigte, und
einen Gesandten schickte, um auf den Antrag einzugehen.
Auch von einer Einmischung der Genuesen und Katalanen in
Morea wurde gesprochen ^). Der letzte Vertreter des Franken-
tums auf der Halbinsel , Centurione IL , war mit seinen griechi-
schen Verwandten, den Paläologen, in Feindseligkeiten geraten;
schliefslich (14S4) wurde er im Schlosse Chlomutzi gefangen-
i) Siehe im ganzen auch Theodoro Spandugino Cantacusino, Com-
mentari della origine de' principi turchi , nach der Ausgabe von Florenz, 1551,
in dem Sammelwerke Sansovinos, „Hist. universale dell' origine, etc. de'
Turchi" abgedruckt.
2) Sathas, Mon. I, S. 215 ff. Besonders strebte Venedig den Besitz von
Patras, Klarentza, Leondari, Vostitza und Korinth an.
3) Ebenda S. 220.
88 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
gesetzt, erhielt aber sehr bald seine Freiheit wieder ^). Die nach
abendländischem Gebrauche beinahe unabhäng-ig-en Besitzer der
zahlreichen Burgen , die das ganze Land in Abhängigkeit er-
hielten, ein Michael Asanes als mächtigster von allen, der in
Korinth residierte, ein Bochalis Leontarios, ein Lukanes, ein Melis-
senos, u. a. ^), wollten keine Einmengung ihrer Oberherren, der
Despoten, in ihre Angelegenheiten dulden. Der Klerus, wie der
Bischof von Muchlion ^), zog die feste türkische Herrschaft, die
der orthodoxen Geistlichkeit besonders wohlwollend gegenüber-
stand, dem ,, nationalen " Zustand fortwährender Anarchie vor.
Die Despoten Demetrios , der dem Bruder an Energie, erfinde-
rischem Geist und Geschmeidigkeit weit überlegen war und sich
verschiedentlich Sympathien gewonnen hatte, und Thomas lebten
in fortwährendem Hader *) ; das traurige Beispiel ihres an der
Romanospforte verblichenen Bruders war ihnen keine Lehre ge-
wesen. Besonders Demetrios betrachtete den Sultan als seinen
natürlichen Beschützer und den künftigen Herrn des ganzen
Landes ; der grofse ungläubige Monarch flöfste ihm keinen Ab-
scheu ein ; in ihm war er bereit, den neuen von desselben Gottes
Gnaden regierenden Basileus des Rhomäertums anzuerkennen
und ihm seine eigene Tochter als Beischläferin oder als legitime
Frau — der Unterschied war ihm gleichgültig, da er einzig an
seine täglichen Lebensinteressen dachte — zu opfern, wenn es
galt, sich, sei es auch anderswo, eine seiner Geburt und seiner
Vergangenheit entsprechende Stellung zu sichern. Die Räuber-
scharen verbanden sich zuletzt mit den unzufriedenen Archonten,
belagerten Demetrios in seiner Hauptstadt und zwangen ihn,
wieder die Hilfe Thurakhans anzurufen, während Thomas sich
als Vertreter des westlichen Einflusses an Venedig wandte ^).
1) Sathas a. a. O. S. 219; vgl. aber Hopf II, S.118. Bei den Venezianern
in Modon weilte Giovanni Asane, ein unehelicher Sohn Centuriones I.; Sathas
a. a. O. I, S. 229 flf.
2) Siehe die Namen in dem vom Beg Hassan 1454 dem Lande erteilten Pri-
vilege; Miklosich und Müller III, S. 290.
3) Chalkokondylas S. 447 ff.
4) Schon im Jahre 1454; Sathas a. a. O. I, S. 218 ff.
5) Hopf II, S. 118 — 119.
Abrundung des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed 11. 80
So lagen die Verhältnisse in dem unglücklichen Pelopon-
nesos , als, noch im Winter des Jahres 1454, Amur, der Sohn
des alten Turakhanbeg, in Thessalien von Demetrios, diesem alten
Anhänger und Verbündeten der Türken, von der Zeit aus, als er
noch die Krone Konstantinopels erstrebte, herbeigerufen wurde.
Um Amur zu verpflichten, wurde der bei dem letzten osmanischen
Zuge gefangengenommene Sohn des thessalischen Markgrafen frei-
gelassen. Die Spahis drangen bis Ithome, unterwegs Beute und
Sklaven mitnehmend. Die Albanesen hatten, dank diesen Ver-
bündeten der Paläologen, das Spiel vollständig verloren; ihr
neuer kantakuzenischer Despot verschwand vom Schauplatze ^).
Durch ein im Namen des Sultans ausgestelltes Privileg verbürgte
dessen ,, Sklave", der Beg Hassan, allen Mächtigen des Landes
und sogar dem Bua vollständige Sicherheit ihres Besitzes und
ihrer Rechte (26. Dezember 1454) ^). Im September 1455 ging
auch der Fürst von Achaia als Flüchtling nach Italien, um nie-
mals zurückzukehren ^).
Aber die so von der gröfsten Gefahr verschont gebUe-
benen Paläologen versäumten , durch Emissäre des Papstes,
die ihnen die baldige Erlösung von den türkischen Bedrängern
in Aussicht stellten, angestachelt, die pünktliche Zahlung des
Kharadsch, was einer Kriegserklärung gleichkam'*). Im Jahre
1458 waren sie bereits für drei Jahre mit 18000 Dukaten im
Rückstande. Athen, das von den letzten Acciaiuoli beherrscht
wurde, befand sich in der schlechtesten materiellen und morali-
schen Stellung. Nach dem gegen 145 1 erfolgten Tode des
Herzogs Nerio , der einen jungen Sohn , Francesco , als Erben
hinterlassen hatte, führte die Witwe, eine Fränkin aus dem Hause
Giorgio, ein ausschweifendes Leben; sie hatte in Bartolommeo
1) Phrantzes S. 383: er ist im Grunde der beste Kenner der Ereignisse
in diesen Gegenden; sein Sohn Johann wurde damals getötet; Phrantzes selbst
ging als Gesandter nach Serbien; ebenda. Vgl. auch den Athener Chalkokon-
dylas S. 407 — 412.
2) Miklosich und Müller a. a. O.
3) „Dipl. Rag.« S. 583-
4) Auch (November 1456) riefen Demetrios Asanes und andere die Venezianer
nach Mugla, in die Schlösser gegenüber Ägina und selbst nach Athen; Sathas I,
S. 230 — 231. Über die Beziehungen zum Papste H o p f II, S. 125.
90 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
Contarini, eiuem venezianischen Offizier in Nauplia, einen neuen,
schönen und jungen Gemahl gefunden, der auch als Vormund des
rechtmäfsigen Herzogs den Bürgern Athens aufgedrungen wurde.
Der aufsereheliche Vetter Nerios, Franco, befand sich am Hofe des
Sultans und erbat sich dessen Anerkennung und Unterstützung zur
Wahrnehmung seiner Rechte '). Während Mohammed Michalogli
an der Donau streifte 2), entschlofs sich Mohammed zu einem
persönlichen Zuge nach Morea. Noch im Mai war das kaiserliche
Lager nicht von Adrianopel aufgebrochen ^). Sobald aber die
Zelte zusammengenommen und die Kriegsfahne erhoben wurde,
ging das Heer eilig nach Südwesten und gelangte bald nach
Thessalien, dem Sandschakate Amur Turakhanoglis. Vergebens
schickte ihm Thomas einen Teil des Kharadsch in Höhe von
3500 ,,Byzantien", byzantinischen Goldstücken, nach dem Isth-
mos entgegen. Der Sultan fand, noch im Mai, die mächtige
Festung Korinth mit ihrem dreifachen Mauerringe im besten Ver-
teidigungszustande. Als er ihre Übergabe nicht zu erzwingen
vermochte, wurde der Wesir Mahmud, der, nach dem Tode
Karadschas , auch Beglerbeg von Rumelien war, hier zurück-
gelassen, um die Belagerung fortzusetzen. Die grofse Masse der
Truppen dagegen zog unter dem Befehle des Kaisers über die
armseligen Ruinen des von Murad zerstörten , einst so wunder-
baren Hexamilions hinweg und ergofs sich in kleineren Banden
in die Täler der Halbinsel. Die Spahis Amurs erschienen bei
Tarsos , Akova , Rupela , Pazenika , Kalavryta , Leondari , und
zwangen alle diese kleineren Schlösser zur Unterwerfung. Mo-
hammed selbst griff Muchlion, eine Besitzung des Demetrios Asanes,
Patras und Vostitza an. Hier und da hatten die Griechen so viel
Ehrgefühl, um dem mächtigen Feinde einige Tage zu widerstehen.
Der Sultan zeigte sich beinahe überall mild und schonend.
Thomas war von den Türken in Monembasia eingeschlossen
worden. Seinerseits schickte der sich in Misithra im Versteck hal-
tende Demetrios Matthäos Asanes nach Korinth, um die Stadt, die
den Isthmus beherrschte, zu retten. Als aber das Hauptheer auf
i) Chalkokondylas S. 451 ff.; Hopf II, S. 119, 127 — 128.
2) Chalkokondylas S. 441 ff.
3) „Dipl. Rag." S. 608.
Abrundung des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed II. 91
dem Rückvveg-e dahin kam, mufste der neue griechische Führer
nach einem glänzenden Widerstände, der vier volle Monate,
bis zum 6. August gedauert hatte, die Stadt endlich über-
geben, und 400 Janitscharen wurden als Besatzung zurück-
gelassen. Die Despoten erkannten gleichzeitig die unmittelbare
osmanische Herrschaft in einem Dritteil von Morea an ; für die
anderen Distrikte, die ihnen noch geblieben waren, verpflichteten
sie sich, als türkische Vasallen, ein Kharadsch von 3000 Dukaten zu
bezahlen. Amur wurde zum Sandschak der neuen Provinz ernannt.
Mohammed verbrachte dann vier Tage unter den Mauern
von Athen, um die Verhältnisse dort neu zu ordnen. France
hatte vor 1456 das ganze Herzogtum erhalten, während die Witwe
Nerios in Megara eingesperrt und dann ermordet wurde. Dafür
wurde Athen schon vor der Ankunft Mohammeds von den Türken
besetzt, indem Franco auf Theben und Böotien beschränkt wurde.
Auch schickten die Venezianer von Negroponte dem Sultan kost-
bare Gaben. Von Athen ging dieser dann aufwärts bis Usküb,
wo sich das Heer um die Mitte des Oktober befand. Man be-
fürchtete einen Herbstangriff auf Ungarn ') ; der Sultan aber
richtete seinen Weg nach Adrianopel ^).
Zugleich wurde ein Zug des Kapudans gegen diejenigen
Inseln, welche letzthin mit die Christen aufgenommen hatten, an-
geordnet. Im Herbste lief Ismail mit 150 Schiffen aus und ge-
langte am dritten Tage vor Lesbos an, wo die Söhne Dorinos
einander bekämpften. Die von einem gewissen Sergio befehligten
Galeeren des Papstes entflohen nach Chios. So konnten die
Türken das Schlofs Molybos belagern, ohne imstande zu sein,
es zu erobern. Doch versprachen die Herren der Insel den
Tribut ungesäumt zu zahlen. Dasselbe taten die Maonesen von
Chios, die durch die Ankunft der sultanischen Flotte in grofsen
Schrecken versetzt worden waren , und der Herzog des Archi-
pelagus. Dank den Bemühungen des Kritobulos wurde auch
i) „Dipl. Rag." S. 611.
2) Vgl. Kritobulos mit Phrantzes S. 388fr.; Chalkokondylas S. 447^-;
Dukas S. 340 ff. ; Chron. breve , z. J. Die Erzählung des „serbischen Jani-
tscharen'' ist die eines ungelehrten und naiven Augenzeugen. Vgl. Hopf II, S. 128.
93 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
Imbros, für das der Despot Demetrios durch seinen Ge-
sandten Asanes ein Kharadsch von 3000 Dukaten anbot, wieder
gewonnen, und in Lemnos hatte der verständige , dem neuen
Herrn ergebene Grieche denselben Erfolg : die Schlösser Kotzinon
und Palaiokastron ergaben sich ihm zu Händen ^).
Und schon waren neue moreotische Unruhen ausgebrochen.
Zu Anfang des Jahres 1460 sahen die Osmanen in Patras wie in
der Ebene unter den Mauern der Stadt die Scharen des De-
metrios gegen die des Thomas kämpfen. Der vom Papste auf-
gestachelte ^) Thomas hatte das 1458 türkisch gewordene Kala-
vryta und andere Schlösser des Bruders eingenommen. Eine
durch den Metropoliten von Sparta vermittelte Versöhnung in
Kastritzi hatte keine Dauer ^). Thomas beschuldigte den Bruder,
dafs er, durch eine Heirat zwischen seiner Tochter und einem
Neffen des Königs Alfons, das Land den Aragonen in die Hände
spielen wolle *). Gegen den letzteren wurden der Falkenträger
Hamza, ein Albanese aus dem Hause Zenevisi^), und der neue
moreotische Sandschak Ahmed mit dem alten Amur und einem
gewissen Junis abgeschickt. Aber auch diese erneute türkische
Dazwischenkunft war nicht imstande, den Frieden auf der Halb-
insel wiederherzustellen ^).
Ein neuer kaiserlicher Zug war folglich zur Notwendigkeit
geworden. Vor seinem Antritt aber wollte Mohammed mit dem
höchst lästig gewordenen Skanderbeg ins reine gekommen sein.
Noch im Frühlinge 1459 schlugen die türkischen Janitscharen
und Spahis den Weg nach Albanien ein ; der Wesir Mahmud hatte
i) Kritobulos; Ch al k o k o n dy 1 as S. 470. Über ein Komplott, Imbros
und Lemnos den Venezianern zuzuspielen, s. SathasI, S. 231 — 232; vgl. Hopf
II, s. 152—153-
2) Vgl. im Briefe Pius' II. vom i. Juni 1459: ,,Peloponnesus ferme tota, que
Morea dicitur , ab Imperatore Turchorum rebellans , ad christianam devotionem
redierit"; Nürnberger Archiv L B, 69, 36. Siehe auch Rinaldi, zum J. 1459.
3) Phrantzes S. 391 — 392.
4) Sathas I, S. 232 — 233.
5) Hop f II, S. 129.
6) ChalkokondylasS. 459—460. Vgl. auch G e r 1 a n d , Patras, S. 69 — 70.
Abrundung des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed II. 9S
den Auftrag', den Weg durch diese schwierigen Täler zu öffnen,
und es gelang ihm nach Überwindung heftigen Widerstandes
seitens der Albanesen. Darauf konnte sich auch der Sultan gegen
Kroia wenden. Gegen seine überlegene Macht vermochte der
energische Herrscher des christlichen Albaniens nicht anzu-
kämpfen. Er versprach, dem nun feierlich anerkannten Ober-
herrn jedes Jahr statt eines in Geld zu bezahlenden Tributs
Schafe und Knaben für den kaiserlichen Hof zu entrichten *).
Im Sommer 146 1 segelte Skanderbeg, dessen Stellung- nunmehr
unhaltbar geworden war, nach Italien ^).
Im Frühling des Jahres 1460 wurde Morea das Ziel des Krieges.
Nach einem Marsche, der 27 Tage dauerte, gelangte Mohammed
im Mai 1460 von neuem nach Korinth, das die Griechen wieder
einzunehmen gehofft hatten. Scheinbar bekriegte er beide Paläo-
logen : den von Demetrios als Gesandten an ihn geschickten
Asanes liefs der Sultan einsperren. Demetrios selbst wurde von
Mahmud in seinem Misithra eingeschlossen; bald ergab er sich,
und vorher schon war Asanes seiner Haft entlassen worden.
Wie ein Fürst trat Demetrios in das Zelt des Sultans ein, wie ein
Gleichgestellter des heidnischen Kaisers, der sich vor ihm erhob
und ihm bis zur Tür entgegenging"; Mohammed bot dem Besiegten
die rechte Hand. Der Despot wurde mit allerlei Gaben, Stoffen,
Pferden usw. beschenkt. Es war nicht weiter wunderbar, dafs der
osmanische Herrscher die junge Tochter des unglücklichen,
demoralisierten Paläologen in seinen Harem nehmen wollte.
Demetrios erhielt dann nicht nur die Inseln Imbros , Lemnos,
Thasos und Samothrake , sondern auch Anos und aufserdem
Einkünfte, die mit denen seines eigenen Gebietes zusammen
nicht weniger als 300000 Aspern ausmachten^). Der ehemalige
Despot starb erst im Jahre 1470 als Mönch David in Adria-
i) Krit obulos.
2) Noch Ende des Jahres 1460 schickte Ragusa Briefe an denselben; „Dipl.
Rag." S. 748. Siehe auch Ljubic X, S. 146 — 147. Vorbereitungen zu
seinem Empfange, wenn er nach Ragusa kommen sollte, August 1461 ; ebenda
S. 751.
3) Vgl. auch Chalkokondylas S. 470.
94 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
nopel, nachdem er den Tod seiner Tochter, der ,, Sultanin",
noch erlebt hatte'). Demetrios Asanes, ,, der Urheber dieses
Unglücks", wohnte von 1460 an in Demotika, wo er im Jahre
1467 verschied ^).
Im Lande des Thomas aber änderte der Sultan sein Ver-
halten gegen die Einwohner. Während Misithra , nachdem
400 Janitscharen im Schlosse Aufnahme gefunden hatten , sich
jeder Schonung erfreute, wurde Kastritzi, das sich erdreistete,
eine Verteidigung zu versuchen, durch Ermordung von 300 Ge-
fangenen — einige wurden sogar gepfählt — , Knechtung der
Frauen und Kinder und Einäscherung der Häuser bestraft.
Gardiki zögerte nur einen Tag , seine Übergabe zu vollziehen,
und wurde doch nicht milder behandelt ^). Nun floh dei unglück-
liche Thomas aus Kalamata und Marathios nach Mantinea, dann,
Ende Juli, über Portolongo nach Korfu, von wo aus er sich,
am 16. November, nach einem kurzen Aufenthalte in Gravosa
bei Ragusa *) , nach Italien wandte , als der Sultan ihm Ver-
zeihung verweigerte , wenn nicht er selbst oder sein Sohn sich
ihm stellen wollten. Thomas' Gattin, die ,,Vasilissa", starb hier
auf fremder, venezianischer Erde ^). Thomas selbst lebte noch
bis ins Jahr 1465 ; sein ältester Sohn Andreas wurde vom Papste
als Nachfolger anerkannt; dieser und sein Bruder Manuel waren
Katholiken ^). Ein dritter Sohn, Gidos, wurde Beglerbeg Rums
und fiel im Kampfe mit Uzun- Hassan 1473 ^). Mitte Herbst
war Mohammed wieder in Adrianopel ^).
In Morea waren nur die venezianischen Besitzungen und das
im Namen des Papstes von einem katalanischen Korsaren besetzt
i) Phrantzes S. 449.
2) Ebenda S. 428 — 429.
3) Ebenda S. 4l6fif.
4) „Dipl. Rag." S. 748.
5) Vgl. auch Sathas I, S. 233«?.; „Dipl. Rag." S. 748.
6) Phrantzes S. 400 ff.
7) Ebenda S. 450.
8) Kritobulos; Chalkoko n dylas S. 47iff.; Dukas S. 340 und
Phrantzes S. 391 ff. Vgl. auch die Notiz des „serbischen Janitscharen" und
Seadeddin II, S. i83ff.
Abrundang des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed II. 95
gehaltene Monembasia, nebst einem griechischen Schlosse, noch
in den« Händen der Christen g-eblieben ^). Der Despot Tocco,
der in Leukas residierte, sah sich g-enötig-t, Angelokastron den
Türken zu überlassen ^). Unterweg-s hatte der Sultan den
Tyrannen von Athen , Franco ^) , und den Beg- Sag-anos er-
morden lassen *) und damit die ihm überlassene Herrschaft dem
moreotischen Sandschakat Hamzas einverleibt.
Unterdessen war nach dem Tode Calixtus' III. der Humanist
und unermüdliche Predigfer des Kreuzzug^s, der g^ewesene Legat
für Deutschland und Ungarn, Aneas Sylvius , als Papst Pius II.
auf den Stuhl Petri gestiegen. Obgleich alt und gebrochen,
stand ihm noch immer, alle anderen Interessen überwiegend, das
Ziel des allgemeinen christlichen Krieges gegen die Osmanen
vor Augen. Sein Pontifikat leitete er mit einer feurigen Er-
mahnung an die Christenheit ein , und alle Fürsten , besonders
aber die italienischen, erhielten die Einladung zu einem grofsen
Konzile in Mantua oder Udine ^).
Vielleicht schwebte Pius das Bild der grofsen Versammlung
von Piacenza vor Augen, wo Urban II. zu einer gewaltigen
Menge gesprochen und sie für den Kreuzzug begeistert hatte.
Als er aber, von dem jungen Mailänder Plerzoge Gian-Galeazzo
und den kleinen Herren Faenzas , Carpis , Carreggios usw. um-
geben, im Monat Mai 1459 in Mantua anlangte, fand er nur
wenige Vertreter der christlichen Mächte vor. Trotzdem wurde
seinen dringenden Bitten Gehör geschenkt und ein allgemeiner
Zug beschlossen. Das Reich sollte ein starkes Kontingent von
42000 Mann zusammenbringen, Ungarn, wo in Matthias, dem
schon im März zum König gewählten jüngeren Sohne Hunyadys,
ein tapferer und sehr ehrgeiziger König erstanden war, wollte
20000 Reiter beisteuern; der Herzog Philipp von Burgund erbot
sich, 2000 Reiter und 4000 Fufssoldaten zu schicken. Der Kaiser
i) Hopf 11, S. 130 — 131.
2) Ebenda S. 136. 3) Vgl. Hopf II, S. 128.
4) Ch alk o ko n d y la s S. 4S3.
5) Siehe auch cod. lat. mon. 519, fol. 79.
D6 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
selbst sollte den Generalhauptmann spielen, und der Papst hatte
versprochen, persönlich am Kriege teilzunehmen ').
Aber nur allzubald begannen die Absagen. Am 15. Januar 1460
zeigte Pius selbst an, dafs er verhindert sei, an der Spitze der
Kreuzfahrer zu erscheinen. Nur der griechische Kardinal Bes-
sarion wurde als ,, Engel des Friedens" ins Reich geschickt, um
Ablafs zu verteilen, den Zehnten zu sammeln und den Kaiser
anzuspornen ''').
Einen deutschen Reichstag zusammenzubringen war bis zum
Monat September 1460 unmöglich. Dann hielt der Kaiser in
seiner Stadt Wien, wo auch die Vertreter des Markgrafen von
Montferrat und des burgundischen Herzogs erschienen waren,
einen solchen ab. Die Reden Bessarions und des Burgunders
waren noch begeisterte Aufrufe zum Kriege. Es wurde von
150000 durch den Papst gespendeten Dukaten (20000 nach
Ungarn), von den an 200 Fürsten geschickten Briefen, von dem
Anerbieten des Herzogs, looo Fufskämpfer und 2000 Ritter
oder 18000 Dukaten zu opfern, von der Mission des Kardinals
von S. Angelo nach Ungarn und anderer Prälaten nach Frank-
reich, England und Spanien gesprochen. Unter den möglichen
Alliierten wurden nicht nur der polnische König , der von
„Possen", der Karamane und die Albanesen aufgezählt, sondern
auch die Tataren , ,, in Nahent des Kunigreichs Polan Grenitz,
die nicht machmetisch sollen sein" ^). Aber alle ,,hochen,
schönen, maisterlichen und trefflichen Reden und Furlegungen"
hatten keinen Erfolg. Man hielt ihnen entgegen, dafs die mantua-
nischen Beschlüsse ,,die germanische Nation" nicht binden
könnten, und suchte im Tode der Erzbischöfe von Trier und
Mainz, im ungarischen Königswechsel , im Mifstrauen gegen die
Welschen und die östlichen Nachbarn, und im Mangel an Nach-
richten über die Türken, Beweggründe für die Nichtachtung der
schon getroffenen Übereinkunft. Vergebens sprach Pius noch
i) Vgl. cod. lat. mon. 215, fol. 172; 7080, fol. 400 — 401 vo ; 459, fol. 246
bis 253 — der Brief Pius' vom I. Juni 1458. Siehe auch cod. lat. monac. 4143,
fol. 116.
2) Nürnberger Archiv L B 69, 36. 3) Nürnberger Archiv a. a. O.
Abrundung des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed IL 97
am II. Oktober, in einem Briefe an Friedrich III., von der
Ehrenpflicht Deutschlands ') und schlug- den Pfalzgrafen Friedrich
als vice-capitaneus vor 2). Das ganze Projekt erwies sich als
ebenso hohl wie die Exhortationen eines Tribrachius Mutinensis ^),
die Prophezeiungen Theodors von Rimini, des ,,excellente astrol-
logo", der das ,, stolze Tier des Ostens", das komme, um ,,das
Blut der Schismatiker zu vergiefsen ", verfluchte *), oder die von
Donato Belloria di Serravalle dem Legaten in Frankreich erteilten
Ratschläge ^).
Im ersten Eifer hatte der Doge von Venedig auch an die
christlichen Fürsten Asiens geschrieben, um ihnen den nahe be-
vorstehenden Kreuzzug zur Wiedergewinnung Konstantinopels
anzukündigen ®), und Bruder Lodovico von Bologna ging persön-
lich, um sie zur Beteiligung zu überreden. Auch erfolgte gegen
das Jahr 1460 seitens des georgianischen Herzogs von Cher-
chere (in Georgien) die Antwort '), dafs er sich mit König Georg
von Georgien , mit dem König Pangratios , mit Bendian , die
40000, bzw. 20000 und weniger Reiter zu geben imstande sei,
schon verständigt habe *). Gregor rechnete ferner auf die Hilfe
des armen trapezuntischen Basileus und seines mächtigen ,, Ver-
wandten" Usun-Hassan, des Schwiegersohnes des turkmenischen
Herrschers von Persien ^).
i) „Erit sine honore Germania si ad nihilum recidet tanta expectatio."
2) Ebenda; vgl. auch cod. monac. lat. 519.
3) Bibliothek von Ferrara II, 310: „Carmen de apparatu contra Turcum."
4) „Quel fiero animale che d'Oriente — Pare vegnir a spargere sangue
cristiano — De la meschina chismatica gente"; ebenda I, 604.
5) Cod. vindobon. lat. 2152. Vgl. auch eine „oratio Saracenorum regi Bo-
Jiemie tum missa, anno Mo CCCCo LXo"; cod. monac. lat. 218. S. auch Bibl.
Ambrosiana F. 33 Sup., fol. 112 vo.
6) „Le cosse che hariti ordinä sul facto dela recuperatione dela citä de Constan-
tinopoli.'^
7) „Gorgara, duca de Charcerche, in Zorzavia."
8) „Ho facto pace con lo re Zorzo, fiolo che fü di Alessandro, e con Pan-
grati, re de Chotatissa, di Zorzavia, e con Bendiano de la chä di Lipartia, signori
■de tuta Mengarilia. Noi tuti christiani che siamo qui a queste parte haverao
fato conventione e concordia insieme andar contra l'Infedeli con tute nostre pos-
sanze. . . . Insieme con Guglie et Avogarti, li quali instamente sono soi sugetti."
9) „Lo imperador de Trapessunda, inseme con Ugin Cassan Turcho, genero
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 7
98 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
Diese Verschwörung-, die „Anadol" für die Turkmenen und
zum Teile für die kleinen christlichen Fürsten gewinnen wollte,
galt es unschädlich zu machen. 1461 war Usun-Hassan, der
Führer der Turkmenen Akkojunlu, „des Weifsen Hammels ", als
Sieger über seinen Gegner Hassan-Ali, den Sohn Dschihans und
Führer der Nomaden des ,, Schwarzen Hammels", in den armenisch-
persischen Gebieten um das alte Tigranokerta ansässig. Doch
war er nicht stark genug, gegen die westlichen Türken Rums
das Werk eines Timur zu erneuern. Ganz Chorasan, Kerman,
Seistan und Fars, Afghanistan gehörten dem Timuriden Ebusaid
Mirza, dem Enkel Miranschahs, der die anderen Prätendenten
beiseite gedrängt hatte und sich fähig erwies, den in den letzten
Jahren wieder erfolgten Andrang der wilden Horden aus der
Steppe zu brechen. Im Kampfe mit den von Dschügi be-
fehligten Scharen des mächtigen Barbarenkönigs des Uzbegen
Ebulchair und jenen des Bürge-Sultans war er der Überlegene.
Soeben hatte der Nachfolger der grofsen Khane des Ostens
seinen Rivalen, Mirza Hussein, geschlagen und schickte sich
an, den besiegten Dschügi in der Festung Schahruchie, dem
alten Binaket, zu belagern. Usun mufste, nach der Einnahme
dieser Stadt, die 1462 auch wirklich erfolgte, einen Angriff
auf das ihm selbst unterstehende Aderbeidschan erwarten ^).
Unter solchen Verhältnissen mit dem Osmanenemir einen
schwierigen Krieg zu beginnen wäre für den ,, langen Hassan"
ein offenbarer Fehler gewesen. Weit eher war er bereit, seine
christlichen und mosleminischen Freunde an der Pontusküste zu
opfern.
Die Streitigkeiten zwischen Usun, der als Herausforderer im
alten prahlerischen Stile des Barbaren erscheint, und dem ruhig
sein Ziel verfolgenden Mohammed hatten schon um 1460 be-
gonnen. Der armenisch-persische Beg betrachtete sich kraft des
delo diclo imperador, e con Bardebecho, Arimenio, [che] hano facto parentä in-
sieme." Archiv von Mailand, Venezia, sec. XV — XVI, s. d. Ähnliche Hriefe
auch in den Werken des Aneas Sylvius.
l) Vambery II, S. i ff.
Abiundung des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed II. 99
Schwertrechtes, das auch die Leg-itimation des grofsen Vor-
fahren g-ewesen war, als echter und alleiniger Nachfolger Timurs,
und verlangte vom westlichen Nachbarn, den zu verachten sein
Ehrgeiz war, den lange ausstehenden Tribut an den kaiserlichen
Oberherrn. Er schätzte ihn für die sechzig Jahre seit dem Tode
Timurs , auf einig-e tausend Sattel , Teppiche und Turbane.
Mohammed antwortete, dafs er das Verlangte selbst bringen
werde. Damit waren die Feindseligkeiten unvermeidlich ge-
worden ^).
xA-uch den Tribut Trapezunts nahm der Turkmene, dem der
,, Grofskomnene " Kaiser Johann die Tochter seines Bruders,
des Kaisers Johann, zur Frau gegeben hatte, für sich selbst in
Anspruch ^). Aufserdem hatte er Hussein-Beg von Kojunli auf
der Jagd gefangengenommen und seine Stadt besetzt ^). Auch
wurde das armenische Ersindchan von ihm belag^ert *).
Im Frühlinge des folgenden Jahres wurde, sobald die mo-
reotischen Angelegenheiten geregelt waren, der Krieg in Asien
aufgenommen. Der Kapudan Kasim und ein zweiter Befehls-
haber zur See, Jakub , standen an der Spitze einer Flotte von
300 Schiffen. Da das Ziel des neuen Zuges unbekannt war —
soll Mohammed doch sogar dem Kadilisker und dem Obersten
Richter jeden Aufschlufs verweigert haben — , so zitterten alle
christlichen Dynasten bis zu den Moldauern im fernen Lico-
stomo für ihr Schicksal. Als aber der Sultan selbst mit dem
Hofe und den europäischen Kontingenten nach Asien hinüber-
ging, wo die Asiaten unter ihrem Beglerbeg und der Sohn des
Karamanen schon mit seinem Gefolge auf ihn warteten , wurde
offenbar, was bevorstand ^).
Einige Tage blieb Mohammed inBrussa und besuchte das Grab
seines milden Vaters. Dann wandten sich die Truppen nach Nord-
osten, überschritten den Halys und machten, da Amastris-
i) Dukas S. 339.
2) Chalkoko ndylas S. 490.
3) Seadeddin II, S. 199 — 200.
4) Ch alkokondylas S. 461.
5) Kritobulos.
7*
100 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
Simisso schon mehrere Monate vorher von den Türken besetzt
worden war i), erst bei Sinope-Sinob halt.
Die schöne, vom Meere umgebene Stadt war mit dem Kon-
tinente durch eine Landzunge mit prachtvollen Waldungen, wo-
hin sich die Emire zur Hasen- und Hirschjagd begaben, ver-
bunden. Ismael, dessen Sohn Hassan dem Angreifer, der durch
die zweite Heirat Sultan Murads ein Verwandter des Hauses Is-
fendiars war, entgegenkam, um ihm die Grüfse des Vaters zu
überbringen, verfügte über ein Heer, das bis auf loooo Mann
geschätzt wird, und über viele grofse und kleine, gewifs von den
Genuesen erstandene Bombarden und Geschütze; unter seinen
Schiffen zeichnete sich eines derart aus, dafs die osmanische
Flotte ihm keines an die Seite stellen konnte. Das Isfendiar-Ili
erstreckte sich zwar nur von Penderaki bis nach Paphlagonien
und zum Gebiete Turguts, dessen Tochter die zweite Sultanin
Mohammeds war und dessen Sohn sich gewöhnlich am Hofe des
Schwagers befand, war aber durch seine Erzbergwerke, die nur
denen Iberiens nachstanden und ihm jährliche Einkünfte von
200000 goldenen ,, Stateren" lieferten, ein sehr reiches Land.
Aber Ismael-Beg war kein Krieger, und an das träge orien-
talische Leben in seiner bisher geschützten und gesicherten
Residenz gewöhnt. Er wufste aufserdem , dafs jede Gegenwehr
von dem osmanischen Eroberer hart und sogar grausam bestraft
wurde. Nachdem er einige Tage dem vom Wesier und Kisil-
Ahmed geführten Vortrabe Widerstand geleistet hatte, entschlofs
er sich, die Provinz von Philippopolis und Freiheit von allen Ab-
gaben und Lasten zu verlangen. Doch bot man ihm das Gebiet
von Usküb in dem mazedonischen Gebirge an , und er konnte
nichts tun, als sich dem Willen des Mächtigeren fügen. Aus
dem Palaste des Isfendiaroglis raffte Mohammed alle Schätze zu-
sammen, und liefs die Bergwerke besetzen, die 50000 goldene
Stateren wert waren. Dann befahl er seinen neuen Untertan und
Sandschak mit allen, die sein Los teilen wollten, nach Rum ein- j
1) Kritobulos. Seadeddin spricht, U, S. 193 — 194, von einem persön-
lichen Zug, den Mohammed aus Boli gegen diese Stadt unternommen habe, um
den dortigen Fürsten gefangenzunehmen, was eine Unmöglichkeit ist. Vgl. Chal-
kokondylas S. 460.
Abrundung des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed II. 101
zuschififen. Einige Tage darauf zogen die Janitscharen auch in Ka-
stemuni ein, wo die Frau Ismails die Führung hatte '). Des Emirs
Bruder, Kisil-Ahmed, ein FlüchtUng und osmanischer Offizier in
Boli ^), der durch seine Ränke diesen Eroberungszug beschleunigt
hatte, wurde zum Befehlshaber von Sinope eingesetzt, während
Hassan, sein Neffe, die bisher von diesem innegehabte Stellung
eines Verwalters von Boli antrat ^). Doch wurde Kisil bald in
derselben Eigenschaft eines Sandschaks nach Griechenland be-
ordert und entfloh von dort an den karamanischen Hof und
zuletzt zu Usun-Hassan ^).
Nun ging die F"lotte der Osmanen weiter nach Osten zum
fernen Trapezunt hin, das noch mehr durch seine Schönheit als
durch seine Reichtümer die Aufmerksamkeit des Welteroberers
auf sich zog. Das Heer trat, nachdem es Amasien, wo der junge
Sultanssohn Bajesid befehligte, und dann Siwas berührt hatte,
bald in die Engpässe des Taurus ein, in denen es nicht weniger
als achtzehn Tage verblieb. Vielleicht niemals hatten die os-
manischen Truppen, und noch dazu bei regnerischem Wetter,
einen so gefährlichen Weg gemacht. Wie in Albanien zog,
während des sultanischen Zuges, Wesir Mahmud einen Tag vor-
an, bis er von einem türkischen Mörder am Gesichte verwundet
wurde ^). Es wurden alle möglichen Mafsregeln getroffen , um
die Person des Sultans zu sichern ; die Silichdare schritten ihm
zur Seite, bereit, mit dem Hagel ihrer Pfeile den Kaiser zu
schützen. Die ganze Reiterei bildete den Nachtrab und wurde
wieder von anderen Truppen im Rücken gedeckt. Ein Über-
fall der Turkmenen des ,,Weifsen Hammels" unter Kurschid,
i) Kritobulos und Chalkokondylas S. 485 ff. Nach Seadeddin hätte
Ismail die asiatischen Besitzungen Jenischehr, Ainegöl und Jarhissar bekommen, was
weniger glaublich ist; II, S. 199. Der türkische Chronist ist aber sehr ausführ-
lich : er setzt die Entsendung Ismails nach Philippopolis später an , hinter die
Flucht Kisil-Ahmeds ; siehe unten. Vgl. auch den „Serbischen Janitscharen", der
die bei Philippopolis befindliche Stadt Stenimaka angibt.
2) Seadeddin 11, S. 195 — 196.
3) Seadeddin II, S. 199; vgl. Chalkokondylas S. 485.
4) Seadeddin II, S. 206.
5) Dasselbe erzählt auch der „ serbische Janitschare ".
103 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
dem Neffen Usuns, wurde von Ahmed Kedük zurückgeworfen ').
Mohammed schien ins Aderbeischan selbst einfallen zu wollen,
um Usun für sein beleidigendes Verhalten zur Rechenschaft zu
ziehen. Die von Hamza-beg befehligten eurojDäischen Truppen
hatten Kojunli angegriffen und das Gebiet des Wesirs von
Turan und Iran verheert ^).
Usun aber war ebensowenig geneigt, sich auf einen Kampf
mit Mohammed einzulassen, wie dieser auf einen Zusammenstofs
mit dem mächtigen Turkmenen und einen Zug nach so ent-
legenen Gegenden, wo er sich bald auch Ebusaid gegenüber be-
funden hätte, vorbereitet war. So kam denn Sarah, die Mutter
Usuns, mit dem Lala ihres Sohns und verschiedenen Gaben,
ins osmanische Lager; und Mohammed, dem dieser Besuch
schmeichelte, liefs seine Truppen den nördlichen Weg nach
Trapezunt nehmen, das durch die Friedensvorschläge ihm ge-
wissermafsen überlassen worden war; er behielt aber die Turk-
menin, als Bürgschaft für die Aufrichtigkeit der friedlichen Ge-
fühle ihres doch sehr verdächtigen Sohnes, vorläufig bei sich.
Die trapezuntischen Basileis hatten während des 15. Jahr-
hunderts ein trübes und wenig ehrenvolles Dasein geführt. Die
Kaiserin des Kyr Alexios wurde öffentlich des Ehebruchs be-
zichtigt. Es war für ihren Sohn Johann ein Grund, seine beiden
Eltern ins Gefängnis zu werfen. Als Alexios die Freiheit wieder-
erhielt, wollte er die Thronfolge zugunsten seines zweiten Sohnes
Alexander, der nach der hier herrschenden türkischen Mode den
Namen Skandarios trug und mit einer Gattilusio von Lesbos ver-
heiratet war, regeln. Johann aber verstand es, sich Unterstützung
zu verschaffen, und als sich die, KaßaiCnaioi oder Kaßa'CiTidvoi
genannten trapezuntischen Leibgardisten, die Herren des Thema
Mega Chaldeia nahe bei Trapezunt waren, für ihn erklärten,
stürzte und tötete er den Vater, um dann als vollendeter Heuch-
ler die Mörder zu verurteilen, blenden und verstümmeln zu lassen.
Unter derart anarchisch - politischen und verbrecherisch - morali-
schen Verhältnissen bestand Trapezunt nur durch die Unter-
i) Se ad eddin II, S. 202.
2j Ebenda S. 199 ff.
Abrundung des Reiches in Europa und Asien unter Mohammed U. 103
Stützung der Könige von Iberien, aus deren Hause auch die Ge-
mahlin Johanns stammte, sowie die der in der Krim frei walten-
den Herren von Theodoroi (Mangup) aus demselben grofskom-
nenischen Hause ^) und durch die mit Geld und mancher Erniedri-
gung erkaufte Gunst der benachbarten Türken. Doch wurde diese
griechische Insel im Osten unter Johann einmal vom Scheik
Erdebil (Artobil) mit Truppen von Samos und anderen Inseln, dann
nach einiger Zeit wieder von Khidr von Amasia ^) besetzt , und
20OO Sklaven wurden aus ihr fortgeschleppt. Darauf erbot sich der
Vatermörder Johann, ein Kharadsch von 3000 Dukaten an den
Sultan zu entrichten, und erhielt sein ,, Kaisertum" zurück. Als
Johann starb, beseitigte sein Bruder David den vierjährigen Neffen
und begab sich, als treuer Vasall, zu Mohammed, um von ihm
als Sultan und Oberherrn bestätigt zu werden. Es war während
des ersten moreotischen Zuges ^). Als aber David zu Usun Be-
ziehungen anknüpfte und durch ein Familienbündnis besiegelte,
war sein Los entschieden.
An einen ernstlichen Widerstand seitens des unglücklichen
Fürsten war nicht einmal zu denken. Zwar wurde ein Vortrab
von angeblich 2000 Reitern hart mitgenommen ^) , und die von
Mahmud befehligte Belagerung währte volle 28 oder sogar
32 Tage, obgleich die Kanonen der Schiffe die Mauern an der
Meerseite stark beschädigt hatten und der im Zeltlager von
Skylolimne stehende Wesir heimliche Beziehungen zu Davids
Vetter Georg, einem anderen Prätendenten auf die Herrschaft,
unterhielt. Der Kaiser verlangte von Mohammed nur ein reiches
Leibgedinge und die Ehre, durch seine zweite Tochter mit seiner
sultanischen Hoheit in Familienverbindung zu treten ^). Das Los
i) Vgl. die Chronik des Panaretos, „Abhandlungen der bayerischen Aka-
demie" Jahrg. 1S44, viel besser im „'EkXrivo/xvrjjnojp" , Jahrgang 1907, von Lampros
herausgegeben.
2) Siehe auch Ch alk o k o n d y las S. 416.
3) Vgl. Chalkoko n dylas S. 461 ff., 491 ff. Die Chronik von Pan a r e t o s
geht nicht so weit.
4) „Serbischer Janitschare."
5) Mischehen zwischen den kaiserlichen Prinzessinnen Trapezunts und den
benachbarten mosleminischen Häuptlingen gehörten nicht zu den Seltenheiten.
104 Erstes Buch. Fünftes Kapitel. Abrundung des Reiches usw.
des Demetrios Paläolog-os war es , was er erstrebte ; aber der
Sultan wollte diesmal auf keine Bedingungen eingehen. Die
Janitscharen zogen durch eine Bresche in Trapezunt ein. Eine
ihrem Korps entnommene Besatzung von 400 Osmanen wurde
in der Stadt zurückgelassen; Asapen erhielten in der unteren
Stadt Wohnungen. Kasim bekam zur Belohnung das Sandschakat
von Tribizund, während die mächtige militärische Aristokratie
von ihren Gütern verdrängt wurde, um den neuen Spahis Khidrs
Platz zu machen. Einige der Bewohner wurden unter die os-
manischen Krieger als Sklaven verteilt, viele andere eingeschifft,
um Konstantinopel geschickte Meister und verständige Bürger
zuzuführen; 1500 junge Leute kamen an den Hof des Sultans
und traten in die Reihen der Janitscharen '). Das Schicksal
Trapezunts war das einer im Sturm eroberten Stadt.
Durch die engen Täler des Gebirges und das Land der be-
rüchtigten unbändigen Tzanen gelangte Mohammed dann in acht-
undzwanzig Tagen nach ßrussa. Noch vor Ende des Herbstes sie-
delte er nach Europa über. Hier waren David, die Kaiserin, die
dem Sultan angetragene Tochter, der kaiserliche Sohn Georg
und der Vestiar und einflufsreichste Rat Georg Amirutzi, ein in
vielen Zweigen der Wissenschaft unterrichteter Mann , bereits
vor ihm angelangt; Johanns Sohn Alexios war in Lesbos zurück-
gelassen worden. Die junge Prinzessin trat in den Harem ein, und
der vorbestimmte Thronfolger nahm den Glauben des Islams an.
Als aber, dank dem Verrate des Amirutzi, ein Brief der mit Usun
verheirateten Tochter Davids zur Kenntnis Mohammeds gelangte,
liefs dieser alle männlichen Mitglieder des kaiserlichen Hauses von
Trapezunt ermorden; nicht einmal der Renegat Georg entging
diesem grausamen Schicksal ^). Die kaiserliche Prinzessin Anna
wurde zuerst mit Saganos, dem mazedonischen Sandschak, dann,
als dieser seiner Stellung entsetzt und getötet wurde, mit einem
,, Sohne" des Ewrenos, ,,Jyon" (Junis), verheiratet; zuletzt liefs sie
Mohammed zum Islam übertreten und in seinen Harem bringen ^).
1) Kritobulos und Ch alkoko ndy las S. 497.
2) Chalkokondylas S. 497 — 498. 3) Ebenda S. 527,
Sechstes Kapitel.
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe
Mohammeds an der Donau mit Rumänen und Ungarn.
Nach langer Unterbrechung" konnte Mohammed jetzt auch
wieder an die nördliche Grenze denken , die von Ungarn und
Rumänen angegriffen worden war.
Der Despot Lazar freilich hatte sich mit Mohammed zu
stellen gewufst, indem er den Tribut mit 2000 Dukaten zu
erhöhen versprach, und war sogleich bestätigt worden '). Auch
wird ihm ein Angriff auf die Ungarn, denen er die Festung
Kowin (Keve) entrissen haben soll, zugeschrieben. Jedenfalls
wurde auch seitens des neuen ungarischen Königs nichts gegen
ihn unternommen. Unvorhergesehen starb aber Lazar schon am
20. Januar 1458.
Seine Witwe Helene, eine Tochter des Thomas Paläologos,
war nicht imstande, das zerrüttete und geschwächte Serbien zu
halten. Um so weniger, als es an Bewerbern um die Erbschaft
nicht fehlte. Einer derselben, Gregor, weilte bei dein Sultan,
bis er das Kleid eines Mönches des Klosters Chilandar auf dem
Athos anzog; er starb erst 1460 ^). Georgs ältester Sohn kam, ob-
gleich blind, mit türkischer Hilfe in seine Erbschaft ^), sein Sohn
Wuk soll in Semendria eingezogen sein *) — später flieht er
nach Ungarn und schliefslich nach Albanien ^) — ; Stephan, ein
i) Chalkok ondy las S. 414 — 416.
2) Engel, Geschichte von Serwien, S. 415.
3) „Mon. Hung. Hist.", Acta extera IV, S. 12.
4) Ebenda S. 18.
5) Engel, Geschichte von Serwien, S. 413.
106 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
zweiter Bruder Lazars, weilte ebenfalls in Semendria. Auch die
Gräfui-Witwe von Cilly, die „Kantakuzenin" der rag"usanischen
Quellen, die 1461 nach Rag-usa kam '), machte von sich reden ^).
Ferner sprach man in Kreisen, die die ung-arischen Ang'elegen-
heiten am besten kannten , laut von der Absicht Szilagyls , das
ihm anvertraute und neuerdings verstärkte Belgrad mit Semendria
und dem den Brankowitschs verbliebenen Teile Serbiens ver-
einigen zu wollen ^). Jedenfalls besetzten Truppen aus Belgrad
drei Schlösser, darunter das von Lazar eroberte Kowin und das
sehr wichtige Golubatsch *). Helena wandte sich auf den Rat
ihres Vaters, der in engen Beziehungen zur Kurie stand, an Papst
Pius und stellte sich unter den Schutz des Heiligen Stuhles (März).
Der päpstliche Legat in Ungarn, der Kardinal von S. Angelo,
erschien, um die Oberherrschaft des Papstes über Serbien öffent-
lich zu verkündigen ^). Aber nur der Sultan war imstande, seine
angeblichen Rechte auf das schutzlos daliegende Land durch-
zusetzen.
Zur Zeit, als er sich zum ersten Kriege gegen die Paläologen in
Morea rüstete (1458), schickte Mohammed den Wesir Mahmud und
dessen Bruder „ Amolulo Angelowitsch", der sich als Prätendent auf-
spielte*'), nach Serbien, um das ganze Land in Besitz zu nehmen;
der Sandschak von Vidin mufste dem Wesir Beistand leisten;
auch die Donauflottille wurde zur Hilfe herbeigezogen '). Es
wurde den Türken leicht, am 10. Mai die Festung Resawa ein-
zunehmen, und viele Schlösser, die noch von einheimischen Woi-
woden gehalten wurden, erlitten dasselbe Schicksal. Vor Se-
mendria angelangt, drangen die Türken in die Stadt ein, aber
die Besatzung des starken Schlosses hielt sich wacker. Nach
längerem Widerstände ergab sich auch das schon vorher ange-
1) „Dipl. Rag." S. 749, 752.
2) Siehe auch über die Gräfin „Mon. Hung. Hist. " a. a. O. V, S. 98 — 99.
3) „Mon. Hung. Hist." IV, S. 12, 16 — 17, 20, 28, auch S. 65 — 66.
4) Ebenda S. 19.
5) Raynaldus, und Theiner, Monumenta Slavorum meridionalium.
6) „Mon. Hung. Hist." a. a. O., S. 18.
7) „Mon. Hung. Hist." a. a. O., S. 27 — 28.
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 107
griffene Golubatsch. Auch Ostrowitza wurde berannt *), und die
Bergwerke von Rudnik, wo viele Ragusaner hausten, gingen in
türkische Hände über ^). Bis in die nächste Umgebung Belgrads
drangen sie vor ^). Erst Anfang September kam der Zug zum
Abschlufs; er hatte einen vollen Erfolg gehabt. Mahmud hatte
sich wieder nach Kossowo zurückgezogen, während König Matthias
sich schon der Donau näherte.
Auch die ungarischen Grenzprovinzen an der Donau und der
Sau waren von xA^sapen, trotz den von Michael Szilägyi schon
im Winter getroffenen Mafsregeln, betreten worden und viele
Gefangene folgten den Türken auf ihrem Heimwege. König
Matthias, der bald nach seiner Wahl mit alten Feinden und ge-
wesenen Freunden seines Hauses, ja mit seinem eigenen Oheim
Michael Szilägyi , der die Macht für sich selbst erstrebte , zu
kämpfen oder zu hadern hatte, raffte eilig einige Truppen zu-
sammen und kam an die Donau , die er auch überschritt , um
Belgrad zu verstärken und es dadurch vor der Gefahr, türkisch
zu werden, zu retten. Im Monat Oktober 1458, als der Sultan,
den Mahmud hier erwartete, in Usküb anlangte, weilte der junge
ungarische Herrscher in der seit 1456 weltberühmten „ Nandor-
alba", nachdem er die in Südungarn streifenden Türken zurück-
geworfen hatte. Szilägyi drang mit 3000 Ungarn in das ihm
wohl und rühmlich bekannte Schlofs ein. Wie 1456, sammelten
sich auch diesmal viele Tausende Kreuzfahrer jenseits der Donau ^).
Aber Matthias liefs den ihm so verhafsten und für das Reich
doch so unentbehrlichen Oheim in Belgrad, das so manche
Tragödie der Art schon gesehen hatte , gefangennehmen , und
rühmte sich laut dieser Tat^). Zum Glück für den Sieger, dachte
Mohammed nicht daran, den König anzugreifen, und Matthias
selbst hatte keine Lust, sich aul Unternehmungen einzulassen.
1) Ebenda a. a. O., S. I5ff. ; Brief des Szilägyi vom 14. Mai; S. 25.
2) Vgl. die Angabe der „Serbischen Annalen" und die in den Hauptlinien
richtige Erzählung bei Seadeddin II, S. 186 ff. Vgl. Kritobulos.
3) „Mon. Hung. Hist." a. a. O., S. 35 — 36.
4) Ebenda a. a. O., S. 37.
5) Fefsler III, S. 16.
108 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
Diejenigen , die ein feindliches Zusammentreffen beider erwarte-
ten, wurden enttäuscht *).
Helenas Stellung' aber war durch die Ereignisse immer un-
haltbarer geworden, wenn sie sich auch noch in Semendria be-
fand. Um auf die serbische Erbschaft Anspruch zu erheben,
kam im Jahre 1459 der seit 1455 unter dem Schutz des Papstes
stehende König Stephan Thomas von Bosnien nach Ungarn, den
Johann Hunyady selbst in sein Reich eingesetzt und der des
öfteren erklärt hatte, lieber in den Reihen des grofsen christ-
Hchen Heeres fallen zu wollen als den von ihm mit Sicherheit
vorhergesehenen Angriff der Türken auf ihn und die Vernichtung
Bosniens mit Augen ansehen zu wollen ^). Stephan hatte schon
1458 um Serbien Krieg gegen die Beamten Helenas im südwest-
lichen Winkel angefangen und auch gegen die dort eingenisteten
Türken gekämpft. Nicht nur drei oder fünf Schlösser waren ihm
zugefallen, sondern auch, vor dem 22. Februar ^), das hochwichtige
Srbrnica, das dadurch wieder an einen slawischen Herrscher
kam. Der Sultan scheint ihm diesen neuen Besitz bestätigt zu
haben, wofür er einen Tribut von 9000 Dukaten an die Pforte
entrichtete *). Stephans gleichnamiger Sohn hatte sich gegen
das Ende des Jahres 1458 mit Jelatscha (Helena), der einzigen
Tochter des verstorbenen Despoten, verlobt. Vater und Sohn
erschienen auf dem im Dezember nach Szegedin berufenen un-
garischen Reichstage, der sich besonders mit der Frage des
Türkenkrieges beschäftigte. Er fafste Beschlüsse über die Aus-
hebung von Husarenbanderien auf den Besitzungen des Königs
und der Prälaten, von Reitern auf den Gütern der Edelleute, der
Szekler, Kumanen, Sachsen usw. und, wenn nötig, der gesamten
streitbaren Bevölkerung, und auch die bosnischen Fürsten er-
reichten, was sie erstrebten. Die ganze Erbschaft der Branko-
i) „Dipl. Rag." S. 612.
2) Siehe auch seine 1456 Venedig gegenüber abgegebene Erklärung: „Quo-
tidie indesinenter ruinam regni nostri nobis inferri a Turcorum Imperatore ex-
pectamus"; Ljubic X, S. 88. Vgl. Klaiö S. 401 ff.
3) Das Datum in Klaic S. 405.
4) „Mon. Hung. Hist. ", Acta extera IV, S. 6, 11, 29.
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 109
witschs, von denen zwei, Stephan, der jetzt aus Ung-arn flüch-
tete, und Wuk, der jung-e Sohn Greg-ors, noch lebten, wurde
den Mitg-liedern dieser anderen serbischen Dynastie verHehen ^).
Durch die am i. Mai 1459 g'eschlossene Heirat des jung^en
Stephan mit Jelatscha, der Tochter Lazars, erhielt die Union
Bosniens mit Donauserbien verstärkte Rechtskraft.
Doch sollte das bosnische Interregnum Serbien nicht vor
dem schliefslichen Unterg-ang- retten. Im Monat Juli 1459 wurde
Semendria von den Türken wiedererobert; Alibeg- Michalogli
erhielt das neue Sandschakat ^). Helena, von ihren Woiwoden
verraten ^), durfte mit ihren Schätzen nach Ung'arn ziehen. Bald
darauf beg-ab sie sich nach Italien, wo sie ihren ebenfalls flüchti-
g-en Vater antraf; der Heilig'e Stuhl gewährte ihr seinen be-
sonderen Schutz, und sie starb als Nonne erst im Jahre 1474 *).
Die natürliche Folge der völligen Eroberung Serbiens mufste
ein Vernichtungskrieg auch gegen Bosnien sein.
In diesem Lande war Stipan, „Herzog von S. Sabbas, Herr von
Chum und dem Meeresufer, Graf von Sdrina und Grofs-Wojwode
des ganzen bosnischen Reiches " ^), für Stephan Thomas der alte
Nebenbuhler geblieben, der mit osmanischer Hilfe sein Gebiet,
sowohl auf Kosten des Königs, als auch Ragusas — Venedig
wagte er nicht anzugreifen, wenn dieses ihn auch beschuldigte,
vom Sultan die Belehnung mit der Zenta und Cattaro verlangt
und erhalten zu haben — , zu vergröfsern suchte ''). Vergebens
hatte die an den bosnischen Zuständen stark interessierte Republik
noch 146 1 eine Verständigung zwischen den beiden Fürsten, die
1) Katona XIV, S. 166 — 168. Vgl. „Mon. vaticana Hungariae" I, Bd. VI,
S. iff. ; „Acta extera" IV, S. 30 ff.
2) Vgl. „Serbische Annalen" in Bogdan a. a. O., S. 524, Kritobulos
und den ,, Serbischen Janitscharen ".
3) Siehe Chalkokondylas S. 460.
4) Engel a. a. O., S. 415; vgl. Phrantzes S. 446 — 447.
5) So zeichnet er in einem Briefe an den Herzog von Mailand ; Blagaj,
25. September 1458; „Mon. Hung. Hist." VII, S. 287—288. Daselbst (S. 288 bis
289) wird auch sein Sohn Wlatko erwähnt.
6) Vgl. Ljubic X, S. 94, 115.
110 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
doch von derselben Gefahr bedroht waren und be\veg"Hch darüber
klagten, zustande zu bring-en versucht "). In sich zerspalten, er-
warteten die bosnischen Staaten wie gelähmt den Todesstreich
von der schonungslosen Hand der Türken. Der 1460 unter-
nommene Einfall derselben ins Gebiet Cherzeks, der 40000 Du-
katen entrichten mufstc , schien gleichsam der Anfang vom
Ende zu sein ^).
Als der alte König am 10. Juli 1461 während des Kampfes
mit dem neuen kroatischen Ban Paul starb ^) und der junge
Stephan den Thron bestieg, ohne sich beim Sultan einzufinden,
war es offenbar, dafs ein entscheidender kaiserlicher Zug erfolgen
mufste. Auch hatte Stephan Tomasche witsch seine Vorkehrungen
getroffen ; es war ihm gelungen, den von den serbischen Osmanen
angegriffenen Stipan auf seine Seite zu bringen, und, als er in der
starken Festung Jaice seine Residenz nahm , war der bosnische
König von allen Baronen, Knezen und Woiwoden des Reiches um-
geben. Sie waren auch zugegen, als ihn der Papst, allen Gegen-
vorstellungen seitens des neidischen Königs von Ungarn *) zum
Trotz , krönen liefs , was sein Vater nicht erlangt hatte ; auch
Wlatko, der tapfere ältere Sohn Stipans, weilte damals in Jaice.
Stephan nahm den Titel eines Königs von Serbien, Kroatien und
Dalmatien an und suchte sich mit Festen und leeren Titeln über
die Nähe der letzten Tage seines Lebens und seines Reiches
hinwegzutäuschen ^).
Nur der Zufall rettete ihm noch für einige Zeit. Schon
während des Frühlings 1460 hatten unter Belgrad, w^o der Ban
Simon Nagy von Macsö befehligte , Kämpfe stattgefunden , und
die Ungarn fürchteten sogar eine Belagerung der Stadt ^). Ehe
Sultan Mohammed sich gegen Trapezunt wendete, erhielt er die
Nachricht, dafs Ali-beg den in sein Gebiet eingefallenen Szilägyi,
den Oheim des ungarischen Königs — der sich letzthin mit
i) Ljubic X, S. i64ff. 2) Ebenda S. igaff.; Klaiö S. 411— 412.
3) „Mon. Hung. Hist." IV, S. 85.
4) „Mon. Hung. Vaticana" I, VI, S. 18 — 19.
5) Klaic a. a. O., S. 4i4ff.
6) „Mon. Hung. Hist." a. a. O., S. 7 7 ff.
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 111
Matthias versöhnt hatte *) — , mit einem der Edelleute, die ihn
begleiteten, an der bulgarischen Donau gefang-engenommen
habe. Die Gefangenen wurden nach Konstantinopel gebracht
und hier im Januar 146 1 auf Befehl des Sultans wie gemeine
Friedensbrecher geköpft ^). Damit war, wenn auch in bescheide-
nem Umfange, der Krieg mit Ungarn eröffnet.
Matthias dachte freilich noch nicht daran, unter seiner eige-
nen Führung oder wenigstens unter seinem Namen einen Reichs-
krieg gegen die Türken zu führen. Wollte er doch nicht ein-
mal den von Ali-beg Michalogli 1460 — 61 gemachten Einfall
rächen, der, nachdem Kulpa und Szava- St. -Demeter verbrannt
worden waren, bis Futtak gelangte; der türkische Befehlshaber an
der ungarischen Donau wurde schliefslich von Michael Szilägyi
und Peter Sokoli zurückgeschlagen.
Als Ali dann wieder ins Temesvärer Banat eindrang, mufste
er sich vor den vom Woiwoden Pongracz befehligten sieben-
bürgischen Truppen zurückziehen ^). Matthias hielt sich nicht für
verpflichtet und berufen, diesen Friedensbruch seitens der Türken
zu rächen. Er überliefs die gefährliche Aufgabe, dem Sultan
an der Donau Unannehmlichkeiten zu bereiten, seinem walachi-
schen Vasallen Vlad, dem seine Grausamkeit, seine perverse Lust,
Menschen pfählen zu lassen, den Beinamen des Tepes („Pfählers")
eingetragen haben.
Vlad hatte nach dem Entsätze Belgrads im September 1456
die Oberhoheit des Königs Ladislas anerkannt, der die Politik
des Cillyers gegen die Hunyadys vertrat. Darum nahm sich
Ladislaus Hunyady der Sache des Prätendenten Dan an, des
Bruders des Fürsten Vladislav, des ermordeten Vorgängers
Vlads. Dan weilte in den sächsischen Städten Siebenbürgens
und wurde von ihnen unterhalten. Als Vlad sich bewufst wurde,
1) Kronstädter Archiv, Stenner I, nr. 15. Brief vom Montag vor Pfingsten
(26. Mai) 1460.
2) „Serbischer Janitschare" ; „Mon. Hung. Hist." a. a. O., S. 67; Fefsler
m, S. 24.
3) Bonfinius, dec. El, 1. IX.
112 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
dafs durch die Erwählung- des bald auch mit dem Oheim ent-
zweiten König-s Matthias und die Ausrufung eines Gegenkönigs
in der Person des Kaisers Friedrich durch die Gegner des Hauses
Hunyady, der Frieden Ungarns für lange Zeit in Frage gestellt
und seine Kraft gelähmt sei, begann er, die Siebenbürger zu
reizen und zu schädigen. Am 2. März 1460 schritt infolgedessen
Dan zum Einfall in die Walachei , und zwar mit Wissen und
Willen des Königs Matthias ; denn die Sache Friedrichs hatte er
letzthin verlassen. Doch nahm ihn Vlad gefangen und liefs ihn
kaltblütig hinrichten , nachdem er seiner eigenen Begräbnisfeier
beigewohnt hatte. Dans Anhänger, selbst die Frauen mit den
Kindern an der Brust, wurden gepfählt. Da die Siebenbürgen!
in ihren Städten noch weiteren Prätendenten Zuflucht gewährten,
so unternahm Vlad im Frühlinge und im August 1460 grausame
Verheerung-szüge in die Gegend von Kronstadt und die des 01t-
landes, um Hermannstadt. Er galt damals als treuer türkischer
Vasall '), und man erinnerte sich, dafs er wie sein Bruder Radu,
beide Söhne Vlad Draculs , als Geisel für den Vater am Hofe
Murads erzogen worden war.
Dann aber trat eine Wendung in der Politik Vlads ein. Der
„Untertan" Mohammeds hatte keinen Tribut entrichtet, und der
Sultan war nicht gesonnen, an seinen Grenzen kleine christliche
Fürsten zu dulden, die sich als saumselige Tributzahler erwiesen.
Aufserdem hatte Vlad, als ein Anhänger der alten Hunyadyschen
Politik, wie sie durch den verstorbenen Helden Johann selbst und
nach ihm durch Szilagyi vertreten worden war, neuerdings mit
dem Könige, der sich mit seinem Oheim versöhnte, Frieden ge-
schlossen ^). Um den nützlichen Nachbar für immer an sich zu
fesseln, verlobte ihm Matthias eine Verwandte ^).
1) Ljubic X, S. 165; Februar 1461 : ,,Tolse [Maometto] tuta la Vlachia,
la quäl se tegniva cum li Hungari, la quäl anchora signoriza al presente.'' Auch
in „Mon. Hung. Hist." a. a. O. S. 68.
2) Aber schon im Juni 1460 war, nach der Verständigung zwischen Matthias
und Szilagyi, Befehl ergangen, walachischen Kaufleuten keine Schwierigkeiten in
den Weg zu legen ; Kronstädter Archiv a. a. O.
3) Bogdan, Vlad fepei?, S. 78 ff.
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 113
Als die Kunde davon an die Pforte gelangte, erging- an
Vlad durch Katabolinos, den bekannten griechischen Kanzler des
Reiches, der schon manchem christlichen Fürsten solche ver-
hängnisvolle Weisung überbracht hatte, ein Ultimatum, das von
ihm den — seit seiner Erhebung 1456 — rückständigen Tribut
für fünf Jahre, in Höhe von 10 000 Dukaten, also jährlich 2000,
wie auch die Moldau bezahlte ^) , ein jährliches Geschenk
von 500 Kindern und 50 Pferden, wie es von eroberten Städten
erhoben wurde, die Abtretung der von den Türken innegehabten
Donaufestungen Giurgiu, Turnu (Klein-Nikopolis), als einer Raja,
einer Verproviantierungszone, und das Erscheinen des Fürsten am
kaiserlich osmanischen Hofe forderte. Als Antwort griff Vlad den
bei Giurgiu auf ihn lauernden Beg Hamza, den Befehlshaber von
Nikopolis und Vidin , auf und liefs ihn vor den Toren seiner
Hauptstadt Tirgoviste pfählen. Dasselbe Schicksal hatten noch
andere Gefangene. Alle an der Donau und am Meere befind-
lichen türkischen Festungen vom entfernten Jeni-Saleh (Dobrud-
scha) und der Umgebung Chilias an, dann Hirsova, Tutrakan,
Marotin , Giurgiu, Rustschuk, wo der Schlofshauptmann getötet
wurde, weiter die Umgebung von Nikopolis, dessen Subaschi, einen
Sohn des Firuz, dasselbe Los ereilte — Vlad liefs ihn köpfen — ,
auch Turnu, Svischtov, Samovit, Gigen, Rachowa (Orechowo), wo
ein neuer walachischer Hauptmann eingesetzt wurde, sahen die
sengenden und brennenden Rumänen des Woiwoden erscheinen,
der dem Könige eine stark übertriebene Zahl seiner kriegerischen
Opfer zu übermitteln sich beeilte 2). Am 11. Februar 1462 stand
Vlad bluttriefend an der Donau und rief die ihm geschuldete
ungarische Hilfe an.
Diese kam selbstverständlich , allen Versicherungen , die
Matthias auch dem venezianischen Gesandten gegenüber abgab
und dem nach Siebenbürgen hin erteilten Befehle zum Trotz,
nicht 2); Matthias hatte noch vollauf in Ungarn selbst mit den
1) Dukas S. 345; meine „Acte ?i fragmente" IIP, S. 12.
2) Vlad 1.'epe$ S. 78 f. Vgl. auch meine im Drucke befindliche „Gesch.
des rumänischen Kriegswesens."
3) Zeitschrift „Colunina lui Traian" 1883, S. 34 — 35.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. 11. 8
114 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
Anhängern Friedrichs und den umherstreifenden böhmischen
Rotten Giskras zu tun. Auch hatte der König- um so mehr An-
lafs vorsichtig zu sein, als man im Frühhnge dieses neuen Jahres
allgemein glaubte , dafs Mohammed , der Schiffe für die Donau
sammelte, Belgrad angreifen werde. Als er aber, am 26. April,
seine Residenz verliefs, wurde bald ersichtlich, dafs er es nur auf
Bestrafung der Walachei abgesehen habe , was freilich die Ein-
beziehung Sieberftjürgens in die Feindseligkeiten nicht ausschlofs,
wie das schon Murad II. , zu den Zeiten des Vlad Dracul,
getan hatte. Mitte Mai stand entweder Mohammed oder jeden-
falls der, wie gewöhnlich, vom Wesir Mahmud geführte Vortrab
in Nikopolis, Auch war eine die Morawa abwärts gesegelte
serbische Flottille unter den Mauern Vidins erschienen und er-
leichterte den Übergang über die Donau. Der geringe Wider-
stand der mit Pfeilen bewaffneten rumänischen Bauern konnte die
beste, vom ersten Kriegsführer befehligte Armee der Welt nicht
auf die Länge abhalten. Mahmud gelangte mit 120 Bom-
barden als erster auf das niedrige, sumpf- und waldreiche walachi-
sche Ufer (Anfang Juni).
Die Osmanen waren an den Kampf in Ländern mit starken
Festungen und befestigten Residenzen gewöhnt. Solche einzu-
nehmen war nicht immer leicht, aber wenn sie sich einmal in den
Händen der Türken befanden, waren diese wenigstens versichert,
dafs ihnen eine neue Provinz für die Dauer gehöre. Die Ru-
mänen lebten jedoch zum gröfsten Teile auf dem Lande in
Dörfern; die wenigen, meist von Sachsen und Ungarn erbauten
Städte lagen unter dem Gebirge und bildeten einen ausgedehn-
ten Halbkreis ; aufser an der langen , mit Buden umsäumten
Handelsstrafse waren nur kleine bäuerliche Häuser zu sehen ;
höchstens erhob eine Palisade oder ein niedriger Graben den
Anspruch, gegen leichtere Überfälle zu schützen. Nur der Hafen
Bräila, dessen hölzerne Häuser die Asapen niederbrannten, war
einigermafsen befestigt, und oben im Argeser Gebirge ragte
die neue, von Tepes selbst gebaute Feste Poienarl auf, deren
Trümmer noch heute auf einem hohen F'elsen zu sehen sind.
Einem Volk gegenüber, das in solchen Verhältnissen lebte, war
Mohammed einigermafsen in Verlegenheit.
Serbisclie Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 115
Er schlug- die Richtung- auf die gewöhnUche Residenz des
Fürsten ein — in diesem Lande pflegte sich der Herrscher wie in
Bosnien von einem Orte zum anderen zu begeben, um Recht zu
sprechen • — , und war verwundert, als Tirgoviste offen und von
allen Bewohnern verlassen vor ihm lag. Die Familien der Landes-
bojaren hielten sich in einem von einem tiefen Teich umgebenen
Schlosse, sehr wahrscheinlich Snagov — nicht weit von Bukarest — ,
an das sich so viele Erinnerungen an Tepes knüpfen, versteckt.
Der Sultan erblickte voll Grausen die von der Sonne des
Sommers und dem Unwetter des Winters g-edörrten Gebeine
seiner Krieger; auf den Pfählen nisteten die Vögel des lachen-
den lalomitatales.
Während des ganzen Zuges kam es zu keiner Schlacht.
Nur die türkische Chronik weifs von einem Angriff der rumäni-
schen Bojaren auf das Hauptheer, das sie lediglich für den Vor-
trab gehalten hätten , zu erzählen ^). Vlad war verschwunden.
Aber in einer finsteren Nacht wagte er einen Überfall auf das
sultanische Lager. In der daselbst entstehenden grofsen Un-
ordnung fielen viele von den Osmanen durch türkische Hand.
Ali-beg Michalogli ^), zu dessen Zuständigkeit damals alle Kriegs-
unternehmungen an der Donau gehörten und der als ein guter
Kenner des Landes hier den Führer spielte, gab vor, die bei
Tagesanbruch verschwundenen Rumänen verfolgt zu haben; er
brachte einige abgeschnittene Köpfe mit und rühmte sich, die
kühne Tat gerächt zu haben.
Es war das noch vor der Ankunft in Tirgoviste. Vlad aber
begab sich in der gröfsten Eile nach Chilia, das sein Nachbar,
Stephan, der neue, sehr unternehmende und schon damals eine
ehrgeizige, doch keineswegs abenteuerliche Politik treibende Fürst
der Moldau, mit allen seinen Kräften belagerte ; er wollte, die Ver-
wicklungen Vlads benutzend, seinem Fürstentume die natürliche
Grenze gegen Süden verschaffen, um die es seit einiger Zeit
i) Seadeddin II, S. 212 — 213.
2) Nach Seadeddin II, S. 212 fälschlich: „Ali der Sohn desEwrenos"; auch
Skander, der Bruder Alis, dann Bali-beg, der Sohn des Malkotsch, Nassuch, der
Sandschak von Albanien, und Umur, der Sohn Dauds, befanden sich im Heere j
ebenda S. 213.
116 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
mit der Walachei kämpfte. Vlad kam in die Stadt, und am
22. Juni wurde Stephan am Fufse verwundet.
Währenddessen drangen die von Omar, dem Sohne Tura-
khanbegs und früheren Sandschak von Morea, befehUgten Asapen
in die Täler der Karpathen, um Beute zu suchen und für den
Unterhalt des mächtigen Heeres zu sorgen. Es war der einzige
Erfolg der Türken. Im Juni war die Hitze nicht nur in der walachi-
schen Steppe, sondern auch in der Nähe des Gebirges unerträg-
lich. Der osmanische Chronist klagt mit folgenden Worten darüber :
„ Sechs Meilen Weges war kein Tropfen Wasser zu fmden, und
es war so heifs, dafs die Erde wie Feuer brannte, und das Eisen
schien sich wie Wachs zu erweichen und das Herz der Krieger
brannte von grofser Hitze und Durst ')." Im osmanischen Lager
begann sich Hungersnot bemerklich zu machen und der Rück-
zug war zu einer Notwendigkeit geworden. Mohammed, der
sicherlich auch der Walachei dasselbe Regime wie dem griechi-
schen Despotat von Morea, dem serbischen Lande und dem
Kaisertum von Trapezunt zugedacht hatte — nämlich Verwaltung
durch einen über mehrere Subaschis gebietenden Beg und Auf-
teilung des besten Bodens an die Spahis — , war zuletzt zufrieden,
den vor ihm erschienenen Bruder Vlads, Radu „den Schönen",
wie er vor allem seines Lasters wegen genannt wurde , zum
Fürsten des Landes einzusetzen. Von diesem geleitet ging der
Sultan zurück nach Nikopolis. Am ii. Juli war er bereits wieder
in Adrianopel; die vor Chilia erschienenen Schiffe kamen, nach-
dem sie das Schlofs acht Tage lang vergebens angegriffen
hatten — besonders weil der schwer verwundete Stephan sich
zurückzog — , gleichzeitig in den Hafen von Gallipolis zurück ^).
Als nun König Matthias selbst in Siebenbürgen — er kam
im November nach Kronstadt — erschien, waren viele Bojaren
i) Seadeddin II, S. 212.
2) Chalkokondylas S. 5046.; der „Serbische Janitschare" ; die italienischen
Berichte in Makuscev II (im serbischen „Glasnik", 2. Serie, XIV — XV); in
meinen „Acte §i Fragmente " III ^; in den ungarischen „Acta extera'MV, S. 142 ff.,
auch in der rumänischen Zeitschrift „Columna lui Traian", Jahrgang 1883. Einige
Nachrichten ungarischen Ursprungs in Teleki XI, S. 28 fi'. Eine kleine Notiz in
Dukas S. 343 — 345. Die türkischen Annalisten haben ein ganzes Kapitel;
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 117
auf Radus Seite übergetreten, denn, da er den Zufluchtsort Sna-
g-ov überrumpelt und dort wertvolle Geiseln in seine Hände ge-
bracht hatte, so mufsten ihm die Mächtigen des Landes, ob sie
wollten oder nicht — freilich liebten sie den blutdürstigen Vlad
ebensowenig — , huldigen. Stephan hatte den Krieg mit der
Walachei eingestellt; die Zeit, ihn für seinen 1461 gemachten
Einfall ins Szeklerland, wo er den flüchtigen Petru Aron gesucht
hatte, zu züchtigen, war für König Matthias noch nicht gekommen.
Der junge Herrscher konnte nicht mehr tun, als den bisherigen
Freund Vlad, der nach Siebenbürgen geflohen war, in sein
Fürstentum mit dem Böhmen Giskra schicken. Als dieser nun
unter dem Schutze der Ungarn bis Rucär gedrungen war, schrieb
er an den Sultan und machte ihm, um wieder als Fürst geduldet
zu werden, gegen jenen gerichtete Anerbietungen. Radu aber
fing die Briefe auf und übermittelte sie dem König, der Vlad
unverzüglich ergreifen und als Verräter der christlichen Sache, als
untreuen Vasallen und undankbaren Verwandten nach Visegräd,
wo er lange Jahre in Gefangenschaft schmachtete, bringen liefs ^).
Der Feldzug gegen die Walachei hatte seinen Zweck nicht
erreicht ; Janitscharen und Spahis waren erschöpft zurückgekehrt,
viele waren den rumänischen Pfeilen , andere dem Hungertode
und der ausgebrochenen Seuche zum Opfer gefallen. Mohammed
aber war dadurch keineswegs entmutigt. Wenige Tage schon,
nachdem er in Adrianopel angelangt war, befahl er dem Kapudan,
den Fürsten von Lesbos, der — aufser den venezianischen
Offizieren und Schutzbefohlenen — in den Gegenden des Ostens
noch allein die christliche Herrschaft vertrat, anzugreifen. Zu-
gleich traf er Mafsrcgeln, um durch sein eigenes Erscheinen an
Seadeddin S. 2i2ff. ; Leunclavius Sp. 584!?. Über die Kämpfe um Chilia s.
die moldauischen Landeschroniken in Bogdan, Cronicele Moldovene^ti (1891)
und ..Cronice inedite" (1895). Vgl. meine Ausführungen in „Chilia §i Cetatea
alba" S. I22ff.; „Istoria lul Stefan- cel-Mare" S. 75 ff. und „Gesch. des rum.
Volkes" I, S. 338 ff.
i) Siehe auch die Äufserungen des Papstes in den seinem Sekretär Gobel-
linus zugeschriebenen Denkwürdigkeiten. Vgl. zu dem ganzen Zug des Sultans
auch Rinaldi, z. Jahre.
118 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
der Spitze der Landtruppen das Unternehmen seines Admirals
zu erleichtern.
Die geg-en Lesbos auslaufende Flotte zählte 24 Dreiruderer
und hundert kleinere Schiffe, und führte nicht weniger als 2000
Steinkug^eln mit. Der Sultan selbst war mit einigen leichten
Truppen aufgebrochen. Am dritten Tage befand sich die vom
Wesir Mahmud befehligte Seemacht bereits vor der Stadt Mity-
lene, deren Belagerung sogleich in Angriff genommen wurde.
Auf der Insel hatte Nicolö Gattilusio die Herrschaft an sich
gerissen und seinen Bruder Domenico ermorden lassen; der
dritte Gattilusio, Lucchino, war es, dessen Ränke den Sultan als
Feind nach Lesbos führten. Mohammed warf Nicolö vor, dafs
er den Tribut von 3000 Dukaten nicht pünktlich entrichtet, ohne
Erlaubnis des Oberherrn die Macht usurpiert und, endlich, die
katalanischen Seeräuber, die seine Burgen besetzt hielten, her-
beigezogen habe, um einen Abfall vom osmanischen Reiche zu
versuchen.
Die Osmanen bestürmten die Stadt zwei Wochen hindurch
vergebens; die Belagerten zeigten sich einer Ergebung nicht im
geringsten geneigt. Der Sultan selbst mufste aus seinem Lager nach
der Insel übersetzen, und sein Erscheinen raubte den Lateinern den
Mut: sie brachten ihm die Schlüssel der Festung (16. September).
Mohammed liefs nur die 300 „ Piraten " köpfen oder gar zwei-
teilen; die griechischen Einwohner wurden dagegen teils zum
Dienste im osmanischen Heere, teils zur Ansiedlung in Konstan-
tinopel bestimmt; einige blieben auch in ihrer Heimat, die
fortan das Sandschakat des Samioten Ali, des Sohnes eines be-
rühmten Kadis, bildete. 200 Janitscharen und 300 Asapen
blieben bei ihm. Der Sultan selbst weilte vier Tage in der
neuen Eroberung ^).
Die Gattilusü wurden nach Konstantinopel übergeführt und ge-
fangengehalten. Nicolö und Lucchino, der Erbe von Anos, sahen
sich bald mancherlei Anschuldigungen ausgesetzt und dem Ge-
richt des Kadis unterstellt. Sie glaubten durch Annahme des
l) Kritobulos; C h alk o k o n dy 1 as S. 520 ff.; Dukas S. 346; italienische
Übersetzung S. 511 — 512.
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 119
mosleminischen Glaubens einen Ausweg- aus ihrer üblen Lag-e g;e-
funden zu haben, aber schon nach kurzer Zeit safsen sie wieder
hinter Schlofs und Rieg-el und wurden als Verräter hing-erichtet.
Aus dem vor kurzem noch so blühenden Geschlechte der Gatti-
lusii war nur die schöne Witwe des trapezuntischen Kaisers
Alexios, unter den Beischläferinnen des Harems, übrig ge-
blieben ').
Noch im Jahre 1462 kam Vladislaw, derjenig-e von den drei
Söhnen Stipans, der lang-e Zeit mit ragusanischer Hilfe für seine
und seiner Mutter Sache gegen den Vater gekämpft hatte, an
die Pforte und versprach 1 00 000 Dukaten zu zahlen, wenn ihm
die Länder des Cherzeks überlassen würden ^). Auf diese An-
regung hin verlangte Mohammed von Stipan die Festen Clo-
buch, Misevach und Zazvina, deren Besitz ihm zur Sicherung
des Weges nach dem Königreich Bosnien und dem Kroatien des
Bans Paul unentbehrlich erschien ^).
Zu Anfang des neuen Jahres wufste der König, dafs der
Sultan gegen ihn rüste ; er verlangte Hilfe von den Venezianern,
die er dabei auch an die Sicherheit ihres Dalmatiens und Istricns
zu denken ermahnte. Aber als sich Mohammed unter dem wenig
wahrscheinlichen Verwände gegen ihn in Bewegung setzte, dafs
Stephan Thomaschewitsch die Zahlung des Tributs von 50000 Du-
katen verweigert hätte, weil er den Türken wegen des Verlustes
Semendrias grolle, stand er, von vielen seiner Woiwoden und
von der ganzen patarenischen Bevölkerung, die die katholisie-
rende Politik des Königs verabscheute, verlassen, allein da. Auch
die Berichte Ali Michaloglis, der den König öfteren Friedens-
bruches und letzthin noch der Einnahme einer türkischen Festung
„Agac" (Agatsch?) beschuldigte, waren für diesen Kachezug des
Sultans Veranlassung gewesen *).
i) Siehe auch Seadeddinll, S. 216 — 217 und die kurze Erwähnung bei
dem „Serbisclien Janitschare"; vgl. besonders die Erzählung Leonards von
Chios, „De Lesbo a Turcis capta epistola Pio Papae II. missa", Ausg. Hopf,
Königsberg 1866. Vgl. Hopf, Griechenland U, S. 153.
2) Ljubic X, S. 227. 3j Ebenda, S. 228.
4) Seadeddin II, S. 218.
120 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
Die türkischen Kräfte sammelten sich in Usküb, wo der al-
banische Isa-beg sich an sie anschlofs. Das Heer ging über
Vucitrn; von hier aus erging- an Ali-beg Michalogli Befehl, sich
gegen die Save zu wenden , um durch seine Anwesenheit die
Ungarn in Zaum zu halten '). Zuerst erfolgte die Einnahme Podrin-
jes, dessen Woiwode geköpft wurde. Bobovac er gab sich, bevor
Mohammed die zur Beschiefsung nötigen Kanonen hatte giefsen
lassen. Dem Wesir Mahmud wurde wiederum die gefährliche
Ehre zuteil, den aus einigen tausend aus erlesenen Reitern be-
stehenden Vortrab zu führen ; als Hauptmann der kühnsten Asa-
pen wurde ihm der turakhanische Amurbeg oder Omar beigegeben.
Mahmud drang dann in der Richtung der neuen Hauptstadt Jaice
weiter, die hoch auf einem Felsen erbaut, von den reifsenden
Bächen Pliva und Vrbas und einer starken Mauer eingeschlossen,
allen Anstrengungen Trotz zu bieten imstande schien. Aber nicht
einmal hier glaubte sich der von den meisten Woiwoden schmäh-
lich verlassene Herrscher sicher und flüchtete sich vor den
schnell reitenden Asapen des Beglerbegs von Rum nach dem
nördlich gelegenen Kljuc.
Doch war die Aussicht, den Feinden in diesem gebirgigen
inneren Lande zu entschlüpfen, gering. Bald erschienen die
Rotten Omars und, als Stephan sie an der Brücke energisch an-
greifen liefs, eilte Mahmud selbst herbei, um den Kampf zu-
gunsten der Türken zu entscheiden. Der König mufste sich er-
geben, nachdem er das Versprechen erhalten hatte, dafs sein
Leben geschont werden solle, und liefs allen Hauptleuten seiner
Burgen schriftlichen Befehl zukommen, keinen vergebUchen
Widerstand mehr zu versuchen.
Mit diesem wichtigen Gefangenen, dem er auch dessen Oheim
Radivoj und seinen 13jährigen Sohn gesellte, kehrte Mahmud
um und liefs Jaice eng einschliefsen. Die bosnische Hauptstadt
vermochte nicht länger zu widerstehen. Auch Mohammed langte,
ohne Gelegenheit zum Kampfe gehabt zu haben, unter den Mauern
Jaice's (Juni 1463) an. Er trat dem gewesenen Herrn Bosnien
nicht mit jener ritterlichen Freundlichkeit entgegen, die er sonst
i) Katona XIV, S. 624.
Serbische Wirren. Annexion Bosniens. Kämpfe Mohammeds usw. 131
gekrönten Besiegten zu bezeigen gewohnt war. Dafs Thomasche-
witsch , der Erbe von Serbien und Bosnien , der Schützling des
Papstes . sich als Mönch , wie Gregor oder die serbischen Prin-
zessinnen, in ein Kloster zurückziehen oder nach der Zeremonie
des Übertritts zum Islam friedlich und treu ein asiatisches Sand-
schakat verwalten werde, glaubte er nicht. Um die Bedenken
seines Gewissens zu beschwichtigen, holte der Sultan zuerst den
Richterspruch eines allgemein verehrten Geistlichen seines Glau-
bens gegen den unglücklichen Gefangenen ein, dann liefs er
Thomas köpfen. Seine Überreste wurden nicht weit von Jaice
begraben. Als man sie neuerdings im sogenannten „ Königs-
grabe " auffand — der abgeschlagene Kopf ruhte auf der Brust
der Leiche aus — , erhielten sie einen neuen Ruheort im dortigen
Franziskanerkloster ^).
Andere Abteilungen des türkischen Heeres drangen in Kroatien
ein und nahmen den Ban Paul gefangen, der als Gefangener starb
und vielleicht desselben Loses wie sein königlicher Nachbar teil-
haft wurde ^). Mahmud kam auch ins Land Stipans, und, obwohl
dessen Residenz Blagaj erfolgreich widerstand, mufste sich der
„Cherzech" fortan mit der Hälfte seines Herzogtums begnügen,
während die andere, wie das südliche Bosnien, Minetbeg, dem
i) über den bosnischen Zug Seadeddin 11, S. 217 ff. ; Kritobulos; die
Notizen bei dem „Serbischen Janitscharen"; Chalkokondylas S. 5 30 ff. Vgl.
Klaic S. 428ft". — I474 schreibt der Papst: „Bosnie regem cruentus hostis pro-
pria manu truncavit" (Nürnberger Archiv S. w. 165/2 1). Über die Ausgrabung des
Leichnams, Giro Truhelka, Geschichte und Denkwürdigkeiten von Jajce, Serajewo
1888 (mir unzugänglich). Nach der schon zitierten ragusaiiischen Ghronik wäre König
Thomas „sotto Blagaj" getötet worden. — Die Königin Maria ging nach Ragusa
mit vielen böhmischen Edelleuten und dem mächtigen Woiwoden Ivanis ; sie starb
in Ungarn. Katharina, die Witwe Stephans I. (gestorben 1478), verbrachte ihre
letzten Tage in Rom. Ihre Kinder, Sigismund und Katharina, mufsten zum Islam
übertreten; Klaic S. 437 ff. Vgl. auch Ljubic X, S. 384 — 385; „Mon. Hung.
Hist." V, S. 44; dann ebenda S. 177 — 178, 179 — 184. Vergebens suclUe die un-
glückliche Mutter sie 1470 loszukaufen, als der vierzehnjälirige Knabe und die
zehnjährige Tochter den christlichen Glauben noch nicht abgeschworen hatten.
Die Ansprüche ihrer Familie hinterliefs die sterbende Königin dem Heiligen
Stuhle; Rinaldi z. J.
2) Vgl. Ljubic X, S. 271, 310 — 311. Über den „casus" des Paul s. auch
ebenda S. 375, 378; „Mon. Hung. Hist." V, S. 30; VU, S. 292—293.
133 Erstes Buch. Sechstes Kapitel. Serbische Wirren usw.
neuen Sandschak des Westens, anvertraut wurde. Besonders nach
dem 1466 erfolg-ten Tode des alten Stipan ging, wie später um-
ständlicher gezeig't werden wird , die noch christlich g-ebliebene
Herzegowina dem Verderben entg'egen, so dafs um das Jahr 1480
nichts mehr vom Staate des grofsen Sandali übrig war ').
Da Bosnien als ein Bestandteil des Königreiches Ungarn
galt, so konnte kein ungarischer König eine Festsetzung der
Türken in diesem Lande ohne weiteres hinnehmen. Matthias
mufste seine Feindschaft gegen Kaiser Friedrich und alle anderen
Ziele seines Ehrgeizes hintanstellen und den Osmanen den Krieg
erklären.
Anderseits sah sich Skanderbeg, der mehr als einmal Bot-
schaften nach Venedig geschickt hatte, um seine Stellung in Albanien
zu befestigen — der Führer Albaniens hatte auch der Republik
Satti, das er den Türken, von Alessio aus, genommen hatte
(1458)^), zediert^) — , durch die Einnahme der Herzegowina in
seinen Lebensinteressen bedroht. Er mufste der natürliche Ver-
bündete der Ungarn sein.
Endlich hatten die durch die letzten Siege kühn geworde-
nen Begs des Westens sich nicht gescheut, das venezianische
Gebiet in Morea wie eine serbische oder griechische Provinz zu be-
handeln *). Ewrenos' „Sohn" Isa hatte in diesem selben Jahre 1463,
am 3. April, Argos eingenommen, dessen Bewohner am 25. Juli
nach Konstantinopel überführt wurden. Noch im November 1462
hatte Amur Turakhanogli, der populärste unter allen Befehls-
habern, ein Schlofs in der Nähe Lepantos, Galata genannt, an-
gegriffen. Auch unter Modon hausten Asapen ^).
Das bedeutete den Krieg" mit Venedig.
1) Klaiö S. 435 — 436, 442ff.; Seadeddin II, S. 223 — 224; Chalko-
ko n d y 1 as a. a. O.
2) „Commemoriali" V, S. 139 — 140, Nr. 62; Ljubic X, S. 144.
3) Ljubic X, S. 206 — 207, 225 — 226, 264(1.
4) Vgl. Hopf II, S. 154.
5) Chalkokondylas S. 544 — 545; Phrantzes S. 414 — 415; Krito-
bulos; „Chron. breve".
Siebentes Kapitel.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf
der Christen gegen Mohammed II.
Bereits im Frühling- 1463 war Kardinal Bessarion nach Venedig'
gekommen, um hinsichtlich der Projekte des schwärmerischen
alten Papstes Pius II. mit der Republik zu verhandeln. Er setzte
durch , dafs die Venezianer für ihr Gebiet der Erhebung des
Zehnten vom Klerus zustimmten. Auch erfolgte die Einsegnung
der Fahne , die dem bevorstehenden Kreuzzuge vorangetragen
werden sollte, und eine feierliche Prozession kündigte den Ve-
nezianern und der ganzen Welt die grofsen Taten an , die in
Aussicht standen ^). Darauf aber beschränkte sich die ganze
Tätigkeit des Heiligen Stuhls in diesem Frühlinge. Von den
grofsen westlichen Fürsten, dem Könige von Frankreich und
dem Herzoge zu Burgund, verlautete nichts.
So waren denn, sowohl Venedig, dessen 30 Galeeren starke
Flotte unter Alvise Loredano sich bereit hielt, wie auch Ungarn,
v/o der Reichstag von Tolna letzthin energische Mafsnahmen zum
Zusammenbringen eines Heeres beschlossen hatte ^) , auf ihre
eigenen Kräfte angewiesen.
Schon im Mai stand der König mit einem kleinen Heere
an der südlichen Grenze im Lager von Batta, um einen türki-
schen Angriff vorkommendenfalls zurückschlagen zu können.
Während Mohammed in Bosnien kämpfte, streiften ungarische
i) Zinke isea II, S. 281 ff. Vgl. „Cronaca Zena'- fol. 266.
2) Fefsler III, S. 35 ff.
124 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Banderien umher und suchten Ali Michalogli zu schädigen, wo
sie konnten. Doch brach man den Kampf schon im Früh-
sommer wieder ab *).
Erst als im Herbst die Venezianer ihre Absicht kundgaben,
die Türken energisch zu bekriegen, liefs sich Matthias zu neuen
Feindseligkeiten bewegen. Durch einen am 12. September in
Peterwardein abgeschlossenen Vertrag verpflichteten sich beide
Teile, der Kreuzzugsidee in gemeinsamem Wirken zu dienen,
und die Republik versprach vierzig Galeeren auszurüsten ^).
Doch war in diesem ersten Jahre des gemeinsamen Krieges
nur die Aktion des Königs von Ungarn von Bedeutung.
Matthias verfiel nicht in den vom Vater so oft begangenen
Fehler, von einem grofsen Kriegszuge die Eroberung der Balkan-
halbinsel und die Verdrängung der Türken aus Europa zu
erhoffen. Mannigfache Verluste und grofse Katastrophen hatten
den allzu stolzen und wohl auch eiteln Spröfsling Hunyadys
gewitzigt. Auch hatte ihn das Beispiel der Rumänen gelehrt,
dafs mit geringen Mitteln gegen die Türken bescheidenere, aber
dauernde Erfolge zu erreichen seien. So brach er denn mit
nur 4000 Kriegern auf und wandte sich, umgeben und beraten
von bosnischen Flüchtlingen, geradeswegs nach der ehemaligen
königlichen Hauptstadt Jaice.
Der Sultan hatte, wie gewöhnlich, nur kleine Besatzungen
von Janitscharen in den Burgen und befestigten Städten zurück-
gelassen. Jaice hatte selbstverständlich nicht mehr als 400 solcher
Verteidiger. Es kam noch dazu, dafs bei der Nachricht von der
Annäherung des rächenden christlichen Heeres die besonders von
Franziskanern aufgewiegelte christliche Bevölkerung lateinischen,
freilich nicht auch die patarenischen Glaubens , sich gegen die
„Heiden" erhob. Schon am i. Oktober, vier Tage nach seiner
Ankunft, konnte Matthias in die Stadt Jaice einziehen, aber die
im Schlosse befindlichen 430 Janitscharen, alles ausgewählte
i) Fefsler III, S. 37 ff.
2) Ljubic X, S. 272 ff.; Auszug in „ Commemoriali '• V, S. 150,
Nr. 93.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 135
Krieger '), deren Führer von den ungarischen Quellen „ Haram-
beg" genannt wird, während es in Wirklichkeit der Haramba-
scha Eliasbeg war, leisteten langen, hartnäckigen Widerstand.
Der König blieb daher in Jaice, um über die pünktliche Durch-
führung der Vorkehrungen zur Belagerung zu wachen. Erst
nach drei Monaten , am 26. Dezember , ergaben sich die aus-
gehungerten Türken, um dem bevorstehenden Sturme vorzu-
beugen, dem sie nicht hätten die Spitze bieten können. Matthias,
zufrieden, an seinem nahen Krönungstage in seinem festlichen Ge-
folge Helden dieser Art aufziehen lassen zu können, verschonte ihr
Leben, wie er auch die Besatzungen anderer benachbarter Burgen,
die bereits genommen worden waren, geschont hatte. Auch
dachte er nicht daran, weiter zu gehen; er war froh, dem unüber-
windlichen Sultan so leicht eine ganze Provinz entrissen zu haben 2).
Dieser glückliche Erfolg fand im bedrängten Lande des
„ Cherzechs " einen starken Widerhall. Stipan \var gleich nach
dem Abzüge Mohammeds vom Meeresufer her zurückgekehrt und
hatte, aufser drei Schlössern, sein ganzes Land wieder in Besitz
genommen. Besonders hatte sich sein Sohn Wlatko ^) hervor-
getan, indem er nicht nur das alte Gebiet seines Hauses, sondern
auch einen Teil des den Pawlowitschs und Kowatschewitschs ge-
i) „Re vera optimi milites, ad bella doctissirai", sagt der Vizekanzler Lukas
Propst von Erlau als Augenzeuge, dessen „aus Zaitza , in festo beati Stephani
protomartyris, anno Domini LXIIJo" datierter Brief (Nürnberger Archiv S. 101/3)
einen hochwichtigen Beitrag zu unserer Kenntnis von der Eroberung Jaices durch
die Ungarn bildet. Ebenda wird auch eine Missive des Königs an denselben Hof-
richter, „Ludovicus de Palat[io]^', aufbewahrt.
2) „Serbischer Janitschare"', der selbst in Zvecaj, wo er befehligte, von den
Ungarn gefangengenommen wurde. Dann Bonfinius, dec. III, Hb. IX. Vgl.
„Dipl. Rag." S. 620 ff. : ein Diplom Matthias' aus Jaice; 14. Dezember 1463, und
S. 759 ff. Vgl. auch Katona a. a. O., S. 652 ff., 666 ff. Matthias wurde von den
Ragusanern eingeladen, ihre Stadt zu besuchen. Auch erwartete man den Über-
gang der Truppen über den Narentaflufs ; „Dipl. Rag." S. 769. Siehe auch Krito-
balos und Seadeddin 11, S. 218 ff. Besonders der Bericht des Königs an den
Papst: „Matthiae epistolae ad romanos pontifices" I (Mon. Vaticana I, Bd. VI),
S. 25 ff; Mätyäs Kirälyi Levelei, Ausg. Fraknöi I, S. 45 ff.
3) Seit 1455 wurde er von Venedig unterstützt; „Commemoriali" V, S. 134
bis 135, Nr. 43.
136 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
hörigen Gebiets, bis in die Umgebung- von Srbrnica, sich aneignete ;
mit ihm schlofs der ungarische König einen Vertrag ab, in dem er
den tüchtigen jungen Prinzen unter seinen speziellen Schutz
nahm ^). Stipan selbst hatte sich bei König Matthias einge-
funden und ihm geholfen, Jaice einzunehmen ^). Hätte sich der
ältere Sohn des Herzogs nicht, einem durch die Venezianer zu-
stande gebrachten Vertrag zuwider, gegen den Vater und den
dritten Bruder, Stephan, der einer zweiten Ehe des Vaters ent-
sprungen war , erhoben , um statt des ihm schon gewährten
Viertels ein Drittel der Herrschaft zu fordern, so wäre die ganze
Herzegowina in den früheren Zustand zurückgekehrt ^).
Ein neuer Zug des Sultans gegen Bosnien war durch diese
Vorgänge zu einer Notwendigkeit geworden. In der Tat wandte
sich Mohammed im Frühling 1464 nach Nordwesten. Viele der an
die Ungarn gefallenen Festungen mufsten seine kaiserliche Herr-
schaft von neuem anerkennen. Dann begann er, im Vertrauen
auf seine grofsen bronzenen Kanonen, die Belagerung Jaices.
Aber bald erkannte er, dafs es vergeblicher Zeitverlust war, hier
zu liegen; das von Sandali erbaute Schlofs schien jedem An-
griffe trotzen zu können : zwei Stürme wurden abgeschlagen. Nach
zwanzig Tagen mufste Mohammed abziehen; er hinterliefs dem
ebenfalls Mohammed genannten Sohne Minetbegs den Auftrag,
die Königsstadt weiter zu bekriegen *). Der gröfste Teil der
Burgen aber war wieder an den Sultan gekommen. Von un-
garischer Seite wird versichert, dafs König Matthias im Frühling
Emerich Zäpolya als „ bosnischen Gubernator " ^) abgesandt
habe , und der Lobredner des Corvinus setzt hinzu, Mohammed
sei eilig geflüchtet, weil er des Glaubens war, dafs diese
1) Vgl. Ljubic X, S. 278 f., 281, 286.
2) „Mon. Hung. Hist." V, S. 5.
3) Ebenda; vgl. auch Katona XIV, S. 657; „Dipl. Rag." S. 7695.
4) Kritobulos; Seadeddin II, S. 234 ff. ; B on finius, Ende der UI. De-
kade. Urkundliche Quellen fehlen uns leider ganz ; s. aber Mätyäs Kiräly Levelei I,
S. 63.
5) Siehe ein Schreiben des Königs, undatiert, in „Epistolae Matthiae ad
romanos pontifices" S. 71 — 72.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 137
Ungarn nur der Vortrab eines mächtig'en Heeres seien. Noch
im Juni aber war von keiner Bewegung" des Königs die Rede.
Vielmehr blieb Matthias den ganzen Sommer mit anderen An-
gelegenheiten beschäftigt. Erst im Oktober kam die Nach-
richt nach Venedig , dais die Ungarn ihr Lager bei Futtak ver-
lassen hätten und wiederum in Bosnien eingefallen seien ^). Sie
belagerten Zwornik an der Save, und Matthias hatte hier kein
besseres Glück als Mohammed letzthin vor Jajce. Zwar gelang
es einem Heeresteil, unter Zäpolyas Leitung, die grofse Berg-
werkstadt Srbrnica einzunehmen. Aber als der Führer dieser
glücklichen Unternehmung dann wieder unter den Mauern Zwor-
riiks kämpfte, wurde er durch einen Pfeil schwer am Auge ver-
wundet. Auch war es zu spät im Jahre, und der Winter streng.
Aufserdem kam die Nachricht, dafs dem eingeschlossenen Is-
kender Michalogli sein Bruder Ali, Isaks Sohn Isa, der turak-
hanische Amur und, als Vertreter des Sultans, der grofse Wesir
Mahmud in Person zu Hilfe eilten. So setzte man denn
schleunigst über die Save , womit der christliche Zug des
Jahres 1464 sein Ende gefunden hatte ^).
Viel grofsartiger begannen die Venezianer ihren moreoti-
schen Krieg. Auf der Flotte des Alvise Loredano schifften sich
im Mai 1463 mehrere Tausende von Kriegern, unter Leitung des
berühmten Condottiere Bertoldo von Este , eines Sohnes des
Markgrafen Taddeo, ein. In einem neuen Ermahnungsschreiben,
vom selben Jahre, hatte ihn Philelphus zum Kampfe aufgerufen
und darin, indem er die Schwäche des kaum mehr als 52000
Mann befehligenden Sultans hervorhob, den Weg über Durazzo
als den besten empfohlen ^). Loredano verfügte über 32 Ga-
i) Vgl. Ljubic X, S. 311.
2) Vgl. auch Katona a. a. O. , S. 725 ff. „Mon. Hung. Hist." IV,
S. 257, 277 ff., 286, 303 ff. Über die durch Serben und den Fürsten der Walachei
vermittelten türkischen Friedensanerbietungen 1465 s. Matyas Kiräly Levelei I,
S. 78, 86. Über die angebliche Vorbereitung zu einem neuen türkischen Einfall
in demselben Jahre, ebenda S. 82 — 83.
3) „De imbecillitate et ignavia Turchorum", cod. lat. monac. , 5333,
fol. 19 ff.
128 Erstes Bach. Siebentes Kapitel.
leeren und andere Schiffe ; nur selten hatte Venedig- solche
Macht aufg-ebracht ').
Der erste Erfolg- Bertoldos war die Wiedereroberung- von
Argos (5. Aug-ust), wo 300 Schützen aus Kreta zurückgelassen
wurden ^). Dann schritt er zur Wiederherstellung- des Hexamilions,
wie sie auch der erfahrene griechische Rhetor in Mailand vor-
g-eschlag-en hatte. In acht Tagen war die Mauer beinahe fertig-
gestellt, wie sie in der Zeit der Paläologen gestanden hatte.
Dadurch hofften die Venezianer die Ankunft osmanischer Hilfs-
truppen zu verhindern. Nun machten sie sich an die Belagerung
Korinths, wo Sinanbeg kaum 400 Janitscharen befehligte. Als dieser
die Nachricht erhielt, dafs der vom Sultan eiligst abgeschickte
Amur-beg sich nähere, machte er einen tapfern Ausfall und Ber-
toldo wurde im Kampf tödlich verwundet (20. Oktober) ; er starb am
4. November. Am 13. des Monats stand der kranke Alvise Lore-
dano mit der Flotte ganz machtlos in den Gewässern des Isthmus^).
Sein letzter Versuch , diesem verunglückten Zuge eine
günstige Wendung zu geben, war eine Fahrt in den Archi-
pelagus. Die nach Nauplion in Winterquartier gegangenen Über-
reste der Landtruppen konnten zwar den herbeigeeilten Begler-
beg von Rum, Daud, zurückschlagen*), gingen aber dann,
infolge der Härte des Klimas, mannigfacher Entbehrungen und
der immer wiederholten Angriffe des rastlosen Feindes, zugrunde ^).
Der Wesier Mahmud konnte alle abtrünnigen Burgen und
Städte — viele Griechen hatten bei Ankunft der Lateiner
die osmanischen Befehlshaber fortgejagt — zurückerobern ^).
i) „Cron. Zena" fol. 266 f. Ebenso auch in den anderen Chroniken.
2) Sathas, Monumenta VI, S. 95 — 96: Brief des Sekretärs des Sigismondo
Malatesta; Dresdener Chronik F. 33, fol. 117. Der Priester in Argos, der
die Stadt den Türken überliefert hatte, wurde mit dem Tode bestraft. Auch
wurden die Städte Misithra und Leondari, aber keine Burgen, erobert ; Dresdener
Chronik F. 33.
3) Ein Brief von ihm, ,,ex Galea, apnd Eximillia", im Archiv von Kreta,
„Duo. e lett. ricevute" Q. 31.
4) Brief des Sekretärs.
5) „Cron. Zena" a. a. O. ; vgl, Kritobulos; Seadeddin II, S. 229ff.;
Chalkokondylas S. 558«.; vgl, „Mon. Hung. Hist." IV, S. 241.
6) Kritobulos.
Wie Jerbelebang der Kreazzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 139
Auch das geschwächte Despotat der Tocco von Arta erlitt
seine Strafe ^).
Für den Frühling- trafen die Venezianer keine neuen Vor-
bereitung-en, und die Türken konnten sich des wichtig^en Arg^os
wieder bemächtig-en. Turakhans Sohn, Araur-beg-, kam nach
Modon, um von hier aus den Kolonien der zu erklärter Feind-
schaft übergegang-enen grofsen Republik des Westens Schaden
zuzufügen. Bei Modon wurde das Schlofs „der Mühlen" (Myloi,
Molini) niedergebrannt; bei Koron und Lepanto wurde geraubt
und geplündert ^). Doch fiel Monembasia in diesem Jahre an
die Christen ^), Das türkische Vostitza war noch 1463 nieder-
gebrannt worden *).
Die unter den Befehlen des Nachfolgers Loredanos stehende
Flotte besetzte, vom Korsaren Comino gerufen, die Insel Le-
rino ^), wie auch einige Plätze auf der Insel Lemnos ''), unter anderen
das starke Palaiokastron, aber als sie sich in den Gewässern von
Licsbos befand und einige Tage lang eine Belagerung Mitylenes
versuchte ^) , kam die Kunde von der Ankunft der unter den Be-
fehlen des Wesirs stehenden osraanischen Schiffe, darunter
45 Galeeren (18. Mai). Diese bereiteten den christlichen Erfolgen
im Archipelagus ein schnelles Ende *). Der einzige Gewinn blieb,
dafs einige tausend Einwohner von Lesbos nach Negroponte
1) Chalkokondylas S. 551 ff. Vgl. ,,Moa. Hang. Hist." a. a. O.
S. 32. Am 23. Januar 1465 war Loredano im Hafen von Modon; Archiv des
Herzogs von Kreta, ,,Dac. e lett. ricevute" Q. 31. Siehe auch ,,Commemoriali"
XV, fol. 91 vo; Ausg. Predelli, S. 150 — 151 (Zvistand der venezianischen Be-
sitzungen in Morea).
2) Chron. F. 33 von Dresden fol. 118; sehr umständliche Erzählung. Vgl.
Chalkokondylas a. a. O.
3) Phrantzes S. 415.
4) Ebenda; Sathas, Monumenta VI, S. 95.
5) Chron. F. 33 von Dresden. Vgl. Hopf II, S. 153 ff.
6) Ebenda; Chalkokondylas S. 565; Phrantzes S. 415.
7) Vgl. auch Hopf II, S. 155.
8) Ebenda; Kritobulos. Siehe aach Sathas I, S. 244. Vgl. da^u
■Giacomo Barbarigo (Sathas VI, S. 6): ,,QaeUa (l'armada da Mar) ad ogni
volontä del Turcho su la piü vincta imprexa del mondo ce abandonara, zioe ad
ogni segno et voce che fesse levar el Turcho de armata che uxisse del strecto,
se ne andera. "
Jorga, Geschichte d;s osmanischcn Reiches. II. 9
130 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Übergeführt worden waren (Mai) '). Nach dem Mifs erfolge bei Les-
bos wurde Orsato „ wie toll " ^) und starb bald darauf in Ver-
zweiflung-.
Noch in demselben Jahre 1464 aber dachten die Venezia-
ner an eine weit gröfsere Unternehmung. Schon im Oktober
des Vorjahres hatte Pius II. an die Republik geschrieben, um
seine in Bälde bevorstehende Abreise, wie auch die des Herzogs
von Burgund und vieler Kreuzfahrer aus verschiedenen Ländern
anzuzeigen. Im Januar ertönte dann wieder der Ruf des Papstes
an alle treuen und tapferen christlichen Fürsten ^). Am 27. No-
vember 1463 war Orsato Giustiniani zum neuen Generalkapitän
ernannt worden, und eine Woche darauf segnete Kardinal
Bessarion seine goldene Fahne ein. Orsato segelte auch
sofort nach dem bedrohten Morea ab. Am 7. Februar 1464
wurde beschlossen , dafs der neue Doge Cristoforo Moro mit
vier Räten am Kreuzzuge teilnehmen solle; die Tage Dandolos
schienen wiederzukehren : handelte es sich doch von neuem um
eine lateinische Eroberung Konstantinopels, und Philelphus arg-
wöhnte , dafs Pius II. dort einen seiner Neffen zum Kaiser ein-
zusetzen beabsichtige , „ einen Piccolomini an Stelle der Paläo-
logen " ! ^). Zehn Galeeren wurden für den Kardinal Bessarion
und andere Mitglieder des Heiligen Collegios sowie die Teilnehmer
an dem bevorstehenden Kreuzzug instand gesetzt. Lauro Que-
rini schrieb im März aus Kreta und gab Aufschlufs über die
türkischen Verhältnisse ^).
Aber der Frühling ging hin, ohne dafs der Papst, seinem
Versprechen gemäfs, in Ancona erschienen wäre : erst Ende Juli
fand er sich ein. Am 30. des Monats schiffte sich der Doge
auf einer prachtvollen, festlich geschmückten Galeere ein; am
1) ,,Cron. Zena"; Chron. F. 33 von Dresden.
2) Chron. F. 33 von Dresden.
3) Archiv von Nürnberg S. 10, 165/2 1.
4) Bibliothek von Parma, ms. 216, fol. 144: „Quo Orientale illud nobilissi-
mumque imperium in tercium sororis fdium nescio quem transferret: a Paleologis
in Piccolominos" ; Brief an den Nachfolger Pius', Papst Paul; 17. Kai. Oct. 1464.
5) „De Turci potentia"; Bibl. Marciana, cl. XIV, 265, fol. 96 ff.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 131
4. August war er bei S. Niccolö del Lido, am 9. verliefs er mit
18 Galeeren den istrischen Hafen Pola; am 13. sah Ancona die
stolze Flotte in seinen Hafen einlaufen. Der Papst aber war
sicher mehr vor Aufregung als Freude und Hoffnung gefährlich
erkrankt, und in der Nacht vom 14. zum 15. August verschied
der gröfste aller gelehrten „ Tragedianti " der humanistischen
Zeit auf diesem letzten und höchsten Schauplatze seines Ehrgeizes.
Die Venezianer liefsen sich freilich überall dahin vernehmen,
dafs die Scham, selbst nichts für den heiligen Krieg vorbereitet
zu haben, seinem Leben ein Ende gemacht habe ^). Nur einen
türkischen Prätendenten, einen angeblichen jüngeren Bruder des
Sultans, hatte er vielleicht gewonnen; jedenfalls hielt sich ein
solcher bei ihm auf 2).
Durch diesen Todesfall war die ganze Unternehmung aus-
sichtslos geworden. Der Doge kehrte bald darauf nach Venedig
zurück, von wo als neuer Kapitän des Meeres Giacomo Lore-
dano — Orsato war schon am 10. Juli in der Levante vor
Kummer über seinen Mifserfolg gestorben — - mit elf Galeeren
auslief (27. August). Zunächst sollte er eine Demonstration
gegen den Grofsmeister von Rhodos veranstalten, der „Mohren"
aus Ägypten treubrüchig festgehalten halte. Dann gingen die
venezianischen Schiffe nach Chios, Lemnos und Tenedos und
erschienen auch in den Dardanellen, wo sie von den das Ufer
besetzt haltenden Türken lebhaft angegriffen wurden ^). Nach
dem von der Pest heimgesuchten Morea, wo jetzt, nach dem
Tode Bertoldos, ein anderer Condottiere und Fürstenspröfsling,
Sigismondo von Rimini , aus dem Hause der Malatesta , den
Oberbefehl führte *) , wurden nur wenige Hilfstruppen, die unter-
wegs mannigfaches Mifsgeschick hatten, abgeordnet. Das Wich-
tigste, was die Republik gegen die Türken tat, war die Über-
1) „Cron. Zena"; vgl. Ljubic X, z. J.
2) Ljubic X, S. 309.
3) „Der Sekretär" in Sathas VI, S. 99. Siehe das Urteil Antonio Duodos,
ebenda S. 104 : .,E1 tentar passar el stretto al Dardanello von he al proposito, perche
h^ di certo dano e de nula sperata vittoria : che dove zuocha le bonbarde vicine
non val la valentisia deli homeni." Vgl. auch „Mon. Hung. Hist." IV, S. 318.
4) Vgl. besonders Sathas, Monumenta VI, S. 92 ff.
9*
133 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Sendung der von Pius II. gesammelten 37000 Dukaten und
anderer Hilfsgelder aus dem eigenen Schatze an König Matthias
als den Vorkämpfer der Christenheit *).
Sigismondo Malatesta hatte mehrmals feierlich gelobt, ganz
Morea für die Republik zu gewinnen. Und wirklich fand er auf
der Halbinsel bedeutenden Anhang unter Griechen und Alba-
nesen. Peter und Alexios, zwei der mächtigen Bua, die über
viele Katunen im Gebirge verfügten und mehrere hundert tapfere
berittene Stratioten in den Dienst Venedigs stellen konnten —
ein dritter Bua war zum Renegaten geworden und hatte den
Namen Hamza angenommen — , fochten unter der Fahne San
Marcos. Der einflufsreiche Michael Ralli, „der erste Mann in
Morea" („ il principal homo de quela Amorea "), sein Verwandter
Michael Ralli Drimi und der Protostrator Isaak hatten sich
gleichfalls für die Republik erklärt und ihr die Anhängerschaft
der tapferen Tzakonen und Mainoten von beiden „ Brazi " (di
Maina und di Zacconia) gesichert. Die Dämonoianni, die Bokalis
standen auch unter dem venezianischen Schutze ^). Die Venezi-
aner waren noch im stark befestigten Nauplion, dann in Manti-
nea, Monembasia und Vatica geblieben. Doch wurde ein An-
griff auf Misithra zurückgeschlagen, und zwei der rühmlichst be-
kannten Condottieri des kleinen Heeres fielen hier ^). Aber
auch ein Versuch des moreotischen Sandschaks Umur, den Ein-
dringling zu verjagen, blieb erfolglos ■*).
Die christlichen Söldlinge und Strationen verbrachten den
Winter in Nauplion, dann in Mantinea. Im Juni 1465 standen
sie unter Kalamata im selben südlichen Winkel, während Umur
sich von Misithra nach Muchlion bep"ab ^). Zu einem Zusammen-
i) „Cron. Zena" und die anderen venezianisciien Chroniken; ,,Moii. Hung.
Hist." a. a. O. S. 285 fif. Sein Vertrag mit Venedig, 17. März 1464; „Comme-
moriali" V, S. 152 — 153, Nr. 98.
2) Hopf II, S. 155-156.
3) Vgl. die Berichte des Harbarigo in Sathas, Monumenta VI, S. i ff. und
ebenda S. 93. Vgl. Chalkokondylas a. a. O.
4) Ebenda. Vgl. über die moreotischen Vorgänge auch Mättyas Kiraly Levelei
I, S. 84—85.
5) Ebenda S. 2. Brief des Proveditore Barbadigo, „ex Mantegna", 18. Juni
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 133
stofse aber zwischen Venezianern und Türken kam es nicht;
beide Parteien begnügten sich mit mihtärischen Märschen , die
meist durch den Bedarf an Proviant veranlafst wurden ; selten
Nvurde ein Überrumpelungsversuch unternommen. Die Türken
gewannen dabei ein oder zwei Schlösser. Dennoch waren die
Christen bald völlig entmutigt und flohen bei der ersten Nach-
richt von einer türkischen Angriffsbewegung *). Schliefslich
mufsten sie sich bis in die Umgebung Korons zurückziehen,
während Umur nach Athen -Stines ging, um die Beute zu ver-
teilen ^). Von dort aus unternahm er im Winter einen grofsen
Beutezug, der ihm viele Sklaven einbrachte, und ging zur Pforte ^).
Die Flotte blieb bei all diesen Ereignissen tatenlos und
schien ihre Mission lediglich darin zu suchen , sich gegen die
stretti zu wenden, sobald die Nachricht kam, dafs die Schifte
des Sultans ihre Arsenale und Häfen verlassen wollten •*). Nur
bei Gallipolis kam es zu Zusammenstöfsen der Venezianer mit
den Türken; diese aber wufsten ihre Küste wohl zu verteidigen ^).
Endlich wurde dem müden und demoralisierten Malatesta die Er-
laubnis erteilt, mit etwa 50 seiner Gefährten zurückzukehren ''),
ohne in Morea etwas anderes erreicht zu haben als die Über-
führung der Reste des berühmten spätgriechischen Denkers Ge-
misthius Plethon nach Italien.
Giacomo Barbarigo ersetzte ihn in der Führung des ge-
schwächten moreotischen Heeres, das seit langem schon nur noch
„Gesindel", eine zentaia war. Der neue Seehauptmann, Vittorio
1465 an die Regierung Kretas, „Ducali e lett. ricevute" 31: ,,Amarbej ^ pur
nel luoco uxato, al Muchlj. ... Pur se ha di stratioti circa 1600 ; stemo uniti al
meglio potemo; fin 4 zorni se reduremo verso el Misistra'' usw. Siehe ebenda
einen Hefehl des Dogen vom 17. August, Q. 30; den Bericht vom 22. November
über die Übeln Zustände in Monembasia.
i) „Queste gente sono si impaurite, che il solo nome di Turchi gli meteno
in fuga"; ebenda S. 24.
2) Ebenda S. 58.
3) Ebenda S. 63, 84.
4) Ebenda S. 63: Winter 1465 — 1466; vgl. Chron. F. 33, fol. 122.
5) Chron. F. 33.
6) Sathas VI, S. 81.
134 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Capello, besetzte Aulis, gegenüber Euböa, wandte sich dann
gegen die Inseln Imbros, Thasos und Samothrake, die leicht
erobert und von den Matrosen hart mitgenommen wurden
(August) *) , und erschien sogar vor Athen , wo die auf seine
Schiffe genommenen 250 Stratioten unter Beteiligung der Be-
mannung die Stadt angrifien, verbrannten und aufser 500 Sklaven
viel Vieh erbeuteten ^). Auf diesen Erfolg neidisch, wagte Bar-
barigo den früher gefafsten Plan, Patras, Klarentza und das ehe-
malige Fürstentum von Achaia zu unterwerfen, ins Werk zu
setzen. Es gelang ihm in der Tat, Patras zu erobern, aber bei
unvorsichtiger Verfolgung der Türken Umurs geriet er in einen
Hinterhalt und fiel am 12. August 1466, noch am Tage der
Einnahme von Patras, bei Siderokastron. Die Leiche wurde auf
den Zinnen zur Schau gestellt ^). Dadurch wurden die Vene-
zianer so entmutigt, dafs der gedemütigte und kranke Capello,
der bald darauf verschied, das Unglaubliche schreiben konnte:
„ Sie haben nicht den Mut, einem Türken ins Gesicht zu sehen,
so dafs 250 Türken ihrer 4000 werfen und zum Seeufer jagen
konnten^)." Michael Ralli, „der Grofse ", der ihn verteidigen
wollte, wurde gefangengenommen und gepfählt. Der Erzbischof
von Patras starb ebenfalls am Pfahle ^). Doch retteten sich von
seinem 2000 Mann zählenden Korps die meisten. Erst zwei
Monate später verbreitete sich das falsche Gerücht, dafs die
grofse türkische Flotte Loredano , der sich nach Negroponte
flüchten mufste, geschlagen habe *'). Capello ereilte das Schick-
sal so vieler seiner Vorgänger und Amtsgenossen: er starb vor
Anstrengungen und Gram während des unglücklichen Krieges im
April 1467.
1) „Cron. Zena'" fol. 271.
2) „Cron. Zena" a. a. O. ; ebenda S. 99; Phrantzes S. 425 ff.
3) „Cron. Zena" a. a. O. ; auch Kritobulos und Phrantzes; Chron.
F. 33, fol. 123.
4) „Cron, Zena": „Le sue zenti dell' armada, et maxime i stradioti non
haveano animo, ne volto de guardar uno Turco, per modo che 250 Turchi rom-
pete et cazarno fm alla Marina homini 1111™ armadi de coraza."
5) Ebenda; Phrantzes a. a. O. Siehe auch Sathas I, S. 2370.; „Mon.
Hung. Hist." V, S. 32—33-
6) „Mon. Hung. Hist." V, S. 42—43; vgl. S. 48-49.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 135
Schon 1466, noch vor diesem Ereignisse, schrieb ein kundi-
ger Berater Venedigs, dafs, trotz dreier Kriegsjahre, die früheren
Zustände unverändert gebheben seien '). Des unrühmhchen und
unsinnigen Kampfes müde, beg^annen sich einzelne Gemeinden
mit den benachbarten Türken zu verständigen, um sich die
MögHchkeit bürgerUcher Existenz zu verschaffen. So handelten,
aufser vielen albanesischen Ansiedlungen, Korfu, Lepanto, Mo-
nembasia und sogar Negroponte , dessen Bailo Anfang Februar
1466 bei Lykona eine Unterredung mit Umur hatte ^).
Dann erfolgten Auseinandersetzungen mit der Republik,
die von selten der Mächtigen in Morea und an der Pforte ^),
ja Mahmuds selbst, eröffnet wurden. Letzterer fragte, was für
eine Ursache die venezianischen Freunde gehabt hätten, diesen
unglücklichen Krieg, der trotz aller Unterstützung durch Floren-
tiner und Genuesen ^) dem osmanischen Schatze , zufolge der
Verminderung der Zolleinkünfte, grofsen Schaden verursachte,
zu beginnen. Der Despot Leonard von Arta und die Ragusaner
schickten Gesandte und Emissäre nach Venedig, um über die Be-
dingungen eines Vertrags zu verhandeln. Venedig wies das nicht
zurück ; zwar verlangten die Venezianer zuerst ganz Morea und Les-
bos, später nur „ Misithra, Patras, Arkadien und das Mecresufer bis
Modon " ^) , endlich beschränkten sie ihre P'orderungen auf den
früheren Besitzstand : Koron , Modon , Nauplion , Argos und das
Gebiet von Lepanto ^) für sich selbst , sowie das türkische
Bosnien für den ungarischen Alliierten und Berücksichtigung der
anderen Mitglieder der Liga '^). Als aber König Matthias , der
nur Interesse am Eingang der Subsidien an den Tag legte, ohne
dagegen Garantien für künftige , christliche Unternehmungen zu
geben, sich nicht von der Stelle bewegte, sei es dafs er nicht
1) „Siamo a quello se era il primo zorno"; Sathas VI, S. 102.
2) Ebenda S. 71, 73, 81.
3) Siehe auch „Mon. Hang. Hist." VII, S. 291 — 292.
4) Siehe auch „Mon. Hung. Hist." IV, S. 370 ; V, S. 15.
5) „Mon. Hung. Hist." a. 1. O. S. 10.
6) Ebenda; vgl. S. 14. Vgl. auch S. 26; Ljubic X, S. 327 ff.
7) „Mon. Hung. Hist." IV, S. 341 ff.
136 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
wollte oder nicht konnte, da nahm die Friedensfrage einen ernsteren
Charakter an. ^Die Ende 1465 befohlenen Mafsnahmen zur Aus-
rüstung' einer stärkeren Flotte, die erneute Wahl Aloisio Lore-
danos zum Seehauptmann und das Projekt, im Frühlinge 1466
das Hexamilion wieder herzustellen, blieben ohne weitere Folge,
ebenso die Absicht, sich mit dem Karamanen, mit Usun-Hassan
und sogar mit dem Soudan, „ einem Albanesen aus Morea", ins
Einvernehmen zu setzen '). Denn im Grunde wünschte Venedig
nichts sehnlicher als den Frieden, und man jubelte, als der Bailo
aus seiner Haft entlassen wurde ^).
Der Sultan schien seinerseits den moreotischen Krieg, der
für Venedig so grofse Ausgaben und den Verlust vieler seiner
besten Bürger bedeutete , nicht ernst zu nehmen. Man hatte
den Eindruck, als ob er sich lediglich zu verteidigen wünsche
und keinerlei Angriffsprojekte oder Gelüste hege ^). So war es
auch in der Tat. Die wenigen Schlösser auf der Halbinsel ver-
ohnten nicht, dafs sich der Sultan selbst oder auch nur ein Wesir
in Bewegung setzte. Er war im übrigen überzeugt, dafs die Halbinsel
mit der Zeit ihm von selbst zufallen würde. Nach Westen dagegen
lockten wichtigere Aufgaben; er wollte sich — und darin be-
zeugte er erneut seinen staatsmärnischen Blick — den Weg
nach Deutschland, wie anderseits nach Istrien und Friaul, den
italienischen Provinzen Venedigs, erschliefsen.
j In dieser Gegend bcsafs der alte ,,Cherzech" Stipan in seinen
letzten Jahren nur einen geringen Teil seines früheren Gebietes.
Die in der Nachbarschaft ansässigen Türken entrissen ihm die
Schlösser im Süden; und 1464 schlug ihm der ungarische Be-
schützer vor, ihm sein Gebiet gegen Agram, 40000 Dukaten
und einige Güter in Ungarn einzutauschen. Ohne Antwort zu
i) „Gli nc dicde tpcrauza, fcio che questo Soldar.o heAlbanesede laMoica";
,,Mon. Hui;g. Hist.^' a. a. O. S. 370. Vgl. S. 349— 350; Sathas VI, S. 14.
2) „Mon. Hung. Hisi." a. a. O. S. 327.
3) Vgl. ,.Mon. Htng. Hist." IV, S. 370: „De la se iä pocha txtima de la
gueiia de la Signoria''; V, S. 74: „Perstp.dtndcsi che lo Turcho ron debia
offenc'eie alc lor ttire, si loio ncn li dsro irclcstia, havtr.do veduto qncslo per
passata txpcrienza."
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 137
erwarten, besetzte er ihm zwei Burgen, worüber sich Stipan bitter
bei Venedig, dem er gern seine Länder an der Bocche di Cat-
taro überlassen hätte *), beklagte. In Narenta und Kraina traten
auch die Venezianer als Eroberer auf ^). Nur Castelnuovo, sein Novi,
war ihm geblieben, und hier schlofs er auch im Laufe des Jahres
1466, wahrscheinlich im April, seine Augen. Von seinen Söhnen
war Wladislaw von den türkischen Freunden schon aller seiner Be-
sitzungen beraubt worden ^) ; die zwei anderen, Wlatko, der sich
nunmehr „ Cherzech " nannte, und „Graf" Stephan lebten in
gutem Einvernehmen und suchten sich von der väterlichen Erb-
schaft soviel wie möglich zu retten. Im Jahre 1469 bemühte
sich das Ungarn ergebene Ragusa, sie mit dessen König, der im
Unrecht gegen sie war, zu versöhnen *)
Um eines solchen elenden Gewinnes willen war ein Ein-
schreiten des Sultans nicht erforderlich. Anders stand es mit
dem von den Venezianern unterstützten, von Aragon in Obhut
genommenen und von Ungarn aufgestachelten Skanderbeg.
Anfang des Jahres 1462 weilte dieser, aus Neapel, wo er
unter Roberto Orsini gedient hatte, zurückgekehrt — nannte er
sich doch gewöhnlich königlich aragonischer Generalhaupt-
mann •^) — , wieder in seinem Kroia , wo er auch den flüchtigen
Erben Serbiens, Stephan Brankowitsch , beherbergte. Er stand
auch mit Stipan damals, als dieser noch alles Heil von Ungarn
erhoffte, in den besten Beziehungen; später verlangte Skander-
begs Beschützer, der König von Neapel, von den Söhnen Stipans
i) Ebenda IV, S. 388—389; Ljubic X, S. 349.
2) Ljubic X, S. 337, 346; vgl. „Mon. Hung. Hist." Y, S. 43.
3) Einer Gesandtschaft, die er an die Republik schickte, gehörte auch ein
Manoli Kantakuzenos an; Ljubic X, S. 347; s. auch S. 374.
4) Vgl. „Mon. Hung. Hist." V, 5, 6, 7 ff., 13 ; Lj ubic X, S. 336 ff., 350 ff.,
374, 396ff., 431 ff-; „Dipl- Rag-" S. 629, 774—775, 785, 787ff., 796—797-
5) „Georgius Castriota, alias Skanderbeg, dominus Albanie ac generalis
capitaneus Regie Maiestatis in partibus Grecie"; „Mon. Hung. Hist." IV,
S. 116 — 117. Höchstwahrscheinlich sind die Briefe, die das Jahr 1461 an-
geben, „more veneto" datiert. Nach Hopf kämpft er im Reiche Neapel im
Laufe des Jahres 1461 und kehrt im Juli 1462 über Ragusa zurück; II, S. 153"^;
vgl. Chron, F. 33.
138 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
das starke Schlofs Novi, indem er ihnen vier andere im König-
reiche anbot und versprach, Novi wieder zurückzug^eben, wenn er,
infolge der ihm vom Sultan vorgeschlagenen Familienverbindung,
ganz Bosnien sein eigen nennen werde *). Skanderbeg bean-
spruchte von Venedig Geld, italienische Truppen, eine Galeere
und den Schutz der mächtigen Republik für seinen achtjährigen
Sohn. Tatsächlich wurden looo Söldlinge nach Albanien ge-
schickt und an Skanderbeg zur Fortführung des mit den Türken
wieder begonnenen Krieges 2000 Dukaten gezahlt. Bis 1464
stand der Condottiere Cimarosto an der Spitze der italienischen
Hilfsschar: Venedig war froh, sich derart Luft und dem Sultan
und seinen Befehlshabern zu schaffen zu machen. Skanderbeg
schlug den gegen ihn ausgezogenen Beg, machte aber von 1464
bis 1466 der Signoria Vorschläge zum Frieden '■^).
Dennoch ging Mohammed im Frühling des Jahres 1466 —
im Jahre 1465 war der Sultan krank gewesen — über Bitolia-
Monastir ^) wider die albanischen Berge vor. Die Pässe wurden,
nicht ohne hartnäckigen Kampf, gewonnen, und schnell ein Weg
ins Innere eröffnet. Unterwegs raubten und plünderten die
Türken, in der Hoffnung, Skanderbeg dadurch zur Unterwerfung
zu zwingen. Aber erst der Angriff auf Kroia konnte entscheidend
sein ; und wie früher Jaice, hielt sich das von Albanesen, vielen
Venezianern und vielleicht auch einigen Söldlingen des Königs
von Aragon *) verteidigte Schlofs so gut , dafs der Sultan von
seinem Vorhaben, mit dessen Eroberung seine Herrschaft im
venezianischen Albanien zu begründen, abstehen mufste. Im Juli
i) Vgl. Matyäs Kiräly Levelei I, S. 142 — 143.
2) „Mon. Hung. Hist." IV, S. 203, 229 — 233,286, 306 — 308,351; LjubicX,
S- 319, 334 ff-> 359ff-» 362, 365. Über das Verhältnis der Venezianer zu Lek Da-
kaschin und Iwan Tschernojewitsch Ljubic X, S. 3230". Über die Details der
Kämpfe Skanderbegs gegen Balabanbeg im Jahre 1464, wie sie bei Oronitsch,
Ochrida usw. stattfanden, s. Hopf II, S. 156^, nach Rinaldi 1465, Nr. 18,
aber auch nach dem oft verdächtigen Barletti. Vgl. „Matthiae epistolae ad ro-
manos pontifices" S. 29 — 30. Über die päpstlichen Ermahnungen an König
Matthias (1465) ebenda S. 59 — 60.
3) Seadeddin II, S. 238 — 239.
4) Siehe über ein Hilfegesuch Skanderbegs nach Neapel, in Mai „Dipl. Rag."
S. 774— 775.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 139
erfuhren die Venezianer durch einen Gesandten Skanderbeg's,
dafs „ Kroia g-erettet sei " ^). Der Sultan hatte sich zurück-
gezogen, Hefs aber Avlona, das einem Angriffe gegen Otranto
Vorschub leistete, stark befestigen und mit 400 Janitscharen be-
setzen ; die dadurch ebenfalls bedrohten Venezianer hatten nicht
den Mut dieses „ neue Schlofs '' der Türken am Meeresufer anzu-
greifen und zu zerstören , trotzdem Skanderbeg sogleich An-
erbietungen in diesem Sinne gemacht wurden ^). Im Innern
gründete Mohammed die Stadt Elbassan und sorgte für ihre
mosleminische Besiedelung ^). Mit dem grofsen türkischen Heere
gingen 3000 albanesische Gefangene fort ^). Die venezianischen
Besitzungen waren nur wegen des Anschwellens der fiumare
noch nicht angegriffen worden ^).
Aber auch nach dem Abzüge des Sultans ging der Klein-
krieg in Albanien fort, und zwar in allen Winkeln des gebirgigen
Landes , das für schnelle Überfälle und schlaue Überrumpelung
wie geschaffen war. Am 7. September kam die Nachricht nach
Venedig, dafs der Befehlshaber der Türken, Balaban-beg, ein
albanischer Renegat ^) , eine grofse Niederlage erlitten habe '^).
Sie sollte bald gerächt werden. Im November klagten die Ve-
nezianer, dafs, infolge der eben erfolgten Verjagung Skander-
begs, nur noch Kroja, mit seinen von der Republik bezahlten
Verteidigern, die christliche Herrschaft im Lande vertrete ^).
j) „Locus Croye conservatus sit"; Ljubic X, S. 371.
2) Ljubic X, S. 372—373; vgl. auch S. 367, 369.
3) S eade ddin II, S. 239. Kritobulos erwähnt die Kolonisation und
Befestigung Ebbassans gleichfalls. Siehe auch Phrantzes S. 425. Über Avlona
auch „Mon. Hung. Hist." IV, S. 228.
4) „Cron. Zena".
5) Ebenda. Vgl. die serbische Chronik bei Bogdan, S. 524, wo die neu.
erbaute Stadt IxOHIOXB genannt wird.
6) Nach Barletti.
7) „Cron. Zena"; Kritobulos.
8) „Pulso ex ea d. Scanderbego, nihil superest ex omni dicione eins nisi
oppidum Croie, conservatum a nostris peditibus et custoditum usque ad presens";
Ljubic X, S. 384; „Mon. Hung. Hist." V, S. 41 — 42. Über einen Erfolg
Skanderbegs, der et%vas später 400 Türken getötet haben soll, ebenda S. 47 ff. Im
Februar 1467 hielt Balaban Kroia eng eingeschlossen, ebenda S. 73.
140 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Im April 1467 suchte der verdrängte Fürst von Albanien, der
von Venedig- 2000 Dukaten erhalten hatte, wieder in sein Land ein-
zudringen; die geängsteten Ragusaner, deren Tribut bereits zwei-
mal, 1453 und 1458, und zwar auf 5000 Dukaten erhöht worden
war'), antworteten, dafs sie ihm keine Hilfe leisten könnten.
Denn eben hatte sich Mohammed IL von seinem Lager in
Philippopolis von neuem nach dem widerspenstigen Albanien
gewandt, dessen Unabhängigkeit seinen Plänen gegen die reichen
westlichen Christen einen Riegel vorschob. Im Mai wuirde in
den Tälern des Hochlandes arg geplündert. Wieder belagerten
die Türken Kroia, wo Skanderbeg sich nicht mehr befand: er
hatte 200 aragonische Soldaten mit sich und schien den Ve-
nezianern verdächtig, weil König Ferdinand von Neapel, sein
Oberherr, mit den Türken in gutem Einverständnisse lebte ^).
Auch diesmal ergab sich das Schlofs nicht, und Mohammed sah
sich zum dritten Male in seiner militärischen Laufbahn nach den
Mifserfolgen vor Belgrad und Jaice und bei der ersten Belagerung
Kroias gezwungen, sich vor den starken Mauern einer gut ver-
teidigten Festung der Christen zurückzuziehen ^).
Der von ihm zurückgelassene Beg, w^ahrscheinlich derselbe
Balaban, den Skanderbeg 1466 besiegt hatte, machte auch
einen Versuch auf das venezianische Durazzo , in dessen
Hafen acht Kriegsschiffe der RepubUk standen *). Im August
jedoch verzichtete er auf eine Belagerung. Den von ihm ein-
gesetzten muselmanischen Neffen Skanderbegs, den Sohn einer
Schwester desselben, der seine Residenz in Redoni am Meere
aufgeschlagen hatte, griff der Oheim an und köpfte ihn an Bord
einer venezianischen Galeere eigenhändig ^). Durch diesen Er-
i) Chronik von Ragusa 1452 — 1 510 ; Hofbibliothek von München it. 551. Vgl.
„Mon. Hung. Hist." V, S. 95.
2) Bericlit an den Herzog von Mailand, unter dem falschen Datum 147 1 in
„Mon. Hung. Hist." IV, S. 225—226, abgedruckt; Ljnbiö X, S. 389, 395
bis 396. Siehe auch ebenda S. 387 — 388, 388 ff.; „Mon. Hung Hist." V,
S. 59 — 60.
3) Die serbische Chronik bei Bogdan S. 524 erwähnt die Plünderung des
Tomornitzagebietes,
4) „Cron. Zena".
5) Ebenda: „Et solum haveva lasato uno nepote de Scandr, il quäl h rene-
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 141
folg" g-cwann Skanderbeg- seine frühere Stellung- wieder, und
Kroia selbst gehörte ihm von neuem. Er dachte jetzt an einen
neuen Krieg gegen die benachbarten Begs und schickte mit dem
Erzbischofe Paul Angelo von Durazzo seinen jungen Sohn Johann
nach Venedig-, um Hilfe zu verlangen ^). Doch starb er zu An-
fang des folgenden Jahres, angeblich am i8. Januar, im veneziani-
schen Alessio, als er sich eben gegen raubende türkische Schaaren
wenden wollte ^), seinem Volke, das ihn in Liedern besang, die
dauernde Erinnerung seiner Taten hinterlassend ^). Die Musachis,
die Spano, deren einer, Alexius, der Republik seine Dienste als
Friedensvermittler angeboten hatte, sowie Strexi, Nikolaus Skura,
dem der Berg- Benda über Kroia gehörte, und die wieder mit
den Türken im Einverständnis stehenden Tscherwojewitsch und
Pastrowitsch *) teilten sich in das Land, ohne die Rechte der
Witwe Andronika, einer Tochter der Arianites, ihres unmündigen
Sohnes — mit dem sie sich, in das Skanderbeg vorzeiten von
König Ferdinand versprochene Trani flüchtete ^) — und ihrer
Brüder zu berücksichtigen. Dadurch sah sich Venedig gezwungen,
Kroia im Jahre 1469 für sich selbst zu besetzen **). Das Land
befand sich so im Zustande vollständiger Anarchie, weil auch
gato , con cavalli 1300, el quäl se haveva ridutto in forteze al Caoredondo, che
h tra Durazzo et Croia." Über Redoni s. Ljubic X, S, 399: „locus Rhodo-
norum ".
1) Ljubic X, S. 399.
2) LjubicX, S. 404 — 405; 3. Februar 1468: „Mortuus est magnificus quondani
Scandarbegus''; „Mon. Hung. Hist." V, S. 93: „ Scanderbeg he passato de questa
vita; havea la febre, et, essendo corsi certi Turchi nel paese, volsi niontar a
cavalo , e mori in tre giorni"; vgl. auch Phrantzes S. 430; siehe Hopf II,
s. 157.
3) Vgl, Chron. F. 331, fol. 136: „I popoli cantavano le sue imprese con
dolcissimi versi, a tal che ancora era solito che ogni otto giorni le fanciulle della
cittä si radunavano insieme et in mezzo le strade cantavano le lodi del morto
principe."
4) Über die damaligen Stämme der Albanier siehe den 1455 geschlossenen
Vertrag zwischen Venedig und Stephan Tschernojewitsch. „Commemoriali" V,
S. 125—126, Nr. 18. Auch S. 132, Nr. 38.
5) Hopf U, S. 157.
6) Ljubic X, S. 404, 440; vgl. auch „Mon. Hung. Hist." V, S. 41 bis
42, 84.
148 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
die Brüder Dukaschin sich untereinander befehdeten und Alexius
Dukaschin die Türken hineingebracht hatte ^).
Währenddessen waren einmal durch den Vize-Bailo Antonio
Michele, dann durch Spano, durch einen Juden und den zu diesem
besonderen Zwecke an die Pforte abgesandten Leonard Boldü die
Verhandlungen mit dem Sultan fortgesetzt worden. Doch bHeben
sie ergebnislos ^). Seinerseits hatte der mit den böhmischen An-
gelegenheiten beschäftigte König von Ungarn den gleichen
Wunsch: Ende 1467 glaubte man, dafs der Waffenstillstand mit
dem osmanischen Reiche schon abgeschlossen sei; und auch 1468
stellte sich ein türkischer Gesandter in Grofswardein ein ^). Übri-
gens scheute sich Matthias nicht, das ihm gehörige Bosnien auch
auf Kosten seiner christlichen Alliierten zu erweitern ; er besetzte
Klissa und entrifs dem hinfälligen Stipan einige Burgen, behielt die
Erbschaft des jungen Wlatko für sich und liefs in Narenta die
Fahnen San-Marcos niederholen *). Auch mit den Frangepani
von Segna und besonders mit dem Grafen Stephan, der mit den
Brüdern in Fehde lag, stiefs er feindlich zusammen, weil er seiner
kroatischen Herrschaft günstigere Grenzen zu schaffen trachtete ■^).
An ein tatkräftiges Zusammenwirken mit Venedig war nicht mehr
zu denken.
Auch die Kreuzzugsprojekte des neuen Papstes Paul, eines
Venezianers von Geburt, erwiesen sich als eitel, obgleich deut-
sche Reichstage, italienische Friedensverhandlungen, Rüstungen
für die ., welsche" Flotte und das deutsche Landheer, und eine
Verständigung mit Ungarn an der Tagesordnung blieben. Zwar liefs
König Matthias im Herbste 1466 in der Tat in Regensburg eine
Flottille von 24 Schiffen erbauen, aber die Türken bekamen sie
niemals zu Gesicht '). Im November 1466 wurde ein Tag in
1) Cliron. F. 33 von Dresden, fol. 125.
2) „Mon. Hung. Hist." V, S. 14, 15; Ljubic X, S. 379, 402 — 403.
3) Siehe auch Ljubic X, S. 376 — 377, 402 — 403, 406; „Mon. Hung.
Hist." V, S. 9, 77, 79—80, 95.
4) „Mon. Hung. Hist." V, S. 47.
5) Ebenda ; s. weiter unten.
6) Matyäs Kiraly Levelei I, S. 152 ff.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 143
Nürnberg" abg"ehalten , auf dem sich der neue Hauptmann der
zur Rettung Ung-arns vor angeblich drohender Gefahr in Aus-
sicht g-enommenen christhchen Heerscharen , der schon im JuU
vom Kaiser ernannte Ulrich von Grafeneck, einer der Gefährten
des alten Himyady zur Zeit der Belag-erung- Belg-rads, vorstellte,
und man beschlofs, im Reiche, das sich eines fünfjährigen Friedens
erfreuen sollte, jeden hundertsten Mann auf drei Jahre zum Kreuz-
zug" auszuheben ; die Gesandten des König-s Matthias erklärten
dessen Bereitwilligkeit, 5000 Krieger zu stellen, eine Gold- und
Silbermünze des heiligen Krieges anzuerkennen , für die Dauer
desselben dem Generalhauptmann die Schlösser Belgrad, Salan-
kemen („ Sallkeyina"), Severin, Orsova („ Urszasan ") und andere
anzuvertrauen ^) und auch sein eigenes Kontingent dem gemein-
samen Oberberbefehlshaber den Eid der Treue leisten zu lassen.
Nachdem in jeder Kirche dreimal wöchentlich Gebete für das Ge-
lingen des Unternehmens abgehalten sein würden, sollten die P'eind-
seligkeiten im Frühling 1468 beginnen, ohne sich auf gewagte
Kämpfe umfassenderer Art im Stile Johann Hunyadys einzulassen :
„ das er auch kleinen Storm, Strit, noch grosse Slahen mit auff-
geworffen Bauern gein den Türken wolt furnemen". Die Ein-
künfte der Maut im Reich wurden zur Deckung der Kosten
vorgesehen. Vor den versammelten deutschen Fürsten, Albrecht
und Friedrich von Brandenburg, Otto von Bayern, Eberhard von
Württemberg, rühmte sich der Papst durch seinen Vertreter, den
Erzbischof von Kreta, Fantino della Valle, dafs er Ungarn bereits
140000 Dukaten geschickt habe „und sunst etlichen Stetten
yenhalb Mers an die Turcken stossen, de Kornn und ander
notdürftige Ding auch zugesandt habe". Zwei von jenen, Otto
und Eberhard , erboten sich, persönlich gegen die Türken zu
ziehen. Auch König Georg Podiebrad von Böhmen, obschon
ein hussitischer Ketzer, war doch als frommer Christ und An-
l) Siehe auch den Brief des Kaisers an Albert von Sachsen; Dresdener
Archiv 9321 : ,,Iamque regem prefatum dispositum dicto capitaneo nonnulla castra
et loca regni sui munitissima concedere velle, per que tute et absque ulla offensa
exercitum ducere per Ungariam nutu suo libere possit." Ulrich geriet bald mit
dem Legaten , dem Patriarchen von Aquileja , in Streit ; siehe seine Protestation
im cod. germ. monacensis 1586, fol. 44.
144 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
hänger der von seinem „ welschen " Günstling-e Antonio Marini von
Grenoble gehegten und ausgearbeiteten Kreuzzugspläne, die er
König Matthias mitgeteilt hatte, einer solchen Unternehmung sehr
zugetan ').
Der zweite, auf den St. Veitstag 1467 berufene Reichstag
beriet über die Höhe der Kontingente, die die einzelnen Mächte
stellen sollten. Der Papst liefs wissen, dafs Venedig 44 Galee-
ren, 6 Galeassen und 6 Transportschiffe für die nächste Kam-
pagne rüste, König Alfons „treffenliche Hilff" verspreche und
der Herzog von Mailand für den Frieden gewonnen sei. Man
sprach von dem aus „ einer zimlichen Zal Herren , Rittern und
Knecht und sust andern " zu bestehenden deutschen Friedens-
tribunal, und beschlofs, dafs die verschiedenen Truppen sich im
Frühling am St. Georgstage vor Prefsburg oder Korneuburg
einfinden sollten. Matthias und der „Obris-Haubtman des Zugs
wider die Türken", der im April Venedig besucht hatte ^), waren
eng befreundet; im Mai befanden sich beide bei dem von den
„Prüder", den Hussiten, belagerten Gofsdelan 2). Endlich, am
20. Juli, befahl der machtlose Kaiser die Einstellung aller Privat-
fehden und schrieb einen dritten Reichstag nach Regensburg
aus. In Italien wurde am 25. April 1468 wirklich der Friede
ausgerufen *), und nach der mifsglückten Reichsversammlung von
Nürnberg (Frühling 1468) sprach man von einem neuen, am
I. Oktober 1469 abzuhaltenden Reichstage^).
Wieder verlor man nur Zeit, und die ungarischen Gesandten,
Bischof Balthasar von Syrmium und Siegmund von Pösing, trafen
den Kern der Sache, wenn sie sagten, dafs „ ein Reichstag nur
i) Siehe meinen Aufsatz: „Un auteur de projets de croisades, Antoine
Marini" in den „Melanges Monod".
2) „Mon. Hung. Hist.'' V, S. 53.
3) Von hier aus schrieb Ulrich: „Nachdem ich zu Nuremberg am nechsten
abgeschiden bin, haben die Türken ob XL'" Cristenmenschen auss Sibenbiirgen
und etlichen Gegenden daran gelegen in die Turckej getriben und andern vil
mercklichen Schaden und Verderben getan." Verräter spielten dem Könige doch
die Feste Schabatz in die Hände; „Mon. Hung. Hist." V, S. 67.
4) Lj ubic X, S. 407.
5) Ebenda S. 429. Vgl. auch Katona XV, S. i flF.
Wiederbelebung der Kreuzzagsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 145
immer einen anderen bereitet " '). Zug-leich erklärten sie im
Namen des König-s, dafs Ungarn nicht willens sei, sich zuerst
der Vernichtung- durch die Türken auszusetzen ^). Auch die
Prophezeiung, dafs die Deutschen in kurzem den Feind im eigenen
Lande sehen würden ^), sollte sich schnell bewahrheiten. Noch
im Laufe des Jahres 1468 erschienen, als der Kaiser in Rom
weilte und vom Papste das heilige Schwert empfing, die Asapen
Isabegs von Bosnien vor Skardona, Zara und Spalato , wo sie
auf venezianischem Gebiete viele dalmatinische Sklaven er-
beuteten, dann, gegen den Dezember hin, vor Sebenico. In
den Grafschaften von Segna und Modrufs wurde geplündert.
Auch die Fiumaner sahen die grausamen Gäste, und man fürch-
tete für die Sicherheit Istriens und der venezianischen Provinz
Friaul *). Das nächste Jahr führte diese kühnsten Beutemacher
der Welt — sie schienen ,, durch die Luft geflogen zu sein" —
bis zum Schlosse Lubiana, das dem Kaiser gehörte; sie über-
schritten die Grenze Kroatiens und machten den Untertanen der
Grafen von Segna und Korbau einen neuen Besuch °). König
Matthias suchte durch Besetzung Segnas und Ernennung des
rohen , aber tüchtigen Blasius Magyar zum Ban von Bosnien,
Slawonien und Kroatien, diese seine südliche Grenze zu sichern ^).
Der Kaiser begnügte sich dagegen mit einer Reise ins verheerte
Kroatien (1470) ^).
1) „Semper dieta dietam parat."
2) „Si pereundum sit, saltem Sua Maiestas prima non fiat"; s. Nürnberger
Archiv S. i, L. 79, Bd. 5, Nr. 4; cod. lat. monac. 26604, fol- loff. ; cod. germ.
monac. 1348, fol. 9 ff., 15 voff.
3) ,,A suis subditis Alamanie principes maledictiones audient et clamores
contra eos ad celum ascendentes." Zur Geschichte dieser Projekte und Reichs-
lage s. Nürnberger Archiv S. 101/103, S. i, R. 79, Nr. 26a; S. i, L. 209; S. i,
L. 79, Bd. 5, Nr. 4, 23; Innsbrucker Landarchiv K. Archiv 6 A., Urk. II, 363;
Dresdener Archiv 9321 ; cod. lat. monac. 16225; Münchener Reichsarchiv, „Türken-
Jiilff" de a. 1416 ad 1518, Nr. 12.
4) Ljubic X, S. 413 — 414, 419 — 420, 422ff., 427ff., 429, 432; „Mon.
Hung. Hist." V, S. 77, 87, 90, looff., 117, ii9ff., 122 — 123, 131 — 133,
135, 148.
5) Ebenda S. 447 — 448, 453 ff., 459, 461, 466; vgl. Katona XV, S. 405 ff".
6) Vgl. „Mon. Hung. Hist." V, S. 163 ff., 174 ff.
7) Ebenda S. 171.
Jorga, Geschichte des osmanlschen Reiches. II. 10
146 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Schon 1468 hatten die türkischen Seeräuber Andros ange-
grififen und den Herrn der Insel, Giovanni Sommaripa, getötet *).
Ende des Jahres wurden wiederum 4000 türkische Reiter nachMorea
geschickt^), doch Hefs sich keine Partei auf bedeutendere Unter-
nehmungen ein. Auf dem Meere dagegen konnten die Venezi-
aner, unter Niccolö de Canale , im August 1469, Anos mit 26
Galeeren überfallen und es nach einer Belagerung von sieben
Tagen einnehmen. Die Seeleute der Republik hausten in der
blühenden Stadt fünf Stunden hindurch viel ärger als die Türken ;
ihre Beute wurde auf ungefähr 200000 Dukaten geschätzt, und sie
schleppten 2000 Gefangene fort, die sie zum Austausch gegen
türkische Gefangene verwenden konnten. Nicht einmal die von den
Türken verehrten Nonnen verschonten die rohen Matrosen ^).
Auch das reiche Foglie Nuove (Neu-Phokäa) erlitt das gleiche
Schicksal , dagegen wurde das Alte Phokäa vergeblich an-
gegriffen. Aus Freude über den unverhofften Sieg läutete man
während dreier Tage in Venedig und im ganzen Gebiete der
Signoria die Glocken und zündete auf der Spitze der Türme und
auf den Plätzen Feuer an. Die grofse Stadt jubelte, den ge-
fürchteten Türken einmal empfindlichen Schaden zugefügt zu
haben ^). Der Prälat Rodrigo von Calahorra benutzte freilich
die Gelegenheit, um von der Idee eines allgemeinen Konzils, das
den Kreuzzug gegen die Türken ins Werk setzen wollte, abzu-
raten und diese Mission dem Papste allein, als ,,dem alleinigen
Haupt und Monarchen der christlichen Republik", vorzubehalten^).
Seit 1466 — ^"j wütete die Pest auf der ganzen Balkanhalb-
insel ^\. Der Sultan hatte sich nach dem zweiten albanischen
i) Ljubic X, S. 413; vgl. Hopf, Andros, das betreffende Kapitel.
2) „Moii. Hung. Hist." V, S. 87.
3) Siehe Chron. F. 33 in Dresden: ,, Molti hanno creduto che per (}uesto
mancamento fossero puniti nella presa di Negroponte."
4) ,,Cron. Zena. " Dasselbe Datum in Phrantzes S. 447. Vgl. „Mon.
Hung. Hist." V, S. 228. Über beiderseitige Angriffe auf die Inseln s. die Notizen
in Sanudo und Sabellico bei Zinkeisen II, S. 315 ff.
5) „Ut unicum caput et monarcham Reipublice Christiane"; Bibl. Marciana,
lat. Jan. (.^) 90. Daselbst werden auch ,,plurimc nobiles mulieres", die in Änos
gefangen worden seien, erwähnt.
6) Vgl. auch Phrantzes S. 429.
WiederbeJebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 147
Zuge an die Ufer der walachischen Donau, nach Vidin und Niko-
polis und später in die Dobrudscha begeben müssen, um der furcht-
baren Krankheit zu entgehen '). Dann (1468) brach er nach Kara-
manien auf, um den dort ausgebrochenen Aufstand zu dämpfen
und den ehemahgen Staat der Karamanen in ein Sandschakat
zu verwandeln. Die Venezianer frohlockten, als sie hörten, dafs
ihr Feind sich ,, sechs Monate Weges" von ihnen entfernt habe ^).
Nach einem Jahre, im Herbste 1469 aber, fafste er den Ent-
schliifs, einen grofsen Schlag gegen die Venezianer zu führen,
zu dem Zwecke, ihnen Negroponte zu entreifsen.
Die Konzentration der türkischen Schiffe kam den Venezianern
rechtzeitig zur Kenntnis, und sie verfügten im Februar 1470
den Bau von 14 Galeeren in Venedig selbst und weiteren 14 in
den Kolonien ; 400 Büchsenschützen wurden nach Negroponte
beordert. Erst am 2. Juni fuhren die iio Galeeren und 3 Gale-
assen nebst gegen 200 anderen Fahrzeugen des Sultans aus den
Meerengen aus, während das Heer sich auf dem Landwege nach
Westen wandte. Die türkische Flotte nahm Imbros (am 8. Juni)
und Lemnos, mit Ausnahme des starken Palaiokastron, das fünf
Tage hindurch vergebens belagert wurde ^). Am 15. des Monats
plünderte man auf der Insel Skyros , konnte aber das Schlofs
nicht einnehmen^). Endlich am 25. hielten die Schiffe am Ein-
gang des Eurippus °).
Der Sultan selbst und einer seiner Söhne, wahrscheinlich
Dschem, waren mit einem Teile der Flotte angekommen ^). Es
dauerte einige Wochen, bis alle osmanischen Kräfte unter Negro-
ponte vereinigt waren. Die Janitscharen gingen über die von
den Türken in Boötien gebaute Brücke , die die Insel mit der
„Starea" bei der S. Marcokirche verband. Das karmesinrote
i) Kritobulos; vgl. „Mon. Hung. Hist." V, S. 93.
2) Vgl. „Mon. Hung. Hist." V, S. 84.
3) Phrantzes S. 447; Nanni de Itro ; s. unten.
4) Nanni de Itro.
5) „Ad columpnas super portam S. Marci Nigroponti insule"; ebenda.
6) „Imperator ... in mari accessit cum trecentis milibus hominum, non ex-
pectando exercitum qui supra portam S. Marci fuit, quorum Im. sexaginta milia";
ebenda.
10*
148 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Zelt des Herrschers wurde bei der Kirche S. Chiara aufgeschlagen,
und eine Bombarde begann von hier aus die Pforte „Christi" zu
beschiefsen , während eine andere am „Galgen" aufgestellt
wurde; bei der Kirche S. Francescos stand der Wesir. Die
Pforte „Tempil" wurde von zwei an den Fornaci stehenden
Bombarden beschossen. Auch an der Giudeccapforte waren
türkische Kanonen zu sehen *).
Der venezianische Generalkapitän Niccolö de' Canale , der
nach dem Abzüge der Türken bei Lemnos und Imbros , dann
bei Palaiokastron und Skyros weilte ^) und sich am 2. Juni in
den Gewässern von Tenedos befand , wäre gewifs imstande ge-
wesen, das Unternehmen Mohammeds zu vereiteln. Statt sich
aber vor der Hauptstadt der Insel zu decken, ging er mit
34 Schiffen zunächst nach Kreta und schickte den Golflcapitän
nach Modon, damit er sich dort mit anderen Fahrzeugen der
verschiedenen Kolonien vereinige. Erst am 29. Mai brach
Canale nach dem nun schon längst belagerten Negroponte auf,
und am 8. Juni waren endlich die 45 Galeeren und 10 andere
Fahrzeuge ^) beisammen.
Der Sultan bediente sich derselben Taktik wie 1453 vor
Konstantinopel. Eine Brücke verband, wie gesagt, die Insel mit
dem festen Lande, wo es von Türken wimmelte. Durch die ver-
einten Kräfte von Menschen und Tieren wurden 30 grofse Schiffe
in die euböische Meerenge geschleppt und sofort die Belage-
rung in Angriff genommen; ohne grofse Opfer bemächtigte man
sich der Vorstädte. Doch verweigerte die Besatzung des Schlos-
ses auf mehrfache Aufforderung die Übergabe. Noch mehrere
Wochen vergingen bis zur Übergabe , denn den Belager-
ten standen reiche Mengen Proviant zur Verfügung. Ein
Komplott des dalmatischen Condottiere Thomas und seines
Freundes Luca di Cortulia zu verräterischer Übergabe Negro-
i) Vgl. auch Chron. F. 33 von Dresden, fol. 127 — 128.
2) Siehe die Äufserung der Einwohner über ihre Anzahl: „Quelli, non sa-
pendo in latino dire il numero delle galee, toccandosi i capelli, mostravano che
il numero era grande"; Chron. F. 33 von Dresden, fol. 125 ff.
3) Vgl. die Angabe N a n n i s : „44 galeis et XVj navibus et cum 4 galeis de
Cipro et Rhodo et una Genuensium."
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee, Vereinter Kampf der Christen usw. 149
pontes wurde entdeckt; es gelang, die Urheber zu verhaften, und
sie starben am Galgen. Der Nachfolger des Thomas, ein
Florentiner, flüchtete zu den Türken. Am 7. und 8. Juli wurden
zwei Stürme zurückgeschlagen, am 10. ein dritter. Doch hatten
die Türken durch die Verräter erfahren, dafs die Mauern auf der
Landseite an der Burchiopforte schwächer seien , und setzten
die Beschiefsung derselben hartnäckig fort. Da erschien die
venezianische Flotte, die den Osmanen durch die Anzahl und die
Pracht der Schiffe imponieren mufste. Es galt zwischen einem
heroischen Sturme und dem Rückzuge zu wählen.
Die Feigheit Canales, der bei S. Chiara, eine Meile von der
Brücke entfernt, den ruhigen Zuschauer spielte, gab den Ausschlag :
das einzige Schifif eines gewissen Ottobono erzwang sich den Weg
bis vor die Mauern. Canale folgte auch dem Rate, die Brücke zer-
stören zu lassen, nicht. So flüchteten denn die Griechen bald von
den bedrohten Zinnen. Dadurch ermutigt, drangen in der ersten
Stunde des Tages die Janitscharen durch die Porta Giudecca und
die schon genannte Porta Burchiana in die Stadt , wo die Ver-
teidigung sich noch lange hinzog. Die eroberte Hauptstadt Euböas
erlitt das Schicksal Konstantinopels (12. Juli) ^). Der heldenmütige
Verteidiger Polo Erizzo wurde durch die Mitte geschnitten ^).
Die anderen Rettori, Calbo, Badoer und Bondimero, waren schon
während des Kampfes gefallen. Canale folgte den türkischen
Schiffen bis Chios, ohne eine Seeschlacht zu versuchen.
Zugleich mit Negroponte wurden auch die Inseln Skiathos,
Skopelos, wie Fitileo und das ganze Gebiet von Euböa ^), in Be-
sitz genommen. Ein Versuch der Wiedereroberung, den Canale,
der gleich darauf nach Friaul verbannt und durch Pier Mocenigo
ersetzt wurde, doch noch wagte, mifslang (24. September). Die
Venezianer hatten dabei den Verlust zweier Schiffskapitäne und
i) Nanni erwähnt der entsetzlichen Bluttat Mohammeds, der „omnes supra
XVj annos occidit", und sagt: „Maior crudelitas nunquam visa est."
2) „Lo fece sigare, dicendogli che gli haveva promesso di perdonar alla
testa et non a i fianchi"; Chron. F. 33 von Dresden, fol. 129 — 130.
3) Nanni a. a. O. ; s. den Brief des Sekretärs Malatestas in Sansovino,
fol. 248 v-off.
150 Erstes Bucl). Siebentes Kapitel.
dreier Galeeren zu beklagen ; auch Giovanni Tron, der Sohn des
künftigen Dogen, fiel ').
Unverzüglich ging nun der neue Wesir nach Morea weiter.
Er fand die meisten Städte, so die 1469 eingenommenen und
befestigten ^) Vostitza und Kalamata, von ihren Einwohnern ver-
lassen oder niedergebrannt. Die Venezianer hielten sich in
Kataphygi, Koron und Modon versteckt. Ihre Schiffe hatten nicht
den Mut, die Fahrzeuge der Türken anzugreifen. Als der neue
Seeadmiral von Lemnos, wo er 12 Galeeren zurückliefs , nach
Modon zurückkehrte, drohten die Matrosen, denen man den Sold
schuldig war, mit Übertritt zu den Türken ^).
Laut ertönte in Venedig, aber auch fast nur in Venedig,
die Klage über die Katastrophe von Negroponte. Wieder ver-
i) Siehe auch Chron. F. 33 von Dresden, fol. 130 — 131.
2) Phrantzes S. 447.
3) „Desmontorno in terra tutte le zvirme fori de Modon con una bandiera
biancha, menazando de voler andar in Turchia"; „Cron. Zena". Über die Ein-
nahme Negropontes s. auch „Georgii Flisci Gennensis ad Ferdinandum Sicilie
regem Eubois"; cod. monac. lat. 526, fol. 112 ff.; „Epistola lugubris et mesta,
simul et consolatoria de infelice expugnacione ac misera irrupcione et invasione
insule Euboye , dicte Nigropontis , a perfido crucis Christi hoste , Turchorum im-
piisimo principe, etc., ad reverendum patrem . . . dd. Bessarionem . . . a Roderico
Sancii, episcopo Palentino, Hyspano, pro Sanctitate domini nostri Pauli secundi,
Pontificis Maxim i , in castro suo S. Angeli de Urbe castellano"; cod. lat. monac.
18770, fol. 97. Eine dritte ungedruckte Quelle ist die „Epistula Henrici Dalmeni,
cubicularii Pape , et Henrici Steynwyc, decretorum doctoris, ad nescio quem
principera vel prelatum harum parcium"; Bibl. Ambros. A E XII, 40 (n' 12).
Eine vierte der „Processus atque transitus , scilicet expugnacio Euboe et Nigro-
pontj , missa a d. Nanne de Itro ad nobilem atque fidissimum virum capita-
neum Dyrachii, qui hoc exordire vidit et ad regem Ferdinandum misit vel scripsit,
rex Pape et duci Mediolani misit, etc." (cod. lat. monac. 21640). Vgl. Münchener
Reichsarchiv, „Türkenhilff", Nr. 13. Die beste Quelle ist der Brief der ve-
nezianischen Signoria an ihre Gesandten in Rom, „Mon. Hung. Hist." V, S. 184
bis 185. Ein angeblicher Brief des Sultans an den neapolitanischen König Fer-
dinand, datiert ,,Nigroponti , XX lune Marthatin, anno Domini CCCCLIIV (sie)"
und die ebenso erdichtete Antwort des Königs im cod. lat. monac. 21640,
fol. 334 fif.; Castelnuovo, 4. September 1475. Ferdinand weist darin die ihm von
Mohammed durch seinen Gesandten Khaireddin angetragene Freundschaft zurück. Doch
beschliefst Nanni seine Erzählung mit der Angabe, dafs wirklich eine Gesandt-
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 151
fafsten Humanisten die üblichen Verwünschungen gegen den
blutgierigen Sultan und Ermahnungen zu einem allgemeinen
christlichen Kriege , der wenigstens das bedrohte Ungarn , das
ebenfalls gefährdete Reich und das vor jedem anderen Preise
Mohammed verführerisch lockende Italien mit Rom und seinen
Priestern, die der heidnische Gegner schon dem Tode geweiht
habe, retten möge.
Aber trotz seines grofsen Schmerzes scheute sich Venedig doch,
die Hilfe der christlichen Mächte allzu stark bittend in Anspruch zu
nehmen, wie auch Mafsregeln für die Rächung der euböischen Un-
taten zu treffen. Papst Paul, wie (seit 147 1) sein Nachfolger Sixtus IV.
der sich als ein neuer Schwärmer für die Kreuzzugsidee erwies,
empfingen freilich die gewöhnlichen venezianischen Missiven
und Gesandten; vor dem letzteren sprach in schönen lateini-
schen Phrasen Bernardo Giustiniani ^). Am i. Januar 147 1 wurde
aufserdem ein Bündnis zum Zwecke der Türkenbekämpfung mit
dem König von Neapel abgeschlossen : die Republik verpflichtete
sich, jährlich 50 Galeeren und 8 Schiffe gegen 20 Galeeren und
4 Schiffe des Königs zu stellen; dem Papste wollte man den
Vorschlag machen , der Liga beizutreten und das Gewonnene
nach dem Mafse der gebrachten Opfer zu verteilen ^). Der
Despot Tocco, der Herzog des Archipelagus, dann Ragusa und An-
kona, und weiter Wlatko, der von den Türken seiner Herrschaft be-
raubte ,,Cherzech", Goiko und Iwan Balschitsch werden als weitere
Mitglieder des christlichen Bundes genannt ^). Noch im April ver-
sprach der Grofsmeister von Rhodos, zwei bis vier Schiffe zu
den anderen stofsen zu lassen ■*). Auch Herzog Karl der Kühne
Schaft an Ferdinand abgegangen sei: „respondit rex ut ex copiis que d. lo. Eheycher
ostendet". Siehe auch eine „Lamentatio Nigropontis" in der Handschrift 3471
der Hofbibliothek zu Wien, fol. 98 vo. Die übrige Bibliographie bei Hopf II,
S. 158. Die Erzählung Rizzardos, von Cicogna veröffentlicht (Venedig 1844), ist
mir nicht zugänglich gewesen.
i) Cod. lat. monac. 461, fol. 51 — 60 (vgl. auch Rinaldi und Sanudo).
In derselben Handschrift auch der vom 17. August 1470 datierte Brief des Dogen
an Paul.
2) „Commemoriali'- V, fol. 200 flf.
3) Ebenda S. 203.
4) Ebenda S. 204, Kr. 36.
153 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
von Burgund schlofs sich für die Frist von fünf Jahren den schon
genannten Mächten und Fürsten an *).
Gleichzeitig aber bemühte sich Venedig wieder um den Ab-
schhifs des seit langem ersehnten Friedens mit dem Sultan und
war froh, in den serbischen Prinzessinnen Mara und Katherina, die
sich in der Türkei aufhielten, Vermittlerinnen zu finden ^). Auch
angebliche Vorbereitungen Mohammeds , der im Frühlinge des
neuen Jahres 68 Galeeren und 80 Fusten nach Lesbos geschickt
haben sollte, trugen zur Beschleunigung der Verhandlungen bei.
Ein Kenner der Verhältnisse durfte äufsern , dafs Venedig den
Eroberer Negroponte keinesfallss zu reizen beabsichtige und jeder
Venezianer ,,den Frieden erhoffe und erwünsche" ^). Isabeg
von Bosnien konnte mit Unterstützung des Bans Paul in diesem
selben Jahre 147 1 straflos die venezianischen Besitzungen in
Dalmatien bis vor Spalato, Sebenico und Zara so schonungs-
los verheeren, dafs man die Befürchtung aussprach, die Republik
werde im entvölkerten Dalmatien keine Matrosen mehr finden ^).
Auch das von den Venezianern beherrschte und verteidigte Al-
banien entging seinem Schicksale nicht. Auch hier wurden von
den eben ernannten zwei Sandschaks zahlreiche Sklaven und Her-
den erbeutet ■''). Sogar einen Angriff auf Spalato oder Skutari, die
Hauptstadt des christlichen Albaniens , befürchtete man und
sprach , wahrscheinlich , von der Erbauung eines neuen Kastells
unterhalb Biograd am Meere ^). Auf Kreta traf man ebenfalls
eilige Verteidigungsmafsnahmen ^).
Trotz langer Bemühungen liefs der Sultan den veneziani-
schen Gesandten nicht vor sich, und als man an der Pforte gar
in Erfahrung brachte, dafs er gekommen sei, um die Rückgabe
Negropontes zu verlangen, wurde seine Behandlung noch schnöder**).
i) „Commemoriali" V, S. 208, Nr. 51.
2) „Mon. Hang. Hist." V, S. 188—189, 219, 222; vgl. S. 264—265;
„Cron. Zena" fol. 278».
3) „Ne anchor la prefata Signoria se curera molestar esso Turcho altramente,
per non lo provocar ... Cadauno spera et brama pace"; „Mon. Hung. Hist."
V, S. 214; vgl. S. 210.
4) Ebenda S. 216 — 217; „Cron. Zena" fol. 278.
5) „Mon. Hung. Hist." V, S. 217. 6) Ebenda S. 218, 226.
7) Ebenda. 8) Ebenda S. 227 ff.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 153
Selten hat ein mächtiger Staat mit rühmUcher Vergangenheit so
dringend um Frieden gebettelt, selten ist er ihm so rücksichts-
los verweigert worden.
Im F'rühling 1474 versuchte der neue Beglerbeg von Rum,
Soliman der Eunuche (türkisch: Hadum), die Einnahme Skutaris;
freilich mufste er nach drei Monaten (genau 96 Tagen) wieder ab-
ziehen *). Mocenigos Dazwischenkunft, die Allianz mit IwanTscher-
nojewitsch und die in den See Boiana eingedrungenen veneziani-
schen Handelsschiffe retteten die Stadt. Dem Könige von
Ungarn hatte die Republik wieder 13 000 Dukaten geschickt, um
ihn zur Hilfeleistung zu veranlassen; vergebens. Auf der Rück-
kehr brannten dann die Türken das verlassene Dagno ganz aus.
Gegen Ende des Jahres 1474 fürchtete man in Venedig ein Er-
scheinen der Feinde im Adriatischen Meere selbst ^).
Und doch hatten wenigstens auf dem Meere die veneziani-
schen Hauptleute, im Verein mit einigen Galeeren des Königs
von Neapel und der Inseln Zypern und Rhodos, die asiatischen
Verwicklungen der Türken zu benutzen verstanden, um in ,,Tur-
chia" zu plündern. Palatscha wurde 1472 verwüstet. Das Kastell
Kokkinon auf Lemnos, das durch ein Erdbeben zerstört worden
war, wurde wieder aufgebaut. Beladen mitStratioten, erschienen die
venezianischen Schiffe vor den Küsten Cariens, mit ihren schönen
Ruinen, und vor Delos; man bewunderte die Trümmer des an-
tiken Tempels und das marmorne Amphitheater, die Säulen und
den 15 Ellen hohen Kolofs. Am Kap Malia vereinigten sich dann
die venezianischen Galeeren mit den 17 aus Neapel und warteten
auf die Schiffe des Papstes. Die gesamte Flotte wandte sich nun
wieder nach Asien, wo die Johanniter gegenüber der Insel Kos
im Kastell S. Pietro für die den Türken entflohenen christ-
lichen Sklaven einen Zufluchtsort geschaffen hatten. Obwohl zur
Verwendung der Reiterei keine Gelegenheit war, siegten die Ve-
nezianer zuletzt. Auch einigen kleinen Inseln an der Küste
stattete Mocenigo seinen feindlichen Besuch ab.
i) Barletius in Sansovino und „Cron. Zena".
2) „Mon. Hung. Hist." V, S. 263—264.
154 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
Nachdem man einig-e Zeit in Samos zugebracht hatte, fuhren
die 17 Galeeren des Königs von Neapel, die 46 Venedig-s, die
20 päpstHchen und die 2 rhodischen am Kap Chelidoni ver-
einigten Fahrzeuge gegen SataUeh ab. Hier wurden, obwohl der
Hafen durch eine starke Flotte gesperrt war, die äufseren Türme
und damit die burgi eingenommen^). Auch die ersten Mauern
erstieg man noch, wobei der Johanniterführer fiel, doch erwiesen
sich die inneren Befestigungen als zu stark für die leichten und
nicht einheitlich ausgebildeten Truppen, die über keine Artillerie
verfügten. Bei der Rückkehr nach Rhodos, wohin sie die reiche
Beute jeder Art brachten, hörten die Christen durch einen
,, persischen" Gesandten, der nach Italien segelte, von dem Auf-
bruche Usuns, der ins türkische Gebiet eingefallen war.
Darauf ergingen überSmyrna die Greuel der christlichen Rache
(Oktober). Umsonst weinten die mosleminischen Frauen in den
Moscheen , die bald zerstört werden sollten ; die Stadt , die auf
der Höhe besonders stark bevölkert war, wurde eingenommen
und viele christliche Sklaven befreit. Die Beute bestand vor allem
in ,, goldenen und silbernen Kleidern und kostbaren Gefäfsen".
Ein Angriff Balabans, des Sandschaks von Aidin, wurde zurück-
geschlagen, und Smyrna ging in Flammen auf. Ebenso wurde
im Spätherbste Klazomenai behandelt, dessen Einwohner zum
gröfsten Teile geflohen waren.
Nun verbrachte Mocenigo den Winter als wirklicher Sieger
in Nauplion ^). Ihm stand zur Seite der Kardinal Oliverio Ca-
raffa, ein Neapolitaner, der während des ganzen ,, heiligen
Krieges" als Legat des Papstes fungiert hatte ^). Die Christen,
durch solche Siege ermuntert, waren so keck geworden, dafs
"Venedig seine Flotte nach Konstantinopel beorderte und ein
Antonello von Misithra im FrühUng 1473 den Versuch machte,
i) Vgl. „Mon. Hung. Hist." V, S. 240—244.
2) Vgl. auch den Brief des Sekretärs Malatestas in Sansovino fol. 249 vo flf.
Über die Einnahme Smyrnas die Briefsammlung Giosafatte Barbaros (Titel unten),
S. 53-
3) Vgl. auch den schliefslichen Bericht Mocenigos bei seiner Rückkehr in der
venezianischen Chronik cod. nionac. it. 527, fol. 531 vo.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 155
die türkische Flotte in GalHpolis zu verbrennen; das Wagnis
mifslang- übrigens und Antonello wurde gepfählt ^).
Wenige Wochen später ergaben sich dem Befehlshaber der
venezianischen und neapolitanischen Galeeren, der im Einver-
ständnisse mit den rebellischen Karamanen handelte , die zwei
Häfen Siki („Sichino") (26. Mai) und das mit doppelten Mauern
umgebene Gorigo (7. Juni), dessen Subaschi, der über 130 Ja-
nitscharen verfügte, keinen ernstlichen Widerstand leistete ; Se-
lefkeh, dessen Mauern alt waren, und Myrrha folgten, so dafs
am 15. Juli 1473 in Venedig grofses Frohlocken über diese un-
erwarteten Siege herrschte ^). Selbstverständlich wurden die er-
oberten Plätze dem karamanischen Prätendenten überlassen.
Auch Makri, gegenüber der Insel Rhodos, wurde, Mitte
August, eingenommen und zerstört^). Es wurde ein Angriff
gegen Candelore geplant. Der Papst war mit 10 Schiffen unter
dem Erzbischofe von Spalato an den letzten Erfolgen beteiligt.
Erst der Sieg Mohammeds gegen Usun, wie auch der im
Herbste gegen die Königin- Witwe Catarina Cornaro, die Vene-
zianerin und Schützling Venedigs war, eingetretene Aufstand
der Griechen auf Zypern zwang den Capitaneo Mocenigo , den
Eroberungszug zu unterbrechen. Als diese Empörung zugunsten
eines aragonischen Bastards , mit dem die Tochter des letzten
Königs verlobt wurde, ausbrach, verlor die Liga an Halt.
Ungarn hatte zu derselben Zeit einen Krieg gegen Polen
um die böhmische Erbschaft Podiebrads zu bestehen. So ant-
wortete König Matthias auf das sanfte Drängen des veneziani-
i) Siehe die schon erwähnten venezianischen Chroniken. Auch jene Malipieros
im „Archivio storico italiano" 1843.
2) Ebenda, und die von Cornet in „Le guerre dei Veneti nell' Asia"
1470 — 1474, Wien 1856; vgl. auch Gios. Barbaro, Lettere al senato veneto,
Ausg. Cornet, ebenda 1856, S. 36ff. und Coriolano Cippico, Petri Mocenici
imperatoris gestorum libri III, Venedig 1477. Siehe auch Chron. F. 33, die
bei dieser Gelegenheit Cippico als „Coriolano Ceppio Traurino" erwähnt. Vgl.
fol. 143. Vgl. Zinkeisen II, S. 351, Anm. i. Über die Einnahme des „castello
et terra di Strovisi" bei Korfu „Cron. Zena" fol. 279 v°. — Vgl. über die Be-
ziehungen mit dem asiatischen Kriege das folgende Kapitel.
3) Ebenda; Barbaro S. 68.
156 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
sehen Gesandten Giovanni Emo mit der traditionellen diplo-
matischen Rhetorik; da er infolgedessen — aufser im Jahre 1474 —
keine Subsidien mehr erhielt, gab er sich nicht einmal den An-
schein, den Türkenkrieg- wieder aufnehmen zu wollen. Auch
ein 1473 zwischen beiden Mächten abgeschlossener Vertrag hatte
keine Bedeutung für eine gemeinsame Verteidigung gegen die
Türken ^). Nur als die Bosnier 1475 bis Varasdin streiften,
schickte der ungarische Herrscher Ladislas Vitez an den Papst
ab, um ihm von der ,, Verblendung der Christen", dem Er-
scheinen neuer tatarischer Feinde im Osten , der Absicht des
Sultans, in Italien einzufallen, Kunde zu geben ; pflegten doch,
liefs er sagen, die türkischen Krieger bei jedem Sturme der An-
rufung Mohammeds des Propheten den Schrei: ,, Roma, Roma"
folgen zu lassen ^) ; Vitez betonte auch , dafs Soliman der Eu-
nuche sich nur darum von Skutari zurückgezogen habe, weil der
König gegen die Türken aufzubrechen bereit gewesen sei. Doch
begnügte sich Matthias dann, die Gesandten Usun-Hassans durch
seine Agenten nach Italien — Venedig, Rom — begleiten zu
lassen und bei dieser Gelegenheit seine alten Versprechungen
zu erneuern, ohne je ernstlich an ihre Erfüllung zu denken.
Selbstverständlich verschonten die Akindschis Isabegs von
Bosnien auch die dem Kaiser gehörigen Provinzen nicht. Dieser
schien, durch seine vor 1470 gemachten Erfahrungen gewitzigt, jetzt
doch einiges Interesse für die Türkenfrage zu hegen. Eine neue,
auf den Dreikönigstag 147 1 berufene Reichsversammlung tagte
vom 16. Juni bis zum 21. August in Regensburg. Neben vielen
Bischöfen , den sächsischen und bayrischen Herzögen und den
Herren von Württemberg waren auch die Vertreter Venedigs,
des ungarischen und des polnischen Königs , ja sogar des bur-
1) Mailänder Archiv, „Ungheria" bis 1490.
2) „lam vero in Italiam invadere statuit et romana dignitate potiri ... Italic
imperio inhiat . . . Vocera illam sacrilegam , Alala Machmet , Machmet , Roma,
Roma^, non aliud profecto quam, expugnato eo oppido, universa belli mole Italiam
petere. . . . O bone Deus , quantum erat per Italiam metus cum Scodra obside-
batur"; cod. lat. monac. 461, fol. 51 — 60. Auch die „Cron. Zena" spricht von
diesem angeblichen Kriegsgeschrei: ,, Cridando: Roma, Roma."
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 157
gundischen Herzogs anwesend; der Kaiser selbst führte den Vor-
sitz. Schon in den ersten Tagen langten die aus höchster
Not heraus in übertriebenem Stil und Zahlenüberschwang ver-
fafsten Briefe der Verteidiger der deutschen Grenzen an und
gaben Kunde von dem letzten Verheerungszuge des bosnischen
Sandschaks in das Tal der Save , in die Gegend von Cilly und
in Krain ') bis in die Vorstädte Laibachs hinein; sie zählten die
verbrannten Klöster, Kirchen, ,,guete Margkt" und Dörfer =') auf;
die verängsteten Schreiber wähnten, der Sultan selbst weile unter
den Mauern Belgrads ^).
Der Reichstag aber begnügte sich , noch einmal feierlich
den Reichsfrieden zu dekretieren und Mafsnahmen zur Auf-
bringung eines Heeres, dessen Vortrab allein aus 4000 Mann
Fufsvolk und zahlreicher Reiterei bestehen sollte, zu treffen^).
Im folgenden Jahre geschah jedoch nichts, dieses Heer, von
dem seit zwanzig Jahren vergeblich gesprochen wurde , auf die
Füfse zu bringen, so sehr dazu Anlafs gewesen wäre. Denn die
bosnischen Türken Isakbegs, von den Unzufriedenen im Lande
herbeigerufen, hatten den Weg nach Lubiana und Krain nicht
vergessen. Schon Ende April 1472 sprach man von ihrer be-
vorstehenden Ankunft. Niemand wagte, ihnen den Eintritt
in die Reichsländer zu wehren. In den ersten Tagen des
Juli, zur Erntezeit, gelangten sie nach Kärnten und ver-
wüsteten ,,den gantzen Poden anhalb der Tra (Drau), zwischen
Petau und Marpurk, bis nochent gegen Windischgretz"; sie
i) Es werden die Ortschaften „Pletriach, Gairach, Kloster Sirich, Michelstett,
Munchendorff'' erwähnt.
2) 5 Märkte und 200 Dörfer werden gezählt.
3) Briefe im cod. monac. germ. 1585, fol. 115. Die Nachrichten in den
fol. 124, 136 v'O scheinen einer späteren Zeit anzugehören.
4) Nürnberger Archiv L. B. 69, 36, S. i, L. 38, Nr. 49; S. i, R. 79, Nr. 20a
und 26 a; Münchener Reichsarchiv, „Türkenhilff" 1444 — 15 18, Nr. 14; cod. lat.
monac. 26632, fol. 499 vo fif. ; cod. lat. monac. 3507. Vgl. auch „Mon. Hung. Hist."
V, S. 197, 208, 214, 216, 219: „Se li Turchi piglasero questa volta de Frioli,
in pochi anni seriano fin in Lombardia"; Makuschew I, S. 169 — 171. Siehe
die Beschlüsse, wie auch die des Landtags zu Bozen im cod. germ. monac. 1586,
fol. 169. Zu vergleichen die Briefe des Bischofs Campano, der den Legaten be-
gleitete, in dessen „Epistolae".
158 Erstes Buch. Siebentes Kapitel.
nahmen Pleyburg" ein und gingen in der Richtung auf St. Veit
weiter; Lichtenberg mufste sie einlassen. Als man von der An-
näherung „eynes grossen Weida" sprach, ergriff die Einwohner
die Verzweiflung über diese unerwartete himmlische Plage und
sie verliefsen Häuser und Felder. ,,Sy sint", schreibt einer der
ihre Leiden mit eigenen Augen ansah, ,,sy sint verlassen;
sy wolden gerne fliehen, sy wissen nicht wohyn erweren mögen '). "
Ebenso verging ein zweites Jahr. Im Herbste 1473 er-
schienen die Türken um den St. Nikolaustag im Savetale und
gingen wiederum gegen Windischgrätz vor, während eine andere
Rotte Pertschach und Feldkirch angriff. Die Verheerungen
dauerten fünf Tage und waren schonungslosester Art. Die toten
Bauern ,,liggen noch alle nacket upp demme Velde . . . wie
Kleu", sagt der gleichzeitige Bericht aus Villach vom St. Ko-
lomanstag (13. Oktober), und fügt hinzu: ,,Und iss sero grot
Jamer, dat ny keyn kristenen Menschen in dissem Landt er-
denket nocher gehört heth^)."
1474 traten in Wolfsberg, Judenburg und Innsbruck Land-
tage zusammen , um die Verhinderung neuer türkischer Einfälle
zu beraten. Doch wiederholten sich diese nicht mehr. Der
Papst wandte sich nun von neuem an die deutschen Fürsten
und kennzeichnete Mohammed als einen ehrgeizigen Tyrannen,
der allein in der Welt regieren wolle ^).
Auch tagte während der Osterferien eine neue Versamm-
lung zu Augsburg, die jedoch erst später feierlich eröffnet
wurde. Der päpstliche Legat, der Patriarch Markus von Aqui-
leja, brachte die bekannten Ideen Pius' II. aufs neue vor; man
sprach vom Verfall ,,der gantzen orientischen Kirchen", von der
i) Nürnberger Archiv S. 101/103; Leipziger Stadtbibliothek Rep. II, fol. loa,
fol. 277 vo. Siehe auch Innsbrucker Archiv P. A. Urk. II, S. 364: Brief Sixtus' IV.
zugunsten Siegmunds von Österreich an den neuen Herzog von Burgund ; auch
Katona XV, S. 622 ff.
2) Leipziger Stadtbibliothek a. a. O. Vgl. cod. lat. mon. 4143, fol. 124,
und Nürnberger Archiv S. 101/103: Brief des Kaisers an Herzog Albrecht wegen
des Ausbleibens des Kontingentes.
3) „Id enim studet ut solus ipse dominus et princeps nominetur"; Nürnberger
Archiv S. w. 165/2. 1.
Wiederbelebung der Kreuzzugsidee. Vereinter Kampf der Christen usw. 159
grausamen Verheerung- Krains, das den Türken geg^en 60000 (!)
Sklaven g-egeben haben sollte. Aber über die Bekräftig-ung- des
Reichsfriedens kam auch diese Versammlung' nicht hinaus ').
Im Oktober tag-te ein ung-arischer Reichstag-, der die Einkünfte
der Salzwerke , einen vor jeder Haustür zu erhebenden Gulden
und die Subsidien der Gespanschaften der Sache des Türken-
krieg-s bestimmte ^).
Alles das waren aber von Mohammeds Standpunkt aus nur
Streifereien des Grenzbeg-s, die er duldete ; sie bildeten keinen
Bestandteil der grofsen Reichspolitik des Kaisers selbst, den
seit 147 1 die asiatischen Verhältnisse ganz in Anspruch
nahmen.
ij Nürnberger Archiv L. B. 69, 36; I, 209, S. i , R. 79, Nr. 26a; „An-
schläge", Innsbrucker Archiv, Brixener Archiv, Lade 50, Nr. 12; Graz, Univer-
sitätsbibliothek cod. 1088, 4°: „Tractatus quidam de Turcis": Rettung der Welt
von den Türken nicht durch den Kaiser , sondern wahrscheinlich durch den un-
garischen König.
2) Cod. lat. monac. 13192, fol. 150; vgl. Fefslerlll, S. 105 — 106. Über
neue Einfälle im Jahre 1475 siehe auch Zinkeisen II, S. 370. Nach Megisser
undValvassor behandelt Hammer I, S. 520 — 521, diese „Raids" der Türken
ausführlich.
Achtes Kapitel.
Die Kriege Mohammeds 11. in Asien. Seine letzten
europäischen Eroberungszüge.
Die Verwicklungen in „Anadol" wurden durch den Ent-
schlufs Mohammeds II. veranlafst, auch hier die kaiserliche
Politik der Landesaneig'nung' und Beseitigung der alten Dynastien
anzuwenden.
Der alte Karamane Ibrahim-beg verschied während eines
häuslichen Streites mit seinen ehelichen Söhnen, Pir-Ahmed,
Karaman, Kassim , Alaeddin, Soliman und Nur-Sofi, denen er
einen sechsten von einer Sklavin, wie der osmanische Moham-
med selbst, geborenen Sohn Isak vorziehen wollte; er hatte ihm
schon Selefkeh mit seinem Schatze anvertraut. Die darüber
aufgebrachten anderen Prinzen schlössen den Vater in seiner
Residenz Konieh ein, aus der es ihm zu entkommen gelang;
auf der Flucht aber, in der Festung Kivala, starb der Greis, und
sein Tod schürte den Bruderkrieg um so heftiger auf.
Pir-Ahmed nahm Konieh in Besitz und entfernte Isak, als
Verwalter einer inneren Provinz, aus seiner Stellung; zugleich
haderte er mit den rechtmäfsigen ebenbürtigen Brüdern. Soli-
man und Nur-Sofi wandten sich an die osmanische Pforte. Doch
erwies sich Isak allein als gefährlich ; er ging an den Hof des
Turkmenenkaisers Usun und kehrte im Gefolge dieses mächtigen
Khans der Barbaren zurück , der Ersindschan und Siwas be-
setzte. Auch in Karamanien hausten die Nomaden als Feinde ;
gegen 20000 Ochsen, behauptete man, seien ihnen zur Beute
gefallen. Aber Isak-beg, der Prätendent, war zufrieden, auf dem
Herrscherstuhle seiner Vorfahren zu sitzen.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 161
Obwohl er mit Hilfe des geschworenen Feindes der os-
manischen Dynastie zur Macht gelangt war, wufste der neue
Herrscher Karamaniens sehr wohl, dafs er ohne die Aner-
kennung des Stiltans sich nicht halten könne. Darum bot er
diesem durch seinen Gesandten, den Sohn eines berühmten
,, Doktors" des Islams, die Städte Akschehr und Begschehr unter
der Bedingung an , dafs seine beiden am Hofe Mohammeds
befindlichen Brüder sich ihrer als Leibgedinge erfreuen sollten.
Die einzige Antwort war der Befehl, sogleich alles Land bis zum
Flusse Dschihar-Schenbih an das osmanische Reich abzutreten.
Als er diese Forderimg zurückwies, griff ihn der Beg von
Antiochien mit anderen Grenztruppen an, die Pir- Ahmed als
rechtmäfsiger Erbe Karamaniens begleitete. Bei Ermenek oder
Beg-Basar erlitt der Usurpator eine Niederlage und floh so eilig
in das Land seines Gönners zurück, dafs seine Familie schutzlos
in Seleflceh blieb. Die Stadt wurde vom Sieger grofsmütig dem
kleinen Sohne des Besiegten überlassen. Das übrige Land, mit
Ausnahme der beiden von Isak den Osmanen angetragenen Städte
und der Burgen Saichlan und Iglun, überwies er Pir-Ahmed.
Es war das letzte Mal, dafs Mohammed in die Überlassung
Karamaniens an einen Spröfsling der alten Dynastie willigte.
Als in Pir-Ahmed der karamanische Unabhängigkeitssinn erwachte,
stand des Sultans Entschlufs, ihn zu beseitigen und Karamanien
zu einem Sandschakat des türkischen Anadols zu machen, fest ^).
Die Empörung Pir-Ahmeds war 1463, noch vor dem Aus-
bruche des Krieges gegen Venedig, erfolgt. Einige Jahre wurde
der aufständische Karamane noch geduldet. Die im April 1465
verbreitete Nachricht, dafs der Sultan gegen Karamanien rüste,
envies sich als unbegründet ^). Aber im Herbste ging Moham-
med wirklich nach Asien hinüber. Pir-Ahmed floh vor ihm
nach Larendah, wo er sich einschlofs. Erst nach hartem Kampfe
verjagte ihn der Wesir Mahmud aus diesem letzten Zufluchts-
orte. Zahlreiche Rebellen mufsten mit dem Tode büfsen. Auch
i) Nur nach Seadeddin U, S. 224 ff.
2) ,,Mon. Hung. Hist." IV, S. 323 — 324. Vgl. auch S. 350.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. U. 11
163 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
die Leute Durg^uds wurden für ihr Verhalten gestraft. Konieh
gab seine besten Kaufleute und Werkmeister an das osmanische
Istambul ab. Mohammeds ältester Sohn, Mustafa, wurde als
Nachfolger der Karamanen in der verarmten und erniedrigten
Stadt zurückgelassen. Im Monat November war der ganze Kriegs-
zug beendigt. Über Kara-Hissar kehrte der Sieger nach Kon-
stantinopel zurück *).
1467 gewann Usun-Hassan einen entscheidenden Sieg über
Ebusaid, den grofsen Herrscher Transoxianiens, der den Feinden
ausgeliefert wurde und von ihrer Hand starb ^). Durch diesen
Erfolg in Geltung und Anmafsung erhoben, konnte der Turkmene
die Vertreibung seines Schützlings nicht ruhig hinnehmen ; Pir-
Ahmed kehrte in sein Land zurück, und im Jahre 1470, nach
der Einnahme Negropontes , kämpfte der gewesene Grofswesir
Mahmud gegen ihn. Da der ausschweifende und habgierige Wesir
auch mit Uweisbeg von Varsach bald in Zwiespalt geriet, ver-
mochte er dem Gegner wenig anzuhaben. Darauf kam Isakbeg
von Bosnien nach Asien ; er verjagte den Karamanen und den
diesmal mit ihm verbündeten Bruder Kassum nach Mesopotamien.
Akserai, die neue Residenz der karamanischen Fürsten, erlitt das
Schicksal Koniehs. Zwei andere Söhne des verstorbenen Ibrahim
lagen damals bereits in Adrianopel begraben. Durch einen Zug
Gedik-Ahmeds wurde ferner Alaja-Candelore dem letzten Emir
Kisil-Arslan, der nach Europa übersiedeln mufsle, entrissen, und
nach einigen Monaten waren auch Seletkeh und andere Besitzungen
der letzten Karamanen eingenommen^). Im Mai 147 1 kam die
i) Seadeddin II, S. 241 ff.; vgl. die Notiz in „Mon. Hung. Hist." IV, S. 374.
Die serbische Chronik bei Bogdan a. a. O., S. 524, setzt erst in das Jahr 6976
den Feldzug in Karamanien und die Einnahme ,,Gavalas und vieler anderer Bur-
gen". Vgl. Hammer I, a. J. 1466.
2) Vämbery II, S. 17 — 18.
3) Seadeddin II, S. 248 fT. Vgl. aber „Mon. Hung. Hist." IV, S. 374.
Am 3. Juni 1468 glaubte man in Italien, dafs der Sultan selbst in Asien sei:
„Abest in Asia, in regionibus longinquis et distantibus " ; ebenda IV, S. 408. Sprach
man doch schon von seinem verlorenen Prestige: „existimatio amissa in partibus
Asie et illius res nimius prospere geste"; ebenda S. 450. Doch höhnten die Os-
manen ihrerseits auf Usun, der nur 10 — 12000 Mann aufbringen könne; ebenda
V, s. 79.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 163
Nachricht nach Venedig-, dafs „der Sohn des Sultans", d. h.
Bajesid, den Karamanen g-eschlagen habe und die Osmanen
einen Rebellen in Syrien unterstützten ').
Usun-Hassan hatte die Wahl, sich mit diesem neuen Zustande
der Dinge zufrieden zu geben, oder seine ,, kaiserlichen" Ober-
herrschaftsrechte durch einen Krieg geltend zu machen. Er
entschied sich, durch Venedig-, Ungarn und den Papst an-
gestachelt, für das letztere. So schienen die Zeiten Timurs,
an dessen Stelle nun Usun waltete, zurückkehren zu sollen ;
aber Mohammed, der den Ehrgeiz Bajesids I. geerbt hatte und die
gleichen Zwecke verfolgte, verfügte über eine Macht, die sich
mit der des östlichen Khans turkmenischen Ursprungs wohl
messen konnte.
Bereits in den Jahren 1467 und 1468 war Usun-Hassan in
das ehemals trapezuntische Gebiet eingefallen ; in Europa glaubte
man, dafs die kaiserliche Stadt des Grofskomnenen in seiner Ge-
walt sei 2). Damals begann sein Name unter den Christen im
Westen bekannter zu werden. Man erzählte von seiner Körper-
kraft, obgleich er schon etwa 50 Jahre alt war, von dem Kreuze,
das er auf der rechten Schulter trage , von seiner Freundschaft
für alle, die an Jesus glauben ^). Er sollte Sinope eingenommen
haben und Konstantinopel angreifen wollen, den Venezianern g-rofs-
mütig Gallipolis angeboten und dem Soudan seinerseits Vorschläg-e
gemacht haben, auf die dieser andere mosleminische Herrscher sich
jedoch nicht habe einlassen wollen *). In Wirklichkeit kam im
Frühling des Jahres 147 1 ein Gesandter des Königs Konstantin
von Georgien nach Venedig, um von den Absichten des Khans,
mit dem sich dieser christliche König verbündet hatte, Kunde
zu geben ^). Nicht lange darauf erschien auch eine Gesandt-
schaft Usuns , von einigen polnischen Sendlingen geleitet, und
i") „Mon. Hung. Hist.'" V, S. 217. 2) Ebenda S. 93.
3) „Qui, ut dicitur, est homo potens in dominus et corpore, etatis L,'^ an-
norum, crucem in humero dextro deferens, cristianorum amicissimus"; cod. lat.
monac. 18770, fol. 192.
4) Ebenda.
5) „Mon. Hung. Hist." V, S. 212; Coruet, Guerre S. 25.
11*
164 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
nun (September) schickte die Republik ihrerseits Cattarino Zeno
an den „persischen" Hof, um über den gemeinsamen Kriegs-
plan zu verhandeln. Cattarino Zeno war der erste venezianische
Gesandte im turkmenischen „Persien" ^).
Bereits im Juni 147 1 sprach man von Rüstungen Moham-
meds gegen die „persischen Eindringlinge" ins ehemalige
Kaiserreich Trapezunt ^). Tatsächlich aber wurde der Angriff
gegen das ehemalige Gebiet der Komnenen erst im Mai 1472
durch einen vor längerer Zeit zu Usun geflüchteten Neffen Kaiser
Davids, dem auch georgische Scharen folgten, eröffnet; der
Kapudan schickte 9 Galeeren und 25 Fusten, um Trapezunt von
der Seeseite zu verteidigen *). Usun selbst stieg noch etwas
später, im Hochsommer, aus seinen armenischen Bergen nieder.
PZnde August überschritten seine langjährigen Gäste , Kisil-Ah-
med, der Erbe von Sinope, und Khasum , der Karamane, der
Bruder und Gefährte des schon gestorbenen Isak-beg, die os-
manische Grenze. Tokat fiel schnell in ihre Gewalt. In den
letzten Tagen des Septembers belagerten sie Cäsarea, nachdem
sie die geringe Truppenmacht des in Amasieh befindlichen
jungen Sultans Mustafa zerstreut hatten; die Stadt wurde ein-
genommen. Überall ging man aufs grausamste vor. Als man
nach Angora kam, vermochte die Burg Widerstand zu leisten.
Usun-Hassan selbst wahrte seine kaiserliche Würde , indeni er
sich in Erwartung eines wenigstens einigermafsen seiner würdigen
Gegners in seinem Lager von Ersindschan aufhielt *) ; nur sein
Wesir Omer-beg Begtaschogli und Mirza Jussufdsche, ein Neffe
des Khans, begleiteten die beiden Prätendenten ^).
So sah sich Mohammed denn genötigt, auf dem bedrohten
asiatischen Boden zu erscheinen. Nachdem er den Rat des er-
fahrenen Mahmud eingeholt hatte, bot er nicht nur das ge-
i) Cornet, ebenda S. 28ff.; „Mon. Hang. Hist." V, S. 212, 214, 2i7ff.;
Dlugosz XIV, S. 569; vgl. meine „Chilia §i Cetatea-Albä" S. 132 — 134.
2) „Mon. Hung. Hist." V, S. 219.
3) Ebenda S. 239 ff. Vgl, „Da nuove, da ogni canto sona la perdeta de
Trabesunda"; Brief vom 6. Juli 1472 im Archiv des Herzogs von Kreta, „Miss.
e lett. ricevute" 1472 — 1474.
4) Ebenda. 5) Seadeddin II, S. 256 ff.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 165
wohnliche Heer, sondern alle kriegsfähig-en jungen Leute auf.
In Konstantinopel wurden grofse Verteidigungsmafsnahmen ge-
troffen; nur drei Tore blieben offen, die anderen wurden ver-
mauert; der ?Iafen sollte durch eine eiserne Kette gesperrt
werden '). Als seinen Stellvertreter liefs Mohammed den jungen
Sultan Dschem unter der Obhut erfahrener Ratgeber in Europa
zurück. Am 5. Oktober begann der Übergang des grofsen
Heeres; Mohammed selbst stand am 12. auf dem Boden Asiens.
Er ging jedoch nur bis Karahissar, wo ihm Mustafa entgegen-
kam, und übertrug diesem die Leitung des Winterkriegs gegen
Kassum, der auch den bei Usun befindlichen Pir-Ahmed vertrat.
Der Sultan selbst wandte sich wieder nach Konstantinopel, und
Usun bezog Winterquartiere am Euphrat, um von dort auch
die Länder des Sudans beunruhigen zu können. Prinz Mustafa
und der Beglerbeg des Ostens , Daud , hatten im Kampfe mit
dem jungen Karamanen und den Neffen Usuns Erfolg. Dieser,
wenn nicht auch Kassum, fiel in die Hände der Sieg"er und wurde
geköpft ^). Jussufdsche hatte sein Leben schon im Januar ver-
loren, während Kassum noch im Frühlinge des Jahres 1473 für
seine Sache kämpfte. Nur später erlag auch er der osmanischen
Übermacht. Die Allianz mit dem Heere der christlichen Liga
liatte dem Besiegten kaum genützt ^).
Usun aber bereitete für den Frühling' 1473 einen grofsen
Zug vor. Venedig schickte ihm, nach dem Verlangen des turk-
menischen Gesandten, auf drei Schiffen einige Bombarden und 100
Artilleristen unter Tommaso di Imola ; Giosafatte Barbaro , der
,, persisch" sprach, begleitete sie *). Aber auch von türkischer Seite
wurden während des ganzen Winters Vorbereitungen, wie sie bis-
her kaum gesehen waren, für einen neuen Zug des Sultans getroffen.
1) ,,Mon. Hung. Hist." V, S. 247.
2) Ebenda S. 244; Seadeddin II, S. 258fif. ; ,,Cron. Zena'- z. J. 1472.
Unediertes im Archiv des Herzogs von Kreta, „Missive e lettere ricevute", 1472
bis 1474; s. besonders den Brief vom 18. Januar 1473: „El prender del nepote
del prefato s. Uson Cassan, el quäle con do altri crano sta conduti a Constanti-
nopoli e fati morire.'''
3) Siehe oben S. 155.
4) Cornet, Lettere S. 8 ff . ; Guerre S. 39 ff. „Cronaca" F, 33, fol. 140.
166 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
Im April begab sich dieser auf der „Strafse von Nikäa",
der alten g^rofsen Handelsstrafse , nach Jenischehr ; die Spahis
von Rum waren bei Gallipolis über die Meerenge gesetzt und
stiefsen erst dort zu dem Herrscher. Aus Amasieh kam Sultan
Bajesid nach Kasabad, um sich dem Vater vorzustellen ; Mustafa
stand als Sandschak in Konieh. Das ganze Heer ging bis
Sivvas, wo es für mehrere Wochen haltmachte. Seinerseits war
Usun in seinem Lager bei Bir' am Euphrat ; der Krieg mit dem
Soudane verhinderte ihn gegen den „bösen Sultan der Griechen"
selbst aufzutreten ; er schickte nur seinen Sohn mit vielen Reitern
nach Malatieh, während Kassum, mit 3000 Mann, Selefkeh, Gorigo
und Anamur belagerte ').
Bald aber schienen manche Zeichen auf eine Wieder-
kehr der Katastrophe aus den Schreckenstagen Timurs hin-
zudeuten. Zuerst wurde Bajesid, der Sohn Mohammeds, mit
seinem kleinen Heere bei Karahissar von Prinz Seineb geschla-
gen''^). Ali-beg Michalogli, der an der Spitze der Akindschis
nach Persarmenien geschickt worden war, gelangte bis zum
Euphrat. Er war nicht glücklicher und durfte sich in eine Festung
mit den Überbleibseln seiner Scharen einschliefsen ^). Has-Murad.
der junge Begier- beg von Rumelien, wollte sich nun nicht
weniger unternehmend zeigen und ruhte nicht, bis er die
Ufer des mächtigen Grenzflusses, an dem die leichte Reiterei
der Turkmenen auf ihn warteten, vor sich sah. Hier nun
liefs Usun die Feinde umzingeln : Murad fiel mit Prinz Seinel
(Görseinel) im Kampf. Omarbeg, der Sohn Turakhans, Hadschi-
beg, Ahmed Tschelebi und andere Führer wurden gefangen ins
Lager des Khans gebracht; auch ein Bruder Alis verlor sein
Leben, ein anderer die Freiheit; er selbst mufste verwundet sein
Heil in der Flucht suchen ■*).
Inzwischen hatte sich auch Mohammed , ohne von dieser
Niederlage zu wissen, in Bewegung gesetzt; schon in der Nähe
i) Cornet, Lcttere S. 31 ff.; Guerre S. 83 ff.
2) Cornet, LeUere S. 34. 3) Ebenda S. 64—65.
4) Cornet, Lettere S. 74 — 75; „Mon. Hung. Hist.'' V, S. 248—249; das
T^alum in der serbisciien Chronik, Bogdan S. 524.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 167
von Baiberd stiefs er auf die Turkmenen. Usun, der Kasa-Hissar
eing^enommen hatte und sich nun gegen Konieh wandte ^), war mit
seinen beiden Söhnen, Ugurlu Mohammed und Görseinel, bei ihnen.
Sein Sieg- hatte ihn zuversichtlich g-emacht. Unvorsichtig- grififen
die ., persischen " Prinzen die von den Spahis gebildeten Flügel
an, die unter der Führung der Sultanssöhne Mustafa und Baje-
sid standen. Sie waren trotz ihrer schnellen Pfeile und knmimen
Schwerter nicht imstande, solche Truppen zu werfen, und die
oshianische Artillerie lichtete die ,, persischen" Reihen. Bald
wurde Sultan Mustafa der Kopf des zwanzigjährigen Görseinel
gebracht. Auch Bajesid tat seine Pflicht. Usun floh vor dem
Sieger, der den Tag gewonnen hatte, ohne sich von der Stelle
zu rühren und ohne seine Janitscharen ins Handgemenge ge-
worfen zu haben (lo. August) '^),
Mohammed machte eine sehr grofse Anzahl von Gefangenen,
doch liefs er die Gelehrten — darunter den Kanzler Usuns — , dann
die Führer der ,, Schwarzen Horde", die nur gezwungen an dem
Kampfe teilgenommen hatte, und endlich die Prinzen aus dem
Blute Timurs und dem seines Sohnes Miranschah frei; auch
Pir- Ahmed verschonte er. Aber viele andere Turkmenen wurden
mitleidlos hingeschlachtet.
Über Kara-Hissar (Schahin-Karahissar), das sich ihm ergab,
wandte sich Mohammed nach Konstantinopel zurück, wo er noch
im Frühherbste eintraf. Im Laufe des nächsten Jahres gelang
es Gedik- Ahmed, mit asiatischen Scharen Ermenek, Meian
(Minan), wo sich die Familie Pir-Ahmeds befand, die nach Ko-
nieh überführt wurde, und schliefslich Selefkeh zu besetzen.
Sultan Mustafa kam aus seiner karamanischen Residenz, um De-
welu-Karahissar zu übernehmen. Kassum verschwand, und Pir-
Ahmed starb einige Monate darauf als Flüchtling in der Gegend
von Damaskus "). Die im Sommer 1475 umlaufenden Gerüchte,
1) Cornet, Lettere S. 47 ff., 52.
2) Cornet, Guerre S. 82 ff. : Briefe Usuns und Kassums. Vgl. S. iii:
Usuns Pferd wurde getötet. Das Datum ist nach Hammer der 26. Juli; vgl.
Zinkeisen II, S. 355, Anm. Nach den serbischen Annalen : 4. August. Vgl.
den Brief des Sekretärs Malatestas, fol. 251 ff.
3) Se ad eddin U, S. 282 ff. Vgl. die parteiischen Nachrichten Gios. Bar-
baros in Cornet, Guerre S. 121 ff.
168 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
dafs Usun selbst kriegsbereit in Ersindschan stehe und die Fort-
setzung des Krieges beabsichtige, erwiesen sich als falsch ^). Die
Grenze gegen Persien wurde vom jungen Bajesid aufs beste ge-
schützt, und es gelang ihm auch, den Turkomanen ,,Trul" zu
entreifsen ^).
Damit war auch der christlich-turkmenischen Liga gegen
den Sultan ein Ende gemacht. Vergebens wurden noch im
Laufe des Jahres 1474 Paul Ogniben und nach ihm Ambrosio
Contarini nach Tebris geschickt, um über den Krieg mit Mo-
hammed zu verhandeln. Vergebens langten über Kaffa Gesandte
Usuns und des Königs Georg von Iberien in Europa an, die am
16. Juli mit aufserordentlichem Pomp in Venedig empfangen
wurden und sich weiter nach Rom und Neapel begaben. Ver-
gebens erstattete auch der damals aus Persien zurückgekehrte
Cattarino Zeno seine sposizione an den venezianischen Senat ^).
Der Plan, durch eine Gesandtschaft Trevisanos die Tataren der
Krim für einen Krieg an der Donau gegen ihre Glaubensbrüder
zu gewinnen, hatte lediglich den Erfolg, dafs Venedig im
April 1476 feierlich die erste tatarische Gesandtschaft bewill-
kommen konnte *). Am wenigsten ernst gemeint war das Pro-
jekt des Zaren Iwan , der im Monat Juni 1472 durch den Ve-
nezianer Gianbattista Volpe als seinen Prokurator eine Ehe mit
der Paläolögin Zoe, der Tochter Thomas', eingegangen war ^),
sich als ,,rechtmäfsigen Erben" Konstantinopels aufzuspielen^).
Die alten Kreuzzugsideen waren nicht mehr zum Leben zu er-
i) „Mon. Huug. Hist.'' V, S. 269.
2) Seadeddin 11, S. 313 — 314. Zu vergleichen wären die mir unzugäng-
lichen ,,Lettres historiques et politiques ecrites tant par Mehemet U. que par
Usum-Cassan &c., traduites du grec et de l'arabe &c." par M. B* de M* (Barbier
du Mesnard) ; Paris 1 764 ; 2 Tle.
3) ^S^- ,)Cron. Zena'' mit „Guerre dei Veneti" S. 23ff. ; „Mon. Hung.
Hist.'' V, S. 259—260.
4) „Cron. Zena" fol. 284 v" ; vgl. Cornet, Guerre S. 98.
5) Nürnberger Archiv S. i, L. 209: verschiedene Geleitbriefe für den Brautzug;
Cornet a. a. O.
6) „Guerre" S. 106 — 107: „Occupatores imperii Orientis, quod, si succes-
sores mares deessent, iure ad Excellentiam Suam per illum matrimonium suum
pertinent.''
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 169
wecken, und durch seinen letzten glänzenden Sieg hatte Mo-
hammed II. bewiesen, dafs keine Macht der Welt ihm Trotz zu
bieten imstande sei ').
Er nahm jetzt mit der ihm eigenen kalt rechnenden Sicher-
heit die endgültig-e Festsetzung seiner Grenzen in Europa in An-
griff. Zuerst galt es, ein Heer gegen die Moldau zu schicken,
die schon lange keinen Tribut mehr entrichtete, seit einiger Zeit
den walachischen Vasallen des Sultans befehdete und mit der
donauischen Dynastie der kühnen Michalogli im offenen Kampfe
sich befand. Aufserdem war Stephan ein Freund Usuns, der
ihm auch noch nach der verlorenen Schlacht in prahlerischen
Worten geschrieben hatte ^).
Dieser Fürst der Moldau war zu einem wirklichen Herrscher
und Kriegsführer emporgewachsen ; er wufste die wirtschaftlichen
Interessen seines Landes ausgezeichnet wahrzunehmen und er-
strebte für die Moldau den Ruhm, ein Zufluchtsort der aus der
Balkanhalbinsel geflüchteten slawischen Kultur und ein Zentrum
religiöser Baukunst zu sein. Vor allem war er, nachdem er die
Ränke der verschiedenen Kronprätendenten vereitelt hatte, be-
flissen, den bedeutenden Hafen Chilia in seine Gewalt zu be-
kommen, und es gelang ihm, durch einen raschen Winterüberfall
im Januar 1465. Ende des Jahres 1467 war er zu den sieben-
bürgischen Rebellen gegen die Autorität des Königs Matthias in
Beziehungen getreten und, als dieser ihn nun während des
darauffolgenden Winters angriff, wurde er bei dem Markte Baia
umzingelt, verwundet und in die Flucht geschlagen ^). Dann
fiel Stephan ins Szeklerland ein, um sich einen Prätendenten,
seinen Vorgänger Peter Aron, vom Halse zu schaffen.
Im Jahre 1469 ergofs sich ein grofser Verheerungszug der
1) Über die Schlacht bei Terdschan s. auch Angiolello und Cattarino Zeno
in der Sammlung von Ramusio, Viaggi II; Cornet, La Reppublica di Venezia
e la Persia; vgl. auch L. Thuasne, Djem-Sultan, Paris 1892; „Cronaca" F. 33,
fol. 145 ff.
2) Vgl. Hurmuzaki IP, S. 124—125, Nr. ein; „Mon. Hung. Hist." VII,
S. 293—295; „Chilia §i Cetatea-Alba" S. 133, Anm. i.
3) „Gesch. des rumänischen Volkes" I, S. 343 ff. ; „Istoria lul Stefan -cel-
Mare" S. 102 ff.
170 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
Krimschen Tataren über die Moldau, deren Züchtig'ung in den
waldlosen Tälern Bessarabiens erfolg'te. Es geschah das ung-e-
fähr zu der Zeit, als die Venezianer auf den sonderbaren Ge-
danken kamen, nicht allein die Moslemin in Syrien, Karamanien
und dem weiten Turkmenengebiete gegen die Osmanen aufzu-
bieten, sondern sogar die seit geraumer Zeit zum mosleminischen
Glauben übergetretenen Nomaden, meistens türkischen Ursprungs,
die den grofsen Tatarennamen geerbt hatten und von ihrer Halb-
insel aus, wo sie gewöhnlich mit den Genuesen, als den Herren
der Küste, in gutem Einverständnisse lebten, ebenso leicht die
moskowitischen wie die litauisch-polnischen und gelegentlich,
wenn auch schwerer, die moldauischen Landstriche jenseits des
Dnjestrs verwüsteten. Andere räuberische Banden ihres ,, Khans"
Mamak plünderten gleichzeitig in der Gegend von Zitomir und
Trembowla. Eminek, Mamaks Bruder, fiel in dem Treffen vom
20. August 1469 in moldauische Gefangenschaft, in der er bis
1473 blieb. Stephan wagte es sogar, die Gesandten des ,, ta-
tarischen Kaisers" zu verstümmeln und zu pfählen *) und erbaute
nicht weit vom Dnjestr, am trägen Räut-Flusse, die starke
Festung Orheiü ^). Das schönste der moldauischen Klöster,
Putna, in der heutigen österreichischen Bukowina, verdankte dem
Wunsche Stephans, das Andenken an diesen Sieg über die häfs-
lichen heidnischen Reiter zu verewigen, seine Entstehung.
Der Einfall der Tataren war nicht ohne Einverständnis mit
den Begs der Donau und mit dem walachischen Fürsten Radu
erfolgt, denn als Feind des ungarischen Königs konnte Stephan
von den Osmanen angegriffen werden, ohne dafs sie hätten be-
sorgen müssen, dadurch den gefährlichen Krieg mit Ungarn
wieder zu erneuern. Einige türkische Fahrzeuge waren im Sommer
1469, als Stephan gerade mit den Tataren zu schaften hatte,
vor Chilia erschienen; eine Festsetzung der Leute der Micha-
logli in der Ortschaft Saline stand in Aussicht. Aus Zorn
darüber fiel der Moldauer im Winter 1470 über seinen wa-
lachischen Nachbar her und am 27. Februar brachte er das
hochwichtige Bräila in seine Hände. König Kasimir von Polen
i) ,,Istoria lui Stefan-cel-Mare" S. 118 ff. 2) Ebenda.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzt." europ. Eroberungszüge. 171
kam im Aug"ust bis Lemberg" und wollte bis Kamieniec in Podolien
dringen, um Stephan noch einmal den Eid der Treue abzunehmen.
Anfang- 147 1 erregte Radu g"egen seinen zum offenen Feinde
gewordenen Nachbar eine Rebellion der moldauischen Bojaren
und erschien selbst in der südlichen Moldau. Der bedrohte
Fürst derselben liefs die Verräter köpfen und zwang durch den
Sieg bei Soci , im südwestlichen Teile des Fürstentums , die
Walachen zum Rückzuge. Radu befestigte seine Grenze durch
Errichtung der Festen Cräciuna am Putnaflusse und Teleajin
am gleichnamigen Gewässer; auch seine neue Residenz BucurestI
(Bukarest), in der Nähe des türkischen Giurgiu, wurde mit pri-
mitiven Befestigungen, Schanzen und Palisaden versehen.
Stephan aber, der neuerdings den polnischen Bewerber um
die Krone Ungarns, den Prinzen Kasimir, gegen Matthias unter-
stützt hatte, liefs sich, obwohl allein die Szekler Siebenbürgens
auf seiner Seite standen und sie ihm ihre Hilfe im Kriege zu-
gesagt hatten *), von solchen Vorbereitungen und Mafsnahmen
nicht entmutigen. Am 8. November 1473 stand er am Grenz-
flusse Milcov, und zehn Tage später kam es an der Grenze, am
Flüfschen Rimnic, zur entscheidenden Schlacht. Der besiegte
Radu flüchtete sich in das türkische Nest Giurgius; seine Frau Maria
und zwei Töchter derselben begleiteten den Sieger in die Moldau,
nachdem dieser den früheren (vor 1453) Fürsten des Landes,
Laiotä, offiziell Basarab, der seit den sechziger Jahren in Sieben-
bürgen lebte, in Bukarest eingeset/.t hatte, ohne Ungarn und Türken
oder die Bojaren der Walachei um ihre Zustimmung anzugehen.
Diese Machtstellung des Moldauers und seines walachischen
Schützlings konnte nicht von Dauer sein ; der Streich gegen
Radu war lediglich deshalb geglückt, weil die Michaloglis gegen
Usun in Asien abwesend waren. Als sie zurückkehrten, wurde
Laiotä bereits im Dezember nach der Moldau gejagt und der
,,rechtmäfsige" Fürst Radu wieder in sein Erbsteil eingesetzt.
Doch hatten die Asapen der Donaubegs nicht den Mut, Stephan
selbst, der bis Vasluiü gekommen war, anzugreifen. Jedenfalls
aber war der beabsichtigte Zug des neuen Beglerbegs von Rum,
i) Siehe auch Dluijosz XIV, S. 621.
173 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
des Bosniers Soliman Hadum, überflüssig geworden, und er konnte
das ganze Jahr 1474 dem albanesischen Krieg gegen Skutari
widmen. Als Radu starb, wurde Basarab-Laiotä, dem dieser jähe
Tod zur Last geschrieben werden darf, der treue Vasall des
Sultans, so dafs die Streitigkeiten an der Donau wieder beigelegt
schienen (Mai-Juni 1474).
Der Sultan aber wollte mehr als diese Huldigung. An
Stephan erging die Aufforderung, Chilia zurückzugeben und für
seine kriegerischen Taten durch die Überlieferung Moncastros
(Cetatea-Albä) Sühne zu leisten ; selbstverständlich sollte er auch
den rückständigen Tribut entrichten. Diese Ansprüche erfuhren
eine stolze Abweisung. Stephan verständigte sich mit Blasius
Magyar, einem der siebenbürgischen Woiwoden, und nahm am
I. Oktober die Festung Teleajin (wahrscheinlich Välenl-de-munte)
ein, einige Tage darauf verjagte der Szeklergraf Stephan Bäthory
Laiotä und setzte wahrscheinlich einen zweiten Basarab, den Sohn
des ersten, an dessen Stelle.
Als die Nachricht davon in Konstantinopel ankam, wo der
Sultan sich von den kriegerischen Strapazen in Asien ausruhte,
beorderte er Soliman, der sich noch in Albanien befand, nach
der Moldau, um an dem bäuerischen Rebellen ein glänzendes
Exempel zu statuieren.
Stephan erwartete ihn bei dem in einer Hügellandschaft
gelegenen Städtchen Vasluiü, wo noch jetzt seine Kirche und
die Trümmer seines Wohnhauses zu sehen sind. Einige Ungarn
Bäthorys und 5000 Szekler waren bei ihm geblieben, die folg-
lich nicht zu dem eigentlichen Zwecke gekommen waren, ihm
in dieser entscheidenden Schlacht beizustehen ; an die Mit-
wirkung eines polnischen Kontingents ist schon darum nicht zu
denken , weil alles sich viel zu schnell entwickelte und Polens
Rüstungen immer längere Zeit brauchten. Im ganzen verfügte
er über kaum 30000 Krieger, meistens freie moldauische Bauern,
Soliman kam mit Ali und Iskender Michalogli über Niko-
polis und vereinigte sich mit dem nunmehr christenfeindlichen
Laiotä. Sie fanden die Wege durch das Frühlingswetter, das dort in
den Donaustrichen oft schon im Januar vorübergehend eintritt, ver-
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 173
dorben und unbenutzbar gemacht. Auch der grofse Handelsweg,
der über Vasluiü führte, war in diesem Zustande. Als die Türken
an Vasluiü vorbeiwaren , gelangten sie an das Flüfschen Racova,
das sich durch mannigfach sich kreuzende und mit undurchdring-
lichen Wäldern erfüllte Täler schlängelte. In den Nebeln des an-
brechenden lo. Januar 1475 wurde Soliman plötzlich von den
Moldauern angegriffen. Ein Regen von Pfeilen, die Wirkung
einiger Bombarden gaben den Ausschlag: die Osmanen ver-
loren sich auf fluchtartigem Rückzuge in dem labyrinthischen
Lande und wurden mitleidlos hingemetzelt, die walachischen
Bauern vereinigten sich mit den moldauischen, um vereinzelte
Scharen zu überfallen und zu vernichten. Durch ein stolzes
Siegesschreiben Stephans erhielt das westliche Europa Kunde
von dieser bedeutenden Niederlage des Beglerbegs von Ru-
melien, der 1474, als er vor Skutari kämpfte, so manche Grofs-
macht um die nächste Zukunft hatte zittern machen. Die alte Kaiserin
Mara klagte, dafs die Türken noch niemals eine solche Nieder-
lage erlitten hätten; war doch das ganze Heer des Westens wie
vernichtet! Ali Michalogli wurde zur Strafe abgesetzt und in
den Kerker geworfen *).
So mufste denn Mohammed selbst gegen den siegreichen
Feind auf den Plan treten. Er brach in der Tat aus Konstanti-
nopel auf und machte einige Tageraärsche nach Norden; weiter
vorzudringen hinderte ihn die Gicht ^). Das Landheer unter dem
Beglerbeg Soliman setzte den Marsch nicht fort ^). Nur einige
Scharen streiften in der Umgegend der moldauischen Häfen *).
Die Flotte aber segelte am 19. Mai nach den nördlichen Ufern
des Schwarzen Meeres ab. Sie zählte 180 Galeeren, 3 Gale-
assen und ungefähr 300 andere Fahrzeuge ^).
Die Einnahme von Chilia, das von Stephan zerstört worden
war, und Cetatea-Albä sollte, da eine Beteiligung des Landheeres
dazu unumgänglich nötig schien, erst auf der Rückfahrt erfolgen.
Gedik Ahmed, der Oberbefehlshaber, dem der Admiral Tscha-
i) Vgl. „Colamna lul Traian" 1883, S. 84; „Acte §i fragmente'' IIP, S. 84
2) „Mon. Hung. Hist. ", V, S. 266 — 267.
3) Ebenda S. 270. 4) Ebenda. 5) Ebenda S. 269.
l/l Erstes Bach. Achtes Kapitel.
kirdschi-Jakub unterstellt war '), wandte sich also mit der ganzen
Flotte gegen Kaffa, ohne dafs man die Absicht, sich der g^rofsen
Handelsstadt zu bemächtigen , den Genuesen irg'endwie kund-
g-etan hätte.
In Kaffa befand sich zurzeit nur das g'ewöhnliche Söldner-
volk von Polen, Ung^arn, Rumänen und Griechen, die mit ent-
stelltem tatarischem Namen orgusii genannt wurden; ein ta-
tarischer Prätendent weilte ebenfalls in seinen Mauern; aber
keine fremde Hilfe war in Aussicht genommen , schon weil die
Einwohner eine Annektierung seitens der christlichen Nachbarn
fürchteten. Im Hafen lagen keinerlei Kriegsschiffe. Unter
solchen Umständen war an ernsten Widerstand nicht zu denken,
um so weniger, als die Tataren sich als Feinde erwiesen. Schon
nach vier Tagen wurde die Stadt mit Leichtigkeit genommen
und die Bevölkerung, die stürmisch die Übergabe verlangt hatte,
nach den bewährten osmanischen Grundsätzen behandelt; nur
die fremden Soldaten wurden hingerichtet. Das ganze zu Kaffa
gehörige Gebiet erklärte sogleich seine Unterwerfung "'^). Das
venezianische Tana hatte dasselbe Schicksal ^). Später wurde
auch Matrega, das den Ghizulfi gehörte, erobert ^).
Erst im Dezember machten sich einige türkische Scharen
von Kaffa nach dem von den Tataren und den christlichen
Nachbarn Mangup, von den Türken Menküb genannten Theodori
auf. Hier residierten die letzten Spröfslinge der trapezunti-
schen Komnenen ; ihre Herrschaft beschränkte sich auf ein
Schlofs und mehrere Dörfer in dessen Umgebung — im ganzen
,,30000 Häuser". Olobeg von Mangup hatte viel von sich
reden machen; einer seiner Vorgänger, Alexius, hatte die Ge-
nuesen bekriegt. Anfang 1475 regierte Isak, eine unkriegerische
Natur; seine Schwester Maria hatte vor kurzem Stephan geheiratet,
und ihr zweiter Bruder Alexander lebte ebenfalls am moldauischen
Hofe. Von seinem Schwager nach Mangup geschickt, um den
dort befindlichen Isak zu ersetzen, liefs er ihn töten. Nun gingen
i) Ebenda S. 269. 2) „Mon. Hung. Hist. " V, S. 345.
3) Ebenda S. 345 — 346; Seadeddin II, S. 292!!.
4) Seadeddin II, S. 313; Acte §i fragmente III ', S. 63 ; Heyd, Com-
merce du Levant 11, S. 405.
Die Kriege Mohammeds 11. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 175
die Türken gegen Alexander, seine Familie und seine moldau-
ische Leibtruppe mit unerbittlicher Grausamkeit vor: alle Mit-
glieder des komnenischen Hauses wurden beseitigt und kaum
die Frauen geschont ').
Darauf überliefs Gedik das ganze Land den Tataren, deren Khan
Mengli aus seinem Gefängnisse in Konstantinopel die Oberhoheit
des Sultans unter Bedingungen, die uns ckirch keine sichere Quelle
überliefert sind, anerkannte '''). Nur Kaffa blieb von Janitscharen
besetzt. Maiigup war verödet, seine Kirchen und Paläste zerstört^).
Bereits am 12. August hatte sich Stephan, der auch dies-
mal vergebens die polnische Hilfe erwartet hatte, feierlich mit
König Matthias ausgesöhnt, um gemeinsam mit ihm in den Türken-
krieg zu treten. Vielleicht hatte Ungarn seit 1465 einen vor den
christlichen Mächten sorgfältig geheim gehaltenen Waffenstill-
stand auf zehn Jahre gehabt und das Reich war erst jetzt seiner
Verpflichtungen ledig. Jedenfalls war Matthias entschlossen, sich
von nun an den östlichen Interessen seines Reiches zu widmen.
Gedik hatte einige Teile seines Heeres zu seinem Versuch
gegen Chilia und Cetatea-Albä entsandt; aber die ausposaunte,
neue Unternehmung des Sultans war auf das folgende Jahr ver-
schoben worden. So fiel zum ersten Male nach vielen Jahren
den Christen die Offensive zu.
Ein Projekt Vlad Tepes', den der König den türkischen
Friedensboten zu zeigen pflegte *), wieder in seine Walachei ein-
zudringen, wurde durch Laiotäs Unterwerfung vereitelt. Stephan
fühlte sich, trotz seiner persönlichen Tapferkeit und der aus-
gezeichneten Eigenschaften seiner Bauern , nicht stark genug,
gegen die Donautürken vorzugehen; auch war ihm Laiotä ver-
dächtig geblieben, und Giurgiu, Turnu usw. diesem zuliebe an-
zugreifen, schien ihm aus diesem doppelten Gesichtspunkte wenig
in seinem Interesse gelegen und gewagt. Matthias dagegen,
1) „Mon. Hung. Hist." V, S. 346.
2) Vgl. Hammer, Geschichte der Krim, S. 32 — 35.
3I Alle Zeugnisse in Vigna, Codice diplomatico ; vgl. .,Matthiae Epistolae
ad romanos pontifices"' S. loo — loi ; „Mon. Hung. Hist." VII, S. 308.
4) Bonfinius, Decas IV, lib. II, S. 401 der Ausgabe von 1680.
176 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
der auf der Donau bis Petenvardein herabkam, unternahm die
Belagerung- der westlich von Belgrad erbauten Festung- Schabatz,
deren hölzerne Türme mit Erde aufgefüllt waren ^) , und in die
die Türken ihre in Ungarn und Deutschland gemachten Sklaven
vorläufig zu bringen pflegten ''').
Schabatz war schon im Dezember 1475 eingeschlossen worden,
als die türkischen Truppen ihre Winterquartiere bezogen hatten.
Von dem Projekt, mit 2000 Siebenbürger Rumänen, die ,,mehr
als jedes andere Volk im Kampfe gegen die Türken gelobt
werden und aus der Erbschaft des Vaters des Königs sind",
,,12000 Reitern, 20000 Fufsleuten und einigen Geschützen"
Stephans, ferner 8000 berittenen Bojaren und 30 000 (!) ge-
meinen Soldaten aus der Walachei gegen Konstantinopel vor-
zudringen, war selbstverständlich nicht mehr die Rede. Es galt
vorläufig nur die Abwesenheit der Michaloglis zu benutzen, um
diese seit 147 1 begehrlich betrachtete, auf einer Insel in der Save
gelegene Schabatz, den Sammelplatz der räuberischen Akind-
schis ^) , in seine Gewalt zu bringen und dann mit dieser Feste,
Belgrad und Severin die serbische Flufslinie gegen türkische
Einfälle zu sichern. Bis Ende Dezember weilte Matthias in Bel-
grad selbst; am 2. Februar stand er vor Schabatz selbst*).
Auch die umliegenden Festungen der Türken griffen ungarische
Scharen an ^). Ali und Skender, die, um Schabatz zu retten,
(2. bis 3. Februar) erschienen waren, hatten nicht den Mut,
gegen den König ins Feld zu ziehen ^). Nach einigen Wochen,
am 15. Februar, dem 41. Tage der Belagerung, ergab sich end-
lich die Festung. Für die Osmanen war es ein geringer Verlust,
für Matthias aber eine ausgezeichnete Gelegenheit , wieder in
ganz Europa von seiner Tapferkeit und seinen Opfern für die
1) „Mon. Hung. Hist." V, S. 344.
2) „Mon. Hung. Hist." V, S. 347.
3) Vgl. „Matyas Kiräly Levelei" I, S. 271. Die Beschreibung in „Mon, Hung.
Hist." VII, S. 211. Vgl. italienische Berichte in meinen „Studii §i documente XVI.
4) „Mätyäs Kiräly Levelei" I, S. 323(1.
5) „Mon. Hung. Hist." V, S. 287 — 288.
6) „Mdtyas Kirälj' Levelei" I, S. 331 ff.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 177
„christliche" Sache reden zu machen'). Schabatz wurde mit
Christen besiedelt.
Darauf wurde der Rückzug" ang^etreten. Doch erfolg"te noch
während des Winters von Truppen, die unter dem Kommando
Vlads Tepes und des serbischen Prätendenten Wuk standen, des
Sohnes Gregors, der weg-en seiner Kühnheit auch Zmej, ,,der
Drache", hiefs und als Schwag-er des berühmten Bischofs Jo-
hann von Grofs- Wardein seinen Aufenthalt bei Salankemen hatte ^),
ein unerwarteter Vorstofs g"eg-en Bosnien. Hier hatte der Sultan
einen Renegfaten, Matthias, ang-eblich aus dem Blute der alten
Könige, zum Herrn eing"esetzt, während die Ung^arn im alten
Nikolaus Ujlaky ihren bosnischen ,, König-" sahen. Doch trat
dieser in den folg-enden Kämpfen nicht hervor ^). Vlad und
Wuk g-ing-en über die Save und, während der Nacht, auf wenig-
bekannten Weg-en weiter. Der Vortrab überrumpelte in türki-
scher Verkleidung- an einem Markttage Srebrnica, und 1 27000
Aspern, fünf salme (Pfund) reinen Silbers und viele seidene
Stoffe fielen ihm zur Beute. Kuslat kam g-leichfalls in die Ge-
walt der schnell vordring-enden Bandenführer. Sie verwüsteten
das g-anze Land und schonten selbst der christlichen Bauern
nicht, die, an die Türken g-ewöhnt, ihre Habe tapfer verteidigten ;
die Moslemin wurden von dem grausamen Vlad gliedweise zer-
stückelt und auf Pfähle gesteckt, ,,um den anderen Schrecken
einzujagen". Kein osmanischer Befehlshaber hatte Mufse, hinter
ihnen herzueilen: Ali-beg, dem verziehen worden war, weilte auf
Befehl Solimans in den Schluchten des ,, Schwarzen Gebirges",
in Montenegro, wo er überwinterte *).
1) Ebenda S. 333 ff. Ein Brief von ilim an den Papst, 16. August 1475,
Bibliothek von Florenz „ Strozziane ", la serie, iii, fol. 152 (vgl. „ Studii ^i doc."
a. a. O.). Ausführliche Darlegung der Operationen vor Schabatz in Bonfiuius.
Aus den Rechnungen der Apostolischen Kammer sind die dem ungarischen Le-
gaten Balthasar von Piscia und den Tschernojewitsch in Albanien geschickten Geld-
summen zu ersehen; reg. 1472 — 1476, fol. 216 vo, 228. Siehe auch den päpst-
lichen Brief an den Erzbischof von Regensburg als Legaten für Deutschland, Bi-
bliothek von Parma, ms. 885.
2) Engel, Geschichte von Ser^vien, S. 431, 444 — 445.
3) „Mon. Hung. Hist." V, S. 317—318. Siehe auch Klaic S. 442.
4) Ein im Königsberger Archive befindlicher Brief wurde von mir in „Lucruri
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. i-2
178 Erstes Buch, Achtes Kapitel.
Aber die dem Bischof von Erlau als päpstlichem Leg-aten,
den Venezianern und anderen Freunden von Kreuzzugsprojekten
versprochene gemeinsame Unternehmung des Königs und seiner
rumänischen „Vasallen" ^) blieb aus. Dagegen brach Moham-
med im Mai 1476 ^) nach der Donau auf, um den Moldauer als
einen Verräter, der die Forderungen seines Kaisers abzulehnen
gewagt hatte, an Land und Leben zu züchtigen. Nach der Save
wandten sich Asapen, die dann auch am Rande des Banats
plünderten ^), wo wiederum die Michalogli die Grenze verteidigten.
Bei Semendria stiefsen auch später die Grenzwächter beider
Reiche zusammen.
Matthias beschäftigte sich indessen mit den Vorbereitungen
zu seiner zweiten Heirat mit Beatrix von Neapel. Doch wurde
der ins Temesvärer Banat gemachte Einfall noch im Laufe des
Jahres von Wuk, den Jakschitsch, Döczy u. a. gerächt und sie
drangen bis zu der Stelle vor, wo Michael Szilägyi gefangen-
genommen worden war ^). Hinwieder konnten die Bosnier un-
gestört Dalmatien beunruhigen, und es bedurfte ernster Vor-
sichtsmafsnahmen , um die Reise der ungarischen Königin zu
sichern ^). Auch wurden die erst kürzlich von König Matthias
bei Semendria gebauten Schlösser zerstört ^).
Anfang Juli stand der über Warna gekommene Sultan in
der Dobrudscha an der Donaufurt bei Isaktsche, das die Ru-
mänen Oblucita nannten. Als er auf die linke Seite des Flusses
in die Moldau übergesetzt war, kam ihm Laiotä entgeg-en, der
seiner Politik wieder eine veränderte Richtung- gewiesen hatte.
Gleichzeitig brachen die Tataren des ,, Vasallenkaisers" Mengli-
nouä usw." abgedruckt. Eine Andeutung auch in „Mon. Hung. Hist." V, S. 345.
Anderen Nachrichten zufolge wäre Ali im Dezember in Semendria gewesen; ebenda
S. 291.
1) Stephan nannte sich, und war auch, unabhängiger Fürst; Hurmuzaki YIII,
S. 10 — II, nr. XVII. Vgl. auch ,,Epistolae ad romanos pontifices" S. loi — 102, 104 £f.
2) Ein angebliches Aufgebot der Krieger zum 11. März im mailändischen
Archive „Potenze estere, Tnrchia".
3) „Mon. Hung. Hist." V, S. 316—318.
4) Bonfinius, decas IV, lib. IV, S. 422 — 423.
5) Ebenda S. 425. 6) Ebenda.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 170
Girai gegen die moldauische Hauptstadt Suceava hia ins Land
ein ; kein Heer Stephans hinderte sie in ihrem Plünderungswerk,
und die Fürstin Maria, die geborene Prinzessin von Mangup, floh
vor ihnen nach dem stark befestigten Hotiu; die im Lager von
Kamieniec, jenseits des Dnjestrs stehenden polnischen Edelleute
rührten sich nicht.
Mohammed überschritt den Sereth, der die Moldau in ihrer
ganzen Länge durchfliefst ; auf dem rechten Ufer ging er gerades-
wegs auf Suceava los. Stephan verliefs nun seine Stellung bei
lasi, einer nicht weit vom Pruth belegenen neueren Stadt aus
dem 15. Jahrhundert, und wandte sich, den Flufs gleichfalls über-
schreitend , nach dem Gebirge : drei Stunden oberhalb der am
Fufs der felsigen Höhen erbauten Stadt Piatra nahm er im Ur-
wald an einem Flüfschen , nach dem die Ortschaft Valea-Albä,
,,der weifse Flufs ", hiefs, während sie später, nach der grofsen,
hier gelieferten Schlacht, Räzboienl genannt wurde, Stellung.
Von dem am 24. Juli erreichten und eingeäscherten Roman und
dem Schlosse Neamt her, das nicht angegriffen wurde, gelangte
das kaiserliche Heer am 26. Juli nach dem Hinterhalte der Mol-
dauer,
Das rumänische Heer bestand fast nur aus Bojaren, weil die
meisten Bauern Erlaubnis erhalten hatten, sich auf das andere Ufer
des Sereth zu begeben, um ihre von den Tataren mit Fortführung
in die Sklaverei bedrohten Familien zu schützen. Die moldaui-
schen Edelleute gaben ein glänzendes Beispiel der Aufopferung für
Vaterland und Glauben. Ihre Geschütze taten den angreifenden
Türken grofsen Abbruch ') ; selbst die Janitscharen , an deren
Spitze sich Mahmud-i\ga aus Trapezunt befand, warfen sich zur
Erde, um den Kugeln zu entgehen. Der Sultan mufste persön-
lich die Anstrengungen seiner Getreuen leiten. Der Kampf
dauerte bis zum Abend und in die Nacht hinein, weil die über-
wundenen Moldauer sich nicht zurückziehen wollten. Nach
heifsem Ringen waren die moldauischen Bojaren gröfstenteils hin-
gemetzelt; kaum konnte Stephan selbst dem Schicksal des
gleichnamigen Königs von Bosnien entgehen. Mohammed setzte
i) Seadeddin U, S. 300 — 301.
12'
180 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
seinen Marsch nach der Landeshauptstadt Suceava fort, die sich
ihm sofort ergab und verbrannt wurde.
Der Rückzug- gestaltete sich, wie immer in so entlegenen und
systematisch von ihren Verteidigern selbst verwüsteten und ver-
lassenen Landstrichen, schwierig genug. Auch waren, wie beim
Zuge Stipans gegen die Herzegowina, die ,, Eroberer" kaum aus
dem Lande abgezogen , als Stephan, der sich im Hochgebirge
versteckt gehalten hatte, wieder in sein Land herabkam.
Für die Türken war der Zug ergebnisloser, als der 1462
gegen die Walachei unternommene. Zwar hatte Mohammed
einen Prätendenten , Alexander , den Sohn Petru Arons , der
wahrscheinlich schon seit 1456 als Geisel der Moldau am os-
manischen Hofe weilte , mitgebracht ; aber zu seiner Einsetzung
kam es nicht. Da Neamt, Hotin und Cetatea-Albä, die einzigen
starken Festungen, nicht angegriffen und in Roman und Suce-
ava, deren Schlösser sich kampfioereit hielten ^), keine Janitscharen
zurückgelassen wurden, so hatte der Angriff auf Stephan nur die
eine Folge, dafs die mächtige und tapfere Klasse der Bojaren
wesentlich geschwächt und das Land erbarmungslos geplündert
worden war.
Ja seitens der Moldauer und der unter ihrem neuen Haupt-
mann Bathory zu einem Rachezuge gegen die Türken auf-
gebrochenen Siebenbürger wurde sogar ein Versuch gewagt,
die Walachei aus dem politischen Verbände des osmanischen
Reiches herauszureifsen. Laiotä, der in das Land seines könig-
lichen Nachbars einfallen sollte, sah sich bald den Scharen Bä-
thorys gegenüber, der, nachdem er im August an den moldau-
ischen Pässen Wacht gehalten hatte , nun gekommen war, um
den ,, jungen Bassarab " ^) oder Vlad Tepes wieder einzusetzen.
Wie vor ihm Radu, floh auch der schwache Laiotä nach Giurgiu.
Tirgoviste und Bukarest wurden von den Angreifern leicht ge-
nommen, und gegen Mitte November 1476 schworen sich der
mit einem neuen Heere herbeigeeilte Stephan und der in seiner
Herrschaft wiederhergestellte Vlad Treue und Brüderschaft.
i) Vgl. „Mon. Hung. Hist." V, S. 319 ff.
2) ,,Indreptäri §i intregiri" S. 19; nach Kronstädter ungedruckten Briefen.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 181
Der Moldauer liefs seinem jetzigen Verbündeten eine kleine
-Garde zurück, die ihn freilich nicht zu schützen vermochte, als
Truppen der Michalogli ihn angriffen; an einem Dezembertage
wurde er bei Bukarest, wahrscheinlich in Balten! , getötet. In
seinem Kloster Snagov wurde der grausame Türkenbekämpfer
unter einem Steine, der keine Inschrift trägt, zur letzten Ruhe
gebettet. Gleichzeitig gingen die Türken gegen Schabatz vor ')
und nahmen die feste Stadt in einem Winterfeldzuge wieder in
Besitz ^).
Das an der rumänischen Donau herrschende Chaos war damit
noch zu keinem Ende gediehen. Anfang November 1477 weilte
Laiotä wieder als Flüchtling in Siebenbürgen, — hatte er doch
gleich nach seiner Rückkehr nach Bukarest den dort stehenden
königlichen Offizieren treue Anhänglichkeit versprochen. Sein
Sohn, der ,, junge Basarab", herrschte von Stephans Gnaden in
der Walachei.
In der ersten Zeit zahlte er den Türken keinen Kharadsch.
Seine Stellung änderte sich erst , als die zwei Michaloglis , im
Herbste des Jahres 1479, einen Einfall in Siebenbürgen ver-
suchten. Schon im Frühling ^) waren die Türken in der Walachei
und der zweite Basarab verhielt sich nicht anders als der erste :
er schaffte ihnen Lebensmittel und wies ihnen den Weg. Er
führte sie , obwohl Matthias mit den Türken einen Waffenstill-
stand geschlossen hatte und den Serben Peter Döczy an den
Sultan schickte ^), durch den Rotenturmpafs in die reiche Gegend
von Hermannstadt, das die Akindschis unverzüglich verheerten;
sie brannten 200 Dörfer nieder. Um das Land vor dem Schick-
sale, das drei Jahre vorher die Moldau gehabt hatte, zu retten,
eilte Bäthory mit dem Befehlshaber des Banats, einem geborenen
Rumänen, Paul dem Knezen, Kinizsy, und den serbischen ,,Pribe-
ken " Wuks und der Familie Jakschitsch herbei ^). Auf dem
i) „Mon. Hung. Bist." V, S. 340. 2) Seadeddin II, S. 304.
3) Brief der Kronstädter an Stephan: 26. April; Kronstädter Archiv,
4) „Mätyäs Kiräly Levelei" I, S. 382 — 383, 419.
5) Über die Jakschitsch s. auch Bonfinius S. 420: sie kämpfen 1474 gegen
die ins Land eingefallenen Polen.
182 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
„Kornfelde" (Kenyermezö, Cimpul-Pinii) , nahe dem Passe, der
ins Banat hinüberführt — also hatten die Osmanen die Absicht
gehabt, einer Schlacht durch schnellen Rückzug auszuweichen — ,
wurden sie tapfer ang-efallen ; nach einem Ringen von vier
Stunden wurde das kleine Heer der Plünderer, als es dämmerte,
in die Flucht geschlagen, 13. Oktober, am Kolomanstage. Die
Rumänen Basarabs, 4 — 5000 Kriegsknechte zu Fufs, die unter
ihren aufgepflanzten Spiefsen schössen, wurden fast vernichtet.
Nach Ofen kam die Nachricht, dafs die beiden Michalogli tot und
ihr Kriegsgefährte Balibeg Malkotsch-Ogli von Semendria schwer
verwundet sei^); in Wahrheit aber war nur Isa, ein anderer Ge-
fährte Alis und Skenders, tödlich verletzt, nachdem er ,,nit an-
ders gestanden gestanden dann alls ain vesste Steinmäur"^). Nach
einigen Tagen fand man ihn tot im Walde und brachte dem
auch verwundeten Bäthory seinen Kopf. Junge Verwandte der
Michalogli befanden sich unter den Gefangenen ^).
Als die Türken 1480 ihre Verheerungszüge nach Ungarn
ausdehnten, mufsten sie den Versuch schwer genug büfsen. Der
König verfolgte sie ; er kam ins bosnische Banat und schickte
(November 1480) mehrere Scharen von Pribeken und anderen
Beutemachern aus, die die türkische Provinz Bosnien, die Vrbosna,
bis ins ,,Cherzechland" durchritten und brandschatzten^). Der
Beglerbeg Daud schwebte mit seinem Sohne in Gefahr in Ge-
fangenschaft zu geraten. Doch nahm er dann den Christen
die Beute gröfstenteils wieder ab ; die Gefangenen töteten die
Ungarn , um sie nicht ihren Glaubensgenossen überlassen zu
müssen. Die bosnischen ,,Walachen", besonders die von Po-
litze und Radobila, hatten dem König Hilfe geleistet. Gleich-
i) ,,Mon. Hung. Hist." V, S. 395; „Epistolae ad romanos pontifices",
S- 135—137; „Matyas Kiraly Levelei" I, S. 449 ff-; vgl. S. 452, 453—455- Vgl.
Bonfinius S. 445 — 448; Seadeddin II, S. 319 — 320. Isa-beg, den Sohn
Hassans, nennt auch das 1475 verfafste Siegesschreiben Stephans von der Moldau.
2) Cod. lat. monac. 14668, fol. 59ff. ; 14668 , 434, fol. 154 ff. Über diese
ungarisclien Kämpfe s. auch einen Brief im Nürnberger Archiv an Albrecht von
Brandenburg.
3) Vgl. auch die Darstellung der ungarischen Gesandten auf dem Nürnberger
Tage von 1479; cod. lat. monac. 26604, fol. 7 vo ff.
4) „Matthiae epistolae ad romanos pontifices" S. 148 ff.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 183
zeitig hatte Kinizsy die Gegend von Semendria bis Krusche-
watz verwüstet; viele christliche Familien wurden damals nach
Ung-arn hinübergebracht.
Zu Lande und auf der Donau kämpfte man mit Glück
gegen Malkotsch ^). Nach türkischer Version wurden jedoch die
Ungarn sowohl bei Semendria wie in Bosnien geschlagen ^).
Matthias rechtfertigte sich übrigens bei seinem ,, älteren Bruder
und Blutsverwandten" Mohammed, indem er die ganze Schuld
auf Daudbeg wälzte ^).
Aber bereits 148 1 versuchten die Michaloglis Orsova ein-
zunehmen; der Woiwode von Siebenbürgen hielt sich bereit,
einen neuen Einfall zurückzuwerfen. Im Mai gingen die Donau-
türken jedoch gegen die Moldau vor und brannten bis in den
Bezirk Bacäu hinein : Basarab selbst führte sie gegen Stephan *).
Die Nachricht vom Tode Mohammeds II. veranlafste sie, mehr
als die Furcht vor dem heranrückenden Stephan, zur Umkehr.
Ein Krieg mit Ungarn lag jedenfalls nicht in der Absicht
des Sultans und spielte in seinem wohlüberdachten Ausdehnungs-
plane keine Rolle; andererseits setzte auch König Matthias keinen
Ehrgeiz darein, sich im schwierigen Kampfe gegen Mohammed II.
auszuzeichnen ; er befolgte standhaft die schwankende Politik des
Haschens nach kleinen Erfolgen auf möglichst verschiedenen
Gebieten, um mit fremdklingenden Namen von Siegen und Er-
oberungen zu prahlen. In ihm lebte nichts von dem ritterlichen
Sinne und christlichen Enthusiasmus des Vaters, nichts von der
grofsen Politik der Angiovinen des 14. Jahrhunderts; vielmehr
ähnelte er in Eitelkeit und Unbeständigkeit dem vielbeschäftig-
ten Kaiser und König Siegmund, dem unruhigen Phantasten, dem
es vor allem darauf ankam, sich selbst hervorzutun.
i) Ebenda S. 154 ff. ; vgl. auch S. 167, 1 76 ff. , igoff. ; „Mätyas Kiraly
Levelei" ü, S. 43 — 45 , 46 ff., 65 ff. 195 ff.; „ Mon. Hung. Hist." Vü, 336 ff.
Handschriftlich sind die Briefe Matthias' vom 18. Januar 148 1 in cod. lat. monac.
26604, fol. I — 3 und Nürnberg L. B. 69, 36 zu finden.
2) Bogdan, Relatiile I, S. 163.
3) „Matyäs Kirdly Levelei" II, S. 388 — 390.
4) Siehe auch „ Mdtyäs Kirdly Levelei" II, S. 123 ff.
184 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
Der Sultan wufste ihn sehr richtig- einzuschätzen und war
sich durchaus klar, dafs ein solcher Mann nicht gefährlich sei.
Er konnte seinem Ziel, der venezianischen Republik ganz Al-
banien und die moreotischen Besitzungen zu entreifsen, und deren
Zession in dem zu schliefsenden Vertrage zu erzwingen, ohne
Rücksicht auf ihn nachstreben. Vergebens vermittelte im
Jahre 1475 der Herzog Leonard von Santa Maura, um für seine
venezianischen Freunde bessere Bedingungen zu erlangen ^).
Auch die Sendung Girolamo Zorzis vom selben Jahre hatte
keinen Erfolg; im August erhielt er die Weisung, nicht weiter
auf das Zustandekommen des Friedens hinzuarbeiten, da die
Signoria fest entschlossen sei, Lemnos, Kroia und die Maina
nicht aufzugeben ^). Lieber als in einen solchen Verlust zu
willigen, wollte man dem ungarischen Könige die hohen Summen,
die er zu verlangen nicht müde wurde, gewähren ^). Auch die
erneuten Bemühungen Matthias' waren nutzlos gewesen.
Noch 1477, gleich nach dem Zuge des Sultans gegen die
Moldau, nahmen die Türken den Angriff auf sämtliche veneziani-
schen Grenzländer auf*). Im Mai ging der rumelische Beglerbeg
nach Lepanto, das die Osmanen Ainebacht benannten ; doch kam
ihm der Generalkapitän der Republik mit elf Galeeren zuvor, und
erst drei Tage später erschien die osmanische Flotte. So mufste
die Belagerung nach einigen Wochen am 25. Juli aufgehoben wer-
den. Soliman, der Besiegte von Podul-Innalt, verlor seine hohe
Stellung an Daud. In Venedig, wo man grofse Vorbereitungen
für einen neuen moreotischen Krieg getroffen hatte , rief die
Nachricht vom Entsätze Lepantos grofse Begeisterung hervor,
und eine feierliche Prozession wurde zum Dank für das frohe Er-
eignis veranstaltet ^). Die Freude steigerte sich, als kurz darauf
der türkische Angriff auf das Schlofs Kokkinon (Kotzino) auf
Lemnos unterblieb, sobald Loredano, der Verteidiger Lepantos,
Truppen auf der kleinen Nachbarinsel Psara landen liefs ^). Immer-
i) „Mon. Hung. Hist." V, S. 268 ff., 2720., 275 ff.
2) „Cron. Zena" fol. 282 vo bis 283. 3) Ebenda fol. 284 vo.
4) Vgl. auch Bonfinius, decas IV, liber V, S. 438.
5) Vgl, „Cron. Zena" fol. 285 vo- Cronaca F. 33, fol. 155 ff.
6) Cronaca F. 33, a. O.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 185
hin hatten die Türken auf Chios den rückständigen Tribut erhoben
und die Insel Naxos, den Sitz des Herzogs des Archipelagus,
der als venezianischer Vasall galt, verwüstet *), ohne freilich ihre
dauernde Besetzung zu versuchen.
In Albanien war die Stellung der Venezianer keineswegs so
günstig. Im Juli wufste man, dafs Kroia und eine zweite Feste
von den Reitern der albanesischen Sandschaks bedrängt wür-
den^), an deren Spitze der kühne Ahmed Gedik stand ^).
Die Venezianer waren im Bunde mit Nikolaus Dukaschin und
verfügten über einige tausend Albanesen, zu denen im Septem-
ber noch frische Truppen aus Italien kamen. Infolgedessen
hielten sich die Christen für stark genug, gegen die Feinde,
die in der Ebene von Tirana, vier Meilen von Kroia entfernt,
ihre Zelte hatten, eine offene Schlacht versuchen zu können.
Aber der Verrat der Albanesen entschied den Tag zu ihren
Ungunsten : etliche hundert Italiener, darunter der General Fran-
cesco Contarini und acht Offiziere , blieben auf dem Kampf-
platz *).
Zu einem weiteren Schlag gegen das hartnäckige Venedig,
das in keinen Frieden , wie ihn der Sultan wünschte , willigen
wollte, sollte der grofse Einfall der Bosnier in Friaul werden.
Hier hatte die Signoria durch einen berühmten Meister an allen
Flüssen Dämme erbauen lassen und einige Truppen zu deren
Verteidigung bestellt. Aber der Akindschiführer Umur kümmerte
sich wenig darum : in einem Treffen am Ufer des Isonzo fiel
der Befehlshaber Girolamo Novello und sein Sohn, die sich von
dem schlauen, beutelustigen Türken hatten umringen lassen,
und von Venedig aus sah man mit Entrüstung die Dörfer zwischen
den Flüssen Isonzo und Tagliamento brennen; Verona zitterte
für sein Schicksal. Als endlich Vittorio Soranzo mit mehreren
1) Ebenda.
2) „Mon. Hiing. Hist." V, S. 359.
3) Seadeddin II, S. 310.
4) Siehe die beiden schon zitierten venezianischen Chroniken; vgl. den Brief
des Sekretärs Malatestas in Sansovino, fol. 253.
186 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
Tausenden g^uter Söldlinge und einer kleinen Flottille in Friaul er-
schien, waren die Akindschis mit ihrer Beute schon verschwunden ^).
Der angenommenen Gewohnheit folgend — auch schon im
Herbste 1476 war ein grofser Raubzug unternommen worden — ,
waren andere Bosnier jenseits der Save, ,,bey Gurgkfeld" in der
Steiermark, aufgetreten und hatten ,, den Sackmann aussgelassen,
hinab auf Agram, Warasdin, Fenstritz, Sussenheim und in das
Traafeld", so grausam, dafs sie, ,, alles erslagen und nyembt
gefangen" hatten. Sie nahmen durch das schwergeprüfte Krain
ihren Rückweg und begegneten , trotz aller Projekte , Verein-
barungen und Landtagsbeschlüsse, nirgends den Truppen des
Kaisers, des Erzbischofs von Salzburg, der benachbarten baye-
rischen Fürsten oder des in Tirol waltenden Siegmund von Öster-
reich; alle diese vom Unglücke noch verschonten Herren be-
gnügten sich damit, den armen Bauern und Bürgern ,,ein christ-
lich getrews Mitleiden" zu schenken ^). Die vom Kaiser auf
den I. März 1478 nach Kreisingen einberufene Reichsversammlung
tat nichts zur Rettung der gefährdeten Länder ^).
Ein zweiter Einfall der bosnischen ,, Sackmannen" erfolgte
1478 und brachte ihnen noch gröfseren Gewinn als der erste.
Den Isonzo im Friaul überschritten sie am 22. Juli und drangen
über Cormons in die deutschen Reichsprovinzen *), Im Juli
waren die vom Skenderbeg Michalogli ^) geführten Akindschis
auf dem Marsche ,,in das Geiltal oder herabwertz gen Kernden";
sie schlugen für kurze Zeit ihr Lager unter Trapurg und Linz
auf, nachdem sie sich der ,, Klausen zu Velach" bemächtigt
hatten. Im Geiltale, Drautale und Gurktale, dann in ,, andren
i) Die schon zitierten Chroniken. Auch Bonfinius S. 438; Brief des Se-
kretärs Malatestas, Sansovino, fol. 254 — 255. Speziell in „M. Ant. Sabellici
de pugna inter Venetos et Turcas ad Sontium amnem commissa" in Lonicerus,
Chronica turcica II, S. 105 — 112 („Hist. rer. venet. " S. 792 ff.).
2) München, Reichsarchiv, „Türkenhilff de anno 1446 bis 15 18", Nr. 21 bis
29, 36.
3) Innsbrucker Archiv, Siegmund IV, a. 35.
4) Beide venezianische Chroniken; Bonfinius S. 438 — 439; Sabellicus
a. a. O.
5) „Ir Haubpman ... mit Namen Stawderbeck , Ilertzog zu Wossen und
Haubtman über alles Durckes Veldt"; cod. germ. monac. 15S6.
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 187
Täler und Gepirg" wurden die rasch wieder entweichenden mit-
leidlosen Gäste erblickt ; die Einwohner von Villach verhandelten
mit ihnen und sahen sich dann grausam betrogen; sie schienen
bis Windischg-rätz dringen zu wollen. Nach einigen Wochen
erschienen sie auf dem Rückwege vor Laibach ; das ganze
Land war ihnen verteidigungslos überlassen. Die Landtage, die
zur Beratung über Abwehr der Türkengefahr berufen wurden,
schwangen sich zu keinem ernsten Entschlufs auf, und ebenso-
wenig glückte das Vorhaben des Kaisers, einen Reichstag zu-
sammenzubringen. Auch die ,, Blödigkeit", die tödliche Krank-
heit des bayerischen Herzogs Ludwig stand allen Plänen hindernd
im Wege *). Auf dem Reichstage von Freisingen waren nur
wenige Fürsten vertreten; nützliche Mafsnahmen ergaben sich
aus seinen Verhandlungen nicht ^).
Die eigentliche Heeresmacht des osmanischen Reiches aber
war damals in Albanien tätig, wohin Mohammed II. in Person
einen letzten entscheidenden Zug unternommen hatte.
Schon am 14. Mai 1478 waren die Akindschis vor Skutari
erschienen; der zweite Michalogli, Ali, stand an ihrer Spitze,
und bald gesellte sich Malkotsch, in dessen Augen das Feuer
der Schwärmerei geheimnisvoll leuchtete, zu ihm ; auch Skender
hat sich im Lager vermutlich einen Augenblick sehen lassen.
Gegen Ende des Monats übernahm Daud, der Beglerbeg Rums,
<^en Befehl über die europäischen Reiter, und Anfang Juni führte
Mustafa-Pascha seine Asiaten herbei. Bald ergab sich das
während des ganzen Winters schon eingeschlossene Kroia: dort
brachen die Türken die Kapitulation, und die heldenmütige Be-
satzung, mit Ausnahme des Befehlshabers Pier Vetturi und seiner
Familie, wie des rettore und seiner contestabili, die in
die Serails des Sultans oder des Wesirs geschickt wurden,
wurde erbarmungslos hingeschlachtet.
Die Belagerung Skutaris begann noch vor dem i. Juli,
sobald der Sultan, von beiden Begierbergs empfangen, angelangt
1) Ebenda, folgende Nummern.
2) Siehe auch cod. germ. monac. 1586; cod. lat. monac. 14668: „Von den
Thurcken etlich ergangen Tat".
188 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
war und sein rotes Zelt im Schutz der Janitscharen vor dem
hohen Berge S. Marco aufgeschlagen hatte. Elf Bombarden
waren auf dem Wege nach Drivasto, bei der Kirche S. Vene-
randa, am Drinflufse, auf dem Monte Bassä, bei der Kirche
S. Lazzaro, bei S. Biagio und S. Croce usw. aufgestellt worden.
Aber die starken, erst jüngst planvoll befestigten Mauern hielten
Bombarden und Mörsern stand, und, durch feurige Reden des
Paters Bartolomeo, „eines neuen Capistrano", begeistert, kämpften
die Bürger tapfer zur Seite der kleinen venezianischen Besatzung,
die Antonio da Lecce befehligte , und liefs sich durch keine
Drohungen und keinen Schaden einschüchtern. Die am ig., 20.,
22. und endlich am 27. Juli versuchten Stürme mifslangen schliefs-
lich, obgleich das kaiserlich osmanische Panier einen Augenblick
schon auf den Zinnen Skutaris geweht hatte.
Angeblich auf den Rat Ahmeds, eines ,, Sohnes des Ewrenos",
entschlofs sich der Sultan nun zu einem Angriffe auf Drivasto
(Dergos), Sabiacco (Schabiak; türkisch Gökbaschi) und Alessio
(Lesch) ^), von denen die beiden ersten noch den Venezianern und
das dritte Tschernojewitsch ^) verblieben waren. Sabiacco, am
Ufer des Boianasees, 40 Meilen von Skutari entfernt, ergab sich
sogleich, Drivasto erst nach sechzehntägiger Beschiefsung;
Daud-Pascha brannte Alessio nieder, das er verlassen gefunden
hatte. Um die Bewohner Skutaris zu schrecken, schlachteten
die Türken die gefangenen Venezianer unter den Mauern der
Stadt hin. Aber Mohammed ging am 8. September nach Kon-
stantinopel ab. Das zurückgelassene Heer setzte die Belagerung
Skutaris eifrig fort, und als beide Begierbergs in die Winter-
quartiere, in Asien und Europa, abzogen, blieb Ahmed mit
einigen tausend Türken vor der mächtigen Festung stehen.
i) Der walachische Fürst Basarab der Junge schreibt darüber: „Es ist mir
Nachricht von der kaiserlichen Pforte zugekommen , dafs der Kaiser jenes ganze
Land und drei Schlösser: Kruj , Drevos und Lesch, mit der Festung Zabiak, er-
obert hat ; die Männer, die sich ihm nicht ergeben haben, hat er töten, die Frauen
und Kinder aber fortführen lassen"; Bogdan, Rela^iile I, S. 139. Dann weiter
(S. 141): „Skenderieh hat er von allen Seiten beschiefsen und zwei Schlösser bei
Skenderieh errichten lassen und die befestigte Stadt Kruj usw.". Siehe auch
J i r e c e k im „ Archiv für slav. Phil." XIX, S. 609.
2) Siehe Bonfinius S. 439: ,,Ioannem Cernoi Sabiaco civitate privat."
Die Kriege Mohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 189
Während des g-anzen Winters hielt sich Skutari, dem g-lorreichen
Beispiele Kroias folgend, aufs tapferste ^).
Aber die venezianische Ausdauer war zu Ende, länger wollte
die Signoria das Glück nicht versuchen. Die durch den Zug
des Sultans unterbrochenen Verhandlungen wurden im Winter
wieder aufgenommen. Am 20. Dezember 1478 ging Giovanni
Dario als Beauftragter der Republik nach Skutari. Noch im
selben Monat unterzeichnete er das von anderen zustande ge-
brachte Friedensdokument. Venedig verzichtete auf das noch
ihm gehörige Lemnos, den Brazzo di Maina und ganz Albanien,
soweit noch venezianische Besatzungen darin vorhanden waren ;
die Bewohner von Skutari mufsten die Stadt räumen und
siedelten nach anderen Ortschaften über, über denen die von
ihnen geliebte San -Marco -Fahne wehte; eine angebliche alte
Schuld gegen den Sultan, die sich auf 100 000 Dukaten belief,
sollte in zwei Jahren getilgt werden. Statt eines Kharadschs zahlte
es von nun an 10 000 Dukaten für die Erlaubnis, im Schwarzen
Meere auch weiterhin Handel zu treiben ^). Die Venezianer waren,
trotz der Gegenvorstellungen einiger grollender Patrioten ^), so
froh über den Abschlufs des Friedens, dafs es ihnen auf ein paar
tausend Dukaten nicht ankam, um dem türkischen Gesandten,
Lufti-beg, der den Frieden vor ihnen beschwören sollte, eine
Ehre anzutun.
Durch einen Zusatz *) gönnte Mohammed der Republik alle
moreotischen Besitzungen, wenn sie Chimära, Sopoto und die
i) BarletiusinLonicerus III, S. 231 ff. ; italienisch inSansovino, Ausg.
1659, S. 305fr.; ,,Cron. Zena"; Chron. F. 33, fol. 161 ; Brief des Sekretärs
Malatestas in Sansovino, fol. 253 — 254; Seadeddin II.
2) „Commemoriali" a. Datum, V, S. 228, Nr. 126. Der griechische Text
und der Brief Mohammeds an den Doge sind in Miklosich und Müller, Acta,
S. 293 — 295 veröffentlicht worden.
3) ^S'- T^Cron. Zena": „La quäl pace non h piaciuta cosi alla terra, per
esser sta fatta con danno et vergogna della Signoria; mä 1' e stä fatta per star
qualche tempo in pace con questo can patarin senza fede , chel S. Dio per sua
misericordia li togli le folze."
4) Siehe auch S ath as VI, S. i2off., 141 ff., 195 ff. ; M agno , ebd. S. 2i4ff. ;
Miklosich- Müller, Acta, 302 ff., 306 ff.
190 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
von ihren Truppen g-enommenen türkischen Burgen zurückgebe ;
niemand sollte im Gebiet von Cattaro und Budua rauben und
Iwan Tschernojewitsch, trotz der von seinem Neffen verursachten
Unruhen, doch in Montenegro bleiben dürfen ^).
Unverzüglich, im Sommer 1480, machten die Türken nun
der kephallenischen Autonomie ein Ende. Zuerst wurde Woditza
in Epirus, dann, im August, beide Inseln besetzt ^). Leonardo
floh nach Neapel. Venedigs Vermittlung erreichte nur den freien
Abzug Peter Buas mit seinen 500 Reitern und vielen Einwohnern
von der gleichzeitig annektierten Insel Zante ^). Auch auf der
von den Venezianern Bastia benannten Insel und bei Chimära
raubten die Türken und besetzten einige Ortschaften bei Parga
an der epirotischen Küste *). Als dann Antonio, der Bruder des
entthronten Leonardo, mit Katalanen in Kephallenia und Zante
landete, liefs ihn die Republik von dieser letzteren Insel ver-
jagen ^) und besetzte sie, angeblich im Einverständnis mit dem
moreotischen Sandschak^); auch Kephallenien ereilte im Jahre
1483 dasselbe Los. In Skutari wurde ein Sandschak für Alba-
nien eingesetzt ''). Der Sultan liefs aber seinen nunmehrigen
Freunden nur den Besitz Zantes mit der Verpflichtung eines
Tributs von 500 Dukaten ^).
Zante gehörte dem Könige von Aragonien, einem Mit-
gliede der Liga, die während des Krieges mit Usun-Hassan den
Osmanen an den kleinasiatischen Küsten so grofsen Schaden zu-
gefügt hatte. So mufsten denn jetzt König Ferdinand und die
1) „Commemoriali" V, S. 230, Nr. 134. Vgl. auch S. 231, Nr.137; S. 237,
Nr. 161, 163. Vgl. Sathas, Mon. I, S. 272 ff.
2) Magno in Sathas VI, S. 215.
3) Chron. F. 33, fol. 161. Schon im Jahre 1473 waren Moreoten aus
Vomero , Olenos, Chelidoni in Zante angesiedelt („Commemoriali" V, S. 212,
Nr. 64). Über die Beziehungen zwischen Venedig und dem Herzog von Leukas
,, Commemoriali" V, S. 131, Nr. 35.
4) Magno S. 217 — 218.
5) Vgl. Sathas I, 279 ff.
6) Navagiero in Muratori XXIII, p. 1180— 1181, 1189; Magno S. 234ff.
7) „Mon. Hang. Hist." VII, 366.
8) Vgl. Zinkeisen II, S. 451 und Anm. 2.
Die Kriege Mohammeds 11. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 1 91
Johanniter vom Rhodos, die sich ebenfalls an jenem Kreuzzuge
beteiligt hatten, bestraft werden, wenn der Ehre des osmanischen
Reiches Genüge geschehen sollte. Letztere auch noch aus dem
Grunde, weil die Aufständischen auf Lemnos, die den Subaschi
getötet hatten, zu den Rittern geflüchtet waren ').
„Am 22. Mai 1480 sach der Wächter auf der Warft zu Rodis
eyn grosse Schar und Zal von Schiffen mit vollen Segeln her-
faren und verkündet es pald dem Maister und der Stat, welches
zu beschawen gross Wellt zulief, auch gross Forcht und Erschrecken
ward davon empfangen ". Es handelte sich um nicht weniger
als 86 — 100 Schiffe mit einem ganzen Heere, das sich bei Fisco,
in Anatolien , Rhodos gegenüber, eingeschifft hatte ^) und unter
den Befehlen des Kapudan Messih stand. Die Ritter hatten
von den Vorbereitungen der Türken Kunde erhalten und ihre
Mauern verstärkt, viele Waffen, darunter „ starck Gewer und viel
Puchsen", zusammengebracht, in allen Provinzen des Ordens
Geld gesammelt und den Papst um Hilfe angerufen, der ihnen
auch noch rechtzeitig ein Schiff mit Getreidevorräten schickte.
Im Grofsmeister Pierre d'Aubusson und seinem Bruder Anton
hatte die Insel heroische Verteidiger gefunden.
Zuerst griffen die Türken den hoch auf einem Felsen, ,,drew-
hundertt Schritt weit in das Mer " gebauten St. Nikolausturm an.
Ihre Bombarden aber waren nicht imstande, das mächtige Werk
zu zerstören. Auch ein Sturm auf das Schlofs hatte keinen Erfolg.
Gerade als die Brüder für die Befreiung ihrer Stadt einen Gottes-
dienst in der grofsen Marienkirche abgehalten hatten und durch
ein gemeinsames Essen den glücklichen Tag feierten, gingen die
Türken mit erneuertem Eifer zum Sturme vor, und wiederum
vergeblich. Am 20. Juli galt der Angriff von neuem dem
St. Nikolausturm ; der heifse Kampf dauerte von der letzten
Stunde der Nacht bis 10 Uhr morgens an; ein Verwandter des
Sultans, ,, ein junger Herr, der des turckischen Keyssers Suns
Dochter zu Weyb gehabt hab", fiel. Beim vierten Sturme
(28. August) wurde ,,die Welsche Thüre" eingenommen und
1) Magno S. 218.
z) Vgl. auch den Brief des Sekretärs Malatestas bei Sansovino fol. 25 2 ff.
193 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
die kaiserliche Fahne darauf aufgepflanzt; der Grofsmeister war
fünfmal verwundet. Aber die Stadt hielt sich. Als dann zwei
neapolitanische Schiffe sich den Eingang- in den Hafen erzwangen,
wurde die Belagerung am 89. Tage aufgehoben ').
Gegen König Ferdinand kämpfte, eigentlich aus eigener
Initiative, der in Albanien zurückgebliebene Achmed-Gedik, der
einige Zeit als Mazul und Verbannter in Saloniki zugebracht
hatte, und sich dem obersten Herrn jetzt durch eine unerhörte
kühne Tat empfehlen wollte. Aus dem Hafen von Avlona ^)
segelte eine mächtige türkische Flotte von 150 Fahrzeugen, die
von Galiipolis dorthin geschickt war ^), gegen Otranto in Apulien
aus. Die schöne Stadt, die ganz unvorbereitet war, konnte der
Belagerung nur einige Tage Widerstand leisten und wurde
(26. Juli) genommen. Der königliche Befehlshaber und der Erz-
bischof Stephan wurden grausam ums Leben gebracht, auch
viele Priester erlitten den Märtyrertod. Lecce, Neritone, Castro,
Ogentino sollten gleichsam eine Raja, d. h. Provinz, Ernährungs-
zone der ersten osmanischen Eroberung auf italienischem Gebiete
bilden. Auch eine sizilianische Stadt am Monte Gargano fiel
an die Türken *). In Otranto liefsen sie eine Besatzung von
5000 Mann zurück ^).
König Matthias schickte bald einige hundert Ungarn mit
i) Zwei unedierte Erzählungen im cod. lat. monac. 14668 und Nürnberger
Archiv S. XI, R. i, Nr. 17, fol. 131 — 152: „Anslag wider die Turcken". Vgl.
die päpstliche Bulle im cod. germ. monac. 1586. Über die angeblichen vene-
zianischen Zuflüsterungen, an die sogar Venezianer glaubten, s. Navagiero
S. 1165. Der Kanzler des Ordens, Caorsin, hat die Belagerung in einem gedruck-
ten Werkchen umständlich beschrieben (o. D., dann Rom 1584).
2) Siehe auch Sathas VI, S. 135, 137 ff.
3) König Matthias spricht von 60 Galeeren; „Matyäs Kiraly Levelei '' II, S. 37.
Der Proveditore von Morea von 60 Schiffen im ganzen; Sathas VI, S. 138.
4) ,,Civitatem vestanam in partibus sipontinis vel montis Gargani consti-
tutam. "
5) Vgl. auch Sanudo, Vite, Diarium Parmense, in Muratori XXU. In
demselben Jahre vcurde auch auf Chios geraubt, Imbros und Tenedos befestigt;
Magno S. 218, 224. Eine genaue Angabe der Quellen in Thuasne, Gentile
Bellini et Sultan Mohammed II, Paris 1888, S. 47, Anm. 2.
Die Kriege JMohammeds II. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 193
dem erfahrenen Mag-yar '). Jetzt endlich kamen die Italiener
wirklich in Beweg-ung-. Der Papst versprach 3000 Fufssoldaten,
Florenz 2000, der Herzog- von Mailand 3500; der g-eschädig-te
König- von Neapel machte die g-röfsten Anstreng-ungen. Nur
Venedig-, seines soeben g-eschlossenen Friedens froh — hatte
es doch sog-ar einen Aufstand des Brazzo di Maina unter dem
Stratioten Chalkokondylas Clada ig^noriert ^) — , fehlte; es war
mit der Einnahme Veg-lias und mit dalmatinischen Wirren be-
schäftigt ^). Durch eine Kommission von acht Kardinälen liefs
die Kurie eilig Geld zusammenbringen. Der Frieden zwischen
Florenz , Siena , Mailand und Neapel wurde wiederhergestellt
und Sixtus IV. nahm das durch den Einbruch der Heiden ent-
ehrte Süditalien in seinen besonderen Schutz *). Dem zusammen-
gebrachten Heere gelang es Otranto wnederzunehmen , und die
Türken wurden nun ebenso grausam behandelt, wie es von ihrer
Seite den Christen geschehen war. Und ganz Italien tönte von
gelehrten Danksagungen und Ermahnungen der mehr oder
weniger berühmten Rhetoriker der Zeit wider ^).
Im Reiche war für den Frühling ein Tag zu Freisingen an-
gesetzt; derselbe wurde dann bis zum Montag nach Trinitatis,
zuletzt bis zum Herbste verschoben und nach Nürnberg verlegt.
Hierhin kamen auch ungarische Boten, die gegen die über-
1) „Matyas Kiräly Levelei" II, S. 108, 121.
2) Sathas, Monumenta I, S. 271 ff. ; VI, S. 1476.
3) Bonfinius S. 444 — 445.
4) 23. Juni 1480; cod. lat. monac. 414, fol. 166.
5) Cod. lat. monac. 414, fol. 180: „Eolidi Erhardi Ventimontani doctoris
recepta" usw. Vgl. Hettinger, Hist. eccl., Tiguri 1654 — 1658, XV, S. 355
bis 605. Die Prophezeiungen des Antonio Arquato, Bibl. S. Marco lat. XIV, 230,
fol. 233 ff. Die Ermalinung des Kanonikers Jacob Cenna de Venusa, Neapel,
Bibl. X D 3, fol. 133. Ein Werk des Giovanni Nanni von Viterbo in einer
Inkunabel, München, Türe. 8013, 8°. Siehe auch die Handschrift F 85. Sup.
von Neapel: „I. Baptiste Carmelite, Mantuani, theologi , ad Alfonsum Calabryae
ducem post expulsos ex Italia Turcos panegyricum Carmen". Deutsche Türken-
projekte, Nürnberger Archiv S. 11, R. I, Nr. 17, fol. 131 — 152; München, Reichs-
archiv, „Türkenhilff" a. a. O. , fol. 6: ein Heer von 500000 Mönchen, mit
19.468.800 ,,ungrisch Gulden" für die Spesen usw. Auch im cod. lat. monac.
14668, fol. HO — 113 vo.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 13
194 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
vorsichtige Politik des Kaisers mit Worten protestierten, die als
unziemlich und häfslich (in re odiosa) empfunden wurden. Aber
im Juli/Aug-ust 1480 waren die Bosnier wieder erschienen; sie
drang-en bis Leoben und schädigten auch die Steiermark bis
Rakolsburg und Gratz und die ungarischen Grenzländer ^). Schon
gebärdete sich Mohammed hier als Gebieter; so befahl er dem
Grafen von Görtz, für das Schlofs Belgrad die der Gräfm Katha-
rina von Cilly, einer geborenen serbischen Prinzessin und Ver-
wandten der Osmanen, versprochenen Kaufgelder unverzüglich
zu zahlen 2). Die 148 1 auf einem Tage zu Wien (September)
festgesetzten Kontingente kamen niemals zusammen ^).
Die Aufmerksamkeit Mohammeds galt jetzt aber neuerdings
nur den asiatischen Verhältnissen.
Im Osten war zwischen den Prinzen von Sulkadr, wie vormals
zwischen denen Karamaniens, ein dynastischer Streit ausgebrochen.
Budak mufste zum Sudan fliehen; sein Bruder Melek-Arslan
wurde in der Schlacht bei Merasch getötet *). Mohammed setzte
den Turkomanen dieses fernen Fürstentums den Schach-Suwar
zum Oberhaupt; Budak suchte vergebens Mittel, aus Ägypten
wieder dahin zurückzukehren. Zwar erschienen Gesandte des
Sudans, um sich für den Flüchtling zu verwenden, und
Suwar wurde von seinen eigenen Anhängern verraten, dann, als
er gleichfalls nach Ägypten weilte, hier gehängt. Mohammed
aber schickte Alai-Dewlet gegen Budak in den Kampf und ver-
traute ihm das Land an. Doch auch mit diesem kam es bald
zu Mifshelligkeiten ^).
i) Bonfinius S. 441. Vgl. „Matyäs Kiiäly Levelei" II, S. 43 — 45.
2) Cod. monac. lat. 414, fol. 174. Über die Gräfin und das Schlofs Belgrad
s. Predelli, Commemoriali V, S. 112, Nr. 344.
3) Vgl. Innsbrucker Archiv P. A. II, 160 — 161; K. Archiv Sigmund I, 12;
Kopialbücher, „Registrum certarum" usw. 1476, 8», fol. 270; München, Reichs-
archiv, „Türkenhilff" a. a. O., Nr. 13; cod. lat. monac. 434, fol. 154!?.; cod.
lat. monac. 26 604, fol. 7 vo, Nürnberger Archiv L. B. 69, 36.
4) Sead eddin II, S. 316.
5) Ebenda S. 316 — 319.
Die Kriege ^lohamraeds 11. in Asien. Letzte europ. Eroberungszüge. 195
Einen weiteren Grund zu Zwistigkeiten zwischen Mohammed
und dem Sudan bildeten die Hadschis, die Pilger , die jährlich
nach den heiligen Stätten zogen; der Osmane wünschte ihnen
Erleichterungen zu verschaffen, die der ägyptische Herrscher als
persönliche Kränkung empfand, da die Einmischung als gegen
seine eigene Verwaltung und deren Wirksamkeit gerichtet er-
schien ^). Auch um Tarsus und Adaua, die sarazenischer Besitz
waren, stritt man seit einiger Zeit ^).
Diesen unklaren Verhältnissen durch eine notwendig ge-
wordene Annexion für immer ein Ende zu machen, vielleicht
aber auch zu dem näheren Zwecke, dem schwachen Sudan
Kaitbai Syrien zu entreifsen, brach Mohammed im April des
Jahres 148 1 auf^).
Seit langem, schon seit 1464, war er so stark, dafs ihm das
Reiten Schwierigkeiten machte, aufserdem hatten ihm die Kriegs-
strapazen die Gicht eingebracht. Es war das der Grund, weshalb
er 1465 ausruhte und keinen persönlichen Zug unternahm. Im
Jahre 1466 sprach man von seinem Tode, behauptete freilich
auch, das Gerücht sei auf eine Kriegslist des Sultans zurück-
zuführen. 1468 galt er wiederum als krank, und 1475 plagte
ihn die Gicht so heftig, dafs der geplante Zug gegen die Moldau
unterbleiben mufste *). Im Lager ereilte ihn jetzt ein neuer
starker Anfall, dem er am 3. Mai bei Tekür in Anadol erlag.
1) Vgl. Seadeddin II, S. 31511., mit dem Briefe des Sekretärs Malatestas,
fol. 252.
2) Siehe den schon zitierten Brief. Ausdrücklich wird berichtet , dafs Mo-
hammed „a i danni del Soldano del Cairo" auszog.
3) Seadeddin II, 1481, Ende. Matthias gibt das Datum: „quinto vel
sexto die niaii". „Epistolae ad romanos pontifices" S. 175; ,,Mätyäs Kiraly
Levelei " 11, S. 150; Diarium parmense, Sp. 374.
4) „Mon. Hung. Hist.» IV, S. 350, 370, 384; V, S. 43, 45, 265, 286,
288; Ljubic X, S. 450; Kritobulos.
13*
Neuntes Kapitel.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan
Mohammed 11.
Dreifsig' Jahre hindurch hat der Herrscher, der nun, zu einer
neuen Eroberung ausholend, gestorben war, mehr als die niedrigen
Ziele eines Menschentöters, Blutvergiefsers und Länderverwüsters
verfolgt, wie sie manchem seiner christlichen Zeitgenossen, deren
so gefafstes Urteil über ihn noch heute in zahlreichen Werken
moderner Geschichtsbetrachtung einen Widerhall findet, einzig
vorschwebten. Es war auch nicht der eitle Charakter, der alles
für vergänglichen Ruhm zu opfern sich hätte bereit finden lassen ;
sein Ehrgeiz, Alexander dem Grofsen und Cäsar gleichzukommen,
entbehrte edlerer Elemente nicht. Vor allem wollte er ein
Reich, ein wirkliches, festgefügtes Reich begründen.
Es sollte aus der vollständigen Eroberung der bisher in
losem Vasallenverbande stehenden Provinzen emporwachsen , in
einer gewaltigen kaiserlichen Residenz, als dem Mittelpunkt aller
Entschlüsse und dem Sammelplatz aller Art Beute, gipfeln. Und
diesen bis ins einzelne imd für die Dauer organisierten Staats-
körper zu verwalten und zu verteidigen, war nicht mehr nur die
mit einigen Renegaten untermischte, führende Klasse der Osmanen
allein berufen, sondern alle sollten daran Anteil haben, die, in
verschiedenen Ländern, verschiedenen Völkern entstammend, sich
zur Verleugnung ihrer christlichen Religion entschliefsen konnten,
um in der internationalen mosleminischen Demokratie, die dennoch
von jedem Winke des Sultans, als dem Vertreter des Gründers
des Staates, Osmans, abhing, zu verschwinden.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 197
Im Innern des neuen Kaiserreichs herrschte Frieden, wie in
den alten römischen Zeiten ; die Pax romana, die byzantinische
Sicherheit der ruhmreichen Ära, war zurückgekehrt, und jeder-
mann erfreute sich ihrer. Zu den polnischen und ungarischen
Feudalsitten, unter denen Bürger und Bauer, trotz aller be-
schworenen Privilegien, unendlich zu leiden hatten , zu der alt-
hergebrachten Unruhe, wie sie im System der slawischen Klein-
staaterei lag, zu der drückenden Last der letzten griechischen
Schwächlinge, die ohne irgendeine Gegenleistung die Untertanen
mafslos ausbeuteten, zu dem deutschen Chaos unter dem prakti-
schen und eigennützigen Kaiser Friedrich bildete der osmanische
Länderkomplex einen glücklichen Gegensatz. Niemand hatte um
seines Glaubens, seiner Nationalität willen Unbill zu befürchten;
Gewohnheiten und Gebräuche wurden nicht angetastet. Die
Türken, schreibt ein geborener Serbe , der viele Jahre im Jani-
tscharenkorps gedient hatte, sind vor allem, sowohl unterein-
ander, wie gegen ihre Untertanen, ohne Unterschied der Religion,
und gegen die Vasallenländer gerecht '). Viermal im Jahre ging
eine Art von osmanischen missi dominici aus, um die Behand-
lung der „ Raja " zu überwachen und zu verhindern, dafs „ die
armen Leute bedrückt werden " ^). An eine Kolonisation der
eroberten Länder durch das an Zahl geringe türkische Element
und eine Verdrängung der Eingeborenen war nicht zu denken;
in Morea z. B. gesellten sich zu den früheren, schon in der
ersten Zeit der Lateinerherrschaft, unter dem Fürsten Wilhelm II.
von Achaja angesiedelten Beglerbeiden ^) , keine neuen mos-
leminischen Bewohner. Überall liefs man das frühere Leben in
seinen hundert- und tausendjährigen Bahnen weitergehen.
Zwar hatte auf der Burg oder in der befestigten Stadt der
kaiserlich osmanische Befehlshaber den christlichen ersetzt; der
Sandschak, der über viele Subaschis gebot, w^ar an Stelle des
Provinzverwalters der niedergeworfenen oder zurückgedrängten
Mächte getreten, und auf dem Lande hatten sich in die von
i) „Serbischer Janitschar", Kap. VIII.
2) Ebenda Kap. XXXVIII.
3) Die auch bei Phrantzes und Chalkokondylas erwähnt werden.
198 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
den verjagten oder getöteten Gutsbesitzern verlassenen Häuser
Spahis mit ihrem türkischen Anhange eingenistet, um von Dörfern
und Flecken den Zehnten zu erheben ') und die Fronleistungen
zu fordern. Aber darin bestand auch der ganze Wechsel der
Lebensverhältnisse. Dem Bauer nahm niemand sein Land,
niemand dem Bürger seinen Laden oder seine Werkstatt, dem
Priester niemand seine Kirche, wo der christliche Gottesdienst
ruhig nach wie vor stattfand. Der Kadi richtete und schlichtete
nach dem Rechte des Korans nur die Streitigkeiten der Seinigen
und die , an denen Türken , Moslemin interessiert waren ; wer
wollte, dem stand jederzeit frei, sich an die Dorfältesten (pro-
togeroi), den Priester und weiter an den Metropoliten selbst um
ein Urteil zu wenden.
Das in den Provinzen sich ansiedelnde türkische Element
schonte und mufste alle friedlichen Einwohner schonen, die
dem Kaiser ihren Kharadsch — der viel weniger betrug als die
fiskalischen Lasten der christlichen Zeit — entrichteten, dem durch-
ziehenden Heere durch Quartiergewährung, Strafsen- und Brücken-
bau usw. Dienste leisteten ^) und den kaiserlichen Olaken, oder
Eilboten, Pferde lieferten 2). Die Krieger wurden bezahlt, gut
bezahlt, und zahlten ihrerseits mit guter Münze für Lebensmittel ;
ihre Quartiere waren von zahlreichen Kaufleuten umlagert, die
ihnen, was sie nur wünschen konnten, zu verschaffen bereit waren.
1) Vgl. Sathas VI, S. 125 (J. 1480): „quello luogo del quäl i suo timarati
haveva scosso la decima". Siehe auch S. 144.
2) Siehe den venezianischen Bericht vom Jahre 1472. „allogiarono per forza
in case delle persone, loro et li cavalli, infin ad gitare le porte"; „Mon. Hung.
Hist. " V, S. 243. Vgl. auch Jirecek, Heerstrafse, S. 116 — 117. Über die
Olaken Chalkokondylas S. 504.
3) Es gab aber auch selbstverständlich Ländereien, die den Mosleminen zu
eigen gehörten (Zehntgründe), und solche, die als „Steuergründe" der Christen
anerkannt wurden, die aber aufser der Kopfsteuer noch eine Grundsteuer und eine
Ertragsteuer — wie übrigens in der byzantinischen Zeit — entrichten sollten
(Rechtsspruch aus der Zeit Mohammeds IL, Hammer, Staatsverfassung I, S. 343 f-;
vgl. Bicran Arslanian, Eine historisch- nationalökonomische Studie über das
System des ländlichen Grundeigentumes im Osmanischen Reiche, Leipziger Dis-
sertation, ohne Jahr). Andere wurden vom kaiserlichen Schatzmeister unmittelbar
verwaltet oder an fromme Stiftungen geschenkt.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed 11. 199
Auch wurden bei jedem Kriegszuge auf Staatskosten ungeheure
Mengen Proviant für das Heer bezogen. Der serbische Jani-
tschar, der manchen Krieg mitmachte, bezeugt das Vorhandensein
von 420 Kamelen zu diesem Zwecke und von 420 anderen zum
Ersätze ^). Auf dem asiatischen Zuge des Jahres 1472 benötigte man
für Überführung der Lebensmittel nicht weniger als 80 Schiffe,
parandarie^). Für jede Ware wurde ein bestimmter Preis
angesetzt; so zahlte man zum Beispiel im selben Jahre des
Zuges gegen Usun-Hassan ^) für das Mafs Gerste 3 Aspern.
Den, der auf Kosten der „armen kaiserlichen Raja" leben wollte,
trafen die härtesten Strafen. „ Einem Bauern ein Huhn wegzu-
nehmen war mit Lebensgefahr verbunden", schreibt der, lange
Jahre inmitten derjanitscharen Beobachtungen sammelnde Serbe ^).
Denn die Türken waren sich der Schwierigkeit, christliche
Provinzen zu gewinnen, solange deren Bewohner die offenbaren
Vorteile der osmanischen Herrschaft nicht aus Erfahrung kannten,
wohl bewufst; hier und da kämpften nicht nur der Fürst, seine
Barone und gemieteten Söldlinge gegen die Eindringlinge,
sondern auch die gemeinen Leute des Landes, besonders wohl
in belagerten Städten, die eine „Strafe", wie sie hartnäckige
Feinde des Sultans erwartete , trotz aller vorherigen Verein-
barungen immer gewärtigen mufsten. Wenn aber die alte Re-
gierung einmal verschwunden war, die Janitscharen die Mauern
besetzt hielten und die Spahis ihre Ländereien im Besitz hatten,
fehlte jeder Anlafs zur Unzufriedenheit, und benachbarte christliche
Mächte vermochten nur höchst selten — wie etwa 1463 in Morea,
wo die venezianische Verwaltung ebenfalls überaus wohlwollend und
vorteilhaft war — unter den Untertanen des heidnischen Kaisers
einen Aufruhr zu erregen, der ihren kriegerischen Operationen
hätte Vorschub leisten können.
Reichere, vornehmere oder ehrgeizigere Familien, sofern
sie nicht für immer sich zu einer unbedeutenden Rolle verurteilt
i) Kap. XXXIX.
2) Venezianischer Bericht in „Mon. Hung. Hist. " V, S. 243.
3) Ebenda.
4) Kap. XLIII.
300 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
sehen wollten und ihre Besitzrechte aufrecht zu erhalten bestrebt
waren, scheuten sich nicht, in diskreter, geziemender Weise zum
Islam überzutreten ; zuerst rein äufserlich, bis mit der Zeit der
fanatische Glaube in ihnen oder ihren mosleminisch erzeugten
Kindern Wurzel fafste. So geschah es in vielen Gegenden
Albaniens, wo die religiöse Spaltung zwischen Christen, meist
lateinischen Bekenntnisses, und „ Türken " schon aus der heroischen
Zeit des grofsen Skanderbeg, der selbst Renegat gewesen war,
herrührt. Ebenso in Bosnien, wo aus den Familien der Woi-
woden und Knesen die späteren Begs, Landbesitzer und eigent-
lichen feudalen Herren des Landes, hervorgingen. Hier wie
dort sprach man und spricht man bis heute nicht den gutturalen
Dialekt Anadols, sondern die einheimische illyrische oder
slawische Sprache und führt neben Namen, die aus dem mos-
leminischen Vorstellungsschatze der Türken entnommen wurden,
Familienbezeichnungen mit patronymischer Endung. Auch die
bekehrten Bulgaren, deren Zahl gering war, weil in den lang-
jährigen wilden Kriegen des 14. Jahrhunderts viele Bojaren getötet
wurden, blieben bei ihrer einheimischen Sprache. Manche hoch-
angesehene Träger der mit Gold überladenen Hüte waren Griechen;
auch diese gaben ihre schöne Sprache nicht auf. Bei Griechen,
Bulgaren und Serben bildeten die Renegaten eine individuelle
Minderheit, während in Bosnien, der Herzegowina und Albanien
ganze Gegenden freiwillig zur mosleminischen Religion übergetreten
waren, um sich ungestört in den ererbten Verhältnissen zu er-
halten. Mahmud-Pascha, der bedeutendste unter den Mitarbeitern
Mohammeds II. , der zweimal die Würde eines Wesirs be-
kleidete ^) , war Grieche und seine Herkunft allgemein bekannt.
Sein Vater hiefs Michael, seine Mutter war aus Serbien gebürtig;
hier hatte er seine ersten Jahre verlebt, und Akindschis erbeuteten
ihn, als er, noch ein Kind, von Novobrdo nach Semendria unter-
wegs war. Die Frau des moreotischen Archonten Manuel Bubali
war seine Base ^). Der angesehene Mann, der als der „ tapferste
0 1453— 1467, dann 1472— 1473.
2) Jiat^aä^kifrj. Vergleiche Ch alk okondy las S. 436ff.; Phrantzes
S. 406.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 201
und verständigste am Hofe " ^) gerühmt wurde und dessen Rat in den
wichtigsten Staatsgeschäften der Sultan sogar nach seiner Ab-
setzung noch einholte , dieser begabte Heerführer, der seinem
Kaiser stets voranging und den schwersten Teil einer Unter-
nehmung auf sich nahm — so dafs zum grofsen Teile ihm
alles Verdienst der in 15 Jahren errungenen Erfolge gebührte — -,
dieser allgemein beliebte Kriegshauptmann , der eine eigene
Truppe besoldete und ernährte ^), sprach vermutlich, obwohl er
sich mit den Osmanen und den Interessen ihres Reiches vollauf
identifiziert hatte, nur schlecht Türkisch. Nur wenige Mitglieder
der herrschenden griechischen Oberschicht, die Christen geblieben
waren, träumten, wie der Athener Laonikos Chalkokondylas, von
einem ,, griechischen Basileus und seinen Nachfolgern", die
vielleicht doch noch erscheinen würden ^).
Der auf seiner Insel sehr einflufsreiche Kritobulos von Imbros
dagegen erzählte nicht nur objektiv, wie Chalkokondylas, von
den Heldentaten der Osmanen oder suchte, wie Dukas, mit Hilfe
der Sage eine Verbindung zwischen der erloschenen griechischen
und der ihr gefolgten osmanischen Dynastie herzustellen, sondern
besang schwungvoll, und doch historisch treu, die herrliche
Laufbahn des ,,gröfsten Autokrators, des Kaisers der Kaiser,
Mohammeds des Glücklichen, Siegreichen, Triumphierenden, Un-
bezwinglichen, des Herrn von Gottes Gnaden über Land und
Meer"^), des Spröfslings der Achämeniden Persiens und damit
des Danaos, des Urahns der Griechen.
So erhob sich aus der Mitte dieser Griechen, die für feig
und undiszipliniert galten, solange sie einer in innerem Verfall
begriffenen Gesellschaft angehörten, auch der tollkühne Begler-
beg Has-Murad, der in der ersten grofsen Schlacht gegen die
i) „Per essere el piü valente homo et prattico che habia in la sua Corte''';
„Mon. Hung. Hist." V, S. 240, z. J. 1472.
2) Die schon angegebenen Quellen.
3) S. $: ,''EXXriv ßuatktvg ...; i^ kvtoD ^ao/xfvoi ßncfilfTg . . . ; 01 twv'EIXtJvwv
naldtg ^vXkiyöfiivoi y.ma aifüiv airwv (,'hifia big fjifiaTa fxtv a(ftalv aiiToTg,
Toig Sk äXkois WS XQccTiaTa Tiokirfvoivro."
4) „AvzoxQttJOQi fj.(y(aTq), ßaaiXil ßaaileoiv Älf;((fzSTfi, tvxvyjT, vi,xr,T7,
TQOTKUOt'XOi, d^OlK^ßtVxFl, dtlTT^Tqj, Xl'Qlb) y^S XtU ^«^«ffff/Jf QfOV &iXrjfJ.aXl.''
303 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
„Perser" am Euphrat an der Spitze seiner Spahis den Tod
fand ; er war ein Paläologe , ein Verwandter der alten Kaiser
und Despoten, deren trauriges Schicksal ihm aber wenig- am
Herzen lag ^). Ein Grieche war der Sandschak Mehmed von
Ang-ora, dessen Vater Mandrominos hiefs ^). Der erste Nachfolg^er
Mahmuds als Wesir ^) führte den Namen Rum -Mahmud, was
auf ,, rumische", d. h. vor allem ,, römisch-g-riechische " Her-
kunft zu deuten scheint. Der Befehlshaber der 1480 g'eg'en
Rhodos g^eschickten Flotte, der jung^e Messih-Pascha, war eben-
falls Grieche *). Auch die besten, geschicktesten Unterhändler
waren Rhomäer, wie Demetrios Sophianos, der erst nach dem
Falle Neg"ropontes in den Dienst des Sultans trat ^). Einer der
Rechtsg'elehrten unter der Regierung- Mohammeds, MoUa Chosrew,
dem ,, die Grundfesten der osmanischen Rechtsgelehrsamkeit
geschuldet werden "**), war griechischen Blutes; er war auch der
erste Renegat, der bis zur Würde eines Kadi von Konstantinopel
und eines Mufti '') aufstieg. Einer der griechischen Chronisten
der Zeit, Chalkokondylas, gibt sogar die den türkischen ent-
sprechenden christlichen Namen, als hätte er die Herkunft mancher
bedeutender Persönlichkeiten seiner Zeit festlegen wollen; so
ist Khidr: Georg, Eleezis: Demetrios usw. ^).
Die meisten Renegaten aber, die sich in hohen Stellungen
befanden, entstammten der zähen und tapferen albanischen
Rasse. So Saganos, dessen Schwester Mohammeds (freilich bald
wieder beseitigte) Gemahlin wurde ^). Der Beglerbeg Daud von
Rum, der an der Belagerung Skutaris teilnahm, war Albanier^°).
Ebenso der moreotische Statthalter Hamza, der dem bedeutenden
1) Chalkokondylas S. 436.
2) Ebenda.
3) 1467 — 1470. Die Zeitangaben sind Hammer, welcher osmanische
Tabellen benutzt, entnommen.
4) Sathas VI, S. 135: ^»Un Bassa zovene Greco, nominato Messeh-Bassa."
5) Caorsin ; vgl. Thuasne, Djem-Sultan.
6) Hammer I, S. 599.
7) Ebenda.
8) A. a. O.
9) Siehe oben Kap. I.
10) Barletius, Scutari, in Sansovino S. 306 ff.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 308
fürstlichen Stamme der Zenebisi angehörte '). Aus der Familie
Skanderbegs waren sein Oheim, Musa, und ein Neffe, der, nach-
dem ihm für einige Monate die oberste Leitung Albaniens an-
vertraut worden war, seinen Kopf verlor, zum Islam übergetreten.
Auch ein Sohn des Arianites vermehrte die Zahl der Renegaten^);
er wurde 1485 Sandschak von Chimära, und als solcher nach
einigen Monaten von seinen Albaniern getötet^). Später, 1501,
wird weiter ein ,, Sandschak Konstantin" ebendort erwähnt*).
Der unternehmende Gedik-Achmed, der mit gleichem Geschick
eine Flotte anzuführen wie an der Spitze des Landheeres zu
kämpfen verstand und als Wesir dem Reiche Kafifa erwarb und
die Unterwerfung der Moldau versuchte (1473 — TJ^-, war in den
albanischen Bergen geboren worden und wurde , wie der gleich-
zeitige Beg Jakub, „ Arnaut " genannt ^).
Als Statthalter von Myra hingegen fanden die vereinigten
Christen 1473 den ,,.Triballen" d. h. Serben Karadscha vor ^),
Bosniake war Soliman der Eunuche, der zur Würde eines Begler-
begs im Westen aufstieg; zuerst einfacher Torwächter im Harem,
wurde ihm, den unbekannte Einflüsse unterstützten, die Leitung
des ersten Zuges nach der Moldau und der ersten Belagerung
Skutaris übertragen, bis er, bewiesener Unfähigkeit wegen, in
Ungnade fiel. Ein Sohn des Herzogs Stipan tritt uns als Achmed-
Beg entgegen ; er führte, zur Erinnerung an seine erlauchte Her-
kunft, den Beinamen Herzegowitsch und beteiligte sich an der
Belagerung Alessios '').
Bulgare von edlem Geschlechte war Baltiogli, der Admiral,
der während der Belagerung Konstantinopels die osmanischen
Schifte befehligte. Ein Sizilianer Mustapha verteidigte Sikino
1473 gegen die Soldaten des Kreuzzugs ^). Ein ItaHener, als
i) Hopf, Griechenland 11, S. 129.
2) Magno in Sathas VI, S. 236.
3) Ebenda.
4) „Capi Cons.", Albania.
5) Siehe über den letzteren Barletius, Skanderbeg, z. J. 1465.
6) Chron. F. 33, fol. 143.
7) Seadeddin II, S. 310.
8) Chron. F. 33, fol. 141.
304 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
Knabe von Türken gefangen genommen und bei ihnen er-
zogen, war 1480 als protogero und Dolmetsch des Sandschaks
von Morea tätig '). Namen und Herkunft so mancher anderen
sind verloren gegangen. Von den Osmanen wurden sie oft ver-
achtet und für „schlechte Christen und schlechtere Moslemin"
gehalten '■'), wie diese die Juden nur als Unterhändler benutzten ^).
Manche von ihnen übten sogar die Vorsorge, ihre Kinder christ-
lich taufen zu lassen, sei es nur ,,der Gesundheit wegen"*).
Aus altem türkischem Blute waren in der Tat nur wenige von
den Würdenträgern und Hauptleuten des ersten mosleminischen
Kaisers. Ein gleichzeitiger Schriftsteller erwähnt nicht mehr als
drei edle osmanische Häuser, die Nachkommen ,, Alut-Paschas",
Ewrenos' und Michalbegs. Von den ersteren ist nichts weiter
bekannt. Einer der ,, Söhne des Ewrenos " war jener Achmed,
der an der Belagerung von Skutari teilnahm ^). Und was die
Michaloglis betrifft, so brachte es keiner von ihnen zum Begier-
begat oder Wesirat, dagegen hatten sie an der Donau ausgedehnte
Ländereien, erbliche Schlösser, eine anerkannte politische und
militärische Stellung; in Serbien, Bulgarien und sogar in der
Walachei geschah nichts ohne ihre Mitwirkung oder Anteilnahme.
Die Mark an der Donau gehörte gewissermafsen der Famiüe
Michalogli. Sie hatten alle Festungen daselbst, sowohl Schabatz,
Semendria, Golubatsch, Vidin, Rachowo, Nikopolis, Rustschuk,
Tutrakan, als auch Klein-Nikopolis und Giurgiu, auf dem linken
Ufer, in ihren Händen. Sie konnten nach Belieben mit bul-
garischen, serbischen und bosnischen Akindschis in Siebenbürgen
und Ungarn, in die Grenzländer des Reiches, und ins vene-
zianische Italien eindringen und dort plündern. Bei den gröfseren
Unternehmungen des Sultans fehlten natürlich auch sie mit ihren
Kontingenten nicht, nahmen aber jedenfalls eine besondere
i) Sathas VI, S. 126.
2) Ebenda S. 189.
3) Magno in Sathas, VI, S. 222.
4) „Perche li putini baptizati passeno la infantia piu sani et piü neti";
Laskaris.
5) Barletius, Scutari, fol. 318 v».
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 305
Stellung ein , die mehr der von Vasallen als von Untertanen,
von g-ewöhnlichen „Sklaven" des Herrn ähnelte.
Diejenigen Renegaten, die nicht als Zöglinge der Jani-
tscharen aufwuchsen, wurden in das türkische Gesellschaftsleben,
die Kriegsgewohnheiten der Osmanen, die Staatswissenschaften
des sultanischen Reiches und die politischen Geheimnisse des
Kaisers durch das militärische Leben im Lager und den fried-
lichen Aufenthalt in Konstantinopel eingeführt. Wie zur Zeit des
bunt internationalen und dennoch einheitlich sich entwickelnden
byzantinischen Gemeinschaftswesens war die grofse kaiserliche
Hauptstadt auch jetzt wieder gleichsam ein riesiger Ofen, aus
dem , nach Verschmelzung verschiedener Elemente , die Bronze
einer politisch und militärisch einigen Nation, die nichts mit Rasse
und Erinnerungen der einzelnen Angehörigen zu tun hatte,
sondern nur in der religiösen und dynastischen Hingabe an einen
Gott und einen Kaiser ihren Zusammenhalt fand, hervorging.
Mohammed war, obgleich ihm die Chroniken der Rhomäer ver-
mutlich unbekannt blieben, von Anfang an sich dieser Bedeutung
der Hauptstadt bewufst und arbeitete mit allen Kräften daran,
dem neuen Istambul seine ausgleichende und verschmelzende
Aufgabe zu ermöglichen.
Noch eine Reihe von Jahren nach der Eroberung Konstanti-
nopels blieb Adrianopel die eigentliche Hauptstadt. Hier ver-
brachte der Kaiser seine Winter; von hier aus erfolgten die ser-
bischen Kriegszüge durch das Nord- oder Westtor. Die glän-
zende Festlichkeit der Beschneidung der Kaisersöhne Bajesid
und Mustafa wurde noch in dieser alten Residenz Rums be-
gangen ^). Als eine Feuersbrunst Ende 1457 Indirneh verheerte, be-
fahl Mohammed den Wiederaufbau der Stadt ^) und erschien selbst,
um die Arbeiten zu überwachen. Er liefs auch einen seiner
neuen Stellung würdigen kaiserlichen Palast anlegen und sorgte
für eine Brücke über die Maritza. So blieb Adrianopel auch später
immer die zweite Hauptstadt des Reiches. Die Gemahlin Mo-
i) Chalkokondylas S. 434ff.; vgl. Seadeddin II, S. lygff.
2) „Dipl. Rag." S. 604.
206 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
hammeds, die Tochter des Fürsten von Sulkadr, und die Sultans-
tochter Aische liefsen prachtvolle Moscheen aufführen ^).
Sogleich aber wurden auch Mafsnahmen g-etroffen, um dem durch
die vielen Belagerungen, den langsam fortschreitenden wirtschaft-
lichen Niedergang, die Entbehrungen und Greuel der osmanischen
Eroberung sehr entvölkerten Konstantinopel neue Einwohner zu-
zuführen. Ehemalige Konstantinopolitaner wurden wieder in die
Stadt gezogen , indem ihnen die neue Regierung besonderen
Schutz zusicherte. Dann liefs Mohammed aus jeder ein-
genommenen Stadt ein Kontingent, gewöhnlich ein Drittel der
daraus fortgeführten Bürger, für seine neue Hauptstadt einschreiben
und nach Istambul bringen. Jedem Transporte wies man Häuser
in demselben Quartiere (mahala), Höfe, Gärten, Äcker und
Weingärten an. Dabei machte man keinen Unterschied zwischen
Moslemin, Griechen und Lateinern. Nur Vagabunden und Bauern
durften die Ansiedler nicht sein; man wünschte Kaufleute und
Handwerker. So kamen denn die Bewohner Alt- und Neu-
Phokäas, der Inseln Thasos und Samothrake, viele Moreoten,
Lesbier, die alle an einer Stelle zusammenwohnten, Franken von
Amastris, zahlreiche Armenier von den Ufern des Schwarzen
Meeres und Griechen von Argos, denen das Quartier Peribleptos
angewiesen wurde, nach Konstantinopel. 1472 lieferte Lesbos
noch einmal 600 Einwohner, nebst 200 Kindern für das Jani-
tscharenkorps ^). Nach den Verheerungen der Pest von 1466
wurden auch Dalmatiner, die die Akindschis Bosniens erbeutet
hatten, nach Konstantinopel versetzt ^). Kaffa gab nach seiner Ein-
nahme, im Jahre 1475, 500 lateinische Familien an die kaiserliche
Residenzstadt ab ^). Trapezunt, die mosleminische Stadt Sinope
und schliefslich das mit vielen türkischen Altertümern prangende
Konieh steuerten ganze Scharen nützlicher Bürger bei ^). Auch
Otranto lieferte Ansiedler ^). Länsrere Zeit hatte diese bunte
i) Hammer I, S. 578.
2) San-Marco-Archiv, Archiv des Herzogs von Kreta.
3) „Mon. Hung. Hist." V, S. 90.
4) Ebenda S. 345.
5) Vgl. besonders Kritobulos, z. B. S. 212 der Ausg. Dethier-Hopf.
6) Nürnberger Archiv S. ii, R. i, Nr. 17, fol. 143; vgl. die 1498 in Paris
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed U. 207
Menge kaum einen g-emeinschaftlichen Charakter, sondern wurde
ledig-lich durch die Ehrfurcht, das fast fromme Grauen vor dem
neue menschhche Verhältnisse gründenden Sultan zusammen-
gehalten. Als dieser im Sommer 1475 todkrank daniederzuliegen
schien, brach in der gewöhnlich so unterwürfigen Stadt ein Auf-
ruhr aus. Die Plebs aller Bekenntnisse, sicherlich aber vor allem
Moslemin, ging gegen das Serail vor, um sich der dort angesam-
melten Reichtümer zu bemächtigen^). 148 1, nach dem Hin-
scheiden Mohammeds, vereinigte sich der Strafsenpöbel mit den
Janitscharen zu demselben Vernichtungswerke.
Schon 1453 waren die Bauten für einen Palast und eine
Moschee begonnen worden. Das für die Wohnung des Herrschers
bestimmte Eski-Serai wurde während mehr als zehn Jahren, bis
1465 , mit vielen Verzierungen aus bestem Marmor und aus
edlem Metalle aufgeführt; grofse Gärten umgaben das eigentliche
Serai, mit seinen vielen Gemächern und zahlreichen, nach den
asiatischen Vorschriften der arabischen Architektur eingereihten
Audienzsälen. Hohe mit Türmen versehene Mauern schützten
den Kaiser, seine Pforte, seinen militärischen Hof von Agas und
Janitscharen, die ihre Kasernen ebenfalls in diesem geheiligten
Bezirke hatten^). Es war kein in sich abgeschlossener, har-
monischer Bau, sondern einer von denen, die immer zu weiteren
Neubauten und Anflickungen herausfordern, bis das „ Alte Serai "
sich wie der vatikanische „ Palast " der Päpste zu einem labyrin-
thischen Häuserkomplexe auswuchs. Dem Palast gegenüber
wurde ein gedeckter Basar errichtet und mit schönem asiatischem
Porzellan verziert ^).
Die Moschee Mohammeds ,, des Siegers", des ,,Fatihs",
die an Stelle der Kirche der heiligen Apostel trat, erhebt sich
auf einem Hügel und ist in ganz Stambul sichtbar. Plohe Marmor-
von Bischof Lionel von Trau vor Karl VIII. gelialtene Rede, cod. lat. monac. 461,
fol. 166.
i) ,,I1 populo se levoe ad rumore et andoe al palazo dove l'era, per sache-
zarle"; „Mon. Hung. Hist." V, S. 266 — 267.
2) Vgl. Kritobulos mit Seadeddin II, S. 305.
3) Kritobulos.
208 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
und Granitsäulen, ung-ewöhnliche Verhältnisse nach dem Muster
der Aja-Sofia, eine mächtige bleierne Kuppel, wie sie die Moschee
von Kairo hat, blühende, ausgedehnte Gärten in zwei Höfen, die
nicht weniger als acht Schulen (Medressen) , nebst Kranken-
häusern, Wohnungen und Speisesälen für Professoren (Mudiris),
Studenten (Thalebs), Pilger (Hadschis) und armen Moslems
einschliefsen , zeichnen die ,,Mohammedieh" vor allen anderen
Moscheen Konstantinopels aus '). Eine zweite Moschee wurde
auf der ,, neuentdeckten" Begräbnifsstätte des heiligen Ejub er-
richtet, eines Scheichs, der die Türken zum Sturme ermahnt und
begeistert hatte ; im Grün der Bäume wie verborgen, steht sie
in geheimnisvoller Einsamkeit in einem abgelegenen Winkel der
Hauptstadt, wo früher die Gläubiger einer anderen Religion zum
Kirchlein des heiligen Mamas wallfahrteten, und bis heute pflegen
die neuen Sultane zu diesem besonders verehrten Orte, der
Andersgläubigen nicht gezeigt wird, zu pilgern, um sich mit dem
Schwert zu gürten.
Weiter stattete der Kaiser seine Hauptstadt mit dem Bezestan,
neuen Bädern, Khanen für Reisende mosleminischen Glaubens
und einem Platz für volkstümliche Schaustellungen^) aus, wo die
leicht befriedigten Bürger wunderbare Leistungen von Reitern,
die aufrecht auf flüchtigen Pferden stehend dahinjagten, von
,, Künstlern", die auf Seilen und auf nackten Säbeln einher-
schritten, und von ,, begrabenen" Kindern, die in unterirdischen
Verstecken Fragen vernahmen und sinnige Antwort gaben, usw.
ansehen konnten^). Die Aja- Sofia, die ehemalige byzantinische
Hauptkirche, liefs Mohammed ausbessern, ohne sich an ihrer
wunderbaren Architektur zu vergreifen ; nur die schönen Mosaiken
und alle Malerei wurden roh und rücksichtslos mit Kalk über-
tüncht. Ebenso verfuhren die neuen Herren auch bei anderen
Kirchen, die den Christen entrissen waren. Nur Minarete wurden
i) Vgl. Seadeddin II, S. 325«., und Hammer I, S. 576».; Barth,
Konstantinopel in der Sammlung „Berühmte Kunststätten", Leipzig-Berlin 1901,
S. 146 ff.
2) Bei Chalkokondylas heifst er „Toktali".
3) Chalkokondylas S. 434 ff.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 209
neben ihnen aufgeführt und die Heiligenbilder überdeckt — un-
berührt blieben sie bei der Mone tes Choras, die nunmehr zur
Moschee Kahrieh wurde ^), sonst änderte sich nichts an diesen
ehrwürdigen Gotteshäusern ^).
Die byzantinischen Mauern wurden teilweise wieder aufgebaut,
und der Turm an der Goldenen Pforte erhob sich schöner als
früher ^). Als 1472 der Sultan seinen ersten Zug gegen Usun-
Hassan unternahm, war der ganze Befestigungsgürtel im besten
Zustande ; wie bereits erwähnt, vermauerte man damals den ganzen
Mauergürtel bis auf drei alte Pforten, um jeder Gefahr vorzubeugen*).
Die Brücken über die Lagune bei Athyra und Rhegion wurden
wiederhergestellt ^), die zwei Schlösser, Rumili- und Anadoli-Hissar,
am Bosporus erneuert und mit starker Artillerie versehen; 1464
war die Arbeit an ihnen beendet ''). Ein Jahr darauf war auch
das Eski-Serail bewohnbar, wenn auch die Arbeit an den äufseren
Befestigungen erst nach 1476 begann '). 147 1 galt Stambul
bereits als die eigentliche Hauptstadt, und, dem Befehle ihres
Herrn gehorchend, hatten sich auch die Magnaten des Reichs,
Mahmud-Pascha voran, schöne steinerne Häuser daselbst erbauen
lassen ^). Der gichtgeplagte Mohammed brachte nun viele
Monate in dieser ganz veränderten Stadt zu ^). Als 1472 die Pest
wütete, begab er sich nur bis zu seinem bei den ,,Süfsen Wassern"
am Bosporus errichteten Kiosk und wartete hier ruhig das Er-
löschen der Seuche ab ^^).
In diesen neuen Verhältnissen war die einfache osmanische
Lebensart einer früheren Zeit nicht mehr möglich. Denn jetzt
1) H. Barth, Konstantinopel, S. 71 ff. Sie sind neuerdings von der russi-
schen Schule in Konstantinopel veröffentlicht worden.
2) Vgl. Kritobulos, passim.
3) Vgl. Dukas S. 339—340.
4) „Mon. Hung. Hist." V, S. 247.
5) Vgl. Kritobulos; Jirecek, Heerstrafse, S. 102.
6) Kritobulos; Chalkokondylas S. 530.
7) Vgl. Kritobulos mit Seadeddin II, S. 305.
8) Kritobulos.
9) Vgl. „Mon. Hung. Hist.^' V, S. 217.
10) Ebenda S. 240.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. U. 14
310 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
war Mohammed der Basileus der Griechen , der Zar der Slawen,
der Impärat der ihm unterworfenen Rumänen geworden; bei
den Moslemin hiefs er Melik, „König-", und seine Vorfahren
wurden bald wie die Nachfolger des Dschingiz und Timur: Khane
betitelt. Stambul war nun eine kaiserliche Residenz, ein Zentral-
punkt des Handels aller Länder des Ostens und Westens, eine
riesige Weltstadt, wie früher Konstantinopel. Das Serai des
neuen Autokrators und Herrn des Weltalls glich einem kaiser-
lichen Palast; ein Bau wie die Aja-Sophia konnte seiner kaiser-
lichen Traditionen nicht entkleidet werden, und eine Moschee
wie die Mohammedieh war eines Kalifen würdig. Viele Jahr-
hunderte schienen seit dem Tode des Hirtenhäuptlings und Dorf-
königs Osman verflossen zu sein.
So erschien denn Mohammed in den Strafsen der Haupt-
stadt nur umgeben von einer starken Leibwache ^). Tschausche
entfernten mit ihren Stöcken die neugierige , vielleicht gefährliche
oder beleidigende Menge. Nicht mehr durfte der Derwisch,
der Mewleni, der in unförmlicher Kleidung aus Filz oder Hirsch-
leder, mit geschorenem Kopf und einer eisernen Kette um den
Leib bettelte, Almosen verteilte und orgiastische Tänze aufführte,
seine Ermahnungen oder Verwünschungen an die Majestät des
Kaisers richten ^). In den Palast fanden nur noch die darin Be-
schäftigten Einlafs; die Pforte wurde durch zahlreiche Kapudschis
unter dem Kapudschibaschi bewacht; die Gärten waren der Auf-
sicht der Gärtner, Bostandschis, und des Obergärtners, Bostand-
schi-Baschi, unterstellt. Wie früher in der Umgebung des
griechischen Kaisers, war nun auch hier für jeden Dienst um die
geheiligte Person des Monarchen ein eigener Hofbeamter vor-
handen und zuständig, der meist aus den Reihen der Eunuchen
genommen wurde. Dem einen lag die Sorge für die Schlüssel
ob, ein anderer verwahrte das Sorbett für die geheiligten Lippen,
ein dritter brachte die kaiserlichen Handtücher oder die Wasch-
kanne, und selbst die Teppiche bildeten eine Hofamtspezialität.
i) Vgl. „Mon. Hung. Hist." IV, S. 370.
2) Die Beschreibung des Derwisches in den Denkwürdigkeiten des „Serbi-
schen Janitscharen", Kap. XXII.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 211
Im Keller waltete dieser, im eig^entlichen Serail jener Beamte,
ein dritter in den Fraueng-emächern (der Kizlar-Aga) ; die Patten
waren nach Kammern eing-eteilt und standen unter einer beson-
deren Kategorie von Aufsehern. Das Schwert, der Steig-bügel
des Sultans machten zwei weitere Hofchargen nötig-. Und sie
alle, diese Verschnittenen, diese Sklaven ihres Herrn g-ehörten
doch in die Rang-klassen der Ag-as, der ,,äufseren", ,, inneren"
und der ,,des Steigbi.ig-els " ; ihr Einflufs war so mächtig-, dafs
Sandschake und Wesire oft sich ihres Wohlwollens durch Ge-
schenke versichern mufsten ^). Mehreren Ärzten endlich war die
Gesundheit des Kaisers anvertraut; mit Namen wird der Jude
Jakob oder ,,mastro Janjacobo da Gaieta" g-enannt, der sich von
Venedig- „libri in medicina" holte '^) und auch an diplomatischen
Verhandlungen teilhatte ^). Aber Musiker und Tänzer wurden
an dem streng-en Hofe nicht g-eduldet, in dessen Harem eine
einzige Frau, die Prinzessin von Sulkadr, mit der Tochter des
Sultans, Aische, und einigen Sklavinnen lebte.
Mohammed II. nahm seine Mahlzeiten allein; ein kaiser-
licher Erlafs, ein Kanun verbot auch für die Zukunft die Zu-
ziehung der Wesire zur Tafel des Herrn. Fremden Gesandten
gewährte er nicht gern Audienz, wie sein Vater Murad es geliebt
hatte *). Er schrieb drohende Briefe an Gegner und schmeichelnde
an Freunde: so nannte er den Dogen von Venedig, als er ihn
1457 zu den Feierlichkeiten der Beschneidung einlud, seinen
„ sehr geliebten und geehrten Vater " und überhäufte ihn mit
Attributen ^). Die Verfertigung solcher Missiven lag in der Hand
geschickter Gelehrter, die über alle Künste der Rhetorik ver-
1) Vgl. Hammer a. a. O., auch noch sein Buch über die osmanisclie
Staatsverfassung.
2) „Mon. Hung. Hist." VII, S. 291—292.
3) Ebenda IV, S. 361; V, S. 36; Ljubic X, S. 378, 380 ; Brief des Se-
kretärs Malatestas in Sansovino, fol. 255.
4) „Ad oratori ynimici non da audientia sinon per internuntio" ; „Mon.
Hung. Hist." V, S. 220 — 221.
5I ,,Excellentissimo , gloriosissimo , nobilissimo , prudentissimo , fortissimo,
illustrissimo, de ogni honor et laude digno nostro dilectissimo et hon^rado padre
doxe de la lUma Signoria de Venexia, la degna, condecente et honorabile saluta-
cion"; Sathas, Monumenta I, S. 236, Nr. 157.
14*
313 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
fügten ; das neue Reich hatte wie das alte seine berühmten Brief-
schreiber, und mancher Nischandschi (Sekretär) kam der blü-
henden Ausdrucksweise eines Psellos nahe.
Der Sultan beschäftigte sich mit Literatur und Wissenschaft.
Er las die historischen Werke der griechischen Vergangenheit
in türkischer Übersetzung und verfügte eine Übertragung des
Ptolemäos und die Anfertigung einer Erdkarte ^). Der griechische
Panegyriker seiner Regierung bis gegen 1470, Kritobulos, nennt
ihn nicht nur einen „Griechenfreund", sondern auch ,, einen der
tiefgründigsten Philosophen" '■').
Die Literaturgeschichte des mosleminischen Orientes weist für
seine Regierungszeit eine ganze Reihe von Nachahmern der
originellen arabischen oder persischen Dichtkunst auf, an ihrer
Spitze Achmed, den Sohn Welieddins, und Gezeri Kasim, die
beide Sandschaks des Eroberers waren ^). Der Tefterdar oder
Rechnungsführer Schahidi, in der Umgebung des sehr begabten
Sultanssohns Dschem, übersetzte das Epos von ,,Leila und Me-
dschnun " ins Türkische. Dschem selbst, der eifrig Geographie,
wie schon sein Vater, und dazu Astronomie getrieben hatte,
machte sich durch Übertragung von ,,Khorschid und Dschem-
schid, Sonne und Mond" literarisch bekannt *). Mancher Rechts-
gelehrte erteilte unter Mohammed seine ehrfurchtsvoll entgegen-
genommenen Ratschläge und Sprüche, und der Herrscher selbst
gab Kanuns , wie sie auch von seinen Vorfahren nicht selten
ausgegangen waren; er verbot jede Familiarität, beinahe jeden
Umgang mit seiner erhabenen Person, machte die Ermordung
aller Prinzen aus osmanischem Hause, die dem regierenden Sultan
gefährlich werden konnten, zur Pflicht, und setzte eine neue
Wehrgeldabstufung fest ^).
Der Luxus in Kleidung und im Aufputz der Pferde, die
Ausbreitung des Gebrauchs edler Metalle, wenn auch nicht edler
1) Kritobulos.
2) ,','EaTi Tßv äxQwg (fikoaocfwv 6 ßaailevs" ; IV, § 55.
3) Hammer a. a. O.
4) Thuasne S. 11.
5) 3000 Aspern für Mord, 1500 für Blendung, 50 für eine Kopfwunde;
Hammer a. a. O.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 313
Gesteine, stammt erst aus dieser Zeit. In einem Treffen mit
einer Schar türkischer Freibeuter fielen den Ungarn viele „ mit
Gold gewebte Koptbedeckungen " in die Hände *). Die nach
Italien geschickten Gefangenen König Matthias' trugen „ goldenen
Besatz" an ihren Kleidern 2). Bei Schätzung „goldener Hüte"
konnte bewundernd festgestellt werden: „das Golt das wigt Vllj'^
Gulden umb den Hut gepünden " ^). Vor Rhodos erschienen
Fahnen, die ,,mit Goldt und Silber geziert" waren*).
In die Hierarchie der Staatsbeamten hielt Ordnung und jene
komplizierte Stufenfolge und zugleich allegorische Proportionen,
wie sie den Orientalen besonders gefallen, ihren Einzug. Die
Anzahl der Wesire wurde auf vier festgesetzt ^) ; drei derselben
aber waren nur Sandschaks, die der höhere Titel Pascha aus-
zeichnete, während nur der später ,, Grofswesir" genannte das
Siegel des Sultans führte, nach Bedürfnifs in die Chasna des
Reiches zu treten berechtigt war, für die Polizei der Hauptstadt
sorgte und in Abwesenheit des Kaisers dem Diwan präsidierte ^).
Trotz seiner grofsen Macht war auch er nur ein Sklave wie die
anderen Beamten und mufste der willkürlichsten Behandlung
gewärtig sein. Dem grofsen Mahmud — nach den türkischen
Annalen aber dem Gedik — entrifs der Sultanssohn Mustafa
die Frau, eine Tochter Isak- Paschas''). Als Mazul*) lebte er
einige Jahre von der Leitung der Reichsgeschäfte entfernt, wurde
dann, beim Ausbruche des grofsen asiatischen Krieges, wieder
in das höchste Amt zurückberufen ^) und endlich, auf unbewiesene
Beschuldigungen seiner Feinde hin, nicht nur zum zweiten Male
abgesetzt, sondern getötet. Ebenso hatte sein Vorgänger Khalil,
i) „ Pilea solido auro contexta"; Bonfinius S. 423.
2) „Habito turchesco con certi frisi d'oro et altre foze barbare in capo";
„Mon. Hung. Hist." V, S. 67.
3) Cod. lat. monac. 14.668, fol. 591. 4) Ebenda.
5) 1466 befiehlt die venezianische Signoria iliren Gesandten, „zaschaduno di
Bassa" — folglich gab es deren mehrere — zu besuchen; Ljubic X, S. 382.
6) Hammer a. a. O.
7) „Mon. Hung. Hist." IV, S. 384; Leunclavius, Sp. 622.
8) Seadeddin 11, S. 242 — 243.
9) „Mon. Hung. Hist." V, S. 241.
214 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
trotzdem sein Haus sich der glorreichsten Verg-angenheit rühmte —
war doch auch sein Vater Ibrahim leitender Wesir gewesen — ,
sein Leben beschlossen ^). Mahmuds Nachfolger in der Führung
des Reichssiegels, der Albanier Gedik- Achmed, verlor seine
Stellung, weil er einen Angriff gegen sein Albanien abriet, und
brachte eine Zeitlang als Staatsgefangener im Schlosse von
Boaz-Kcssen zu, das 145 1 gegen das griechische Konstantinopel
erbaut worden war ^). Später erlangte er Verzeihung und erhielt
die Statthalterschaft von Saloniki ^).
Die Anzahl der Sandschaks Europas war unter Mohammed II.
auf 36 gestiegen, Asien freilich zählte deren immer noch 40.
Aufserdem weilten in Konstantinopel, Adrianopel und Philippo-
pel , wie auch in Saloniki und Usküb , besondere kaiserliche
Offiziere, die mit dem Sandschak der betreffenden Provinz nichts
zu schaffen hatten^). Jeder führte ein tefter, griechisch xara-
GXEiyjoq, italienisch ,,catastico " , in das, bei der dvayQaq^rj, Be-
wohner und Güter pünktlich und vollständig eingetragen wur-
den ^). Die Bedeutenderen erhielten aus der kaiserlichen Khasna,
der Schatzkammer, 12000 Dukaten jährlich ; die, welche über die
kleinsten Provinzen geboten, 2000. Von dem durch sie mit
Hilfe verantwortlicher Kharadschare '') erhobenen Tribute behielten
sie den zehnten Teil für sich ''). Sie nahmen auch die für Lasttiere
jeder Gattung und Ochsen schuldigen Abgaben ^) in Empfang ^).
Manche von ihnen hatten in ihrer Provinz bedeutende militärische
Spahilehen inne**') und unterhielten einen kleinen Hof von Beamten,
unter denen die Kapudschis erwähnt werden ^'). Die Sandschaks
1) Siehe oben, Kap. I.
2) Seadeddin II, S. 305 ff. 3) Ebenda S. 31 1.
4) Chakokondylas S. 437 ff.
5) Sathas VI, S. 127, 193; vgl. auch S. 142: „defteri, idest catastico".
6) Ebenda S. 213, 237.
7) Clialkokondylas bezeichnet diese Art Einkünfte mit dem slawischen
Worte für den von den Herden erhobenen Naturalzehnten : gostina, ßoOTtvav ; S. 439.
8) Beim selben Byzantiner: Sua^oi.
9) Ebenda.
10) Siehe Sathas VI, S. 123; J. 1480: „II flamburar quäl ha havuto questi
luogi in timari dal Signor".
11) „Capi Cons.'' X, Dalmazia, 1501.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed 11. 315
wurden den Reihen der Agas entnommen, nachdem sie durch die
unteren Würden hindurchg^eg^ang-en waren. So war der Sandschak
von Morea 1479 — 80 ein Eunuche ^). Ein Verwandter des Sultans
sollte niemals Wesir oder Beglerbeg werden , das Amt eines
Sandschaks aber stand ihm offen; freilich trat Mahmud, der
Schwiegersohn des Kaisers, nach der Einnahme von Alessio an
die Stelle Solimans als Beglerbeg von Asien ^). Den Sandschaks
waren die Beglerbegs übergeordnet, denen ein protogero oder
Woiwode zur Seite stand ^). Für aufserordentliche Missionen
wurde ein Emin, „ Überseher " — die Venezianer übersetzen
,,proveditor " — ernannt*). Bei jedem Sultanswechsel sollten
sich alle Sandschaks am Hofe einfinden — , um ihre ,, Kaftane " zu
erneuern ^). Über die kaiserliche Khasna verfügte der Sultan
allein ^). In sie flössen alle Einkünfte des Reiches, die, dank
den zahlreichen Eroberungen , welche die Ausdehnung des
Reiches verdoppelt hatten, in den letzten Jahren sehr stark an-
gewachsen waren.
Geborene Türken wie Renegaten zahlten keine Abgaben;
Mohammed IL verlangte von ihnen den zehnten Teil ihrer Habe
(töj' eQytov) nur dann, wenn der Krieg in ihrem Gebiete geführt
wurde ''). Die Kapitationssteuer der Christen (dabei aber auch ^ rßv
evoiMov TtQoaodog, von den Pächtern der kaiserlichen Domänen:
250000 Dukaten) in Höhe von einem Dukaten, d. h. 40 Aspern
für jedes Familienhaupt*), brachte 900 000 Dukaten ein; ein
venezianisches, nach den osmanischen Registern ausgeschrie-
benes Verzeichnis zählt für das Jahr 1470 in Europa 29000
kharadschpflichtige Häuser ^) ; nach weniger als einem halben
i) Sathas VI, S. 121, 193.
2) Seadeddin II, S. 309.
3) Sathas VI, S. 141, 154, 156. Aber auch der Subaschi von Argos wird,
S. 158, „protogero" genannt.
4) Sathas VI, S. 180. 5) Ebenda S. 188.
6) „Serbischer Janitschare. "
7) Chalkokondylas S. 439.
8) „Serbischer Janitschare" Kap. XLUI.
9) ,,Cargi di cristiani, judei , chaxe 29ii> de 600 galtt. , che pagano per
frenchixie proraerchi (!) modi, non messe le servi ; pagano l'uno per l'altro, altro
316 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
Jahrhundert werden im ganzen Reiche schon 3000000 Zins-
pflichtig-e angegeben '). Ortschaften, die an den Meeresufern, an
Pässen und Wäldern — die Dörfer der Vojniks (Vojniklar) in
den slawischen Ländern der Balkanhalbinsel — für die Grenz-
wacht Bedeutung hatten, waren freilich von allen Lasten befreit,
wie später auch Verwandte und Freunde mächtiger Renegaten ^).
Der oben schon erwähnte Zehnte von Ochsen, Pferden usw.
machte im ganzen gegen 300000 aus. Auch von Getreide wurde
der Zehnte erhoben ^). Die kaiserlichen Herden und Gestüte
ergaben nur 50000; verschiedene andere Einkünfte, die nicht
näher angegeben werden, 200000 ^). Von herrenlos gebliebenen
Gütern kamen 20000 Dukaten ein ^). Die Donaufurten allein
wurden jährlich für viele Tausende Dukaten verpachtet, und
Chalkokondylas versichert, dafs der Pächter, gewöhnlich ein
Grieche, trotz des hohen Preises einen schönen Gewinn erzielte *).
Die beiden Häfen von Konstantinopel und Gallipolis werden um
1470 mit 42000 Dukaten Ertrag angegeben ''), die Gümrüks (Zölle)
von Adrianopel, Philippopel, Sofia, Aidos (Actos) und Saloniki
mit weiteren 90000*). Kastemuni brachte loooo, Brussa und die
Gebirgspässe des Khodawendskiar 16000, andere asiatische Zölle
29000^). Die europäischen Salzwerke am Ufer des Meeres,
besonders in Anchialo, trugen 90000 Dukaten bei, die asiati-
danno (sie)"; Intrade del signor turcho de la Grexia, 1490"; San- Marco -Bibl.
ms. it. cl. VI, c. 277.
l)Laskaris.
2) Ebenda.
3) „Serbischer Janitschare" a. a. O.
4) Die venezianische Rechnung gibt folgende Posten: „la scrive (?) et li
chargi arsentture in tuto val 70™; laguttori (?) et in diversi logi, 5011, chanpi
grexi, 50000; arizonttero de' Turchi, d. lom".
5) „Comerchio deli homeni mortti senza eredi, vano al Signor."
6) S. 505.
7) „Schale de Chonstantinopollj, Galipollj."
8) „Chomerchi di Sofia, d'Aido, Salonichi, Filipopelli, Andrinopollj et Chon-
stantinopoUi per pessi (sie) in diversi logi."
9) „Comerchi in diversi logi de Chastemoni, lom; Burssa, passe, pexo,
preso de montage, d. 16™; comerchi presi in altri logi insopra 29™; comerchi
de Chast[em]oni et alttre intrade de' zardini, d. 10™."
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 217
sehen nur 12000'). Auch der Leuchtturm von Konstantinopel
ergab einen nicht unbedeutenden Ertrag ^). Die Alaunwerke
Asiens waren jährlich 50000 Dukaten wert, und die Erzbergwerke
in Kastemuni, zu denen dann auch die von Sinope kamen, weitere
50000. Da die Gesamtsumme der aus den Bergwerken fliefsenden
Einkünfte auf 200 000 Dukaten angegeben wird, so entfiel auf
die von Novobrdo und Srebrnico (Silber) eine Quote von 100 000 ^).
Der Sultan erhob aufserdem sein pentamerion, sein Fünftel
von jeder Art Beute. Bei jedem Kriegszuge steuerten die
Würdenträger 200000 Dukaten *).
Bis zur vollständigen Eroberung der Länder auf der Balkan-
halbinsel und an den Ufern des Schwarzen Meeres, gingen jähr-
lich an Stelle individueller Besteuerung der Einwohner sehr hohe
Summen als Kharadsch an die Khasna ein; zuletzt blieben von
diesen nur die Tribute der Walachei, der Moldau (die seit 1485
wenigstens wieder zahlte), der Republik Ragusa und der Insel
Chios übrig ; für die Länder, die Reichsprovinzen geworden waren,
wurde in Zöllen, Furten, Bergwerken und der Kapitation ein
recht vorteilhafter Ersatz ausfindig gemacht. Eine venezianische
Rechnung zählt in der Rubrik des Kharadsch der Vasallenländer
folgende Summen auf: Bosnien und Herzegowina 18 000, Wala-
chei 17000, Moldau 6000 — dreimal so viel als zur Zeit Petru
Arons, Trapezunt 3000, Kaffa 3000, Amastris und Sinope 16 000,
Lesbos 3000, ,,Negroponte und andere Plätze" 25000, Chios
12000, Ragusa 14 000 ^), ohne den Tribut für die venezianischen
Besitzungen in Morea und Albanien zu zählen. Die von den
griechischen Chronisten ^) gegebenen Summen von 100 000 aus
1) „Saline, uno anno per l'altro, ducatti 90 m; saline di Turchia, d. 12m."
2) Ch alk o k o n dy 1 as berechnet ihn mit dem aus den Furten zusammen auf
200 000.
3) „Alume, uno ano per l'alttro, d. 50™; rami di Chastam[un]e, d. 50m.''
4) Chalkokodylas a. a. O.
5) „Cargi de Bosgne et del contte Sttefano , s. ducatti 8™ in s. , d. iS™,
caragi de la Valachia Altta, 17™, caragi de la Valachia Bassa, öm Trabex[u]nde
d. 3111; Chafa d. 3m in s. , 6°!; d'Amastro, Sinopi in tuto d. 16™; Azoca (sie)
e chastelj de in Albania, d. 311; l'ixole de Metteli d. 310; Negroponte e piü logi,
d. 25111, Sic di ttributo d. 12™, Raguxi di tributo d. 14m."
6) Ebenda.
318 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
„eroberten Ländern" und von 4000000 als Gesamtertrag aller
Einkünfte sind gewifs stark übertrieben *). Die authentische
Rechnung, die wir ins Venezianische übertragen besitzen, verzeich-
net nur I 196000 venetianische Dukaten. Sie stimmt mit der
Schätzung des Kardinals Bessarion überein, dafs der Sultan jähr-
hch höchstens 2 000 000 Dukaten erhalte^).
Die Ausgaben beliefen sich auf nur 810000 Dukaten jähr-
lich. Das Heer allein nahm davon 300000 Dukaten in Anspruch.
Der Sultan kleidete seine Janitscharen zweimal im Jahre neu ein,
wobei Samt und Seide nicht fehlten; auch Bogen und Pfeile
gingen auf seine Kosten ; diese beiden Posten machten zusammen
für die 7 — loooo Mitglieder des Elitekorps ^) 28000 Dukaten
aus *). Dazu kam der Sold für dieselben, der gewöhnlich auf
drei Monate — die byzantinische TQi[.ir^vla — ausgefolgt wurde.
Seit ihrem Aufstande im Jahre 145 1, der die Hinrichtung
des Aga und die Zufriedenstellung der Truppe durch Geschenke
zur Folge hatte , wurde die alte Bezahlung mit einem halben
Asper täglich erhöht ^). Nach dem Falle von Trapezunt aber
wird nur erwähnt, dafs die ,, besten Janitscharen" täglich zwanzig
Aspern erhielten ^). Der Aga, oder oberste Hauptmann, bekam
10 Dukaten für den Tag, die Bulukdschis, Führer jeder Kom-
i) Derselbe berechnet die Gelder, die von den Beamten selbst erhoben wurden,
auf 9 000 000 ; dazu kommen die für die Pforte bestimmten, so dafs sich zusammen
14000000 ergeben; S. 440 — 441.
2) „Non amplius quam vigesies centena aurcorum millia ex omni redituum
summa"; Reufsner, Epistolae turcicae II, S. 225.
3) 5 — 6000 beim „Serbischen Janitscharen" Kap. xxxix. Bei Laskaris
7 — 10 000, „quando sono al piü gran numero"; 15000 zählt Leonard von Chios
bei der Eroberung Konstantinopels; Philelphus, der nur von 52000 Türken wissen
will, und zwar 15000 in Asien, 25000 in Europa, alle Reiter, nebst 7000 Ma-
trosen, gibt die Zahl der Janitscharen auf 12000 an; Brief an Lodovico Foscarini :
cod. lat. monac. fol. 190; vgl. D e t hi e r- Hop f III, S. 535 — 536; Brief des-
selben an König Karl VII. von Frankreich, wo er von 60000 Türken spricht,
davon 20000 in Asien.
4) Die schon zitierte venezianische Rechnung: ,,E1 vestir de' Ganizeri e
archi, sagitte, 28™."
5) „Serbischer Janitschare" Kap. xxil.
6) Ebenda Kap. xxxi.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed IL 319
pagnie, oder odas, ein Achtel, d. h. ung-efähr 5 Aspern ^), ein
Gemeiner '/lo Dukaten , d. h. einen täglichen Asper. Ebenso
wurden die Asapen mit den roten Hüten'-') besoldet, deren
Führer für fünf Tage einen Dukaten bekamen ^). Den Reitern
aufser den 200 Spahioglanen — ,, propra del Signore" — ,
die mehr erhielten*), mufste ein Dukaten für 4 — 5 Tage
genügen. Die 600 tatarischen Reiter und die Silichdaren, die
Solaken (i J- Asper auf den Tag; ihr Führer zwei Dukaten), die
200 Kapudschis standen den Janitscharen im Solde gleich ^).
Ein Grofs-Imrochor (Stallmeister) nahm 2 Dukaten, ein Tsches-
nedschir-Aga, der die feierlichen Befehle des Sultans überbrachte,
I — 2 Dukaten ein; der Dschebedschibascha, der für die Waffen
zu sorgen hatte, nur einen, der Mechterbascha, Kapellmeister,
einen halben ^). So stellt das offizielle Verzeichnis insgesamt
300000 Dukaten für die Besoldung aller Truppen in Rechnung '^).
145 1 hatte der Sultan alle Schulden der aufständischen
Janitscharen getilgt, was 1473 wiederholt werden mufste*^).
Während des asiatischen Zuges des Jahres 146 1 fiel ein mit
Gold beladenes Kamel auf dem Marsche hin; und es war be-
fohlen, die 50000 Dukaten, die es getragen hatte, liegen zu
lassen; die Janitscharen teilten sich die ihnen mühelos zugefallene
Beute ^). Auch beim Übergang über die Donau, 1462, bekamen
sie 30000 Dukaten zum Geschenk^*'). Und als Mohammed II.
gegen Bosnien aufbrach, wurde den Janitscharen das Gehalt für
1) Nach dem Satze I Dukaten = 40 Aspern, den man beim ,, Serbischen
Janitscharen" Kap. xlhi, findet.
2) Barletius, Scutari, S. 310; Niccolö Barbaro S. 750.
3) „Serbischer Janitschare" Kap. xu.
4) Laskar is.
5) Der Kapudschi-Baschi hatte drei Dukaten täglich, wie der Silichdar- und
der Ulufadschi-Baschi, während die Ulufadschis einen Dukaten für vier Tage, nicht
für zehn, wie die Janitscharen, erhielten.
6) ,, Serbischer Janitschar" Kap. xxxix.
7) „Uscida del Signor Turcho per uno anno. Soldatti pagadi di fora del
Sar[a]gio da persone 5111 a piedi [= a pida], a chalvalo, d. 300 m."
8) „Serbischer Janitschare" Kap. xxil ; Seadeddin II, S. 280.
9) Ebenda Kap. xxxi.
10) „Serbischer Janitschare" Kap. xxxui.
330 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
ein halbes Jahr vorausbezahlt *). Vor der Unternehmung' g"egen
den gefürchteten Usun erhöhte Wesir Mahmud gleichfalls den
Sold, und zwar nach dem Verdienste eines jeden, so dafs die
Leute nach ihrem Verdienste von zwei bis zehn Aspern erhielten ^).
Zweitausend Beutel ^) von je 600 Dukaten in Aspern waren zur
Begleichung- eines Trimesters erforderlich *). Auch in den Jahren,
in denen der Sultan weder mit alten noch neuen Feinden zu
tun hatte, war den Janitscharen ihr Geschenk an Kleidern,
Pferden und anderen Gegenständen sicher ^).
Die Ausgaben des Sultans betrafen weiter die Bedürfnisse
des Serails und der Tausende — um 1500 mit den Sklaven
5000 Personen^) — , die darin lebten; 48 000 Dukaten wurden
für Ärzte, Berbers (Haarschneider), Kapudschis, Karagös ;
17000 für 200 Edelknaben und ihre vier Gouverneure; loooo
für den Kizlar-Aga und die seiner Obhut anvertrauten Frauen ;
20000 für den Unterhalt des Sklavinnen; 50000 für den täg-
lichen Aufwand des Sultans selbst; 80 000 für Ställe; 10 000 für
Zelte ,,und andere Dinge"; 29000 für Bekleidung des Hofes;
50000 für Seiden- und Goldbrokatstofife ; 20 000 für Leinwand;
60000 für teure importierte Stoffe; 10 000 für ,, Verschiedenes"
und endlich 25000 für die bei Ernennungen, Empfängen und
den Staatsfestlichkeiten des grofsen und kleinen Bairams aus-
geteilten Kaftane oder Ehrenkleider benötigt '').
Für den Hof des Kaisers, für die Bedürfnisse des Krieges
wurde alles zusammenströmende Gold ausschliefslich verwendet.
1) „Serbischer Janitschare" Kap. xxxiv.
2) „Mahometto -Bassa fece accrescere lo soldo ad li Janiceri, ad chi uno
aspro et ad chi due o tre, perfm a 10 aspri, secundo li homini, etc."; „Mon.
Hung. Hist." V, S. 241.
3) „Gordani", sagt der italienische Berichterstatter.
4) „Dua millia gordani d'aspri, che sono uno millione et 200 millia ducati,
per dare le page ad le sue gente et ad tutti quelli volevano andare cum lo dicto
hoste"; ebenda; s. aber „ Cento gordani d'aspri, che sono ducati 19 millia, per
dare ad janigeri, oltra le sue paghe et accrescimento de soldo"; ebenda S. 242;
s. auch ebenda „la paga per tre mesi".
5) Kritobulos. 6) Laskaris.
7) Die oft zitierte venezianische Notiz: „Servidori, zioe: niidegi , barbier,
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 331
Der Hof freilich beg-ann sich erst nach byzantinischem Muster
auszubilden, während der Krieg- nach wie vor die eig^entliche
Beschäftig-ung- , der Daseinszweck dieser Gesellschaft g-eblieben
war. Ein jeder war verpflichtet, am g-eheilig-ten und g-leichzeitig-
die materielle Existenz verbürg^enden Waffenhandwerk teilzu-
haben. Nicht nur der Hof mit seinen speziellen Korps, der
Janitscharenphalanx, den g-länzenden Spahioglanen und Mute-
fariakas, den Eunuchen des Serails und den anderen Ag-as, nicht
nur die Spahis oder ,,Timarnitschs" ^) mit ihrem Gefolg-e, die Asa-
pen, die durch Aussicht auf Beute an Sklaven und Sachwert ang-e-
spornten Akindschis und die Matrosen, sondern in Tag-en höchster
Not sog-ar die christlichen Bauern. Im Jahre 1472, als g'eg-en
„Persien" alle irg-end verfüg-baren Kräfte aufgeboten wurden, erg-ing-
an jedes Dorf in Rum Befehl zwei Heerleute zum Heer des Kaisers
zu schicken ^) ; die über zwanzig- Jahre alten Mannschaften sollten
sich ins Lag-er beg-eben, die zwischen 14 und 20 Jahren stehenden
zur Verteidigung- der Hauptstadt verwendet werden ^). r473 be-
stätigt ein venezianischer Kundschafter, dafs alle waffenfähigen
Männer sich unter den Fahnen befanden, so dafs in den öden Dör-
fern nur Greise zurückgeblieben waren, um mit den verlassenen
Familien die Kriegssklaverei des osmanischen Herrn zu ver-
wünschen *). Der in Europa gelassene Dschem sah sich auf
gardiani, atizadei, bufoni, d. 48 m. Dento del seraio, che son puti 200 et 4 monchi,
17m. El servo dele done e li mochi lom. Schiave adentro del Seraio, de spexe,
2oni. La ptetta (spesa?, sie) del Signor dento et di fuor, per spexe denar (sie?)
$0^. Ale 4 sttale de chavalj , mulj , gamelj , Som. L'ordinario dele spexe de'
pavioni et alttre chose , 10™. El vestir de ganizeri e archi , sagitte , 2811. El
vestir dela chortte del Signor e de pani, de bone gl...,, d. 29m. El vestir
dela chorte de pani de sede et d'oro, d. $0^. El vestir de pele (tele?) dela
chortte, 20™. Pani de scola de sersse (?) e d'alttri paexi in diversse sitte (?),
d. öom. Diversse chosse de sovr (?), etc. e forzo tote (?), d. lom. Prexentti fa
el Signor un ano per l'altro."
i) „Notes et extraits" II, S. 471.
2) „Commandamento che tutti li casali che sono su la Grecia dovessero
mandare due iiomini per casale"; „Mon. Hung. Hist." V, S. 242.
3) „Ognuno de XX anni in suso vadi in campo ..."; „da 14 anni in suso
vadi a Constantinopoli"; Archiv von Venedig, „Arch. di Creta", „Missive e lettere
icevute", 1472 — 1474.
4) „Mon. Hung. Hist." V, S. 247.
333 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
„Kaufleute und Handwerksgesellen" angewiesen, wenn er die
alte Reichshauptstadt Adrianopel verteidigen wollte ^),
Beinahe in jedem Frühling brachen die Akindschis unter
Führung der Grenzbegs von Morea, von Albanien, von Bosnien
und vom Donauufer auf, um in die Nachbarschaft, sei es auch
zum Schaden einer durch Vertrag mit dem Reiche verbundenen
Macht, einzufallen ^). Für einen Dukaten täglich standen dem
osmanischen Grenzbeamten nicht weniger als acht berittene
Krieger zur Verfügung ^). Blitzschnell drangen die leicht ge-
kleideten, mit hölzernen Schilden versehenen Krieger auf ihren
wunderbar schnellen beschnittenen Pferden ^) zu den ihnen wohl-
bekannten Furten. Sie bedienten sich tüchtiger Führer und ver-
kleideter Kundschafter; so sprach man 1477 in den deutschen
Grenzländern von einem Manne auf ,, ainem clainen Rössl, fürt
ain groben Manntel an und thut sich aus, er hab Sannd Vallentins
Sichtumb". Das an Zahl gewöhnlich schwache Heer teilte sich
in Feindesland in mehrere Scharen, die auf unbekannten Wegen
vorritten^), die ,, Klausen" besetzten, Kirchen und Klöster ein-
äscherten und alle Dörfer rings verheerten. Manchmal erschienen
sie „zu Mitternacht", wenn keiner die grausigen Gäste erwartete.
Sie ritten so schnell, dafs ihnen die Pferde — in Morea einmal
an 1000 — unterwegs krepierten"); ein anderes Mal in steilem
Felsgebirge liefsen sie sich mit Stricken in die Tiefe hinab. Sie
übernachteten, von der Dunkelheit geschützt, im Freien, beim
Licht der Flammen, die die umliegenden Häuser der Bauern
verzehrten. Manchmal boten sie vor einem Orte, der stärker
1) „Mon. Hung. Hist." V, S. 247.
2) Vgl. ebenda S. 228: ,,Dato li daese pace , tarnen li faria perö guerra
ale anime de loro paese, facendo corerie, como semper ha facto, etiam al tempo
de pace, e, si loro si lamentaveno, li respondevano che erano li soy Bassa e che
luj non sapeva nulla."
3) „Serbischer Janitschare" Kap. XLii.
4) Philelphus im schon zitierten Brief an Foscarini : „Utuntur excisis",
„Lievi de carne et arme", sagt Duodo; Sathas, Monumenta VI, S. 114.
5) „Ad ea loca ... de quibus nunquara aliquis cogitavit''; Rede der ungari-
sclien Gesandten vor dem Reichstag von Nürnberg; cod. lat. monac. 26604.
6) Magno in Sathas VI, S. 227.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 323
befestigt zu sein schien, „Frieden" an und verlang^ten als Preis
der Schonung" ,,ain Säm Geld" oder „ettlich Semel und XX
Ducaten", ,,XXV nngr. Gulden und ain Säum Rayfal und ainen
Wag;en Prots"; auch von dem ihnen verbotenen Wein bedangen
sie sich wohl aus. Dann stellte der ,, Hauptmann " die verlangten
Verschreibungen und Freipässe aus, nahm und lieferte Bürgen
für Beobachtung der gegenseitigen Freundschaft. ,, Darauf! zu-
gesagt und gesprochen pey seiner Sei und gelobt aufif sein
Säbel das dy Kirch und das Dörff sicher sol sein ; hat auch das
im Veldt allethalben geruffen lassen. " Aber ihre grausame List
ward bald offenbar. Sie brannten unbekümmert nieder, was sie
nicht anzutasten versprochen hatten, und schlachteten hin, was
sich losgekauft glaubte. Machte man ihnen entrüstete Vorwürfe,
so antworteten sie spottend : ,, se das sy dy Kirch nit prennen
wollten, ee wollten sy in geben XL Gulden und derzu wären sy
verloren". Ein anderes Mal gaben Türken die merkwürdige
Antwort, dafs ein Pafs nur dann gültig sei, wenn der daran In-
teressierte aufrecht stehe, nicht auch wenn er sitze ^). Und wenn
man die mitleidlosen Verwüster nach dem Beweggrunde ihres
Hasses gegen die Christen fragte, so gaben sie wohl zur Recht-
fertigung an: ,,Sy müessen ess thün, wann der aine Got, der
ob uns sey, weis efs also haben; wann so ers nit also haben
wolten, so war ess nit müglich das sy das thüen möchten. Ir
duoch sey gegen den Kristen, wo sy aneinander getrew weren,
nichtz. Wir Christen sein an einander untrew und sey keins Lieb
und Gehorsam in uns, sunder Hoffart und Übermuet ; dass chem
von grossen Guet das wir haben. Darumb hab sy Got uns zu Straff
geschickt." Auch bei solchen Gelegenheiten pflegten übrigens
die Akindschis sich den religiösen Vorschriften des Islams gemäfs
zu gebärden. So heifst es in einem Nürnberger Brief über die
Kämpfe des Jahres 1483: ,, Darnach mit grossem Geschray und
Aussreissung irer Har und Port mit auff die Erden nidergefallen ^). "
Wo sie durchgekommen waren, ,, krähte jahrelang kein Hahn",
i) „Serbischer Janitschare" Kap. vin.
2) München, Reichsarchiv, „Türkenhilff de anno 1446 bis 1518", Nr. 21 ;
cod. germ. monac. 1586; vgl. auch cod. lat. monac. 14668.
224 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
schreibt der „serbische Janitschar" ^). Zu Tausenden wurden
die Sklaven heimg^eführt , wenn sie nicht schon während des
Zuges türkischen Kaufleuten, die, bis zu 500 an Zahl, dem Heere
entgegenkamen, ,,das gefangen Volk zu kauffen, mit Gelt, Hu-
sackenn, turckischen Stival und ander Wer", in die Hände fielen ^).
Die armen geängsteten Leute erzählten dann später wohl viel
von sonderbaren Gebräuchen , die sie bei ihren neuen Herren
gesehen zu haben glaubten: ,, Darnach hienngen sy, nach irer
Gewonhait, aynen Säbell oder eyn Schwert auf ain Stangen ze
lössen und zw besehen ob es in wol oder ubell ergen sollt. Da
ist der Mon pluetfarb und darnach gantz schwartz und finster ge-
sehen worden , dy haben gross fewrig Flammen herab in ihr
Her getrewt ^). " Selbst wenn die Akindschis auf dem Heimweg
ein Treffen mit den sie nur selten verfolgenden Christen zu be-
stehen hatten und einige der Ihrigen mit einem Teil der ge-
wonnenen Beute wieder verloren — ihre Bewaffnung bestand
ja nur aus Lanze und Bogen *) — , waren sie doch immer mit
dem Ergebnisse ihres Ausfluges in die Christenheit hinein zu-
frieden. Und im folgenden Frühling erschienen ihre roten,
weifsen und schwarzen Fahnen wiederum, und wieder flohen die
armen Bauern in die Wälder und Berge, die ihnen doch nur
wenig Schutz boten ^). In den nordwestlichen türkischen Grenz-
landschaften stand die neue Miliz der Martolodschen , die nur
dem Raub lebten^), immer zum Einfalle bereit'^). Freilich war-
teten auf dem anderen Ufer die christlichen ,,Pribecken" der
Serben nur auf die Gelegenheit, um ihnen Gleiches mit Gleichem
zu vergelten **).
i) Kap. XLil.
2) Nürnberger Archiv; cod. lat. monac. 14668. Siehe auch cod. germ. monac.
1586, fol. 404: „haben Gelt und Gewantt vil pracht darumb sy das gefangen
Volck haben kauffen wellen".
3) Cod. germ. monac. 14668, fol. 79. Vgl. die in der vorhergehenden An-
merkung zitierte Version.
4) Lask ar is.
5) Vgl. auch cod. germ. monac. 1585, fol. 136 vo.
6) Während des Beutezugs erhielten auch sie alle fünf Tage einen Dukaten.
7) Vgl. den „Serbischen Janitscharen" Kap. XLTV.
8) Vgl. auch Bonfinius S. 431.
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 335
Zog- aber nicht nur ein Beglerbeg-, sondern Mohammed selbst
zum Kriege aus , so hatte dieser einen anderen Charakter , wie
man ihn umsonst in den ritterhchen, poetisch gefärbten Zeiten
eines Murad II. suchen würde. Denn es galt nicht mehr, den
Christen glorreiche Schlachten im offenen Felde zu liefern, was
diese, selbst unähnlich ihren gläubigen Vorfahren in der Huny-
adischen Ära, nicht mehr erwarteten ; vielmehr wollte der Sultan
ein Land für die Dauer unterwerfen, seine unmittelbare Verwaltung
einrichten und neue Spahis aus den Reihen der siegreichen
Truppen ansiedeln. Darum kam es ihm einmal auf Bezwingung
aller befestigten Städte, aller mächtigen Schlösser und trotzenden
Burgen an und zweitens auf Gefangennahme oder Vernichtung
der bisher herrschenden Dynastie. Aus diesem neuen Gesichts-
punkt ist seine gesamte Kriegführung zu verstehen.
In unbestimmten Ausdrücken wurde im Namen des Sultans
der heilige Krieg ausgerufen ^). Zuerst sammelten sich die leichten
Truppen am festgesetzten Orte, und sogar im feindlichen Lande
selbst. Es folgten die Spahis — jetzt unmittelbare Lehnsleute des
Sultans allein ^) — unter den Befehlen der beiden Beglerbegs ; die
Asiaten, etwa 30000 (1513:22500), zwar schöne Gestalten und
ausgezeichnete Schützen, standen — nach allgemeinem Urteile —
an Tapferkeit und Ausdauer hinter den etwa 20 000 (1513 : 27 500)
Leuten von Rum zurück ^). Von jedem Timar waren deren fünf
gekommen*). Zu ihrer Bewaffnung gehörte gegen 1500 ein
leichter Panzer, selten ein Schuppenhemd (corazza), und ein
hölzerner Schild ; einige Mannschaften führten nur eine Lanze,
andere ein Schwert oder den Bogen ^). Fahnen von verschiedenen
i) Siehe Archiv von Mailand, „Potenze estere , Turchia": Einberufung vom
Jahre 1476, mit der Titulatur: „Mahumetes Amyras Soltanus, filius felicissimi dd.
Muratti Amyra''.
2) Für die neuen Einrichtungen Mohammeds II. s. Hammer, Staatsver-
fassung I, 8. 4i4ff. Jetzt wurde festgestellt, dafs ein Lehen, welches bis 30000
Aspern jährlich bringt, ein Timar ist, während ein Siamet bis 100 000 wert sein
konnte. Die Lehen waren nun unter gewissen Bedingungen erblich. Die Lehen-
träger können wegen Versäumung der militärischen Pflicht abgesetzt werden.
3) Barletius, Scutari, S. 307.
4.) Alb^ri, Relazioni al Senato veneto IX, S. 48.
5) Laskari s.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. iO
226 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
Farben, deren jede ein Sandschakat, eine oVfixala vertrat, gingen
ihnen voran ; die weifsen waren allerdings in der Mehrzahl ').
Die Beglerbegs selbst hatten ihre eigenen Paniere : rot für Rum,
weifs für Anadol ^). Es gab jetzt auch zwei Richter des Heeres,
Kadilisker, deren jeder seinen Beglerbeg begleitete ^).
Der Vortrab der Janitscharen erschien erst etwas später.
Sobald aber ihr Aga an der Spitze des erlesenen Hauptkorps
unter den zwei Fahnen: grün und rot, gelb und rot, da war,
hatte man die Sicherheit, dafs der Kaiser selbst eingetroffen sei;
beide Beglerbegs fanden sich vor ihm ein, um den Saum seines
Gewandes zu küssen und über die bisherigen Operationen des
Heeres Bericht zu erstatten *). Die Zelte des Herrschers waren
vorher aufgeschlagen worden und nahmen einen weiten Raum
vor der angegriffenen Stadt ein; bei der Belagerung Skutaris
wurden ihrer neun gezählt. Das gröfste diente für die Be-
ratungen des versammelten Diwans ; das , in dem der Sultan
oder einer seiner Söhne wohnte, war karmesinrot und aus Seide
zusammengenäht , während der Wesir in einem weifsen Zelte
seinen Aufenthalt hatte ^). Mehrere Gräben umschlossen die
Zelte und waren mit Zäunen, Ketten usw. noch verstärkt ^). Bei
Feldschlachten waren auch die Kanonen hier in Sicherheit ge-
bracht. Eine einzige gut bewachte Pforte führte zum Herrscher;
um zu seiner heiligen Person zu gelangen, hatte jeder drei Wacht-
posten zu passieren ''). Alle drei Tage mufste sich der Kaiser
seinem Heere zeigen, zum Zeugnis, dafs die einzige rechtmäfsige
Macht noch lebe und wirke ^).
i) Barletius S. 307 — 308. Über den darauf gemalten oder genähten Halb-
mond s. Philelphus in Dethier-Hopf III, S. 358.
2) Pusculus, Ein Zeuge der Eroberung Konstantinopels, in Dethier-
Hopf m, S. 208—210.
3) Seadeddin II, S. 324 — 325.
4) Siehe den „Serbischen Janitscharen" Kap. XL ; auch Barletius, Scutari,
S. 308.
5) Nanni de Ytro; Barletius, Scutari, fol. 316 vo.
6) Beschreibung eines türkischen Lagers im cod. lat. monac. 14668: „Copey
einer Schrifft von dem Turcken, gesannt dem Könige von Franckreich" usw.
7) Barletius, Scutari, S. 310.
8) Sathas VI, S. 163.
]\Iittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed IL 227
Die türkische Artillerie ist recht eig^entlich von Mohammed II.
org"anisiert worden. Kamele schleppten das Erz herbei M, und
die Kanonen wurden im Ang-esicht der feindlichen Mauern, die
sie zerstören sollten ^), geg-ossen. Das Schicksal Meister Urbans,
der die berühmte Bombarde zur Beschiefsung" Konstantinopels
verfertig'te , ist uns unbekannt; 1480 aber diente dem os-
manischen Kaiser „ein Buchssenmayster Jörg', ein g^ebornes Sachss
oder Meyssner " , der dann bei der Belag'erung' von Rhodos zu
den Christen überg"ing" und, weil er unvorsichtig'e Reden führte
— ,,er hat eins Tag"s geredt und sich berumet, er hab vill Tausent
Christen umbbracht" — , fern von seiner vielleicht mosleminischen
Familie, die ihn in Konstantinopel erwartete, am Galgen endete ^).
Bei jedem Zug"e wurden zum Gufs von Kanonen ,,bombardieri",
dschebedschi, an den Sammelplatz des Heeres voraus-
g'eschickt ■*). Ihre Bombarden waren der Stolz der Osmanen :
auch die Sultanin steuerte aus eigenen Mitteln eine bei, die zur
Belagerung Skutaris verwandt wurde ^). Sie hatten auch ,, gross
Mörser", welche die Häuser erschütterten und allgemeine Be-
wunderung hervorriefen ; ein Italiener , der den Kriegsbegeben-
heiten vor Skutari beiwohnte , beschreibt sie also : ,, Ein kurzes
und dickes Ding, tief eingegraben, so dass der Mund zum
Himmel gerichtet ist , während der hintere Teil in der Erde
steckt, und gleicht sein Donner dem Brüllen des Meeres
während eines Sturmes '')." Geschossen wurde mit steinernen
Kugeln, aber auch mit Bomben, Feuerbomben, die aus
einer Mischung von allerlei brennbaren Stoßen bestanden und,
nach den gleichzeitigen Beschreibungen, wie Kometen diuch
i) Ebenda S. 307.
2) Siehe die ,,Ne\vtzeiten Turckenhalb" (um 1490), Innsbrucker Archiv P. A.
XXXIX, lio: ,,sy fueren auch mit inen bey VIIj m Camelthier die Glockspeys
tragen, Puchssen zu giessen unnd anndern Zewg mer so zu schiessen gehört".
3) Nürnberger Archiv, S. II, R. i, Nr. 17, fol. 142 vo.
4) Sathas VI, S. 135.
5) Barletius, Scutari, S. 313 vo.
6) „Ella e grossa et corta et profondamente cavata et con la bocca volta al
cielo et con la coda fitta in terra, il cui rimbombo e somigliante al rugghiar del
mare, quando ha tempesta"; Barletius, Scutari, S. 314. Vgl. cod. lat. monac.
14668: Beschreibung der Belagerung von Rhodos.
15*
328 Erstes Buch. Neuntes Kapitel.
die Luft flog-en, um Türme und Häuser in Brand zu setzen ').
An den kleineren Unternehmungen des Beg-lerbegs nahmen schon
Mannschaften teil, die „auch Puchsen pey in hatten" ^). Später,
wie z. B. bei Verteidigung des Schlosses von Kephalenia, be-
nutzten sie auch das ,, griechische Feuer", das ,,focho artificiato",
das, in einer schwarzen Masse verborgen , erst wenn es auf den
Boden gelangte, seine feurigen Zungen auflodern liefs ^). Aufser
Schild, Bogen, kurzem Schwert^), ,,Partesane" und Lanze
hatten g'egen 1500 viele Janitscharen solche Gewehre ^). In den
von den Türken besetzten Festungen hatte der Dizdar-Aga, der
einen Kehaia, als Stellvertreter, mehrere Bulukdschis und höch-
stens 400 Janitscharen , die sich im Frieden mit Ackerbau ab-
g-aben ''), unter sich hatte ''), sehr oft ebenfalls eine Bombarde ®).
Des weiteren verstanden die Türken jetzt, wenn sie auch
noch keine Mauern nach strategischen Grundsätzen aufführten,
wenigstens bei Einnahme einer Stadt allerlei technische Mittel
in Anwendung zu bringen. Bei Rhodos stellten sie 1480 eine
Brücke bis zum Schlosse her, die so breit war, dafs sechs Reiter
nebeneinander darüber hinreiten konnten ^) , und hier legten sie
auch, wie schon 1453, Minen an, die sie mit hölzernen Planken,
,,Puschlen", und Erde deckten und unsichtbar machten. Die
ausführenden Meister waren gewöhnlich Griechen, die freilich
wenig-er als die Italiener geschätzt waren *").
1) „Di ragia, di pece, di solfo, di cera, d'olio et di somiglianti altre cose
acconcie"; Barletius, Scutari, S. 313 vo.
2) Cod. lat. monac. 1466S, fol. 59ff. : Beschreibung der Schlacht von
Kenyermezö.
3) ,,Pare una tripa negra . . ., e, come l'e in terra, se rompe et spargese il
foco in qua et lä"; Cogo, La guerra di Venezia contro i Turchi, Venedig 1899,
S. 84.
4) „Certe altre daghe ben curte."
5) „Qualche sciopeto e balestra"; Laskaris.
6) Sathas VI, S. 147, 148.
7) Bezahlung: Y2 Dukaten täglich für den Dizdar, Y4 für den Kehaia, Y^ für
die unteren Offiziere, ^/^g, d. h. 4 Aspern, für den Gemeinen; „Serbischer Jani-
tschar" Kap. xxxvin.
8) Vgl. Sathas VI, S. 138: ,,bonibarda grossa da Coriiitlio".
9) Siehe Anm. 2.
10) Vgl. einen Brief ans Korfu vonä 14. Juli 1500 („Rettori, Capi Cons." X,
Mittel und Ziele des Reichs unter Sultan Mohammed II. 229
Für den Sturm wurde eine Neumondnacht gewählt '). Zuerst
beteten die Krieger laut und wuschen sich ; sie hielten Stricke
für die Sklaven und Säcke für die Beute bereit ^). Das Zeichen
zum Angriff gab das „Schluegen auf all Paucken ", worauf dann
allgemein das Kriegsgeheul erhoben wurde. Gewöhnlich wurde
,,bey einer Stundt vor Tag" begonnen^). Des Sultans Standort
mufste allen sichtbar sein; der Herrscher war beritten und trug
seine eiserne Keule*). Er hatte das Recht, sich von der zu
erobernden Stadt vorzubehalten, was er wollte ; mifsbrauchte er
es und verlangte zu viel für sich , so wurde der Kampf leicht
lauer geführt als sonst ; darum , hiefs es , sei Rhodos nicht ein-
genommen worden. Von der schliefslichen Verteilung der Beute
ist bereits mehrmals die Rede gewesen. Wenn der Sultan heim-
kehrte, trugen Janitscharen die weifse und die rote Fahne vor
ihm her ; die kaiserlichen Zelte wurden sehr oft verbrannt ^).
Auch die Flotte wurde durch Mohammed auf eine hohe
Stufe der Entwicklung gebracht. Sie zählte zahlreiche Schiffe
und sogar Galeeren, und blieb nicht immer im Hafen von Galli-
polis, den der siegreiche Sultan mit zwei Schlössern, von denen
eines nur hätte renoviert zu werden brauchen, versehen hatte *').
Bei Kriegsgelegenheit wurden aufserdem durch Olaken ^) aufs
eiligste Fahrzeuge aus Privatbesitz requiriert, und auch die Be-
mannung bestand zum grofsen Teile , neben den Asapen , zu
denen man Türken und Christen durch Bekanntgebung der Sold-
Corfü) : „questi maistri bresani, li quäl son omini che fano de scarte (sie) loro
chosse inchredibil, ciie con maistri grezi non e posibel far tal opere."
1) Barletius, Scutari, fol. 317 v°.
2) Cod. lat. monac. 14668.
3) Nürnberger Archiv S. 11, R i, Nr. 17, fol. 131 ff.
4) „11 suo bastone di ferro"; Brief des Sekretärs Malatestas in Sansovino
fol. 249 yo.
5) Barletius, Scutari, fol. 320 vo. Über die Fahnen s. auch Dethier-
Hopf III, S. 259 (Pusculus).
6) Chron. F. 33, fol. 122.
7) Nachrichten aus Konstantinopel, 5. Dezember 1499, in „Capi del Cons.
di X, lettere dei rettori, Candia": „Li Olachi ogni di vano et viene reccogliando
maran^oni.''
230 Erstes Buch. Neuntes Kapitel. Mittel und Ziele des Reichs usw.
bedingungen und mög'lichst weitgreifende Einberufung- gewann *),
aus Leuten, die unfreiwillig' an Bord gebracht worden waren ^),
Die Schiffe segelten nur bei Vollmond von Gallipolis aus ^).
Diese Flotte erzwang die Unterwerfung mehrerer Inseln und trug
zur Einnahme von Kaffa und Negroponte, von Sinope und Trape-
zunt bei. Sie beherrschte auch das Schwarze Meer, war aber
trotz imponierenden Auftretens nicht imstande, selbständig gegen
den Feind vorzugehen ; nicht einmal die moldauischen Häfen ver-
mochte sie 1462 und 1475 einztmehmen, weil die Mitwirkung
eines Landheers fehlte. Gegen die Venezianer, deren Furcht
vor ihr entschieden übertrieben war, wagte sie es nicht, sich in
einen Kampf einzulassen. Die gesamte Seemacht des Sultans
erwies sich 1480 nicht stark genug, die Einfahrt zweier Hilfs-
schiffe des Westens in den Hafen von Rhodos zu verhindern.
Und ungestört konnte die christliche Union die beiden Jahre
1472 und 1473 hindurch an der asiatischen Küste nach Belieben
ihr Wesen treiben.
i) Sathas VI, S. 135: „La quäl porta comandamento al flamburar preditto
chel facesse far una crida che tutti quelli nostri, Turchi come christiani, che vora
andar sopra l'armata del Signor con suo pagamento, se debia metter in ordine."
2) Vgl. „Mon. Hung. Hist." V, S. 241 : „Coramandamento che tutte le navi
et navigli piccoli et grandi fossero retenute per suo nome"; S. 243: „Furono
armate de molte fuste et galee et la major parte per forza, perfmo a togliere
gli homini per forza da casa."
3) Sathas a. a. O. ; auch S. 137.
Zweites Buch.
Festsetzung der endgültigen Grenzen des
osmanischen Kaiserreiches von Bajesid IL
bis unter Soliman IL
Erstes Kapitel.
Periode der Ruhe nach den Stürmen der Eroberung.
Bajesid II. Seine Einsetzung. Kampf mit seinem
Bruder Dschem und dessen Schicksal.
Mohammeds tapferer ältester Sohn, Mustafa Sultan, war dem
Vater im Tode vorangegangen , während der Kämpfe mit den
Karamanen ; nach einem letzten Angriffe auf diese Feinde seines
Hauses war er gestorben, angeblich ein Opfer der Freuden der
Polygamie ^). Ein anderer Sohn, Alaeddin, ruhte damals bereits
im Mausoleum der Osmanen zu Brussa ^). Von den zwei übrig-
gebliebenen war Dschem, der Freund der Dichter, der selbst in
die Geheimnisse morgenländischer Poesie eingeweiht war, zwar eben-
falls ein wollüstiger und im übrigen grober und schwerblütiger
Charakter; er schielte und litt, sehr jung schon — er zählte
erst 28 Jahre — , wie sein Vater an Fettsucht, aber dennoch hatte
ihn dieser mehrmals mit Staatsgeschäften von der gröfsten Be-
deutung betraut; so hatte er 1472 während des Zuges des Sultans
nach Asien die europäischen Besitzungen verwaltet und beschützt.
Er war Mustafa im karamanischen Sandschakat gefolgt. Hier
lebten aber nach wie vor starke partikularistische Neigungen und
Bestrebungen , und die ehrgeizigen Grofsen in Konieh sahen in
Dschem gleichsam eine neue Verkörperung der karamanischen
Unabhängigkeit. Da nun der neue Wesir Mahmud, der, vielleicht
nach der karamanischen Traütion, welcher der seldschukische
1) Gesandtschaftsbericlil in Alberi, Relazioni VI, S. l8: „Per troppo usar
con le donne."
2) Seadeddin II, S. 290.
334 Zweites Buch. Erstes Kapitel.
Kaiser noch näher stand, im osmanischen Staatswesen manche
Neuerungen durchgeführt hatte, selbst diesen Gegenden ent-
stammte, so dachten viele, dafs er mit dem alten Sultan überein-
gekommen sei, zum Nachteile des älteren Bruders Bajesid Dschem
die Thronfolge zu sichern. Auch war Dschem während der
Regierungszeit des Vaters geboren und folglich der einzige
Porphyrogenet.
Bajesid, der 1481 schon ein Alter von 34 Jahren erreicht
hatte, war ein hoher, schlanker Mann von dunkler Gesichtsfarbe,
mit melancholischen Augen und schwermütigem Ckarakter, der
den Krieg nicht liebte, aber dennoch Disziplin zu erzwingen
verstand, seine Krieger achtete und sie mit Gaben zu überhäufen
gewohnt war. Darum liebten ihn die Janitscharen, wie die
Gelehrten und Künstler den jüngeren Dschem, als einen Bengi,
einen O7covdalog ^) , mit ihrer Liebe beschenkten. Er war Sand-
schak von Amasieh im fernen Osten, und sein Vater schien ihn
absichtlich hintenanzusetzen ^).
Keiner von den Prinzen war im Lager von Tckkiur anwesend,
obgleich beide sich für den neuen Zug bereit hielten. Aber die
Söhne beider weilten als Geisel in Konstantinopel im Serail des
Grofsvaters: Bajesids Sohn, Korkud, war bereits ein Jüngling,
während Kaigub-Schach, der Sohn Dschems^), noch in den Kinder-
jahren stand. Der erstere stand in freundschaftlichen Beziehungen
zu dem Aga der Janitscharen, der seine Schwester geheiratet hatte,
und zu dem zum Islam übergetretenen Cherzekogli Ahmed-
Pascha, ferner zu Isak-Pascha, der sich bald als Wesir an der
Spitze der Empörung befinden sollte *).
Der Kampf um die Nachfolge des grofsen ersten Kaisers
der Osmanen, des Begründers des Reiches, konnte nicht aus-
bleiben. Keine feste Regel, keine allgemein angenommene Über-
lieferung, keiner der Kanuns Mohammeds regelte die wichtige
Frage. Selbst an der lechtsmäfsigen Notwendigkeit der Reichs-
einheit durfte man zweifeln und für Teilung der Herrschaft
1) Vgl. Leunclavius Sp. 624.
2) Siehe das von Gritti entworfene Bild in Alberi a. a. O. S. 19 ff.
3) Leunclavius Sp. 625. 4) Brief des Sekretärs Malatestas.
Periode der Ruhe nach den Stürmen der Eroberung. Bajesid II. usw. 335
zwischen den „feindlichen Brüdern" Gründe finden. Aber die
alte Norm der Byzantiner, die noch im ii. Jahrhundert von
Kekaumenos dahin formuliert worden war, dafs der Besitz der
Hauptstadt über den Besitz des Reichs entscheide, war auch unter
den Osmanen gültig-. In Stambul befand sich die von Mohammed
ausgiebig gefüllte Khasna ^), die Schatzkammer, und nur durch
verschw^enderisch ausgeteilte Aspern konnte sich ein Osmane
wirklich und dauernd der Treue der bereits von dem nun hin-
g-etretenen Kaiser so geschulten Janitscharen versichern -).
Einige Tage vermochte der Wesir die Truppen zu täuschen,
indem Sklaven die Arme des Herrschers , aus dem das Leben
geflohen war, grüfsendc Bewegungen ausführen liefsen. Als die
Krieger aber den Tod ihres ,, Vaters" und ,, Herrn" erfuhren,
brachen sie in oftenen Aufruhr aus. Das Ereignis machte sie frei
und öffnete der wildesten Anarchie Tür und Tor. Das Reich kannte
ja keine Gesetze, keine althergebrachten Thronfolgesitten; der
Islam ist keine Religion der gesellschaftlichen Pflichten und der
Schonung für Person und Habe des Nächsten , schon weil
Almosenausteilen im Interesse der eigenen Seele keine aut-
richtige Menschenliebe bedeutet. Wie 145 1, und schlimmer
noch, kam es zu Verbrechen und Greueln. Der Wesir Mahmud
wurde mit der Verachtung einer wilden Soldateska einem fried-
lichen Rechtsgelehrten und Organisator gegenüber hingemordet;
viele Agas erfuhren dasselbe Los. Den für die Bedürfnisse des
Heeres bestimmten Schatz teilten die Aufständischen , die statt
der Aspern nun Dukaten bekamen, unter sich auf. Die Leiche
des siegreichen Kaisers in ihrer Mitte, zogen die wütenden
Scharen auf Konstantinopel, das in dumpfem Schrecken sein
Los erwartete; die aus tausend Janitscharen bestehende Besatzung
der Stadt begrüfste die Genossen mit Frohlocken. Ein neues
grofses Blutbad wurde angerichtet, durch das die Partei Dschems
i) „Immensum thesaurum a patre in ea [Constantinopoli] constitutum" ; Brief
des Grofsmeisters von Rhodos, cod. lat. monac. 414, fol. 83; auch in italienischer
Übersetzung bei Thuasne S. 391 — 398.
2) Vgl. den Brief des Grofsmeisters von Rhodos : „Victoriam autem quam
consecutus est frater, ne populorum quidem benivolencia, sed erarii pocius paterni
ope accidisse credimus."
336 Zweites Buch. Erstes Kapitel.
beinahe ganz verschwand. Viele Christen und Juden, auch fremde
Matrosen wurden in Mitleidenschaft gezogen; aber, dem ver-
breiteten Gerüchte , dafs man den Bailo gefangengesetzt habe,
zum Trotz, wurden die Venezianer allein verschont ^), dank Cherse-
kogli, der bei Lebzeiten seines Vaters Stipan zum ,,gentiluomo"
der Republik geworden war. Manche flüchteten nach
Pera. Korkud verteilte an die Verschworenen ,,vil Tausend
Guldin" und wurde schnell als Stellvertreter des abwesenden
Vaters anerkannt. Zwar ,,ettlich mayneten auch, der Son werd
den Vätter nit einlassen", doch hielt Bajesid II. schon nach
sechs Tagen, am 20. Mai 148 1, als heifs ersehnter Wiederher-
steller des Friedens und der Sicherheit seinen Einzug in die
Hauptstadt ^). Seine erste Sorge war, dem Vater im Garten der
Mohammedieh in Konstantinopel eine Ruhestätte zu bereiten;
so wurde der Fatih der erste Sultan , der aufserhalb der ehr-
würdigen Mauern Brussas sein Grab fand ^).
Dort in Brussa aber erschien, von einigen tausend Asapen
und Karamanen umgeben, sein Bruder Dschem, dem Bajesids
Wunsch wohl ebenfalls gern die Ehre eines kaiserlichen Be-
gräbnisses gegönnt hätte. Bajesid ging sogleich nach Asien
hinüber und stellte ihm die Janitscharen entgegen ; Gedik-x^chmed,
der tapfere und erfahrere Eroberer Kaffas und Otrantos , war
i) Siehe einen venezianischen Brief, ins Deutsche übersetzt, im Innsbrucker
Archive, Sigmund I, 12: „aussgenommen was den Venedigeren zustelt; die sindt
beschirmt worden".
2) Vgl. Seadeddin und Leunclavius — die italienische Übersetzung
schliefst mit dem Tode Mohammeds ab — Sp. 593, 618, und dieselbe osmanische
Chronik nacli der französischen Version in Thuasne S. 33ff. (ms. fr. der Bibl.
Nationale 6075); s. auch die Übersetzung von Garcin de Tassy im „Journal
Asiatique'- IX, 1826, S. I53ff. (vgl. VII, S. 129«.; VIII, S. 306 ff., 34off.); die
Erwähnung in den Briefen des venezianischen Capitaneo von Nauplion; Sathas
VI, S. 163 — 164; den deutschen eben zitierten Brief; den oben angezogenen Brief
des Grofsraeisters von Rhodos.
3) Über den Tod Moliammeds ist eine lateinische Klage erhalten: „Quinti
Emiliani Cimbriatis poete epitaphium in magnuni Machumetem. Turcliorum regem ;
familiaris regis Turcorum, Italus, christianus" ; cod. lat. monac. 904, fol. I ff. Darin
die Zeilen: „Mens erat Ausoniam Turcorum iungere regnis Et bellare Rhodon,
sed cita mors vetuit."
Periode der Ruhe nach den Stürmen der Eroberung. Bajesid II. usw. 237
von Otranto her an seine Seite geeilt, um nun einer der
Wesire des neuen Sultans zu werden. Der Ausgang- des
Kampfes war von vornherein entschieden. Dschem wurde bei
Jenischehr (am 22. Juni) vollständig besieg-t; die zahlreichen
Gefangenen unverzüglich geköpft. Von Bajesid verfolgt, glückte
es dem sich flüchtenden Prätendenten mit genauer Not , sich
nach seinem Konieh durchzuschlagen, um seine Familie, Mutter,
Sklavinnen, Sohn und Tochter an sich zu ziehen und sich
dann als verzweifelter Flüchtling ins Gebiet des Sudans zu
begeben.
In Ägypten, beim Hofe des Sudans, des Nebenbuhlers
der von ihm verachteten Osmanen, duldete es Dschem nur
kurze Zeit. Nachdem er eine Pilgerreise nach Mekka unter-
nommen hatte, ging er zu den Turkomanen in das ehemalige
Königreich Klein-Armenien um Tarsus und Adana zurück und
fand von da den Weg nach Karamanien , wo ihn der immer
noch hoffnungsfrohe Kasum erwartete. Im Bunde mit diesem
hartnäckigen Verteidiger der alten Ansprüche seines Geschlechts
brach Dschem rachedürstend in das Land ein. Aber der Wesir
Gedik, der jetzt in Konieh residierte, war von den Bewegungen
Dschems sehr wohl unterrichtet. Um eine Schlacht zu vermeiden,
begab er sich ins kaiserliche Lager nach Brussa, wo die Jani-
tscharen versammelt waren.
Und Dschem war in der Tat nicht imstande, seinen angeb-
lichen Sieg auszunutzen; er verschwand sehr bald mit einer
kleinen Schar, ohne Kasum von seiner Flucht zu benachrichtigen,
nach den zilizischen Pässen.
Sofort brach Bajesid auf, um ihn in seine Hände zu bringen.
Es scheint, als ob die Offiziere des Soudans dem armen umher-
irrenden Prinzen diesmal den Eintritt in Syrien verweigert hätten,
so dafs er mit den 1480 von seinem Vater angegriffenen und
geschädigten Johannitern von Rhodos in Unterhandlungen treten
mufste, um bei ihnen wenigstens sicheres Obdach zu fmden.
Natürlich kam der Grofsmeister d'Aubusson dem Zuflucht
suchenden mit der gröfsten Freude entgegen und liefs ihm einen
förmlichen Freipafs ausstellen.
Ende Juli 1482 schiffte sich Dschem auf einem der ihm
238 Zweites Buch. Erstes Kapitel.
g-eschickten Schifte ein und traf am 29. Juli in der Stadt Rhodos
ein, wo eine j^rofse neugierige Menge auf ihn wartete '). Nach
einigen Tagen brachte man Dschem dann nach „Frengistan", wo
er während und nach den gebräuchhchen Verhandhmgen mit dem
französischen Könige in verschiedenen Schlössern des Ordens
gefangengehalten und bald auch von seinem Gefolge getrennt
wurde ^).
Der Aufenthalt eines unglücklichen türkischen Prätendenten ^)
an einem christlichen Hofe hatte nichts Neues und Befremdendes.
Im Konstantinopel der Rhomäer, im Ungarn Hunyadys waren
Sultanssöhne unter ähnlichen Umständen aufgetaucht; wenn der
Asyl Gewährende in freundlichen Beziehungen zum herrschenden
Sultan stand, nahm er die Verpflichtung auf sich, den Flüchtling
nicht fortzulassen, und empfing eine jährliche Summe für dessen
Unterhalt. So wurde denn auch zwischen Bajesid und dem
Grofsmeister noch vor Ablauf des Jahres ein Vertrag abgeschlossen,
der die Höhe dieser Summe auf 45000 Dukaten festsetzte*).
Kraft dieses Übereinkommens führte Dschem fortan im ent-
fernten Westen ein für ihn als Dichter nicht uninteressantes
1) Brief des Grofsmeisters vom 5- August 14S2 — vgl. Paoli, Codice diplo-
matico II, S. 411 ff. — , der ihn folgendermafsen beschreibt: ,,Consilio acrem, viribus
strenuum, corpore forti prestantem", während ihm Bajesid II. als ein ,,perfidus
imbellisque", ein „insolens", ein Hascher nach Reichtümern galt. Eine reicher aus-
geschmückte Erzählung, nach mehreren türkischen Quellen in Hammer, und daraus
in Thuasne S. 52 ff. Der von ihm S. 54, Anm. 2, zitierte Angiolello hat aber für
diese Begebenheiten keinen grofsen Wert. Die älteren osmanischen Quellen, Leun-
clavius Sp. 593 ff. , 618 ff. , sind zuverlässig. Auch in den Johanniterchroniken
und -akten , Bosio, Caorsin, in Burchards Diarium, Ausg. Thuasne, ist,
was Einzelheiten betrifft, manches zu finden. Von abendländischen Quellen ist
die schon von Zink eisen benutzte Clironik des Navagiero, dann die von Parma
und der Brief des Sekretärs Malatestas anzuziehen; vgl. auch „Mon. Hung. Va-
ticana" a. a. O. S. 175.
2) Thuasne a. a. O.
3) Über einen angeblichen Bajesid, einen Sohn Murads, der damals in Europa
umherirrte, s. Thuasne S. 103, Anm. i. Er sagte aus, von den Christen noch
1453 gefangengenommen und nach Rom übergeführt zu sein.
4) Paoli II, S. 4i9ff. ; „iW« UavSojQn" (mir unzugänglich) S. 563 ff. Vgl.
Thuasne S. 81 ff.
Periode der Ruhe nach den Stürmen der Eroberung. Bajesid II. usw. 239
Leben von Liebesabenteuern — ,,li soliti soi piaceri", schreiben
einmal die Venezianer ') — , von feierlichen Einzüg-en in ver-
schiedene Städte, von zu vereitelnden Verschwörung-en und Nach-
stellungen und literarischer Beschäftigung- 2). ]S[^J- gelten fand er
Gelegenheit, an seine Mutter, eine ,, Prinzessin von serbischem
Blute", und an die in Asien oder in Rum weilenden Freunde
Schreiben zu richten, um sich ihnen aus seinem Unglücke und
seiner Einsamkeit in empfehlende Erinnerung zu bringen. Gern
hätte ihn der König von Ungarn in seine Hände bekommen,
um ihn in seinem bis 1483 sich hinziehenden Kriege mit Bajesid
und auch nach demselben ebenso zu benutzen, wie es sein Vater
mit Tschelebi verstanden hatte ^). Doch waren alle Anschläge,
Dschem zu entführen und nach Ofen zu bringen, vergeblich.
Eine an den König von Frankreich abgeschickte Gesandtschaft,
mit dem Bischöfe von Grofswardein an der Spitze , vermochte
1487 ebenfalls nichts auszurichten, obgleich sie mehrere Monate
bei dem Könige zubrachte. Auch die Bestrebungen des neapolita-
nischen Königs, sich des osmanischen Prinzen zu versichern,
waren erfolglos ■*). Seinerseits wies Venedig, dem einzig am
Fortbestand des Friedens gelegen war, jedes Anerbieten, den
osmanischen Prinzen in seine Obhut zu nehmen, von sich;
schon im September 1482 hatte es auf die Nachricht, dafs
Dschem in Rhodos sei, seinen Offizieren Befehl zukommen
lassen, sich in die Streitigkeiten um die Erbschaft Mohammeds
nicht einzumischen *). Die Signoria sah in der Frage nach dem
Schicksal des Prätendenten eine natürliche Lösung nur darin,
dafs er dem Papste ausgeliefert werde , vergafs aber nicht, Nach-
richten über den Aufenthaltsort und das Befinden des Prätendenten
durch den Bailo nach Konstantinopel gelangen zu lassen ^).
1) „Mon. Hung. Hist." VII, S. 151.
2) Der Florentiner Francesco Berlinghieri widmete ihm sogar ein
geographisches Werk.
3) „Mon. Hung. Hist." VI, S. igf., 2ioff., 219—220, 28off., 340; VII,
S. 6 ff., 25 ff., 36 ff., 151 ff.
4) Siehe Thuasne S. 144 ff.
5) „Mon. Hung. Hist." VI, S. 18 — 19; vgl. S. 59, 299.
6) Ebenda S. 28off., 343—345, 350—351, 429-
S40 Zweites Buch. Erstes Kapitel.
Als aber der neue König Karl VIII., eine krankhaft romantische
Natur, in dem etwas vom Gemüt des tollen, aber tadellos ritter-
lichen und sehr tapferen Karl VI. wieder aufzuleben schien,
einen grofsen italienischen Zug" plante, um in Neapel und Mailand
die Rechte der Anjous und Orleans zur Geltung- zu bringen,
um dann die traditionelle Politik der neapolitanischen Dynasten
der Balkanhalbinsel gegenüber in Gestalt eines neuen Kreuz-
zuges wieder aufnehmen zu können, verweigerte dieser König
die i\.uslieferung des so nützlichen Dschem hartnäckig *).
In Wirklichkeit hatte Dschem nur noch einmal einige Aus-
sicht, den Thron der Osmanen zu gewinnen, als Bajesid, durch
Ränke Isaak-Paschas angestachelt und seit langem schon auf
Gedik-Achmed eifersüchtig, den Entschlufs fafste, diesen hoch-
verdienten und bei den Truppen sehr beliebten Mann durch
Mord zu beseitigen. Zwar mifslang der erste Versuch, ihn nach
einem festlichen Schmause, bei dem reichlich süfser und ge-
würzter Wein geflossen war, niederzuschlagen, infolge einer neuen
Empörung der Janitscharen, die in der Nacht den Palast er-
stürmen wollten ; aber Bajesid gab seine Rachegedanken nicht
auf, und Ende 1482 fiel Gedik unter den Händen der Henker ^).
Gleichzeitig wurden einige Sandschaks, die ihm ergeben zu sein
verdächtig waren, von ihren Plätzen abberufen und mufsten
fürchten, desselben harten und unverdienten Loses teilhaftig zu
werden ^). Damals machte einer von ihnen, der moreotische
Statthalter, seinem venezianischen Nachbar in Nauplion unter dem
Siegel der Verschwiegenheit die Eröffnung, dafs viele osmanische
Magnaten dieser sinnlosen Tyrannei eines Fürsten, der die alten
Pfade des Sieges verlassen habe, überdrüssig seien und die
Erscheinung Dschems auf Reichsboden unbedingt eine allgemeine
Erhebung verursachen werde ^). Später aber hatte der von den
meisten bald ganz und gar vergessene Flüchtling jede politische
Geltung verloren, mochte der grüblerische und willenskranke
Bruder ihn oder vielmehr sein Gespenst aueh immer noch
i) „Mon. Hung. Hist." VI, S. 299, 302 ff.
2") Leunclavius Sp. 622 ff.
3) Sathas VI, S. 209.
4) Ebenda.
Periode der Ruhe nach den Stürmen der Eroberung. Bajesid II. usw. 341
fürchten und in dieser Besorg^nis eine Entschuldigung für sein
Verbleiben in der Residenz, für die Unterbrechung der Reichs-
kriege in Europa finden.
Endlich, nach langen Verhandlungen wurde Dschem Anfang
1489 vom französischen Könige dem Papste ausgeliefert. Am
13. März hielt er seinen feierlichen Einzug- in Rom, wo ihn
Innozenz V^III. in öffentlicher Audienz empfing: den entwürdigenden
Zeremonien des römischen Hofes fügte er sich nicht und nickte
dem Heiligen Vater, dem er zur allgemeinen Verwunderung
weder den Schuh noch die Hand , sondern , wie auch
den anwesenden Kardinälen, nach morgenländischer Sitte den
Arm küfste, kaum zu ^). In privater Verhandlung soll er von
dem neuen Beschützer die Erlaubnis verlangt haben, sich wieder
nach dem Morgenlande zu seinen Verwandten und Freunden
begeben zu dürfen. Man wies ihm eine gut bewachte Wohnung"
im Vatikan an, den sein Vater Mohammed einst als Sieger zu
betreten geträumt hatte, um der gesamten Priesterschaft den
Fufs auf den Nacken zu setzen. Hier gewährte man ihm in
seinem faulen, Vergnügungen allerart ergebenen Leben allen
Vorschub : für viele hohe Beamte der Kurie und manche Künstler
Seiner Heiligkeit war der kleine, dicke Mann mit seinen sprung--
hatten Bewegungen ein Gegenstand des Interesses, weil er nach
ausgiebigstem Schlafe fünfmal am Tage zu speisen, dabei mit
untergeschlagenen Beinen dazusitzen, die Bissen mit den Händen
zu nehmen, sich an süfsem Weine zu berauschen, die Diener-
schaft mit Schlägen und Schwerthieben zu züchtigen und wilde
Musik und bald traurige, bald einer vergänglichen Liebe gewidmete
unverständliche Verse zu machen pflegte ^). Wieder wetteiferten
viele Fürsten um den Besitz seiner Person, und der Papst dachte
mehrmals daran , seinen Gefangenen an den Sultan von Kairo,
der seit einigen Jahren mit Bajesid im Kampf lag, zu verkaufen,
während beständig Agenten des Bruders nach der Gelegenheit
suchten, ihn zu vergiften. Aber weder die Giftmischer, noch die
1) Thuasne S. 2270".
2) Ebenda S. 244 ff.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. U. 16
243 Zweites Buch. Erstes Kapitel. Periode der Ruhe usw.
Unterhändler, die ihn durch bedeutende Summen Geldes in ihre
Gewalt bekommen wollten, erreichten ihr Ziel; die Römer sahen
diesen ihren Gast auch unter dem neuen Papste, Alexander VI.
Borgia, Seine Heiligkeit bei deren glänzenden Umzügen durch
Rom begleiten ; des Papstes Sohn Giovanni befreundete sich
sogar mit dem unglücklichen Fremden und erlernte von ihm
die wichtige Kunst, sich einen kostbaren Turban um den Kopf
zu wickeln; Dschem trat auch in christliche Kirchen ein, ohne
seine majestätische Gleichgültigkeit einzubüfsen.
Als endlich König Karl VIII. in Italien einfiel , um den
ehrgeizigen Traum, die Würde eines neuen lateinischen Kaisers
in Konstantinopel zu erringen, seiner Verwirklichung näher zu
bringen, wurde Dschem im Schlosse S. Angelo unter guter
Wacht gehalten. Denn jetzt verlangte Bajesid von dem in Ver-
giftungsafifären sehr erfahrenen Papste, dafs er ihm den Bruder
auf die bekannte Weise endlich vom Halse schaffe. Und als
der in Rom einziehende König das langjährige Opfer einer
skrupellosen und grausamen europäischen Diplomatie wirklich
(Januar 1495) in seine Hände bekam und Dschem seinen neuen
Besitzer auf dessen italienischem Kriegszuge begleiten mufste,
erkrankte er in der Tat, angeblich an einem Katarrh, und erlag
ihm am 25. Februar, so pünktlich, als wenn ihm die er-
fahrensten Hände Gift kredenzt hätten. In bleiernem Sarge
überlieferten die königlich neapolitanischen Beamten, die mit dem
Schlosse von Gaeta auch diese willkommene Beute in ihre
Gewalt bekommen hatten, im Hafen S. Cataldo den Toten den
Gesandten Bajesids, ohne jede Vergütung von dessen Seite, nur
um sein Wohlwollen zu gewinnen. Die Gebeine des jüngeren
Sohnes Mohammeds ruhen jetzt in der Grabmoschee von Brussa.
Sein Sohn Kaigub-Schach war von Bajesid schon längst beseitigt
worden ^). Ein anderer Sohn, Murad, und dessen Nachkommen-
schaft fristeten in Rhodos ihr Dasein ^); Murad hatte heimlich den
christlichen Glauben angenommen.
1) Leunclavius Sp. 625.
2) Thuasne S. 389.
Zweites Kapitel.
Reichspolitik unter Bajesid II. Asiatische
Verhältnisse.
Solange sein Bruder in der Ferne unter christlichen
Feinden oder unsicheren Freunden weilte, solange der Soudan,
ein niemals rastender Rival, diesen wieder an seinen Hof zu
bringen bestrebt war und einige Mifsvergnügte noch an den
Flüchtling dachten, führte Sultan Bajesid — und angeblich aus
diesem Grunde — ein Leben, das dem seines Vaters im höchsten
Grade unähnlich war und bei den Truppen, die an ihren jähr-
lichen Kriegszug gegen die Christenheit und an Glück, Ruhm und
Beute daraus gewöhnt waren, Entfremdung, Verachtung, Hafs
und offenen Aufruhr auslösen mufste.
Der Grofsmeister von Rhodos, der 1480 dem grofsen
Mohammed selbst Trotz geboten hatte und siegreich aus dem
hartnäckigen Kampfe hervorgegangen war, hatte gewagt, den
„Verräter" Dschem auf seine Schiffe zu nehmen, ihn in seiner Re-
sidenz zu beherbergen und dann als eine ewige Drohung gegen den
Sultan, der im Verdachte stand, den mifslungenen ersten Versuch
gegen die Insel erneuern zu wollen, in den westlichen Schlössern
des Ordens festzuhalten. Ein anderer osmanischer Herrscher
hätte nicht gezögert, dieser Herausforderung zu antworten ; statt
dessen hatte Bajesid, wie erzählt, ruhig sich auf Verhandlungen
mit dem stolz genug auftretenden Gesandten des Ordens ein-
gelassen und einen Freundschaftsvertrag abgeschlossen. Und
pünktlich wurde die Pension Dschems an den Grofsmeister ent-
richtet, wie später, als Dschem sich in dessen Händen befand,
an den Papst. Ja die rhodischen Quellen versichern, dafs, als
16*
344- Zweites Buch. Zweites Kapitel.
im Hafen von Gallipolis Arbeiten zur Erbauung einer neuen
Flotte begannen, der Orden nicht verfehlte, von einem Friedens-
bruch, sei es auch anderen, z. B. dem König von Neapel gegen-
über, abzumahnen und der Sultan, um nicht noch einmal mit
dem Bruder kämpfen zu müssen, diesen Einreden jedesmal Gehör
schenkte und seine Vorbereitungen unterbrach. So vermochten
die Johanniter nicht nur sich selbst vor Angriffen zu sichern
und ihre Herrschaft in diesen türkischen Gewässern bis weit ins
i6. Jahrhundert hinein aufrecht zu erhalten, sondern hatten das
Verdienst, die ganze katholische Welt vor einem neuen Über-
falle zu bewahren.
Der Soudan, der den flüchtigen Dschem zwar aufgenommen
und ihm Gefälligkeiten erwiesen hatte, ohne ihm doch seine
Mameluken zum Wiedereroberungskampfe zur Verfügung zu
stellen, war ein alter Feind des Reiches; gegen ihn hatte
Mohammed seinen letzten Kriegszug richten wollen. Um seine
Sympathie für die Sache Dschems zu bezeugen, verlobte Kaitbai
1496 seinen Erben Mohammed mit einer Tochter desselben ').
Jenseits des Taurus genofs die osmanische Macht nur
geringe Schätzung; der grofse Kaiser ,,des ganzen Ostens und
Westens", der ,, Herrscher der Herrscher", wie sich Bajesid
nannte, war hier nichts als der kleine Dynast von Rum. Denn
der Soudan, der Herr über Syrien und Ägypten, nannte sich
auch Kalif, in ihm war die höchste politische Stellung mit
religiösem Prestige vereinigt.
Auch diesem hochmütigen mosleminischen Nebenbuhler
gegenüber konnte sich Bajesid, obgleich er schon 1484 feierlich
von seiner Absicht, den ,, ehemaligen Untertan des Reiches, der
sich aus unbekannten Beweggründen empört hatte, wieder zu
unterwerfen" '^), gesprochen hatte, zu keinem entscheidenden
i) Thuasne S. 388—389.
2) „Rex Soldanus, qui tempore patris nostri defuncti nostro subditus erat
Imperio, nunc, quoquo ductus motivo , a nobis se avertit, quem iterato nostre
potentie subdere oportet"; Brief an König Matthias, „Mdtyas Kiraly Levelei" II,
S. 286.
Reichspolitik unter Bajesid II. Asiatische Verhältnisse. 245
kriegerischen Vorg-ehen entschliefsen : zwar besetzten seine Grenz-
beamten das Gebiet von Adana und Tarsus, wo Dschem 1482
Zuflucht gesucht hatte und Scharen unruhiger Turkmenen be-
ständig unter syrischem Schutze ihr Wesen trieben '). Zwar
verschwand Kasum-beg, ohne dafs wir von den näheren Um-
ständen Wülsten, durch Verrat ^) und die osmanische Herrschaft
dehnte sich wieder über ganz Karamanien aus ^). Aber als der
Soudan 1485 angegangen wurde, die Mutter Dschems, die nicht
müde wurde, ihren Sohn in das Land seiner Erbschaft und
seiner Rechte zurückzurufen, auszuliefern, und das Verlangen
stolz ablehnte, da ergriff Bajesid, der eben von seiner erzwungenen
Unternehmung gegen die moldauischen Häfen (1484) zurück-
gekehrt war, keinerlei Mafsnahmen, um die beleidigte Ehre des
Osmanentums zu rächen. Und eine Gesandtschaft des indischen
Melik Beckmen an den Nachfolger des grofsen Mohammed
durfte gleichfalls ohne Sühne von den Leuten des Soudans auf-
gehalten werden *).
Da begannen i486 die Syrier, von den Uzbegen des Taurus
gerufen, ihrerseits den Angriff. Wiederum besetzten sie das
frühere Klein-Armenien mit allen seinen Festungen. Um ihnen
den Weg abzuschneiden, kam nicht etwa Bajesid selbst; vielmehr
versuchten es der Beglerbeg von Asien, Karagöz, der Sandschak
Musa-beg und des Sultans Schwiegersohn Ferhad. So verblieb der
Sieg den Kriegern des Soudans; die beiden letztgenannten os-
manischen Führer fanden in einer noch im Frühling stattfindenden
Schlacht den Tod ^). Gleichzeitig wurden die Akindschis des Isken-
der Michalogli, als sie sorglos durch das Gebiet von Sulkadr da-
hinritten, von dem ehemaligen Schützlinge Alaeddewlet, der seit
langen Jahren schon zu einem Feind der Osmanen geworden
war, überrumpelt und in die Flucht geschlagen ; Iskender selbst
fiel mit seinen beiden Söhnen in die Hand des Gegners und
einer derselben, Michal, ein Opfer persönlicher Rache, wurde
i) Leunclavius Sp. 629.
2) Ebenda Sp. 645. 3) Ebenda Sp. 594.
4) Nach Bosio, Thuasne S. 134 — 135; Hammer I, S. 632 ff.
5) Leunclavius Sp. 596.
346 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
geköpft. Sein Bruder Jakschi bekam die Freiheit wieder, der
Vater aber mufste länger als vier Jahre in den Gefängnissen
Kairos schmachten ^).
Aber auch jetzt trat der Sultan, den seine Bauten in
Konstantinopel beschäftigten, den Ägyptern nicht persönlich
entgegen ; vielmehr wurden die Spahis Rums unter Mohammed,
dem Sohn Kisrs, sowie die Anadols unter Karagöz dem obersten
Befehl Achmed Chersekoglis, als des besten Feldherrn des
Reiches, anvertraut und ihm 300 Janitscharen beigegeben. Doch
auch er war nicht glücklicher; im Felde von Tschukur wurde
Achmed geschlagen und gefangen genommen ^).
Als endlich, im selben Jahre i486, ein dritter Feldzug, an
dem die von der Donau herangezogenen Truppen und sämtliche
asiatischen Kräfte unter Führung des Wesirs Daud und des
neuen rumischen Beglerbegs Ali Hadum teilnahmen, die Unter-
werfung des Fürsten von Sulkadz erzwungen und auch das
Gebiet des Turkmenen von Warsak, zwischen Adana und Eregli,
für das Reich gewonnen hatte, traf ein Olak mit einem Briefe
des Sultans ein, der den Rückzug des Heeres anordnete ^). Mit
dem Soudan war Friede oder vielmehr Waffenstillstand ge-
schlossen worden (1487) ^).
. Aber schon im Frühling des folgenden Jahres 1488 wurden
die asiatischen Streitigkeiten um den Besitz Klein-Armeniens —
in Karamanien war ein Enkel Kasums als Rebell aufgetreten
und durch die Rückkehr Budaks, des Bruders Alaeddewlets, aus
Ägypten war auch der Besitz von Sulkadr wieder streitig ge-
worden — neu eröffnet. Diesmal traten ung-ewöhnlich starke
Truppenaufgebote in Tätigkeit. Unter dem Wesir Ali-Hadum
und den beiden Beglerbegs, Chalil von Rum und Sinan von
1) Leunclavius Sp. 628 — 630. Eine einzige Erwähnung in den abend-
ländischen Quellen; „Mon. Hung. Hist.'' VI, S. 89 — 90.
2) Leunclavius Sp. 596, 630 — 631.
3) Ebenda Sp. 596 — 597. Vgl. Angiolello, Pariser Handschrift, fol. 27,
148 v". Über die „tapferen, gefährlichen Leute von Warsak" ebenda, fol. 15.
4) Die Nachricht dieses Friedens vom Januar 1487 in abendländischen Quellen,
„Mon. Hung. Hist." VI, S. 253.
Reichspolitik unter Bajesid 11. Asiatische Verhältnisse. 347
Asien, diente, neben alten Hauptleuten des grofsen Mohammed,
Kisil, der Sohn des letzten Fürsten von Kastemuni. Das Heer
verfügte über viele Janitscharen und eine bedeutende Artillerie ;
eine Flotte, deren Ausrüstung- die benachbarten und entfernteren
Christen mit Schrecken erfüllt hatte '), folgte den Bewegungen
der Landtruppen und sollte bis Alexandrien segeln. Zum zweiten
Male wurden die bedeutenderen Festungen des einstigen klein-
armenischen Reiches erobert und neu befestigt.
Aber ein Sturm zerstreute und versenkte bei dem von ihnen
eroberten Lajazzo die Schiffe des Sultans, und gleichzeitig langten,
im August, die Ägypter und Syrier an. Als sie den Rumis gegen-
überstanden, griffen die Mameluken mit unvergleichlicher Tapfer-
keit den rechten Flügel des Feindes, wo nach osmanischem Brauche
die Asiaten standen, an und brachten ihn leicht in Unordnung. Einige
der bekanntesten Führer der Türken — ein abendländischer Bericht
spricht von drei Paschas, neun Sandschaks, zwei Schwiegersöhnen
des Sultans und vielen Tausenden Spahis — fielen im Kampf
(i6. August = 8. Ramazan). Durch den Glanz der metallenen
Teller, die auf den Rücken der Kamele befestigt waren und die
Sonnenstrahlen zurückwarfen, sollen die Spahis Europas geblendet
und getäuscht worden sein. Auch die Janitscharen, an deren
eisernem Widerstand sich der Ansturm der Feinde lange Zeit
brach, mufsten schliefslich weichen. Gegen Abend zogen sich
beide Heere zurück und fanden ihre Stellungen von Verteidigern
entblöfst: Furcht vor einem plötzlichen Angriff hatte diese
davongetrieben. Aber die Mameluken behaupteten ihr Lager,
während die Osmanen , von Turkomanen und den Leuten von
Sulkadr unaufhörlich angegriffen, bald in panischer Flucht ihr
Heil suchten. Erst unter Eregli sammelten sich die Flüchtlinge
zu einem neuen Heeresverband. Die osmanische Artillerie war
auf dem Schlachtfeld in den Händen der Gegner zurückgeblieben,
die über die Bedeutung und den Umfang ihres Sieges erst spät
durch einen Turkomanen aus Warsak aufgeklärt wurden.
Nun begann die Verfolgung, die zwar einige Tage dauerte.
i) Siehe cod. lat. raonac. 964, fol. Si ; Brief des Papstes an Raymund Peraud;
23. Januar 1487 (1488).
348 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
aber ohne Energie betrieben wurde. Adana und andere Schlösser
fielen wieder in die Hände der Krieger des Soudans '). Nicht
weniger als i8 Fahnen wurden nach Kairo gebracht und dem
Soudan überreicht. In Konstantinopel aber büfsten einige der
schuldigen Paschas für dieses Unglück mit ihrem Leben ^). Der
Soudan, dem die Schwärmer für den Kreuzzeug die Ober-
herrschaft über Zypern zu übertragen gedachten *), um eine
Union gegen die Osmanen zustande zu bringen *) , schickte an
König Matthias von Ungarn zuerst einen Ragusäer (1489), dann
1490 den Patriarchen von Jerusalem mit reichen Gaben an
orientalischen Stoffen.
Vergebens wurde im nächsten Frühling ein neues Heer
unter Daud nach Asien geschickt; der einzige Erfolg war die
Unterwerfung Alaeddewlets.
Den Sultan, der sich bis Beschiktasch begeben hatte, bewog
seine Umgebung bald, sich den ihm gemäfseren Vergnügungen
der Reise und Jagd zu widmen. Denn der Soudan hatte, un-
geachtet der im Frankenlande von ihm gemachten überaus
grofsen Anerbietungen ^), einen Beauftragten an den Hof in Rum
geschickt, und die Gesandtschaft wurde durch eine osmanische
erwidert. Durch den Frieden von 1490 erhielten dann die Türken,
obgleich sie in allen Kämpfen besiegt worden waren — eine
seit vielen Jahren unerhörte Schmach — und einen grofsen Teil
der Veteranen Mohammeds verloren hatten, Adana mit den
befestigten Plätzen im Taurusgebirge zurück; Iskender und
i) Leunclavius Sp. 599ff., 631 — 632; „Mon. Hung. Hist." VI, S. 444
bis 445; Lamansky, Secrets d'Etat de Venise, S. 279; Bosio S. 501 — 502;
vgl. Thuasne (auch nach unedierten Quellen) S. 198 — 200 ; Paoli S. 446 (Be-
richt des Grofsmeisters).
2) Vgl. auch den Bericht Grittis in Alberi, IX, S. 20.
3) Ermahnung des Bischofs Alexius von Gallipoli in Italien; „Laurentiana"',
Leop. Gadd., Nr. cxxx.
4) B o nfinius S. 471.
5) Siehe einen Brief von Villach, Frühling 1489, im Innsbrucker Archive,
P. A. XXXIX, 110: „Do entgegen welle er Seiner Heiligkhkait Jerusalem und
das Heilig Grab einantburten unnd etlich Milion Golts darzue geben." Bajesid
seinerseits soll Konstantinopel ,,und alle andre Stet so sein Vorvader unnd er
der Heiligen Romischen Kirchen abgedrungen", versprochen haben.
Reichspolitik unter Bajesid II. Asiatische Verhältnisse. 249
Achmed Hersekogli kehrten aus ihrer ägyptischen Gefang-enschaft
heim ^).
Dadurch wurde endUch in diesen vielgeprüften asiatischen
Landschaften die Ruhe wiederhergestellt; die Lage, die das
Jahr 1490 schuf, war der des Jahres 148 1 ganz gleich, nur dafs
jetzt Janitscharen auf den Höhen des Taurus Wacht hielten.
In den meisten Landschaften hatte Bajesid seine Söhne zu
Verwaltern eingesetzt: so waltete Ahmed, der Liebling des
Vaters, in Amasieh, doch waren ihm die Janitscharen nicht sehr
zugetan ; Karamanien war Schahinschah, der bald verstarb, an-
vertraut; auch Alemschah von Mentesche lebte nicht lange.
Korkud, der Reichsvikar von 148 1, ein milder Mann, herrschte
in Aidin und Sarukhan; über das ferne Trapezunt gebot endlich
Selim, ein beweglicher, von schrankenlosem Ehrgeiz beseelter
junger Mann ^).
Doch wütete schon 1499 neuer Krieg in Asien: der asiatische
Skender-Pascha wurde im Herbste mit 12 Sandschaks besiegt 3).
Auch im Spätjahre 1501 (Mai) hicfs es in Korfu, der „Karamane"
habe den Sohn des Sultans geschlagen, ihn bis Karahissar ge-
jagt, Ali-Pascha von Amasieh getötet*) und drei Festungen
(terre) eingenommen; Mesich-Pascha sei dann mit 6000 Asapen,
3500 Spahis und 4000 Janitscharen nach Asien gegangen, und
70 Schiffe, darunter 30 Galeeren, hätten sich unter Karakadschi
gegen die karamanische Küste gewandt °).
Währenddessen war ein Geist der Unzufriedenheit in diesen
mit wenigen Griechen vermengten echten Türken Anadols er-
wacht. Wie nach dem Tode Bajesids I. begann sich fanatischer
Aberglaube unter den Bauern zu regen. In dem ehemaligen
i) Leunclavius Sp. 632 — 633. Die andere Version, Sp. 602 — 603, setzt
die Ankunft Budaks, die durch ihn erfolgende Blendung des Sohnes Alaeddewlets
und die Gefangennahme Iskenders in dieselbe Zeit.
2) Hammer I, S. 638. S. auch hier, weiter.
3) „Capi Cons. X", Candia, Bericht vom Dezember 1499.
4) „Miss, e responsive" 1511 — 151 7-
5) „Lett. Rettori", „Capi Cons. X", Corfü ; Bericht vom 15. Mai 1501.
350 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
Fürstentume von Tekke erstand Schach-kuli, ein g'emeiner, aus
Basardschik bei Almadschik gebürtig'er Türke, und wurde durch
ein heiliges Leben, das viele Mönche unter seinen Einflufs
brachte, weithin bekannt. Ein von ihm erbautes Kloster wurde
von Tausenden von Dorfbewohnern, deren naive Hingebung- sich
in allerlei frommen Gaben kundtat, aufgesucht. Mit der Zeit
begann er sich in politische Angelegenheiten zu mischen; in
feurigen Worten sprach er von dem vorbestimmten Ende der
osmanischen Herrschaft, dem ihm durch göttliche Fügung ver-
liehenen Schwert, einer durch Allahs Willen bevorstehenden
Monarchie der Frommen und Reinen, der Notwendigkeit unbe-
dingter Unterwerfung aller unter dem Gedanken dieses segens-
reichen Werkes ; nur dann werde das Reich der wahren Moslems
— der Erkrankung des noch jungen Sultans an der Gicht und dem
unter den Prinzen über die Erbfolge ausgebrochenen Hader zum
Trotz — zu retten sein. Die heilige Fahne wurde erhoben ; nicht
nur eine Menge gewöhnlichen Volkes, sondern auch Spahis
sammelten sich unter ihr, und die Aufständischen eroberten
Satalieh, dessen Kadi gevierteilt wurde, schlugen den Beglerbeg
von Asien und besetzten Kiutayeh, Vor Karahissar pfählte man
den Beglerbeg, als diese Festung sich nicht ergeben wollte.
Ein furchtbarer Bauernkrieg setzte das ganze Land in Flammen.
Auch Karamanien wurde bis auf Konieh selbst verheert und
einige Sandschaks getötet. In Kiutayeh , nach der Gefangen-
nahme des Beglerbegs, wurde dessen Haus in Brand gesetzt.
Ali-Pascha erschien nun mit 4000 Janitscharen, um den Auf-
ruhr zu dämpfen, und des Sultans Sohn Ahmed begleitete ihn.
Vor dieser Heeresmacht begaben sich der Prophet und sein
vornehmster Vertrauter, Ustadschi -Ogli, auf die Flucht. Ali
sandte 300 Akindschis, die ebenso viele Janitscharen mit auf die
Pferde nahmen, zu ihrer Verfolgung ab. Zwischen Cäsarea und
Siwas, auf dem Felde Tschibuk, wurde die Schar der Heiligen
angetroffen ; sie hatten die Kamele und Pferde um ihr kleines
Lager aufgestellt. Im heifsen Kampfe wurde, nachdem sie in Hassan
Kalif einen ihrer Führer verloren hatten, Ali getötet und die
Janitscharen in wilder Unordnung zurückgeworfen. Ein neues
osmanisches Heer, unter dem Albanesen Junus, konnte des ins
Reichspolitik unter Bajesid II. Asiatische Verhältnisse. 351
Gebirg-e g-eflüchteten Rebellen nicht habhaft werden. Nach
einigen Wochen traten diese nach Persien über, wo Anhänger
ihrer Lehre sie erwarteten ^). Hier aber begegneten sie
kräftigerem Widerstand; ein Angriff auf eine Karawane wurde
hart bestraft (1510 — 15 n).
Schach-kuli bedeutet „Sklave des Herrn" ^); seine Anhänger
nannten sich Sutis und Kazilbaschas. Ebenso hiefsen auch, nach
ihren roten wollenen Kopfbedeckungen — die der Osmanen
waren weifs und von feinerem Stoff — , die Mitglieder einer
neuen militärisch-politisch-religiösen Gesellschaft, die sich, von
gleichem tollkühnem Enthusiasmus wie die kleinasiatischen
Rebellen beseelt, am südlichen Ufer des Kaspischen Meeres
unter den dort hausenden sieben turkomanischen Stämmen ge-
bildet hatte und an deren Spitze ein „Schach" oder „Herr"
betitelter Prophet stand. Die Eroberung und rasche Siegeslauf-
bahn Schach Ismaels und die Bildung eines neuen uzbegischen
Reiches unter Khan Scheibani auf den Trümmern der timurischen
Dynastie waren Anzeichen eines neuen Lebens in diesen ausge-
dehnten Landstrichen im Osten des osmanischen Reichs und mufsten
eine veränderte asiatische Politik der Osmanen nach sich ziehen.
Ismails Vater war der von den Osmanen Haider genannte
Heilige von Erdebil, Sefi, der Sohn Dschuneids. Dieser Er-
zeuger des Begründers eines neuen Reichs imd Oberhauptes
einer neuen Religionsgemeinschaft stand, wie Schach-kuli, seines
reinen Lebenswandels wegen in hohem Ansehen. Die Fürsten
pflegten, sowohl aus Frömmigkeit, als in dem Wunsche, den Ge-
fühlen des Volkes schmeichelnd, Popularität zu erwerben, mit
solchen vergötterten Santonen vertraute Beziehungen zu unter-
halten. Schach-kuli wurde vom jungen Sultan Korkud besucht,
und Bajesid 11. setzte ihm zum Unterhalt seiner Mönche eine
jährliche Rente aus. Ebenso gingen auch an den ersten Heiligen
i) Leunclavius Sp. 661 f.; vgl. 610 f.: Spandugino, in Sansovino
fol. 136 vo; für die meisten Begebenheiten. Giovio, ebenda, fol. 330 vo ff.
2) Vgl. die Erklärung Spanduginos, in Sansovino fol. 132: „ Sach
e titolo solito darsi a' figliuoli degl' Imperatori. de' re e de' grau signori. corae
si suole in Spagna dire: don.''
353 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
von Erdebil vom osmanischen Kaiser in jedem Jahre voll mit
Aspern gefüllte Beutel ab ^). Als Sefi sich bei Usun-Hassan
aufhielt, nahm dieser keinen Anstand, ihm seine eigene Tochter
aus der Ehe mit der trapezuntischen Prinzessin Katharina zu
verheiraten ; aus diesem also zweifach kaiserlich geadelten Bunde
entsprang- Ismail.
Bald darauf starb Usun, einen Sohn Jakub hinterlassend,
den die abendländischen Christen, weil ihm von seiner Mutter,
als einer kaiserlichen Prinzessin, Trapezunt rechtlich gehörte,
noch mehr als den Vater zu ihren natürlichen Alliierten
rechneten ^). Es war ein unglücklicher Mann , der seine Frau
des Ehebruchs beschuldigte und von ihr vergiftet wurde, sie
aber freilich zwang, den Trank mit ihm zu teilen; durch die
Unvorsichtigkeit der verbrecherischen Eltern starb auch der
einzige Sohn an dem Gift. Auf den erledigten Thron von
Tebriz dachte Bajesid einen Enkel Usuns, Mirza-beg, zu setzen,
dem er seine eigene Tochter vermählt hatte. Dieser aber wurde
gleich nach seiner Ankunft ermordet, weil die Grofsen des
Landes die Vernichtung ihrer Klasse durch ein von diesem neuen
Herrscher angeordnetes Blutbad und eine scharfe Regierung nach
osmanischem Muster befürchteten ^).
Die nun herrschende Anarchie*) kam Ismail, dessen Vater von
einem Nachfolger Jakubs ermordet worden war, zustatten. Er trat
nicht als Eroberer, sondern als Vertreter des bisher verfolgten und
besonders in den letzten Jahren als unrein („mekrut") verschrienen
und aus der Gemeinschaft des Islams ausgeschlossenen Schiismus
auf. Im Dogma predigte er die Verwerfung der ersten Nach-
folger Mohammeds, die ihm als unrechtmäfsig, als Eindringlinge
galten, und die Anerkennung der Rechte Alis des Märtyrers;
der Ruf „Ja Ali", „O Ali" führte die Scharen Ismails zu den
i) Leunclavius Sp. 647 ff.
2) Siehe die Ermahnung des Bischofs Alexius von Gallipoli in Italien, „Lau-
rentiana", Leop. Gadd. , Nr. cxxx: „Ad quem, qua luaterno iure, Trapezuntis
imperium spectat.'"
3) Leunclavius Sp. 642!?.; Viaggio d'un aiercante; in der Reise-
sammlung Ramusios II, fol. 85 vo ; Angiolello, ebenda, fol. 71 ff.
4) Spandugino: „In nien di due anni si mutö lo State cinque volte."
Reichspolitik unter Bajesid II. Asiatische Verhältnisse. 253
Siegen, die ihnen ihre fanatische Tapferkeit errang-. Des
weiteren vertrat Ismail, als Schach der wahren Gläubigen, die
volkstümlichen Forderungen freigebigster Almosenausteilung,
einfachen gemeinsamen Lebens und wahrer Freiheit jedes
Moslems ; die Verbote der Sunniten, Schweinefleisch zu essen und
Wein zu trinken, wurden als pharisäische Zusätze zur ehrwürdigen
und authentischen Lehre des Korans betrachtet und als lächerlich
verworfen. Ismail, der groben Scherzen geneigt war, hielt sich
ein fettes Schwein, das er „Sultan Bajesid" nannte. Auch die
Mittel des Mystizismus verschmähte der kleine, dicke Reformator
nicht, wenn sie seine Stellung befestigen konnten: er erschien
niemals in der Öffentlichkeit ohne, wie die Kalifen — er be-
titelte sich selbst Kalif — , denen er die Anerkennung versagte,
sein Gesicht mit einem Schleier zu verhüllen ; der Teppich,
worauf er stand , war geheiligt ^) , und die Mitglieder der neuen
Lehre teilten sich in seine Fetzen, als wären es die kost-
barsten Reliquien ^).
Als er, in 1499, aus seinem Verstecke in Dschilan aufbrach,
hatte der Schach kaum 300 Leute um sich. Schnell aber wuchs
die Anzahl der Sufis oder Sufianis, der Kisilbaschen, die auch
Arduelis, Enaseris genannt wurden. Sie erhielten keinen Sold,
keine Titel ; es war ihnen keinerlei Belohnung auf Erden ver-
sprochen. Das sufhianische System Ismails stand darin zu dem
der Osmanen in scharfem Gegensatz ; in ihm bedeutete Geld,
Gehalt, Rangordnung, Disziplin, Befehl nichts; in ihm kam alles
nur auf idealistische Hingabe an den ,, Heiligen", die religiöse
Überzeugung des Schiismus, den wunderwirkenden Enthusiasmus
an, der freilich die von Geschrei und Gebet trunken gemachten
Sektierer auch zu den gräfslichsten Mordtaten und Metzeleien
hinrifs. In der ersten eroberten Festung hausten sie auf das
barbarischste, ohne dafs solche Grausamkeit wenigstens durch
kalte politische Berechnung, wie sie Dschingiz oder Timur
eigentümlich war, erklärlich und entschuldbar erschiene. Als
i) Leunclavius Sp. 6$2fl.
2) Spandugino fol. 132 ff.
S54 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
Tebriz selbst eing-enommen wurde, liefs Ismail seinen ihm feind
gewesenen Oheim Jakub ausgraben und seine Gebeine einäschern;
als die Mutter dagegen Einspruch erhob, ermordete er sie, an-
geblich mit eigener Hand. Murad-Khan von Schiraz konnte die
Überschwemmung seines Landes durch die fanatischen Horden
nicht verhindern; er wurde besiegt und floh nach Bagdad; alle
Gefangenen wurden geköpft (1500). Bei allen feindlichen Zu-
sammenstöfsen konnten die Kasilbaschen in der Minderzahl sein :
ihre Wildheit und der ihnen vorangehende Ruf der Unmensch-
lichkeit schlug die Gegner in die Flucht (bis 1503).
So war ein Reich der Schiiten begründet worden. Es
mufste allerdings noch sowohl gegen die westlichen Nachbarn —
die Osmanen — , wie gegen die östlichen — die Uzbeg-en des
Khans — einen beständigen Kampf führen, wollte es eine an-
erkannte Stellung in der Welt des Islams erringen.
Als Ismail in Chorasan einfiel, glaubte der Kaiser der
Turkomanen, Khan Scheibani, der Ausdehnung der Ketzer
Schranken setzen zu sollen. Dieser mächtige und zielbewufste
Fürst hatte die alte Dynastie der Timuriden ausgerottet, indem
er zwölf ihr angehörige Prinzen töten liefs ; durch die Schlacht
bei Serpul war ihm g-anz Transoxanien, durch die bei Merwitschak
Chorasan zugefallen (1507), und er g-ebot über zahlreiche Vasallen,,
von denen ein jeder beinahe unabhängig in seiner Provinz
waltete. Der Khan schickte an den Usurpator von Schiraz zu-
nächst einen Brief, in dem er ihn einen elenden Derwisch
nannte. Ismael erwartete den Feind nicht, sondern ging gerades-
wegs auf Merw los, um ihn hier in Transoxanien, wo ihm
Empörer zu schaffen machten, anzutreffen. Bei Mahmudabad
kam es zur Schlacht; der wilde Anprall der Kasilbaschen brachte
in den Reihen der Uzbegen solche Unordnung hervor, dafs der
Khan selbst im Gedränge erdrückt wurde ; den Körper des toten
Gegners liefs Ismail, der die völlige Vernichtung der Besiegten
zur Pflicht machte , zerstückeln : den Kopf sandte er an Sultan
Bajesid, nachdem er daraus g-etrunken hatte, die rechte Hand
an den Soudan von Ägypten (15 10).
Die Folge dieses Sieges war die Besetzung des ganzen
Reichspolitik unter Bajesid II. Asiatische Verhältnisse. 355
Landes bis zum Oxus. Aber auch damit kam Ismail nicht zur
Ruhe. Er gewann Bagdad und, als sich in dem tapferen Baber-
Mirza ein Prätendent erhob, der Samarkand einnahm, unter-
stützte er ihn im Kampf gegen die Nachfolger des Khans und
deren obersten Feldherrn, den energischen Obeidullah-Khan.
Obeidullah bemächtigte sich zwar Samarkands von neuem, aber
Baber setzte den Krieg um seine Erbschaft fort. Mit den
Schiiten vereinigt, nahm er noch die Stadt Karschi ein, dann
aber trennte er, empört über die Unmenschlichkeit der Ver-
bündeten, seine Sache endgültig von der ihrigen. Zwei Jahre
darauf wurde Hezim-beg, der Wesir Ismaels, bei einem Einfalle
ins Innere des Uzbegenreichs vollständig geschlagen, und nun
konnte der neue Khan auch zum Angriff auf Mesched übergehen ^).
Als Nachfolger Usuns, als Blutsverwandter der Kaiser von
Trapezunt hatte Ismail gewisse Ansprüche auf das osmanische
Reich. Glaubte doch Jani Laskaris von ihm, dafs er ,,den
christlichen Glauben nicht verabscheue" ^).
Als Bajesid Schach-kuli verjagte und eine allgemeine Ver-
folgung der Schiiten, welche bis nach Albanien und Morea zu
Paaren getrieben wurden, aufnahm, spitzten sich die beiderseitigen
Beziehungen noch mehr zu ^). Bald überschritten die Kasilbaschen
die Grenze; einige Scharen streiften im Gebiet von Trapezunt
umher *) ; der georgianische König hatte Satif-Beg und seinen
15000 Kriegern freien Durchzug verstattet. Bajesid antwortete
auf diese Herausforderung nicht. Schon früher, 1507, waren
die Schiiten bis nach Cäsarea gekommen, um den Fürsten von
Sulkadr zu bestrafen, der dem Schach zuerst seine Unterwerfung
und seine Tochter zur Braut zugesagt und dann durch eine
Gesandtschaft seine Versprechungen in beleidigender Form zurück-
genommen hatte. Damals war Jahja-Pascha mit einem starken
1) Spandugino fol. 1361!.; Vämbery II, S. 67, 69, 70.
2) „No aborisse la relligione christiana."
3) Im November 1508 weilte eine grofse Gesandtschaft des Sufi in Kon-
stantinopel ; der Sultan wollte nur acht Mitglieder derselben empfangen ; „ Miss.
e resp.-' 1508 — 15 10. Ein Bericht vom 24. Juli 1509 spricht von drei anderen.
4) Spandugino fol. i36voff.
256 Zweites Buch. Zweites Kapitel. Reichspolitik unter Bajesid II. usw.
Heere bis nach Angora g'eg'angen, um die Unternehmung- gegen
den osmanischen Vasallen zu verhindern; und die Feinde
hatten sich in der Tat einschüchtern lassen und den Rückzug
angetreten ^).
Die gefährHche Herrschaft des Sophis wirklich anzugreifen
wagte erst später der ehrgeizige und schnell entschlossene Sultan
Selim, dem auch die Lösung der Streitigkeiten mit dem Soudan
vorbehalten blieb ^).
i) Leunclavius Sp. 652 ff. Aber auch die Osmanen hatten die Feind-
seligkeiten nicht fortgeführt. In dem Berichte vom 12. Januar 1507 erwähnt der
Bailo die Anwesenheit eines der Söhne des Sultans in Karamanien ; ., Capi Cons. X.''
2) Vgl. auch die Handschrift X F 50 der Nationalbibliothek zu Neapel:
„Deir origine, vita et facti d'arme del Gran Sophi, al dogie di Venetia, per
un maestro Giovanni Rotto, nel 1505, di Marzo."
Drittes Kapitel.
Bajesids H. Reichspolitik an der Donau.
Im Mai 148 1, als Mohammed IL starb, hatte das Reich im
Kriege mit Ung-arn gelegen. Zwar war König Matthias nicht
gewillt gewesen, gegen die lästigen Nachbarn jenseit der Donau,
die bei den jährlich erneuerten Verheerungszügen der Akin-
dschis auch seine Länder nicht immer verschonten, von neuem
die Offensive zu ergreifen. Aber durch den Angriff der Brüder
Michalogli auf Stephan, den Fürsten der Moldau, waren eben
damals die Feindseligkeiten wieder aufgenommen worden.
Bei jedem Sultanwechsel waren die Sandschaks, ohne Aus-
nahme, verpflichtet, bei Hofe zu erscheinen, Geschenke zubringen,
dem neuen Herrn den ,,Saum des Kleides" zu küssen und den
Bestätigungskaftan aus seinen Händen zu empfangen. Mitte Mai
war, bei dem ausgezeichneten Betrieb der Reichsposten, des
Olakensystems, der Tod Mohammeds den Michaloglis gewifs
bekannt. Sie unterbrachen sofort ihren Raubzug und kehrten
zurück.
Als Stephan Nachricht erhielt, dafs die Donaubegs fern im
Lager Bajesids weilten, überschritt er die walachische Grenze,
schlug die zahlreichen Rumänen und einige Türken, die für den
jungen Basarab kämpften, und erzwang sich am 8. Juli den Weg
nach Bukarest. Die Festung fiel in die Hände der Moldauer,
die bis an die Donau vordrangen, das Schlofs Turnu (Klein-
Nikopolis) angriffen und auch jenseit des Flusses auf kaiserlich
osmanischem Boden plünderten. Ein gewisser Mircea, ein an-
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 1'
358 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
g-eblicher Bruder des Tepes, wurde zum Fürsten des Landes
eingesetzt, verschwand aber bald wieder in dem inneren Kriege,
der sofort ausbrach. Und nun, zwischen Basarab, der gegen Ende
des Jahres aus der Kleinen Walachei, in der er die meisten An-
hänger zählte, zurückgekehrt war, und einem anderen Bruder des
Tepes, dem gewesenen Mönch und darum auch Cälugärul genannten
Vlad, den Stephan Bathory aus Siebenbürgen geschickt hatte,
dauerten diese Streitigkeiten um den Besitz des walachischen Für-
stentums fort. Alexander, der ältere Sohn Stephans, dem aus der
südlichen Moldau eine Art eigener Herrschaft zurechtgeschnitten
worden war, setzte diesen Wirren ein Ende, indem er Basarab
nach der oltenischen Wiege seiner Macht zurückdrängte, wo er
von seinen Bojaren im Dorfe Glogova meuchlings getötet wurde.
Auch die ihm bis zuletzt treu Gebliebenen traten einige Zeit
darauf den Weg an den Hof des gutmütigen Vlad an. Schon
148 1 hatte sich dieser von den MichalogUs, deren Truppen nach
dem Feldzuge gegen Dschem der Ruhe bedürftig waren, los-
gekauft ^).
Vermutlich hätte Mohammed durch einen Zug des Beg-
lerbegs von Rumelien oder einen von ihm selbst geführten
Schlag den ,, Friedensbruch" Stephans zu vergelten vermocht.
Aber Bajesid suchte ebensowenig wie im asiatischen Osten im
europäischen Norden Rache, Ruhm und Beute. Wenn die Donau-
begs mit Vlad zufrieden waren, und dieser, mochte er auch
seinen Sohn Radu nicht an die Pforte schicken, doch wenigstens
seinen Tribut pünktlich entrichtete, so hatte der neue Sultan
nichts gegen ihn einzuwenden. Der ,,neue Kurs" machte sich
also auch hier bemerklich.
König Matthias seinerseits war für einen wirklichen Krieg
nicht gerüstet. Vergebens hatte er den Bischof von Grofswardein
und den Richter von Olmütz an den Reichstag zu Nürnberg
geschickt, um über Frieden mit dem Kaiser und zugleich über
gemeinsame Verteidigung gegen die Türken zu verhandeln; trotz
der Bemühungen einiger deutscher Freunde und des guten
i) „Istoria lui Stefan - cel - Marc ■' S. 189 flf.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 359
Willens des päpstlichen Legaten Orso de' Orsini wurden sie nicht
ins Land gelassen; man verweigerte ihnen einfach den ge-
wünschten Freipafs. Die Versammlung beschlofs, ohne sie anzu-
hören, die Aufbringung eines Heeres von 15000 Mann, das im
Frühling vor Wiens Mauern erscheinen sollte ^). Auch die vom
Papste versprochenen Gelder aus Italien kamen nicht, und die
hundert Schiffe der gegen die Mauren in Granada kämpfenden
spanischen Könige liefen ebensowenig je aus ihren Häfen aus ^).
Matthias' Verlangen nach 10 000 Reitern aus dem Westen, die
ihm helfen sollten, die osmanischen Wirren zu seinen Gunsten
zu benutzen, wurde nicht erfüllt ^). So sah sich der ehrgeizige
Sohn Hunyadis, der sich gerühmt hatte, dafs unter Umständen
selbst Konstantinopel keine unerreichbare Beute sei *), gezwungen,
sogar seinen Plan, die Herzegowina zu unterwerfen^), fallen zu
lassen.
Doch wurde im Spätherbst, ohne jede Herausforderung der
kaum aus Asien eingetroffenen Michaloglis , ein Zug gegen das
türkische Serbien unternommen. Am 2. November verliefs
Kinizsy mit einer ziemlich bedeutenden Truppenmacht, die
Siegesbriefe des Königs auf 32000 Mann erhöhten, Temesvär
und wandte sich gegen die Donau. Der Vortrab , mit den
Brüdern Sokoli, wurde an dem Fort Haram geschlagen. Der
Befehlshaber von Belgrad aber und der Despot Wuk bestiegen
Fahrzeuge und brandschatzten das feindliche Ufer. Die Jakschitsch
zogen auf dem Landwege voran; dann drang Kinizsy selbst bis
Kruschewatz, nachdem Skender Michalogli bei der Festung Golu-
i) Vgl ,,Matyäs Kiraly Levelei" II, S. I54ff., 163, 167; Innsbrucker Archiv,
Siegmund I, 12; iio, xxxxrx; Nürnberg, Kriegssachen P. A., II, 49 und 32b^
L. ß. 6936, S. loi — 103; Dresdener Archiv 9321 : „Türken-Krieg betreffend
1481"; cod. lat. monac. 26604, ^o\. 13 vo; cod. germ. monac. 524, fol. 66.
2) ,,Centum triremes paratas habituri"; Brief des Papstes vom 16. Januar
1481 ; Dresdener Archiv 9321; vgl. „Mätyäs Kirdly Levelei" II, S. 106.
3) „Monumenta Vaticana'' a. a. O. S. 183.
4) „Mätyäs Kiraly Levelei" II, S. 162.
5) „Ad castra illa que illustrissimus princeps S. Sabe novissime pro con-
tracambio nobis assignavit"; ebenda II, S. 155 — 156.
17*
360 Zweites Bucli. Drittes Kapitel.
batsch vor den Christen hatte weichen müssen. Auf der Rück-
kehr wurde das alte Schlofs Kewe wieder erbaut, die Ortschaft
Haram befestigt und auch an einem dritten Punkte, der für die
Überfahrt g;eeignet erschien, eine kleine Besatzung zurückgelassen.
Es lief schliefslich mehr auf einen Raubzug grofsen Stiles hinaus,
der den Osmanen zwar manchen Schaden, aber keinen Verlust
an Land und strategischen Plätzen brachte. Die beiden Micha-
loglis imd Bali Malkotschogli bemühten sich denn auch eifrig,
Serbien wieder verteidigungsfähig zu machen ^).
Im folgenden Herbste, etwas früher im Jahre, erfolgte dann
die osmanische Antwort. Aber auch hier erschien kein Begler-
beg mit Artillerie und Janitscharen. Es sah aus, als wollte der
Sultan in die Grenzkämpfe nicht eingreifen, als seien sie unter
seiner kaiserlichen Würde. Fünf Woiwoden , keine Sandschaks,
kamen , wahrscheinlich unter einem der Michaloglis , die noch
nicht nach Asien gerufen worden waren ^), Anfang September 1482
bis Temesvär, dem Lager des grausamen Kinizsy, den man mit
einem Bären verghch ^). Sie machten reiche Beute, aber, als die
Osmanen auf der Rückkehr zum Schlosse Becse gelangt waren,
ereilte sie Kinizsy, dem die Führung des Grenzkrieges anvertraut
war ^), und schlug sie in die Flucht ; unter den Gefangenen be-
fand sich der Woiwode von Kruschewatz und frühere Begler-
beg von Rum, der Bosnier Mohammed ^).
Zwar beschuldigte Matthias im Frühling 1483 den Kaiser,
dafs er die Türken gegen ihn hetze , um sie seinerseits los zu
sein '') ; diese aber brachen nun aus ihrer bosnischen Provinz wie
1) Briefe des Königs in „Matyäs Kiraly Levelei" H, S. 183, 185, 190, 192
bis 193, 195 ff., 201 ff.; ,,Monumenta Vaticana" a. a. O. S. 194 — 195. Magno er-
wäiint einen türkischen Zug nach Istrien , Friaul und Kärnten schon im Jalirc
1481; Sathas VI, S. 232.
2) Sieiic oben S. 236 ff., 243 ff.
3) „Homo de circa 58 anni, de bassa statura, grosso, lacertoso et tuto pi-
loso, come un urso, et valente soldato"; „Mon. Ilung. Hist. " VII, S. 211.
4) „Primarius copiarum nostrarum dux in illis partibus contra Tiiurcos";
ebenda S. 235 ff.
5) Ebenda.
6) Ebenda S. 249—250.
Bajesids II. Reiclispolitik an der Donau. 361
vor 1480 über die österreichischen Länder Krain und die Steier-
marlc herein '). Während zweier g-anzer Wochen des November
plünderten sie jenseits der Save. Um ihnen den Rückzug ab-
zuschneiden , kam , dem zwischen Matthias und der Landschaft
Kärnten am 30. November 1482 geschlossenen Sonderfrieden
g-emäfs '■^), der Ban Matthias Gereb von Kroatien mit einem Grafen
Zriny, dem Despoten Wuk, den Jakschitsch, den Frangipani und
einigen Edelleuten aus dem Reiche, wie den Herren von Auers-
perg, herbei; sie schlössen die Türken Skenderbegs ein und
liefsen ,, ettlich Wald verslagen". Skenderbeg schickte den
christlichen Hauptleuten ,,fünff verdackten Ross", erbot sich,
für ,,yeden Sabl" 2 — 3 ungarische Gulden zu entrichten und
wollte sich eidlich verpflichten, ,,nimermer herauss in die Land
zu kumen". Doch wurden diese Vorschläge abgelehnt, und
er mufste sich zum Kampfe rüsten ; viele tausend Christen standen,
,,mit Kotzen und mit Strew gedeckt '^ in einem nahen Walde
und warteten voller Sorge des Ausganges. In der Tat blieb die
Mehrzahl, der Türken auf dem Kampfplatz (29. Oktober) ^).
Im gleichen Jahre 1483 war der Sultan selbst aus Kon-
stantinopel aufgebrochen und weilte einige Zeit in Sofia, als
wenn ein starker Schlag gegen Ungarn geplant sei^). Doch stand
sein Sinn im Ernst keineswegs auf derartige Unternehmungen.
Gleich nach der Katastrophe der Bosnier begannen Verhand-
lungen mit Matthias, der seinerseits feierlich erklärte, dafs er nicht
die Absicht gehabt habe, Skender aufzuhalten und ihm Schaden
i) über die Türkenpanik daselbst, 1481 — 1482. Siehe cod. germ. monac. 414,
fol. 169: Eingabe an den Kaiser seitens der „Undertan vom Adel und Gemaiii
der Fürstenthumb in Krain und in der Metling"; Münchener Reichsarcliiv, „Türken-
hilff", fol. 115 ff.; Karl Haselbach, Die Türkennoth im XV. Jahrhunderte,
S. IX ff., 5 14 ff.
2) Innsbrucker Archiv P. A. 11, 166.
3) Vgl. den Brief des Königs Matthias in „Monumenta Vaticana" a. a. O.,
S, 210 ft'.; vgl. S. 258, 270—272; „Matyas Kiraly Levelei " II, S. 2676".; „Mon.
Hung. Hist." VII, S. 363 ff. ; den Brief aus Friesach im cod. lat. monac. 414; der
Berchtold Mayers im Nürnberger Arcliive ; siehe auch cod. monac. germ. 14668,
fol. 79. Auch Bonfinius S. 453.
4) Inediertes im Innsbrucker Archive.
263 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
zuzufügen^); und noch im Herbste wurde, dem Wunsche Baje-
sids entsprechend, ein Waffenstillstand auf fünf Jahre unter-
zeichnet ^).
Freilich sah sich, wie die Folgezeit gleich lehren wird, Baje-
sid schon im nächsten Jahre genötigt, sich ChiUa und Moncastro
zu unterwerfen, um dem Drängen der unzufriedenen Janitscharen
nachzugeben; aber im übrigen wurde der Friede nicht gebrochen;
der bei dieser Gelegenheit zwischen dem Könige und dem Sultan
geführte Briefwechsel ^) stellte vielmehr klar, dafs die angeblichen
Vasallenländer der Moldau und Walachei nicht in den Friedens-
vertrag einbezogen worden waren. Die Akindschis verzichteten vor-
läufig auf ihre räuberischen Beutezüge in Ungarn und den benach-
barten Ländern ; aufserdem nahmen beide Teile an, dafs Streifereien,
an denen nicht mehr als 400 Reiter beteiligt waren — so wie die
von i486 nach Modrufs hin — , als kein eigentlicher Friedensbruch
zu betrachten seien *). Auch die Ermordung eines angesehenen
Gesandten des Königs bei der Pforte (1487) hatte keine weiteren
Folgen ^). 1490 stattete der Sultan dem Könige Matthias für
die erwiesene Freundschaft durch die Schenkung der Reliquien
des heiligen Johannes des Täufers seinen Dank ab ^). Der Despot,
der Sohn des ,, Königs von Bosnien", Lorenz Ujlaky, die Jak-
schitsch mufsten friedlich auf ihren ungarischen Gütern leben '').
Der Kaiser seinerseits hatte mit dem Wesir Isak ebenfalls über
die Einstellung der Raubzüge der Akindschis verhandelt und durch
Bezahlung einer bestimmten Summe seinen Zweck erreicht. Als Isak
1484 starb und der alte Friedrich III. die Erneuerung der früheren
Einfälle befürchtete, schrieb er im Februar 1485 an den Herzog
i) „Mätyäs Kiräly Levelei" II, S. 3S9.
2) Ebenda S. 286, 290 — 291, 292, 294 ff.
3) Ebenda II; besser in meinen „Acte ?i fragmente" IIP.
4) So erklärte die Juli i486 in Ofen eingetroffene türkische Gesandtschaft:
„Quanto la correria non passa hinc inde qualroccnto cavalli"; „Mon. Hang.
Hist." VI, S. 123.
5) Ebenda.
6) Ebenda VII, S. 397.
7) Ebenda S. 209, 432.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 363
Sieg"mund von Österreich, den er zum Reichstage von Frankfurt
einlud: ,, Darzu ist auch des Turg-ken Wasche, bey dem wir so-
vil verfüg-et dass er unsere Lannd aine gute Zeit unbekrieg-t lassen
hat, mit Tod verg-ang-en und der König- [von Ung^arn] bey dem
so durch den Turgken ytzo gesetzt ist [Daud- Pascha] sovil ver-
fuget, das der, sopald es wetterlich ist, herauf in unnsere Lande
Kernndten und Krain ziehen und die ganntz verheren wil, — des
Macht dieselben unnsere Lannd nit widersteen mugen"^).
Doch geschah nichts Derartiges. Die Christen konnten ihre
alten Kreuzzugsprojekte in aller Ruhe wieder aufnehmen und sich
an der grofsen Versammlung in Rom (25. März 1489) beteiligen,
wo, nach schon bekannten Gesichtspunkten, die Ordnung des
grofsen Heeres besprochen wurde, das gleichzeitig zu Land und
Wasser vorgehen sollte — fast alle Staaten, auch der Kaiser,
waren durch feierliche Gesandtschaften vertreten und erwarteten
von der Wiedereinsetzung Dschems alles nur mögliche zu ihrem
Vorteile^). Bajesid machte sogar keine Einwendungen, als er,
zur Antwort auf einen von seinem Kapudschi-Bascha Mustafa dem
Papste zugestellten Brief — dank dem unfreiwilligen Aufenthalt
Dschems in Frengistane war die Ankunft osmanischer und ägyp-
tischer Sendlinge in Rom jetzt keine Seltenheit mehr — den
Rat erhielt, die Christen unbehelligt zu lassen, wenn er wolle,
dafs für Dschems Unterhalt und besonders seine Bewachung auch
weiterhin Sorge getragen werde ^).
Erst als (am 6. April 1490) König Matthias seine Augen
schlofs, begannen die Türken an dieser nördlichen Grenze sich
aufs neue zu regen, und Stephan Bäthory, der nun ein sechzig-
jähriger Greis war, erhielt den Auftrag-, Siebenbürgen vor ihrem
Einfalle zu sichern ^). Doch kamen sie dorthin nicht , sondern
i) Innsbrucker Archiv, Sigmund I, 12.
2) „Constantinopolis, Trapezuntia, Nicopolis , Hellespontus , Misia asiatica,
Tholy et plurima alia dominia"; siehe die Akten im Nürnberger Archive loi 103.
Vgl. Innsbrucker Archiv, Siegmund I, 12; cod. lat. monac. 461, fol. 173, 188.
3) Der Briefwechsel vom Jahre 1490 im cod. lat. monac. 716, fol. 128 und
die Antwort allein im Anhange an Thuasne.
4) „Acte ?i fragmente-' IIP, S. 65.
264 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
raubten in der Nähe von Modrusz ^). Als Kinizsy im nächsten
Jahre mit anderen Angelegenheiten beschäftigt war, streiften
Türken bis Grofswardein und brannten Temesvar nieder, wo sich
der alte Bathory furchtsam versteckt hielt ^). Dann wurde auch
Schabatz (August) angegriffen ^). Im Herbste erschienen die
Türken vor Severin, dessen Befehlshaber aber der Reichsver-
sammlung zu Ofen geschnittene türkische Köpfe (Anfang 1492)
schicken konnte *).
Andere Akindschis übersetzten im September 149 1 wieder
die Save. Die vorsichtigen Kroaten hatten bereits Mafsregeln
getroffen, der Verwüstung ihres ebenfalls bedrohten Landes
vorzubeugen: ,,Die Krabatischen " ; schreibt der krainische
Hauptmann Wilhelm von Auersperg, ,, haben Friden mit den
Turcken ditzmals und haben in Wein und Prot geben." So
ergofs sich die ganze Menge der Akindschis, beutegieriger als
je, über Cilly und Ober-Krain. ,,Sy sein kommen", bezeugt
ein Brief, ,,dafs nyemands nichts darumb gewest hat bis man sy
gesehen hat", und verheerten ,,das gantz Pirg: Auersperg, Zobers-
perg, Gurtenfeld, Hedlischeck, Cameck, Semsenberg, Durnkrain,
Rafnitz, Katscher und an den Enden", dann ,,St. Bartolmcs Veld,
Hopfenbach, Newstätel, Preyseck, Lanntstrass, Werdeil, Meicho . . . :
allso ist das gantz Landt, der Strich pis auf Laybach, verprennt
und verödt". Die Bauern hatten gerade die Ernte eingebracht
und kamen um den ganzen Ertrag ihrer Arbeit. ,,Der ^i^m
Man sein F"rucht erst haym gefurt und hat dreschen wellen.
Traid, Hew und Strew ist verprennt, das der arm Man kein
Viech halten, noch füren mag; darzw mit seinem Weib und
Kinndern nichtz zu essen hat", und der Hauptmann, der nicht im-
stande war, das unglückliche Land zu verteidigen, fügt hinzu:
,,Ich all mein Tag solh Jamer nye gesehen hab in disem armen
Landt." Die Räuber, die ungestört wieder abziehen durften,
waren diesmal nicht mehr armselige Vagabunden, sondern 3000
wohl ausgerüstete Martolodschen : ,,so hab ich", sagt ein Zeuge,
i) Bonfinius S. 499.
2) Ebenda S. 507.
3) Ebenda S. 509.
4) Ebenda S. 511.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 365
„schener Ross bey Turkhen nie gesehen, und so gross und schon
angelekcht Leut auch nicht" *).
Die vollkommen ergebnislose Reichsversammlung, die 1492
zu Koblenz stattfand , verlor ihre Zeit mit der Ernennung von
Kommissaren, Unter- und Oberkommissaren des auf 15000 Mann
festgesetzten Heeres, das niemals zusammenkommen sollte^).
Es war ein Glück für Ungarn, dafs der von Martin Zobor, seinem
Gesandten bei der Pforte, für dieses Jahr angezeigte Zug des
Sultans unterblieb ; alle Grenzfestungen waren bereits in besseren
Zustand gesetzt worden ^). Nur Severin wurde wieder angegriffen*).
Doch hatten 1493 die Grenzländer der Christenheit im Nord-
westen des osmanischen Reiches einen neuen Einfall der bosni-
schen Akindschis zu erleiden. Der Ban Emcrich selbst fiel in die
Hände der Türken und starb auf einer Insel im Lande der
Feinde; Johann Frangepani starb, sein Bruder Nikolaus befand
sich ebenfalls unter den Gefangenen ■^). Viele Tausende von ab-
geschnittenen Nasen wurden als blutige Trophäe an die Pforte
geschickt. Die Kriegsbegebenheiten entwickelten sich folgender-
mafsen :
Die Bosnier hatten die zwischen den Mitgliedern des Hauses
Frangipani, dem das Gebiet von Segna gehörte, zwischen dem
Sohne des Königs Matthias, dem jungen Johann Hunyady, und
seinem Nachfolger in der Würde eines Bans von Kroatien, Eme-
rich Trencseny, ausgebrochenen Streitigkeiten benutzt '^). Segna
selbst war in gutem Verteidigungszustande; der Papst selbst hatte
einige Truppen mit seinem Kämmerer Anton Fabrciies dorthin
geschickt. Die Akindschis dachten nicht daran , die stark be-
festigte Stadt anzugreifen. Sie raubten in Kroatien — hatte doch
1) Innsbrucker Archiv P. D. XXXIX, iio; Siegniund I, 12; cod. lat. monac.
14668, fol. 81 vo ff.
2) Cod. germ. monac. 1348.
3) B onfinius S. 512. 4) Ebenda S. 513.
5) Vgl. „Dipl. Rag." S. 820.
6) „Auss Ursachen der Zwytracht, so sich zwischen unseren lieben edlenn
Sunnen zu Fraiapanibus erhept, die sie mit vill Verheissungen zu ynen ze zihen
Fleiss ankert hannd"; Brief des Papstes vom 26. Oktober 1493; Nürnberger
Archiv, S. 102/1 ; gedruckt.
366 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
der König von Ung-arn schon im Frühling- den Waffenstillstand
mit dem Sultan erneuert ^) — und waren Anfang- September auf
dem Heimweg-e. Der Ban des Landes mit seinen Söhnen , mit
dem Grafen von Cetin, mit Nikolaus und Bernard von Frange-
pani, mit zwei Edelleuten aus der Familie Zrinyi und zwei anderen
aus dem Geschlechte der Blag-aj , verfüg-te über eine Streitkraft
von 2 000 Reitern und 6000 Mann Fufsvolk (meistens g-emeinen
Bauern), und sie hofften die rächende WafTentat des Jahres 1483
erneuern zu können. Aber die Türken bestanden aus 2000 aus-
erlesenen Spahis ,, der Pforte", mit Akindschis vermengt; ,,zwei
Sandschaks und zwei Schwiegersöhne des Sultans" waren bei
ihnen. Nach einem kurzen Kampf ,,war der ganze kroatische
Adel gefangen oder getötet" (9. September). Einige Tage darauf
nahmen die Sieger das Schlofs Cossara bei Segna ein, und der
päpstliche Kämmerer zitterte bei dem Gedanken an einen Sturm
auf Segna ^). In Tirol hatte Herzog Siegmund von Österreich
kräftige Mafsregeln getroffen ; infolgedessen unterblieb der bereits
angekündigte türkische Einfall ^).
Schon Ende 1492 waren auf dem Wege durch das walachi-
sche Oltenien 5000, von Ali-beg von Semendrien und von
Bali-beg befehligte Reiter in Siebenbürgen eingefallen, um in der
Gegend des Roten Turms zu rauben ; bei der Rückkehr im Februar
1493 hatten sie viel von den Bauern, die sich auf den Höhen des
Gebirges hielten, zu leiden *). Dieses feindliche Vorgehen wurde
durch ein anderes von selten Ungarns vergolten : Kinizsy , der
i) „Dipl. Rag." S. 646.
2) Brief desselben vom 13. September: ,,Nullus in tota Corvatia remansit
qui possit resistere. . . Actum est de palria ista. . . . Habeat pro certo S. V. quod
tota patria ista peribit. . . . Metu Turcorum cogor nocte dormire in portu in navi
aliqua. Tota civitas plorat ac clamans opportunum subsidium."
3) Vgl. Innsbrucker Archiv, Siegmund I, 36; München, Reichsarchiv, „Türken-
Hilffe". Der Ban „Berczl von Brabasd" erwartete im Sommer die Ankunft des
Heeres: ,,Antecessor et ductor ipsorum Turcorum est fdius Basse, et cum eo est
metus (iunctusi") Santzach de terra Hertzog. " Vgl. auch Bonfinius S. 5 14 ff. ;
Leunclavius Sp. 604(1.; Gritti S. 21 — 22.
4) Burcardus, Ausg. Thuasne; Siegesbrief des Königs an den Papst; vgl.
meine „Studii ^i documente" III, S. XL — XLI, Lxxiv ; Hurmuzaki II-, S. 332,
Nr. ccxcvi; Bonfinius S. 514; „Quellen der Stadt Brassö" IV, S. 4; vgl.
F e fsl er-Klei n III, S. 252 — 253.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 367
im folgenden Jahre sterben sollte, und Bartholomäus Drägfify, der
Nachfolger Stephan Bäthorys in Siebenbürgen, ein Rumäne von
Geburt, unternahmen im Winter 1493 einen Ritt nach Serbien ; sie
eroberten auch ein Residenzschlofs Alibegs, das ein Sohn desselben
verteidigte, und holten die bei einem Einfalle 1490 in Grofs-War-
dein erbeuteten goldenen Leuchter daraus zurück. Der plötzlich
eintretende Eisgang der Donau hinderte Ali-beg, sich an den
Plünderern seines Sandschakats zu rächen. Paul entdeckte so-
gleich eine Verschwörung, die Belgrad in die Hände der Türken
spielen wollte ; die Bestrafung der Schuldigen übertraf an Grau-
samkeit jedes Beispiel ^).
Viele glaubten, dafs der Sultan selbst, durch den kroatischen
Erfolg er-muntert, das Reich oder Ungarn im Jahre 1494 angreifen
werde ^) , um endlich Jaice und Belgrad den Händen der Chri-
sten zu entreifsen. Doch war nichts Wahres an diesem Ge-
rüchte. Nur einige Scharen der Michaloglis, die nichts aus-
richteten^), erschienen vor dem schwach besetzten Belgrad, dher
nach Krain , wo Auersperg ihrer wartete *) , drangen die Akin-
dschis nicht, und der neue kroatische Ban, Lorenz von Kanizsa,
besorgte ohne Grund für den Sommer einen grofsen Angriff von
dieser Seite und verlangte unverzügliche Hilfe von seinen Nach-
barn "). Erst im Oktober wurde das Gebiet von der Save bis Pet-
tau , das Land jenseits der Drau und der Distrikt Posega ver-
heert. Es folgte ein Rachezug Kinizsys — der König selbst war
in Petcrwardein erschienen — ; die Vorstädte von Semendria
wurden niedergebrannt (Oktober). Nach diesem letzten Erfolge
starb der schon vorher vom Schlage gerührte Kinizsy an der
Save ^).
Diese Tat blieb ungesühnt; bereits 1495 schlofs der Sultan
einen neuen Waffenstillstand für drei Jahre.
i) Bonfinius S. 519; vgl. „ Mon. Hang. Hist." VII, S. 431.
2) .,Dipl. Rag.'' S. 652—653; vgl. Bonfinius S. 5146".; Fefsl er-Kle i n
ni, S. 255 ff.
3) Bonfinius S. 522 — 523.
4) Innsbruck P. A. XXXIX, 1 10.
5) Münchener Reichsarchiv, ..Türken-Hilff", fol. 133; Bonfinius a. a. O.
6j Bonfinius S. 524 — 525.
268 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
Ein neuer, für 1497 ang-ezeig-ter Zugf des „turckischenKaysers
Sun" nach Siebenbürg'en erwies sich als Erdichtung''). Da-
gegen erschien in diesem Jahre bei Kaiser Friedrichs Nachfolger,
dem römischen Könige Maximilian, die erste türkische Gesandt-
schaft, die überhaupt ins Reich kam. Maximilian dachte daran,
sie auch darum in Beisein möglichst vieler Fürsten zu empfangen;
doch trat sie weniger feierlich auf, so dafs auch die grofsen
Empfänge unterblieben ^).
Ungarn hatte also Ruhe, und die deutsche Grenze wurde
durch Leonard von Görz, ,,den Reichshauptman und jenen des
Römischen Königs an die Grenitzen wider die Turggen " — der
1000 Gulden jährlich erhielt — , besser als früher gegen die
Osmanen verteidigt ^). Eine Zeit der Erholung, die bis zum tür-
kisch-venezianischen Kriege von 1499 dauerte, war hiermit für
diese Gegenden angebrochen. Andere Provinzen nahmen die ganze
Aufmerksamkeit der Pforte in Anspruch und nicht minder innere,
von den Janitscharen verursachte Wirren. Auch die neuen Ver-
hältnisse in Serbien und Bosnien gewannen damals eine Festig-
keit, die ihnen bisher gemangelt hatte.
Es bleibt jetzt die Geschichte der nordöstlichen Grenze
nach dem Schwarzen Meere hin, die Beziehungen zur Walachei,
Moldau und auch zu Polen zu schildern.
Im Sommer des Jahres 1484 brach, da keinerlei Vor-
bereitungen zu einem persönlichen Zuge des Sultans getroffen
worden waren, ein offener Aufruhr der Janitscharen aus, die, seit
langem um Ruhm und Beute betrogen , durch das Gerede , der
Sultan wolle ihre militärische Organisation vernichten und durch
eine Neubildung der Asapen ersetzen , aufs äufserste erbittert
waren ; sie bedrohten sogar Ali Michalogli, der seinem Herrn
von diesem gefährlichen Vorhaben abgeraten hatte, mit dem
Tode. Um der Meuterei Herr zu werden, gab es nur ein Mittel:
i) Bonfinius S. 531 ; Innsbrucker Archiv, Kopialbücher, Gesch. vom Hof,
anno I497, fol. 190.
2) Nürnberger Archiv S. loi 103.
3) Innsbrucker Archiv, Sicgniund I, 36.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 369
einen neuen Krieg" zu beginnen ; doch durfte der Feind nicht
allzu stark sein, und die plötzlich beschlossene Unternehmung-
sollte sich auf wenige Städte beschränken, ohne die vollständig-e
Vernichtung- der Macht des Gegners zu bezwecken. Wahrschein-
lich war es Ali, der empfahl, sich gegen die Moldau und ihre
Häfen Chilia und Cetatea-Albä zu wenden , die dem Reiche in
der Tat nötig waren, wenn es des Dominiums des Schwarzen
Meeres sicher sein wollte.
Der Sultan schlug den Landweg ein und gelangte bald an
die Furt von Isaktsche, wo sich Vlad der Mönch mit den walachi-
schen Bojaren bei ihm einstellte; auch der Khan der Tataren
säumte nicht, dem Oberherrn seine Huldigung darzubringen. Am
6. Juli begann die Beschiefsung Chilias, das noch neuerdings
wieder befestigt worden war; kaum einige hundert Moldauer
waren darin unter dem Befehle der beiden pircälabi (Burg-
grafen) Stephans. Nach acht Tagen zog der Sultan in die Stadt,
die sich ihm ergeben hatte, ein; er gewährte der spärlichen
Bevölkerung von Fischern, Bauern und einigen Kaufleuten
Schonung. Hier erhob also nun ein kaiserlicher Gümrükdschi
von den rohen Häuten , dem Käse , den gesalzenen Hausen —
morone salze, morona in salamora, morenela — , die
in Tonnen ankamen (butte, barili), und der bekannten Wolle
von Licostomo, die man in ve li feilbot ^), den Zoll. Die Belagerung
der ,,Weifsenburg" an der Dnjestrmündung, deren kunstvolle alte
Mauern genuesischer Arbeit uns auch heute noch imponieren,
begann sogleich , und nach einigen Tagen wurde die Feste in
die Hände des Sultans gebracht (3. — 4. August). Auch hier
starben die Burggrafen Oanä und Gherman im Kampfe; die
tapferen moldauischen Einwohner führte Bajesid mit sich nach
Konstantinopel und liefs eine Besatzung von Janitscharen im
Schlosse zurück. Aus Chilia, über das er wieder zurückging,
datiert sein Siegesbericht vom ii. August^).
Wollte er seine Häfen, deren Besitz ihm für die Entwick-
lung und das Gedeihen der Moldau unentbehrlich war, wieder-
i) Archiv von Venedig, ,,Ducali e lettere ricevute", Q. 48.
2) ,, Chilia §i Cetatea-Albä" S. 154 ff.
370 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
erlang-en, so wufste Fürst Stephan sehr gut, dafs er auf die Hilfe
des ung-arischen Königs umsonst rechnete. Matthias war froh,
seine südHche Grenze durch einen Frieden gesichert zu haben.
Stephan wandte sich also an den anderen stärkeren Nachbar,
den alten König Kasimir von Polen, dem er am 12. September 1485
im galizischen Kolomea feierlich huldigte. Nur so konnte er auf
Unterstützung von diesem hoffen.
Die Türken aber warteten die Dazwischenkunft der Polen
nicht erst ab, um der Moldau einen zweiten Schlag zu versetzen.
Zwar wurde von einem neuen kaiserlichen Zuge nicht gesprochen.
Aber der Beglerbeg von Rumelien, Ali Hadum, kam mit den
gewöhnlich für solche Arbeit gebrauchten Akindschis, zu denen sich
Spahis und einige Janitscharen gesellten, ins moldauische Gebiet, um
hier zu plündern und Stephan dadurch zur Anerkennung der os-
manischen Oberhoheit und Leistung des Tributs zu zwingen. Wie
1476 drangen die Türken bis Suceava vor, ohne den Feind ange-
troffen zu haben ; denn Stephan befand sich in Polen; die moldauische
Hauptstadt wurde am 19. September 1485 niedergebrannt ^). Den
Sohn Peter Arons, der die Osmanen begleitete, als Fürsten einzu-
setzen, vermochten diese aber nicht. Nach dem Abzug des Begler-
begs unternahmen nun die Donaubegs Iskender Michalogli und
Balibeg, der mehrmals erwähnte Sohn des Malkotsch, vom
Walachen Vlad geführt, Streifzüge auf eigene Faust ^). Sie waren
noch jenseits des Flusses, als Stephan, der mit 2000 gepanzerten
polnischen Reitern aus Kolomea herbeigekommen war, sie am
Ufer des grofsen Sees Cätläbuga, im heutigen Südbessarabien,
ereilte (16. November) und ihnen die Beute wieder abjagte ^).
Noch im Winter erschienen wieder Türken , wahrschein-
lich jedoch nur einige zurückgelassene Scharen aus der Walachei
Vlads, und gelangten mit ihrem Prätendenten, dem spöttisch so
genannten Hromot, den Serethflufs entlang bis Scheia im Distrikte
Roman, wo sie am 6. März i486 Stephan vor sich fanden. Sie
i) Leunclavius Sp. 595 — 596.
2) Ebenda.
3) Ebenda ; moldauische Chronik.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 371
flohen, und der mitg-eführte Fürst verlor sein Leben durch das
Schwert des Scharfrichters ^).
Der Krieg- zwischen dem osmanischen Reiche und Polen
war eröffnet, aber der König- beeiferte sich ebensowenig- wie der
Sultan, ihn lebhaft fortzusetzen. Während der polnische Gesandte
Callimachus in Venedig- über Türken, Ungarn und Moldauer
Klag-e führte, die Vermittlung- der Republik für den Frieden er-
bat ^) und zug-leich die Hilfe des Westens forderte, kämpfte des
König-s Sohn Johann Albrecht im Jahre i486, zwar nicht g-eg-en
die Türken, aber wenigstens (im September) gegen tatarische
Scharen. Wohlfeile Heldentaten der Christen wurden auch im
folgenden Jahre vollbracht, und die Moskowiter beteiligten sich
ebenfalls daran; von solchen Erfolgen wurde Westeuropa durch
die Söhne Johann Ralis benachrichtigt ^).
Aber schon waren Verhandlungen mit der Pforte angeknüpft
worden, und im Mai 1488 begab sich Nikolaus Firley nach Kon-
stantinopel. Im März 1489 gelang es ihm wirklich, einen Frieden
abzuschliefsen *). Freilich hatte dieser nicht auch die Untätig-
keit der Tataren in Gefolge, die 1489 Kiew einäscherten und
den Prinzen Johann Albert schlugen, um dann im Winter bis
Lublin vorzudringen ^). Stephan seinerseits schickte allerdings
Tribut an die Pforte, wo nun sein ältester Sohn Alexander weilte,
der 1496 in Konstantinopel starb und durch seinen Sohn Stephan
ersetzt wurde ^) ; der letztere wurde türkisch erzogen und trat
später auch zum Islam über. In seinen Kriegen gegen Polen
wurde der mächtige Woiwode von den Tataren und den auf-
rührerischen russischen Bauern Muchas unterstützt.
Ja Stephan, der vergeblich die Provinz Pokuzien als seine
1) Die moldauische Chronik.
2) „Mon. Hung. Hist." VI, S. 123 ff.
3) Ebenda S. 430.
4) „Chilia ?i Cetatea-Albä" S. 169— 171, 296—297; Lewicki II, S. 348
bis 349, 368; Hurmuzaki IP, S. 315 — 316; auch ebenda S. 310, 316— 317.
5) Kaspar Weinreich, in den ,, Scriptores rerum prussicarum" IV, S. 776,
778—779.
6) „Istoria lui Stefan-cel-Mare '' S. 21S — 219.
273 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
rechtmäfsig'e Herrschaft verlangte, rief sogar später das türkische
Donauheer zu den ersten greuelvollen Streifzügen ins polnische
Gebiet herbei. Mit dem neuen litauischen Knez Alexander, dem
Sohne des alten und trägen, 1492 endlich gestorbenen Königs
Kasimir, lebte er in guten Beziehungen und machte ihm Vorschläge
für ein gemeinsames Verfahren gegen die Türken '). Mit dessen
Bruder aber, dem König Johann Albrecht, gelangte Stephan, weil
Polen ihm Pokuzien nicht abtreten wollte, zu keinem Frieden.
Der neue polnische Herrscher erwirkte aber zuerst 1492 , dann
im April 1494 vom Sultan die Erneuerung des Friedens und be-
stätigte dieses letzte Übereinkommen im Juni 1494 ^).
Drei Jahre hindurch war er, wenn auch nicht vor tatarischen
Einfällen, so doch wenigstens vor den Feindseligkeiten der Türken
in Chilia und Cetatea-Albä, die nunmehr Kili und Ak-kerman
hiefsen, sicher.
1497 fiel Johann Albrecht, von Callimachus verleitet, der als
spitzfindiger Italiener der Renaissance immer allerlei grofse Pro-
jekte nährte und sich berufen glaubte, ein einziges Reich bis zur
Donau hin zu schaffen, in die Moldau ein. Sein Vorwand war,
dafs er, da der vielleicht geheimgehaltene Vertrag mit der
Pforte abgelaufen war, die moldauischen Häfen für seinen ,, Freund"
Stephan zurückerobern wolle. Der Papst, die Venezianer, sein
Bruder Alexander, nicht weniger Stephan und der schlaffe walachi-
sche Fürst Vlad, hatten ihm freilich einen Kreuzzug für die all-
gemeine christliche Sache angeraten ; die wahre Absicht des Königs
aber war die, den alten Woiwoden Stephan zu verjagen und aus
dem ,,Palatinate" der Moldau ein Leibgedinge für Kasimirs jüngeren
Sohn Siegmund, den späteren König, zu bilden; in Leutschau,
bei der Zusammenkunft von 1494 hatte sich der König mit seinem
vierten, in Ungarn regierenden Bruder, dem gutmütigen Wladis-
law, darüber verständigt und hielt sich versichert, dafs kein un-
garischer Einspruch seine siegreiche Laufbahn hemmen werde ^).
i) Jablonowski, Sprawy woloskie za Jageltonow , S. 60 ff. • Ulianicki
S. 121 ff.; „Istoria lul Stefan-cel-Mare" S. 229 ff.
2) Handschrift 611 des Museums Czartoryski in Krakau S. 33. 35ff. ; Le-
vvicki II, S. 416 — 418, 421 — 422; vgl. Ulianicki S. 124 — 125.
3) Vgl. auch „Dipl. Rag." S. 653—654, Nr. 404—405.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 373
Mit den Truppen verschiedener Palatine und den von ihrem
Meister geführten Deutschherren — die nicht nur eine Vasallen-
pflicht gegen Ungarn, sondern auch eine höhere gegen die
Christenheit zu erfüllen glaubten — erschien Johann Albrecht
Anfang Juni 1497 in der Moldau, deren Fürst noch nicht klar
sah , was der ausposaunte Feldzug für ihn und sein Land be-
deuten solle; er war nach Vasluiü in der südlichen Moldau ge-
gangen, um nach Ankunft der Polen in das neue türkische Ge-
biet an der unteren Donau einfallen zu können. Bald aber ver-
nahm er, dafs seine Alliierten nicht den östlichen Weg nach
den beiden Häfen , sondern den nach Suceava eingeschlagen
hatten. Stephan verliefs seine Hauptstadt und ging nach Ro-
man, um hier ein neues Heer zu sammeln. Die Polen ver-
mochten das starke Schlofs , das Suceava überragte , nicht ein-
zunehmen und entschlossen sich nach vielen vergeblichen An-
strengungen, als der Mangel an Lebensmitteln dem Heere
empfindlich zu werden begann und der Herbst nahte (Oktober),
zum Rückzuge. Trotzdem dieser durch ein Übereinkommen mit
dem siebenbürgischen Woiwoden und Mittelsmann gesichert zu
sein schien, wurden die Polen, die auf ihrem eiligen Marsche
das Land übel mitnahmen und eine andere Route als die ihnen
von Stephan vorgezeichnete wählten, von den Moldauern an-
gefallen und erlitten in den Wäldern der heutigen Bukowina
eine furchtbare Niederlage; kaum gelang es dem kranken König,
mit einem Teile seines Hofes und einigen abgesonderten Ab-
teilungen des Heeres in sein Reich hineinzukommen. Am 12. No-
vember war der Besiegte in Lemberg *).
Auf diese Ereignisse hin gab Stephan, der schon 1497
2000 Türken benutzt hatte, den Donaubegs, wie sie es seit
langem verlangten, den Weg nach Osten frei. Die Sandschaks
von Kili und Akkerman erschienen im Mai 1498 sogar vor
Lemberg, natürlich ohne die sehr starke Stadt selbst anzugreifen^).
i) Erzählung in Wapowski, Scriptores rer. polonicarum II, S. 2i2ff. ;
moldauische Landeschronik; Berichte des Deutschen Ordens in „Chilia §i Cetatea-
Albä" S. 303 ff. Vgl. „Istoria lul Stefan-cel-Mare" S. 23off.
2) Wapowski S. 33; Miechowski S. 262; moldauische Chronik; „Acte
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 18
374 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
Stephan folgte ihnen und suchte die benachbarten Grenzbezirke
plündernd heim. Als dritte feindliche Macht tauchten dann, im
Juli noch, die Tataren auf und durcheilten Podolien mit wilder
Grausamkeit. Im November stellten sich die Akindschis Bali-
hegs ein und drangen in der Richtung von Halitsch vor; erst
der harte Winter zwang sie zum Rückzuge , der äufserste An-
strengungen kostete und dem eingefallenen Heere grofse Ver-
luste zufügte; auch Stephan machte sich diese schwierigen Um-
stände zunutze und liefs es heimlich überfallen und züchtigen.
Der König hatte zwar einige Truppen zusammengebracht, war
aber der Schnelligkeit und Kühnheit der leichten Reiterei
gegenüber, die eine in vielen Quellen zu schmerzlichem Aus-
druck gelangende grausige Erinnerung zurückliefsen, ohnmächtig.
Sein Gesandter an den Reichstag von Freiburg hatte vergebens
die Hilfe der westlichen Christen angerufen '). Erst als der König
alle Bedenken seines Stolzes beiseite setzte und am 19. April 1499
sich mit Stephan wie mit einem seinesgleichen verständigte,
schlössen die Moldauer weiteren türkischen Einfällen Tür und Tor.
Die türkischen Festungen wurden nun von ihm beunruhigt;
Stephan liefs die Gesandten, die einen Teil des Tributs im voraus
verlangten, verstümmeln. Moldauische Unterhändler gingen nach
Ofen und sogar Venedig, um einen neuen Türkenkrieg anzuregen.
Aber nirgends fanden sie einen ernsten Willen zum Beistand, und
so machte der moldauische Fürst bereits 1501 seinen Frieden mit
dem osmanischen Kaiser^). 1503 erneuerte zugleich mit dem
ungarischen auch der polnische König den Waffenstillstand für
sieben Jahre, und das Schreiben des Sultans wurde ihm von Sinan-
beg, dem Vetter des Hersek-Pascha, mit einem grofsen Gefolge
von Türken in goldener und seidener Tracht auf dem Wege
über Suceava zugestellt ^). Die Stellung der beiden rumäni-
§i fragmente" IIP, S. 66 ff. ; „Archiv für österr. Gesch." XLIX, S. 299 ff, ;
„Chilia ^i Cetatea-Alba" S. 294, Nr. xxn.
i) „Acte $i fragmente" IIP, S. 66 ff.
2) Sanudo, Diarii III, S. 288, 567, 635, 684, 879, 927, II63, 1 1 78,
1453, 1465, 1468, 1478 — 1479, 1550, besonders aber S. 1627 — 1628; dann IV,
S. 105, 248.
3) Ebenda S. 804—806; V, S. 450, 464; vgl. „Chilia ?i Cetatea-Albä" S. 176.
Bajesids II. Reichspolitik an der Donau. 275
sehen Fürsten als Tributäre der Pforte — Radu , der aufserdem
in jedem dritten Jahre nach Konstantinopel kommen sollte, um
seine Ernennimg" erneuern zu lassen, zahlte 8000, Stephan nur
4000 Dukaten ^) — wurde in den Verträgen von Ungarn sowohl
wie von Polen, die bisher bei jeder Gelegenheit von ihren alten
unantastbaren Rechten gesprochen hatten, feierlich anerkannt.
Nach einem Jahre, am 2. Juli 1504, starb der Mann, der
als tapferer Kämpfer wie kluger Politiker, die Ausdehnung der
Türken in den östlichen Donaugebieten zu verhindern imstande
war. Nach dem Tode Stephans hatte sein schwacher Sohn Bog-
dan gegen die Polen, die ihm Pokutien und die Hand einer
königlichen Prinzessin vorenthielten , Krieg- zu führen. Freilich
fehlten auch auf türkischer Seite Männer vom Schlage eines Ali
und Skender Michalogli und Balibeg als Führer in der Donau-
landschaft. Darum herrschte bis zum Kampfe des Prinzen Selim
um die Nachfolge des Vaters (15 10) Ruhe an der unteren
Donau.
In die Gebiete südlich von Serbien und Bosnien , in das
Cherzechland, das Schwarze Gebirge des Tschrnojewitsch und
nach Albanien führt uns ein anderes Kapitel der Entwicklung
des osmanischen Reiches, das mit einem letzten über die moreo-
tischen Verhältnisse und Ereignisse in engerer Verbindung steht.
Der Vertrag zwischen Ungarn und den Türken in S a n u d o , z. J. ; vgl. auch
Hurmuzaki II \ S. 20 — 23. Für den zwischen Polen und den Türken ge-
schlossenen Frieden siehe Rykaczewski, Inventarium, S. 144.
i) Sanudo V, S. 464. Nach Miedzilecki, dessen Äufserung aber in das
Jahr 15 14 betrifft, hätte Stephan 8000 Dukaten bezahlt; „Acta Tomiciana" III,
S. 170 — 171.
18^
Viertes Kapitel.
Die Türken in Albanien, den umliegenden slawischen
Ländern und in Morea unter Sultan Bajesid II.
Bei der Nachricht vom Tode seines Herrn, des zweiten Mo-
hammed, hatte Gedik Ahmed, der Führer der Türken in Al-
banien, seine Residenz verlassen und sich nach Konstantinopel be-
geben, wo er, uneingedenk früherer Kränkungen, einer der Wesire
Bajesids II. wurde. Damals wurde , und zwar schon seit dem
lo. September 1480, Otranto von Prinz Alfonso, der über 9000
Neapolitaner, einige Ungarn, unter Magyar Baläzs, und Florentiner
verfügte, belagert, während neapolitanische, päpstliche, spanisch-
portugiesische und vom Papste besoldete genuesische Schiffe
den Hafen blockierten. Da in Albanien ein fähiger Sandschak
nicht vorhanden war, konnte der zurzeit kommandierende Beg
— angeblich der Sandschak von Negroponte — den Widerstand
nur bis in den Herbst hinein verlängern; am 10. August 1481 ^)
mufste er sich ergeben^); von seiner geringen Truppenmacht
— sie zählte 2050 Mann ^) — übernahm Alfonso, den verein-
barten Bedingungen zuwider, 500 Türken in seinen Sold, die
auch später noch unter seiner christlichen Fahne kämpften. Den
Sieg auszunutzen und gegen Avlona vorzugehen war der vor-
gerückten Jahreszeit wegen unmöglich.
1) Nach Giannone (s. unten) S. 230,
2) Brief des Alfonso, 11, September, im „Diarium romanum" des Jacobus
Volaterranus ; s. auch J. Albinus, De bello hydruntino , bei Giannone, Ist.
civile del regno di Napoli V, S. 2290". Vgl. auch Summonte, St. di Napoli z. J.
3) Ragusanische unedierte Chronik.
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 377
Gleich nach der endgültig-en Einsetzung Bajesids wurden aber
Mafsreg-eln getroffen, um auch hier die letzten Spuren der christ-
lichen Herrschaft zu beseitigen. Der ungarische König kündigte
148 1 einen Zug zur Ausdehnung seines Gebietes in der Herzego-
wina an, aber Anfang 1482 annektierten die Osmanen unter Ajas-
Pascha Novi, das dem Cherzech Wlatko gehört hatte und von
diesem neuerdings den Ungarn abgetreten worden war '). Später
belagerten die Türken auch das in der Nähe gelegene Schlofs
Chos. Nach dem Tode des Königs Matthias traten die Türken
auch in das reiche Narenta ein ^), so dafs sie nun die berühmte
Fiumara Narentas, ,, worin die ganze Flottille der Welt Raum
finden konnte" ^), besafsen.
Mehr als einmal fürchtete Ragusa für sein Schicksal selbst.
Seit 1471, als die ihm gehörige Landschaft Canale somit auch
geplündert worden war, zahlte es den Türken 8000, dann auch
loooo, 13000(1476,1479), 15000 Dukaten jährlichen Kharadsch^),
so meisterhaft es mit Sandschaks und Wesiren umzugehen
wufste ^). 1474 legte man an der Porta Pile die früheren hohen
und starken Befestigungen und neue Gräben aus Furcht vor dem
Sultan an. Bei der letzten Erhöhung des von ihr entrichteten
Tributs hatte die kleine Republik das Recht des ausschliefslichen
Salzverkaufs in Novi, Risano und Narenta erhalten ^). Bajesid hatte
übrigens bei seiner Thronbesteigung auf die 5 000 Dukaten vom
Tribute, die für das ,,Land Iwans" bezahlt worden waren, verzichtet
i) „Dipl. Rag." S. 809: „Ad levandura Hungaros quos ipse Aias-Bassa
scribit sibi dedisse Castellum Novum." Vgl. auch Angiolello, Pariser Hand-
schrift, fol. 76 yo.
2) Angiolello, fol. 78 vo.
3) „Nella quäl fiumara si potria tener tutta I'armata del mondo." Ebenda.
4) Siehe die schon zitierte ragusanische Chronik: „Anno 1471 , adi 23 feb-
braio, li Turchi depredorno Canali, et questo perche non volevano pagare li
Ragusei il tributto piü di duccati dua mille et, doppo fatto il danno, pagorno
anco li ducati 3000 al compimento delli ducati 500, et fuUi anco gionto di
pagare per avante altri ducati 3000 de harrazzo, che furno in tutto ducati 8000.''
Siehe auch die Chronik von Resti und Gondola in „Mon. Slavorura Meri-
dionalium" und die des Luccari.
5) „Dipl. Rag." S. 810, 811, 820.
6) Aber unter der Bedingung „che d'ogni uso dia la meta del rittrato al
Turco"; ebenda.
378 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
und die Summe auf 12500 Dukaten festg-esetzt ; auch sollten die
Bürg-er der bevorzugten Stadt nur einen Zoll von ^ aufs Hundert
entrichten ^), während sonst die Fremden in Konstantinopel 5 Pro-
zent und in Brussa und Adrianopel 3 Prozent zahlten; auch
wurde den Ragusanern gestattet, überall im Reiche ohne be-
sondere Pässe Handel zu treiben '^).
Avlona am Voiussaflusse blieb wie in den letzten Jahren
Mohammeds ein Krieg-shafen und Sammelort der osmanischen
Flotte. Dorthin begaben sich im Juni 148 1 die Schifte des
neuen Sultans, ohne sich indes um die Rettung Otrantos zu be-
mühen ^). Als Sandschak wurde bald darauf einer der Schwieger-
söhne des Sultans, Sinan-beg, hingeschickt, der während der al-
banischen Empörung in den Jahren 1485 — 86 daselbst weilte*).
Die Anwesenheit eines hervorragenden hohen Offiziers wurde
nicht nur durch den Wunsch, in diesem dritten Arsenale des
Reiches, das wenig hinter denen in Gallipolis und Nikomedien
zurückstand, eine Flotte auszurüsten, sondern auch durch die un-
aufhörlichen Unruhen unter den unbändigen Albanesen gerecht-
fertigt. In ihren engen Tälern, auf den Abhängen des Gebirges
führten sie als Bewohner zahlreicher, weit voneinander entfernter
Hirtendörfer oder Katuns ^) ein beinahe unabhängiges Leben und
wollten wenig davon wissen, dafs ihr Land nunmehr ein Bestand-
teil eines mächtigen, einheitlichen und fest organisierten Reiches
sei. Lokale Fehden und Privatrache beherrschten wie früher
das Interesse der tapferen, jeder Ordnung unzugänglichen Be-
1) Ebenda: „Et pagino per dazio del paese mezo per loo."
2) Dabei erscheint die Klausel: ,,Essi troverapno appaltatori che daranno
300000 aspri di appalto, quali appaltatori essi troveranno con buona et sicura
pieggiaria, affine che non si perdi cosa alcuna, e consignaranno ogni sei mesi
50000 aspri al hasnä reggio, con questo perö che non s'ingerischi trä essi emino,
nemeno solicitador delli defterdari"; ebenda.
3) Sathas VI, S. 167.
4) Magno in Sathas VI, S. 236—237.
5) Siehe den venezianischen Bericht in der Handschrift X, G. 37, der Biblio-
thek zu Neapel fol. if,gS.: „Governano a communi, quasi come fanno Svizzeri,
allegando nelle congregationi loro, chiamate in quelle linga sborzi (slawisch : sbor),
li giudici quali giudicano le cause civili et criminali."
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid 11. 379
völkerung. Wie heute noch , mufste sich jeder einzelne und
jede Gemeinde, um sich einiger Sicherheit zu erfreuen, von den
Freischützen der Wälder, der Anhöhen und der Schluchten
Schonung- erkaufen und ihnen in ihr Versteck oder nach dem
von ihnen bezeichneten Platze Geld und allerlei andere Abgaben
zu ihrem Unterhalt zusenden ^). Selbst aus feindlichem Gebiete,
vom türkischen Albanien her, gelangten Zahlungen und Zehnte
des freien bewaffneten Mannes an sie ^). Bei den Türken selbst
fanden sie bisweilen Absatz für ihre geraubten Herden und
anderen Gewinn ^). Die osmanischen Befehlshaber waren zu-
frieden, wenn sie, ohne den Kharadsch regelmäfsig zu ent-
richten — doch waren natürlich die, die zum Islam übergetreten
waren , dieser Verpflichtung überhoben — , sich als Untertanen
der Pforte bekannten und die Handelswege unbehelligt liefsen ^).
Denn überall, wo sie mit dem widersetzlichen, unbändigen Volke
in Berührung kamen, hatten sie Anlafs, über die ,, händelsüch-
tigen" und ,, unverständigen" Freunde der Zwietracht und Feinde
der Ruhe und friedlichen Zusammenlebens ,, Klage zu führen" ^).
Die Worte gelten eigentlich den moreotischen Stratioten , aber
die Charakteristik pafst auf das ganze Albanesentum der Zeit
und auch des folgenden Jahrhunderts. Sie bewunderten nichts-
destoweniger ihre unvergleichliche, staunenerregende Tapferkeit,
und unter Umständen waren Begs und Sandschaks gern bereit,
den Glücksrittern und Helden die gegen die türkische Habe und
das osmanische Reich verübten Freveltaten grofsmütig zu ver-
zeihen ^).
i) „Noviter", schreibt ein moreotischer Offizier von den in Morea ansässigen
und auch dort nach ritterlicher Art lebenden Albaniern, „ha usado (die Rebellen)
metter et farse dar taglie et tributo a le catune et casali de' Turchi per non li
corsezar"; Sathas VI, S. 175.
2) Vgl. ebenda S. 180. 3) Ebenda S. 187.
4) Laskaris a. a. O.
5) „Zente volubile . . ., zente de scandalosa natura, amici de le discordie et
inimitii de la quiete et pacifico vivere ; zente disordinata et de pocha obedientia."
Sathas VI, S. 149, 154; vgl. S. 120, 178.
6) Sathas VI, S. 190; vgl. auch die von Bischof Alexius von Gallipoli in
Italien, einem iloreoten , gegen 1500 gegebene Beschreibung: „Graeca quoque
lingua, perbarbare tarnen utuntur ... Turcorum nemini, nedum generi semper in-
380 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Der Kleinkrieg' g-efährdete jedenfalls die türkische Herrschaft
in dem endgültig unterworfenen albanesischen Gebiete nicht.
Denn Venedig war nicht mehr wie in den Tagen Skanderbegs
geneigt, mit Hilfe einiger bedeutender ihm ergebener Familien
das Feuer eines Aufruhrs anzuschüren. Im Gegenteil war es
zufrieden, endlich auch seinerseits keinen Angriff dieser gefähr-
lichsten Feinde gewärtigen zu müssen. Es hatte nach dem Ver-
trage von 1479 nur drei Plätze am Meere behalten, und diese,
Dulcigno, Antivari und Budua, und weiter südlich Cattaro, durch
gute Fläfen, starke Schlösser und den Reichtum des umliegen-
den Gebietes an Korn und Ol bedeutend, gehörten nicht, wie die
jetzt in türkischem Besitz befindlichen Durazzo, Alessio , Kroja,
Skutari, Zabliak, Dagno, Satti, Berat, Pulad, die gleichfalls den
Eroberern anheimgefallen waren , zum eigentlichen Albanien,
sondern zur Zenta der Balschiden, dem slawischen Territorium des
südwestlichen Serbiens. Nur die Markowitsch in Antivari und
die Pastrowitsch bei Budua waren als die allertreuesten aller al-
banesischen Clans unter der Obhut und als Stratioten im Dienste
der Republik geblieben. Der am meisten benutzte Handelsweg
der Venezianer, der Dulcigno mit Küstendil, der ,,Konstantins-
banje" verband, trat gleich nach dem Übergang über die Bojana
auf türkisches Gebiet über, und schon S. Serzi war von den Os-
manen besetzt ').
Anders verhielt es sich allerdings mit den aufstrebenden
aragonischen Machthabern in Neapel und Sizilien. Sie standen
unter dem Banne des alten Traums aller süditalienischen Dynasten,
das gegenüberliegende Ufer der Balkanhalbinsel mit ihren Be-
sitzungen zu vereinigen, und wollten aufserdem Rache für den
Fall von Otranto üben. Seit der Zeit König Alfonsos des Grofs-
herzigen standen sie in engen Beziehungen zu hervorragenden
Albaniern. Skanderbegs Sohn, Giovanni, ,,lo ill. Joan Castrioto",
fensi . . . , altero vel tertio quoque anno ab eis deficiunt . . . Mori pro iubilo esti-
mant, modo sibi fiat copia Turcoruni sanguinis satiatis animam efflare"; Lauren-
tiana, Leop.-Gadd., Nr. cxxx.
i) Siehe die in der Handschrift X, F. 41, fol. 160, gegebene Marschroute.
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 28 t
f fand Zuflucht bei ihnen und hatte später, 1484, Händel mit der
[ Stadt Manfredonia '). Schon 1481 wurde Giovanni mit einigen
Truppen, vor allem aber mit den Stratioten des Hauptmanns Chry-
soskolos Klada, der, wie bereits erwähnt, in den Jahren 1480
und 148 1 den Türken um Nauplion und Argos, durch einen
Theodor Bua und andere unterstützt, manchen Schaden zu-
gefügt hatte, von Neapel nach Durazzo geschickt. Klada
hatte sich , als seine Gefährten wieder in venezianischen Dienst
traten, was ihm selbst der nun an seinem Namen haftende
Hafs nicht erlaubte, nach Neapel geflüchtet, wo viele seines
Stammes Aufenthalt und Sold gefunden hatten ^). Nun be-
gleitete er mit seinen ,,Kladioten" den Sohn des gröfsten
Helden Albaniens. Unter Kroja kam es zu Kämpfen, doch
konnten die leichten Scharen der Albanesen die starke Feste
nicht einnehmen. Dann wurde der Krieg weiter nach Süden
verlegt. Es gelang Klada, die am Meeresufer gelegene un-
gewöhnlich starke Burg Chimära, die von allen Seiten von
hohen Felsen umgeben war, zu überrumpeln 2). Auch das be-
nachbarte Sopoto wurde von den im Dienste König Ferdinands
stehenden, mit Bogen, krummem Schwerte und einem Wamse
bewafineten Stratioten eingenommen ^). Der Befehlshaber in Avlona
konnte dem beweglichen Feinde nicht widerstehen ; er fiel zuletzt
in die Hände der Kladioten, die vom Könige nicht weniger als
4000 Dukaten für ihn erhielten. Gleichzeitig streifte der könig-
liche Admiral Villamarina im Archipelagus umher und ging bis
unter Palatscha, dessen Verteidiger durch das Aufheifsen einer
Fahne mit dem San-Marco-Löwen getäuscht wurden ^).
Hierauf beschränkten sich aber auch von aragonischer
1) Archiv von Neapel, „Sumraario Privil." 21, fol. 159 vo bis 160.
2) Sathas VI, S. 200.
3) Vgl. die Besciireibung des Bischofs von Gallipoli, a. a. O. : „Castellum
quondam id erat, nunc locum sie vocitant, praealtis atque asperis montibus circum-
clusum, imo dumtaxat a fronte aditu, eoque perangusto, patentem, a tergo supero
illic desinente mari et horrendis cautibus septum , Epiri montibus inde inci-
pientibus."
4) Sathas VI, S. 229 — 230 ; venezianische Chronik F. 33, fol. 132.
5) Ebenda S. 230.
383 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Seite die Feindselig-keiten, und die Türken befolgten, wie an den
anderen Grenzen , die Politik der Geduld und der Verzeihung
aller Angriffe. Noch 1483 gab der König von Neapel dem in
Otranto gefangengenommenen Pascha ^) die Freiheit zurück und
liefs durch einen eigenen Gesandten , der ihn und andere
freigelassene Türken begleitete, Friedensverhandlungen anknüp-
fen ^). Das 1484 verbreitete Gerücht, dafs die osmanische Flotte
von Avlona gegen das Reich Neapel vorgehen werde, erwies
sich als unbegründet: in diesem Jahre war der Sultan mit der
Einnahme der moldauischen Häfen beschäftigt ^). Erst i486
wurden wirklich Bewegungen der albanischen Türken wahger-
nommen ; der neue Sandschak von Avlona , Sinan , ging im
Herbste (November) gegen die einheimischen Aufständischen vor.
Man sprach sogar von einem Zuge des rumelischen Beglerbegs und
des Sultans selbst *). Eben damals hatte ein Kondottiere, Buccolino
Gozono, Osimo besetzt, und da er fürchtete, aus dem eroberten
Platze wieder verjagt zu werden , wandte er sich mit dem An-
erbieten an die Türken in Albanien, die ganze Mark Ancona mit
lOOOO Kriegern einzunehmen und ihnen so zu ermöglichen,
besser als in Otranto , Lecce oder Brindisi , Fufs in Italien zu
fassen. Die mit dem Sandschak von Skutari geführten Unter-
handlungen wurden entdeckt und riefen eine allgemeine Be-
fremdung, Entrüstung und Furcht hervor, obgleich es mehr als
zweifelhaft erscheinen mufs , ob der Sandschak auf den gefähr-
lichen Vorschlag eines Abenteurers eingegangen wäre •''). Etwas
später, 1488 — 89 erschienen die Türken Avlonas, wenn auch nur
700 an der Zahl, auf dem italienischen Ufer und raubten in der
Nähe der Madonna di Pesaro ; Ancona, dessen Mauern zu einem
Drittel zerstört waren, fürchtete für seine Sicherheit'') und säumte ß
nicht, an den Sandschak und Kadi von Avlona Bittgesuche und
l) „Bassa Eunucho." 2) März. Sathas VI, S. 213.
3) „Monuraenta Vaticana" a. a. O., S. 223.
4) Magno in Sathas VI, S. 236 — 237.
5) Vgl. „Mon. Hung. Hist." VII, S. 366; cod. lat. monac. 461, fol. 163;
Lamansky, Secrets d'Etat de Venise, Petersburg 1884, S. 230 — 232; Thuasne
S. 335-
6) „Procul dubio disfaceva questo populo."
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 283
Geschenke zu schicken ^). In einer einzigen Nacht, erklärten 1493
die Bürger, könne eine türkische Truppenmacht von Avlona zu
ihnen gelangen ^).
Gleichzeitig fanden in den Jahren 148 1 bis 1485 verschiedene
Kämpfe zwischen Johann , dem Sohne des Stephan Tschrnoje-
witsch, den die Türken Iwan-beg nannten — folglich hiefs sein
Land die Ivanbegovina (vgl. Cherzech-Cherzegewina) — , und den
Türken des unteren Bosniens und des nördlichen Albaniens
statt. 148 1 soll Johann Subljak erobert haben, um es bald
wieder zu verlieren; die eingedrungenen Osmanen aber sollen
nach denselben späten und unsicheren Quellen, die — in Über-
einstimmung mit der montenegrinischen Sage über die Tochter
des Dogen von Venedig die mit dem jungen Maxim Tschrnoje-
witsch verheiratet werden würde und dem kleinen Lande des
Tschrnagora Unheil gebracht hätte, — ■ 1483 aus dem Lande,
dem letzten Überreste des einst mächtigen Fürstentums der Zenta,
wieder verjagt worden sein. Schliefslich verliefs Tschrnoje witsch
Podgoritza und zog sich in sein starkes Schlofs Cetinje zurück,
wo er wie eingeschlossen lebte. Von hier schenkte er einem von
ihm gestifteten Kloster Anfang 1485 Ländereien ^).
Die osmanische Offensive begann in diesem westlichen Ge-
biet erst 1490, als der Sultan selbst sich nach Usküb begab,
ohne jedoch weiter als bis Monastir (Bitolia) vorzudringen. Iwan-
beg, der ,, Wegelagerer *) und Mörder", verlor alles; nur sein Ge-
birgsnest verblieb ihm ; sein kleines Land wurde von Kennern
der Gebirgspässe und des in den Pindusschluchten üblichen
Kleinkrieges verheert. Vergebens wagte sich, als Mechdi oder
neue Verkörperung des Propheten verkleidet, einer der Seinen
ins Lager Bajesids, um Milosch' Rachetat gegen diesen Nach-
i) „Sanzacho-bei et cathy, capitaneo ominum Valone et totius eius districtus",
Archiv von Ancona, „Commissioni e lettere" 1482 — 1494, fol. 5° ff*
2) Ebenda z. J. ; auch „Cons." 1493, fo^- ^ vo: Bittgesuch an den Sultan
um Ausübung freien Handels.
3) Hopf II, S. 164; Miklosich, Mon. serbica, S. 530.
4) „Stradarolo assassino"; Gritti in Alböri a. a. O. S. 22. Vgl. die
schon erwähnte Arbeit Miklosichs über die Familie Tschrnojewitsch.
384: Zweites Buch. Viertes Kapitel.
folger Murads zu wiederholen ; zwar flüchteten die Tschauschen
vor dem drohenden Schwerte des Mörders, aber Iskender-Pascha
deckte seinen Herrn mit dem Leibe und zerschmetterte dem
falschen Mechdi mit dem eisernen Busdugan den Schädel '). Die
Neapolitaner verloren Chimära und Sopoto und fürchteten einen
neuen Angriff auf ihre italienische Küste ; und nur die Erkran-
kung Bajesids (im September) verhinderte , nach der Meinung
Eingeweihter, das Weitergreifen des Krieges in dieser Richtung ^).
Auch die Venezianer waren um ihre grofse Insel Korfu besorgt,
und Mafsregeln wurden auch getroffen, um einen türkischen An-
griff zu verhindern ^). Viele Albanesen und ,,Schiavoni" be-
gaben sich in das Reich Neapel, wo sie manche Privilegien ge-
nossen, die sich für die königlichen Finanzen bald als nachteilig
erwiesen ^).
Als Karl VIII. von Frankreich sich vier Jahre darauf gegen
Neapel w^andte und das Reich eroberte, sahen die Türken einem
neuen Angriff von den süditalienischem Landschaften aus, aber
diesmal mit einem Heere und unter einem Führer, die sich den
Neapolitanern und Venezianern weit überlegen zeigten, entgegen,
und die Nachricht, dafs der französische König von Neapel sich
zur Überfahrt nach Durazzo rüste, um Konstantinopel und, wenn
möglich, auch die heilige Stadt Jerusalem einzunehmen und sich
zum Nachfolger Balduins von Flandern und Gottfrieds von
Bouillon krönen zu lassen, brachte in den höheren Kreisen der
Osmanen allgemeine Verwirrung hervor ^). Der Erbe Moreas **)
hatte seine Rechte an den grofsen König des Westens verkauft;
jetzt erschien auch der Bischof Martin von Durazzo, von Geburt
i) Leunclavius Sp. 604 — 606. Iwan begab sich dann nach Venedig,
welches die Türken gegen die Republik reizte (Angiolello, Pariser Handschrift
fol. 92).
2) Sathas VI, S. 238 — 239.
3) Ebenda. Vgl. die Notizen in Angiolellos Pariser Handschrift fol. 79.
4) Archiv von Neapel XXIII, A. n.
5) Siehe auch „Dipl. Rag.", S. 657.
6) Siehe auch oben, erstes Kapitel. Noch 1496 weilte Anna, die Tochter
des Lukas Notaras, in Italien, „Duc. e lett. ric." Q. 43.
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 385
ein Albanier, vor ihm, um im Namen Albaniens Karl VIII. in die
Stadt der Thopias „aus dem Hause von Frankreich " zu rufen').
Hatte doch der König- in seiner berühmten „Protestation" von
Florenz feierlich erklärt, dafs er, sobald sein Zwist mit ,, einem
g-ewissen Ferdinand von Aragonien" endgültig beendet sein
werde, sich nach Avlona begeben werde und im Frühling 1495
den Krieg gegen den Sultan zu beginnen gedenke ''). 1495 aber
sah sich Karl im Gegenteil gezwungen , Italien , das gegen ihn
in Bewegung geriet, zu verlassen; er ging, von den schein-
heiligen Vorwürfen des ihm feindlichen Papstes , dals er seine
Mission vergessen habe, verfolgt, nach Frankreich zurück ^).
Infolgedessen wurden die Hoffnungen der albanischen
Rasse beträchtlich herabgemindert. Aber sie erhielten neue
Stärke, sobald die Signoria von Venedig, die alte Beschützerin,
mit den Türken Krieg begann. Als auf der Voiussa wieder
zahlreiche Schiffe, wie sie sich gegen die Korphioten zu richten
pflegten, erschienen — 1500 fafste man den Plan, die Mündung
der Voiussa zu sperren ^) , und die dortigen Türken wurden im
Juni bei Sasno getötet^) — , erboten sich im Februar 1501 die
Albanesen von Chimära, diese zu verbrennen und 2 — 3000
Krieger zu den venezianischen Truppen stofsen zu lassen ^).
Vor Alessio wurde, nach der Gefangennahme des venezianischen
Befehlshabers Marco Orio, eine förmliche Schlacht zwischen
i) Sathas VI, S. 240. Auch Bischof Stephan von Antivari wirkte auf einen
Kreuzzug hin und vertrat den Gedanken daran feierlich vor Sixtus IV. ; München
„Impr. turc." 80 (?), 8". Vgl. auch die Ermahnung des I. Aloysius Tuscanus an
Paul U., cod. lat. monac. 526, fol. 96.
2) Cod. lat. monac. 414, fol. 184. Vgl. Thuasne S. 329.
3) Cod. lat. monac. 24598, fol. 2.
4) „Stropar la bocha de la Voiussa"; Bericht vom Februar 1500 in „ Capi
Cons. X", Curfü.
5) Ebenda, Brindisi. Es hiefs 1500, dafs der berühmte Khamaleddin sich
nach der Voiussa begeben werde, um dann Brindisi anzugreifen ; Brief des Dogen
über den Verlust Modons ; cod. lat. monac. 414, fol. 242 vo.
6) „Hano molto amal de li Turchi ; cavano quella armata per esser natural-
mente jnimici de li Turchi"; „Lett. Rett.", „Capi Cons. X", Corfü; Bericht
vom 14, Februar 1501.
38C Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Albanesen und Türken g-eliefert, in der die ersteren den Sieg-
errangen *), Auch nach dem Friedensschlufs behielt die Republik
hier das S c o g 1 i o (Felsen) von Alessio, die ,, insula Alessii ", wo sie
einen Befehlshaber einsetzte; am 31. Oktober 1501 berichtete
dieser, dafs die Sandschaks von Skutari (Feris-beg) , Kroia und
Novi ^) die venezianischen Stratioten an sich zu locken suchten ;
solche befanden sich in Chivri und S. Zuane de la Medua, und
die San-Marco-Fahne wehte über beiden Festen ^). Doch wurde
Venedig- später vom Sultan gezwungen , die Insel , die freilich
1504 noch von den Stratioten der Republik besetzt war*), zu
räumen. Ein Kenner des Morgenlandes, der gelehrte Jani Las-
karis, empfahl, den unermüdlichen Kämpfern für die Christenheit
Schwerter zu schicken, auf denen das eine Wort ilevd^SQia zu
lesen sein sollte ^). Obgleich Ragusa 1499 glaubte, dafs der
Sultan auf seine Unterwerfung ausgehe, um dann weiter zur Er-
oberung ,,ganz Dalmatiens, ganz Italiens und besonders des
Reiches von Neapel und der ganzen Mark von Ancona" zu
schreiten^), erfolgte in dieser Richtung keine neue Er-
oberung. Man hörte vielmehr auch später nur von den gewöhn-
lichen Schiffszurüstungen in Avlona; Durazzo wurde 1504 von
vier Sandschaken mit 8000 Arbeitern stark befestigt ') und in
demselben Jahre der Markgraf von Cotrone mit sieben Dienern
im Schlosse von Novi enthauptet **). Im Hafen von Avlona
1) Angiolello, fol. 11 1 vo bis 112.
2) „El sanzaco de Croia e quel de Terra Nova."
3) „Capi Cons. X", Corfü.
4) Bericht vom 21. Mai 1504; „Rettori": „Luogo aperto da ogni banda.
Uh in euer de l'Albania, et e luogo perfetto et a proposito de la nostra S^ia
et e aperto a far vassili et quanta armata si volesse far, che credo Idio cechasse
li occhi a Turchi che non veneno qui a far la loro armata, che era molto meglio
che la Valona et Vuiussa, et qui de terra non e paura alguna, ma solamente da
mar."
5) Mailand, Brera, A. D. XI, 41.
6) „Dipl. Rag." S. 661. Solche Befürchtungen werden auch 1492 aus-
gesprochen ; ebenda S. 820.
7) Ebenda S. 671; siehe auch den Bericht aus Alessio, 21. Mai 1504; „Lett.
Rettori".
8) Ebenda S. 828—829.
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 387
befanden sieh damals 29 Schiffe ^). EndHch unternahm 1507
Feris-beg" mit den Bosniern ^) Plünderungszüg'e bis Sebenico hin.
Im Jahre 1494 verlang-te der Sultan, der infolge der dem
„Räuber" Tschrnojewitsch ^) von Venedig" gewährten Unter-
stützung an dem bisher treulich beobachteten Frieden wenig
Interesse mehr hatte, von der Republik Zante und Kephallenia
zurück; doch erwirkte die Signoria im Vertrage vom 22. April
des Jahres, wenn sie auch Kephallenia nicht festhalten konnte,
wenigstens die Bestätigung des Besitzes von Zante ^). Darauf
aber beschränkten sich die Änderungen an den bisherigen
Verträgen.
Bis zum Ende des Jahrhunderts waren die Beziehungen
zwischen Türken und Venezianern ausgezeichnet. Höchstens
fügten die Seeräuber Negropontes, die der dortige Sandschak
unterstützte, weil sie seinen eigennützigen Zwecken dienten — er
gestattete den Verkauf von Sklaven auf seinem Gebiet — , den
venezianischen Einwohnern des Seeufers einigen Schaden zu ^).
Auch entstanden mitunter, besonders in den Jahren 1480 — 82,
der unruhigen Stratioten wegen, die in den neuen Wohnsitzen
nach alter albanischer Überlieferung hausten, Streitigkeiten.
Venedig hatte nur eine beschränkte Anzahl Italiener in Dienst,
die fünfmal im Jahre ihren paga (Sold) ^) erhielten und ver-
schiedenen Condottieri, die nach Belieben über sie verfügen
konnten, unterstanden ; auch wurden aus Kandien Büchsenschützen
geschickt '). Die meisten Landesverteidiger aber waren alba-
nische Reiter, die ihre Capi (Woiwoden) und ihre Kanzlei^)
selbst erwählten ; sie lebten in befestigten Städten und hatten
Äcker in der Umgegend, wo sie als gewöhnliche Bauern lebten;
i) ,,Dipl. Rag." a. a. O.
2) Und auch mit den Leuten „del sanzacho venuto da Cherzech"; Bericht
vom II. März 1507; „Capi Cons. X".
3) Siehe oben S. 285.
4) Sathas I, S. 315—316.
5) Ebenda VI, S. 205, 207.
6) Ebenda S. 166. 7) Ebenda S. 1S5.
8) Ebenda S. 178; „Duc. e lett. ric." Q. 47.
388 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
die in den Dörfern ansässig^en mufsten zu den drei jährlichen
Revuen (mostre) erscheinen; dann wurden die Gelder — ihre
Provision — Lebensmittel, Kleider und Lanzen ausgeteilt ^).
Sie waren einer „reformation de le conducte" unterworfen^)
und entrichteten eine doppelte Steuer: einmal von der Ernte
(den Zehnten, zemori g-enannt) und dann von allen eingeführten
Waren (das somazo); freilich fügten sie sich erst spät und
höchst widerwillig- in diese Verpflichtung- ^). Das alte, der Sig-noria
am San-Marco-Tag-e schuldig-e Geschenk — die honoranza di
S. Marco — hatten sie durchaus verg-essen ■*). Bei ihrer Ent-
lassung bekamen sie gewöhnlich einen Anteil an Feldern ^). Mit
solchen Lebensbedingungen — hatten doch die venezianischen
Offiziere sogar das Recht, Schläge auszuteilen **) — wollten und
konnten sie sich nicht begnügen; Beute suchen, corsizar, war
für sie eine Notwendigkeit. Zwei Jahre hindurch waren Klada
und Bua die Herren des Brazzo di Maina, und die Türken von Argos
hatten viel von ihnen zu leiden. Sie kamen vor Nauplion an und
leisteten auf den benachbarten Anhöhen den dortigen Offizieren
Widerstand ''). Als Klada sich dann nach Neapel flüchtete und
Bua, dem die Türken verziehen, wieder als Provisionato in den
Dienst der Republik trat, fanden sich, wenn auch weniger tapfer
und bekannt, andere, die das Handwerk ihrer Ahnen fort-
setzten *").
Manchmal unterbanden sie mit ihren Ritten die Freiheit des
Verkehrs und erschwerten die Verproviantierung der Städte **).
Aber die Verhältnisse wurden selbst von osmanischen Beamten
albanesischen Ursprungs — so war der Woiwode Moreas im Jahre
1482 ein Verwandter der rebellischen Busich — ruhig geduldet**^).
Auch der 1483 geschlossene Lokal vertrag, der allen reisenden
Albaniern und Griechen den Besitz eines Passes der venezianischen
Behörden auferlegte und Ausweisung der Flüchtlinge und Friedens-
1) Sathas VI, S. 128.
2) Ebenda S. 174. 3) Ebenda S. 167 — 1680"., 173.
4) Ebenda S. 165. 5) Ebenda S. 172.
6) Ebenda S. 191. 7) Ebenda S. 171.
8) Ebenda S. 159. 9) Ebenda S. 180— 181.
10) Ebenda S. 188; vgl. S. 204.
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 289
brecher vorsah, konnte keinen wirklichen, sicheren Frieden im
Lande herstellen ^). Die aus Griechen, Albaniern und Walachen ^)
gemischte Bevölkerung lebte in Städten, Dörfern und Weilern
(Katunen) wie unter den Lateinern und Paläologen fort; etliche
osmanische Befehlshaber und nicht einmal looo Janitscharen
waren über die gröfseren Ortschaften verteilt.
Langte ein neuer Sandschak an, so schickte er seinem guten
Nachbar und Bruder, dem Proveditore, ein paar Stück wohlfeilen
Kamelott oder schöne seidene Taschentücher türkischer Art ^) ;
gewöhnlich wurden die Gaben vom Kehaias dem Woiwoden über-
bracht. Aufser feinem Tuche, welches dann dem Gesandten
geschenkt wurde, bekam der Sandschak durch einen angesehenen,
von Stratioten umgebenen Bürger Silbergefäfse, Fische, Lebens-
mittel, confetti, Zucker, Honig, Lichte usw. Dabei wurden
höfliche Phrasen — parole dolci — gewechselt*). Zugleich
kamen die vornehmsten Offiziere beider Nationalitäten zusammen
und brachten übereinstimmend dieselbe festgesetzte Anzahl von
Begleitern mit, sowohl der Ehre, als auch der Sicherheit wegen ^).
Manchmal wurden die Beziehungen so vertraut, dafs der Sand-
schak geheime Pläne gegen den Sultan verlauten liefs ^) oder
vom Venezianer bestochen wurde, das Gebiet der Republik in
keinem Falle schmälern zu wollen; aus solchem Grunde erfolgte
dann wohl einmal ein Wechsel in den Persönlichkeiten ''). Auch
mit dem Sandschak von Negroponte und dem von Athen, das
Öl und Wein lieferte ^), suchten und wufsten die Proveditori
gute Beziehungen zu unterhalten.
Noch besafs Venedig den wertvollsten Teil der Halbinsel
mit den schönen Häfen Koron, Modon, Zonchio und Lepanto ;
ihm gehörte Nauplion, das mit der Umgebung nicht weniger als
20 000 Einwohnerzählte ^), und das starke Monembasia; das wohl
befestigte Korfu, das neu gewonnene Zante dienten als Stützpunkte
1) Sathas VI, S. 211.
2) „Vlachi veniano verso Modon"; ebenda S. 227.
3) Ebenda S. 155, 210. 4) Ebenda S. 127, 155,
5) Ebenda S. 188 — 189, 210— 211.
6) Siehe oben. 7) S. 212.
8) Ebenda S. 167, 177. 9) Ebenda S. 143.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 1"
390 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
im Westen, nachdem das östliche Bollwerk Negroponte verloren
war ^). Die Türken hatten nur Arg-os bei Nauplion, wo noch
1480 kaum 200 Familien sich ang-esiedelt hatten^), das Kastell
Rampan bei Monembasia, Kalamata bei Koron und Arkadia bei
Modon. Türkisch waren ferner die in Unbedeutenheit versunkenen
Orte Vatica und Misithra. Aus ihrer Annseligkeit heraus spähten
die Türken nach den blühenden Besitzung-en der Venezianer, um
sie zu geeigneter Stunde überfallen zu können. Nach dem
Vertrage von 1483, der die Anerkennung ihrer militärischen
Schwäche bedeutete, erging der Befehl von der Pforte, die Be-
festigungen zu schleifen ^).
Ohne besondere Veranlassung begannen nun 1499, nach
dem Tode Dschems und dem Abschlufs des Krieges gegen den
Soudan, in Morea Feindseligkeiten zwischen Venedig und
den Osmanen, die ihrer unbedeutenden Rolle auf der
Halbinsel wohl überdrüssig geworden waren. Dafs der Herzog
von Mailand, Lodovico il Moro, das Feuer geschürt hat, wie die
Venezianer laut klagten, ist anzunehmen; aber lediglich den Ein-
flüsterungen eines fränkischen Fürsten zweiten Ranges zuliebe hätte
sich die Pforte zu ihrem Entschlüsse nicht aufgerafft. Der Krieg
entsprach vielmehr dem doppelten Bedürfnisse: dem osmanischen
Besitze in Morea geographische Grenzen zu geben und den lärmen-
den und unzufriedenen Janitscharen eine günstige Gelegenheit zu
verschaffen, sich für den langjährigen Frieden schadlos zu halten.
Einige Zwischenfälle zu Lande — Streifereien der Stratioten
von Nauplion *) — und auf dem Meere — ein kleines Gefecht
bei Lesbos zwischen einer venezianischen Galeere und einem
türkischen Schiffe, das den ersten Schufs abgegeben hatte — ,
eigentlich aber die Ausrüstung einer grofsen Flotte, deren Ziel
unbekannt war, veranlafsten die Sendung Zancanis an die Pforte ;
er kam mit einem neuen Vertrage zurück, der sich als ungültig
erwies. Da traf die Nachricht ein, dafs die Bosnier verheerend
i) Vi^l. S. 218—219. 2) Ebenda S. 143.
3) Ebenda S. 211; Magno, ebenda S. 235. Für Argos varen die Briefe
sclion Ende 1482 angekommen; Ebenda S. 208 ff.
4) G ri 1 1 i S. 22.
Die Türken in Albanien usw. unter ßaje-id II. 391
bis vor Zara vorg-edrungen waren. ,, Dadurch", schreibt eine
venezianische Chronik, ,, wurde uns klar, dafs der Türke sich zum
offenen Feind der Venezianer erklärt hatte" '). So erging denn
an den alten, am 2. Mai aufgebrochenen Capitaneo Antonio
Grimani Befehl, die venezianischen Besitzungen mit allen Kräften
zu verteidigen.
Die Türken verfügten über 300 Fahrzeuge, darunter loo Ga-
leeren, während die numerisch überlegene Seemacht der Venezianer
weniger Galeeren hatte. Darum zögerte Grimani, übrigens eine
scheue Kunktatornatur, den Feind, der sich im Sommer in die
Gewässer von Morea begab und im Hafen von Portolongo Anker
warf, anzugreifen. Erst als die osmanische Flottille von dort auf-
brach und nach Navarino (Zonchio) segelte, so dafs es den An-
schein hatte, als sollte eine Belagerung dieser wichtigen Stadt
unternommen werden, entschlofs sich der Capitaneo, einen ent-
scheidenden Schlag zu führen. Seit der Schlacht von Gallipolis,
d. h. seit den Tagen, da die Osmanen kaum die Kunst des See-
krieges zu erlernen begannen, war es zwischen den beiden
stärksten Flotten der damaligen Welt zu keiner offenen See-
schlacht mehr gekommen.
Mit glänzender Tapferkeit griffen Albano d' Armer und der
eben aus Korfu angelangte Andrea Loredano, der sich der ihm
durch seinen Namen aufgelegten Pflicht bewufst war, die Türken
an und kämpften einige Stunden hindurch mit entschiedenem
Glück; die angegriffenen osmanischen Schiffe wurden schliefslich
von der eigenen Bemannung in Brand gesteckt. Dabei fingen
auch die Galeeren d'Armers und Loredanos Feuer und verbrannten
mit der gesamten Bemannung. Grimani trug Bedenken, das
Glück weiter zu versuchen, und zog sich aufs offene Meer zurück.
Hier wurden beide Teile wieder handgemein; der bereits um-
ringte Vicenzo Pollani entkam dabei seinen türkischen Wider-
sachern nur mit genauer Nat. So verloren die Venezianer
(am 12. August) bei Navarino keine Schlacht, sondern einen
sicheren Sieg ^).
i) „Per la quäl correria avenne che'l Turco appertamente si moströ nimico
ad Venitiani"; „Cron. Zena^' fol. 298.
2) „Cron. Zena".
19*
292 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Ruhig seg-elte die osmanische Seemacht nun nach Chiarenza,
dann weiter nach der Punta di Pagata genannten ÖrtHchkeit; die
Venezianer beschossen sie heftig und brachten sechs Galeeren
in ihren Besitz, aber eine neue gTofse Schlacht in Gang zu
bringen, gelang ihnen nicht mehr; denn schon war die vom
Beglerbeg befehligte Landarmee herangekommen, und man ver-
fuhr auch diesmal nach der alten bewährten türkischen Strategie,
die ausgezeichneten Schützen an der Seeschlacht teilnehmen zu
lassen, indem die Schiffe nahe am Ufer hinfuhren. So gelangten
denn die Flotten und das kaiserliche Heer gleichzeitig nach
Lepanto, das bereits von Fait-Pascha, dem Schwiegersohne
Bajesids IL, belagert wurde.
An eine längere Verteidigung der Stadt war nicht zu denken;
die Venezianer waren zu sehr demoralisiert und taten nicht mehr
ihre Pflicht ^). Grimani hatte einen Teil seiner Schiffe bei Koron
und Modon gelassen und ihre Mehrzahl unter den Schutz der
Kanonen von Zante gebracht. So erfolgte am 29. August die
Kapitulation; die Schlüssel wurden dem Beglerbeg übergeben
und die Venezianer räumten die Stadt, die seit ungefähr
hundert Jahren in ihrem Besitze gewesen war ^).
Die Einnahme Lepantos durch die Türken war für die
Venezianer ein grofser Verlust, wie die Schlacht von Navarino
eine grofse Schmach gewesen war. Aber im inneren Morea
blieben die Stratioten die ausschliefslichen Herren. Sie streiften
und brannten überall, ohne Feinden zu begegnen ^). Der Befehls-
haber von Monembasia konnte im August sogar Kastell Rampan
i) Ein venezianischer Offizier schreibt: „Questo per non esser sta secorssi
de l'armada nostra, temeiido l'armada i nimici che veniva propinqui a la terra . . .
Non demontrö le forze sue [Lepanto] et far quello el dover"; „Duc. e lett. ric."
Q. 46.
2) Sielie Cogo, La guerra di Venezia contro i Turchi (1499 — 1501), Venedig
1899; „Cron. Zena" und die unedierten Berichte im Archiv des Herzogs von
Kandia, „Duc. e lett. ric." Q. 43. Vgl. auch die genauen Notizen in der so-
genannten Kompilation Angiolellos, Pariser Handschrift S. 93 ff. , dann, nach
einem „libro scritto per m. Andrea Balastro", fol. 100 vo ff.
3) „Qucsti stratioti nostri vä depredando la Morea senza algun scontro de
Turclii."
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 393
einnehmen ^). Bei Lepanto war nur Amur-beg-, der Sandschak
von Morea, mit kaum 3000 Reitern zurückg-eblieben ; er arbeitete
an der Errichtung- neuer Schlösser bei Drapano und ,,S. Nicolö
gegenüber". Darauf beschränkte sich die ganze Tätigkeit der
Türken nach der Eroberung Lepantos.
Auch auf dem Meere bheben, nach der eiligen Abfahrt der
türkischen Schiffe, die Venezianer die Herren. Grimani, der sich
von Zante und Kephallenia nach Koron begab, während einige
Schiffe vor NaupHon erschienen, wufste jetzt die günstigen
Umstände wahrzunehmen. Dennoch schickte Venedig einen
anderen Befehlshaber in der Person Melchior Trevisanos ; der
abberufene Grimani wurde, nach längerer Kerkerhaft, auf die Insel
Cherso-Osero verbannt.
Trevisano verfügte über eine glänzende Flotte, darunter
drei Schiffe der Johanniter, die der Grofsmeister geschickt hatte,
um bis zur ,, Vernichtung" der türkischen Seemacht mitzuwirken ^) ;
auch einige französische Fahrzeuge aus der Provence waren, auf
Befehl des Königs, als eines tatkräftigen Freundes der Kreuzzugs-
idee, bereits am 20. August eingetroffen ^). Mit diesen Kräften
wurde nun Anfang Dezember das starke Schlofs von Kephallenia
belagert; die Türken aber hielten sich so wacker, dafs die
Christen den ganzen Winter in vergeblichen Anstrengungen
verloren. Die recht wenig zuversichtlichen Berichte Trevisanos
wurden bis tief ins neue Jahr hinein aus dem Hafen des Arsenals
von Kephallenia datiert. Schon im Herbste (September — Oktober)
drangen die Bosnier — von den Frangepani Kroatiens unterstützt — ■
unter Iskender bis nach Gradiska in Friaul und bis nach Conigliano
vor, so dafs sie Venedig selbst sich anschauen konnten, und
raubten auf ihrem Wege, was zu rauben war. Sie brachten
2000 Gefangene mit sich ^).
i) Bericht vom 20. August: „Castel-Rampan noviter per me aquistado."
2) ,,Represso da la Ra Sua, la remando da obediencia dal zeneral , con
protesto non partirsse demente l'armada del Turco non era destruta"; unedierter
Bericlit.
3) Cogo S. 53.
4) „Cron. Zena"; Angiolello fol. 97.
394 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Im Frühling 1500 begannen dann die Spahis Amurbegs
sich zu regen; es glückte ihnen, Grisi, ein Schlofs in der Nähe
von Modon, zu überrumpeln *) (März) ; andere Festen in der Um-
gebung wurden verbrannt. Auch Navarino wurde von denselben
Feinden angegriffen. Im März schon vereinigten sich die Truppen
des anatolischen Beglerbegs Sinan mit jenen des moreotischen
Befehlshabers Ali, und im Juni kam der Sandschak mit bedeutenden
Truppenmassen, die v^om dortigen venezianischen Befehlshaber
auf 1000 Reiter und 5000 Mann Fufsvolk geschätzt wurden, vor
Monembasia an; doch konnte er nichts ausrichten. Vielmehr
ritten die Stratioten bis nach Misithra und verbrannten es. ,, Gott
und die gute Wacht" hatten die Stadt gerettet ^). Vergebens
wurde auch Nauplion von den Türken angegriffen. Es gelang
den Stratioten sogar, den Protogero von Negroponte gefangen
zu nehmen ^).
Im Sommer aber lichtete in Gallipolis eine Flotte die Anker,
die der des Vorjahres nichts nachgab ; und der Sultan be-
fehligte das grofse Landheer, das sich nach Morea wandte, in
Person. Aus Schmerz über das Mifslingen des Unternehmens
gegen Kephallenia war Trevisano g^efährlich erkrankt; er starb
bald darauf, ohne Venedig wiedergesehen zu haben. Erst am
28. Juli wurde Benedetto Ca di Pesaro zu seinem Nachfolger
gewählt, und am 29. verliefs der neue Hauptmann die Lagunen-
stadt; Trevisano war am 14. gestorben*).
Inzwischen waren gegen Ende Juni die Türken schon in
Morea angelangt. Die venezianische Flotte war plan- und führer-
los. Im Hafen von Navarino konnten die türkischen Schiffe un-
i) Cogo S. 89. Siehe das Tagebuch des Modoner Kämmerers (Camerlengo)
Andrea Balastro, in der Kompilation Angiolellos S. loi 5. Schon im Januar
wurde Modon von einem „Woiwoden" mit 2000 Türken angegriffen; der gelegent-
liche Tod des Führers vereitelte aber die Unternehmung (30. Januar, ebenda").
2) Ogni zorno li habiamo corsso fmo sopra le porte del Misitra, ficato a
foco et fiama el luoco de lalchia (sie): era principal utilita de dito Bassa de la
Morea ... Idio prima, poi le bone gardie"; Bericht vom 7. Juni, ebenda.
3) Bericht aus Nauplion, vom 25. Juni; ebenda.
a) Cogo S. 97—98.
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 395
behellig't den Tag- der Entscheidung-sschlacht erwarten. Trevisano,
der Stellvertreter Girolamo Contarinis, dem die ganze Verantwor-
tung- zugefallen war, entschlofs sich, eine Schlacht anzubieten, und
erschien vor Navarino. Aber wenn er für seine Person als
wahrer Venezianer der alten heroischen Zeit kämpfte, so versag^ten
seine Offiziere durchaus; die Schlacht bei Navarino am 24. Juli
tat den Türken fast keinen Abbruch ^).
Nicht wenig-er als 500 grofse und kleine Bombarden hatten
schon am 11. Juli die erfolg-reiche Beschiefsung- Modons be-
gonnen, vor welchem schon am 20. Juni der Beglerbeg
Sinan und der moreotische Sandschak erschienen waren, um
durch einen Mann, der einen Pfeil trug, die freiwillige Unter-
werfung zu verlangen, — worauf die Besatzung keine Antwort
gab, um ,,dem Skandale vorzubeugen" (per non far scandalo).
Der rumische Beglerbeg war erst am 5. Juli und der Sultan am 8.
gekommen ^). Am 13. wurde der erste Sturm in der Nacht
kaum zurückgeschlagen; am 14. schon war die Vorstadt,
der Borgo, eingenommen. Am 17. war auch die starke Flotte
— im ganzen 320 Schiffe — angelangt, um an der Belagerung
der starken Festung teilzunehmen. Trotz der Verwendung
„künstlichen Feuers", das die Venezianer mit vielem Geschick
benutzten, warfen die Türken, die nur 22 grofse Geschütze hatten,
einen der Türme nieder.
Ein Zufall half, den Fall Modons am 9. August herbei-
zuführen. Contarini sandte in den ersten Tagen des August
fünf Galeeren mit vielen Lebensmitteln und einer Anzahl
abendländischer Söldlinge unter dem Kondottiere Paolo Al-
banese nach Modon, die Ladung zu den Belagerten zu bringen.
Diese nun waren so erfreut über die unerwartete Hilfe, dafs die
spärlichen und nachlässigen Verteidiger die Mauern verliefsen.
Alle Welt eilte zum Landungsplatze, um die Austeilung der
Lebensmittel nicht zu versäumen und Neuigkeiten zu hören. Es
bedurfte nur eines schnellen Angriffs der Osmanen — zwei ein-
same Verteidiger standen auf der Bastion und auch die waren,
nach dem Zeugnisse des Modoner Kämmerers selbst, eingeschlafen
i) Cogo S. 100 ff. 2) Bericht Balastros a. a. O.
396 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
— und sie befanden sich auf dem stärksten Turme, dann in der
Stadt selbst, wo nun das Gemetzel bis spät in die Nacht dieses
ung-lücklichen 9. August hinein währte. Die ung-lücklichen Be-
wohner setzten die schöne Stadt, die ,, Vormauer Venedig-s", selbst
in Brand. Wie bei der Einnahme von Negroponte , hatte der
Sultan Befehl g-eg-eben, niemand zu schonen ^) ; unter den Köpfen,
die vor dem Zelte des rumischen Beg-lerbegs Mustafa hinge-
worfen wurden, entdeckte man auch den des Bischofs Andrea
Falcone. Bajesid selbst wohnte feierlich der Hinmetzelung- der
Gefang-enen bei. Dem unwürdigen Schlofshauptmann Marco
Gabriele wurde aber , wie auch anderen Offizieren, das Leben
geschenkt.
Ohne Zeitverlust wandte sich nun eine Abteilung des Land-
heeres — kaum T/oo Reiter — gegen das benachbarte Koron.
Am 15. August^), als der neue Capitaneo, Ca di Pesaro, kaum
in Zante angekommen war, nötigten die Einwohner aus Furcht
vor dem Schicksal der unglücklichen Schwesterstadt Modon die
Stratioten und den Befehlshaber, das starke Schlofs dem Sultan
zu übergeben ^). Die Verteidiger des wichtigen Navarino folgten
i) Der Brief des Sultans an den ungarischen König — Beziehungen der
Türken vor Modon zu Ungarn werden auch von einem (im Juni) unter Koron ge=
fangengenommenen Türken bestätigt; „Duc. e lett. ric." Q. 47 — : „Nee solus
unus homo ex hominibus intus repertis evasit"; cod. lat. monac. 434, fol. 99;
vgl. den Brief des Dogen, cod. lat. monac. 242 vo ; ferner cod. lat. monac. 14668,
fol. 86 ff. — eigentlich, nach Balastro, die beste Quelle — ; „Cron. Zena" und
andere in Cogo S. 103 ff. Dann den Bericht Contarinis vom I2. August:
„Quelli dentro, de la tropo alegreza, abandonono le mure et corseno ala marina;
ita de inimici, come e referto, con scale introno dentro et facea taiata, che duro
fin höre 3 de note. Nuy ne acostassemo tanto soto la terra che per fm 22 höre
vedevamo i San-Marchii su le tore , et anche nui desender, tarnen non vedessemo
altro de fin in quel hora seguito tal ruina.'' Weiter den des Ca di Pesaro vom
17. August: ,. A höre 23 jntrado el socorsso nostro de galie 4 sotil." Endlich
den vom 13. September datierten, ebendesselben: „Tuti abandonereno le sue
porte et andorenno al molo, et li Turchi al hora principiarono a montar et senza
contrasto desesseno nela terra." Siehe auch den Bericht vom 30. Oktober J507,
„Duc. e lett ric." Q. 49.
2) Das Datum bei Balastro a. a. O., der auch hier anwesend war.
3) Am 18. September berichtet Ca di Pesaro die Flucht einiger Stratioten,
weil sie sich überzeugt hatten: „che la mazor parte di Corone esser inclinatissimi
de zendersse."
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 297
dem Beispiel. Naiiplion , das am 4. des folgenden Monats
vom Sultan ang-egriffen wurde, hielt sich dagegen aufs tapferste,
und die Türken, die von der Annäherung der Flotte des neuen
venezianischen Seehauptmanns unterrichtet worden waren, gaben
noch vor dem 13. September die Belagerung aufs eiligste auf:
während sich das Landheer nach dem Isthmus wandte, segelte
die Flotte nach Osten. Ca di Pesaro, der am erwähnten Tage
an der südlichen Spitze Moreas war *), hoffte sie in den Gewässern
von Lesbos noch einholen zu können und Verlust und Schmach
an ihnen zu rächen ^).
Am 10. Oktober, nachdem die türkischen Schiffe, die eine
Seeschlacht zu vermeiden wünschten, sich mit ihrer Beute schon
davon gemacht hatten, traf der Capitaneo im Hafen des geretteten
Nauplion ein. Er ging dann nach Vatica, das, wie auch
Kastell Rampan, von dem Sandschak, der die Stratioten von
Monembasia für sein Misithra gewonnen hatte ^), bedroht wurde.
Vatica und Kastell Rampan wurden angelaufen und mit Ver-
teidigungs- und Lebensmitteln versehen.
Endlich langten am i. Oktober auch die seit langem ver-
sprochenen spanischen Schiffe vor Korfu an ; der grofse Feldherr
Gonzalvo de Cordova befehligte sie in Person. Am 27. des
Monats trafen Gonzalvo und Ca di Pesaro in den Gewässern von
Zante zusammen, um den Racheplan zu verabreden. Man be-
schlofs, Kephallenia, das in den letzten Jahren schon einmal
unter der Fahne von San Marco gestanden hatte, wieder heim-
zusuchen. Mit ungewöhnlicher Hartnäckigkeit wurde der Kampf
durchgeführt, und was den Venezianern nicht geglückt war, er-
reichten die Spanier. Am Tage vor Weihnachten betraten die
Kreuzzugshelden das Schlofs von Kephallenia. Als dann
Gonzalvo schon im Januar 1501 heimkehren mufste, gingen die
i) Bericht unter dem betreffenden Datum von „Caput Mantelum".
2) ,,Nuj se . . . andamo cum prestega al isola de Metelin per incontrarsse in
quella."
3) Bericht von Monembasia, 2. Oktober: „Tuti li stratioti de questo locho
sono fuziti et andati in Turchia , al Misistra, propinqui a questa Turco zornata
una, quali sono de cavali 500 piü et lior de valenti uomini."
298 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Venezianer allein g"eg-en Santa Maura vor, ohne jedoch die Er-
oberung" erzwingen zu können. Zeitweilig- (im Dezember 1500)
g-elang- es dag^egen, Navarino durch Verrat zu besetzen. Selbst
im Golf von Arta erschienen venezianische Schiffe ').
Durch päpstliche Vermittlung kam noch im Jahre 1500 ein
Vertrag zwischen Ungarn und Venedig zu gemeinsamer Bekriegung
der Türken zustande ; die Republik sollte dem kläglichen Könige,
der nichts von dem Ehrgeize eines Matthias in sich trug, jährlich
100 000 Dukaten zahlen, und der Heilige Stuhl schickte seiner-
seits davon sogleich 40 000 zur Ausrüstung des Heeres. Doch
wurde nichts Ernstliches geleistet; die Ungarn begnügten sich,
die Grenzfestungen in besseren Zustand zu setzen ^). Die Os-
manen griffen vielmehr Jaice an, das ihnen ein Dorn im Fleische
geblieben war; Johann Corvinus wurde von seinen Kroaten, dem
Grafen von Korbavien , den Zriny und Frangepani in der Ver-
teidigung dieses bosnischen Banats unterstützt. Es gelang ihm,
die Jaice umdrängenden Türken zurückzuschlagen und ihr Lager
einzunehmen. Damit aber hatte der Krieg seinen Abschlufs
gefunden ^).
Das Jahr 1501 brachte wider Erwarten keine türkische Flotte
in die venezianischen Gewässer. Zwar nahmen Khamaleddins Fahr-
zeuge Navarino wieder in Besitz ^), und auch die Insel Skarpatho
wurde angegriffen. Dagegen konnte Ca di Pesaro bis Lesbos
vordringen und dem Feinde eine siegreiche Schlacht liefern ^).
Vergebens hatte der Herzog des Archipelagus, der die Türken
mit Geld, F'alken und Stoffen zu beschenken pflegte ^), für seine
Inseln gefürchtet und den Capitaneo, der sich am i. Dezember
1) Cogo S. 1256". und die schon zitierten unedierten Quellen. Vgl. An-
giolello fol. 110.
2) Fefsler-Klein III, S. 268 ff.
3) Istvänffy IV, S. 30 ff. — Über türkische Angriffe auf Nona und Streif-
züge in der Gegend von Zara siehe Angiolello fol. iii.
4) Cogo S. 144.
5) Siehe seinen Bericht vom 13. August 1501 : „Siamo stati ale parte de
Metelin et el passazo de Sio." Vgl. besonders Angiolello fol. 112 vo.
6) Siehe Gritti in Alb^ri S. 15.
Die Türken in Albanien usw. unter Bajesid II. 399
im Hafen St. Johann von Faros befand, zu Hilfe gerufen.
1502 waren die Offiziere in Kreta wieder eines türkischen Schlag;S
gewärtig-, aber bis zu seinem im September des Jahres er-
folgten Tode blieb Ca di Pesaro Herr auf dem Meere. Franzö-
sische und auch portugiesische Fahrzeuge hatten sich mit seiner
Flottille vereinigt, so dafs er wie ein Kreuzzugsadmiral erscheinen
konnte '). Die Franzosen waren bis Chios gesegelt.
Nach Verhandlungen, die sich nicht allzu lange hinzogen,
schlofs der Sultan endlich am 20. Mai 1503 Frieden mit Venedig,
den der Doge am 6. Oktober bestätigte. Die Republik behielt
Kephallenia und verzichtete auf die von den Osmanen besetzten
morcotischen Plätze ^).
Jedenfalls war Venedig in dem ihm so notwendigen Morea
im Besitz von Nauplion, Monembasia und Patras geblieben. Die
flüchtigen Bewohner der verlorenen Plätze wurden in Cerigo,
Kephallenia usw. angesiedelt. Der griechische Bischof von
Modon, der Kreter Jani Plusidianos, war von den Türken 1500
in dieser Stadt getötet worden ^). Von nun an fungierte ein
Prälat in Monembasia und weihte die orientalischen Priester für
die Besitzungen der Republik in der Levante ^). Mit den
türkischen Nachbarn wurden die früheren guten Beziehungen
wieder aufgenommen, und die Venezianer galten auch nach dem
wechselreichen Kriege als die Alliierten und die Werkzeuge der
Osmanen. Es hatte seinen guten Grund, wenn 15 10 ein Schrift-
steller alle Völker der Christenheit zu einem Kriege gegen Türken
und Venezianer zugleich aufrief ^).
i) Angiolello fol. 112.
2) „Commemoriali" V, S. 65, Nr. 12; S. 68, Nr. 22; S. 71, Nr. 36.
3") Über diesen „popa Janni Plussidiano , fö episcopo de Modon'' siehe
,,Duc. e lett. ricevute" Q. 49.
4) Brief vom 24. Juli 1501 ; „Duc. e lett. ricevute" Q. 48.
5) „Heliani Lodovici Vercellensis, Francorum regis senatoris ac oratoris, de
bello suscipiendo adversus Venetos et Turcas oratio Maximiliano Augusto dicta
in Augusta Vindelica. IUI. id. Aprilis MDXIj"; ms.
Fünftes Kapitel.
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung
durch seinen aufständischen Sohn Selim und sein Tod.
Andrea Gritti, der Friedensunterhändler des Jahres 1503,
dessen Reisegefährte, der osmanische Gesandte Ali-beg", ihn im
Zorn „Hund" betitelte und während eines glänzen Tages nicht
das Wort an ihn richtete, wurde, als er am 9, Juli in Kon-
stantinopel landete, am Ufer von einem Tschausche empfangen.
Dann kam der Kapudschi-Bascha des Wesirs zu ihm — der
jetzt ein ganzes persönliches Haus von Dienern und Würden-
trägern hatte — , um ihn im Namen seines Herrn zu begrüfsen.
Von dem Hauptmann der auserlesenen Ulufedschis und den
Reitern des kaiserlichen Turbandschis — dem die Obhut über
die Kopfbedeckungen des Sultans zustand — wurde er zu dem
ihm angewiesenen Hause geführt, wo zu gröfserer Ehre und
Sicherheit Janitscharen an der Pforte wachten.
Als der Tag der Audienz beim Grofswesir erschienen war,
lernte Gritti einen der bedeutendsten Männer des Reiches kennen.
Es war der sechste Grofswesir Bajesids. Der erste, Isak-beg,
einer der alten Minister Sultan Mohammeds, war bereits 1483
abgesetzt worden, bevor sich Bajesid noch nach der Donau
gewandt und der asiatische Krieg gegen den Soudan begonnen
hatte. Er war ein alter, schmeichlerischer, allen Gelüsten der
Herren Vorschub leistender Diener gewesen; seinen diplomatischen
Talenten verdankte der neue Herrscher zum Teil seine Thron-
erhebung. Dann war während der grofsen Krise in Anadol,
während der berühmt gebliebenen Streifzüge in ungarisches und
polnisches Gebiet, der Albanier Daud Lenker des Reiches ; er
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 301
verstand sich vor allem auf den Krieg-. Auch nach seinem
Rücktritt blieb er Wesir und eine hochang-esehene Persönlichkeit.
Den Reihen der albanischen Renegaten entstammte auch
Dukaschin-Zadeh Achmed ^).
Sohn eines christlichen Fürsten war Hersek-Achmed, der
dritte Groiswesir, und dieses hohen Ursprung-s eing-edenk; er
führte die Reichszüg-el aber nur ein Jahr hindurch. Als 1498
der Krieg g^eg-en Venedig" beschlossen war und die Vorbereitung-en
begannen, ersetzte ihn ein Mann, der keiner Sympathien für die
Christen überhaupt und am wenig-sten für die Venezianer — wie
Hersekogli, der es sich zur Ehre rechnete, ein Edelmann von
Venedig zu sein — verdächtigt werden konnte. Ibrahim war
der Sohn des verehrten Chalil, des Helfers Murads IL, der
schon 1453 dem schonung-slosen Ehrg-eiz des jung-en Mohammed
zum Opfer gefallen war; er gehörte der besten und ältesten
Aristokratie der Osmanen an. Er starb vor der Entscheidung-
des neuen Krieg-es, und in Messih, der vorher die Flotte des
Reiches geg-en Rhodos g-eführt hatte, g-laubte Bajesid IL den Mann
gefunden zu haben, der Seeschlachten zu gewinnen verstände.
Als er vor Galata 1501 im Feuer gefallen war, griff man
wieder auf einen der Veteranen, auf Chadum-Ah zurück. Ihn
ersetzte während dreier Jahre Hersek- Ahmed, dann aber wurde
er aufs neue und blieb bis zu seinem Tode, im Kampf mit den
empörten Bauern Anatoliens (1511), d. h. bis zu den letzten
Zeiten des Sultans, Leiter der osmanischen Politik.
Er war kein Freund des Krieges und kein stolzer, heraus-
fordernder und grober Mann wie sein Kollege, der Grieche oder
Serbe Mustafa, von dem Gritti sagt, dafs er ,,der übermütigste
Türke in Konstantinopel" ^) sei. Im Gegenteile sprach er sanft
und war Bestechungen zugänghch. Er hatte dafür einen festen
Tarif und nahm kleinere Summen nicht an. Als ihm 1507 der
Bailo eine Gabe von 150000 Aspern bot, erklärte er entrüstet,
dafs nicht einmal 250000 seiner Würde und seinen Diensten —
so wie er sich betragen ^) hätte — angemessen seien.
i) Gritti S. 47.
2) „II piü superbo Turco che sia in Costantinopoli"' ; S. 41.
3) „Me disse questo non e quello aspetava da la Signoria, perche
30ä Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
Von den anderen drei Wesirstellen waren zurzeit nur
zwei besetzt, und zwar durch Daud und Mustafa ^). Jahja-Bascha,
der ehemaligfe Beg-lerbeg- von Rum, der sich grofser Schätzung-
erfreut hatte, befand sich nicht mehr am Leben ^). Einen be-
sonderen Einflufs besafsen ferner die Schwieg^ersöhne des
Sultans : Rustem, Fait, Sinan und Karadschali-Beg" ^) ; man sollte er-
warten, dafs diese von altem, echt türkischem Geschlecht waren,
doch weifs man sicher, dafs einer von ihnen, Rustem, Bosniake
war *). Auch unter Bajesid befand sich der gröfste Teil der Hof-
würden in den Händen von Renegaten, wenig^er Griechen und Le-
vantinern als Albaniern und Slawen ^). Die Familie des Ewrenos
spielte keine Rolle mehr, und dieMichaloglis waren nur in Bulg-arien
und Serbien tätig; in den asiatischen Kriegen hatte die FamiUe
grofse Verluste erlitten, wie denn darin überhaupt die besten
Kräfte des Reiches zugrunde gingen. Auch BaH-beg wurde mit
keiner Hofwürde bedacht, sondern blieb in seinem Sandschakat
der unteren Donau, wie Iskender in Bosnien, Feriz in Albanien
und Amur in Morea.
Nach einigen Tagen also wurde Gritti zur Pforte geführt.
Der Gesandte Ali-beg und der Janitscharen-Aga begleiteten ihn ;
Janitscharen und Agas des Serails bildeten Spalier, in muster-
gültiger Ordnung, „dafs es für den, der sie nicht gesehen, un-
glaublich ist" ^). Nach alter patriarchalischer Sitte nahm der
Venezianer an dem einfachen Mahle der Wesiere und Beglerbegs
teil, die sich in einem Kiosk befanden und zu seinem Empfange
avendomi portato corao mi ö portato . . ."; Arcliiv von Venedig, „Capi
Cons. X".
i) Gritti a. a. O. S. 25.
2) „Dipl. Rag.'" S. 810.
3) „Carzolib., sue zenero"; Bericht des Bailos vom 21. November 1508;
„Miss, e resp. 1508 — 1510. "•
4) Thuasne S. 44 — 45.
5) So auch „Aghmat Soluphtarus — Silichdar — Craicinovich", der die Nachricht
der Einnahme von Modon nach Ragusa brachte; „Dipl. Rag." S. 823. Dann
Firenk-Solinian („der Franke Soliman"), Gefährte Dschems; Thuasne S. 57.
6) „Con tanta quiete e con ordine cosi bello, che e cosa meravigliosa e da
non creder a chi con li propra ochi non lo vede"; S. 29.
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 30$
herabkamen. Erst nach Erledigung- dieser Zeremonie bildete
man ei
führen.
man einen feierlichen Zug, um den Gesandten zum Sultan zu
Der „Emir und türkische Kaiser", wie ihn die Ragusaner
nannten ^), der ,, erlauchte Sultan Bajesid-Khan" der Protokollisten
von Rom'), oder, wie er sich selbst betitelte: ,, Sultan Bajesid,
von Gottes Gnaden gröfster König der Könige und Kaiser beider
Weltteile Asien und Europa" ^), war damals ein alter schwer-
mütiger Mann, dabei doch ein zuvorkommender, bescheidener
und milder Herr, der seinem Vater Mohammed nicht ähnelte.
Er verwandte viel Zeit und einen grofsen Teil seiner kaiser-
lichen Einkünfte darauf, seine beiden Residenzen — Adrianopel,
das gesunder war, war ihm lieber als Konstantinopel — mit
neuen Gebäuden in schönerem, schmuckreichem Stil auszustatten.
Das Imaret, d. h. das Gasthaus in ersterem, ist sein Werk. In
der Reichshauptstadt selbst erbaute er seine Moschee, die
Bajesidijeh, unter deren hohen marmornen Mauern sich die
Kutbeh, das Mausoleum des Stifters, befindet. Das prächtige,
heutzutage ,, Taubenmoschee " genannte Gebäude, der bevorzugte
Aufenthalt zahlreicher Tauben, die dort gefüttert werden, zeichnet
sich durch Kostbarkeit des benutzten Materials, wie durch die
kunstreiche Ausführung des bildhauerischen Teils an Kapitalen
und Galerien aus ■*). Als ein furchtbares Erdbeben, das im Jahre
1509 volle vierzig Tage hindurch zu verspüren war, Konstantinopel
zum grofsen Teil in einen wüsten Trümmerhaufen verwandelte,
liefs der friedliche, kunstsinnige und prachtliebende Sultan nicht
weniger als 40000 Salahors hinbringen, um an Stelle der zu-
1) „Dipl. Rag." S. 669.
2) Er schrieb dem Papste als „oranium christianomm supremo patri et do-
mino, divina providencia Romane Ecclesie summo pontifici''.
3) „Suitanus Paiazit, etiam Dei gratia maximus rex regum et imperatorum
utrorumque continentium Asie et Europe"; cod. lat. monac. 18 933, fol. 102 ff.
Im Friedensakte für Polen: „Sultan Baiazith , Dei gratia Asiae et Greciae Impe-
rator maximus •'; Handschrift Czartoryski in Krakau 611, fol. 27.
4) Vgl. Barth a. a. O. S. 150; Leunclavius Sp. 598 — 599, 603,
609 — 610, 656 — 657.
304 Zweites Bach. Fünftes Kapitel.
sammengestürzten neue, bessere Gebäude aufzuführen. Auch
Arbeiten an den Moscheen Bajesids und seines Vaters erwiesen
sich als nötig" '). Viele Brände, wie der vor der alten Dschami
im Baumwollenbasar ausgebrochene , gaben ihm ebenfalls Ge-
legenheit, das Aussehen seines Stambul zu verschönern; das
durch einen Blitzschlag in Brand gesetzte Arsenal wurde statt-
licher wiedererbaut ^).
Die Kanuns, die kaiserlichen Verordnungen, Bajesids, der
gewifs den Beruf zum Gesetzgeber in sich fühlte, sind uns nicht
erhalten. Jedenfalls hat seine lange , friedliche Regierung viel
zur Festsetzung der Formen beigetragen, in denen Hof, Heer
und Verwaltung nebeneinander bestanden, und damit das Werk
Mohammeds, des ersten Kaisers, in wirklich kaiserlichem Sinne
weitergeführt, bis, nach der stürmischen Konquistadorenlaufbahn
Sultan Selims, der grofse Soliman kam, um dem nach orienta-
lischem Geschmacke kunstvollen Staatsbau und der gesellschaft-
lichen Ordnung für zwei ganze Jahrhunderte ihre endgültige
Gestalt zu geben.
Durch seine Friedensliebe und verhältnismäfsig gute Ver-
waltung bereicherte Bajesid, wenn nicht seine Untertanen, doch
wenigstens seinen eigenen kaiserlichen Schatz. Niemals war die
Khasna so gut gefüllt wie unter ihm. Drei Jahre nach seinem
Tode, als sein Nachfolger mit dem zusammengesparten Dukaten-
gold die Heere ausrüstete und unterhielt, die ihm nicht nur die
erste Stellung, sondern die fast unbeschränkte Herrschaft im Westen
und Süden der muselmanischen Welt gewannen, ward das Ge-
samteinkommen des osmanischen Reiches auf 6 500 ooo Dukaten
(unter Soliman: 120000CO) geschätzt — tatsächlich scheint aber
der öffentliche Schatz, nicht auch jener des Sultans, sich nur
auf 3000000 (unter Soliman 1524 auf 4500000^)) belaufen zu
haben *). Es bestand aus der Kopfsteuer, die jährlich 100 Aspern
i) Ebenda; auch Giovio in Sansovino fol. 337 vo f, ; Me n avin o , ebenda
fol. 52 v'O bis 53.
2) Ebenda. 3) Alberi a. a. O. S. 95.
4) Offizieller polnischer Bericht an Papst Leo X., in den „Acta Tomiciana"
III, S. i68ff., und daraus in Hurmuzaki II', S. i68ff.; vgl. Alberi S. 54
und Giovio fol. 242.
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 305
— nach einer anderen, etwas späteren Rechnung, 50 bis
120 Aspern, nach dem Vermögen eines jeden ^) — für jedes
Haus betrug-, dem Peschkesch, der ,,frei\vinigen Gabe": 30 Aspern
für den Christen und nur 25 auf den Türken, welcher der Kopf-
steuer, die von den Kharadscharen eingebracht wurde, nicht
unterstellt war 2), dem Zehnten von Vieh und Geflügel, dem
achten Teil vom Wein, dem achten oder auch siebenten Teil
vom Korn ^) , dem kaiserlichen Anteil an den Bergwerken —
1/3 von den Mineralien, '/g von geschmolzenen Metallen und '/s vom
Münzschlag — , dem Ertrage der Salzwerke, 400 000 Dukaten,
der Steuer auf Mühlen — 30 Aspern (im ganzen 400 OOO Dukaten)
jährlich für jedes Mühlrad, dem ,, Zolle" auf den Fischverkauf,
dem eigenartigen Reismonopol — wer Reisfelder anbaute, er-
hielt den Samen dazu aus den kaiserlichen Speichern, erstattete
ihn später zurück und entrichtete aufserdem den halben Teil der
Ernte — , einer besonderen Steuer auf Hornvieh — i Asper jährlich
für das Stück — , auf Schafe — i Asper für deren fünf (Summe:
Sooooo Dukaten) — und Schweine — 2 Aspern für jedes ^). Dazu
kommt die stark angewachsene und, trotz aller Verabredungen,
immer anwachsende Summe des Kharadsch — nun i 200 OOO Du-
katen — von Seiten der unterworfenen Länder, die ihre Autonomie
bewahrt hatten : der Inhalt vieler tausend Geldsäcke flofs im März
und April in den sultanischen Schatz ^) und bildete, nach dem Aus-
spruche eines Venezianers, gleichsam einen ,, hohen Berg" von
Aspern ^). Alle diese Posten sind uns zum Teil schon aus früheren
Äufserungen abendländischer oder auch orientalischer Herkunft
bekannt, aber bis zu diesem zweiten Zehntel des i6. Jahr-
hunderts hat man keine so genaue und vollständige Aufzählung
und Einschätzung derselben. In den Quellen scheint sich jetzt
i) Spandugino in Sansovino fol. Ii8 vo.
2) Spandugino fol. Ii8 vo bis 119.
3) Hurmuzaki a. a. O. S. 179.
4) Ebenda S. 179 — 180.
5) Bericht des Bailo ; 17. April 15 14 (Archiv von Venedig, ,,Capi Con-
«iglio X."): „Li dissi al tempo che quelli di Schio, Ragusi et altri lochi portavano
il suo carazo, che era de Marzo et April. ^''
6) „Monte grandissimo." Alb er i a. a. O. S. 72.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. '^'J
306 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
die systematische Wirtschaft der kaiserlichen Finanzverwaltung-
zu spiegeln.
Dieser sorgsam aufgespeicherte Reichtum verleitete aber die
Janitscharen, deren Sold zwar 95COO Dukaten verschlang, sich
im Serail selbst ausgiebige Entschädigung zu verschafifen, weil sie
jetzt nur noch selten im Kriege gegen ungläubige Christen Ge-
legenheit fanden, sich durch Beute und Lösegelder zu bereichern.
Seit langem — schon unter Mohammed hatten sie, wenigstens
im Anfange seiner Regierung, einen Aufruhr zustandegebracht —
zeigten sie sich widerwillig und aufsässig. Nach der Verhaftung
des bei ihnen sehr beliebten Achmed-Gedük ging das Gerücht
unter ihnen, dafs der ,, Kaiser" ihnen Verderben sinne und ihre
Miliz, die aus Christenkindern in jedem dritten Jahre nun derart
ausgehoben wurde, dafs ein Rekrut im Alter von 15 — 18 Jahren
auf 60 Familien kam ^), durch die in der Mehrheit ursprünglich
türkischen Asapen ersetzen wolle.
Die Michaloglis Ali und Skender rieten ihrem Herrn mit
ihrer ganzen Autorität von diesem Vorhaben ab ; trotzdem wurde
Ali beim Heraustreten aus dem Palast von der lärmenden und
aufrührerischen Soldateska mit Schmähworten überhäuft und be-
droht. Als Bajesid darauf, um der Empörung die Spitze abzu-
brechen, die Janitscharen zum Feldzuge gegen die Moldau berief,
schlugen sie ihr eigenes Lager auf, statt mit ihren Körpern die
heilige Majestät ihres Herrn und ,, Vaters" zu decken; sie wollten
den Sultan nicht in ihrer Mitte dulden. Er sah sich genötigt,
ihnen förmlich Geiseln zu stellen, wollte er anders unter den
gewöhnlichen Bedingungen ein Heer bilden 2).
FreiHch versichert ein kundiger Venezianer, dafs dieser an-
gebliche Feind der Janitscharen, die Anzahl derselben — die sich
15 14 auf 12000 und ohne die Elitetruppen auf 8000 belief ^) —
1) Siehe den schon envähnten polnischen Bericht in Hurmuzaki a. a. O,
S. 177-
2) Leunclavius S. 625 — 627; vgl. Angiolello fol. 74. Nach Angio-
lello, fol. 68 vo, soll er beim Regierungsantritte versprochen haben, seine Wesire
nur unter den „Christensöhnen" zu suchen.
3) Hurmuzaki U^, S. 169, I77ff. Nach Angiolello, fol. 58, loooo.
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 307
vermehrt habe '). Ihre Herzen konnte er aus dem einfachen
Grunde nicht g-ewinnen, weil er ihnen allzu friedliebend, allzu
sehr „Philosoph" zu sein schien. An dem streng-en Moslem
und vorzeitig- Alternden, der seinen Vater beschuldigte, keinen
Glauben und unheilige Vorliebe für venezianische Maler und
ihresgleichen, auch Freude an Metallarbeiten, wie Bogenringen,
Schwertscheiden u. a. gehabt zu haben, und gleich nach dessen
Tode die zweifelhaften Bilder, an denen sich dieser ergötzte ^),
vernichten liefs, — fanden sie ihrerseits keinen Gefallen. Auch
argwöhnten sie, dafs er allzusehr vom Willen seiner Wesire ab-
hing, die oft ihren persönlichen Vorteilen nachjagten. Wenn
der bosnische Herzogssohn Achmed, der Schwiegersohn des
Herrschers geworden war, als eine edle Natur, die ihren christ-
lichen Gott nur zum Schein abgeschworen hatte ^), treu seinem
Kaiser diente — er galt als ebenso mächtig wie der Sultan *) — ,
so waren die anderen gemeinen, heuchlerischen und eigennützigen
Charakters, Meister in der Kunst der Verstellung und Ausbeutung.
Nicht einmal der Janitscharen-Aga, Rustem-beg, ein Bosnier, der
andere Schwiegersohn Bajesids, hatte bessere Eigenschaften^),
und der Bruder seiner Mutter, Mustafa-beg, der ebenfalls bald
starb, zeichnete sich durch keinerlei Qualitäten aus ^). Ein
anderer Mustafa, der Sohn eines Priesters in Amphipolis,
dem man unter den Wesiren der letzten Jahre Bajesids begegnet,
wird, wie schon gesagt, der ,, hochmütigste Türke in Konstanti-
nopel" genannt^). Der Wesir Daud war lediglich durch seinen
Hafs gegen die Christen bemerkenswert ^). Zuletzt hatten, neben
Achmed Hersekogli, ein Ali und Jahja die ganze Macht an
sich gerissen ^).
i) „Aggrandi prima el numero de' gianizzeri" ; Alberi a. a. O. S. 21.
2) „La cose di lussuria ... assai belle"; Angiolello fol. 48 v» bis 49.
3) Giovio fol. 335 vo.
4) „Auttorita ... tanto grande quanto quella dell' istesso Gran Signore";
Alb eri S. 41.
5) Angiolello fol. 73. 6) Ebenda fol. 74.
7) „II piü superbo Turco che sia in Constantinopoli" ; Alberi S. 41, 50;
vgl. Giovio fol. 335; oben, S. 301.
8) Ebenda,
9) Leunclavius Sp. 646 — 647.
20*
308 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
Diese osmanischen Würdenträger tranken Wein und liefsen
sich, wie später Dukaschinogli, berauschen; dann konnten ihnen
die verschmitzten venezianischen Ag^enten die Staatsgeheimnisse
ablauschen ^). Ihre diplomatische Kunst bestand vor allem in
krassen Lügen und der Verschleppung aller Geschäfte, um sich
mehr zahlen lassen zu können — lOOO Dukaten waren eine
Kleinigkeit für sie; sie wichen jedem Drängen so fein und
sicher aus, dafs sich in die Verachtung der Venezianer etwas
wie Bewunderung mischte ^).
1508 eröffnete des Sultans Schwiegersohn, Hassan-Pascha,
unter den Mauern Konstantinopels Buden für den Verkauf von
Brot imd Fleisch und gefährdete dadurch die Verproviantierung
der Hauptstadt: die Janitscharen brachen in hellen Aufruhr aus,
zerschlugen, was sie in den Buden des Ausbeuters fanden, und
gingen so weit, die Moschee Bajesids zu besudeln ^) ; der Sultan
mufste persönlich erscheinen und die Buden schliefsen.
Auch 1506 waren alle höheren Beamten des Reiches als
Leute mit gutem Magen bekannt *). Die Umgebung des
schwachen Kaisers bestand aus solchen gemeinen, jedes Talentes
baren Leuten, und dies mufste die Unzufriedenheit, besonders
der Janitscharen, steigern. Als Bajesid nach 1508, von Gicht
geplagt, nicht mehr reiten und gehen konnte, wurde die Frage
der Thronfolge, die für die leitenden Faktoren des Reiches sehr
wichtig war, akut.
Von seinen sechs Söhnen war Mahmud von Manissa
wegen Ungehorsams und weil er die Regierungsart des Vaters in
i) Bericht in den ,,Capi Consiglio X.", 19. April 1514: „Scaldato dal
vino alquanto . . . Quando questi sono un pocho allegri del vino , parlano , et le
parole sue vieneno de la radice."
2) „Dir, desdir, zonzer et sminuir secondo li torna bene non l'hano per
vergogna ... I susitano nove dimande, et fanno che alle volte el se crede haverli
in pugno et sono discosti mille miglia"; Bericht vom 25. November 1513; „Capi
Consiglio X."
3) „Con stercore imbratono tuto quel tempio"; Archiv von Venedig, „Missive
e responsive", 1508 — 1510.
4) „Tuti do ano bon stomacho"; Berichtvom 18. Januar, „Capi Consiglio X.".
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 309
Konstantinopel selbst verkleidet spionierte '), hing-erichtet worden;
zwei andere, Dschihanschach, Sandschak in Karien (-j- 1510) '^), und
Alemschach , starben vor dem kritischen Jahre 1 5 1 1 ; die von
ihnen hinterlassenen Söhne, denen asiatische Sandschakate an-
vertraut wurden, dachten nicht an die kaiserliche Erbschaft des
Grofsvaters, — so wenig- diese auch durch allgemein angenommene
Grundsätze, so sehr sie auch vielmehr, neben der ersten Be-
dingung osmanischen Blutes, vom Glücke des Krieges beeinflufst
zu werden pflegte ^). In Manissa führte Korkud, der beim Tode
Mohammeds II. den Thron besetzt hatte und vom Heere als
regierender Sultan ausgerufen worden war, um sehr bald — war
er doch noch ein Kind — dem herbeigeeilten Vater Platz zu
machen, ein vergnügtes Leben; er glich dem verstorbenen Oheim
Dschem, was die Liebe zu literarischen Beschäftigungen be-
trifft; darum wollten die Janitscharen , die durch militärische
Wichtigkeit und unbändigen Geist zu einer entscheidenden
Prätorianerklasse herangewachsen waren, von ihm als Erben des
Reiches nichts wissen. Achmed war der Erstgeborene Selims;
ein schöner Mann, aber wollüstig, träge und zu Beleibtheit
neigend, der sich noch durch keinen Sieg ausgezeichnet hatte;
in seinem anatolischen Sandschakate war er vor der Zeit gealtert;
trotzdem hoffte er, da ihn der Vater öffentlich vorzog und
einige wenige Zivilbeamte ihn unterstützten, kraft seiner Rechte
das Reich einst zu regieren.
Endlich verwaltete der magere Selim, mit grofsen feurigen
Augen, schwärzlichem und immer finsterem Gesicht und langem
Schnurrbarte, der von derselben Mutter wie Korkud stammte,
das Sandschakat Trapezunt *). Er lechzte seit seiner Jugend
nach kriegerischem Ruhme und hatte vom widerstrebenden
Vater 1503 eine andere Provinz verlangt, um Gelegenheit zu
i) Menavino in Sansovino fol. 52 — 52 vo.
2) Angiolello fol. 114.
3) „Colui che ha la spada piü acuta, se fä Signore'', schreibt Jani Las-
karis, über den Tod Aleraschachs siehe Albe ri S. 23: „Alquanti anni mori."
Für die Hinrichtung Mahmuds auch Leunclavius Sp. 659.
4) Spandugino in Sansovino fol. 203.
310 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
haben, die persischen Feinde des Reiches zu bekriegen ^). So
war er der Liebhng- der Janitscharen, die von ihm Ehre und
Gewinn in künftigen Feldzügen erwarteten ; und auch die meisten
Wesire und andere hohe Agas, die, als ausgezeichnete Menschen-
kenner, erkannten, was in diesem wilden und leidenschaftlichen
Jüngling steckte, waren ihm günstig gesinnt.
Im Jahre 1510 begab sich Selim, der seit mehreren Jahren
Schwiegersohn des tatarischen Khans war und aus seiner Ehe
einen zehnjährigen Sohn, den künftigen grofsen Sultan Soliman ^),
hatte, nach der vom Khan regierten Halbinsel der Krim; er
gewann die Janitscharen , die die Besatzung Kaffas bildeten ^),
und erhob die starke und noch reiche Stadt zu seiner neuen
Residenz. Bald fielen ihm auch Kili und Akkerman (i. Mai 151 1)
zu, die die Moldau beherrschten ^). Dann nahm er 3000 leichte
tatarische Reiter, die von zwei Khanoglis, seinen Schwägern,
befehligt waren, vereinigte mit ihnen eine ziemlich bedeutende,
durch hohen Sold und Verheifsung von Timars in allen Winkeln
zusammengeworbene F'ufsmannschaft, die er nach dem System
der Janitscharen gedrillt hatte, verband sich mit einem der
Malkotschoglis, der Markgrafen an der Donau ^), und drang über
den Flufs in die Dobrudscha, wo seit kurzem 3000 Tataren an-
gesiedelt waren ^) ; erst bei Warna verliefs er das tatarische Gebiet,
um in die eigentlich türkischen Provinzen überzutreten.
Dem Vater, der ihn nach dem Ziel seines Zuges fragen
liefs, antwortete er bescheiden, dafs er nur der Pflicht jedes
Sandschaks, den Herrn jährlich zu besuchen und ihm ,,die Hand
zu küssen" ^), nachkommen wolle. Bajesid kannte ihn nur allzu
1) Alber i S. 23.
2) Giovio bestätigt, dafs Soliman der Sohn der Tochter „del re Bosphorano,
di sangue tartaresco" war; fol. 354 vo.
3) Gewöhnlich standen in jeder grofsen Festung 500 derselben, die alle drei
Monate gewechselt wurden; polnische Beschreibung des Reiches; s. oben, letztes
Kapitel des vorigen Buches.
4) Meine „Chilia ^i Cetatea-Albä" S. r8o.
5) Spandugino fol. 203.
6) Polnische Beschreibung.
7) „Almeno uiia volta l'anno ... baciarli la mano"; Angiolello fol. 14.
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 311
g-ut; er lieis sich nicht in Adrianopel überraschen, sondern trat
eihg- den Weg- nach der Reichshauptstadt an, wo er sich sicherer
fühlte. Selim folg-te ihm, ohne den Charakter des verdächtigen
,, Besuchs" zu offenbaren. Bei Tschorlü, eigentlich beim Dorfe
Sirtköi ') aber verleitete ihn sein leidenschaftlicher Ehrgeiz zum
Kampfe. Der alte Sultan, der die Fahne des Propheten ent-
falten liefs, leitete die Truppen, die ihn umgaben, persönlich,
und seine Stimme erklang weithin, als er rief: ,, Tötet den Huren-
sohn ^)!". Trotz grofser persönlicher Tapferkeit des entlarvten
Thronbewerbers waren die schnellen, aber schlecht bewaffneten
und für keine Schlacht im höheren Sinne vorbereiteten Tataren
kein ebenbürtiger Gegner für die beste Armee der Welt —
obgleich die meisten Truppen unter Wesir Ali gegen die Rebellen
in Asien kämpften, — und die improvisierten Janitscharen waren
nicht imstande, den echten zu widerstehen. Der Versuch der
Tataren, das Sultansheer zu umzingeln, mifslang, und damit war
der Tag entschieden. Die Gefangenen wurden von Bajesid
mitleidlos niedergehauen^). Doch wurde Selim nicht allzu eifrig
verfolgt, so dafs er sich von Midia aus zur See in seine Krim
retten konnte (Juli 15 12)*).
Damit hatte Bajesid freilich noch keinen endgültigen Sieg,
keine wirkliche Ruhe erreicht. Während sich Selim so rührig
wie vorher zeigte und mit allen Mächten an der Donau , selbst
mit der Moldau, die beständig von den Tataren bedroht wurde, Be-
ziehungen anknüfte, lag in Asien Achmed von Amasia in heifsem
Kampfe mit Mohammed, dem Sohne Schahinschahs ; im Dezember
151 1 wufste man in Konstantinopel, dafs die beiden Fürsten ,, bei
i) Vgl. Spandugino fol. 203 v«: „Dirimpetto a Zurla et alle Quaranta
Chiese" (Kirk-Klissi).
2) ,,Ammazzate, ammazzate questo bastardo"; Spandugino fol. 203 vo.
3) Siehe das Zeugnis Menavinos fol. 53ff. , der hinzufügt: „lo che quivi
a queste cose sempre stetti alla presentia"; vgl. auch weiter fol. 56: er ist einer
von den „cinque giovani . . . al servitio della sua persona".
4) Beschreibungen der Schlacht und des ganzen Krieges in der osmanischen
Chronik, Leunclavius Sp. 613 ff. ; andere Version Sp. 646 ff. ; in Angiolello;
in Giovio der ebenso wie Spandugino für diese Ereignisse gute mündlich6
Quellen benutzte, fol, 346 ff.
313 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
den Wassern oberhalb Brussa" ^) blutig um die künftig-e Reichs-
herrschaft rangen. Zuletzt blieb Achmed Sieger, zumeist dank
der ritterlichen Kühnheit seiner Söhne Murad und Alaeddin.
Mohammed wurde mit seinem Bruder im Larendah gefangen
genommen und nicht einmal nach Bajesids Eingreifen zurück-
gegeben ^).
Nun riefen seine Anhänger, der Kasiasker, der Nischandschi-
Bascha — der die Gnadenakte des Sultans siegelte und dafür
400 — 500 iAiSpern jährliches Gehalt bezog ^) — , und Junus-Pascha,
den siegreichen Sultanssohn Achmed mit seiner ganzen Familie
nach Konstantinopel, um ihn in die Nähe des voraussichtlich
bald verwaisten Thrones zu bringen. Er schlug sein Lager vor-
sichtig im asiatischen Skutari auf. Auch Korkud, mehr ge-
zwungen als freiwillig, erschien und blieb, trotz dem Verbote
des Vaters, in seinem Quartier bei der Janitscharenkaserne
stehen.
Dadurch sahSelim, den Bajesid durch Verleihung eines grofsen
Donausandschakats von Semendria bis Akkerman zufrieden zu
stellen suchte, die heifs ersehnte Beute sich entgehen, er mufste
wagen, alle Ränke zu vereiteln und, dem Prioritätsrecht entgegen,
sein Recht, als Superioritätsrecht, durchzusetzen. Im tiefen
Winter kam er wieder nach Konstantinopel — vielleicht im
Namen des Vaters gegen Achmed, der sich Sultan von Anadol
nennen liefs, gerufen — : nur einige Tataren begleiteten ihn
diesmal, und er trat nicht mehr als bewaffneter Rebell gegen
das Reich auf; die Janitscharen hatten ihn 151 1 doch verleugnen
und gegen seine Heeresmacht kämpfen müssen , weil sie ihre
heiligste Pflicht, den Kaiser gegen jeden Feind zu beschützen,
nicht verletzen konnten. In Kütschük-Tschekmedsche, Ponte-
i) „In le aqua sopra Brussa"; Bericht vom 17. Dezember; „Missive e re-
sponsive", 1511 — 15x7.
2) Giovio fol. 338 yoff., in falscher chronologischer Verbindung. Der er-
wähnte venezianische Bericht vom 1 7. Dezember spricht von einem Kampfe mit
Korkud: „Dice etiam [il proveditore di Napolia di Romania] come Sultan Ahmet
cum persona XV m in le aque sopra Brussa se era afrontato cum el Sultan Corcut,
et era State tagliate persone assai de essi frateli."
3) Angiolello fol. 53 \°.
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 313
Piccolo, in der Nähe der byzantinischen Mauern, hatte er eine
Unterredung- mit Korkud, der sich durch das Anerbieten der
Insel Lesbos, als Zuwachs zu seinem bisherigen Sandschakat,
bewegen liefs, nach Asien zurückzukehren, um seinen geliebten
Studien in Ruhe weiter obzuliegen. In der Stille betrat er die
Reichshauptstadt und bezog Quartiere beim Jeni-Bazar.
Jetzt gerieten aber die Janitscharen, infolge der Anwesenheit
des von ihnen verachteten Achmed, in Bewegung. Sie er-
schienen als drohende Bittsteller vor dem Diwan, nachdem sie nach
altem barbarischem Brauche, der über dem Feind das Zelt zu-
sammenrifs, die hölzernen Häuser der Parteigänger Achmeds — •
auch das des rumischen Beglerbegs Hassan — zerstört hatten.
Vom Sultan verlangten sie einen jungen, kräftigen und tüchtigen
Führer in den künftigen notwendigen und lang erwarteten
Kriegen. Achmed, dem sein Vater bereits einen Teil des
Schatzes geschickt hatte, wollten sie als solchen nicht dulden
und riefen Selim zum Generalissimus aus, einen förmlichen Berat
(Bestätigungsakt) für ihn fordernd. Lange zögerte der körperlich
zwar schwache und vom Alter bedrückte, aber hartnäckige und
seiner Rechte sich wohl bewufste Sultan, den Rebellen nachzugeben.
Endlich entschlofs er sich zur Abdankung; nachdem er den Siegern
die Khasna überantwortet hatte, blieb Bajesid — freilich immer
noch Sultan, aber von allen mit Ausnahme des treuen Junus ver-
lassen, während sich die Beamten und Krieger um das bescheidene
Haus Selims in Jeni-Bazar drängten, — zwanzig traurige Tage, die
für ihn eine Vorbereitung zum Tode , ein Innewerden der V^er-
gänglichkeit aller menschlichen Gröfse bedeuteten, in diesem
Konstantinopel, seinem väterlichen Erbe, das seine Haupt-
stadt während dreifsig Jahren gewesen war. Endlich bewegte
sich mit aller kaiserlicher Pracht der Zug auf der Strafse
nach Demotika, der für ihn bereiteten letzten Residenz. Von
einigen hundert Soldaten und einem bescheidenen Gefolge
umgeben und auch mit einigem Gelde und Juwelen, wollte
sich der Entthronte dorthin begeben, aber auf dem Wege,
beim Flüfschen Sasli-Dere ^), ereilte ihn der Tod; die meisten
l) Agrasch-Köi wird die Ortschaft in Soliitians Tagebuche für den moldaui-
schen Zug von 1538 genannt (Anhang zu Hammer III).
314 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
glaubten, dafs sein jüdischer Arzt ihm Gift kredenzt hatte, und
zwar auf Befehl Selims, der, vorläufig- allem Pompe abhold,
gleich nach dem Auszüge des Vaters sich eilig in den Besitz
des Serails gesetzt hatte, wo ihn die zurückkehrenden Begleiter
Mohammeds bereits vorfanden. Es war der 23. April 15 12 ').
Selim war entschlossen, alle Mittel zu gebrauchen, um sich
vor allem inneren Hader, vor Familienzwistigkeiten und Prätendenten-
ränken zu sichern ; ein grausames Beispiel hatte ihm sein von
ihm bewunderter Grofsvater Mohammed IL gegeben, dem er mit
Eifer nachstrebte. Seine Regierung begann mit einem rücksichts-
losen Kriege gegen Achmed und mit der Vernichtung aller
osmanischen Prinzen.
Der Kampf Selims mit Achmed verlief wesentlich leichter
als dreifsig Jahre vorher derjenige Bajesids gegen Dschem.
Denn der diesmalige Prätendent hatte keinen hohen Beamten,
keinen Sandschak einer ausgedehnten und wichtigen Provinz,
keine ständige Armee für sich; es bedurfte der Bemühung seines
Feindes, ihn überhaupt in die Falle zu locken und zugleich mit
seinen Hoffnungen auf die Herrschaft auch sein Leben verlieren
zu lassen. Im Sommer 15 12 kam Selim mit seinen Janitscharen
nach Asien und ging ungehindert bis nach Angora; von hier
aus schickte er seinen Imrochor oder obersten Stallmeister in
die armenischen Berge bei Amasieh, um auf Achmed zu fahnden.
Als der Winter kam, bezog man Quartiere in Brussa, wo keine
Gefahr drohte; auch war das Heer schon aufgelöst worden; im
Frühling 15 13 ergingen aus der Umgebung des Sultans Briefe
an dessen bisher in Untätigkeit verharrenden Bruder, die ihm
einen schnellen Angriff auf das Heer Selims empfahlen, indem an-
geblich viele nur auf sein Erscheinen warteten, um den Tyrannen
zu verlassen. Erst langem Drängen nachgebend versuchte der
schöne und kräftige Prinz das Glück, um bald zu erkennen, dafs
er schmählich betrogen war. Nach einer sogenannten ,, Schlacht"
bei Jenischehr, wo Achmed sich sehr tapfer gehalten — er
warf den Beglerbeg zurück und seine Reihen wurden nur von den
i) Vgl. „Dipl. Rag." S. 853: „Cui Selemo pater cessit solium ad peticionem
lanizariorum die 23 Aprilis proxime preterito"; in Angiolello fol. 114 wird
der 24. April angegeben.
Hof und Heer Sultan Bajesids. Seine Ersetzung usw. 315
Tataren durchbrochen — , fiel er in die Gefangenschaft des
Sultans und wurde erdrosselt.
Ohne Schwierig-keit bemächtigte man sich auch Korkuds,
nicht in seiner Residenz Manissa, sondern am Meeresufer, bei
Smyrna, wohin er mit wenigen Freunden geflohen war, um ein
Schiff zu suchen, und dieser friedliebende Bruder des rücksichts-
losen Herrschers erlitt das gleiche Schicksal. Mohammed, der
schöne, 21jährige Sohn Dschihanschachs, der aus der Gefangen-
schaft Achmeds entrann, um unbedacht in die Hände eines weit
gefährlicheren Verwandten zu fallen, wurde ebenfalls bald in der
sich rasch füllenden Gruft der Osmanen zu Brussa beigesetzt.
Auch einer von Achmeds Söhnen wurde hingeopfert; schnell
wuchs die Zahl der jungen Prinzen, die auf kaiserlichen Befehl
dem Henker verfielen und — übrigens mit aller ihrem Blute
schuldigen Ehrfurcht — von den Soldaten Selims ums Leben
gebracht wurden. Aus dem ganzen osmanischen Hause blieben
aufser Selim selbst und seinem einzigen in Konstantinopel
zurückgelassenen *) Sohne Soliman — mehr Erben wollte der
Sultan nicht haben und verzichtete auf jeden weiteren Umgang
mit seinen Frauen, indem er statt dessen mit jungen Sklaven
dem Laster des Orients huldigte (Mai 1513) ■^) — nur Murad,
ein Sohn Achmeds, der nach dem Hofe des Schachs entflohen
war, und zwei Brüder desselben — einer davon war Alaeddin ^)
— die beim Soudan von Ägypten Aufnahme fanden, übrig *).
Auf so grausame Weise wurde für ein halbes Jahrhundert
die dynastische Frage gelöst und der Mord gegen die Brüder
des neuen Herrschers und ihre Nachkommenschaft zu einem der
wichtigsten Gesetze des Reiches erhoben.
1] ,,Un suo figliuolo piccolo d'anni X..., il quäle haveva nome Soliman";
Angiolello fol. Ii6. Ein venezianischer Gesandter gibt 15 14 das Alter des
jungen Soliman auf 17 Jahre an; Alberi S. 48.
2) „Non s'impaccia piü con donne"; Alberi a. a. O.
3) Er starb aber bald auf dem Meere bei der Küste Nordafrikas; Menavino
fol. 58 voff.
4) LeunclaviusSp. 684 ; andere Version Sp. 740 ff. ; G i o v i o S. 343 vo ff. —
sehr ausführlich und im ganzen wahrheitsgetreu. Vgl. Hurmuzaki 11^ und Acta
Tomiciana U, z. J.
Sechstes Kapitel.
Sultan Selims Politik in Europa.
So hatte sich Selim den Besitz seines kaiserhchen Thrones
gesichert. Ein gerechter, aber strenger Herr, war er jedem Mit-
leid unzugänglich und wollte keine sanftere Lebensart gelten
lassen; er kannte die Gesetze und las fleifsig im ,,Buch
Alexanders des Grofsen", aber für Kunst und Dichtung hatte er
kein Verständnis '). Bereits in den ersten Tagen nach seiner
Thronbesteigung machte er den Janitscharen gegenüber sein
Recht geltend, alle Schuldigen in ihrer Mitte aus einiger Macht-
vollkommenheit zu bestrafen; ein Janitschar und ein Ulufedschi
wurden gehängt, um der Welt zu zeigen, dafs er nicht einmal
seine Helfer und die Stützen seines Thrones zu schonen ge-
dachte '"*). Während der ersten Kämpfe in Asien gegen die
osmanischen Prinzen liefs er den Wesir Mustafa wegen Verrats
umbringen und den nackten Leichnam auf die Strafsc werfen ^).
Später, nach dem Siege über den Perserschach, strafte er einige
Janitscharen auf das härteste ^) und liefs seinen Schwiegersohn
Iskender-Pascha und den Kasiasker Fadschizadeh, seine intimen
Freunde, wie auch den Seimen-Bascha, auf den Verdacht hin,
dafs sie die Janitscharen aufzuwiegeln versucht hätten, hinrichten.
Auch Junus, ein alter, verdienter Offizier seines Vaters, verfiel
i) Alb^ri S. 50, 53.
2) Leunclavius Sp. 6i5ff. Audi Mohammed IL, das Vorbild Selims, liatte
1476 200 Janitscharen, die den Ungarn eine Festung überliefert hatten, in einem
Flusse ertränken lassen; AngioleUo fol. 34 vo.
3) Giovio fol. 344 vo; AngioleUo fol. 116; Menavino fol. 58 yoff.
4) Cambini in Sansovino fol. 175 — 175 vo.
Sultan Selims Politik in Europa. 3! 7
dem g-leichen Schicksal: nach der Eroberung- Ägyptens traf ihn
die Rache seines Herrn, weil er einige Geldsummen unterschlagen
und beim Gebete in den Moscheen sich „Sultan" statt Pascha
zu nennen gewagt hatte ^). Über jedes Gefühl von Blutsver-
wandtschaft, Familienbeziehungen, Dankbarkeit und freundlicher
Hinneigung zu einem seiner Sklaven war Selim erhaben.
Schon bei seinem Regierungsantritte war man sich klar,
dafs der neue Osmanenherrscher ein ,, wilder "2) Mensch sei,
der nur an waghalsigen Ritten auf seinem ,, Schwarzer Gedanke"
genannten Rosse, an Schwerthieben und Bogenschiefsen, am
Anblick der fliehenden Fahnen des Feindes, an der Vernichtung
stolzer Dynastien und der Erschütterung- alter Staatsgründungen
Freude und Gefallen finde. Als die üblichen Boten vor ihm
erschienen, um ihm den Grufs ihrer Herren zu überbringen,
suchten sie aus seinen Worten und seinem Verhalten gegen sie zu
erraten, wohin er sich, nach Erledigung der dynastischen Frage,
zuerst wenden werde.
Besonders fürchteten ihn seit seinem Erscheinen in Kafifa
(15 10 — 11) seine nördlichen Nachbarn an der Donau, die Ungarn
und Polen, die von zwei Fürsten jagelionischen Blutes, weichen
und furchtsamen Naturen, den sich so ähnlichen Brüdern König
Siegmund und König Wladislaw beherrscht waren. Sie, wie der
eitle römische König Maximilian, von dem die Türken zu sagen
pflegten, dafs er keinen bösen Charakter habe ^), schickten noch
im Jahre 15 11 ihre Gesandten an die Pforte, um einen Wafi"eu-
stillstand auf drei Jahre oder kürzere Zeit zu erwirken; die
Jagelionen hofften, bei dieser Gelegenheit einen gemeinsamen
Frieden abschliefsen zu können. Währenddessen aber unterhielt
der polnische König ein bedeutendes Söldnerheer unter Johann
Tarnowski in Podolien, an den Grenzen der bedrohten Moldau,
i) Vgl. Leunclavius Sp. 744 — 745 mit Alb er i S. 55. Vgl. Giovio
fol. 335 voff.
2) „Ferox, ferocissimus."
3) ,,Non ha l'animo cattivo"; Alb^ri S. 25 — 26.
318 Zweites Buch. Sechstes Kapitel.
WO Bogdan, der tapfere, aber unbedachte Sohn des grofsen
Stephan reg^ierte; andere Truppen aus Litauen, unter Knez
Konstantin, standen bei Kiew sowohl gegen die Türken, als
gegen die treulosen Tataren auf Wacht, die nur von Ausbeutung
ihrer Nachbarn und der Arbeit der christlichen Sklaven lebten ^).
An der ungarischen Grenze beobachtete Stephan Bäthory, nun-
mehr Ban von Temesvär, die benachbarten Türken, die unter
den Mitgliedern der echt anatolischen Häuser der Ewrenosogli
in Serbien, der Malkotschogli in Bosnien und der Michaloglis an
der rumänischen Donau hausten und kämpften ^).
Dennoch verging das erste Jahr ruhig; nur zwischen den
Tataren, die über den Dnjepr gekommen waren, und den
polnisch-litauischen Truppen kam es zu einigen Zusammen-
stöfsen 2), Im folgenden Jahre machte Bogdan seinen Frieden mit
dem Khan, fast zu gleicher Zeit, als der polnische Gesandte
Janus Swirczewski mit dem Waffenstillstand für zehn Jahre, der
den Polen noch vom alten Sultan Bajesid gewährt worden war,
von der Pforte zurückkehrte *) ; doch raubten tatarische Scharen
in Wolhynien und Podolien ^) und auf den königlichen Gütern
bei Lemberg; in der Nähe von Braclaw sollen sie eine Schlappe
erlitten haben, wobei Alp-Girai, der Neffe des Khans, gefallen
sein soll *'). 15 13 rief man die grausamen Nomaden der Steppe
gegen die Moskowiter herbei, die das Reich Polen angegriffen
hatten, aber, statt ihren Versprechungen nachzukommen, drangen
sie mit Bet-Girai, dem Sohne des Khans, über den Pruth ; der
sie verfolgende moldauische Hatman fügte ihnen keinen nennens-
werten Schaden zu (25. August), und erst auf der Rückkehr
wurden die Tataren vom moldauischen Fürsten geschlagen ').
i) Siehe „Acta Tomiciana" II oder Hurmuzaki 11^, passim, zum Jahre 15 il.
2) Giovio fol. 358 yo bis 359.
3) „Acta Tomiciana" und Hurmuzaki IP a. a. O. ; besonders Hurmu-
zaki S. 41.
4) Hurmuzaki, ebenda, S. 52.
5) Ebenda S. 55, Nr. LXI ; S. 59—60, Nr. lxiv.
6) Ebenda S. 63, Nr. LXVm; S. 65, Nr. lxx.
7) Moldauische Chronik, in der Bearbeitung Ureches; Kog alniceann ^
Letopisi^e I, S. 183 — 185.
Sultan Selims Politik in Europa. 319
Ein neuer polnischer Gesandter, Zakrzewski, brachte in der Form
des gewöhnlichen Waffenstillstands auf kürzere Zeit den Frieden
mit Selim heim ') , und Georg Krupski ging- an die Pforte , um
den Friedensakt für drei Jahre in Empfang zu nehmen ^). Dem
Khan zahlten jetzt die Polen unter dem Namen von Hilfsgeldern
einen Tribut ^).
An der Donau und in Bosnien, im Gebiet der Michaloglis
und Malkotschoglis betätigten sich die Türken inzwischen leb-
hafter. In der Walachei war auf den frommen Vlad sein ebenso
frommer Sohn Radu gefolgt, der viel für die berühmten Klöster
des Ostens tat und darum von seinem griechischen Lobredner,
dem Protohegumenen des Athosgebirges , mit dem Beinamen
,,der Grofse" ausgezeichnet wurde. Als er der Gicht erlag,
übernahm sein Vetter, Mihnea, dann (15 lo), kraft türkischen
Befehls, der junge Vlad (Vlädut), ein Bruder Radus, auf kurze
Zeit die Herrschaft; am 23. Januar 15 12 liefs ihn die ihm feind-
liche Bojarenpartei der Söhne Neagoes im Oltlande durch die
Donautürken von Vidin, die unter ,,Chaian" (Mehemed), dem
Sohne Ali-begs, ins Land fielen, ergreifen und umbringen*).
Dies war zur Zeit, als Selim seinen zweiten Marsch gegen Kon-
stautinopel plante und die Sandschaks, besonders in diesen mit
dem Reiche nur sehr lose verbundenen Gebieten, nach freiem
1 Belieben schalten und walten konnten. Der Nachfolger des
' enthaupteten jungen Fürsten, der früher Neagoe genannte
Basarab IV., der Neffe der oltenischen Rebellenführer, unterhielt
j zwar häufige und intime Beziehungen zu den Ungarn, konnte
aber der christlichen Politik an der Donau dennoch nur wenig
Nutzen bringen. Die politische Bedeutung des Fürstentums der
Walachei, dem nur die Autonomie verblieb, war bereits voll-
ständig verloren ^).
i) Hurmuzaki 11-^, S. 96, Nr. civ.
2) Ebenda S. 141 ff. 3) Ebenda S. 105.
4) Serbische Annalen in meinen „Studii §i doc." III, S. 3; „Dipl. Rag."
S. 673: „Audiebamus preterea Chaian, Alibech filium, Bedini prefectum, Barbure
(gemeint ist der Ban Barbul) auxilio, interemisse novum dominum quem superiori
anno loco Michni expulsi magnus imperator suffecerat." Auch meine luscrip^ii I,
S. loi.
5) Vgl. auch meine „Gesch. des rum. Volkes '■'• I, S. 367 ff.
330 Zweites Buch. Sechstes Kapitel.
In Bosnien gingen die Sandschaks noch im Sommer 15 13
selbständig- vor, als Sultan Selim von seinem Zug-e nach Asien zurück-
g-ekehrt war und den Ungarn einen Waffenstillstand auf vier
Monate g-ewährt hatte. Im Monat August, als die Tataren in
der Moldau raubten, verständigten sich fünf türkische Befehls-
haber an der Grenze in Vrbosna, dem Zentrum der osmanischen
Macht in Bosnien ^), und der Sandschak Junus griff mit den
vereinten Streitkräften die Schlösser an , die dem König von
Ungarn gehörten '■'). Stephan Bäthory eilte sog-leich herbei und
erschien unter den Mauern Semendrias, wo Balibeg, der Sohn
des Pascha Jahja, den Befehl führte ; dieser rief die benachbarten
serbischen Begs von Aladscha-Hissar, Zwornik und sogar von
Nikopolis und Ichtiman zu Hilfe, die aber den schnell errungenen
Sieg nicht ausnutzen konnten ; Bathory vermochte sich mit seinen
Geschützen und Karren unbehelligt zurückzuziehen. Auch vor
Belgrad wurde gekämpft und dem Sultan sein Anteil an Fahnen
nach Asien geschickt ^). Nach ungarischen Quellen *) wäre
Schabatz in die Hände der Türken gefallen. Diese gingen
dann, unter Junus, bis an die Save, wo sie Posega eroberten;
die Umgegend von Jaice, der bosnischen Hauptstadt der Ungarn,
hatte bedeutenden Schaden zu leiden; schliefslich sollen die
Akindschis bis Krain vorgedrungen sein ^). Die Ungarn wissen
jedoch auch von einem Siege beim Flusse Dubitza in Kroatien
zu erzählen, den der Bischof und Despote Beriszlö, der Ban von
Slawonien und Bosnien, errang; auch andere räuberische Scharen
hatte er 15 12 zurückgeworfen**).
Noch im August des Jahres 15 13 erschien ein Gesandter
des römischen Königs, der den Frieden zwischen Ungarn und
den Türken zur Realisierung seiner eigenen Projekte und
Träumereien bedurfte, in Konstantinopel, um diese Aussöhnung
i) „Dipl. Rag." S. 674.
2) Vgl. Hurmuzaki II', z. J.
3) Leunclavius Sp. 705 ff.
4) Sambucus nach Bonfinius Sp. 537.
5) Ebenda und Leunclavius Sp. 705 — 711; vgl. Angiolello fol. 117.
6) Lebensbeschreibung des Bischofs in „Mon. Hung. Hist. ", Scriptores, III,
S. 232fr.; Istvanffy V, z. J. ; vgl. Fefsl er- Klein III, S. 296. Der Sieg wird
auch in einem königlich polnischen Briefe — H ur m uz ak i II ', S. 99 — erwähnt.
Sultan Selims Politik in Europa. 321
ZU vermitteln, und er fand beim albanischen Wesir Dukaschin-
og-li gute Aufnahme *). Der Beauftragte des Königs Wladislaw
kam mit einem Gefolge von nicht weniger als 8o reich ge-
schmückten Reitern erst am 17. Dezember an ^). Man hielt ihn
absichtlich lange hin, obgleich der Sultan den Frieden an der
Donau wünschte, um sich ausschliefslich den asiatischen Ver-
hältnissen widmen zu können; doch wollte man wiederum zeigen,
wie sich die Türken selbst ausdrückten, ,,dafs der Grofs-Herr
allein die Macht habe, Frieden zu gewähren, und folglich alle
ihm untertänigen Fürsten dieses Geschenk ehrerbietig zu
empfangen hätten, unter den Bedingungen, die von Seiner
Majestät gutgeheifsen worden" ^). Um so mehr, als der Gesandte
die Rückgabe der letzthin von den Türken in Bosnien eroberten
Schlösser verlangte und den Einschlufs fast aller östlichen christ-
lichen Mächte, nebst Ragusa und den rumänischen Fürstentümern,
in den Frieden wünschte ; bei seinem ersten Erscheinen wurde
er buchstäblich an die Luft gesetzt und die ihm dabei entfallene
Kopfbedeckung hinterdrein geworfen*). Im April 15 14 weilte
dann ein türkischer Gesandter in Ungarn, während Polen wieder
einen Angriff der Tataren und sogar der angeblich zu ihnen
gestofsenen 2000 Türken fürchtete ^). Ein polnischer Sendling
mufste ins Innere von Asien reisen, um den Sultan dort aufzu-
suchen ^).
Diese Verhandlungen über den Frieden der Jagellonen und
ihrer Nachbarn und Freunde mit dem Sultan zogen sich in die
Länge, weil der letztere durchaus nicht die Absicht hatte, einen
Abschlufs herbeizuführen. Im Dezember 15 14 bestanden wieder
i) ,,Capi ConsiglioX"; Bericht vom 27. Dezember 1513; Maximilian schickte
zu demselben Zweck auch den bosnischen Sandschak (ebenda).
2) Hurmuzaki VIII, S. 42 — 43, Nr. LHI.
3) „A questo Gran-Signore stä il dar la pace, e perö bisogna che tntti li
principi, che li sono inferiori, abbiano di grazia a pigliarla con quelle condizioni
che pare alla Maiestä Sua"; Alböri S. 37.
4) Bericht vom 27. Dezember 1513; s. oben.
5) „ Capi Consiglio X", Bericht vom 8. April 15 14; vgl. Hurmuzaki II*,
S. 156 — 158.
6) „Capi Consiglio X", Bericht vom 10. Mai 15 14.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. H. 21
333 Zweites Buch. Sechstes Kapitel.
ernste Befürchtungen für die Sicherheit Kroatiens ^). Aber erst
nach der Rückkehr Sehms aus Asien im Jahre 1515 erfolgten
wirkHch türkische Rüstungen gegen diese Grenze. Im Sommer
vereinigten sich in Bosnien die dortigen und andere Sandschaks,
12 an der Zahl; es hiefs, der Sultan selbst stehe zum Aufbruche
bereit; der Vertreter Ungarns war ins Gefängnis geworfen
worden ^), und der neue ungarische König Ludwig II. teilte
seinem polnischen Oheim besorgt mit, Selim wolle durch die
rumänischen Fürstentümer den Weg zur vollständigen Eroberung
beider Reiche nehmen ^). Eilig wurden in Jaice und an allen
anderen gefährdeten Punkten der Grenze Ungarns Verteidigungs-
mafsregeln getroffen ■*).
Ein neuer türkischer Einfall in Kroatien fand wahrscheinlich
15 17 statt, da das ganze Land, wie auch Korbavien, in diesem
Jahre als „verwüstet" (desolata) bezeichnet wird °). Auch im
Februar 15 18 gelangten wieder Gesuche nach Ragusa, Kroatien
zu retten ^).
Als die asiatischen Angelegenheiten endlich vollständig
geordnet waren und Selim, nach zwei langen und schwierigen
Kriegen gegen Persien und den Soudan, sieggekrönt und als
erster aller mosleminischen Fürsten nach Europa zurückkehrte,
wurde der ungarische Gesandte in Freiheit gesetzt und ein
türkischer Bote ging gleichzeitig nach L^ngarn ab, um einen
günstigen Frieden anzubieten. Polen bekümmerte die tatarisch-
türkische Gefahr nicht allzusehr, und der junge Stephan, der
Sohn des Moldauers Bogdan, hatte die in sein Land einge-
drungenen Tataren Alp-Sultans vollständig geschlagen und damit
nach dem Tode des grofsen Stephan den ersten wirklichen
moldauischen Sieg über diese wilden Horden errungen ^). Von
beiden Seiten aber wurde die Bereitwilligkeit Selinis, auf einen
i) „Dipl. Rag.'' S. 675. 2) Ebenda S. 677—678.
3) Hurmuzaki IP, S. 28, Nr. xxx.
4) Hurmuzaki II ^, S. 246—247, Nr. cxcni.
5) Ebenda S. 253.
6) „Dipl. Rag." S. 681—682.
7) Ureche a. a. O. S. 186— 187.
Sultan Selims Politik in Europa. ^33
Frieden einzugehen, freudig begrüfst, und es entstand auf der
von Ungarn vorgeschlagenen Basis — innerhalb eines Jahres
sollten alle Freunde der Jagellonen ihren Einschlufs in den
Traktat verlangen können — der denkwürdige Akt von 15 19,
der allen die Friedenspolitik des türkischen Kaisers in Europa
glänzend offenbarte ^).
Venedig trug die Kosten ; es hatte in den dem Friedens-
schlüsse mit Sultan Bajesid folgenden Jahren viel von türkischen
Seeräubern, unter denen Caradromis '') und Caramussa hervor-
ragten ^), zu leiden. Doch gab sich die Signoria alle Mühe,
einen ernsten Konflikt mit den Türken zu vermeiden, und wider-
stand der Versuchung, die Unzufriedenheit der jetzt osmanischen
Bevölkerung, die früher der Republik untertänig gewesen war,
künstlich zu schüren *) ; im Gegenteil lebten die venezianischen
Offiziere in den besten Beziehungen zu den Kadis und Subaschis
des Sultans ^). Als ein spanisches Schiff, das im Verdachte
stand gegen türkische Handelsleute zu kreuzen, 15 13 den Hafen
von Kephallenia anlief, gab der dortige Proveditore dem Kapitän
schriftlich zu verstehen, dafs der,, Platz einsam und den Türken allzu
nahe liege", und forderte ihn auf, sich unverzüglich zu entfernen ^).
Bei dem Regierungsantritte Selims war die Anwesenheit
türkischer Schiffe vor der Insel Santa Maura ein Anlafs zur
Besorgnis '^j. In Avlona traf man Vorbereitungen zur Bildung
einer neuen Flotte, deren Bestimmung unbekannt blieb. Ende
15 13 versicherte Mustafa-Pascha, der das Unternehmen für ,, sehr
leicht" hielt, dafs die osmanische Flotte sich, 1 10 leichte
Galeeren und 30 grofse Galeeren stark, unter seiner Führung
i) Auch in Hurmuzaki 11^, S. 303 ff. Vgl. ebenda II \ S. 29, Nr. xxxr.
2) Alb^ri S. 35.
3) „}ilissive e responsive'" 1511 — 1517, Jahr 15 13. Siehe auch Creta,
,,Ducali e lettere ricevute" 1498: ,,Caracosa, corsaro turcho.''
4) Albferi S. 40; Jahr 1503.
5) Ein Brief des Kadis von Misithra, griechisch, in den „Missive e respon-
sive" 1511 — 151 7, Jahr 151 7.
6) ,, Rettori Consiglio X'', „Cefalonia".
7) „Dipl. Rag.^^ S. 835.
21 *
334 Zweites Buch. Sechstes Kapitel.
nach Apulien wenden werde \), und in den letzten Monaten des
Jahres 1513 streiften unter den Augen des kroatischen Bans
Johann, Grafen von Corbavien, dem Venedig" Hilfsgelder zahlte,
zahlreiche Akindschis bis nach Scardona ; zwei christliche
Schlösser wurden von ihnen eingenommen, und sie schleppten
2000 Gefangene mit sich fort ^). Doch wurde venezianisches
Gold von Wesiren und anderen hohen türkischen Beamten zu
hoch geschätzt, und, da die osmanische Flotte sich aufserdem
in schlechtem Zustande befand , so war man in Konstantinopel
der Erneuerung des Friedens geneigt, der am 17. Oktober in
der Tat schriftlich gewährt wurde ^); die Republik zahlte auch
weiterhin für den Besitz Zantes einen jährlichen Tribut von 500
Dukaten. Nach der Rückkehr des Gesandten Antonio Gius-
tiniani wurde der Friede am 18. Februar 15 14 in Venedig
beschworen *).
Nun begannen von selten des Bailo, der sich auf den Ein-
flufs des reichen Bastards Aloisio Gritti, des Sohnes des künftigen
Dogen Antonio, stützte, interessante Verhandlungen mit dem
türkischen Gesandten Ali-beg, deren Zweck war, türkische Hilfe
gegen das feindUche Königreich Neapel auszunützen; die Flotte
des Sultans sollte nach Apulien segeln, und die Akindschis zu-
gunsten der venezianischen Freunde durch die Provinz Friaul in
Italien einfallen. Doch vermochten die geizigen Handelsleute
mit den unverschämt feilschenden und ausbeutungslüsternen
türkischen Grofsen sich nicht über den Preis des verlangten
Dienstes zu verständigen ^).
So scheiterte der Plan; der Friede aber wurde am 8. Sep-
tember 15 17 erneuert und der neue venezianische Gesandte
Alvise Mocenigo eingeladen, das türkische Heer nach Kairo zu
i) „L'obiecto del signor era firmo ale cose de Puglia .. ., impresa facile";
auch ,,tute (le navi) ad obiecto della Puglia, in la quäl l'hä messo tuto el suo
pensier"; „Capi Consiglio X".
2) Vgl. Angiolello fol. 117; „Commemoriali" VI, S. 129, Nr. 5. Vgl.
S. 129 — 130, Nr. 6 und 8.
3) „Commemoriali" VI, S. 130 — 133, Nr. 9, 12, 17.
4) Angiolello fol. 117 vo.
5) „Capi Consiglio X": Bericht vom 17. April 15 14.
Sultan Selims Politik in Europa. 325
begleiten ^). Da Selim jetzt auch an Stelle des Soudans getreten
war, wurde der Tribut für Zypern in Höhe von jährlich 8000
Dukaten an ihn entrichtet. Dem Besitzer der wichtig-en
Levantehäfen Tripolis und Alexandrien wie auch Damaskus' und
Aleppos mufsten die Venezianer g'enau wie vorher dem Soudan
in allen seinen Wünschen bereitwilligst zu Diensten sein, wollten
sie anders den Handel in Syrien und Ägypten, der seit einigen
Jahrhunderten bereits ihre Finanzen bereicherte, in Händen be-
halten. Doch erforderten die italienischen Angelegenheiten kein
eigentliches Bündnis mehr, das nach den Ideen der Zeit als ein
Verbrechen von venezianischer Seite zu gelten hatte.
Jedenfalls konnte unter diesen Verhältnissen das Projekt
eines allgemeinen christlichen Krieges gegen die Osmanen keinen
sympathischen Widerhall erwecken. Doch hielten sich einige
leitende Persönlichkeiten der Zeit, sowohl als Christen wie als
Vertreter der neuen Gedanken der Renaissance, die den Boden
des klassischen Griechenlands als heilig verehrte und die Ver-
treibung der ihn entweihenden Barbaren als eine sittliche
Forderung ansah, verpflichtet, rhetorisch schön klingende Denk-
schreiben und Ermahnungen in die Welt hinausgehen zu lassen.
Nicht nur vom königlichen Phantasten Maximilian, sondern auch
vom praktischen französischen Könige Franz I. und dem klugen
Papste Leo X. erfolgten derartige Anregungen, die zu nichts
führen konnten. Zwar wurden im Jahre 15 15 einige Hilfsgelder
nach Ungarn geschickt ^) , aber als die Kreuzzugsprediger sich
dorthin wandten, um wie Capistrano, der Belgrad 1456 vor der
türkischen Gefahr errettet hatte, eine Kriegsmacht aufzubringen,
kam kein schwärmerisches Heer von Streitern Christi, sondern
eine wilde, undisziplinierte Menge zusammen, deren Wirksamkeit
bald in einen bäuerlichen Aufstand ausartete ^). Der Vorschlag
Jani Laskaris' , sich an die Christen im osmanischen Reiche zu
wenden, solange sie ,,sich noch ihrer ehemaligen Freiheit er-
i) „Commemoriali" VI, S. 145, Nr. 67; S. 152, Nr. 95; S. 158. Nr. 114.
2) Zinkeisen 11, S. 580—581.
3) Vgl. auch meine ..Gesch. des rum. Volkes"' I, S. 373 f.
336 Zweites Buch. Sechstes Kapitel. Sultan Selims Politik in Europa.
innerten" '), g-elang-te nicht zur Ausführung-. Und als der Soudan
im Jahre 1515, einigte Zeit vor der ihn ereilenden Katastrophe,
durch den Vikar von Jerusalem um die Hilfe des Papstes, sowie
Frankreichs und Venedigs nachsuchte, fand sich niemand bereit,
seinen wankenden Thron zu stützen ^).
Während aber der polnische König- wenigstens offen seinem
Zweifel an der Möglichkeit eines neuen Kreuzzugs Ausdruck
gab, sprach man im Westen auf weltlichen und kirchlichen Zu-
sammenkünften dauernd von dem grofsen Plan einer Vertreibung
der Türken aus Europa: im ersten Jahre sollten Tataren,
Rumänen und Polen Semendria und Kili angreifen , im zweiten,
mit den Franzosen zusammen, Bosnien besetzen und dann nach
Thrazien und Griechenland weiter dringen, und endlich im dritten,
mit der Flotte und persischen Kräften im Bunde, Konstantinopel
und die anatolischen Plätze einnehmen ^).
i) „Quanto piü presto che sono anchora in Grecia homini che se ricordeno
de la liberta et tenghano la religione christiana." Die Söhne, fügt er bei, werden
schon Türken sein. Er versichert, dafs „li christiani dil paese in molti lochi se
moverano",
2) ,,Capi Consiglio X", Bericht aus Damaskus, 30. September 1525.
3) Vgl. Münchener Reichsarchiv, „Türkenhilff" de a. 1446 bis 1516, fol. 137 ff.;
Harmuzaki XI, S. i ff. ; Suppl. I*, i ff . ; auch 11^, S. 307 — 309, Nr. ccxxiv. —
Im allgemeinen siehe Charriere, Negociations de la France dans le Levant I,
1849, S. 6ff. ; Zinkeisen, Drei Denkschriften über die orientalische Frage, vom
Papst Leo X., König Franz I. und Maximilian I., Gotha 1854; „Gesch. des osm.
Reiches" U, S. 578 ff. ; meinen Aufsatz „Un projet relatif ä la conquete de Je-
rusalem" 1609, in der „Revue de l'Orient latin" II, 1894, Nr. 2,
Siebentes Kapitel.
Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den Schach
und den Soudan. Besetzung Syriens und Ägyptens.
Entgegen den Befürchtungen aller benachbarten christlichen
Fürsten , die sich von den wahren Absichten des Sultans kaum
Rechenschaft zu geben imstande waren, bestand bereits seit dem
Antritt seiner Regierung der feste Entschlufs in Selim , die
persische Macht zu brechen, die, auf zahlreiche ,, häretische"
Anhänger in Anatolien sich stützend, nicht nur mit dem Sultan
um die Oberherrschaft über die mosleminische Welt wetteiferte,
sondern eine ernste Gefahr für das Fortbestehen des osmanischen
Reiches bildete, das sie in seinen wertvollsten, den ursprünglich
und ausschliefslich türkischen Provinzen , wo auch die christlich
gebliebenen Griechen die türkische Sprache gebrauchten '), be-
drohte. Mit einem siegreichen Persien, einem rasch aufstrebenden
Staate des Sofis konnte das Reich Selims unmöglich in guten
nachbarlichen Beziehungen stehen, wollte es anders seinen
asiatischen Besitz festhalten; und was wäre die Herrschaft über
einen Teil Osteuropas noch wert gewesen, wenn Asien dem
Sultan die Unterwürfigkeit aufgesagt hätte?
Aber noch von einem anderen Standpunkte als dem
politischer Notwendigkeit, kluger, kalter Berechnung der ge-
i) Vgl. „Un gran borgo Mere, lontano dalla terra circa tre miglia, il quäl' e
habitato da cristiani greci, che pochi di loro sanno parlar greco, ma parlano
tarco et hanno libri della fede cristiana in lettera araba et scritti in lingaa turca";
Giovio. Über die Ausbreitung des Schiismus in neuer fanatischer Form siehe
einen venezianischen Bericht vom 8. April 15 14; „Se puol dir i quatro quinti de
tuta la Natolia."
328 Zweites Buch. Siebentes Kapitel.
gebenen Verhältnisse mufste sich Selim zu dieser schwierigsten
aller Aufgaben hingezogen fühlen. Es entsprach seinem ruhm-
begierigen Charakter, seiner lebhaften Phantasie und starken
Leidenschaft, in höchster Gefahr höchste Befriedigung seines
Ehrgeizes zu finden: es entsprach seinen Vorstellungen von
einem kriegerischen, immer sieggekrönten Leben Alexanders des
Grofsen in entfernten fabelhaften Ländern, dafs er den Schach
jenseits des biblischen Euphrat aufsuchte, um den Fürsten mit dem
schönheitleuchtenden Antlitz und rötlichen Barte, der ein Meister
in der Kunst des Schiefsens und Ringens war ^), in die Flucht
zu schlagen, die Reihen der prachtvollen Garde von 20000
iranischen Rittern mit vergoldeten Panzern aus weltberühmtem
schirazer Stahle und Schuppenhauben hinzumähen, die Phalanx
der armenischen Fufskämpfer, die, auf grofse Schilde gestützt,
den Feind mit langen Speeren zu empfangen pflegten, zu durch-
brechen und die leicht bewaffneten iberischen und georgianischen
Hilfstruppen zu zerstreuen ^). Auch lebte in ihm ohne
Zweifel die Erinnerung an die erfolgreichen Kämpfe seines Grofs-
vaters und ständigen Vorbilds Mohammed II. gegen einen
anderen persischen Herrscher neu auf, der freilich nur die
turkomanische Tapferkeit und den Stolz der Nomaden der
Wüste, nicht aber die ganze ritterliche Überlieferung des uralten
Persiens und den unüberwindlichen Fanatismus der neuen
Sekte der Kasilbaschen mit der hohen, zwölffach gewundenen
Kopfbinde, die mit dem Rufe ,,Es lebe Ismael, unser Herr"
in den sicheren Tod stürzten, vertreten hatte 2). An die
Reichtümer der Provinzen, deren Besitz wenigstens eine Zeit-
lang aufrecht erhalten werden konnte und deren Einkünfte von
einem Venezianer auf jährlich 800000 Dukaten geschätzt wer-
den^), an Tebriz mit seinem weltberühmten Handel zwischen
Osten und Westen, mit seinen Tausenden von Gewerbetreibenden,
Metallschmieden, Seidenwebern, an Schiraz mit seinen von allen
i) Vgl. Angiolello in Ramusio fol. 73.
2) Vgl. über die Ausrüstung des persischen Heeres Giovio fol. 235 vo bis
236; Angiolello in Ramusio fol. 74.
3) Vgl. Angiolello in Ramusio fol. 74.
4) Alberi S. 54.
Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den Schach und den Soudan usw. 339
Türken begehrten Waffen, Schals usw., an Kermian mit dem
harten Stahle, dem die Defensivwaffen der Christen nicht wider-
stehen konnten, dachte Selim sicherlich weniger ^).
Osmanische Überlieferung erzählt, dafs bei Selims Regierungs-
antritte Ismael ihm einen Löwen geschickt und der neue Sultan,
der in diesem Geschenk eine beleidigende Betonung der persischen
Macht erblickte, dem übermütigen Nachbarn mit Hunden ge-
dankt habe ^). Ein tatsächlicher Anlafs zur Unzufriedenheit auf
osmanischer Seite war die Aufnahme des Prätendenten Murad
in Persien ; Ismael vermählte ihm seine eigene Tochter und
sandte ihn nach kurzer Zeit mit einer bedeutenden Truppenmacht
nach Amasieh, um sein Glück zu versuchen. Dadurch erscheint
der Krieg zwischen Selim und dem Sufi als Fortsetzung der
durch den Sieg vom 14. April 15 13 zunächst zum Abschlufs
gebrachten, um die Erbfolge Bajesids entstandenen inneren Wirren.
Ismael schlofs mit dem turkomanischen Nachbarn ,,der grünen
Mütze" — ,, de le berete verde", sagten die Italiener ^) — , d. h.
f den Özbegs Abeidullahs, die seinen Wesir geschlagen und ge-
tötet hatten, Frieden*), um sich ganz dem Kriege gegen den
Sultan des von ihm verachteten westlichen Rums widmen zu
können.
Noch im November 15 13 wufste in Konstantinopel niemand
um den bevorstehenden Angriff Selims auf Persien ; im Dezember
aber kam die Nachricht vom Friedensschlufs zwischen Ismael
und dem Khan der sunnnitischen Turkomanen und die weitere,
dafs der Gesandte Selims vom Schach, bei dem Prinz Murad in
,, hoher Gnade" stehe, getötet worden sei ^). Die Reiterschar,
die Murad zur Wiedereroberung der grofsväterlichen Erbschaft
i) Vgl. Angiolello fol. 67; Giovio fol. 356 — 356 vo. Welche Bedeu-
tung der persische Zug für Selim hatte, bezeugt der venezianische Bailo in seinem
Bericht vom 17. April 15 14: „ Questa impresa de Anatolia, la qual ge manza et
rode lino nel euer"; ,,Capi Consiglio X".
2) Leunclavius Sp. 689 — 690.
3) Berichte vom 26. November und 27. Dezember 1513; ,,Capi Consi-
glio X".
4) Vämbery II, S. 69 ff.
5) Venezianische Berichte; „Capi Consiglio X".
330 Zweites Buch. Siebentes Kapitel.
führen sollte, brach im Frühling- 15 14 gegen Amasieh auf; der
persische Heerführer Ustaogli, ein Turkomane, begleitete den
Schwiegersohn des noch in Armenien weilenden Schachs. Ob-
gleich der asiatische Beglerbeg, Sinan, der „Sklave" Selims,
schon in Trapezunt stand und mit dem Imrochor, einem der
Mörder Korkuds, den Vortrab des Feindes bei Siwas zum
Rückzuge nötigte *), beschlofs der Sultan, selbst nach Asien
überzusetzen. Er hatte starke Truppenmassen zusammengebracht,
so dafs man im überschwenglichen Stile der Zeit von 200000
und 300000 Mann sprach, und führte, aufser reichlichen Lebens-
mitteln, eine riesige Summe Geldes, 2 500000 Dukaten, mit sich,
die für ein ganzes Jahr genügen konnte^). Am 18. April ver-
liefs Selim — für längere Zeit — Konstantinopel ; am 20. befand
er sich noch auf dem asiatischen Ufer bei Skutari, sollte aber
den folgenden Tag aufbrechen. In den ersten Maitagen war
das Lager nicht weit von Brussa, und am 14. kam die Nachricht
nach Konstantinopel, dafs der Sophi sich nähere und eine
Schlacht zu erwarten sei, wie sie ,,seit vielen Jahrhunderten
nicht stattgefunden habe" ^).
Die türkischen Truppen rückten langsam von Amasieh nach
Ersindschan im armenischen Gebirge vorwärts. Der Weg erwies
sich als schwierig; für Menschen, Pferde und Lasttiere mangelte
es an Lebensmitteln. Ende Mai wurde gemeldet, die Janitscharen
und Spahis hätten sich in wildem Tumult der für die kaiserlichen
Pferde bestimmten Gerste bemächtigt; obwohl der Sultan die
Tat verziehen und den Meuterern grofse Summen, bis zu
16 Dukaten für den Mann, habe austeilen lassen, bestehe noch
die Gefahr einer Meuterei. An diesen Vorfällen trug besonders
i) Vgl. den venezianischen Bericht vom 8. April 15 14; „Capi Consiglio X"
mit Giovio fol. 346 v-o ff. Dieser letztere hat ausgezeichnete Quellen ge-
habt; so ,,Cassino, di natione Armeno , il quäle intervenne in questa guerra"
— fol. 349 vo — und einen Bericht des Grofsmeisters von Rhodos an den Papst
— fol. 351 vo. Siehe auch Menavino fol. 59 ff. Während dieses Feldzuges
entfloh dieser wichtige Zeuge nach seinem Italien.
2) Bericht des Bailo , 19. April 15 14: „Et ha commesso di portar con luy
tuti denari che suplisca per uno anno a pagar li soldati et tute le sue zente."
3) „L'e da creder che zä piui centenare de annj el non sij stä jl maior
sangue"; Bericht vom 14. Mai; „Capi Consiglio X".
Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den Schach und den Soudan usw. 3S1.
der Herr der ,, Alaeddewlets", der armenisch-türkische Fürst von
Sulkadr, die Schuld, der den Osmanen nur gezwungen den
Durchmarsch durch sein Gebiet gestattet hatte und sich
bereit hielt, nach der Niederlage, die er erwartete, über sie
herzufallen.
Endlich wurde man in der Ebene von Tschaldiran der
Perser ansichtig, die 30000 Mann zählten, von denen lOOOO
auserwählte Reiter aus den Lehnsleuten des Schachs bestanden.
Die gut genährten, kräftigen Krieger, in schönen stählernen
Wafifenrüstungen und auf sorgfältig geschmückten Pferden
blickten mit unsäglicher Verachtung auf die armseligen Barbaren
des Westens herab ^), die vollständig erschöpft und kaum im-
stande schienen, sich zu verteidigen.
Ismael selbst befehligte einen Flügel des glänzenden, zu-
versichtlichen Heeres; Ustaogli war der andere anvertraut. Beide
griffen gleichzeitig mit wimderbarem Feuer an. Dem Schach
gelang es verhältnismäfsig leicht, die Spahis Rums auseinander-
zujagen; der Beglerbeg Hassan blieb auf dem Platze. Die
Geschütze der Osmanen ^) taten diesem persischen Heeresteil
nur wenig Abbruch, dagegen sank gleich beim ersten Angriff
Ustaogli, durch eine Kugel tödlich verletzt, vom Pferde. Die
Seinigen aber gaben sich deshalb nicht besiegt; es gelang ihnen,
durch die Gewalt des Anpralls ihrer kräftigen, schönen Tiere
allen Widerstand zu brechen, bis zu den Toptschis zu dringen
und viele derselben mit ihren langen, zweispitzigen Lanzen aus
Erlenholz niederzustechen. Der Ausgang der Schlacht hing mir
noch von den Janitscharen ab.
Diese, heifst es, legten zunächst keine besondere Kampflust
an den Tag; der Sultan mufste mit ansehen, wie die Feinde
viele rumische Spahis niedermetzelten *). Jedenfalls aber brachten
i) Vgl. Giovio fol. 355: „II Turco d'Europa, quasi tutto disarniato, a pena
h mezo coperto d'una targa quadra et piegata , usando gli Asiatici scudi tessuti
di cannuccie sottili accannellati et di seta di piü colori."
2) Über die Einrichtung des Korps der 100 Topschis , nait ihren Toptschi-
Baschi, siehe Angiolello fol. 56 vo.
3) Giovio, viel sicherer und vollständiger als Leunclavius Sp. 734 ff.,
742 ff. ; Angiolello in Ramusio fol. 74 ff-; Spandugino in Sansovino
333 Zweites Buch. Siebentes Kapitel.
sie die Perser, die über ihren vermeintlichen Sieg- bereits froh-
lockten — hatten sie doch 17 Sandschaks und einen Beglerbeg-.
nebst vielen Asapen und Spahis, getötet — zum Stehen. Aufser
den Geschützen richteten 4000 Büchsenschützen aus dem Jani-
tscharenkorps ihr Feuer vernichtend auf den Gegner. Der
Schach selbst wurde, wenn auch nicht schwer, verwundet und
mufste sich zurückziehen (23. August), und es bedurfte nur eines
letzten Angriffs des Beglerbegs Sinan, an dessen Seite ein
Malkotschogli von der Donau kämpfte, um die Perser völlig zu
werfen. So war der Tag von den Osmanen, wie gewöhnlich,
durch die Fufsmacht und die Bombarden — ,, diese verbrecherische
und tapferer Leute unwürdige Wut der Artillerie ')", schreibt
ein Italiener, der den Sieg des angeblich christenfreundlichen
Sophis gewünscht hätte, — gewonnen worden. Der Bailo
schreibt den endgültigen Triumph ausschliefslich der Ar-
tillerie zu ^).
Nachdem man das persische Lager, das Nützliches und
Wertvolles — Butter und Honig werden genannt — in reicher
Menge enthielt, geplündert hatte — die zahlreichen Frauen, die
man fand, liefs der Sultan mit Ausnahme einer der Beischläferinnen
des wollüstigen Schachs ^), die er mit seinem Nischandschi-Baschi
verheiratete, nackt fortjagen — , ging das Heer nach Tebriz.
Hier zog Selim, der die Bewohner seines Wohlwollens versichert
hatte, feierlich ein; die Moscheen wurden dem sunnitischen
Gottesdienste zurückgegeben und der Sultan selbst verrichtete
am Freitag in einer derselben sein Gebet. Nicht weniger als
700 Familien von Gewerbetreibenden führte man nach Kon-
stantinopel.
Die Rückkehr gestaltete sich insofern recht schwierig, als
die Janitscharen auf eine Überwinterung ihres Herrn im arme-
fol. 137. Kurz, aber treffend ist die Schilderung des Bailos im Berichte vom
30. September; a. a. O. und auch in Hurrauzaki VIII.
1) ..Questa scelerata et indegna d'huomini valorosi furia d'artiglierie" ;
Giovio fol. 355.
2) „Haversi solo ritracto per le artelarie, qualle i cavali, per Don esser usi
a sentirle, se spaventavano et non potevano andar avanti"; a. a. O.
3) Giovio fol. 354.
Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den Schach und den Soudan usw. 333
nischen Gebirge Karadagh, wie sie der Sultan beabsichtigt hatte,
nicht eingehen wollten. Das Heer mufste über den Euphrat
setzen; Iberer und Perser lauerten den Osmanen auf dem Wege
auf und erbeuteten einige Geschütze, ehe man nach Amasieh
kam '). Der Fürst von Georgien gab schHefslich den Wider-
stand auf und führte dem hungernden Lager 8oo Ochsen und
4000 Schafe zu ^).
Im Frühling befand sich Selim bereits von neuem an der
Spitze eines glänzenden Heeres, mit dem er an die Züchtigung
Alaeddewlets ging-. Mit 5000 Janitscharen darunter 3000 Bogen-
schützen nahm er die befestigte Stadt Kumach ein, über die ein
schlimmes Strafgericht erging, und nachdem ein nächtlicher
Überfall Alaeddewlets bei Cäsarea mifslungen war, geriet er mit
«einen drei Söhnen in die Hände der Osmanen und wurde hin-
gerichtet: sein Gebiet teilte Sinan an neue Spahis auf^). Dem
Lande Sulkadr wurde Ali, der treue Sohn Schachsuwars , zum
Herrscher gesetzt und damit die osmanische Oberhoheit in
diesem armenischen Winkel tatsächlich begründet *). In Amasieh
blieb der aus Adrianopel herbeigerufene Sultanssohn Soliman
zurück.
Ismael jedoch war weit entfernt, seine Niederlage als end-
gültig anzuerkennen. Als wahrer persischer Ritter schlug er
einen neuen Kampf an einem vorher bestimmten Tage vor, zu dem
sich beide Heere gehörig rüsten sollten. Dem Sultan schickte
er Geschenke nach Amasieh, wie sie seines Reichtums zwar
durchaus würdig waren, die aber durch die in ihnen liegende
Ironie verletzten sollten : ein mit Edelsteinen besetztes Schwert,
einen Sattel und einen gleichfalls juwelengeschmückten Gürtel ;
die Antwort, die seine verstümmelten Gesandten zurückbrachten,
lautete, dafs er ,, ein Hund sei und nicht mehr verrichten werde
i) Giovio und die anderen oben angegebenen Quellen.
2) Leunclavius Sp. 702 — 704.
3) Ebenda Sp. 704 — 705.
4) Vgl. auch Angiolello fol. 75ff.; Leunclavius Sp. 7I2£F.
334 Zweites Buch. Siebentes Kapitel.
als ihm gegeben sei ^)". An den Soudan und an den Uzheg,
der ihn von neuem im fernen Osten ang-egriffen hatte *), erfolgten
persische Gesandtschaften, deren Zweck war, eine allgemeine
Liga aller von dem osmanischen Friedensstörer Bedrohten zu-
stande zu bringen. Auch in Konstantinopel erschien im Winter
1516 ein persischer Bote und erneuerte den Vorschlag einer
,, endgültigen Schlacht-')". Dann wieder wollte, als 15 17 die
türkischen Kräfte den Kampf zur Vernichtung des soudanischen
Reichs führten, der Schach seinem Gegner die Rückkehr ab-
schneiden und ihm Syrien entreifsen. Persische Truppen er-
schienen bei Diarbekr, wo der Imrochor Mohammed mit 2000
Janitscharen und ebenso vielen Büchsenschützen, sowie vielen
einheimischen Reitern die Grenze verteidigte ; zwar wurde seine
Vorhut zurückgeworfen, aber die Janitscharen stellten den Kampf
wieder her, und als sie am nächsten Tage den Angriff erneuerten,
blieben zahlreiche persische Hauptlcute und angeblich mehrere
tausend Soldaten auf dem Platze ^).
Im Jahre 15 13, kurze Zeit vor dem Zuge gegen den Schach
Ismael erwartete man in Konstantinopel eine grofse Gesandtschaft
des Soudans, die am Ende des Jahres wirklich anlangte ^).
Damals ahnte niemand etwas von einem Plane Selims, gegen
diesen mächtigen und verehrten mosleminischen Fürsten, den
Wächter der Heiligen Städte, der die Würde eines Kalifen be-
kleidete, feindlich vorzugehen. Kansu-al-Gauri, der Führer der
herrschenden Klasse der Mameluken, hatte zwar dem flüchtigen
Neffen des Sultans nicht die Gastfreiheit verweigert, aber er
dachte nicht daran, wie der Sophi Ismael, sie gegen den nörd-
lichen Nachbar, der zu Bajesids II. Lebzeiten die Überlegenheit
der syrisch-ägyptischen Waffen mehrmals erfahren hatte, aufzu-
wiegeln. So konnte denn der Soudan noch 15 14 an einen Ein-
fall nach Zypern denken, um auf dieser Insel an Stelle der seit
i) Leunclavius.
2) V ära be ry a. a. O.
3) Bericht aus Damaskus, 14. Februar 1516; ,,Capi Consiglio X'^
4) Leunclavius Sp. 734 ff.
5) Bericht vom 27. Dezember; „Capi Consiglio X".
Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den Schach und den Soudan usw. 33&
vier Jahrzehnten daselbst bestehenden venezianischen Herrschaft
einen treuen Vasallen seiner Macht einzusetzen *).
Auch als im Frühling 1516, nach einem ganzen, unter
Jagden und anderen Zerstreuungen in Frieden verlebten Jahre
Selim sich wieder nach Asien begeben wollte, erriet man sein
wahres Ziel nicht. Und dennoch galt es ihm, eine alte Macht,
die sich auf eine wunderbar disziplinierte, aus starken und tapferen
Sklaven sich immer erneuernde Kriegerklasse stützte, nieder-
zuwerfen und den türkischen Sultan des asiatischen und europä-
ischen Rums, den Nachfolger der byzantinischen Kaiser in
Konstantinopel, zum Padischah und Kalifen, zur obersten politischen
und religiösen Instanz des Islams, wenigstens des orthodoxen,
sunnitischen Islams, zu machen. Die allgemeine Ansicht ging
vielmehr dahin, dafs der osmanische Herrscher seinen persischen
Feind und Nebenbuhler wieder mit Krieg heimsuchen wolle:
war doch der in alle Staatsgeheimnisse eingeweihte Wesir Sinan
mit Geschützen und Bogenschützen nach Karamanien aufge-
brochen ^). Allerdings hatte der Soudan in Januar-Februar durch
eine Sondergesandtschaft dem Nachbar die Hinrichtung Alaed-
dewlets und die Besetzung des Landes Sulkadr vorwerfen lassen,
worauf Selims Antwort gewesen war, dafs er nur ,, einen
schwarzen Stein vom Wege^)" entfernt habe und keineswegs
gedenke, ,,die Altäre des Gebetes", d. h. die Besitzungen des
Kalifen, anzugreifen.
Am 5. Juni verliefs der Sultan seine Hauptstadt. Gleich-
zeitig verlautete, dafs der Soudan, aus unbekannten Gründen,
sich nach Syrien gewandt habe, ein Umstand, der um so auf-
fallender war, als die mamelukischen Dynasten ihre Zeit im
schönen, fernen Kairo zu verbringen pflegten. Vor dem Auf-
bruche hatte Kansu-al-Gauri aufserordentliche Steuern erheben
lassen und in Alexandrien und Damiette Verteidigungsmafsregeln
getroffen. Dafs er nach Syrien ging, geschah nach dem Urteile
1) Bericht vom 3. Juli 15 14; „Capi Consiglio X".
2) Angiolello in Ramusio fol. 75 vo bis 76.
3) „La pietra negra dela strada"; Bericht vom 14. Februar 15 16, „Capi
Consiglio X".
336 Zweites Buch. Siebentes Kapitel.
eines Kenners der Verhältnisse, weil er dem erwarteten Feind
nicht die Vorteile der Oftensive gönnte und einen Abfall der
für die Osmanen gestimmten einheimischen Bevölkerung" ') ver-
hindern wollte.
Da der Soudan eine bestimmte Erklärung Selim gegenüber
vermied, befragte dieser eine Versammlung von Rechtsgelehrten
und ,, Doktoren", ob es ihm, der nicht etwa den Vertreter der
wahren Religion beleidigen und in seinen Rechten beeinträchtigen
wolle, gestattet sei, den bösen Dorn aus dem Körper des Islams
zu reifsen und auf dem von Gott selbst vorgezeichneten Wege
weiter zu schreiten. Selbstverständlich erteilte sie ihm den ge-
wünschten Bescheid^), und so wurde der bedeutendste Krieg,
•den mosleminische Staaten seit langem untereinander geführt
hatten, eröffnet.
Über den Marsch Selims bis nach Syrien haben wir keine
Nachrichten. Am 24. August trafen beide Heere, deren Zu-
sammensetzung die gewöhnliche war, beim sogenannten ,, Grabe
Davids", oder Dabik, nicht weit von Alep, aufeinander. Selim
hatte alle Janitscharen und die Ehrentruppen seines Hofes um
sich ; seine Armee glich derjenigen wenig, deren übermensch-
liche Anstrengungen ihm den Sieg von Tschaldinan errungen
hatten; vielmehr wurden diesmal die Sklaven der vornehmsten
Offiziere in seidenen Kleidern mit kostbaren Knöpfen, mit ihren
roten und brokatenen Hüten und den schönen hohen Feder-
büschen allgemein bewundert ^). Sinan-beg hatte die Spahis
von Rum unter seinen Befehlen. Dem Fürsten von Sulkadr,
Schachsuwar, fiel die Aufgabe zu, den Feind durch eine geschickte
Bewegung seiner Reiter zu umzingeln.
Einem solchen Heere, seinen Fufstruppen und Geschützen
gegenüber hatte die hartnäckige, mehr als heroische Tapferkeit
■der Mameluken schweren Stand; auch bildeten sie nur einen
Teil des gegnerischen Heeres, dessen Lücken Truppen aus
i) „La inclination de questi populi alle cosse turchesche'' ; Bericht des ve-
nezianischen Konsuls in Damaskus, 14. Februar 15 16; ,,Capi Consiglio X".
2) Angiolello a. a. O.
3) Vgl. Angiolello a. a. O. mit Giovio fol. 359 vo.
Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den Schach und den Soudan usw. 337
Damaskus und Alep ausfüllten. Nach einig'en Stunden heifsen,
unentschiedenen Ringens wurde der Emir von Alep geworfen ;
dem von Damaskus schlug" bald darauf ein rumischer Osmane
das Haupt in den Staub. In dem entstehenden Durcheinander
fand der Soudan selbst auf unbekannte Weise einen unrühm-
lichen Tod. Über seidene Tücher hielt nun der Sieger als
neuer Herr Syriens in beide Hauptstädte des Landes seinen
Einzug und liefs die Bevölkerung, die er durchaus schonend
behandelte, den Treueid leisten. Der Emir von Alep erschien
vor ihm, um seine Unterwerfung zu erklären, und wurde mit der
gröfsten Liebenswürdigkeit empfangen. Der in Damaskus ab-
gehaltene Diwan, schreibt ein christlicher Augenzeuge, brachte
die Vertreter von 72 Sprachen zusammen; ,, niemals fand eine
so glänzende Pforte statt ^)". Auch in Jerusalem weilte Padi-
schach Selim, verteilte Almosen an die armen Moslemin, be-
suchte die grofse Moschee und die im Salomonischen Tempel,
auch das Grab Abrahams, und liefs das Fest des Kurban-Bairams
unter zahlreichen Schafopfern abhalten ^).
Ein von Sinan geführter Vortrab war ihm indes auf dem
Wege nach Ägypten, wo, in der Person des Begs Tuman, ein
neuer Soudan ausgerufen worden war, vorangegangen. Sinan
besetzte Gaza, wo ihn der Emir Al-Ghazali angriff; die Schlacht
fand vor den Mauern Gazas statt, und die Mameluken und
Araber, 5000 an Zahl, wurden in die Flucht gejagt; der Emir
von Alexandrien fiel, aber fünf Sandschaks im osmanischen
Heere teilten sein Schicksal. Einige Tage später langte auch
der Sultan in Gaza an, nachdem er Ramleh, wo eine Anzahl
Silichdaren getötet worden war, verwüstet und durch die Kugeln
seiner Büchsenschützen die Araber von den Pässen verdrängt
hatte.
Erst in der Nähe Kairos wurden dann wiederum Reiter-
abteilungen des feindlichen Heeres, die die Verproviantierung
zu stören suchten, sichtbar. Der Soudan, der Wirkung der
1) „Et non fü fatta mai piü cosi honorevol Porta"; Angiolello in Ra^
musio fol. 76 v'O.
2) Ebenda.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 22
Zweites Buch. Siebentes Kapitel.
türkischen Geschütze am Tage des 24. Aug-ust eingedenk, suchte
den Osmanen mit gleichen Waffen zu begegnen; 150 schöne
und alte, kunstvoll aus Bronze gegossene Kanonen waren aus
dem Arsenale hervorgeholt worden, um beim Erscheinen des
Sultans dessen Heer zu vernichten. Selim aber war davon
benachrichtigt worden, und die ägyptischen Geschütze erwiesen
sich als unbrauchbar und sogar der eigenen Bedienungsmann-
schaft gefährlich, während die 50 Bombarden der Türken wieder
grofsen Schaden unter den Feinden anrichteten.
Dagegen war ein grofser Angriff der soudanischen Kavallerie
gegen den rechten anatolischen Flügel der Osmanen, wo sich
bald auch andere Truppen zusammendrängten, erfolgreicher.
Beim eiligen Rückzuge Schachsuwars und anderer Asiaten wurde
Sinan umzingelt und erhielt acht Wunden, ehe ihn die Seinigen
als einen Sterbenden aus dem Getümmel wegführen konnten.
,,Die Spahis", schreibt ein Zeuge, ,, netzten ihn mit ihren Tränen,
wickelten den Leichnam in feines Tuch, wuschen ihn mit Wasser
aus Mekka und begruben ihn." Rache dürstend ritt nun der
Beglerbeg Mustafa von Anadol gegen die kühnen Feinde an
und ,, mähte die Tscherkessen wie Korn nieder". Da flüchteten
die Reste des letzten soudanischen Heeres nach Kairo, und der
Gefangenen Selims wartete ein grausames Gemetzel (23. Januar
15 17) ^). Ein Versuch des auf eine Insel im Nil geflüchteten
Soudans, das türkische Lager mit etlichen Tausenden wieder
zusammengebrachter Krieger zu überrumpeln, glückte nicht. Ein
letzter Kampf der fanatischen Verteidiger der Mamelukenherr-
schaft endete am folgenden Tage mit dem vollständigen Siege
der Osmanen.
Tuman, der im November durch den Vikar vom Berge Sion
und den venezianischen Konsul in Alexandrien sogar die ent-
fernten Franken um ihre Hilfe angegangen war ^), hatte von
keiner Seite mehr etwas zu hoffen. Dennoch verteidigrte er mit
1) Über die Verbreitung der ersten Siegesnachricht in Europa durch Sultan
Soliman siehe „Dipl. Rag." S. 679, 840 — 841.
2) Bericht von Alexandrien, 19. September und 23. November 1516; „Capi
Consiglio".
Eroberungen Selims in Asien: Sieg über den Schach und den Soudan usw. 339
seinen treuen Mameluken und der ganzen, ihm ergeben g-e-
bliebenen Bevölkerung", was noch vom einst so mächtigen Staate
der Kalifen auf ägyptischer Erde übrig war, aufs äufserste. Die
Eroberung Kairos, das von jedem Fenster aus, in jedem dunkeln
Strafsenwinkel Widerstand leistete, kostete während dreier Tage
und Nächte Ströme von Blut. Besonders um die Moschee
Soudan Schabans tobte ein erbitterter Kampf, an dem anfangs
auch Artillerie beteiligt war. Wer in die Hände der gereizten
Türken fiel, endete unter auserlesenen Folterqualen; viele
wurden halbtot ins Wasser geworfen und ertränkt. Endlich
entdeckte man das Versteck der Pferde der Mameluken; mit
nur dreifsig Gefährten flüchtete sich Soudan Tuman in einem
Kahne.
Es kam dem Sultan alles auf den Besitz seiner Person an,
und ein Mohrenhäuptling verriet Tuman: man stellte ihn am
jenseitigen Ufer des Flusses und er wies die durch den Kadi
von Kairo verlangte Unterwerfung und das Versprechen eines
Sandschakats mit Empörung zurück. Der Beglerbeg Mustafa
hatte mit dem Gefolge des Flüchtigen noch einen harten Kampf
zu bestehen und mufste sich mit seinem Buzdugan in der Hand
selbst ins Gemenge werfen. Endlich wurde der Soudan, tief im
Wasser steckend, an einer Brücke gefangen genommen. Ihn,
der seine Herrschaft und Ehre so hartnäckig verteidigt hatte,
liefs Selim , aller ritterlichen Charakterzüge bar, auf einem Esel
durch die Hauptstrafsen Kairos reiten und ihm dann an einem
Tore der Stadt den Strick um den Hals legen.
Drei Tage dauerten Mord und Plünderung an; am vierten
wurde der kaiserliche F"rieden für ganz Ägypten ausgerufen. So
war Selim ,,auf den Thron Jussufs", d. h. des biblischen Joseph
gelangt. Sechs bis sieben Monate hindurch blieb er im Lande,
um die politischen und sozialen Verhältnisse so zu regeln, wie
sie ähnlich in allen Provinzen des Reiches bestanden ; wider-
strebende Elemente wurden beseitigt. Vor Alexandrien erschien
noch im Winter eine in Konstantinopel eilig zusammengebrachte
starke Flotte mit 2000 Janitscharen und vielen Asapen unter
dem Befehle des Sandschaks von Aladscha-Hissar und Mehmeds,
eines Sohnes Iskenders, aus dem Geschlechte der Michaloglis,
22*
340 Zweites Bucli. Siebentes Kapitel.
und die riesig-e Handelsstadt erg-ab sich ohne Zög-ern '). Auch
der Scherif von Mekka stellte sich vor dem neuen Soudan
osmanischen Blutes ein und nahm den kostbaren, aus Seide g'e-
webten Schleier für die Moschee des Propheten aus seinen
Händen entg-egen.
Junus-beg wurde zum ersten Pascha von Äg-ypten und
dritten Beg'lerbeg- ernannt; zahlreiche Janitscharen und Spahis
dienten zu seinem Schutze. Als er sich allzu eig^enmächtig"
be\veg"te und ins öffentliche Gebet seinen Namen wie den eines
souveränen Soudans einschliefsen liefs, wurde er auf Selinis Befehl
hing'erichtet , und an seine Stelle ^) trat der g-ewesene Emir
Chair-beg- von Alep. Darauf brach Selim endlich wieder nach
Syrien auf, den schönen Sohn seines äg-yptischen Vorg-äng-ers
und dessen Tochter, die er an den Emir von Damaskus ver-
heiratet hatte, mit sich fortführend ^). In Syrien blieben zunächst
noch 40000 Reiter, zum g"röfsten Teile Söhne des Landes,
stehen *) ; in Anatolien hielt, um feindlichen Plänen Ismaels vor-
zubeug-en, eine Zeitlang- Piri-Pascha am Flusse Kisil-Irmak Wacht,
wurde aber bald abberufen (Oktober 15 18). In den letzten
Julitag-en des Jahres 15 18 war Selim wieder in Konstantinopel:
die Prophezeiung- eines venezianischen Konsuls (Februar 15 17),
dafs ,,er sich, wenn Gott es nicht verhüte, zum Herrn aller
Muselmanen machen werde °)", war in Erfüllung g-eg-ang-en.
Noch im Jahre 15 18, vielleicht auch erst 15 19, erfolg-te
ein Aufstand der Bürg-er von Kairo und wurde von der osma-
nischen Besatzung- ohne Mitleid in Blut erstickt. Selim aber
erschien nicht mehr in Asien oder Äg-ypten. Das Jahr 15 19
verbrachte er in Adrianopel ^). Ohne Grund redete man von
i) Über die Zurüstung dieser Flotte siehe die venezianischen Berichte vom
17. Dezember 15 16, 4. Januar, 5. Februar 151 7 a. a. O.
2) Leunclavius Sp. 751 — 752.
3) Albferi S. 53. 4) Ebenda S. 54.
5) „Lui se farä signor de tuti i musulmani , se Dio non provede"; „Capi
Consiglio X".
6) Alb^ri S. 54.
Eroberungen Selims in Asien : Sieg über den Schach und den Soudan usw. 341
seinen Vorbereitungen gegen Italien oder Rhodos *). Im Herbste
1520 begab er sich nach der Ortschaft Indschigis bei Kon-
stantinopel, und während Piri und Achmed-Pascha das Bairamfest
vorbereiteten, erkrankte Selim an einer Fistel und starb uner-
wartet am 7. Schawal^) (20. September); der Wesir Ferhad pflegte
ihn in seinen letzten Tagen, da sein mit Mifstrauen von ihm
betrachteter Sohn Soliman, der seinerseits wieder einen
Anschlag des Vaters auf sein Leben fürchtete, im Sandschakat
Sarukhan zu Manissa weilte.
1) Cambin i a. a. O. fol. 180.
2) Leunclavius Sp. 752 — 753; vg. auch „Dipl. Rag." S. 842. — Die
Erzählung meistens nach den schon mehrmals erwähnten zuverlässigen abendlän-
dischen Ouellen.
Achtes Kapitel.
Sultan Solimans n, Jugend. Seine Wesire und
Günstlinge. Asiatische Kriege.
Nach dem wilden und finsteren Sultan Selim, von dessen
blasser Gesichtsfarbe, hervorquellenden Augen und langem
Schnurrbarte die Zeitgenossen berichten, der ein Soldatenleben
zu führen liebte, sich mit einem einzigen Gericht auf hölzernem
Teller begnügte, bald leidenschaftlich dem Vergnügen der Jagd
frönte oder an der Spitze seiner Heere im entfernten Osten
kämpfte, bald im Opiumrausch übermenschliche Seligkeit und
Erholung suchte '), wurde, als er im 46. Jahre sein Leben früh-
zeitig beschlossen hatte, ein an Leib und Geist ganz verschiedener
Mann Beherrscher des osmanischen Reiches. In Europa geboren,
in Kaffa unter den Tataren seiner schönen Mutter ^) erzogen,
dann während der asiatischen Kriege des Vaters längere Zeit
mit der Leitung der europäischen Angelegenheiten betraut, um
schliefslich wie verbannt in Asien zu leben, weil jener ihm zu
mifstrauen begann, hatte der eben 26jährige Soliman ein Drittel
seines Lebens in Konstantinopel zugebracht, wo er, nach
türkischem Ausdrucke, ,, ausgebacken" war, und vertrat den
Typus des vornehmen jungen Mannes, der dem Geschmacke
der Hauptstadt entsprach ^). Er war blafs und schlank ^) ; halb
i) Giovio, Informatione , in Sansovino fol. 239: nach dem Zeugnisse
des venezianischen Gesandten Luigi Mocenigo.
2) Sie lebte im Alter von 48 Jahren noch 1526; Alb^ri a. a. O., S. loi.
3) „E cotto a Constantinopoli , per usar li motti turcheschi, videlicet stä il
terzo della sua vita li, ed ^ molto amato"; Alberi S. 95, Jahr 1524.
4) Pallido, smorto.
Sultan Soliraans II. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 343
versunkene Aug-en leuchteten finster unter dem schweren, meister-
haft g-ewickelten Turban hervor; eine Adlernase und ein lang-er
Hals waren für den zarten Jüngling-, wie auch sein melancholisches
Aussehen, charakteristisch ^). Das Profil war edel und schart
geschnitten; über der energischen Oberlippe kräuselte sich ein
kleiner, dünner Schnurrbart. Als Tschelebi, als osmanischer
gentilhomme alter Rasse sah er mit kaltem, etwas müdem
Blick in die Welt, die seinen im Bewufstsein gewaltiger Macht
begründeten Ehrgeiz herausforderte.
Mit kräftigem Arm verstand er sich meisterlich auf die
Tatarenkunst, den Bogen zu spannen und seinen Pfeil zu ent-
senden; er hatte ein Handwerk gelernt und sich täglich einen
Asper damit verdient, der nach seiner eigenen Aussage nicht
vom Schweifs und Blut der Untertanen befleckt war ^). Neben
den morgenländischen beherrschte er auch die slawischen
Sprachen seines weit höher als Asien geschätzten Rums ^) und
konnte mit seinen Offizieren, deren überwiegende Mehrheit in
Bosnien, Dalmatien, Serbien und Bulgarien geboren war, in ihrem
Idiom verkehren ^), Für die schmuckreiche arabisch-persische
Dichtung der Zeit, mit ihren verblümten, geistreichen und
symbolischen Ausdrücken im Geschmacke des Orients^), hatte
er so wenig wie die meisten seiner Vorgänger Verständnis.
Auch die sogenannte Philosophie, die auf dem Grunde des
Islams gewachsen war, interessierte ihn nicht. Kein Schwärmer
und kriegerischer Romantiker wie Selim, fand er dennoch Ge-
fallen an den fabelhaften Geschichtserzählungen von Helden und
Welteroberern wie Alexander dem Grofsen, den zu erreichen
sich aber seine Träume nicht vermafsen. Sein Vater hatte
Christen und Juden geschont und dagegen bettelnde Derwische
i) Vgl. Alber i a. a. O. S. 78, loi. So gibt ihn auch der Holzschnitt in
Herzberg, Gesch. der Byzantiner und des osmanischen Reiches, S. 675.
2) Vgl. Alb er i S. loi und einen Anonymus von 1538 in Sansovino
fol. 401 vo.
3) ,,La quäle egli stima molto et intende alquanto", Bassano in San-
sovino fol. 10 1 — iio vo.
4) Ebenda.
5) Menavino fol. 70.
344 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
und Scheiks — einer dieser geistlichen Pilgerfanatiker, ein
Turlake *), hatte einen Dolchstofs gegen ihn gerichtet, den
der Wesir Iskender auffing ^) — verfolgt; Soliman war zwar kein
Eiferer gegen das Christentum, liebte dessen Vertreter aber nicht
und zeigte sich jedenfalls gegen häfsliche Ausschweifungen des
Islams nachgiebig: er wollte seiner religiösen Pflicht und Ver-
antwortung als Kalif eingedenk erscheinen 2), obwohl er bis in
seine späteren Jahre nicht wie Mohammed und Bajesid sein
Imaret *) oder seine Moschee hatte ; denn wirkliche Frömmigkeit
ging ihm sicherlich ab.
Man behauptete wohl, Soliman sei dem Spiele und Zer-
streuungen, wie vor allem der Jagd, allzu ergeben; mancher
Beobachter glaubte voraussagen zu dürfen, dafs er Lastern und
einer unregelmäfsigen und ungeordneten Lebensart nur wenige
Jahre werde widerstehen können ; ein venezianischer Bailo be-
merkte den veränderlichen, bald trotzigen, bald ,,sehr unter-
würfigen" (umilissimo) Sinn des Sultans und verkannte die dem
Orientalen durch Erziehung und Beispiel eingeimpfte Verstellungs-
kunst, die sich in Zorn und Selbstüberhebung, wie in scheinbarer
Demut äufsern kann °). Dem Kriege, so urteilten christliche
Gesandte, denen dieser Zug freilich besonders interessant und
erwünscht sein mufste, sei er wenig geneigt, weil er im Serail-
leben aufgehe ^).
Die so dachten, täuschten sich. Der neue Sultan war kein
Liebhaber schöner Frauen und noch weniger Epheben. Eine
Montenegrinerin hatte ihm 15 18 einen Sohn, Mustafa, geboren,
der, zu einem tapferen Krieger herangewachsen, in Asien — er
lebte mit seiner Mutter in Karahamid — sehr beliebt wurde und
dadurch des Vaters argwöhnischen Zorn herausforderte, so dafs ihm
die Ränke der Lieblings-,, Sklavin" desselben, der nicht öffentlich
anerkannten Sultanin Churrem, schliefslich den Tod eintrugen').
i) Siehe weiterhin das kulturgeschichtliche Kapitel.
2) Spandugino fol. 129 vo.
3) Vgl, Spandugino fol. 128; desselben Ermahnungsrede, ebenda fol. 206.
4) Spandugino fol. 127 v. 5) Alberi S. loi.
6) Siehe auch Hurmuzaki IP, S. 522; Alberi S. 103.
7) Vgl. über ihn einen unedicrten venezianischen Bericht vom 20. Oktober
Sultan Solimans II. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. o4:5
Diese war eine von Tataren erbeutete Russin, die für solche
christliche ]\ienschenware dem kaiserlichen Zollamte in Kaffa
jährHch riesige Summen entrichteten; daher der ihr von den
Gelehrten der Renaissance in ihren lateinischen Werken geg-ebene
Beiname: Roxolana, „die Russin". Keine üppige morgen-
ländische Schönheit mit schwarzen Augen und Locken und blut-
roten Lippen, wie sie in den Harems bewundert und geliebt
wurden, sondern eine graziöse, kleine Gestalt ^), wufste sie den
Sultan so vollständig zu fesseln , dafs er sie nicht nur in Gold
und Edelsteinen kleidete — eines ihrer Kleider kostete gegen
lOOOOO Dukaten — , sondern ihr zuliebe sogar alle ihm ge-
schenkten Sklavinnen mit Günstlingen und Offizieren seines Hofes
verheiratete ^). Sie gebar ihm — aufser zwei anderen Kindern,
die bereits 1521 starben — drei Reichserben, Selim (geboren
1521), den buckligen Murad, der verborgen im Serail lebte, und
Mohammed; die Beschneidung Selims und Mohammeds und
ihres Halbbruders Mustafa wurde auf dem Atmeidan, dem alten
Platze des Hippodroms, 1529 mit grofser Pracht gefeiert^).
Eine einzige Tochter heiratete den Pascha Rustem *). Mit dieser
Roxolana, die der Hafs der Janitscharen und vieler anderer
Feinde eine ,,Hexe" nannte^), lebte Soliman so glücklich, wie
irgendein europäischer Fürst der monogamischen Christenheit,
bis zu ihrem lange beweinten Tode; ihr Grab ist neben dem
ihres Herrn, der für sie ein Gemahl war, in der Suleimanieh
von Konstantinopel zu sehen.
Krieg wünschte Soliman nicht aus persönlicher Freude
daran, denn er war kein geborener Krieger und keine Eroberer-
natur, und es mangelte ihm an Ehrgeiz. In seiner Familie und
gegen seine Freunde war er liebenswürdig und war nicht zu
1523: „El fiol de questo signor, de ani circa 5"; Alberi passim ; Menavino
fol. 71 vo.
i) „Aggraziata e minuetta."
2) Bassano fol. 84 vo ; Alberi a. a. O. S. loi.
3) Vgl. Alberi, Jahr 1527, dann S. loi ff. und Leunclavius Sp. 764.
4) Bassano fol. 84 vo — 85.
5) Ebenda.
346 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
stolz, sich ihnen, wie z. B. dem mächtigen Wesir Ibrahim, unter-
zuordnen; äufseren Pomp verabscheute er. Trotzdem geriet der
jung-e Herrscher nie in Gefahr, für einen von seinen Favoriten
geleiteten Schwächling gehalten zu werden, wie es Bajesid, den
die Wesire, nach dem Ausspruche Selims, an seinem langen
Barte zogen, geschehen war. Im Gegenteil hat kein osmanischer
Sultan je in so hohem Grade das ruhige und sichere, majestätisch
gleichmäfsige Bewufstsein seiner Würde als Erbe Osmans, Schach
und Kalif gehabt, wie er.
Für ,,Solimanschach, den immer siegreichen Kaiser, den
Kaiser der Kaiser, den gekrönten König des Weltalls, den
Schatten Gottes auf beiden Erdteilen, den Herrscher über das
Weifse und Schwarze Meer, über Rum, Anadol, Griechenland,
Karamanien, Sulkadr, Diarbekr, Damaskus, Alep, Kairo, Jeru-
salem, Mekka, Medina, Jemen, Dscheddah u. a. ^)" war alle Macht
entweder ein Ausflufs seines schöpferischen Willens oder ein
Zeugnis vorläufiger gnädiger Duldung. Wie kann, fragte der
Wesir Mustafa den polnischen Humanisten Hieronymus Laski,
der im Namen König Johann Zäpolyas 1527 — 28 als ungarischer
Gesandter nach Konstantinopel kam, ein Erdelybeg den Sultan
als Vater betiteln, da er, wie überhaupt alle, nur dessen
kriechender Sklave ist ^) ?
Die Grofsen seines Reiches verehrten in ihm das Ebenbild
Gottes auf Erden. ,,Eure Hoheit darf nicht glauben," schreibt
ein venezianischer Bailo, ,,dafs er sich von den Wesiren leiten
läfst; vielmehr zittern sie vor ihm und suchen, wenn sie ihn
zornig sehen, so schnell wie möglich sich in Sicherheit zu
bringen ^)." Die Hände auf dem Rücken erschienen seine
Grofsen vor ihm und die Sandschaks durften ihn nicht einmal
anschauen ■*). Fast heiter nahmen sie von ihm sogar das Todes-
urteil entgegen, und so stark war die Disziplin, dafs „ der letzte
i) Siehe Alb^ri S. 118, Anm. i.
2) Hurmuzaki II, S. 38 ff.
3) „N^ pensi la Serenita Vostra che lui si lasci governar dalli Bassä, immo
loro tremano di lui, e, quando lo vedono in coUera, cercano espedirsi piü presto
sia possibile"; Alberi S. 85, Jahr 1522.
4) Wie auch unter Bajesid ; Mena vin o fol. 7IV0; vgl. Spandugino fol. 124VO.
Sultan Solimans 11. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 347
Sklave auf sein Geheifs den gröfsten Herrn im Reiche gefangen
nehmen — oder hinrichten — konnte ^)".
Unter den Helfern Solimans ragt Ibrahim am meisten her-
vor, dessen Laufbahn besser als alle Erklärungen die Regierungs-
art Solimans in der ersten Periode charakterisiert. Er war der
Sohn eines christlichen Bauern , eines armen Albaniers in
Parga, dem er später ein Sandschakat in diesem Gebiete ver-
leihen liefs. Als Sklave — er wurde bei der Einnahme Santa-
Mauras gefangen genommen — war er mit Soliman in Manissa
zusammen aufgewachsen und gewann, da er, ebenso wie die
Russin , von feinem und klugem Wesen war ^), nicht nur das
Vertrauen, sondern auch die Freundschaft seines Herrn ; er wufste
mit Eleganz zu sprechen und las eifrig in den Geschichten
grofser Kriegshelden ; Geographie , Philosophie und Rechts-
gelehrsamkeit beschäftigten ihn gleichzeitig; er nahm später
auch einen der in Konstantinopel befmdlichen Perser, die auf
einer höheren Stufe der Bildung als die geistig noch rohen
Osmanen standen, als Musiklehrer. Die Heirat mit der Tochter
Iskender- Paschas sicherte die Stellung des jungen Günstlings
noch mehr ^). Im Jahre 1523 wurde er Grofswesir und bald
darauf auch Beglerbeg von Rum, so dafs er jährliche Einkünfte
von im ganzen 150000 Dukaten bezog'').
Er war dann der mächtigste Mann im Reiche. ,,Das ganze
Reich der Türken leitet der Wille Ibrahim-Paschas", schreibt
ein Christ 1525^). ,,Du bist es, der den Kaiser lenkt*')", rief
ihm 1528 Laski zu, worauf er bescheiden antwortete: ,,Ich bin
ein Sklave meines Herrn." Vergebens rotteten sich die Jani-
i) „Onde il minimo schiavo mandato da lui menerä prigione il maggiore
signore che sia nell' Imperio della Turchia"; Spandugino fol. 124 vo.
2) „ Gentilissinia creatura e savio " ; Alberi S. 95, 97, 116.
3) Giovio in Sansovino fol. 242. Nach einem Berichte vom 20. Ok-
tober 1523 — iiCapi Consiglio X" — hat ihn jedoch eine der Töchter Iskenders
dem Sultan geschenkt.
4) Vgl. Leunclavius Sp. 769 — 770 ; Spandugino fol. 206 vo — 207.
5) Hurmuzaki II, S. 29, Nr. xxxn.
6) „Tecum qui Imperatorem gubernas''; Hurmuzaki II, S. 39.
348 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
tscharen gegfen ihn zusammen, um den seinen Ränken zug"e-
schriebenen Tod des Wesirs Ferhad zu rächen ; zwar ging- sein
Haus in Flammen auf, der Sultan aber liefs es schöner wieder-
erbauen '). Auch der Hafs seines Kollegen Ajas-Pascha erwies
sich als ohnmächtig.
Ibrahim war von 1500 in Goldbrokat und Seide gekleideten
Sklaven umgeben. Seine eigene Kleidung war kostbarer als die
seines Herrn, der versicherte, dafs Ibrahim es so verdiene ^).
An seinem prächtigen, viel besuchten Hofe unterhielt er zwei
Elefanten ^). Er durfte einem Wesir sein Gesuch kurzweg ab-
schlagen. Einmal fand der öffentliche Diwan in seinem Privat-
hause statt — Ahnliches war bisher niemals vorgekommen ^).
Seine 1524 gefeierte Hochzeit glich der eines Sultans —
es gab Leute, die ihn Serasker (Generalissimus) -Sultan an-
redeten^). Bei seiner Abreise nach Ägypten, wohin er als
Wiederhersteller des Friedens geschickt wurde — Soliman be-
gleitete ihn bis Prinkipo im Marmarameer ^) — , bei seinem Ein-
züge in Kairo, worüber weiterhin ausführlich zu berichten sein
wird, bei seiner feierlichen Rückkehr nach Konstantinopel w'urde
eine Pracht entfaltet, die alles für den Sultan Übliche ver-
dunkelte. Die Beziehungen zwischen beiden werden als rein
dargestellt ^) — dennoch hatte Soliman auf den teuersten Freund
mit heifsem Verlangen gewartet. Bei der Falkenjagd am Meeres-
ufer erschienen sie nun wieder nebeneinander ^) ; der Sultan
schlief in demselben Zimmer, neben dem Bette des Freundes,
und speiste mit ihm zusammen; einmal verliefs er zwei ganze
Tage das Haus des Günstlings nicht ^) und täglich empfmg
Ibrahim die liebevollsten Briefe seines Kaisers. Es ist zu ver-
1) Vgl. Hurmuzaki IP^ S. 522.
2) Alb^ri S. 109. 3) Ebenda S. iii.
4) Bericht vom 20. Oktober 1523; „Capi Consiglio X".
5) Vgl. Hammer II, S. 38—39.
6) Ebenda S. 39.
7) Nur der rhodische Ritter Pontano — - Sansovino fol. 382 vo — spricht
von „venerei abbracciamenti di Abraino ".
8) Alberi S. 97.
9) Hurmuzaki II, S. 60.
Sultan Solimans iL Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 349
stehen, dals der jimg'e Sultanssohn Mustafa auf den Mann eifer-
süchtig" war, der an der kaiserlichen Tafel vor ihm bedient
wurde *). Aber Ibrahim g-enofs diese unerhörte Gunst in dis-
kreter Weise. Er war ehrlich und nahm Geschenke nur öffentlich,
als Ehrenerweisung'en, an-); er hielt selbst den Christen Wort
und g-ab der osmanischen Politik eine korrekte Haltung-, so dafs
man später schreiben konnte, ,,bei den Türken seien Treue und
Ehrenhaftigkeit mit Ibrahim gestorben^)". Es hat g-ewifs in
hervorrag-endem Mafse mit dazu beig-etrag-en , die Gröfse des
Reiches dauernd zu begründen.
Dieser bedeutende Mann wurde, nachdem er dreizehn Jahre
hindurch alles geführt und entschieden hatte, am 15. März
des Jahres 1536 zum Sultan gerufen und blieb, wie schon oft-
mals, über Nacht in den Gemächern des Serails. Am folgen-
den Tage brachte ihn ein schwarz gesatteltes Pferd tot nach
Hause ; wegen Unterschlagungen und verräterischer Beziehungen
zu den Franken hatte ihn sein langjähriger Freund und milder
Herr mittels einer schwarzen Seidenschnur hinrichten lassen *).
Als einige Tage darauf seine Güter eingezogen oder öffentlich
feilgeboten worden waren, sprach niemand mehr von ihm, der
„Hauch (fiato) und Herz des Kaisers" gewesen war. Man war
sich bewufst, dafs dieser Kaiser allein die politische Macht dar-
stelle ; alle anderen waren nur der Stab des mächtigen Wanderers,
den dieser nach Belieben zerbrach und wegwarf.
Der ,, zweite Wesir" — nicht dem Range, denn die Wesire
waren sich damals noch gleich, sondern dem Einflüsse nach —
war der schon alternde, gichtgeplagte Mustafa — 1526 zählte
er 48 Jahre — , der Schwager des Sultans : diese letztere Eigen-
schaft verdankte er besonders seiner Schönheit. Ein habgieriger
und geiziger Mann, der mit seinen 70000 Dukaten Einkünften
und 700 Sklaven eine hervorragende Stellung genofs, ohne sich
i) Alberi S. 102.
2) Ebenda S. 104: „Ha piacer li sia donato in pubblico , ma secrete non
torria nulla".
3) Hurmuzaki II, S. 179.
4) Leunclavius Sp. TTS-
350 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
mit Ibrahim messen zu können '). Auch er war ein Slawe und
als Untertan Venedigs in der Umgebung Cattaros geboren ^) ;
weiter gehörte Rustem, der Schwiegersohn Solimans, ein Bosnier,
dem slawischen Stamme an. In Beziehungen zur osmanischen
Herrscherfamilie stand aufserdem noch Lufti, dessen Frau Bajesids
Tochter war^), bis er durch eine ihr zugefügte Kränkung —
eine Ohrfeige — der hohen Ehre, der Gemahl einer Sultanin zu
sein, verlustig ging *).
Der energische und kluge Wesir Bajesids, Piri, hauste als
Mazul und Verbannter auf einem Landgute bei Adrianopel ^).
Die dritte Stelle unter den Wesiren — 50000 Dukaten Ein-
kommen, 600 Sklaven — hatte der Albanier Ajas aus Chimära
inne, der Sohn einer Bäuerin, die dann als Nonne in Avlona
lebte und von ihrem Sohne jährlich 100 Dukaten erhielt. An
Kenntnissen — wenn man von Krieg und tägHcher Geschäfts-
politik absieht — besafs er als Wesir noch so viel wie in den
Tagen, da er seine epirotischen Berge ohne lesen und schreiben
zu können verlassen hatte ^).
Obgleich im tiefsten Innern wirklich friedlich gesinnt und
so milden Charakters, dafs er nur äufserst selten zu den herge-
brachten Grausamkeiten gegen besiegte Feinde griff und eine
Kapitulation dem glorreichsten Kriege vorzog, war Soliman be-
stimmt, eine Kriegsära zu eröffnen. Was ihn dazu drängte, war
sowohl die Erkenntnis, dafs sein Reich einer festen, natürlichen
Grenze bedurfte, um vor feindlichen Plänen und Einfällen sicher
zu sein, als auch die Notwendigkeit, dem kampfbereiten Heere,
auf dessen Gesinnung alles ankam, neue, Ruhm und Beute
bringende Beschäftigung zu verschaffen. Die Osmanlis mufsten,
solange der Sultan, Khan, Schach und Kalif, trotz aller glänzenden
Formen, vor allem doch ein siegreicher Feldherr in der Mitte
seiner Soldaten blieb , entweder weiter fortschreiten oder in
baldige Zerrüttung und Auflösung geraten.
l) Alb^ri S. 104. 2) Sansovino fol. 206 vo.
3) Bassano fol. 85 vo. 4) Ebenda.
5) Vgl. Alb er i S. 106 — 107; Giovio fol. 244.
6) Alb er i S. 104 — 105; vgl. S. 96.
Sultan Solimans IL Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 351
Soliman zahlte bei seinem Ausg-abenbudget von 3000000
Dukaten jährlich 500000 Dukaten für den Unterhalt der 10 — 12 000
Janitscharen, ebensoviel wie für den ganzen Hof ^). Ihre Anzahl, wie
auch ihr Gehalt — jetzt 6 — 8 Aspern täglich — war von Sultan
Selim erhöht worden; es wurde Sitte, bei neuen Kriegszügen
jedem dieser Elitesoldaten zur Ausrüstung lo Dukaten zu geben.
Die Mützen trugen goldenen Schmuck^), und manche hatten
Kürasse. Bei der Thronbesteigung eines Sultans erhielt jeder
Janitschar seit 151 1 1000 Aspern ^). Der Janitscharen-Aga hatte
500 Aspern am Tag und fünf Ehrenkleider und war jetzt Mit-
glied des Diwans *). Die schon oft mit Büchsen ausgerüsteten
Soldaten, die in prächtiger Kleidung zum Kriege auszuziehen
pflegten, verleugneten den alten rebellischen Geist auch neuer-
dings nicht: so zettelten sie im Jahre 1526 einen Aufruhr an und
brannten die Häuser aller drei Wesire nieder ^).
Die Spahioglane waren, nach Selims Heeresreform, 3500
und die Silichdare 2500 Mann stark**); zu den privilegierten oder
speziellen Korps zählte man ferner 360 Solaken mit kürzeren
Röcken und sonstiger kostbarer Ausstattung, wie weifsem Feder-
busch, goldgefafster Mütze und goldenem Köcher '^). Auch die
1000 Toptschis und 300 Dschebedschis, die die Waffen des
Heeres trugen, sind den bevorzugten Kriegern hinzuzurechnen ®).
Der Sultan hielt an seinem Hofe aufserdem noch 200 Mutefariakas^).
Die Anzahl der Ulufedschis betrug 900, die der Karipidschis,
,, armer Leute" — auch Christen und Mohren dabei — 7000^**).
Bis zu tausend Voiniklars, kharadschfreie Bauern, meist slawischen
Ursprungs, die mit der Sichel das Gras vor dem Heere schnitten,
gingen den übrigen Truppen voran**). Neue Abteilungen kamen
zu den schon bekannten, so die Beiklers, die, in engen, kost-
1) Alböri S. 106, HO — iii; G i o v i o fol. 243; 12000 auch bei Petancius
in Schwandtner I.
2) Bassano fol. 97. 3) Spandugino fol. 112 — 113.
4) Menavino fol. 41 vo bis 42, 72. 5) Leunclavius Sp. 761.
6) Vgl. Menavino fol. 42 vo mit Spandugino fol. 114 vo, 120 yo.
7) Menavino fol. 43 vo bis 44; Spandugino fol. 113 vo.
8) Menavino fol. 44 vO; Spandugino fol. 115.
9) Menavino fol. 42; vgl. Spandugino fol. 113 vo.
10) Spandugino fol. 114 ff. il) Ebenda fol. 43 bis 44.
353 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
baren Samtkleidern, hohe Mützen auf den Köpfen, an den
nackten Füfsen ehae Art eisernen Beschlag- tragfend, vor dem
Sultan zu tanzen, ihn mit Rosenwasser zu besprengen und seine
Befehle schneller als berittene Olaken — sie brauchten von
Adrianopel bis Konstantinopel einen Tag — zu befördern
pflegten, — im Munde trugen sie einen silbernen Apfel in
Filigranarbeit, um leichter Atem zu holen, und Glöckchen
klingelten an ihrer Leibbinde '). Neben den auserwählten und
besser bezahlten Ghazis sah man die ,, Kühnen", Delis, die lang-
gelockt gingen, sich in Tierfelle kleideten und auf dem Kopf
eine lederne Haube mit zwei Adlerflügeln trugen ^).
An Spahis brachte der Beglerbeg Rums 40000 Kelter^)
und der von Anadol deren 30000 auf*), wenn man die Mann-
schaften aus Diarbekr, Sulkadr, Syrien und Ägypten nicht mit in
Rechnung zieht. Endlich meldeten sich zu jedem Kriege unter
der an der Pforte des Kadilisker aufgepflanzten Fahne und vor
dem daselbst harrenden Beamten so viele Angehörige der
schlechtesten Plebs '•') als Asapen, dafs diese, nach genauen
Schätzungen, gegen 40000 Mann ausmachten: das auf 3 Monate
vorauszahlbare Gehalt von täglich 4 Aspern war eine zu mächtige
Lockung.
Das Heer hatte noch nichts von seiner alten Disziplin ein-
gebüfst; im Gegenteil sicherten neue Mittel den regelmäfsigen
Gang des Krieges noch besser als früher. Der Träger der
kaiserlichen Fahne, der Erair-Alem, war zu einem wichtigen
Offizier geworden, und weitere sieben Fahnen, ohne alle Tugs zu
zählen, flatterten dem Heere voran ^'). Die Tschausche gingen
überall mit Stöcken in der Iland — sie führten aufserdem eiserne
Keulen — umher, um die Reihen zu ordnen. Der Weg wurde
durch hölzerne Merkmale oder Steinhügel bezeichnet. In der
1) Menavino fol. 43 vo bis 44.
2) Sie führten auch Keulen ; Bassano fol. 97 v« ; Spandugino fol. l2off.
3) Ebenda fol. 50 — 50 vo.
4) Nach Spandugino waren es für Rum 1 5 000, für Anadol 8000 ; fol. 1 10 v».
5) „La maggior parte di loro, huomini isviati"; Menavino fol. 50V0 — 51.
6) Bassano fol. loi vo bis 102.
Sultan Solimans IL Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 353
Nacht zogen dem Sultan Janitscharen oder 30 Kapudschis (also
ein Zehntel ')) mit Fackeln in den Händen voran. Bei dem
Rufe: Allah! setzten sich die Truppen in Bewegung und legten
sich bei ihm zum Ruhen nieder. Jede Unordnung war strengstens
untersagt ; Gärten liefs man unberührt, und kleine Kinder konnten
bei vollständiger Sicherheit Lebensmittel im Lager verkaufen ^).
Für den Raub eines Schluckes Milch oder das von seinem
Pferde vom Acker gerupfte Getreide wurde ein Janitschar ge-
legentlich mit dem Tode bestraft ^).
Und wie in alter Zeit war in dem ungeheuren Heere kein
Lärm, kein Geräusch zu hören ^).
Seit langem bereits vertraten nur Seeräuber, aus deren Mitte
bedeutende Krieger, wie der von den Christen Barbarossa
genannte Khaireddin, der Tunis und Algier zu überrumpeln und
in den Piratenstaat der ,,Barbaresken" zu verwandeln verstand,
hervorgingen, die türkische Seemacht im Archipelagus und
im östlichen Teile des Mittelmeeres. Doch war unter Sultan
Selim auch eine gut ausgerüstete kaiserliche Flotte vor
Alexandrien erschienen , um bei der Eroberung Ägyptens mit-
zuwirken. Der friedliche Sultan Bajesid hatte zwar 320 Galeeren
in seinen Arsenalen liegen, doch befanden sich die meisten in
schlechtestem Zustande; sein kriegerischer Nachfolger legte nach
dem Beispiel der Venezianer ein steinernes Arsenal in Pera an
und dachte an die Wiedererbauung des einstigen Arsenals der
byzantinischen Kaiser. Seinen Untertanen mutete er hohe
Steuern zu, um die kaiserliche Marine auf den dreifachen Be-
stand zu bringen; er verfügte über 300 Reis, denen er die Sorge,
die Flotte in Bereitschaft zu halten, anvertraute, sowie über
3000 Asapen als Bemannung seiner Galeeren, und hoffte ebenso
viele ,, junge Janitscharen", d. h. Adschemoglane als Marine-
soldaten einschiffen zu können ^).
1) Spandugino fol. 113 vo — 114, 115.
2) Menavino fol. 72 — 73.
3) Ebenda; auch fol. 73 vo bis 74. Auch die Tagebücher Solimans in
Hammers Anhange, passim.
4) Spandugino fol. 121 vo.
5) Ebenda fol. 122; vgl. Menavino fol. 46 vo.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. »O
354 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
Soliman ging auf diesem Wege immer weiter, ohne die
fieberhafte Tätigkeit des Vaters auf allen Gebieten gleich energisch
fortzusetzen. Bei seinem ersten Seekriege führte er 85 kleine
Galeeren, 35 ,, Bastarden", 60 grofse ,,Fusten" d. h. Hölzer und
nicht weniger als 50 grofse Schiffe mit ^). Admiral blieb nach
wie vor der Sandschak von Gallipolis ^). Gewöhnlich lagen im
Arsenal von Pera einhundert Galeeren, darunter ungefähr 30
grofse^); die Artillerie war, nach dem Urteile sachverständiger
Christen, ausgezeichnet: 1526 waren 800 neue Geschütze, alle
von schönster Arbeit, vorhanden *). Wie früher waren einzelne
Landschaften verpflichtet, Materialien zum Schiffbau zu liefern.
Die Flufsflottillen der Morawa und besonders der Donau hatten
sich gleichfalls leistungsfähig erhalten ^).
Aus dem immer gröfser gewordenen Reiche — hatte doch
Selim auch die Zahl der rumischen Sandschakate von 38 auf 40
erhöht ^) — flössen in der kaiserlichen Khasna grofse Summen
zusammen; der Khasnadar-Bascha, der oberste Schatzmeister,
nahm täglich 20 000 Asper entgegen; am 13. März jedes Jahres
erfolgte die allgemeine Verrechnung ''). Ein Grieche, der in die
Staatsgeheimnisse der Türken eingeweiht war, der Kantakuzene
Theodoros Spanduginos, schätzt Kharadsch und ,, Geschenke"
auf I 500000 Dtikaten; von seinen ,, Sklaven" erhielt der Sultan
weitere 300000 ; die Zölle — auf syrische Waren waren sie er-
höht worden^) — brachten 700 000, die Bergwerke 90000, die
Salzwerke fünfmal soviel wie unter Mohammed IL , nämlich
500 000 ; unbesetzt gebliebene Ämter warfen 500 000, herren-
los gebliebene Güter 100 000 ab und ebensoviel die Münze;
die Ausfertigung der Staatsakten brachte looooo Dukaten^)
und die Staatspächter leisteten 800000 Dukaten. Von den
i) Vgl. Spandugino fol. 122. 2) Ebenda.
3) Vgl. Alberi S. 74: 92 kleine; Hurmuzaki II, S. 56, im Jahre 1528:
31 grofse.
4) Ebenda. 5) Alböri S. 109 — iio.
6) Spandugino fol. 120 vo bis 121.
7) Alb feri S. 106. 8) Bassano in Spandugino fol. loi.
9) Spandugino fol. 116 vo.
Sultan Solimans II. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 355
Tributärländern g-ingen unter Bajesid 1 200000 Dukaten, unter
Selim vor den asiatischen Eroberung-en 1333 000 ein, unter
Soliman dagegen i 500000, und zwar von Zypern 8000, wie in
den Tagen Selims, von der Moldau loooo, der Walachei
12000, Ragusa 12500, Chios lOOOO, Zante 5000^). Auch
Syrien und Ägypten lieferten Sultan Selim nicht weniger als
50 grofse Barren Gold im Werte von je 50000 Dukaten; der
Pascha von Kairo sandte von beiden ehemals soudanischen
Provinzen loooooo ein. Bei jedem grofsen Reichskriege waren
die Untertanen verpflichtet, doppelt soviel Asper als gewöhnlich
zu entrichten; auch die Güter der Moscheen konnten in aufser-
ordentlichen Fällen zu einer gewissen Kontribution verpflichtet
werden ^). Endlich wurde auch die Veränderung, d. h. Ver-
schlechterung der Münzen eine Einkommenquelle, doch handelte
es sich dabei nur um die Asper, nicht um die goldenen Sultanini,
die den venezianischen Dukaten entsprachen ^), und die kleinen
kupfernen mangurs*), die z.B. zur Zahlung des Brückengeldes
benutzt wurden. Ein silberner Asper sollte '4 Drachma wiegen;
unter Mohammed machten 40 Asper einen Dukaten aus ; nach
vielen Münzprägungen, deren jede die Münze verschlechterte'^),
— Mohammed prägte alle zehn Jahre um , Selim behielt die
Asper Bajesids, Soliman war wieder eifrig auf Prägen bedacht — -
kamen 54 — 60 Asper auf den Dukaten "). Die alten Asper
wurde eine Zeitlang mit vermindertem Werte — im Verhältnis
von 12 alten auf 10 neue, obschon die letzteren geringeren
Silbergehalt hatten — angenommen, dann brachten besondere
Spione diejenigen zur Anzeige und Bestrafung, die das bessere
i) Vgl. oben S. 217 — 218, 305.
2) Alb^ri S. HO — iii.
3) Es existierten auch 25 -Asper-Stücke; Menavino fol. 45. Der Dukaten
trug den Namen des Sultans oder eines seiner Vorgänger — z. B.: „Zu Ehren
Sultan Mohammeds, der Konstantinopel eingenommen hat ; dieser Sultan Mohammed
ist der Grofsvater des jetzt regierenden Sultans Selim", sowie das Datum; Me-
navino fol. 45 vo. Vgl. Numismatische Zeitschrift 190S, S, 144 ff.
4) 7g Asper, aber auch ^|^^.
5) Spandugino fol. 107: ,,Le piü volte i vecchi siano migliori ch'i nuovi."
6) Bassano fol. 77; Spandugino fol. 107 ff.
23*
356 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
Geld bei sich zurückhielten, statt durch den Wechsel die Khasna
zu bereichern.
Infolgedessen mangelte es niemals an Geldmitteln zum
Kriege. Da aufserdem die Schiffe nichts kosteten, kein sich ins
kaiserliche Lager begebender Sandschak unterliefs, kostbare
Geschenke mitzubringen, viele Soldaten für Mehl oder Gerste
selbst Sorge trugen und endlich die durchzogenen, ja auch die
ihnen benachbarten Landstriche allen Proviant liefern mufsten —
und zwar die Tributäre unentgeltlich oder doch für sehr geringe,
im voraus festgesetzte Entschädigung ') — , so war ein Krieg, wie
sich ein Zeitgenosse ausdrückt, für die kaiserlichen Finanzen
eigentlich ein gewinnbringendes Geschäft.
In Asien gab es für Soliman keinen Feind , den er hätte
herausfordern, keinen neuen Landbesitz, den er hätte erstreben
können. Das ,,neue Land", die Eroberungen Selims, war
zwischen dem Beglerbeg von Amasieh, der über acht Sandschaks,
sieben Subaschis und loooo Spahis verfügte, dem neugeschaffenen
Beglerbeg von Karamanien, der lO Sandschaks und 15000 Reiter
unter sich hatte, dem Beglerbeg von Diarbekr, der über 20 Sand-
schaks und 1 5 000 Reiter gebot, und den kaiserlichen Stellvertretern
in Sulkadr, Schachsuwar und Syrien aufgeteilt worden ^). Auch
war für diese Gebiete ein dritter Kadilisker bestellt ^). Ein
„alter Ungar" befehligte als Beglerbeg im eigentlichen Anadol*).
Mochten manche syrische Geistliche christlichen Glaubens, wie
der Patriarch Peter von Antiochien und die Erzbischöfe von
Alep, Emesa, Damaskus, aus dem Kloster Sankta Maria im Libanon-
gebirge, an den neuen Kaiser Karl V., der bald zum natürlichen
Vertreter der Kreuzzugsidee geworden war, schreiben und ihm
den Zug nach Jerusalem warm empfehlen ^), so befanden sich
die Syrier ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses unter der
1) Siehe meine „Contribu^ii la Istoria financiara ?i economica a ^erilor
romine", Bukarest 1901, nach osmanischen Staatspapieren.
2) Spandugino fol. novo f.
3) Ebenda fol. in. 4) Alb^ri S. 106.
5) Hurmuzaki II, S. 32 — 33, Nr. xxxv; vgl. S. 34—35-
Sultan Solimans II. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 357
pünktlichen und energischen osmanischen Herrschaft in Wirk-
lichkeit ziemlich wohl.
Nur in den am Leben gebliebenen Mameluken war der
Gedanke an Rache und Wiederbelebung des alten soudanischen
Staates noch nicht erloschen, und Selims Tod begrüfsten sie
durch einen Aufstand, dessen Führer Al-Ghazali, angeblich ein
Slawonier von Geburt ^), war. Der Empörerhäuptling konnte
sich zwar mit Chair-beg, dem mamelukischen Pascha Ägyptens,
nicht verständigen, und dieser liefs den Abgesandten Al-Ghazalis
hinrichten, aber die Ägypter griffen ihn, wahrscheinlich weil der
Stellvertreter des Sultans keine Janitscharen um sich hatte,
wenigstens nicht an. Viele der wichtigsten syrischen Städte
fielen an den Rebellen, dessen politische Pläne nicht recht er-
sichtlich sind.
Dem rohen und energischen Wesir Ferhad wurde die Auf-
gabe gegeben, gegen Al-Ghazali vorzugehen. Von Alep, das sie
gerade belagerten , kehrten die Aufständischen eilig nach
Damaskus zurück, in dessen Nähe die Schlacht stattfand. Sie
war schnell entschieden: vor dem siegreichen Ferhad floh Al-
Ghazali und wurde noch auf dem Kampfplatze von einem der
Seinigen getötet ^). Ferhad traf erst 1522 wieder in Konstantinopel
ein; manche Kostbarkeiten und der Kopf des letzten Führers
freier Mameluken, die für ihre ritterliche Ehre gefochten hatten,
waren die Beute, die er mitbrachte ^). Denn, ehe er den Rückzug
antrat, hatte Ferhad noch den Herrscher von Sulkadr, Schach-
suwar, zu sich ins Lager geladen ; und, als er mit seinen vier
Söhnen vor dem osmanischen Oberfeldherrn, den er nicht kräftig
genug unterstützt hatte, erschien, wurden alle fünf hingerichtet,
und ein türkischer Befehlshaber in der Hauptstadt Merasch am
Euphrat eingesetzt *). Diese blutige Tat sollte bald ihre Sühne
finden ; als der Sultan nach einiger Zeit dem Mörder die Aus-
i) Hammer II, S. 18.
2) Vgl. Giovio in Sansovino; Spandugino fol. 204 ff.
3) Alb^ri S. 107.
4) Leunclavius S. 759 — 761 ; vgl. Hammer II, S. 26 — 27, nach dem
Tagebuch Solimans.
358 Zweites Ruch. Achtes Kapitel.
beutung- seiner Untertanen während des Feldzugs vorwarf, wagte
es dieser, dem Herrscher beleidig-end zu antworten; mit Gewalt
entfernt, protestierte er laut schreiend und aufeincr Steinbank sitzend
und kämpfte g"eg-en die vom Sultan beorderten Henker mit dem
Dolche in der Hand, bis er zuletzt mit Stöcken niedergeschlag-en
und g-eköpft wurde. Darauf kam die Schwester des Sultans, die
Frau des Hing^erichteten, in einer schwarzen Kutsche zum Diwan
g-efahren und äufserte laut den Wunsch, auch bald für den g-rau-
saraen Bruder schwarze Kleidung- tragen zu müssen ^).
Im Herbst 1523, — noch lebte der alte Schach Ismael, —
wurde sein Gesandter in Konstantinopel festg^ehalten , und man
sprach in der Hauptstadt von einem g-rofsen asiatischen Zuge
g-eg-en den Vertreter des bisher nicht in den Staub g-eworfenen
Schiismus ^). In Wirklichkeit aber handelte es sich wieder
um die äg-yptischen Wirren; mit Persien wurde der Friede
verläng-ert ^).
Das ausgedehnte und reiche Äg-ypten, das für sich allein
ein wahres Kaiserreich, mit uralter, blühender Kultur und durch
den berühmten Hafen Alexandriens vermitteltem lebhaftem Handel
darstellte, konnte sich nur schwer in die osmanische Tyrannei
finden. Nachdem in Chair-beg- der letzte Vertreter der kriege-
rischen Oligarchie verschieden war (1523), ging deren Ehrgeiz
auf die osmanischen Beamten über, die mit der Regierung des
Landes beauftragt wurden. Der nur einige Monate hier weilende
Wesir Mustafa hatte nur den Wunsch, sich möglichst schnell zu
bereichern ■*), und es gelang ihm. Ein zweiter Nachfolger Chairs,
Kasim, blieb ebenfalls nicht lange in Kairo und konnte nach
seiner Rückkehr nach Konstantinopel eine ganze Vorstadt da-
selbst erbauen, die noch heute seinen Namen ,,Kasim-Pascha"
trägt 5).
i) „Tu hai morto mio marito ; spero in breve portar questo corrotto per te";
Alb^ri S. 107.
2) Bericlit vom 20. Oktober 1523; „Capi Consiglio X".
3) Hur muzaki IP, S. 467 — 468, Nr. 324; Acta Tomiciana VI, S. 74.
4) Hammer II, S. 36; Alb^ri S. 104.
5) Hammer a. a. O. ; vgl. für dieses und die folgenden Ereignisse Span-
■dugino, fol. 206 vo bis 207.
Sultan Solimans II. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 359
Als dritter kam Wesir Achmed, dem gleich nach seiner
Einsetzung, im Oktober 1523, die Absicht zugeschrieben wurde,
den Handel der Portugiesen mit Indien zugunsten der in os-
manischem Besitz beflndhchen alten Verkehrswege zu vernichten^).
Statt dessen erklärte er sich zum Soudan und bildete eine
eigene Regierung; bereits am 3, Januar 1524 war in Kon-
stantinopel bekannt, dafs er von Kairo, wo er sich verdächtig
gemacht hatte, nach Diarbekr beordert war, und dafs der Sultan be-
absichtige, jede Spur äg>'ptischer Autonomie zu tilgen und wie
in allen anderen Provinzen auch in Ägypten einen Beglerbeg
und mehrere Sandschaks einzusetzen ^).
Der Kampf zwischen Achmed imd den treu gebliebenen
Janitscharen zog sich einige Zeit hin, bis der Rebell wie sein
Vorgänger i\l-Ghazali mit Hilfe des Pöbels von Kairo von einem
Vertrauten bei einem Strafsenaufstande getötet wurde ^). Im
August 1524 hatte die Pforte wiederum mit einer Beruhigung
Syriens zu tun *). Um den beiden Provinzen eine endgültige
Verwaltung zu sichern, erwies sich eine aufserordentliche Autorität
nötig, und so wurde, im November desselben Jahres, Ibrahim-
Pascha, der Liebling Solimans, in der Eigenschaft eines mit
jeder Vollmacht versehenen kaiserlichen Vertreters und Kommissars
hingesandt.
Zweimal trieb ihn der Sturm wieder an die Küste der bereits
seit zwei Jahren in osmanischem Besitz befindlichen Insel Rhodos
zurück ^). Schliefslich wählte er den Landweg und zog am
24. März 1525 in Kairo'') ein.
Mit Gold und Edelsteinen, darunter vier grofsen Diamanten
und zwei Rubinen, einem 170 000 Dukaten an Wert repräsen-
1) „ Pensa far qualche bona Operation per le cose di Calichuth et redur le
specie al primo veazo'"; Bericht vom 20. Oktober 1523; ..Capi Consiglio X".
Über Zuckerwerk, das aus Indien und Syrien nach Konstantinopel gelangte, siehe
Spandugino fol. 125 vo.
2) Ebenda; Bericht vom 3. Januar 1524. Vgl. Giovio in Sansovino
fol. 240 vo.
3) Hammer II, S. 36—37.
4) Hurmuzaki II ^ S. 4S3; Theiner, Mon. Hung. II, S. 719 — 720.
5) „Missive e responsive" 1524 — 1527; Bericht vom 8. Dezember 1524.
6) Hammer II, S. 40.
360 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
tierenden Geschenk des Sultans, das er in Alep erlialten hatte,
trat er auf'). Drei der ,, schönsten Sklaven" seines Hauses
ritten hinter ihm her; ihnen schlössen sich 500 Spahis und
4000 Reiter seines persönlichen Gefolg'es, mit Lanzen und Fahne,
an. Viele Wag'en trugen die Dienerschaft, und endlich kam die
Menge der ägyptischen Truppen. So erschien er als Kaiser,
Padischach und Kalif ^).
Und Ibrahim entfaltete in der Tat eine Pracht, die die
Zeiten der alten Soudane in die Erinnerung zurückrief ^). Scheiks,
Kadis und europäische Konsuln füllten die Säle des Palastes von
Kairo an seinen Diwantagen an; jeder brachte ihm kostbare
Gaben von Kleidern und Edelsteinen dar. Gegen alle zeigte er
sich mild, gerecht, grofsmütig und freigebig*). Als ihn die
Sehnsucht des Sultans und die Interessen des Reiches zurück-
riefen — der Wesir verliefs Kairo am 12. Mai ^) — , wurde seine
Abreise allgemein bedauert. Aber der von ihm ernannte bis-
herige syrische Statthalter Soliman konnte Ägypten jetzt ohne
weitere Störung regieren *"). Durch diese baldige Rückkehr hatte
er, seinen zahlreichen Verleumdern zum Trotz, gezeigt, dafs er
nicht gewillt sei, in die F'ufstapfen Ahmeds zu treten und dem
sein Schicksal betrauernden Ägypten einen neuen tragischen
Soudan zu geben '').
1) „Beva, petoral, gropiera, stapha et spironi erano forniti di preciosissime
zogie, tra le altre 4 diamanti et doi rubini di grandissimo pretiu, tal che diti
fornimenti se dice valer ducati lyom venetiani, li quäl forniraenti, essendo il signor
Hibraim in Alepo , el Gran- Signor ge li mando a donar driedo"; Bericht vom
9. Mai 1525; „Missive e lettere responsive" 1524 — 1527.
2) ,,Se dice haver molto piui concorso che se fusse la persona propria del
Signor"; ebenda.
3) „El suo Star al Cayro h nh piü , ne meno come stevano li Soldani " ;
ebenda.
4) Ebenda.
5) Bericht vom 5. Juni 1525; ,, Missive e responsive" 1524 — 1527.
6) Hammer II, S. 41. Vgl. über die Rückkehr auch den Bericht vom
30. Juni 1525; „Missive e responsive".
7) Vgl. den venezianischen Bericht vom 3. November 1525: „El diceva, il
magnifico Inbraym - Bassa cra al Cayro, chel non tornaria piü a Constantinopoli
et chel se faria signor del tuto"; „Missive e responsive" a. a. O.
Sultan Solimans IL Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 361
1527 erwuchs Ibrahim dann die Aufg-abe, die räuberischen
Scharen des „Mönches" Kalender-Tschelebi in AnatoHen zu
vernichten; die Kalender waren eine Sekte von Derwischen, die
es mit ihren rehg-iösen Pflichten weniger wichtig- als andere nahmen
und dafür überall im öß'entlichen Leben eine Rolle spielten. Noch
lebte der alte Groll einer bereits unter Sultan Bajesid durch
Schiismus und Klassenhals g"eg-en die osmanische Herrschaft auf-
g-ereizten bäuerlichen Bevölkerung-; die turkomanischen Hirten und
Weg-elagerer waren es, die diese Unzufriedenheit in offenen Aufruhr
und einen an Wechselfällen reichen Krieg- überführten. Infolg-e einer
streng- durchg-eführten Aufnahme des zinspflichtig-en Bodens gewan-
nen die Meuterer solchen Anhang-, dafs sie, im August und September
1526, den Sandschak von Zilizien, dann den Beglerbeg- Churrera
von Karamanien und schliefslich den heifsblütig-en Beg-lerbeg-
Hussein von Rum in oftenem Felde aufs Haupt schlug-en, und
man mufste eilig- Truppen aus Diarbekr herbeiziehen, um die
sieg-reichen Bauern und Sektierer, die Husseins Tod über jedes
Mafs zornig- g-emacht hatte, zu züchtigen. Auch im Taurus-
gebirge waren Rebellen vorhanden. In einer grofsen Schlacht
bei Tokat fiel im Mai 1527 der karamanische Beglerbeg gegen
die Kalender. Ibrahim wufste die Turkomanenhäuptlinge auf
seine Seite zu bringen, und in einem letzten Treffen fiel der
gefürchtete Derwischführer ').
Erst sieben Jahre darauf erwuchs Soliman, den unterdessen
eine ununterbrochene Reihe von Feldzügen und Unternehmungen
gegen die Christen an seiner nördlichen und nordwestlichen
Grenze beschäftigt hatte, in Asien neue Sorge und Arbeit. Der
alte, in den natürlichen Verhältnissen begründete Streit mit den
Persern brach wieder aus.
Seit 1524 weilte Schach Ismail nicht mehr unter den
Lebenden ; bei Tebriz war er einer Krankheit erlegen. Sein
ihm von einer Sultanstochter geborener Sohn Schach Thamasp
trat die Erbschaft des Begründers des neuen, auf Schiismus,
i) Nach osmanischen Quellen, Hammer II, S. 57 — 60. Vgl. Leuncla-
vius Sp. 762 — 763.
363 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
volkstümliche Politik des Monarchen und die bewährte Tapferkeit
der alten mit erblichem Rechte begabten Feudalen des Landes
begründeten persischen Reiches an, während zwei andere Söhne
Ismaels im Osten gegen den unversöhnlichen Feind in der turko-
manischen Wüste kämpften. 1533 zählte der junge, von seinen
Ministern und Heerführern bevormundete Schach 22 Jahre, —
eine vornehme und sympathische Herrschergestalt, dem sich
Soliman so wenig vergleichen konnte , wie vormals sein Vater,
der finstere Selim, dem lächelnden, gutmütigen Ismael. ,, Unter
loooo Mensclien war er, auch in Verkleidung-, noch als König
erkennbar^)", schreibt ein gleichzeitiger, im Osten geborener
christlicher Geschichtschreiber.
Der milde, gerechte und fromme Thamasp führte die vom
Vater in seinen letzten Jahren begonnene Heeresreform zu Ende.
Neben der glänzenden Reiterei der Lehnsleute mit schönen
Panzern und Helmen, scharfen Säbeln und Partisanen, der 4000
Mann starken königlichen Garde und den schnellen Turkomanen-
haufen kämpften jetzt 2000 besoldete Büchsenschützen. Frauen
wurden nicht mehr im Lager geduldet. Von den Christen des
Westens und ihrem Vertreter, Kaiser Karl V., erbat man spanische
Fufskämpfer und Geschütze, die im entscheidenden Augenblick
wirklich eintrafen. So war Thamasp bereit, den in allen dichte-
rischen Schöpfungen Irans gefeierten Zweikampf, mit Soliman als
einem seiner würdigen Gegner aufzunehmen.
Die an der Grenze beider Reiche, besonders im kaukasischen
und persarmenischen Norden stehenden Offiziere waren nur allzu-
oft geneigt, von einem ihrer angeblichen Herren und Schachs
zum anderen überzutreten ; so verriet der Kurde Scherif-beg von
Bitlis den Sultan, und Ulama, der Statthalter der grofsen wichtigen
Provinz Aserbeidschan, den persischen Herrscher. Letzterer
kam nach Konstantinopel, nachdem ihn die benachbarten Haupt-
leute Thamasps verjagt und sein Gebiet in Besitz genommen
i) „Fra dieci nnla, anchora che egli fosse travestito, si conoscerebbe per
rb"; Spandugino, fol. 137 v». Spandugino ist auch in Sathas, IX
nach einer Pariser Handschrift wiedergegeben und Ch. Schefer hat eine Se-
paratausgabe besorgt.
Sultan Solimans II. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 363
hatten; noch viele andere persische FlüchtUng-e wurden von
Soliman beherbergt, und er vertraute ihnen ein aus asiatischen
Spahis g-ebildetes Korps an. Mit diesem trat Scherif-beg- den
Feinden entg-eg-en und wurde g-eschlag-en und g-etötet; seinen
Kopf schickten sie als Trophäe an den schon über Konieh hinaus
g'elangten Ibrahim-Pascha ^).
Den Winter brachte der „Serasker-Sultan" in Alep zu, wo
manche Verhältnisse zu ordnen waren : hier suchte die Familie
Scherifs um Verzeihung- nach; sein Sohn aber flüchtete zu
Schach Thamasp. Im Mai 1534 brach das Heer nach Nord-
osten auf, um für Ulama, der diesen ganzen Krieg- ang-ereg-t
hatte — er war jetzt Sandschak von Karahamid — , Aserbeidschan
zurückzuerobern. Er selbst g-ing- mit dem osmanischen Vortrabe
voraus, und es g-elang- ihm, einen Verwandten des Schachs aus
Tebriz zu verjagen und sich der g-rofsen Stadt, wo schon Selim
einen kaiserlich ,, rumischen" Triumph g-efeiert hatte, zu be-
mächtig-en. Einig-e Tag-e darauf hielt dann auch Ibrahim seinen
Einzug- in Tebriz, das er, nach seiner Gewohnheit, schonend
behandelte; die kleinen Fürsten des Kaukasus beeilten sich,
trotz ihrer hochkling-enden Schachtitel, dem Sieg-er ihre Unter-
werfung- zu bezeig-en. Tebriz wurde von georg'ianischen Bau-
meistern in Befestig-ungszustand g-esetzt.
Nur im Juni war der Sultan selbst von Konstantinopel auf-
gebrochen und hatte den hergebrachten Weg nach Tebriz ein-
geschlagen , das ihn in seiner kaiserlichen Pracht bewundern
durfte. Den Schach aber konnte er nicht auffinden ; vergebens
drangen die Osmanen bis nach Sultanieh vor, wohin sich die
Herrscher des Landes bei Verlust des von ihnen hochgeschätzten
Tebriz zurückzuziehen pflegten. ,,Aus Furcht vor meiner Lanze
ist der Kasilbascha geflohen", schrieb Soliman am 4. April des
folgenden Jahres an König Ferdinand von Ungarn, ,,und ist vor
unserem Gesichte nicht erschienen -)."
1) Was die von Hammer benutzten osmanischen Quellen geben, ist auch
in Spandugino, Leben Schach Ismaels , Sansovino fol. 138 ff. , zu finden.
Vgl. auch Leunclavius, Sp. 769 fif.
2) Hurmuzaki XI, S. 575 — 576, Nr. n.
364 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
An diesem Datum war der Padischach nach schweren An-
streng-ung^en und Leiden — die in den nach Europa dringenden
Nachrichten zu einer wahren Katastrophe verg-röfsert wurden ^) — ,
bereits nach Bagdad gelangt, der ehrwürdigen Residenz der
KaHfen, die noch kein osmanischer Herrscher betreten hatte.
Noch im tiefen Winter, im Dezember 1534, war Ibrahim, nach-
dem er Hamadan berannt hatte, vor der Stadt erschienen, die sich
seinen von Kälte und Hunger ermatteten Truppen ergab ; auch
in dieser alten Hauptstadt des Islams wurde kein Blutstropfen
vergossen. Im ,, Hause des Heils und Sieges" safs, einige Tage
später, am 30., Soliman als neuer Kalif auf heiligem Stuhle ^).
Indessen hatte Thamasp die drei, mit einigen tausend
Janitscharen in Tebriz zurückgelassenen osmanischen Befehls-
haber, unter denen sich Ulama, nun Beglerbeg von Diabekr, be-
fand, zurückgedrängt und sich des Schlosses bemächtigt, das er
zerstören liefs. Soliman brach eilends wieder auf; eine unter-
wegs entdeckte, gegen ihn angezettelte Verschwörung wurde
grausam bestraft, indem er ihren Führern die Haut abziehen liefs.
Ulama war seinen Verfolgern entkommen ; im Sommer stand der
Sultan von neuem in Tebriz; auch diesmal zeigte er Schonung
und Milde und erhörte sogar die Klagen von 6000 Werkleuten,
sie nicht nach Konstantinopel zu verpflanzen. Dorthin machte er
sich dann selbst bei Beginn des Winters auf und traf im Januar
1536 ein; während des schwierigen Rückzugs griffen Perser seine
Nachhut an, töteten, trotz der tapferen Gegenwehr Ulamas, drei
Sandschaks und nahmen einen vierten gefangen, ohne dafs solche
Verluste die Selbstverherrlichung des Siegers Soliman zu beein-
trächtigen vermocht hätten ^).
Einige Wochen darauf war Tebriz, das keine Janitscharen-
besatzung erhielt — nur einige Geschütze wurden zurückge-
lassen — , wieder persisch. Aber im neuen Schlosse von Bagdad
i) Siehe den venezianischen Bericht aus Konstantinopel, 31. Dezember 1534,
in Hurmuzaki VIII, S. 61 — 62, Nr. Lxxxni.
2) Vgl. Hammer, Leunclavius, Giovio a.a.O.; Charriere I, S. 253 ff,
3) Leunclavius Sp. 771 ff. Über den Feldzug siehe das offizielle Tage-
buch in Hammer, erste Ausgabe, III, S. 678 ff.
Sultan Solimans II. Jugend. Seine Wesire und Günstlinge. Asiat. Kriege. 365
waltete der Albanier Soliman als Beglerbeg des weiten Ostens
über zahlreiche einheimische und osmanische Truppen ^). Eine
neue Provinz war gewonnen und die äufserste Ausdehnung der
osmanischen Grenze erreicht. Nur 1538, während der indischen
Revolte gegen die Portugiesen und den Grofsmogul Humajun,
kamen aus Ägypten, unter dem dortigen greisen Pascha Soliman,
zahlreiche Türken und nisteten sich auch in Aden ein ; am
3. September erschienen sie vor dem Hafen Diu, den sie länger
als zwei Monate besetzt hielten ; Antonio de Silveira verteidigte
das Schlofs heldenmütig; erst im November segelten die
50 Galeeren und 20 Fusten des Paschas vor den endlich zum
Entsatz eintreffenden 1 5 grofsen Schiffen des Vizekönigs ab ^).
Die Osmanen hatten den einheimischen Fürsten gegenüber eine
solche Verachtung und Grausamkeit an den Tag gelegt — einer
war am Mast des Admiralschiffes aufgehängt worden — , dafs
an kein Bündnis mit diesen zu denken war.
i) Gio vio.
2) Anonym in Sansovino 400 vo ff. ; vgl. Hammer II, S. 156 — 158, nacli
anderen Quellen; Charriere I, S. 322, 324.
Neuntes Kapitel.
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig.
Eroberung von Rhodos. Kreuzzugsgedanken und
Kreuzzugstaten. Krieg mit Venedig und Eroberungen
im Ärchipelagus.
Gegen Venedig- beabsichtigte Soliman keinen Krieg, wie
auch die Republik ihrerseits entschlossen war, den Frieden mit
dem Herrn des ,,Weifsen und Schwarzen Meeres", der klein-
asiatischen, syrischen und ägyptischen Häfen, im Interesse ihres
Handels, den der Wille und die Macht des allmächtigen Sul-
tans für viele Jahre vernichten konnten, um jeden Preis aufrecht
zu erhalten ').
Die alte ,, verräterische" Politik der Venezianer arbeitete mit
Hilfe des Dragomans Ali , der Wesire Ibrahim und Ajas ^) und
später der geschickten Unterstützung des Dogensohnes Aloisio
Gritti , eines Bastards und Abenteurers , der in der offiziellen
Welt Konstantinopels zahlreiche Beziehungen hatte und gleich-
sam als christlich gebliebener Wesir unter den Renegaten ver-
schiedener Nationalität erschien, unermüdlich. Schon am i I.De-
zember 1521 wurde der Frieden zwischen der Signoria und dem
Sultan erneuert, und zwar unter für jene recht günstigen Be-
dingungen: so hatte der Bailo das Recht, in Streitfällen mit
Türken nicht vor einem Kadi, sondern vor dem Sultan selbst
oder seinem Stellvertreter im Diwan zu erscheinen; bei Gerichts-
1) Vgl. auch Zinkeisen II, S. 614 — 615.
2) Über Ibrahim siehe Alb^ri S. 104; über Ajas „Commemoriali" VI,
215, Nr. 127.
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 367
Verhandlungen , an denen venezianische Kaufleute interessiert
waren, sollte der Dragoman des Bailo gegenwärtig" sein dürfen,
und der Besuch venezianischer Schiffe vor den ,, Schlössern"
— Rumili- und Anadoli-Hissar — und nicht in Gallipolis statt-
finden ^).
In allen Gebieten des festen Landes, wo Venezianer und
Türken Nachbarn waren, konnte man das gute Verhältnis be-
obachten. So in Morea, dessen Sandschak als ein mächtiger
Befehlshaber, . dem looo Spahis und 700000 Asper jährlicher
Einkünfte zur Verfügung standen, jetzt in Modon residierte^).
Er führte die Titel Pascha und avi}tvvr^g, wie im Jahre 1527
Dschuneid ^) — avO^evrai nannten sich übrigens auch einige
Kadis, die neben den Sandschaks oder VVojwoden, in Arkadien,
Chlomutzi, Palaiopatrai und Lepanto walteten, und der in Arka-
dien ansässige betitelte sich aufserdem Kadi des ,, ganzen Für-
stentums", des ehemaligen Principato des fränkischen, feu-
dalen Achajas *). Aber auch dieser Sandschak, den Griechen
und Italiener flamburario und (pXafx/iQiccQig nannten, betrach-
tete sich, trotz seiner Macht, wie die anderen als ,, Sklaven " ^).
Unter ihm stand als sein Stellvertreter ein Kehaja, ein 7ta-
QacpXai-iTcovQijdQr] , mit der Würde eines Begs und dem Amte
eines Subaschis; er residierte in Coron ^). Mit den veneziani-
schen Beamten lebten sie in guten Beziehungen, die in den üb-
lichen Geschenken ihren Ausdruck fanden. Als der Erzbischof
Arsenius von Monembasia sich 1520 nach Rom begab ^), han-
delte es sich nicht um eine Intrigue von jener Seite gegen die
türkischen Machthaber.
i) „Commemoriali" VI, S. 168—169, Nr. 156—157; vgl. Alb^ri S. 86.
2) Menavino fol. 50.
3) Ztrjvt]).'IIaaidg, aid-ivrrig Moqiov , zeichnet er in einem Briefe; Archiv
von Venedig, „Documenti greci varii".
4) Av&^vrrig xaöfjg '^QxaSiag xcu xad^öXXov ITQiyyiTidTOv; ebenda.
5) ^xXiißog ToO fiC/ukov a(fivTog xui (fkuunniÜQi,; j\fo()^ov; ebenda.
6) Ein Brief von Sefer-Beg: fxiyüXr] xtQ7iivi]g , aovndaag MovaTU(fu, xrj-
a^aictg xul naQarfilufino verjagt] Mogiov; ebenda.
7) ,,Ducali e lettere ricevute" Q. 53.
308 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
Der Sandschak von Saloniki, der S — 16000 Dukaten Ein-
künfte und eine Leibwache von 500 stattlichen Reitern hatte ^),
fand keine Geleg^enheit, mit Venezianern zu verkehren, wenn solche
nicht mit ihren Schiffen seinen Hafen anliefen.
In Albanien war der Sultan durch die Sandschaks von Av-
lona, Skutari und den von Angelokastro mit Santa-Maura , wie
von Vodiza, Leukadien und dem ganzen Despot-Ili, ferner durch
die Kadis von Durazzo, Janina und Arta und einen Schlofshaupt-
mann {yiaoTrjlarog) in Prevesa vertreten ^). Das Land schien
vollständig- beruhigt zu sein. Der vierte Sandschak in diesem
balkanischen Westen, der die Herzegowina (oder türkisch Ersek)
verwaltete und in Castelnuovo in Novi residierte, bekundete keine
Feindseligkeit gegen die dalmatinischen Provinzen Venedigs ^) :
1524 liefs sich der Inhaber dieser Würde: ,,der ruhmreiche Herr
Mehemed-beg Michalbegowitsch" — ein Mihalogli, in slawischer
Verkleidung — ,, Sandschak der Länder und des Staates Ersek"
nennen '').
Nur im Sommer 1524 war man einigermafsen um Dalmatien
besorgt, als der Sandschak von Ersek Arbeiten beginnen liefs,
um das von Ahmed-Pascha Ersek neuerdings (1523) besetzte^)
Scardona zu befestigen; die Venezianer gaben der Befürchtung
Raum, dafs einem starken Scardona gegenüber die benachbarte
Provinz an der Adria nicht mehr zu halten sein werde ''). Sie
erwies sich aber als unbegründet ^).
1) Menavino a. a. O.
2) Vgl. einen Befehl Solimans an diese Offiziere ; Archiv von Ancona, Liber
Croceus Magnus fol. 197 — 197 vo und Briefe der türkischen Beamten, I547, in »Capi
Consiglio X''', Costantinopoli 1550 — 1562; dann den Bericht vom i. Mai 1539;
,, Rettori", ,,Capi Consiglio X", Corfü : „Chussein-Isach-bei, sanzacho de Angelo-
castro et de S. Maura et de Vodiza et de Leucadia et della region del Despotato."
3) Ebenda: „Ersieh, cio^ Castello Novo".
4) „II glorioso signor Mecmet-beg Michalbegovich , sancacho dele terre et
Stato de Cherceg"; „Capi Consiglio X".
5) Siehe den Tagesbericht Solimans in den Anhängen Hammers und den
Brief der Einwohner und ihres Grafen Marco Jussich an den König von Ungarn,
liurmuzaki IP, S. 406.
6) Bericht vom 10. Juli 1524; „Capi Consiglio X, Dalmazia".
7) Eine Verständigung mit dem „Emir von Castelnuovo und Scardona",
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 369
Das Meer hing-egen blieb unsicher und der g-leichzeitig-e
Tummelplatz christlicher und mosleminischer Seeräuber. Die
ersteren g-ehörten verschiedenen Nationalitäten an; meist waren
es Katalanen und Rhodiser oder Malteser. Sie erschienen un-
erwartet und überfielen erfolgreich die leichten türkischen Fahr-
zeuge, nicht sowohl die der armen Fischer aus den kaiserlichen
Besitzungen, als vielmehr die Barken, die den binnenländischen
Handel vermittelten. Mit der Beute in die entfernte Heimat zu-
rückzukehren, war eine Unmöglichkeit, und so suchten sie Ver-
steck und Schutz in den Häfen einer christlichen Macht, die
noch in diesem teilweise unter Mohammed II. von den Osmanen
in Besitz genommenen Archipelagus vorhanden waren.
Venedig zwar wollte diese Abenteurer, deren Gewerbe für
den Handel jedes der benachbarten Länder eine wahre Plage
bildete, keineswegs herbergen oder verteidigen. Sie fanden aber
in den Kolonien der Republik Unterkunft ^) und Förderer genug in
den schwachen Dynasten, denen irgendwelche in diesem für See-
räuberei so geeigneten Meerwinkel gelegene Inseln gehörten. So
standen sie oft im Einverständnis mit dem Herzog des Archipelagus,
der fortdauernd Beziehungen zur venezianischen Republik unter-
hielt und von Zeit zu Zeit auch nach Venedig reisen mufste ^),
dann mit den beiden Cornari, Cornelio und Andrea, in Carpa-
thos (Scarpantho) ^). Besonderen Nutzen aber zogen aus der un-
unterbrochenen Tätigkeit der Spanier und Malteser die Ritter
von Rhodos, deren Inseln seit lange schon Unterschlupforte für
tapfere und verschlagene Leute ihrer Art waren.
Endlich aber sollte , nachdem die Johanniter vierzig Jahre
hindurch sich in Sicherheit gewiegt und in einigen Fällen wegen
„Commemoriali" VI, S. 182, Nr. 8; vgl. S. 215, Nr. 125 — 126. Eine Grenz-
vereinbarung in Dalmatien mit Khosrew-Pascha von Bosnien, ebenda S. 211 — 212,
Nr. 110. Vgl. folgende Nummern.
1) Vgl. in dem Berichte vom 18. September 1525: „Et Vostre Magnilicentie
sano molto ben che, se non havesseno da li luogi vostri subsidio, che non po-
triano Star otto zorni in queste bände"; „Missive e responsive" 1524 — 1527.
2) „Missive e responsive" 1524 — 1527, Jahr 1525.
3) Siehe ebenda, Jahr 1524.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. «
370 Zweites Buch, Neuntes Kapitel.
des in ihren Händen befindlichen Prätendenten Dschem dem
mächtigen Reiche Beding-ungen hatten vorschreiben können, unter
Soliman die Stunde der Verg-eltung für die den Osmanen zu-
gefügten Kränkungen und Schädigungen schlagen. Zwar als im
Mai 1522 die türkische Flotte sich zu einem neuen Zuge rüstete,
waren die Rhodiser noch ungewifs , ob der Schlag ihnen gelte ;
mancher glaubte, dafs Venedig in Zypern oder Korfu angegriffen
werden solle. Der alte erfahrene Piri -Pascha hatte von dem
schwierigen Unternehmen gegen eine so starke Stadt, die sich
mit ihren dreizehn Türmen und fünf Festungen uneinnehmbar
dünkte — als die osmanische Flotte erschien, waren die Mauern
wie nach einem Siege herausfordernd mit kostbaren Teppichen
behängt ') — , abgeraten. Aber Mustafa, der alte Schwager des
Sultans, empfahl sie aufs wärmste. Auf der bedrohten Insel,
deren Befestigungen von einem Architekten, der in Diensten
Kaiser Karls V. gestanden hatte , noch eben verstärkt worden
waren, befanden sich viele aus allen Provinzen des Ordens eilig
zusammengerufene Ritter und 500 tapfere Kandioten, die an
Türkenkämpfe gewöhnt waren ; von den griechischen Einwohnern
waren angeblich 5000 bewaffnet und in Rhodos aufgenommen
worden. Den Hafen hatte man mit einer Kette, die vom Mühlen-
turme bis zum Schlosse Sankt Nikolaus reichte, gesperrt. Aus
Rom, Venedig, Spanien und Frankreich, wohin Gesandte die
Kunde von äufserster Gefahr getragen hatten, erwartete man Hilfe
an Geld, Schiffen und disziplinierten Berufssoldaten. Endlich
hatte die Hauptstadt des Ordens im neuen Grofsmeister Villiers
de risle-Adam einen frommen und tüchtigen Verteidiger ge-
funden.
Am 14. Juni wurde die erste Aufforderung zur Übergabe
von den Rittern abgeschlagen, doch vermied man es, den starken
Feind durch unnützen Übermut zu verletzen. Bald darauf er-
schienen von Kos her, wo sie vergebens zu rauben gesucht
hatten, 20 bis 30 Schiffe der grofsen Flotte, die sich der Insel
rasch näherten. Am 26. erblickte man vom Berge des Heiligen
i) Leunclavius Sp. 757 ff.
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 371
Stephan aus die Hauptmacht der kaiserlichen Marine. Die Asapen
gingen ans Ufer und spähten unter dem Feuer der christlichen
Geschütze, die vom Brescianer Gabriele Martinengo instand ge-
setzt waren, eilig nach Vorräten und anderer Beute. Einige der
in Rhodos eingeschlossenen Sklaven suchten mit diesen ihren
Glaubensgenossen in Beziehungen zu treten , doch wurde das
Komplott entdeckt und vereitelt. Schliefslich besetzten die
Feinde den Berg, auf dem die Kirche der Heiligen Kosmas und
Damian stand, ohne von dort aus den Belagerten empfindlichen
Abbruch tun zu können. Es gelang denselben sogar, die Be-
lagerer zu überfallen. So wurde denn auf osmanischer Seite, als
auch die Lebensmittel daselbst zu mangeln begannen , die An-
kunft des fünfzehn Tage später, am i6. Juni aufgebrochenen
Sultans mit Sehnsucht erwartet.
Dieser hatte den Landweg durch die Provinz Mentesche ein-
geschlagen und sich nach Kiutajeh begeben, um durch die Ebene
Karabagh und über den Hafen Marmaris nach Rhodos zu ge-
langen, wo er erst am 28. Juli eintraf. Er zeigte übrigens keine
grofse Neigung, seine Kräfte auf der Insel , deren Besitz er an-
scheinend gering achtete, festzulegen. Jedenfalls brachte er Ar-
tillerie mit, und Rhodos wurde nun aus 40 grofsen Geschützen
unaufhörlich beschossen , denen fünfzehn andere unter den Be-
fehlen eines Paläologen antworteten. Nach einigen Tagen wurde
der erste, von Mustafa geleitete Sturm zurückgeschlagen. Fünf
Tage später erneuerte der Feind mit seiner ganzen Macht gleich-
zeitig gegen die Bastionen der Italiener und der Südfranzosen
den Angriff; dabei fielen der Sandschak von Negroponte und
der Toptschi-Bascha. Die spanischen Ritter bewährten sich aufs
tapferste. Einen dritten Sturm führte wieder Mustafa an, für den
in diesem Kriege alles auf dem Spiele stand.
Es kam zu einem so heftigen Kampf, wie er kaum je
zwischen Osmanen und Christen geführt worden war; schon
hatten jene, mit vierzig Fahnen, die Bastion der Spanier besetzt,
als die Kandioten mit dem Dolche in der Hand sich auf sie
stürzten. Schliefslich mufste Soliman seine Truppen, die aus-
sichtslos ihre letzten Kräfte daransetzten — zwölf Sandschaks
lagen tot — , abrufen; und der Zorn des Sultans bedrohte nicht
24*
373 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
nur Mustafa, sondern auch Ajas und den alten und weisen Piri
mit dem Tode durch den Strick. Mustafa soll nach dieser schweren
Stunde daran gedacht haben, sich vor der Rache seines Herrn
durch Flucht ins belagerte Rhodos zu retten (24. September).
Den Christen aber kam keine Hilfe. Die vom Orden in
Neapel gemieteten Schiffe gelangten nicht an ihr Ziel: eins
versank, die anderen blieben mit ihrem Befehlshaber, dem Prior
von Kastilien, an der sizilischen Küste. Der venezianische
Proveditore Domenico Trevisano hielt in Erwartung des Aus-
gangs am Kap Malea, und nur einige Kandioten verstärkten die
Verteidiger der Insel. Dagegen erhielten die Belagerer wertvolle
Hilfe durch anatolische und ägyptische Schiffe (schon am
9. August); die letzteren, 40 an Zahl, brachten grofse Mengen
Proviant mit.
Drei Tage hindurch stürmten dann die Mameluken mit
bewunderswerter Todesverachtung an der Pforte des Heiligen
Athanasius. Als der Erfolg ausblieb und der Herbst mit heftigen
Regengüssen einsetzte, segelte die ganze Flotte nach Marmaris
ab (31. Oktober). Der Wesir Achmed aber, in den Soliman
jetzt alles Vertrauen setzte, versuchte es nun mit Errichtung von
Palisaden und Auffüllung der tiefen feindlichen Gräben, um dann
zu einem letzten Sturm überzugehen, der von den Zinnen aus
mit Kugeln und Pfeilen zurückgeworfen wurde. Soliman, der
weitere kostspielige Verluste scheute und die Schwierigkeit, den
Winter auf feindlichem Boden zu verbringen, fürchtete, entschlofs
sich endlich, Villiers de l'Isle-Adam, dem ,,Megalomastor", eine
billige Kapitulation anzubieten.
Nach längeren Verhandlungen unter den Führern der Be-
lagerten und einigen Ausfällen der gereizten Bürger und Bauern,
die in Rhodos eingeschlossen waren, kam man wirklich über die
Bedingungen überein: türkische Schiffe sollten die Ritter und
andere Verteidiger der Stadt mit ihrer Habe nach Kreta führen,
den zurückbleibenden Griechen, mit denen die Osmanen mehr-
mals besonders sich zu verständigen versucht hatten, wurde
Freiheit von jeder Kharadschleistung für eine Frist von fünf
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 373
Jahren und für immer von der Verpflichtung-, dem Janitscharen-
korps Rekruten zu hefern, zugestanden ^).
Um aber wenigstens den Schein zu retten, wurde zu Weih-
nachten eines der Tore der Stadt, das sich nicht mehr ver-
teidigte, niedergebrochen, und der Sultan hielt mit einem aus-
gewählten Korps seines Heeres, das eine auch von den Christen
bewunderte schweigsame Disziplin zeigte, seinen Einzug. .,Ich
habe aus dem Munde des Grofsmeisters gehört," sagt der Bericht
Giovios, ,,dafs bei dem Einzug Solimans in die Stadt, mit
30000 der Seinigen, kein Wort zu hören war; es war, als ob
es keine Krieger, sondern Franziskanermönche strenger Observanz
waren 2)."
Nun wurde die grofse Hauptkirche Sankt Johanns in eine
Moschee verwandelt; christliche Quellen berichten auch die Er-
öffnung von Gräbern der Grofsmeister und die Erniedrigung des
Kreuzes; die Abreise Villiers' de l'Isle-Adam verzögerte sich,
und manche glaubten, dafs der Besiegte den Weg nach Kon-
stantinopel werde antreten müssen , um im Triumphzuge
Solimans mitgeführt zu werden. In Wirklichkeit aber sagte der
Sultan, als man ihm den Grofsmeister vorstellte: ,,Ich fühle
Mitleid mit diesem armen Greise, den wir aus seinem Hause
verjagen ^)." Nur der Christ gewordene Sohn Dschems und
seine beiden Söhne wurden getötet und seine zwei Töchter nach
Konstantinopel geführt*). Als Soliman im Februar 1523 Rhodos
verliefs, um sich durch Asien nach Konstantinopel zu begeben,
war der bisherige Herr der Insel bereits nach dem Westen
unterwegs.
Kaiser Karl V. und der Papst sandten Villiers bedeutende
Summen nach Messina; im August erschien er in Brindisi, seinem
vorläufigen Aufenthaltsorte, und in Rom selbst wurde er wie ein
i) Charriere I, S. 92 ff.
2) „Hö udito dire al Gran Maestro che nell' entrar che fece Soliman nella
cittä con trenta mila huomini mal si senti una parola, et pareva che fossero tanti
frati dell' Observanza"; in Sansovino fol. 240 vo ff.
3) ,, Questo povero vecchio scacciato di casa sua"; Giovio a. a. O.
4) Vgl. Spandugino fol. 240 vo ff. •
374 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
Sieger und als Held der Christenheit empfang-en. Rhodos freilich
war ihm, trotz aller Verheifsungen , Vorbereitung-cn und Kreuz-
zugspläne, für immer verloren^). Nur 15 30 fand der Verbannte
und seine treuen Kriegsgefährten auf der dem Kaiser als spani-
schem König gehörigen Insel Malta, als einem neuen Rhodos,
endlich den erwünschten dauernden Wohnsitz.
Rhodos wurde, mit den benachbarten Inseln zusammen, das
Sandschakat eines erklärten Feindes aller Christen und besonders
der Venezianer, des ehemaligen Begs Mehemed von Lesbos.
Das osmanische Seeräuberwesen nahm, durch dessen fast offene
Unterstützung, einen grofsen Aufschwung. So fürchteten die
Venezianer im Mai 1525, als Kurtogli mit den kaiserlichen
Galeeren von Rhodos nach Alexandrien segelte, um Ibrahim-
Pascha Hilfe zu bringen — er vermafs sich, unterwegs alle
venezianischen Schiffe anzuhalten und zu vernichten — , dafs der
berüchtigte, Tschufud genannte Seeräuber Sinan, der sechs Barken
bemannt hatte, sich gegen sie wende , was bei Mykone in der
Tat geschah. Auch die Untertanen des Herzogs des Archipelagus,
der nach Venedig gereist war, erwarteten sein Erscheinen voller
Schrecken. Und der ,,homo scandaloso" in Rhodos frohlockte
über die Taten seines Freundes Tschufud und äufserte sich voll
Genugtuung, dafs die Venezianer ihr Los verdient hätten. An
der zyprischen Küste tauchten, wenn auch nicht ungestraft, eben-
falls Piraten dieses Schlages auf. Aus Rhodos waren am
29. Juli 1525 vier Galeeren und sechs Boote nach Zypern
gesegelt. ,,Es ist im Archipelagus schlimmer," schreibt ein
l) Vgl. auch Charri^re I, S. 108 ff., 132 ff, und den venezianischen Bericht
vom 7. August 1523; „ Capi Consiglio X, Costantinopoli". — Die hauptsächliche
Quelle ist Pontanus, ein Ritter des Ordens, der auf Rhodos weilte und die Zeug-
nisse der Brüder Giorgio Faucello , Roberto Perusio und lacopo Borbone zitiert ;
s. in Sansovino fol. 381 v«. Der Bericht Bourbons ist 1526 unter dem Titel :
„Jacques bastard de Bourbon, La grande, merveilleuse et tres-cruelle oppugna-
tion de la noble cite de Rhodes" erschienen, von Zinkeisen benutzt; mir unzu-
gänglich, wie ferner die Zusammenstellung Terciers in den „Memoires de TAca-
demie des Inscriptions" XXVI, dem auch eine osmanische Quelle, die Erzählung
Ramadans, des Arztes Solimans, zugute kam; vgl. Zinkeisen II, S. 624, Anm. i.
Siehe auch weiter den Tagesbericht Solimans in Hammer, vollständige Ausgabe,
III, S. 62Sff.
Soliraans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 375
venezianischer Offizier, der die Ritter Sankt Johanns freiUch den
türkischen Korsaren unbedenklich g-leichstellt, „als es zur Zeit
der Ritter war ^)."
Der Sultan erklärte zwar, dafs er dieses Treiben nicht billige
noch dulden wolle, so oft ihm auch die Venezianer ihrerseits
Anlafs zur Klage gaben '''). Man hoffte, dafs er eine Flotte
gegen die Friedens- und Handelsstörer bewaffnen werde: im Sep-
tember kam sie in der Tat vor Rhodos an. Beinahe gleichzeitig
erschien ein Proveditore mit sieben Galeeren, im August berührte
er Kreta und besuchte dann Rhodos und Naxos. Die Türken
griffen, im Augenblicke derRückkehr des Proveditore nachNauplion
und Korfu, die Galeere Contarina an, wurden aber geschlagen
und hatten grofse Verluste. Im Oktober, als von der Ausrüstung
einer neuen Flotte die Rede war, kam der Proveditore zum
zweitenmal in die Gewässer von Rhodos; Mehemed-beg ,, hoffte
wieder, venezianische Sklaven für 50 Asper zum Verkauf gebracht
zu sehen ^)".
Der Sultan aber wollte Frieden mit Venedig: ,,es ist sicher,"
schrieb der Bailo, ,,dafs der Grofsherr uns nicht Krieg erklären
wird, wenn wir ihm keinen Beweggrund geben *)." Die Rückkehr
Ibrahim-Paschas aus Ägypten trug viel dazu bei, dafs der Frieden
erhalten blieb. An Stelle des herausfordernden Mehemed trat
mit dem sechzigjährigen Sandschak Dschelil-beg von Hamid ^)
ein guter und friedlicher Nachbar, und der Proveditore
i) „Questo Arzipielago parme sia pegio adesso che non era al tempo di
s. di Rhodi"; venezianischer Bericht vom 9. Mai 1525; „Missive e responsive"
1524 — 1527. Die anderen Tatsachen sind früheren Berichten entnommen.
2) So fanden 1525 70 flüchtige Janitscharen, „cum le moglie et figlioli sui"
in venezianischen Besitzungen und im Herzogtum des Archipelagus Zuflucht ; darüber
beschwerte sich Soliman am 25. August; „Missive e responsive" 1524 — 1527.
3) „Spiera veder anchora vender per schiavi venetiani et sui subditi ad aspri
50 l'uno"; Bericht vom 3. November 1525 a. a. O.
4) „Si puo haver per certo che'l S^° Gran-Signor turco maj ne rompera
guerra, se nui non li ne daremo ansa"; Bericht vom 24. September 1525 a. a. O.
5) „Gelil-bei, sanzaco de Acmit in Caramania"; Bericht vom 7. Dezember
1525 a. a. O. ; ein Brief an „Gelebei, gubernatori Rhodi", ebenda. Man schickte
ihm als Geschenk ein Gewand von roter Seide (scarlatto), ein anderes von rotem
Samt, zwei Falken ,,et una mezana di moscato et diese pezi di formazi''; die
376 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
konnte unbekümmert nach Cerigo zurückkehren. Aber während
Lutfi-beg- und seine Flotte vom Herzog- des Archipelag-us Lebens-
mittel erhielten, grififen christliche Seeräuber bei Faros friedliche
türkische Schiffe an, und die Galeere des Wesirs Ajas fiel in die
Hände solcher Korsaren ^), ,,Die Fahnen des Grofsherrn sind
in den Staub g^etreten worden", rief der erzürnte Ajas, der
freilich nicht die Entscheidung- über die Reichspolitik in der
Hand hielt, dem Bailo zu: ,,Der Frieden ist g-ebrochen ; auf
dem Festlande und auf dem Meere werden wir mit euch
kriegen ^)."
Lutfi gelang- es, das Schiff des berühmten osmanischen
Korsaren Kara-Soliman abzufangen, und dem aufserordentlichen
venezianischen Gesandten Pier Zeno wurde, als er im März 1526
nach Konstantinopel kam, der beste Empfang zuteil. Es war im
Jahre des grofsen Krieges, der den Türken Ungarn unterwarf.
Nach dem kurzen Besuch des Proveditore lag das Meer für alle
Seeräuber frei und offen da, bis sich im Juli eine osmanische
Flotte vor Rhodos sammelte ^).
Alle Befürchtungen eines türkischen Einfalls in Italien, wie
sie seit 1527 gehegt wurden, waren grundlos gewesen*); es
währte lange, bis der Friede zwischen Venedig und dem Reich
wirklich gebrochen wurde. Und auch dann richteten sich die
osmanischen Feindseligkeiten gegen Korfu, zu dessen Sicherheit
schon 1523 und 1524 Mafsnahmen getroffen worden waren ^).
Im Dezember 1532 wurde Junus-beg als Nachfolger Ali-begs
in der Stellung eines Reichsdragomans feierlich in Venedig
Falken waren, „cum li sui capeleti d'oro et cum li sui zeti cii cordele di seda,
cum quatro magiete d'arzento". Dschelil antwortete darauf mit zwei tape,
vier cordovani und zwei Jagdhunden, a. a. O.
i) Bericht vom 24. Januar 1526; a. a. O.
2) Alberi S. 108.
3) Berichte vom 14. März, 25. März, 19. Mai 1526; a. a. O.
4) Alberi S. n6.
5) Vgl. den Bericht vom 20. Oktober 1523, „Capi Consiglio X", mit Alberi
a. a. O. S. 96 — 97.
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 377
empfangen ^). Während des Sommers hatte die Republik
60 Galeeren gerüstet; sie sollten unter Vicenzo Capello den
Bewegungen der von Andrea Doria geführten kaiserlich-päpst-
lichen und der osmanischen Galeeren, die kriegsbereit nach
Westen abgesegelt waren , folgen ; in den Kampf einzugreifen
lag nicht in der Absicht der Signoria. Mehrere Wochen blieben
die feindlichen Schiffe bei Prevesa an der albanesischen Küste
vor Anker. Als sich die Türken nach Gallipolis zurückwandten,
warf sich Doria mit fast lOO Schiffen auf Koron, das seinerzeit
berühmte Bollwerk Venedigs in Morea, und vertrieb die os-
manische Besatzung, an deren Stelle Spanier traten. Auch
Patras fiel an ihn, und er beherrschte den Meerbusen von
Lepanto. Aber kaum war er nach Genua abgesegelt, so gingen
diese flüchtigen Eroberungen wieder an die Herren des Festlands
verloren, und Koron wurde wieder, und zwar nun ausschliefslich,
mit Türken besiedelt ^).
Die ganze Seemacht der Osmanen war damals gegen den
Kaiser erforderlich. Als Khaireddin nach Konstantinopel gerufen
wurde, trat der kühnste aller Piratenführer als Kapudan-Pascha,
d. h. Admiral und zugleich Wesir, in den Dienst des Sultans,
der ihm sogleich die bedeutende Flotte des Reiches anvertraute.
Selbstverständlich verfolgte er weniger die Interessen der
osmanischen Politik, als seine eigenen, die in der Begründung
eines starken Piratenstaates in Nordafrika gipfelten. Durch Bitten
und Geschenke von selten persönlicher Feinde des Kaisers noch
besonders angefeuert, segelte Khaireddin-Pascha im Juni I534
nach Tunis, das sich ihm bald ergab; der letzte Hafside, der
nur mit seinen Haremsknaben beschäftigte Schwächling Muley-
Hassan wurde verjagt und bei einem Versuche zurückzukehren
entscheidend besiegt ^). Gleichzeitig schädigten Chaireddins
Schiffe an allen Küsten des Reiches, besonders bei Reggio und
i) Hurmuzaki, Supl. I ^, S. 2, Nr. n.
2) Vgl. Leunclavius Sp. 766 — 767. Nach der Geschichte Venedigs von
Paruta und einigen anderen Quellen in Zinkeisen II, S. 7356".; Hammer II,
s. 96—97-
3) Hammer II, S. 129 — 130.
378 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
Fondi, Karls V. Ansehen und Besitz nach Mög-hchkeit. Zwar
hatten der Hof des Sultans und die regelrechten türkischen
Truppen, die damals im persischen Kriege standen, keinen
Anteil an diesem persönlichen Unternehmen des Abenteurers.
Für das osmanische Reich aber war Tunis um so wertvoller, als
es einen ausg"ezeichneten Beobachtungsposten gegenüber den
gerade in Malta eingezog^enen Johannitern, und sein Besitz eine
beständige Drohung für die spanische Herrschaft in Sizilien und
Süditalien darstellte.
Ohne sich in einen wirklichen Krieg mit Soliman einlassen
zu wollen, aber die Abwesenheit des in Asien beschäftigten
Sultans klug wahrnehmend, suchte der mächtige Herrscher des
Westens die Herausforderung des kühnen Piraten kräftig zurück-
zuweisen. Im Mai 1535 schiffte sich der Kaiser mit grofser
Pracht in Barcelona ein ; sein ganzer spanischer und italienischer
Hof begleitete ihn ; der Papst hatte ihm sechs Galeeren und der
Grofsmeister deren vier g-eschickt; auch portugiesische Schiffe
befanden sich in der grofsen Flotte , die 74 Galeeren und 300
andere Segel zählte. Am 15. Juni befand sich Karl vor Goletta,
dessen Besitz für den der grofsen Stadt Tunis von entscheidender
Bedeutung war. Khaireddin sah sich auf sich selbst angewiesen :
nur angeblich 6000 Mann aus der Statthalterschaft Merasch *)
standen ihm zur Verfügung, während die Mohren sich für den
ins Lager Karls gekommenen Vertreter der alten Dynastie er-
klärten. Nachdem er sich einen ganzen Monat gehalten hatte,
wagte er eine Schlacht, in der ihn die Einheimischen verliefsen,
und suchte dann in Algier Zuflucht ; Karl , der seinen Zug be-
schreiben *), besingen und von Hans Verwegen — heute sind die
Kartons in der Wiener Bildergalerie — im Bilde festhalten liefs,
setzte in Tunis, in dem das Blut der unschuldigen Einwohner ge-
flossen und das gründlich zerstört war, den Hafsiden wieder in seine
i) Hammer II, S. 132.
2) Durch Armerius und Etrobius in der Wiener Ausgabe des Chal-
kokondylas, 1556 und in Schardius, Rer. German. Script. II. Vgl. San-
s o vin o fol. 396 v-o — 397 ; Leun cl av ius Sp. 776 ff. ; Charri^re I, S. 263 ff. ;
Lenz, Korrespondenzen des Kaisers Karl V. II, S. 186 ff.
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 379
Herrschaft ein (14. — 21. Juli). 18 — 20000 christliche Sklaven er-
hielten ihre Freiheit wieder. Mit Muley unterzeichnete der Kaiser
am 6. August einen für den christlichen Handel im allg-emeinen
sehr g-ünstigen Vertrag-, in dem er sich verpflichtete, gegen Geld-
entschädigung auch das alte Afrika (Afrikijeh), Biserta und Bona
(Bone) zu erobern. Tausend Spanier und zehn Schiffe blieben
beim Aufbruche des siegreichen Kreuzheeres Karls V. (17. August)
zum Schutz des Hafsiden zurück.
Die Küste der Berberen hatte stets mehr im Handelsgebiet des
nun kaiserlich gewordenen Genua oder der im Kreuzzugsgevvande
auftretenden französischen Abenteuerlust, als in der Interessen-
sphäre Venedigs gelegen. So hatte die Republik die Siege und
Eroberungen der Piraten und die darauf folgende kaiserliche
Parade Karls V. ruhig mitangesehen. Aber in demselben Jahre
griff der Proveditore Girolamo Canale unvorsichtigerweise die
Galeeren des sogenannten ,, jungen Mohren" von Alexandrien an;
umsonst überbrachte Daniele Lodovici im F'rühling die Ent-
schuldigungen der Signoria ') ; die alten freundschaftlichen Be-
ziehungen zwischen Venedig und den Osmanen waren schwer
wiederherzustellen. Der Fall Ibrahims, der Einflufs des Wesirs
Ajas, besonders aber die Tatenlust des unruhigen Barbarossa,
der die Politik des Reiches auf dem Meere bestimmte und an
Stelle der alten furchtsamen Defensive eine rücksichtslose und
immer siegreiche Offensive treten liefs, führten, trotz des offenen
Unwillens des Sultans und aller Bemühungen Venedigs, sich den
vorteilhaften Frieden noch weiter zu erhalten , zu einem Kriege
der Osmanen mit dieser bisher engbefreundeten Macht, die sich
nicht einmal offen für die Kreuzzugspolitik Kaiser Karls hatte
entschliefsen können, sondern ihm für die neue Politik im Mittel-
meere sogar gegrollt hatte.
Im Jahre 1537 war Khaireddin, der 1535 mehr als erfolg-
reicher Korsar, denn als Besiegter mit achtzehn Galeeren nach
i) .,Commemoriali" VI, S. 218, Nr. 135. Vgl. auch die venezianische Ge-
schichte Parutas; siehe auch die Notiz über den Aufenthalt Kurtoglis im Adria-
tischen Meere bei Spandugino fol. 207.
380 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
Konstantinopel zurückg^ekehrt war — der kaiserlichen Flotte hatte
Karl V. keinen Abbruch getan *) — und 1536 an der süditalieni-
schen Küste erschienen war, um Castello einzunehmen, wieder im
Westen. Er liefs zum zweiten Male auf den spanischen Balearen
plündern, besetzte Biserta und bedrohte gleichzeitig die italie-
nischen Häfen, die in kaiserlichem Besitz waren. In Rom zitterte
der Papst vor der angeblichen Gefahr. Bei Parga versuchte der
von seinem Beobachtungsposten in Messina herbeigeeilte Doria
vergebens das Geschwader des Kehaja-Begs von Gallipolis zu
vernichten, hatte aber immerhin einigen Erfolg.
Der Sultan erschien mit seinen Söhnen Mustafa und Selim
im Juni in Avlona, als wollte er wirklich Apulien angreifen.
Dorthin kam auch der mit Lutfi-beg wieder aufgebrochene Ad-
miral Khaireddin, um bei dem grofsen Rachezuge gegen Karl V.
als neapolitanischen Herrscher mitzuwirken. Aber nur schwache
osmanische Streitkräfte gingen nach Castro bei Otranto und
Barletta, besetzten einige Schlösser, wie Ugento , und wurden
bald von den Spaniern wieder verjagt. Solimans Versuch, dem
Beispiel der Eroberer von Otranto zu folgen, war mifslungen ^).
Eine starke venezianische Flotte war, ohne dafs Venedig
es für nötig befunden hätte eine Erklärung abzugeben, an der be-
drohten apulischen Küste stationiert; Girolamo Pesaro, der seiner
Pflicht nicht gerade gewachsen war, befehligte sie. Zwischen
einigen Schiffen der Republik und solchen des Sultans, die den
Gesandten Junus nach Venedig tragen sollten, kam es zum Zu-
sammenstofs (Anfang Juli); Doria, der vorher schon bei Parga ge-
kämpft hatte 2) , bekam einige Tage später bei Chimära den
Dragoman Junus in seine Hände *). Der Proveditore Alessandro
Contarini kaperte in der Nacht das Schiff des Sandschaks von
Gallipolis (27, Juli). Anderseits gerieten am 28. 200 türkische
1) Leunclavius Sp. 776 ff. Khaireddin hatte Minorca angegriffen (Char-
riere I, S. 277, 278, Anm. i).
2) Vgl, auch Sansovino fol. 397 voff. ; Char riere I, S. 332 ff.
3) Sansovino a. a. O.
4) Ebenda.
Solimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 381
Schiffe bei Otranto an die Flotte Pesaros, der sich mit 43 Ga-
leeren eilig- nach Korfu zurückziehen wollte, und brachten ihr
einige Verluste bei, obgleich der Capitano die Schlacht nicht
hatte annehmen wollen. Von all diesen Vorgängen hatte man
natürlich in Venedig keine Kenntnis; die Offiziere wurden hart
bestraft (der Argwohn lag nahe, dafs sie sich durch das spanische
Gold Dorias hatten kaufen lassen). Das bedeutete, trotz aller
Entschuldigungen seitens Venedigs, doch den Krieg.
Im August 1537 sammelten sich auf dem Festlande, Korfu
gegenüber, zahlreiche türkische Truppen an. Lutfi-beg und
Skender-Pascha von Karamanien waren ihre Führer. Sie setzten
mit 30 Geschützen auf die Insel über (25. August) und fanden
ein venezianisches Korps daselbst, das einen offenen Kampf an-
zunehmen vermied. Auch die Wesire Ajas und Mustafa, der
Beglerbeg Rums und sogar der Aga der Janitscharen sollen auf
der Insel erschienen sein; Anfang September kam der Sultan
selbst, um Zeuge der erhofften Eroberung Korfus zu werden.
Aber ein Sturm auf das starke Schlofs mifslang vollständig,
ebenso ein zweiter. Darauf verliefsen die Türken ihre Stellung
bei Potamo wieder (14. September) und gaben die aussichtslose
Unternehmung auf ^).
Aber in demselben Jahre nahm der bosnische Statthalter
nach der Niederlage und dem Tode des in ungarischem Sold
stehenden Woiwoden Peter Crussich das starke dalmatinische
Klissa, wie auch das in venezianischem Besitze befindUche Obrovaz
und andere Schlösser ein ^). Zugleich wandten sich sehr bedeu-
tende Land- und Seekräfte, teils, unter dem Sandschak Kasum,
gegen das venezianische Morea, wo Nauplion und Malvasia dank
den Verteidigungsmafsnahmen Pisanis vom September 1537 bis
in den November 1538 Widerstand leisteten, teils, unter Khair-
eddin, gegen die Inseln des Archipelagus, die sich sämtlich,
beginnend mit Syra, Stampalia und Pathmos, bis Naxos, dem
Sitze Johann Crispos, des Herzogs des Archipelagus, ergaben;
i) Sansovino fol. 399; vgl. Hammer II, S. 141 — 142; Charri^re I,
S. 339 — 340, 35°- A.m i. November war Soliman wieder in Konstantinopel;
Leunclavius a. a. O.
2) Istvänffy lib. XIII, im Anfange.
383 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
auf der Insel Agina hausten die Türken aufs furchtbarste. 1538
wurde auch Andros von ihnen erobert. Crispo, wie auch die
Sommaripa, die Pisani, die Querini von Andros, Überreste der alten
fränkischen Herrschaft im lateinischen Kaiserreich Konstanti-
nopel '), wurden als türkische Vasallen auch weiterhin geduldet.
Crispo zahlte 5000 Dukaten jährlichen Tributs. In Dalmatien
wagte es der Proveditore Camillo Orsino von Zara, die Türken
in Scardona, Ostrovizza und Obrovaz anzugreifen und diese
Schlösser zu besetzen ^) ; die Türken rächten sich durch die Ein-
nahme Nadins und anderer Schlösser.
Unter recht traurigen Verhältnissen also schlofs die Republik
am 8. Februar 1538 mit dem Papst und Karl V. den Vertrag
über eine Liga ab, die so grofsartig wie lächerlich erscheint.
Von 30000 Mann deutschen Fufsvolks, ebensoviel Spaniern und
Italienern, 5000 Reitern, 7000 christHchen Akindschis aus Italien
und zahlreicher Artillerie ist darin die Rede; am i. März sollten
sich diese Truppen in Otranto oder Brindisi versammeln. Die
Streitkräfte zur See werden auf 200 Galeeren und 100 Schiffe
veranschlagt; Portugal, das Ungarn König Ferdinands, vielleicht
auch Polen, Moskowien und sogar Franz I., der Alliierte Solimans,
würden sich, nahm man an, dem am 3. November erneuerten
heiligen Bunde anschliefsen. Da an Dorias und des Herzogs
von Urbino Sieg nicht gezweifelt wurde, so behielt sich Karl
von der Beute Konstantinopel, der Papst einen eigenen Staat im
Orient, der Grofsmeister sein Rhodos und Venedig unter anderem
Novi, Koron und Avlona vor ^).
Was von all den Plänen verwirklicht wurde, war die Versamm-
lung einer venezianisch-päpstlichen Flotte von 81 Schiffen Vene-
digs und 13 des Papstes, die dann nichts zu unternehmen wagte,
bei Korfu; der Admiral, Patriarch Griraani von Aquileja, hatte
noch keinen Sieg zu verzeichnen, als auch die vom Vizekönig
Fernando Gonzaga von Neapel, als Generalissimus des Landheeres,
i) Vgl. über diese Eroberung Hopf II; Charrierel, S. 357.
2) Vgl. auch Hammer II, S. 160 — 161; Charriere I, S. 354.
3) „Commemoriali" VI, S. 231 — 232, Nr. 24; S. 233, Nr. 29 — 30,32 — 33 usw.
Soiimans Feldzüge in Europa. Beziehungen zu Venedig usw. 383
befehlig-ten 30 Galeeren des Kaisers eintrafen. Auch die noch
spätere Ankunft Dorias führte zu keinem entscheidenden Schritt :
bei Prevesa aber liefen die Soldaten der Liga vor einigen hundert
Spahis davon. Zweimal, am 27, und 28. September, traf das
Geschwader bei Santa -Maura mit der von Khaireddin aus allen
Piratenkonting-enten zusammengebrachten türkischen Flotte zu-
sammen, und beidemal zogen sich die Christen zurück. Doria
liefs die Venezianer einfach im Stich. In der zweiten Schlacht
gingen sogar sechs christliche Galeeren verloren, und Khaireddin
verfolgte die Fliehenden bis nach Korfu; sein Sieg wurde auch
in Konstantinopel gefeiert. Die Einnahme Castelnuovos (Oktober)
durch Vincenzo Capello, dann die Risanos bei Cattaro waren die
einzigen Erfolge der Unternehmung. Sie waren den Venezianern
zu verdanken; die Spanier rückten in die schon eroberten
Plätze ein ').
Khaireddin segelte nach seinem Siege wieder in den Ar-
chipelagus, um die unglücklichen Bewohner der Inseln zu brand-
schatzen; dieses Schicksal traf Skiathos, Skyros (Juni 1538) und
das Scarpantho der Cornari. Auch vor Rettimo und Kanea er-
schienen die osmanischen Piraten ; an verschiedenen Stellen
landeten sie an der kretischen Küste. In Dalmatien, wo der
Pascha von Skutari einfiel, war die Lage gleichfalls unhaltbar,
obgleich zahlreiche deutsche Truppen von Venedig dorthin ge-
schickt waren.
Durch die Bemühungen Lorenzo Grittis kam es im März
1539 endlich zu einem Waffenstillstand. Der achtzigjährige Pier
Zeno machte sich nach Konstantinopel auf, um den Frieden
zustande zu bringen ; als er unterwegs starb, ersetzte ihn Tommaso
Contarini. Während der Unterhandlungen gingen Khaireddin
und der Pirat Tschufud mit 150 Schiffen, sowie der rumische
Beglerbeg Chosrew, der frühere Pascha von Bosnien, gemeinsam
mit schwerer Artillerie gegen das als spanisch betrachtete
i) Vgl. weiter das Kreuzzugsprojekt des in ungarischem Dienste stehenden
Dalmatiners Petaucius in Schwandtner, der auch von der Vereinigung der
christlichen Flotte in Brindisi und von der Eroberung von Schlössern bei Otianto
spricht.
384 Zweites Buch. Neuntes Kapitel. Solitnans Feldzüge in Europa usw.
Castelnuovo vor — aus Cattaro erhielten die Türken Lebens-
mittel — , das sich tapfer verteidigte. Am lO. August aber,
nach zwei siegreich zurückgeworfenen Stürmen, kapitulierte das
Schlofs, und der Befehlshaber, Don Francisco de Sarmiente, war
türkischer Gefangener ^). Risano fiel wieder an die Türken, und
Khaireddin suchte für eigene Rechnung auch Cattaro heim ; der
Perser Ulama blieb als Befehlshaber im fernen Westen zurück.
Was Contarini, der schliefslich aus Konstantinopel verwiesen
wurde, nicht gelang, versuchte als dritter Gesandter Luigi Badoer.
Drohungen und übermäfsige P'orderungen von türkischer Seite
brachten Venedig, am 2. Oktober 1540, endlich so weit, nicht
nur in die Abtretung der verlorenen Plätze und Inseln, sondern
auch Nauplions und Malvasias, als seiner letzten Besitzungen in
Morea, zu willigen, und aufserdem mufste es sich verpflichten,
300000 Dukaten Kriegsentschädigung binnen drei Jahren zu
zahlen ^) ; nur Parga und die Insel Tine gingen wieder in venezia-
nischen Besitz über; die Venezianer sollten keine Feinde des
Sultans unterstützen und dessen Vorgehen gegen sie nicht
hindern dürfen; keine der beiden Vertragsmächte wollte fortan
Piraten in ihren Häfen aufnehmen.
Ein schmählicherer Frieden war nicht denkbar; einen gün-
stigeren konnte Venedig nicht erlangen. Der Proveditore Con-
tarini ging mit einer Flotte in See, um die Besatzungen und die
Bewohner der verlorenen Schlösser, sowie das Kriegsmaterial an
Bord zu nehmen (November) ^). Kasim-Pascha verwaltete von
nun an als Stellvertreter des Sultans ganz Morea.
i) Richer in Sansovino fol. 402 — 404; vgl. Charriere I, 398 ff. 413,
Anm. I.
2) „Commemoriali" VI, S. 236 ff., Nr. 43 — 44; Charriere I, S. 451,
Anm. I.
3) Siehe ebenda S. 238, Nr. 46 — 47.
Zehntes Kapitel.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan
Soliman II. Unterwerfung der Moldau.
Im ersten Jahre der Regierung" Siütan SoHmans herrschte
an der rumänischen und serbischen Donau Ruhe. Die Befürch-
tungen des tatenlustigen jungen moldauischen Herrschers Stephan
hinsichthch der Tataren, die über den Dnjepr gegangen sein
sollten, erwiesen sich als ebenso unbegründet wie die von dem
friedlichen, Klöster bauenden Basarab Neagoe aus der Walachei
nach Ungarn geschickte Nachricht, dafs ,, der Kaiser der Türken
Seine Majestät anzugreifen beabsichtige" ^), und Neagoes An-
erbieten, dem bedrohten Königreich mit nicht weniger als 40000
Mann (!) Hilfe zu leisten, entbehrte der wirklichen Grundlage ^).
Aber die Türken des bosnischen Sandschaks , der über eine
Heeresmacht von 800 Spahis und lOOOO Dukaten Einkünfte
verfügte, bedurften nicht erst der Genehmigung oder des Befehls
ihres Kaisers, um nach alter Gewohnheit in die königlichen Grenz-
gebiete einzufallen und sich einiger Plätze, darunter Srebrnicas, der
jetzt nicht mehr so reichen Silberstadt, und sogar der bischöflichen
Stadt Knin, aber nicht auch Jaices, zu bemächtigen ; der Bischof
Peter von Wesprim fiel in einem Treffen mit den Akindschis ^).
Bald danach kam, zu Anfang des Jahres 1521, die freudig
begrüfste Nachricht nach Ungarn , dafs Soliman , der einen Ge-
i) ,.Imperatorem Cesarem Turcorum [in] Suam Maiestatem movere se velle
intelleximus"; Brief vom 26. April 15 20; Kronstädter Archiv, Fronius I, Nr. 276.
2) Ebenda; vgl. Hurmuzaki 11^, S. 332; Acta Tomiciana V, S. 272.
3) Istvänffy S. 58 — 59. Über die Zustände in Bosnien Menavino fol. 50.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II, 20
386 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
sandten nach Ungarn geschickt hatte , gestorben sei '). Hier-
durch ermutigt, hielt der im Grunde schwache, aber von leiden-
schafthchen Impulsen bewegte König Ludwig, der, nur ,, dem
Namen nach ", damals regierte ^), den Gesandten hin , statt ihm
die in Konstantinopel erwartete Antwort zu erteilen, dafs Ungarn
Tribut zu zahlen bereit sei.
Von den Wesiren befürwortete Piri den Krieg, und keinen
seiner Kollegen hatten Schmeicheleien und Geschenke für die
Interessen Ungarns eingenommen: es wurden also Vorbereitungen
zu einem Zuge des Sultans an die Donau getroffen. Der mol-
dauische Fürst, dem die Tataren das Leben schwer machten, so
dafs er seine Bojaren und Bauern zweimal in diesem Jahre zur
Abwehr aufbieten niufste, argwöhnte, dafs der Schlag ihm gelten
solle, und schrieb in diesem Sinne nach Polen, wo der russische
Herzog Konstantin Streitkräfte zur Verteidigung der Grenzpro-
vinzen sammelte ^). Im Juni und Juli — der Sultan hatte im
Mai seinen Marsch angetreten *) — erwarteten die Siebenbürger
einen Einfall der Osmanen, die unter Mehemed-beg, dem Sohne
Ali Michaloglis, und vier anderen Begs an der Donau standen.
Der Woiwode Johann Zapolya, der mächtigste aller Reichsbarone,,
berief zu Ende Juli alle Kontingente in seine Lager von Szäsz-
Sebes ^), und der König versprach seinen treuen Bürgern an der
walachischen Grenze rechtzeitige Hilfe •"). Der Bischof von Bres-
lau begab sich zum polnischen König, um von ihm, als einem
Verwandten Ludwigs, Unterstützung in schwerer Stunde zu
verlangen ^).
Inzwischen ging den Fürsten der Moldau und Walachei des
Sultans Befehl zu, gegen Siebenbürgen zu rüsten; jener, aus Kon-
i) Brief des königlichen Kanzlers an die Kronstädter; 8. Januar 1521 ; Kron-
städter Archiv, Schnell II, 62.
2) Gi o vio fol. 240.
3) Hurmuzaki 11", S. 357— 35S, Nr. 251; S. 359, Nr. 253.
4) Tagebuch in Hammer III, Anhang. Am 9. Juni war er in Philippopolis,.
am 16. in Sofia.
5) Brief des Woiwoden, 26. Juli 152I; Kronstädter Archiv, Fronius I, I49.
6) Brief vom 29. Juni; ebenda, Urk. 360. Siehe auch einen Brief des Schlofs-
hauptraanns von Gran an die Kronstädter, Juni; ebenda, Schnell II, 166.
7) flurmuzakiXI, S. 2 — 3, Nr. 3.
Venuchtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 387
stantinopel über alles gut unterrichtet, entzog- sich der Verpflich-
tung, indem er sich die Verzeihung- des Grofsherrn durch ein
reiches Geschenk von 60000 Aspern und 500 Wiehern, nebst
kostbaren Stoffen erkaufte '). Sein walachischer Nachbar lag im
Sterben; einer seiner Bojaren schrieb nach Kronstadt — es ist
dies der erste bekannte Brief in rumänischer Sprache — , dafs der
Sultan bis Sofia gedrungen sei, diese Stadt schon verlassen habe,
eine Flotte auf der Donau liege, ein ,,konstantinopolitanischer
Meister" sich anheischig mache, sie auch durch die Felsen des
Eisernen Tores bei Severin zu bringen, und Mehemed-beg, vor
dem der kranke Basarab zittre , durch die Walachei in Sie-
benbürgen eindringen wolle '■'). Noch im August aber wufste der
siebenbürgische Vizevvoiwode nichts von dem Vorhaben des
Kaisers ^).
Und doch war Schabatz, um das in den Tagen des grofsen
Königs Matthias oftmals von Ungarn und Türken so hart ge-
stritten worden war, wahrscheinlich am 6. Juli ^) schon in die
Hände des Wesirs Achmed gefallen, der am 27. Juni das kai-
serliche Lager verlassen hatte ^); die christliche Besatzung, die
aus einigen hundert Ungarn und serbischen Söldlingen bestand,
hatte vergebens heftigen, an Heroismus grenzenden Widerstand
geleistet. Soliman, der zwei Tage darauf Schabatz besichtigte,
ordnete die Ausführung neuer Befestigungen und die Erbauung
einer Brücke über die Save an ''). Ebenso wurde ohne grofse
Opfer am 12. Juli die andere Grenzfestung Semlin, Belgrad gegen-
über, durch Chosrew-beg von Semendria im Namen des Wesirs
Piri eingenommen ^).
i) Aussage des moldauischen Gesandten in Polen, Hurmuzaki II'', S. 708 flf.;
vgl. ebenda XI a. a. O.
2) Der Brief in Hurmuzaki XI , S. 843, Anm. i; Jorga, Bra^ovul §i
Rominii, S. 283 — 284 u. a.
3) Brief vom S.August an die Kronstädter; Kronstädter Archiv, Fronius I, 228.
4) Die Nachricht und hundert Köpfe der V'erteidiger gelangten am 7.-8. ins
Lager ; ebenda.
5) Solimans Tagebuch a. a. O.
6) Solimans Tagebuch a. a. O.
7) Vgl. die ungarischen Quellen Istvdnffy und Tubero in Schwandtner
mit Leunclavius; Hurmuzaki IP, S. 364, 365 — 366, Nr. 258.
25*
388 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Belgrad war auf eine längere Verteidig-ung- nicht vorbereitet.
Während Piri-Pascha dann nach Belg^rad weiter marschierte, ver-
heerten Behram-beg- von Nikopolis und Mehemed von Silistrien
an der Spitze der Akindschis die syrmische Insel und nahmen
den Führer der ungarischen Martolodschen , den Serben Deli-
Marco, der einen Verwandten des tatarischen Khans getötet hatte,
gefangen ^). Hassan-beg, ein Sohn Omars, aus dem Geschlechte
der Turakhanoglis , und Bali-beg, der Sohn des Wesirs Jahja,
waren in anderen Richtimgen erfolgreich nach Beute und Sklaven
ausgeritten ^). Die Hauptleute, die die Stadt als unabhängigen
Besitz betrachteten und dem König trotzten ^) , waren an den
königlichen Hof beschieden worden und sie konnten mit den
angesammelten Streitkräften nicht mehr ins Schlofs gelangen.
Denn schon war dieses, das die glorreiche Erinnerung an einen
Johann Hunyady und Capistrano verkörperte, von der türkischen
Hauptmacht unter dem Sultan selbst eingeschlossen worden. Os-
manische Heeresabteilungen nahmen, ohne auf Feinde zu treffen,
die mehr oder weniger befestigten Nachbarortschaften, wie Salan-
kemen, Titel, Peterwardein, in Besitz und versuchten sich sogar
Severins zu bemächtigen.
Zwar kam der kranke König von Ofen bis Teten, wo er
sich am 26. Juli befand, aber das auf dem Reichstage von Ofen
beschlossene Heer wollte sich nicht unter seinen Fahnen einfin-
den ; der Palatinus, Stephan Bäthory, der Sohn des Andreas und
Neffe des unter König Matthias bekannten Verteidigers von Sie-
benbürgen gegen die Osmanen, schlug sein Lager beim Dorfe
Zenta auf, ohne von da aus weitere Bewegungen machen zu
können; andere Truppen sammelten sich in Tolna; vom König
Ferdinand , dem Schwager Ludwigs , erwartete man deutsches
Fufsvolk und Geschütze *). Darauf beschränkten sich alle An-
strengungen der Ungarn, um den wichtigen Schlüssel der Donau-
linie, der den Weg nach Ofen, wo Selim eine Moschee zu bauen
versprochen hatte, öffnete oder sperrte, in der Hand zu behalten.
i) Solimans Tagebuch a. a. O.
2) Ebenda.
3) Verancius, Mon. Hung. Hist, Scriptores II, S. 13 ff.
4) Hurmuzaki n\ S. 365—366, Nr. 258.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 389
Niemals sank ein Staat schneller dem endgültigen Untergange
entgegen als hier.
Am I. August war Soliman mit Mustafa -Pascha und Ach-
med-Pascha, nebst dem Aga der Janitscharen , vor Belgrad an-
gelangt. Eine mit 500 Janitscharen bemannte Flottille auf der
Donau verlegte den Feinden , die übrigens nur geringe Lust
hatten , ihn anzutreten , den Weg in die Stadt. Ein Turm am
Ufer des Flusses wurde am 4. in Brand gesteckt — und am S.
erfolgte von drei Seiten her der grofse Sturm der drei Paschas
und führte schnell zum Ziele. Die Serben, die ihre ungarischen
Herren hafsten, zündeten die Stadt an; die am Leben gebliebe-
nen Verteidiger retteten sich ins Schlofs *). Ein neuer Sturm
Achmed-Paschas galt dann dem von einigen hundert Ungarn
verteidigten Schlosse; er mifslang, und die Angreifer mufsten
sich zurückziehen (16). Nach neun Tagen suchten die Belagerten
um eine ehrenvolle Kapitulation nach, die ihnen verweigert wurde ;
am 26. /27 schlugen ein driiter und vierter Sturm fehl, und die
Verluste in den Reihen der Osmanen, zu denen noch Janitscharen
aus Diarbekr und die Leute Uweis-begs , des Sohnes Schach-
suwars, gestofsen waren, erwiesen sich als recht bedeutend. In-
folgedessen nahmen die Verhandlungen mit den Christen ihren
Fortgang, und am 28. küfsten zwei Ungläubige aus Belgrad die
Hand des Sultans und versprachen die Übergabe für den fol-
genden Tag. In der Tat erschien am 29. der Befehlshaber ^)
vor dem Sultan, und türkische Musik verkündete den Sieg. Am
30, verrichtete Soliman sein Gebet in einer der neuen Moscheen.
Die Ungarn wurden entweder getötet oder nach Salankemen über-
geführt, die Serben nach Konstantinopel geschickt, und Balibeg,
der Sohn Jahjas, blieb in Belgrad und Semendria als Sand-
schak mit einem Einkommen von 900000 Aspern zurück. Die
türkischen Plätze an der Donau erhielten Geschütze , um jedem
i) über die serbisch-ungarischen Zwistigkeiten berichtet der ungarische Chronist
Brutus in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts; von Engel, Gesch. von Serwien,
S. 455, zitiert; Ausgabe in den „Mon. Hung. Hist.", Scriptores XII — IV.
2) Die drei Stellvertreter der Bane Franz Hederväry und Valentin Török
■waren Michael More, Blasius Oläh und Johann Bathory ; F e fs 1 er - Kl e i 11 III,
S. 329. More übergab das Schlofs.
390 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Angriffe widerstehen zu können: Schabatz 20, Semendrien 50,
Belgrad selbst 200. Am 19. Oktober befand sich Soliman wie-
der in Konstantinopel ; seine Freude über den grofsen und leichten
Sieg wurde durch die Trauer über den Tod seines Sohnes Mu-
rad und einer Tochter getrübt ^). Er hatte die Reliquien der
Heiligen Paraskeve (Petka, Veneranda), die später von dem mol-
dauischen Fürsten Vasile Lupu in die Kirche der drei Hierar-
chen in Jassy übergeführt wurden, wo sie noch heute sind, und
die der Heiligen Barbara, sowie ein berühmtes Bild der Mutter
Gottes mitgebracht und liefs sie sich vom griechischen Patriarchen
mit 12000 Dukaten abkaufen 2).
Der durch die Einnahme Belgrads stark befestigten Stellung-
der Türken an der Donau gereichten die in den Jahren 1521
und 1522 in der Walachei eintretenden Verhältnisse zur weiteren
Sicherung. Im September, als der Sultan sich noch in Belgrad
befand, starb Fürst Neagoe tmd hinterJiefs einen unmündigen
Sohn, unter der Vormundschaft seiner Gemahlin Milita und sei-
nes Bruders Preda. Der Sultan betraute Mehemed-beg- mit der
Regelung der Erbschaft. Als Preda im Kampfe mit den Bojaren
vonBuzäü, die einen neuen Fürsten, Vlad, einsetzen wollten, den Tod
fand, war Mehemed Herr des Landes. Im Oktober besiegte und
tötete er Vlad und machte sog^leich mit Türken und Rumänen
einen Einfall nach Siebenbürgen, ins Szeklerland. Darauf riefen
die Bojaren der östlichen Walachei Radu aus dem Dorfe Afu-
matl zu ihrem Herrscher aus, und das Land fiel dem jungen,
tüchtigen und tapferen Fürsten zu ; Mehemed schickte den Für-
sten Teodosie mit aller Habe und nicht weniger als 32 Geschützen,
angeblich zu seiner Sicherheit, nach Nikopolis ^).
Das ganze Jahr 1522 hindurch dauerte der Kampf zwischen
i) Die ganze Erzählung nach dem Tagebuche Solimans, dem gegenüber die
ungarischen Chroniken — Istvanflfy, Verancius, Brutus, Georgius Sirmiensis
(„Mon. Hung. Hist.", Script. I) und Tubero — nur geringeren Wert haben können.
2) Spandugino fol. 204 ff.
3) Vgl. „Studii §i documente" III, S. XL\Tff., besonders auch die Erzählung
des moldauischen Gesandten in Polen, Hurmuzakill^ und den Brief König
Ludwigs ebenda, S. 373 — 375, Nr. 264.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman U. usw. 391
Mehemed und Radu um den Besitz des vvalachischen Fürsten-
tums; das Grabmal des ersteren, auf dem er g^ekrönt und
beritten, mit dem Buzdug-an in der Hand und im Winde fliegen-
den Mantel dargestellt wird, spricht von Siegen und Niederlagen,
bei Gubavl, Stefeni am Flusse Neajlov, nicht weit von der Donau,
bei Clejanl, Ciocänesti, bei der Landeshauptstadt Bukarest und
der alten Hauptstadt Tirgoviste , am Flusse Argesel im Norden,
beim Dorfe Plata und bei Alimänestl im Distrikte Teleorman
gegen den Oltflufs hin. Mehemed drängte ihn, noch im Winter,
von der Donau bis zu den Karpathenpässen, und der Besiegte
suchte in Siebenbürgen Schutz. Von dort kam er im Juni mit
siebenbürgischer Hilfe zurück. ,,Das kürzeste und schwerste"
Treffen fand bei Grumazi statt, Radu siegte, drang bis zur Donau,
und seine Reiter erschienen sogar auf dem bulgarischen Ufer,
wo sie einige Dörfer verbrannten; bsi Swischtow und Nikopolis er-
folgten weitere kleine Treffen.
Nach einigen Wochen aber mufste Radu, bei Gherghita, einer
alten Fürstenresidenz aus dem 15. Jahrhundert, bei Bukarest und
im Westen bei Slatina geschlagen, im August, nachdem ihm die
Bauern beim Schlosse Poienari im Gebirge aufgelauert und eine
empfindliche Schlappe beigebracht hatten, wieder über die Kar-
pathen fliehen. Darauf griff der Woiwode Johann Zäpolya in den
Kampf ein , um im Interesse seiner Provinz und des ganzen
Reiches die Walachei von den Donautürken zu befreien , und
warf diese bis PitestI zurück, so dafs Mehemed das Land ver-
lassen mufste.
Im Winter 1523 aber sind wieder die Türken und die mit
ihnen im Bunde stehenden walachischen Bojaren die Herren.
Wiederum sieht sich Radu, der Vertreter der christlichen Inter-
essen, zur Flucht gezwungen, wiederum kehrt er bald zurück.
Die Pforte verzichtet endlich auf die Absicht, Mehemed-beg als
kaiserlichen Statthalter der Walachei aufzunötigen, und findet in
Vladislav unter den türkenfreundlichen Prätendenten einen Fürsten
aus der alten Dynastie. Vor diesem geht Radu im April 1523
wieder über das Gebirge zurück. Als Vladislav von rebellischen
Grofsen, die dem Bojaren Bädica als neuem Radu-Vodä huldigen,
besiegt wird, stellt sich eine Schar Türken, unter dem Vorwande
393 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
ihm die Bestätig-ungszeichen des Sultans zu überbringen, bei dem
Sieger ein, und unter ihren Streichen endet seine kurze Herr-
lichkeit und sein Leben. Der andere Radu, der schon bis Tirgo-
viste gedrungen war, mufs, von den Türken Vladislavs verfolgt,
der Walachei aufs neue den Rücken kehren. Aber die Anarchie
nimmt in dem unglücklichen Lande kein Ende, bis die Türken
selbst einsehen, dafs Radu der allein mögliche Herrscher ist.
So werden denn beide Fürsten zur Pforte beschieden und Vla-
dislav verbleibt daselbst als Mazul , während Radu de la Afu-
mati mit Unterstützung des mächtigen Balibeg von Belgrad eine
friedliche Regierung beginnt. Aber erst im Laufe des Jahres
1525 gelangt der Streit um den Thron durch eine Empörung-
gegen den wieder zurückgekehrten Vladislav und seine Ermor-
dung zum Austrag *).
In den Jahren 1523 — 24 war König Ludwig auf einen neuen
Schlag gegen sein in anarchischem Wirrwarr befindliches König-
reich gefafst, und die Polen sahen mit gleicher Sorge die An-
sammlung türkischer Scharen im Gebiet von Kili und Akkerman^).
Dazu kam, dafs ein neuer Khan verdächtige Pläne zu nähren schien :
Tataren raubten 1523 bis nach Przemysl hin, und Herzog- Kon-
stantin vermochte ihnen die Beute nicht zu entreifsen ^). 1524
drangen andere wieder bis Krakau und entgingen dem sie ver-
folgenden Palatin *). Auch hatte der moldauische Fürst seine
guten Beziehungen zu Polen abgebrochen. Dagegen erhielt
Stephan 1523 von König Ludwig 1000 Gulden als Unterstützung-
bei einem künftigen Zusammenstofs mit den Donautürken, den
er freilich klug zu vermeiden wufste, indem er durch Geschenke
in Konstantinopel die Entfernung seines entschiedenen Feindes,
des Begs von Silistrien, durchsetzte °). Das im Herbst 1525
i) Vgl. „Studii §i doc." III, S. XLViff. ; ebenda VI, S. 593 ff. ; meine „In-
scrip^ii diu bisericile Romäniei" I, S. 148 ff. ; „Indreptän ^i intregiri", S. 29ff.,
nach unedierten Kronstädter Akten.
2) Meine ,,Chilia §i Cetatea-Alba" S. 183.
3) Hurmuzaki II*, S. 459 — 460, Nr. 316; vgl. XI, S. 3, Nr. iv.
4) Ebenda H^, S. 479 ff-
5) Kronstädter Archiv, Schnell II, 70; Hurmnzaki IP, S. 716 ff. : die
Ausführungen des moldauischen Gesandten in Polen.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 393
verbreitete Gerücht, dafs die Türken an der Donau einen Angriff
des Königs gewärtigten und die Pforte Frieden mit ihm wünsche,
erwies sich als Erdichtung *) ; im JuU ritten die Bosnier wieder
tief ins Herzogtum Österreich hinein und schleppten 3000 Sklaven
fort ^).
Für das Jahr 1524 traf man in allen Grenzprovinzen wenigstens
einige Verteidigungsmafsnahmen. So in Dalmatien, wo die Türken
dennoch Skardona ^) und Ostrowitza überrumpelten, in Segna, in
Syrmien, wo der Erzbischof Paul Thomory über einige tausend
Aldndschis einen Sieg errang, der von seinen Landsleuten un-
geheuerlich übertrieben wurde und damit zu der Verblendung,
die die Katastrophe von Mohäcs herbeiführte, wesentlich beitrug"*),
in Bosnien, wo das wieder angegriffene Jaice eine stärkere Be-
satzung erhielt; der Beg von Skardona stellte sich sogar vor
Klissa ein. Auch die Donaulinie wurde nicht vergessen. In Se-
verin zog ein neuer Burghauptmann, Johann Kallay, ein, und die
Sachsen erhielten Weisung, das Schlofs in besseren Zustand
zu setzen ^). Bereits 1521 hatte ein Reichstag zu Ofen für alle
Stände des Reiches Kontributionen festgesetzt, die mehr als
45 000 Dukaten brachten *>) ; der Papst hatte 3000 Dukaten ge-
schickt und Venedig leistete regelmäfsig die seit einem halben
Jahrhundert üblichen Subsidien.
Als Balibeg sich im August gegen Severin (das Szöreny
der Ungarn) wandte und nahe dem Schlosse ein anderes erbaute,
um daraus die Ungarn zu beschiefsen, sammelten sich wirklich
einige Reichstruppen unter dem Grafen von Temesvär und Peter
Pereny, denen sich Kontingente einiger hoher Kleriker an-
schlössen ; und der Woiwode Zapolya schlug sein Lager in
Lippa (Lipova) auf, während zwei Vizewoiwoden ihn in Sieben-
i) Venezianischer Bericht vom 20. Oktober 1523; »Capi Consiglio X".
2) Bericht vom 8. Dezember 1523; ebenda „Dalmazia".
3) Siehe neuntes Kapitel, za Ende,
4) Istvdnffy z. J. 1522; besonders Georg ins Sirmiensis, S. 106 ff.
Vgl. Fefsler-Klein IE, S. 339.
5) Hurmuzaki 11^, S. 404 — 405, 471 ff.
6) Ebenda S. 371 ff.; Fefsler-Klein III, S. 331 ff.
394 Zweites Bach. Zehntes Kapitel.
bürgen vertraten ^). Man fand aber nicht den Mut, bis Severin
zu dringen, und Balibeg nahm das Schlofs fast unter den Augen
des ohnmächtigen Entsatzheeres und zerstörte es auf Weisung
aus Konstantinopel ^). Darauf eroberte der tüchtige Belgrader
Sandschak noch Orsova; auch vor der Bischofstadt Pecs oder
Fünfkirchen erschienen die Janitscharen, mufsten aber unver-
richteter Sache wieder abziehen ^).
1525 schlofs der polnische König einen neuen Frieden mit
dem Sultan ab; Ungarn war nicht darin einbegriffen, weil die
Türken eine eigene Gesandtschaft Ludwigs II. forderten, die
dieser, weil er den Gesandten Solimans getötet hatte und gleiches
für den seinigen fürchten mufste, nicht schicken konnte *). Daher
glaubte man, als Soliman sich im August nach Adrianopel begab,
um hier mit einem wahren Heer von Jägern grofse Jagden ab-
zuhalten, dafs es um Ungarn geschehen sei ^). Aber der schon
als geschehen gemeldete Übergang der Türken über die Donau
erfolgte nicht ^). Nur in Bosnien griff der neue Pascha, während
die Akindschis bis Agram hin raubten, die feste Stadt Jaice, die
Erbschaft des grofsen Königs Matthias an; Balibeg und der
Sandschak von Monastir waren mit vielen Geschützen eben-
falls im osmanischen Lager. Ende Oktober erwarteten die Be-
lagerten den Grafen Christoph von Frangepani, der zum Ban von
Kroatiens ernannt worden war; er brachte von den erhofften
5000 Büchsenschützen, 5000 Reitern und 500 Gendarmen
wenigstens so viele mit, dafs die Türken sich vor ihm zurück-
ziehen mufsten '). Die ungarischen Quellen erzählen von Waffen
i) Hurmuzaki IP, S. 477 — 478, Nr. 333.
2) Ebenda 11^ a. a. O. ; der venezianische Bailo schreibt im August 1525,
dafs „la forteza di S. Severin . . ., ut fertur, de importantia non manco di Bel-
grado" sei; „Missive e responsive" 1524 — 1527.
3) Ebenda S. 404 — 405, 517.
4) Hurmuzaki U, S. 29 — 30, Nr. xxxn; IP, S. 503 ff.
5) „Missive e responsive" 1524 — 1527.
6) Vgl. Hurmuzaki II», S. 490».
7) Vgl. die venezianischen Berichte aus Zara vom 20. August und 26. Ok-
tober 1525; „Capi Consiglio X, Dalmazia ".
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliraan II. usw. 395
und Fahnen, die im bosnisch-serbischen Lager erbeutet worden
seien *).
Der Feldzug- Solimans im Jahre 1526 sollte die Rechnung-
bald entscheidend ändern.
Schon im Februar wufste der moldauische Fürst, dafs der
Sultan sich gegen Ungarn zu wendun gedenke 2), und in der
Fastenzeit erlangten die Siebenbürger die Gewifsheit, dafs Soliman
auch ihr Land angreifen werde; in Peter Off, der die kleine
Besatzung des walachischen Bergschlosses Poienari befehligte,
hatte der Woiwode Zäpolya einen sicheren Kundschafter ^). Er
suchte den in Familienangelegenheiten zwischen den F'ürsten
Stephan und Radu — den letzteren unterstützten Donautürken*) —
ausgebrochenen Krieg unverzüglich beizulegen^), und sein Be-
mühen hatte Erfolg. Als dann die Kamele mit Material zur Er-
bauung der Brücke über die Save bei Belgrad ankamen und ganz
offen in Nikopolis und an allen anderen Donauübergängen eif-
rige Vorbereitungen für den Krieg getroffen wurden, konnte das
Projekt Solimans für niemand mehr ein Geheimnis bleiben ^).
Es wäre ungerecht, dem ungarischen Hofe alles Verständnis
für die bevorstehende Gefahr abzusprechen. Den gewöhnlichen
königlichen Missiven an alle Machthaber des katholischen Westens
— an den benachbarten rumänischen Fürsten einen Gesandten
zu schicken, versäumte Ludwig aus Verachtung, und doch hätte
einen Bund der Donaustaaten zustande zu bringen am meisten
not getan — , den selbstverständlichen Ermahnungen an die
Böhmen und Schlesier, die zwar Untertanen des Königs, aber
zu kriegerischer Unterstützung gegen die Feinde Ungarns nicht
verpflichtet waren, gingen weitere Mafsnahmen parallel. Der
Befehlshaber in Syrmien, Paul Thomory, in dem die ungarischen
Grofsen einen Helden und vorzüglichen Kenner der türkischen
Verhältnisse erblickten, wurde an den Hof in Visegräd berufen (März),
i) Is tvan f fy z. J.
2) Hurmuzaki II ", S. 519, Nr. ccCLXI. Vgl. auch S. 520 ff., 522, Nr. cccLXn.
3) Archiv von Kronstadt, Schnell III, 72, 75.
4) Hurmuzaki II, S. 30 — 31, Nr. xxxni.
5) Ebenda XI, S. 324. Nr. v. 6) Ebenda II», S. 525 fr.
396 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
um Über die ihm zufallende Aufgabe unterrichtet zu werden. Ein auf
den Tag- des Heiligen Georg einberufener Reichstag beschäftigte
sich freilich nur wenig mit der Verteidigung des Vaterlandes;
man begnügte sich, die Banderien und Bauern zum i. Juli nach
Tolna zusammenzurufen, und im übrigen zankten sich mehrere
Wochen hindurch, die wahrlich nicht hätten verloren werden
dürfen, Mitglieder des Adels und Günstlinge des Hofes, Partei-
gänger Zäpolyas und Verböczys auf der einen, und Bäthorys
auf der anderen Seite, vor den fremden Gesandten, die mit Ent-
rüstung solchen Szenen zuschauten, über die Entfernung der
Deutschen aus dem Gefolge der Königin, schlechte Verwendung
der Reichseinkünfte, die man öffentlich dem König vorzuwerfen
sich nicht scheute, über die Person des zu ernennenden Palatins
und das königliche Recht, Ungarn allein oder durch einen
oder zwei Hauptleute zu verteidigen. Erst am 9. Mai schlofs
der Reichstag endlich seine Sitzungen, und einer der Gesandten
fafste das, was er gesehen hatte, in den Eindruck zusammen,
dafs der Papst, wenn der Sultan dieses Reich überhaupt angreifen
wolle, auch Ungarn getrost den schon verlorenen christlichen
Ländern zurechnen möge ^).
Dem König lag also die Last, den verantwortungsvollen
Krieg gegen die Osmanen durchzuführen, allein ob, um so mehr,
als die erwählten Hauptleute, Christoph von Frangepani, den
sein Erfolg bei Jaice hochmütig gemacht hatte, und Nikolaus
von Salms, ihrer Pflicht in diesem entscheidenden Augenblick
vergafsen. Ludwig aber führte das Leben, an das er sich ge-
wöhnt hatte, nach wie vor weiter, ,, schlief bis Mittag und er-
öffnete den Reichsrat um die Mittagszeit, als ob er die Gefahr,
von der zu sprechen er vermied, auch nicht ahnte" ^). Diese
Worte schrieb der päpstliche Vertreter, Burgio, am 19. Juni.
Und doch brachte man damals alles Silber in den Kirchen zu-
sammen, trug das blutige Schwert umher, um die gemeinen
i) „Se '1 Turco viene, torno et replico quello che molte volle ho scritto :
Sua Santitä metti l'Ungaria al numero di le altre cose perse"; Bericht Burgios
vom 25. April; Hurmuzaki II', S. 529 — 530.
2) „Maiestas Regia nee commemorat, nee sentit periculum , dormit usque in
meridiera et consilium incipit in meridie"; Hurmuzaki II ', S. 540, Nr. CCCLXXVII.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 397
Bauern unter die Fahnen zu rufen, und aus seinem Lager zu Pecs
verlangte der Palatin Bäthory, dem es an allem mangelte, Gold
und Soldaten ^). Die Türken hatten auf fester Brücke schon die
Save überschritten.
Während Kurtogli mit zehn Galeeren, zu denen später noch
zwanzig andere stiefsen, ins Schwarze Meer segelte, um auf der
Donau dem grofsen Heere Lebensmittel zuzuführen, brach der
Sultan mit Ibrahim und Ajas-Pascha am 23. April, dem Sankt
Georgstage der Christen, aus Konstantinopel auf-). Am 29. Mai
stand das kaiserliche Lager bei Sofia; es regnete so heftig, dafs
man für die Zelte fürchtete. Das Anschwellen der Morawa
zwang das Heer, bei beständig schlechtem Wetter über Aladsche-
Hissar zu gehen. Hier erhielt Ibrahim Befehl, sich nach dem
Donauübergang bei Peterwardein zu wenden und den Palatin aus
seinem schlecht befestigten Lager, das fast nur von bäuerlichen
Scharen erfüllt war, zu verjagen.
Am I. Juli liefs Ibrahim die rumischen Truppen, die auf
diesem Zuge die Hauptmacht bildeten, wenn auch der anatolische
Beglerbeg Bechram mit zahlreichen Spahis gleichfalls zum kaiser-
lichen Kriege sich eingestellt hatte, Revue passieren. Am 6.
trafen die bosnischen und herzegowinischen Sandschaks mit ihren
kühnsten Akindschis bei Semlin ein. Am 8. erhielt Soliman
bei Szalänkemen Gewifsheit, dafs nur der ,, schlimme und verfluchte
Priester", d. h. Erzbischof Thomory, den Donauübergang besetzt
halte und den Osmanen dort den Weg verlege. Da er kaum
2000 Mann schlechter Truppen bei sich hatte, feierte das türkische
Lager in Ruhe und Sicherheit den Bairam ; Soliman weilte
während dieses gröfsten Festes des Islams in Belgrad.
Am 12. Juli standen die Türken dann vor Peterwardein, wo
nach dem Rückzuge Thomorys nur tausend Ungarn verblieben
waren ^). Vor der grofsen Übermacht des Feindes hefen die
i) Ebenda; vgl. S. 540, Nr. cccLXXvn ; S. 542, Nr. CCCLXXIX.
2) Tagebuch Solimans in den Anhängen zu H a m ra e r III ; vgl. die vene-
zianischen Berichte vom 3. und 29. März , dann vom 16. Mai in ,,Missive e re-
sponsive" 1524 — 1527; auch Alb^ri S. in.
3) Broderics, auch als Anhang zu Bonfinius, Reussner, Schardius,
Katona (XIX) u. a.
39S Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
furchtsamen, zum Kriege gfetriebenen Bauern einfach auseinander.
Am 15. zog-en die kaiserlichen Truppen in die Stadt ein; die
Bosnier und die Leute Mehemed-Begs MichalogH eilten in
schnellem Ritte weiter, um die Zeit zu Streifereien auszunützen.
Doch hielt sich das Schlofs von Peterwardein gegen die os-
manische Artillerie recht wacker; mehr als tausend Türken
fielen bei den zwei, am 21. und 23. Juli unternommenen Stürmen
unter seinen Mauern, und man mufste den Sultan um weitere
tausend Janitscharen angehen, um der schwierigen Aufgabe Herr
zu werden. Geschickt gelegte Minen halfen endlich am 27. mit
zur Einnahme des Schlosses, und Solimans Tagebuch konnte
lakonisch ,, fünfhundert abgeschnittene Köpfe, dreihundert Ge-
fangene" verzeichnen. Darauf vereinigten sich die Scharen des
Grofswesirs und des Sultans und setzten ihren Marsch gemeinsam
als ein einziges Heer fort ; es galt jetzt bis nach Ofen zu dringen.
So verkündete man am 9. August feierlich den Truppen. Ujlak
hatte sich ergeben — ,, zwölf Ungläubige wurden in Ujlak in
den Kaftan gekleidet", fügt das Tagebuch hinzu — , und noch
andere Schlösser, wie Erdöd, waren in osmanische Hände
gefallen.
König Ludwig war erst am 24. Juli von Ofen nach Tolna
aufgebrochen, wo sich noch keine Truppen eingefunden hatten;
sehnlichst suchte und erwartete man jetzt Verteidiger des wie
niemals vorher bedrohten Reiches. Endlich brachte Stephan
Bathory mit den Truppen der Königin und des Erzbischofs von
Gran 3000 Leute zusammen, und einige weitere Mannschaften
begleiteten den etwas später eintreffenden Andreas Bathory. Aus
Stuhlweifsenburg entbot man Georg Zäpolya, der mit 300 Reitern
und 1200 Fufstruppen herbeikam; aber Franz Batthyäny und
Christoph Frangepani säumten im Lager zu erscheinen. Ver-
gebens rief man nach der vom römischen König Ferdinand er-
warteten Hilfe; aus der Ferne kamen nur einige Böhmen unter
Stephan Schlick, 1300 Söldlinge des Papstes und 1500, ebenfalls
vom Papste besoldete *) Polen, deren Führer Leonard Gnoienski
i) Vgl. Hurmuzaki 11, S. 55fif..
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman IL usw. 399
war. Im g-anzen hatte der König' kaum 20000 Mann, zur Hälfte
Bauern. Thomory und Georg- Zäpolya wurden zu Oberbefehls-
habern ernannt. Der siebenbürgische Woiwode Johann Zapolya
erhielt mehrfache Weisung, den anfänglichen Plan eines Einfalls
in die Walachei und über die Donau aufzugeben und seine
Streitmacht dem König zuzuführen; er war aber durch die Beschlüsse
des letzten Reichstags allzu verärgert, um sich diesem Befehl zu
fügen und mit seinen erklärten Feinden und Beleidigern zur
Rettung des Reiches zusammenzuwirken.
Erst am 15. August brach das bunte, undisziplinierte und
von den widerstrebendsten persönlichen Interessen beseelte unga-
rische Heer — einige der Herren erklärten, dafs sie kraft ihrer
Privilegien nicht jenseits der Drau kämpfen würden — von
Tolna auf, unter einem Könige, dem jeder so schlecht wie
möglich diente, um ihm dennoch die ganze Verantwortung für
die kritische Lage zuzuschieben. Das Lager wurde beim Dorfe
Mohäcs, wo Ludwig schon 1521 gestanden hatte, um das Reich
zu verteidigen, — auf einer Wiese zwischen Bäta und der
Drau, nicht weit von der Donau aufgeschlagen; der Lauf der
Drau und ein Nebenarm desselben umfafsten es derart, dafs unter
einigen rebenbedeckten Hügeln sich weite schlammige Gründe
ausdehnten ^).
Von den raubenden ungarischen Martolodschen belästigt,
hatte sich das riesige osmanische Lager nicht ohne Schwierigkeit
und Verluste zur Drau hinaufgeschoben, die es am 15. August
erreichte. Unverzüglich wurde eine Brücke geschlagen; ein
Belgrader Woiwode war der erste, der sie am 20. überschritt,
um Kundschaft einzuholen; zum Lohn erhielt er ein Lehen von
9000 Aspern jährlicher Einkünfte. Am 21. und 22. erfolgte der
Übergang aller Truppen über den breiten Flufs; dann brannten
sie Essek nieder. Es regnete unaufhörlich, den Boden bedeckten
grofse Pfützen und Nebel verhüllten den Horizont. Dennoch
standen die Osmanen am 29. August den glänzenden Rittern
und den armseligen bäuerischen Haufen des königlich ungarischen.
Lagers gegenüber ^).
iroderics. 2) Solimans Tagebuch.
400 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Weitere Truppen erwarten oder, wie einige vorschlug^en,
den Sultan um Frieden bitten und sich dafür zur Zahlung- des
Tributs bereit erklären, wollten die ungarischen Grofsen, die im
Lager die eigentliche Entscheidung hatten, nicht. Teils war es
der Wunsch, ein Ende der Strapazen des Feldzugs zu sehen,
teils glaubten sie, in verblendetem Hochmut, den mit seinen
besten Streitkräften ihnen gegenüberstehenden Kaiser der Türken
in ofifener Schlacht, wie sie bisher kein König Ungarns gewagt
hatte, besiegen zu können. Obgleich der erfahrene Bischof von
Grofswardein den Ausgang des Kampfes richtig voraussagte, und
unumwunden aussprach, dafs die Ungarn sehr bald neue Glaubens-
märtyrer sein würden, wenn sie den Kampf aufnähmen, verlangte
die Mehrheit der Edelleute ungeduldig und stürmisch nach der
Schlacht, die ihnen ewigen Ruhm einbringen sollte. Zu den
schon vorhandenen königlichen Truppen hatte sich noch der
Ban Kroatiens, der Agramer Bischof und einige andere Kon-
tingente gesellt.
Ohne nach dem Rate des polnischen Führers hinter den
Wagen Deckung zu suchen, ohne Kenntnis von der Stellung der
Türken, traf man die Anordnung der Schlachtlinie. Auf dem
rechten Flüg^el stand der Ban, auf dem linken Pereny; den
König liefs man unter der Ehrengarde dieser Edelleute, die mehr
einen Gefangenen zu bewachen als einem Monarchen Gefolgschaft
zu leisten hatten, in zweiter Linie; so wenig im Kriege wie in den
politischen Kämpfen der Friedenszeit gönnte oder vertraute man
ihm eine Rolle an. Ein kläglicheres Schauspiel war bisher in
der militärischen Geschichte nicht gesehen worden.
Die Ungarn bildeten sich ein, durch eine energische Attacke
mit ihren schönen, starken Pferden die ganze Reiterei der Spahis
auseinandersprengen *) und dann dem Sultan und seinen Jani-
tscharen auf den Leib rücken zu können. Nachdem sie den
ganzen Vormittag auf einen Angriff des osmanischen Heeres
gewartet hatten, bewegte sich endlich ein feindliches Korps
i) Vgl. Giovio fol. 241: „Una pazza bravura, non fondata nella vera
prattica dell' armi, una bestial fierezza."
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 401
langsam bei den Hügeln rechts von ihnen vorwärts, und was
ihnen besonders auffiel, war das vollständige Schweigen als
Wirkung der unvergleichlichen Disziplin, die den Feinden stets
noch mehr als die Tapferkeit der Osmanen imponierte *). Nach
kurzem Kriegsrate, in dem nicht der König, sondern die ihm
aufgedrägten Vormünder entschieden — wurde dem armen
Fürsten doch sogar die Leibgarde wieder entzogen, weil sie zu
anderen Zwecken nötig war — , ritten die prachtvollen Banderien
der ungarischen Feudalen unter ,, Jesus "-Rufen gegen die Spahis
an. Diese zogen sich nach ihrer Gewohnheit in guter Ordnung
zurück, und schon rief Andreas Bäthory: ,,Sieg!", als die im
Tale von Földvar verborgenen türkischen Geschütze gegen den
rechten ungarischen Flügel in Tätigkeit traten. Die allgemeine
hierdurch entstehende Verwirrung, die bald in wilde Flucht aus-
artete, verschlang den Erzbischof von Gran, viele andere hervor-
ragende Persönlichkeiten und den König. Die Türken drängten
die Christen planvoll in die durch unaufhörlichen Regen ver-
gröfserten Sümpfe; ein neuer Regengufs in der Nacht ver-
schlimmerte die Katastrophe noch. Die Sümpfe von Mohäcs
wurden zum Grabe vieler Tausende von Mitgliedern der besten
Familien des Reiches. Den Kopf Thomorys, des verhafsten
,, Priesters" (Derwischs), trugen die Sieger zur Schau umher,
viele Gefangene, nach dem kaiserlichen Tagebuche 12000 an
Zahl, wurden enthauptet und ihre Köpfe am 31. August dem
auf goldenem Thron sitzenden Soliman gezeigt. Allmählich
fand man die Leichname der Erzbischöfe von Grofswardein,
Csanäd, Fünfkirchen, Raab und Bosnien; Georg Zäpolya blieb
spurlos verschwunden. Den jungen, unglücklichen König ent-
deckten die Akindschis auf dem Pferde sitzend, beschmutzt, tot
in einer Pfütze. Als einige Monate darauf der Nachfolger Ludwigs
einen Gesandten nach Konstantinopel schickte, machte einer der
Wesire diesem gegenüber die Bemerkung, dafs Osmanen niemals
ihren Kriegsführer und Herrscher „in einem Tümpel" hätten
ertrinken lassen ^).
i] „Tacite incedens, sola hastarum summitate prodeunte"; Broderics.
2) „Carte nos credebamus Ungaros precipuos vires, sed non invenimus eos
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. 26
^Q3 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Die Türken rühmten sich, auf dem verhängnisvollen Felde
von Mohacs nicht wenig-er als 20000 Mann Fufsvolk und 40OQ
schwer gepanzerte Ritter begraben zu haben; dieses vom Tefterdar
von Rum geleitete Geschäft nahm die ersten zwei Tage des
Septembers in Anspruch. Das Dorf wurde niedergebrannt und
alle an den Wegen angetroffenen Bauern getötet, um der Be-
völkerung des nun als erobert und annektiert betrachteten König-
reichs Ungarn den gebührenden Schrecken einzuflöfsen. Noch
bestanden kleine Heeresabteilungen, die an der Schlacht nicht
teilgenommen hatten : Zäpolya befand sich mit den Siebenbürgern
bei Szegedin, Christoph Frangepani mit Kroaten bei Agram,
Böhmen und Brandenburger im Norden; um die Person der
Königin, die sich mit dem Schatzmeister, dem Bischöfe von
Veszprem und dem päpstlichen Gesandten von Ofen aus auf
die Donau begeben hatte, hätte vielleicht ein nationaler Wider-
stand organisiert werden können.
Aber der dazu geeignete Mann erschien nicht. In Eil-
märschen am Donauufer entlang gelangte Soliman über Tolna
schon am ii. September nach der königlichen Burg Ofen.
Niemand machte einen Versuch, Widerstand zu leisten. Der
Sultan ritt mit seinem bevorzugten Günstling Ibrahim durch die
stumme, verlassene Stadt, die trotz seiner Befehle bald in Flammen
aufging; auch die Hauptkirche wurde ein Raub des Feuers. Doch
blieben das Schlofs des Königs und die ganze Burg unversehrt,
und die Räume, die manche Feier ungarischer Triumphe gesehen
hatten, hallten von der orgiastischen Kriegsmusik der mosleminischen
Eroberer wider. Soliman legte Janitscharen in das Schlofs, das-
er sich als künftige Residenz vorbehielt, und ging auf der neu-
erbauten Brücke nach Pest hinüber. Hier sammelte sich auch
das ganze Heer, und als die Brücke unter dem riesigen Verkehr
bonos pugnatores , qui regem suura non a nobis, sed a parva aqua liberare
neglexerunt" ; Hurrauzaki II, S. 38fr.; vgl. auch Leunclavius Sp. 7616".;
Hurmuzaki IT'', S. 557, 558ff.; Sammbucus in Bonfinius S. 556fF.;.
Giovio fol. 241 ff. Vgl. auch Gevay, Urkunden und Aktenstücke zur Ge-
schichte der Verhältnisse zwischen Österreich, Ungarn und der Pforte, i Fasz..
(Wien 1840), S. 16.
Veniiclitung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 403
schliefslich zusammenbrach, setzte der Naclitrab mit Mehemed,
Chosrew und Omar-beg-og-li auf Kähnen über. Die Geschütze
und bronzenen Standbilder des Ofener Schlosses, die zu neuen
Kanonen verwendet werden konnten, wurden fortgeschleppt, und
Soliman führte auch die ganze jüdische Bevölkerung- der un-
garischen Hauptstadt mit sich weg.
Erst am 25. September verliefs der Sultan Ofen; es fehlte
ihm an Truppen, um das ganze Land bis Raab besetzen zu
können; die Schlösser Gran und Visegräd wurden von den
Ungarn noch gehalten, und bei Märoth hatten Bauern und Mönche
den Akindschis in regelrechtem Kampfe, mit Wagen und Artillerie,
erfolgreich widerstanden. Auch die Janitscharen, die auf das
Schlofs gelegt worden waren, gingen mit zurück. Denn der
Regen hielt auch im frühen Herbste an, an Lebensmitteln war
Mangel: ein Mafs Gerste kostete 120 Asper und eine Kila Mehl
200. Auf dem Rückwege berührte man Szegedin und Titel. Vom
Palatin verfolgt, gelangte das Heer zur wiedererbauten Brücke von
Peterwardein, w'o alle Sklavenbesitzer das Fünftel, das penta-
merion oder pendschik entrichte.ten. Hier und da stiefsen
die Türken auch auf heftigen Widerstand. Beim Übergang über
die Brücke kam die Nachricht von der zilizischen Empörung,
die den Anadol-Beglerbeg nach Asien zurückrief. Nur in Peter-
wardein und Ujlak wurden Besatzungen zurückgelassen. Am
18. Oktober war das Heer bei Nisch, am 25. in Sofia, am
13. November hielt der Sultan seinen Einzug in KonstantinopeD).
Solange noch ein ungarisches Heer in guter Verfassung
vorhanden war, solange Siebenbürgen keinen Feind gesehen
hatte — Soliman hielt es für notwendig, Radus Sohn als Geisel
für die Walachei zu verlangen ^) — , solange endlich eine starke
Partei sich um den Woiwoden Johann Zäpolya scharte, in dem
sie seit langem den künftigen König von Ungarn zu sehen ge-
wohnt war, gehörte Ungarn dem Sultan nicht. Im Lande war,
mit Ausnahme der Plätze an der Save , kein Janitschar zurück-
1) Solimans Tagebuch; vgl. Broderics und Giovio a. a. O.
2) Solimans Tagebuch.
26*
404 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
geblieben, keinem Spahi war ein Lehen auf ungarischem Boden
verliehen worden, nirgends hatten Tefterdare ein Verzeichnis von
Vermögen und Besitz irgendwelcher Art aufgestellt. Verbrannte
Städte, Schlösser und Dörfer, verödete Provinzen, deren Ein-
wohner in die Sklaverei geschleppt worden waren, und die Er-
innerung, dafs der Kaiser das Ofener Schlofs zu seiner Behau-
sung geweiht, die Hufe seines Pferdes den Grund der königlichen
Residenz zertreten hatten, und besonders die mit dem Turban
geschmückten Grabsteine der gefallenen Sahibs , die bis zum
letzten Atemzuge für die Ehre des Hauses Osmans, für die Gröfse
des Reiches und die Verbreitung des unüberwindlichen Islams
gekämpft hatten, das war das Resultat des Zuges Solimans.
Nach dem mit Wladislaw abgeschlossenen Vertrage war der
römische König Ferdinand unzweifelhaft Erbe der Krone von
Ungarn, er bedurfte nur der Bestätigung eines Wahlreichstages,
und die Unterstützung der im Gefolge seiner Schwester, der
Witwe König Ludwigs, befindlichen Magnaten und der alten
Widersacher Zäpolyas, Bäthory an ihrer Spitze, war ihm sicher;
auch die kroatischen Grofsen, deren Gebiet in Glück und Un-
glück so eng mit den benachbarten Besitzungen des Hauses
Österreich verbunden war, mufsten ihn jedem anderen Bewerber
als Herrn vorziehen. Unter dem Vorw^ande, Beschlüsse zur Ret-
tung des Reiches zu fassen, berief die Königin- Witwe den Reichs-
tag, aber schon war ihr Zäpolya zuvorgekommen und hatte einen
solchen, angeblich ebenfalls zu demselben Zwecke, in Tokaj jen-
seit der Theifs zusammengebracht, auf dem ihn die Stimmen
seiner Parteigänger am i6. Oktober zum König von Ungarn aus-
riefen, und im November liefs er die Leiche seines Vorgängers
feierlich in Stuhlweifsenburg begraben *). Ferdinand dagegen
wurde erst am i6. Dezember von den Seinigen in dem von
Deutschen bewohnten Prefsburg, der bedeutendsten Stadt Nord-
ungarns, gewählt; am ersten Tage des folgenden Jahres trat dann
eine Versammlung der Kroaten dieser Wahl bei, während Chri-
stoph Frangepani die slawischen Stände für König Johann, den
,,Waida" seiner Gegner, gewann 2).
i) Fefsler-Klein III, S. 400 ff. 2) Ebenda S. 412.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 405
Die Streitig^keiten zwischen den beiden Königen von Ungarn
begannen noch in demselben Jahre 1527; einige ihrer Anhänger
wechselten die Partei, und die Lage klärte sich nicht. Zapolya
hatte eine Zeitlang mit dem Aufstand des sogenannten ,, Schwar-
zen Manns" oder Tzar Iwans zu tun, der in naiver Form als
angeblicher ,, Enkel der byzantinischen Kaiser" *) serbische Un-
abhängigkeitsgelüste vertrat und der auch im südwestlichen Sieben-
bürgen, besonders aber unter den bedrängten, als Leibeigene
lebenden Rumänen Unterstützung gefunden hatte ^) ; dieser be-
siegte den Vizewoiwoden Peter Pereny und wurde erst nach
einem am Marosflusse gegen Emerich Czibak verlorenen Treffen
von den Bürgern Szegedins getötet ^). Im Monat Dezember hielten
die Truppen Zäpolyas Grofs- Wardein, Kaschau und Erlau besetzt
und König Johann feierte, von zwei rumänischen Prätendenten
begleitet, eine Taufe im Hause eines seiner Anhänger ^). Dann
aber besiegte ihn Ferdinand und liefs sich krönen; Johann mufste
in sein Siebenbürgen zurückweichen, wo die Sachsen auf selten
seines Gegners standen. Auch in den ersten Monaten des Jahres
1528 erlitt Zapolya im Kampfe mit dem weit stärkeren Feinde
empfindliche Niederlagen und seine Lage wurde immer aussichts-
loser.
Da sandte er in seiner Bedrängnis den Polen Hieronymus
Laski als ersten Gesandten an den Sultan, um von ihm die An-
erkennung als König von Ungarn und zugleich Hilfe gegen F'er-
dinand zu erlangen.
Soliman hatte Ungarn nach dem glänzenden Zuge von 1526
beinahe vergessen. Nur die in Bosnien noch ungarisch geblie-
benen Festungen reizten die Türken, und rühm- und geräusch-
los fielen Jaice und Banjaluka an Khosrew ^) ; Graf Christoph
i) „Genere, ut pro certo assertur, de familia imperatorum constantinopoli-
anorum"; Hurmuzaki II ^, S. 614, Nr. ccccxv ; vgl. auch S. 617, Nr. ccccx\Tl
bis ccccxvni.
2) Hurnjuzaki 11'', S. 623 — 625; Kronstädter Archiv, Schnell III, 71.
3) Ebenda. Vgl. Fefsler-Klein III, S. 418, 420—421.
4) Hurmuzaki VIII, S. 53, Nr. LXVIII.
5I Istvanffy, S. 99, Jahr 1527.
406 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Frangepani, der „besonders angestellte Vormund und Beschützer
der Reiche Dalmatien, Kroatien und Slawonien" *), war vor kurzem
für Zapolya im Kampfe gefallen '■') , und so konnte sein helden-
haftes Eintreten vom Jahre 1525 für die Rettung Jaices nicht
wiederholt werden. In der ehemaligen bosnischen Hauptstadt lei-
steten 1528 nur die Deutschen Ferdinands unter dem berühmten
Kondottiere Katzianer Widerstand; nach einer Belagerung von
zehn Tagen aber war Jaice im Besitz der Bosnier ^). Auch unter-
nahmen Anfang 1528 die Türken in Semendria Raubzüge nach
Kärnten und machten viele Sklaven *). Obwohl also die Türken
den ungarischen Verhältnissen nur geringes Interesse entgegen-
brachten, wurde Laski doch mit heftigen Vorwürfen empfangen,
weil sein Auftraggeber, der Erdely-Ban, sich, ohne den Kaiser
als alleinigen Flerrn von Ungarn zu fragen, zum Könige dieses
Reiches aufgeworfen, diesem und den Wesiren keine Geschenke
gesandt und keinen Tribut versprochen habe ; Solimans Absicht
sei, seinen Palast von Ofen wieder in Besitz zu nehmen. Aber
Laski verstand in gut orientalischer Form und geschickten Ver-
gleichen auf solche Angriffe richtig zu antworten , so dafs er
schliefslich den Zweck seiner Sendung erreichte : Zapolya wurde
,, unter das Kleid und den Schatten"-'') des Sultans genommen
und ihm die sofortige Hilfe des Sandschaks von Nikopolis und
der beiden rumänischen Fürsten, sowie einige Geschütze zuge-
sagt; auch sollte eine osmanische Flotte auf der Donau erschei-
nen. Am 3. Februar 1528 hatte Laski Abschiedsaudienz bei
Soliman ^).
Doch liefsen sich dieselben Wesire dadurch nicht abhalten,
im März auch mit Hobordanszky oder Hoberdanacz , dem Ge-
sandten König Ferdinands, zu verhandeln , der freilich nicht die
Geschmeidigkeit und Klugheit Laskis besafs und, da er sich wenig
gefügig zeigte — er hatte alle von den Ungarn verlorenen
i) Klaic S. 443.
2) Fefsler-Klein III, S. 424.
3) Klaic S. 443—444.
4) Hurmuzaki II, S. 53; Gevay, II, S. 44.
5) „Sub illius manica et umbra''; ebenda.
6) Hurmuzaki II, S. 65—66.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 407
Schlösser zurückverlangt, worauf Ibrahim antwortete: „warum
fordert er nicht gleich Konstantinopel?" — , sehr bald zurück-
geschickt wurde '). Auch die angebliche Anregung Ferdinands,
dafs der walachische Fürst Radu, der mit den Wesiren, besonders
mit Ajas ^), befreundet war und dessen Sohn Laski als Geisel zu
benutzen wünschte, vermitteln möge ^), hätte zu nichts geführt *).
Dagegen war in der Moldau der Nachfolger Stephans des Jüngeren,
Peter Rares, ein Bastard Stephans des Grofsen und ein kluger
und verständiger Mann, der viele Jahre in den Reihen des ge-
meinen Volkes zugebracht hatte , der Sache König Ferdinands
ergeben ^). Der von türkischer Seite zugesagte Zug des Donau-
begs nach Siebenbürgen ^) kam, vielleicht Radus wegen, der die
für sein Land aus einem solchen zu erwartenden Unannehmlich-
keiten fürchtete, nicht zur Ausführung ^). Aber in Polen, dessen
König 1528 in der Person Johann T^czynskis einen neuen Ge-
sandten an die Pforte geschickt hatte ^), brachte Zäpolya ein tüch-
tiges Heer zusammen, mit dessen Hilfe er Ende 1528 bedeutende
Erfolge errang; hierdurch ermutigt, erklärten einige walachische
Bojaren ihren Fürsten des Throns verlustig und ermordeten ihn
auf der Flucht (Anfang 1529).
Ruhig sahen noch die Osmanen dem wechselnden Spiele des
Parteiglückes in dem doch einmal von ihnen eroberten Ungarn
zu. Erst als Valentin Török im Frühling 1529 mit Söldnern
Ferdinands in Siebenbürgen eindrang, erhielt Rares Erlaubnis, in
i) Gevay I-, z. Jahre. Vgl. H ur m uz a ki VIII, S. 53ff., Nr. LXIX. Be-
ziehungen Ferdinands zu dem im Frühling 1527 gestorbenen Bali-beg (Anfang
1527), Gevay I, S. 3 7 ff. Vorbereitungen für Hobordanszky, ebenda S. 62 ff.
2) Hurmuzaki II, S. 43. 3) Ebenda S. 64 — 65.
4) Vgl. Hurmuzaki H, S. 67, Nr. XL ; XI, S. 4—5, Nr. vii.
5) Berichte Pier Zenos, Konstantinopel. 12. und 29. Mai 1528; ,,Capi Con-
siglio X, Costantinopoli".
6) Vgl. auch Kronstädter Archiv, Schnell II, 81, 82.
7) Vgl. über die schwankende Politik dieses Fürsten, der noch Anfang 1528
auf Zäpolyas Seite stand, „Studil ?i documente" III, S. xxix , nach den von
Schuller im „Archiv für siebenbürgische Landeskunde" XXVI, XXVIIl und
XXIX veröffentlichten Akten aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Über
eine Zusammenkunft Zäpolyas mit Mehemed-beg, Georg iusSirmiensis S. 272 ff.
8) Hurmuzaki Suppl. II', S. 19 — 21, Nr. v — ^^.
408 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
dieses Land einzufallen, und die Moldauer erkämpften im Juni
vor den Mauern Földvars einen bedeutenden Sieg gegen die dem
deutschen Könige treuen Sachsen ^). Es war das ein Vorspiel
des ersten Krieges, den Soliman in diesem wichtigen Jahre gegen
König Ferdinand beginnen sollte.
Am lo. Mai verliefs der Sultan seine Hauptstadt; es war
öffentlich bekanntgegeben worden, dafs er nach Ungarn gehe,
um in diesem seinem neuen Lande Ordnung zu schaffen. Der
Wesir Ibrahim und, wie 1526, der kleinasiatische Beglerbeg Bech-
ram waren bei ihm ; auch die Wesire Ajas und Kasim begleiteten
ihren Herrn. Wieder, wie 1526, hatte man viel vom Regen zu
leiden. Erst am 17. JuH stand Soliman vor Belgrad, am 13. August
überschritt er auf einer Brücke, deren Herstellung von dem Übeln
Wetter sehr erschwert worden war, die Drau.
Die Auffassung, dafs der Weg durch eigenes Gebiet führe,
bedingte den friedlichen Charakter des Zuges; aller Raub und
jede Erbeutung von Sklaven war streng untersagt ; täglich kamen
,, magyarische Begs" von der Partei Zäpolyas, um den Kaiser
ihres Königs ehrerbietig zu begrüfsen. Am 18., fast am Jahres-
tage des grofsen Sieges, befand sich das kaiserliche Lager auf
dem an Erinnerungen reichen Felde von Mohäcs ; der Boden war
wieder ebenso morastig wie an dem für König Ludwig verhäng-
nisvollen Tage. Hier am Orte der schmählichsten Niederlage
erschien der Nachfolger des im Stich gelassenen und elend im
Sumpf ertrunkenen Königs vor seinem Oberherrn, um ihm, den
er anerkannte , ohne sich noch zu Tributzahlungen verpflichtet
zu haben, ,,den Handkufs zu leisten". Am 18. August ging
Ibrahim-Pascha mit fünfliundert Reitern Zapolya entgegen, eine
bisher keinem christlichen Grofsen erwiesene Ehre. Am folgen-
den Tage weilte König Johann mit glänzendem Gefolge, zu dem
Laski, der gelehrte Kanzler Verböczy und der in Siebenbürgen
zu Einflufs gelangte Emerich Czibak gehörten, im kaiserlichen
Lager zu Mohacs. Soliman erhob sich , als er des ungarischen
Herrschers von seinen Gnaden ansichtig wurde, vom Throne und
i) Geschichte des rumänischen Volkes I, S. 374 ff.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 409
liefs sich so weit herab, dem Könige, den er als sein Geschöpf
betrachten durfte, drei Schritte entg-egenzugfehen ; Zapolya nahm
auf einem niedrigeren Sitze vor dem Kaiser aller Kaiser Platz.
Seinem Range in der osmanischen Reichshierarchie entsprechend,
als christlicher Statthalter in dem durch das Schwert eroberten
Reiche Ungarn , erhielt er ein Geschenk von nicht weniger als
vier Kaftanen aus Goldbrokat und vier reich geschmückten ara-
bischen Pferden ; dem Sultan bot er seinerseits nach dem Brauche
des Ostens, der dem Untergebenen niemals mit leeren Händen
vor dem Vorgesetzten zu erscheinen erlaubte, einen grofsen Dia-
manten als Gabe dar. Die Zeremonie war im übrigen die für
den Diwan übliche, nur dafs ein glänzendes Heer das Zelt um-
gab, worin der Handkufs vor sich ging ^).
Nun betrachtete Soliman es als Pflicht , seinen Reichsvikar
in die von einigen tausend deutschen Söldnern des rechtmäfsi-
gen Königs Ferdinand besetzte, unter den Befehlen Thomas Na-
dasdys stehende Hauptstadt Ofen zu geleiten. Am 31. August
wurde Ibrahim zum Serasker des eigentlich erst jetzt beginnen-
den Krieges gegen die Deutschen, die als Usurpatoren in Un-
garn eingedrungen waren, ernannt. Als der letzte Vertreter der
neuen, von den Ungarn eingesetzten serbischen Despotenfamilie,
der Sohn des Ungarn Johann Beriszlö ^), dem Sultan seine Ehr-
erbietung bezeigte, stand dessen Heer vor Ofen, in den Wein-
gärten der serbischen, ,,räitzischen" Vorstadt. Die Besatzung
lehnte eine Kapitulation zunächst ab und galt also den Osmanen
als im Aufruhr befindlich, aber schon am zweiten Tage gingen
einige Mann zu den Türken über. Eine Zobelmütze nach unga-
rischer Art auf dem Kopf, nahm Soliman die Befestigungen Ofens
in Augenschein; am 7. September wurde ,,eins der unteren Tore"
besetzt, und am folgenden Tage ergaben die Söldner den Stürmen-
den das Schlofs. Die Janitscharen, die auf grofse Beute gehofft
hatten, brachen gegen den Befehl, nichts in der Königsresidenz
anzutasten, in offenen Aufruhr aus und bewarfen einige Hofoffi-
i) Vgl. die bei Hammer wiedergegebene Erzählung im Tagebuche Solimans
und die Erwähnung bei Georgias Sirmiensis, S. 256ff.
2) Siehe Engel, Geschichte von Serwien, S. 453 — 456.
410 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
ziere, die nach ihrer Vermutung- die Kapitulation zustande ge-
bracht hatten, mit Steinen ; sie fielen über die dem Vertrage zu-
folge ruhig abziehenden Deutschen her und machten die meisten
nieder.
In Ofen, das als dem ung-arischen Herrscher gehörig be-
trachtet wurde, blieben nur fünfzig der unzufriedenen Janitscharen
als Ehrenwache für ihn zurück. Während der Kaiser auf der
Jagd Zerstreuung suchte , fiel dem Segban-Bascha die Aufgabe
zu, den ,,Janusch" auf den Thron zu erheben; er tat es, wie er
jeden anderen höheren Beamten seines Herrn in sein Amt ein-
g-esetzt hätte; und der „Janusch" zeigte sich nach den Vor-
schriften der türkischen Hofetikette dem Vollzieher der Ein-
setzungszeremonie mit einer Gabe von 2000 Dukaten erkenntlich ;
andere tausend wurden an die Janitscharen verteilt. Soliman
hatte schon vor seiner Ankunft in Ofen Anstalten getroffen, um
Pereny, der die Krone Sankt Stephans in Händen haben sollte,
gefangennehmen zu lassen und dieses Zeichen der Legitimität
dem ihm genehmen Könige zu sichern ^) ; man fand das Kleinod
dann im eroberten Visegräd ^).
Umsonst bemühte sich König Ferdinand, vom Sultan Frie-
den zu erkaufen; Soliman wollte den Gesandten des ,, Königs
von Wien" (nach dem ungarischen ,,Becs-Kiraly") nicht vor sich
sehen, und der Dalmatiner Jurisich, der es übernommen hatte,
dem Sultan für wenigstens zehn Jahre ein jährliches Geschenk von
20000 bis 100 000 und ebenso dem Grofswesir eins von 5000
bis 40000 Dukaten anzubieten, erlangte nicht einmal die für den
Gesandten einer feindlichen Macht erforderlichen Pässe ^).
Vielmehr liefs man die Serben unter dem Beg von Semendria
auf das Herzogtum Österreich los , damit sie daselbst als Akin-
dschis nach Belieben raubten und plünderten, was sie mit bestem
Erfolge ausrichteten ^).
1) Solimans Tagebuch.
2) Fefsler-Klein III, S. 438.
3) Gevay, Fasz. 1529.
4) Solimans Tagebuch und die zahlreichen, bei Hammer zitierten österreichi-
schen Quellen, meistens Lebensbeschreibungen Karls V., Zeitungen und Klage-
lieder; vgl. Leunclavius Sp. 763—764.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 411
Das Hauptheer wandte sich über Komorn, Raab, Prefsburg-,
Altenburg an der österreichischen Grenze, d. h. über Städte und
Schlösser, die Zapolya und also dem Sultan selbst bereits g-e-
hörten, nach den erblichen Besitzungen des erzherzoglichen
Hauses. Unter Mehemed Michalogli, der sich als ,, Verwandten
des Herzogs von Savoyen und des Königs von Frankreich von
weiblicher Seite her" ausgab '), ritten die Akindschis bis tief ins
Innere Österreichs und die benachbarten Provinzen Ferdinands
hinein. Als das Lager sich noch bei Brück befand (24. Sep-
tember), stand Jahja-Pascha-Ogli schon vor den Mauern Wiens
und sandte dem Sultan abgeschnittene Köpfe der Bürger als
blutige Trophäen zu. Am 26. hielt auch Ibrahim vor der kö-
niglichen Residenz des Feindes; am 27., einem traurigen, kalten
und regnerischen Tage, langte Soliman selbst an und liefs sein
rotes Zelt auf der Höhe des Semmerings aufschlagen.
,,Am 22. des Monats Moharrem", schrieb Soliman einige
Wochen später an seine Freunde in Venedig, ,, kamen wir zu
der Stadt, die Becs heifst, und als der dortige König dessen inne
Avurde, machte er sich auf und begab sich fliehend in das Reich
Böhmen nach seiner Prag genannten Stadt und verbarg sich
dort, so dafs wir nicht mehr wissen , ob er am Leben oder tot
ist ^)." In Wien befanden sich Graf Nikolaus von Salm und
Katzianer, beide in der Kriegskunst der Türken erfahren, sowie,
als oberster Befehlshaber, der aus dem Westen gekommene
Pfalzgraf Philipp, dem aber an der Rettung Wiens geringeres Ver-
dienst zukommt als den beiden erstgenannten. In den ersten
Tagen verzeichnet das Tagebuch Solimans nur leichte Schar-
mützel, bei denen es auf einige abgeschnittene Köpfe mehr oder
weniger nicht ankam. Wie vor Rhodos, begannen am 5. Oktober
die Sandschaks von Bosnien und Semendria Minen zu legen,
und man arbeitete daran die Gräben aufzufüllen. Am 9. waren
zwei Breschen am Kärtner Tore geöffnet worden, aber der darauf-
hin unternommene Sturm wurde zurückgeschlagen; eine dritte
Bresche bemerkte man am 11., zwei weitere am 12.
1) Giovio fol. 244: „Per via di donna si fä paiente del duca di Savoia
et del re di Francia."
2) Hammer, Beilagen zum dritten Bande.
413 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Ein frühzeitig'er Winter setzte ein: am 17. erfolgte starker
Schneefall. An dem Entschlufs der Belagerten, bis zum äufser-
sten Widerstand zu leisten, konnte nicht gezweifelt werden; ein
Kriegsrat fand statt und beschlofs den Rückzug, wenn ein letzter
allgemeiner Sturm nicht zum sofortigen Falle Wiens führen sollte.
Den Eifer der Janitscharen spornte ein Geschenk von tausend
Dukaten an; am 14. rissen zwei Minen wieder eine grofse Lücke
in die Mauern am Kärntner Tor, aber der nun erfolgende Angriff
der besten osmanischen Truppen endete mit einem Rückzuge.
Bereits in der folgenden Nacht brachte man die Geschütze auf
Kähne und brach am 16, das Lager ab. Dieser Ausgang hin-
derte freilich die Türken nicht, ihre Wafifentaten im fernen Westen
unter den unbezwinglichen Mauern des berühmten Wien als Sieg
des Kaisers zu feiern ^).
Bis Raab ging der Marsch unter fortwährendem Schnee-
gestöber sehr schwer vor sich ; einige Karren mufsten sogar ver-
brannt werden, und die Artillerie brachte man auf der glück-
licherweise noch nicht zugefrorenen Donau mühsam weiter. Am
24. langte das Heer wieder bei Ofen an : König Johann erschien^
um den Kaiser zu begrüfsen; er wurde von allen drei Wesiren
empfangen; am 28. erblickte er das Antlitz seines Herrn wieder,
der ihn mit den üblichen Geschenken bedachte. Die Krone von
Ungarn befand sich noch in den Händen Ibrahims , dessen Ge-
päck auf dem Wege zurückgeblieben war, und erst vom näch-
sten Lagerort aus konnte das wichtige Kleinod, das man zunächst
den „berittenen ungarischen Begs" zeigte, von Gritti, der aus
der Hand Zapolyas 2000 Dukaten bereits erhalten hatte, Pereny
und dem vor Wien zu den Türken übergegangenen, von den
Osmanen Arschik genannten Sekretär Simon Deäk Athinai dem
,,Janusch Kiral " überbracht werden 2).
Der Rückmarsch gestaltete sich fortdauernd schwieriger, und
der Janitscharen-Aga erlag den Anstrengungen und Entbehrungen.
Am 6. November wurde Peterwardein erreicht. Erst nach ein-
undzwanzig Tagen war das Lager bei Sofia. Nach weiteren Regen-
i) Solimans Tagebuch.
2) Ebenda.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 41S
tagen erfolgte endlich am i6. Dezember die „glückliche An-
kunft" des Kaisers in Konstantinopel ^), während die Anhänger
Ferdinands in Siebenbürgen von einem vollständigen Siege Kaiser
Karls über Soliman , dem Tode Ibrahims und Grittis und der
Flucht des Sultans, der „allein auf dem Wasserwege zurück-
gekehrt sei", zu berichten wufsten ^).
Auch im folgenden Jahre 1530 gehörte Siebenbürgen den
Anhängern König Ferdinands. Nach der Ermordung Radus
hatten die Bojaren der kaiserlichen Partei Basarab, einen natür-
lichen Sohn Neagoes, auf den Thron erheben wollen und schon
ins Land gebracht ^), die Donaubegs aber Moise, den Sohn des
vorigen Regenten Vladislav , zum Fürsten eingesetzt. Dieser
wurde, nachdem er viele seiner Bojaren hatte hinrichten lassen, von
den Donautürken nach Siebenbürgen verjagt, und an seine Stelle
trat ein den Türken gefügiger Vlad (Juni). Gegen ihn erschien
aus Siebenbürgen zuerst der sächsische Phantast Mark Pemflinger,
der sich im Falle eines Erfolges den Besitz Giurgius, Turnus,
Nikopolis' und Plewnas ausbedungen hatte, und besiegte ihn, ehe
ihm die Türken noch zu Hilfe eilen konnten; Friedensverhand-
lungen führten zu keinem Ende, da die Bedingungen zu schwer
waren *). Von Hermannstadt aus brach dann im August unter
den Befehlen Majläths, des Führers der siebenbürgischen Ferdi-
nandisten, und Gaspar Horvaths ein Heer von rumänischen Pri-
begs und Einheimischen auf, um mit Hilfe der mit Moise ver-
schwägerten oltenischen Familie der Pirvulestl ^) diesen wieder
nach Tirgoviste zu führen. Es drang längs dem 01t bis gegen
die Donau vor, wo Moise beim Dorfe Viisoara ermordet und
Majläth gefangengenommen wurde; doch kam er später zu den
Seinigen zurück. Mit Mehemed-beg, als dem ersten unter den
i) Solimans Tagebuch.
2) „Solns per aquam reversus est." Brief Stephan Majläths, des Befehls-
habers von Fogaras, 3. und 13. November 1529; Kronstädter Archiv, Schnell
UI, 96, 105.
3) Meine „Studii §i doc." III, S. l.
4) Ebenda S. LI.
5) ^g^- „Geschichte des rumänischen Volkes" I, S. 367 ff.
414 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Donaubegs, vereint, gelangte Vlad bis zu den siebenbürgischen
Pässen , und sie hatten den Mut, dieselben zu überschreiten.
Majlath begleitete sie jetzt als neubekehrter Anhänger Zäpo-
lyas, und die Kronstädter wurden gezwungen, zu ,, König Hans"
zu schwören; auch Hermannstadt, wo Nikolaus Gerendy in König
Ferdinands Namen waltete, suchten die Türken und Rumänen
heim '). Aufserdem fielen, von Zäpolya gerufen, die Türken Se-
mendrias ins österreichische Ungarn ein und kehrten mit zahl-
reichen christlichen Gefangenen zurück ^).
Von einem neuen kaiserlichen Zuge war nicht die Rede :
hätte er doch eines politischen Zieles entbehrt. 1530 erschienen
in Konstantinopel als Gesandte Ferdinands Lamberg und der
schon einmal abgewiesene Jurisich. Jetzt, nachdem Soliman
durch den Verlauf der Belagerung Wiens die Macht des Deut-
schen kennen gelernt hatte, wurde ihnen ein besserer Empfang
zuteil. Sie mufsten den Vorwurf hören, dafs ihr Herr vor dem
Kaiser nicht habe erscheinen wollen , obgleich dieser in Ofen,
Bruch und Wien, ,,der schonen Stat, in einem ebnen Lande li-
gund mit genuegsamen gueten Weinwaxs, auch schonen Gepierg
und ebnen Land umgeben", allda er sich ,,ein Haus zu bauen"
wünschte, ihn erwartete; und der Wesir Ibrahim verlangte, dafs
Ferdinand auf alle Rechte und Besitzungen in Ungarn verzichte
und seinen Bruder, Kaiser Karl, bewege, sich ,,aus teutschen
Landen in Yspania zu ziehen", wo sein Erbe sei; wenn er diese
Bedingungen nicht annehmen wolle , so sei auch von keinem
Tribut zu sprechen, denn ,,der Kaiser verkhauf nit Lande, er
bedurf auch unsers Geltz nit; und zeigte uns durch das Fenster
Suben-Turn, die warn all vol Geltz, auch Silber und Golds, die
hab er noch nie angrifen"^).
Ein im November unternommener Versuch, Ofen zu erobern
i) Vgl. meine „Inscriptii" I, S. 195 — 196; II, S. 820; dann Hurmu-
zaki II ^, S. 667 — 672; II\ S. 71 — 72, Nr. xivi ; Ostermayer in den Quellen
zur Geschichte der Stadt Kronstadt IV, S. 499.
2) Pray, Epistolae, S. 359.
3) Gesandtschaftsbericht im Anhange zu Hammer III, und dann in Gevay
a. a. O.
Vernichtung der Königreichs Ungarn durcli Sultan Soliman II. usw. 415
— Gritti, den Zäpolya zum Grafen von Marmaros und Generalstatt-
halter ernannt hatte, weilte als Kundschafter des Sultans in der
Stadt — , scheiterte '); nach läng-erer Belagerung mufsten sich die
Deutschen Rog-gendorfs zurückziehen 2). Das Vorhaben erhöhte
aber selbstverständlich den Zorn des Sultans über den „König-
von Wien", und auch der Abschlufs eines Waffenstillstandes
zwischen Ferdinand und Zäpolya bis zum Ende des Jahres 1531
trug nicht dazu bei, ihn abzuschwächen. Die neuen Gesandten
Ferdinands, der Graf zu Nogarola und Lamberg, erreichten in-
folgedessen 1531 ebenso wenig wie die früheren, obgleich sie
Vollmacht hatten, einen Tribut bis zu 100 000 Dukaten anzu-
bieten. Soliman hatte den Entschlufs gefafst, noch einmal nach
Ungarn zu gehen, und liefs die deutschen Vertreter absichtlich
an seinem Hofe hinhalten ^).
Der beabsichtigte Zug aber galt nicht mehr dem Becs-Ki-
raly, sondern seinem Bruder Karl, den die Türken einfach ,, Kö-
nig von Spanien" nannten, ,, Der Kaiser", schrieb Ibrahim, „ist
nicht in diese Länder gekommen , um armen Leuten Schaden
zuzufügen, sondern nur, um den König Karl von Spanien zu
suchen ; denn dieser beunruhigt die ganze Welt, verjagt Könige
und Herzöge und verkauft ihnen ihre Länder wieder und nimmt
Geld dafür; er hat sich die Krone auf die Stirn gesetzt und sagt,
dafs er der Welt Kaiser sei *)." Diesen seinen Rivalen also, sei es
als Feind oder Freund, vor sich zu sehen, war Solimans Absicht.
Einen Tag später als gewöhnlich, am 24. April verliefs So-
liman Konstantinopel; in Adrianopel feierte er das Bairamfest").
Erst am letzten Maitage überschritt das Heer die Balkanpässe
von Ichtiman. Als der Kaiser sich in Nisch befand , dessen
warme Bäder er besuchte, kamen ihm Gesandte König Ferdi-
nands entgegen, um der Ehre des Handkusses gewürdigt zu wer-
den: es waren Nogarola und Lamberg. Sie schlössen sich So-
i) Fefsler-Klein III, S. 444.
2) Ebenda S. 444 — 445.
3) Vollmachten der Gesandtschaft im Anhange zu Hammer III u. in Gevay, z J.
4) Anhang zu Hammer III ; vgl. auch Gevay P, S. 8 7 ff.
5) Siehe auch Hurmuzaki VIII, S. 60 — 61, Nr. lxxxi — LXXXU.
416 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
liman auf seinem Weg-e an. Am 27. Juni setzte er über die
Sawe ; es war sein Wille , das durchzogene Land durchaus vor
allen Unbilden des Krieges zu bewahren. Weiterhin stellte sich
ein französischer Gesandter ein, um dem Freunde seines Königs
und dem Feinde Karls V. seine Aufwartung zu machen; dann
erschien, aber nicht im Namen des ,,Janusch", Königs von Un-
garn von des Sultans Gnaden, sondern als Vertreter einer neuen
„unabhängigen Partei", auch Peter Perenyi und endlich der
serbische Despot; die beiden letzteren wurden nur vom Grofs-
wesir empfangen , und Perenyi nach einigen Tagen in Haft ge-
nommen ^).
Über Käpolna hinaus begann man das Land als feindlichen
Boden zu behandeln; Zapolya, der sich scheute vor dem Kaiser
zu erscheinen und für jeden Fall im Temesvärer Banat Truppen
zusammenzog, schien das Vertrauen seines Oberherrn verloren
zu haben. Den Akindschis gesellten sich Tausende von wilden
Tataren bei, um an der Verwüstung des Landes und der gewinn-
bringenden Jagd nach Gefangenen teilzunehmen. Von Ende Juli
an nahm man alle am Wege liegenden Schlösser ein und liefs
Besatzungen darin zurück. Hidveg und Taplanfa an der Raab
hatten noch dem ,,Janusch" gehört, aber am 9. August befand
sich das Heer vor dem von Slawen und Türken Kosek und von
den Ungarn Köszeg genannten Schlosse Güns, dessen Besatzung
im Dienst König Ferdinands stand.
Nach einigen Regentagen begann die Belagerung- dieses Platzes,
der den Weg nach Wien beherrschte. Von der Bevölkerung ge-
rufen, hatte sich Nikolaus Jurisich oder, wie er gewöhnlich ge-
nannt wurde, Nikolitza, hineingeworfen; die Aussicht, sich längere
Zeit halten zu können, war gering, — hatte er doch höchstens
tausend Mann zur Verfügung! Vom 21. bis zum 28. August
liefsen nun, wie im Jahre 1529 gegen Wien, so jetzt gegen das
kleine unbedeutende Güns die Osmanen alle ihre Kriegskünste
spielen; schliefslich zeigte sich ,,der Befehlshaber Nikolaus"
bereit, einen Kapitulationsvertrag abzuschliefsen, und als einer
i) Kretschmayr, Ludovico Gritti, im Arch. für österreichische Geschichte
LXXXIII (1896), S. 43; Istvanffy, S. 117.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 417
der Gesandten Ferdinands in Konstantinopel gewesen war, wurde
ihm dieses Zug-eständnis gemacht; im kaiserlich türkischen Lager
aber herrschte grofse Genugtuung" über den errungenen Erfolg ^)
(27. September).
Denn Soliman verschmähte es, weiter über Güns hinaus gegen
Wien vorzurücken. Zwar war die schlechte Jahreszeit noch fern,
aber zahlreiche deutsche und spanische Truppen lagen in der
Hauptstadt, und so wurde der Rückzug angeordnet. Soliman
tröstete sich damit, dafs Ferdinand nicht gewagt hatte, mit einem
guten, kampfbereiten und kampflustigen Heere sich ihm zu stellen,
vielmehr sein Land, ,,wie ein feiger Mann seine Frau", in den Hän-
den des Feindes gelassen habe, und, um nicht von einem Rück-
züge sprechen zu müssen, wurde der Weg, der angeblich doch
noch nach Wien führen sollte, durch die Steiermark genommen.
Die 12000 Akindschis brannten und raubten durch das Land,
bis die Deutschen und Spanier sich ermannten, sie bei Staren-
berg angriffen und viele von ihnen, darunter auch den Führer
Kasum Michalogli töteten ^). Auch die Tataren hausten in der
Gegend des von Gritti mit ungarischen Reichstruppen belager-
ten ^) Gran aufs schlimmste , schleppten Sklaven fort und ver-
übten die scheufslichsten Grausamkeiten, um den spanischen König,
dem die Steiermark eigentlich gehörte , zu züchtigen. Jenseits
der Mur wurden viele Schlösser desselben angegriffen und be-
setzt; das Tagebuch des Sultans verzeichnet Witschein, Lem-
bach, Schleinitz, Radnik. So gelangte der sich solcher ,, Siege"
rühmende osmanische Herrscher wieder zur Drau, welche man
auf einer schnell gefertigten Brücke in grofser Hast und mit vielen
Unfällen überschritt (20. — 21. September). Pettau, das die Akind-
schis schon öfter als Feinde gesehen hatte, wurde berührt; eben-
so das den türkischen Brandstiftern ebenfalls wohlbekannte Schlofs
Posega. Pancsova an der Donau, das König Ferdinand gehörte,
wurde eingenommen. Am 19. Oktober war Soliman schon inSemen-
i) Siehe auch den Gesandtschaftsbericht Nogarolas und Lambergs in Gevay,
Fasz. 1531 — 1532. Dazu Istvanffy S. Ii6ff.; den Brief Jurisichs in Charri^re,
I, S. 215 ff.
2) Vgl. auch Leunclavius Sp. 764 — 766.
3) Kretschmayr a. a. O. S. 40 ff.
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II.
27
4:18 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
dria und am 21. des folg-enden Monats in Konstantinopel, das er,
um das vollständige Mifsling-en des Zuges zu verschleiern , fünf
Tage hindurch mit allen Vorstädten: Ejub-Pascha, Galata-Pera,
Skutari in Asien, festlich beleuchten liefs ; erst am 26. November
endeten diese wenig aufrichtig gemeinten Festlichkeiten ').
Jetzt endlich war der Sultan einem Frieden geneigter, und, als
Ferdinands neue Gesandten, Hieronymus von Zara und Cornelius
Schepperus, ein Dalmatiner und ein Holländer, in Konstantinopet
erschienen, erfreuten sie sich einer freundlichen, wenn nicht gar
zuvorkommenden Aufnahme seitens des Sultans. Auf sein Ver-
langen brachten sie ihm die Schlüssel Grans; die Erfüllung dieser
Laune war eine gern erwiesene Gefälligkeit ^). Zugleich verhan-
delte für Zapolya in der türkischen Hauptstadt ein Mann , der
besser als jeder andere Christ die Geheimnisse des osmanischen
Hofes kannte : der neuerdings (April) aus Ungarn eingetroffene
,,Gubernator" Gritti^). Hieronymus und Schepperus erlangten
schliefslich nur, dafs der allein wahre Kaiser den König von Wien
als seinen Sohn betrachten wolle und sehr geneigt sei, mit dem
Bruder dieses neuen Sohnes, dem Spanier, in Verhandlungen
zu treten. Über den Zapolya verliehenen Besitz Ungarns waren
die Akten geschlossen ; was die Gesandten als Verheifsungen im
anderen Sinne betrachteten und nach Hause berichteten, waren
nichts als schlaue und im Grunde leere Redensarten der Politiker
in Stambul ■•). Der Frieden war eine Tatsache, mochte auch für
,,zwei- oder dreihundert Jahre und ewig gelten"; darüber hinaus
aber hatte der Fürst, dessen Generale Wien und Güns so gut
zu verteidigen verstanden hatten, nichts gewonnen. Zwischen
dem ,, Bruder" Ferdinand und dem ,, Statthalter" und ,, treuen Die-
ner" Zapolya sollte im übrigen im Laufe des nächsten Jahres
der in spezieller Mission auftretende Gritti, als Gubernator, der
Landtage zu berufen befugt war und Todesurteile gegen verdäch-
tige Edelleute aussprach und vollstrecken liefs, vermitteln ^). Ihre
1) Solimans Tagebuch.
2) April ; schon im Januar waren die Gesandten in Konstaiitinopel gewesen •,
Fefsler-Klein III, S. 461 ff. ; Gevay z. J. 3) Kretschniayr S. 53.
4) Fefsler-Klein III, S. 464 ff. ; Gcvay z. J. 5) Ebenda.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan S'oliman II. usw. 419
wahren Absichten liefsen die Türken erkennen, indem sie Schep-
perus, der sich im März 1 534 als Gesandter Kaiser Karls um Frieden
einstellte, sehr wenig" g-limpflich behandelten (er wurde auch mit
den Hohnrufen Spaina, Spaina — d. h. Spanier — beim Verlassen
des kaiserlichen Audienzsaales empfangen ')) : unter anderen Be-
dingungen verlangten sie, dafs sein Auftraggeber sich jeder Be-
ziehungen zum Papste enthalte, den die Osmanen noch immer als
das eigentliche Haupt der Christenheit und den Träger aller
Kreuzzugsideen betrachteten, und mit König Franz I. einen für
diesen günstigen Vertrag abschUefse ^).
Im Sommer desselben Jahres 1534 brach das osmanische
Heer nach i\sien auf; und die Aufgabe und Vollmacht, an der
Donau Ordnung zu halten, wurde dem ehrgeizigen, geldgierigen
Levantiner Gritti anvertraut. Wahrscheinlich suchte dieser christ-
liche ,, Diplomat" des osmanischen Hofes, der der Freund Ibra-
hims und bis zum gewissen Grade auch ein Günstling des Sul-
tans war, nichts weiter als Gelegenheit zur Erwerbung von Reich-
tümern — 1532 liefs er in Kronstadt Safran verkaufen ^), auch hatte
er Korn an seine Venezianer verkauft"*) — und zur Befriedigung
seiner übermäfsigen Eitelkeit, wie Beschäftigung für seinen in
Ränken und Plänen unerschöpflichen Geist. Wenn ihm dagegen
manche die Absicht unterschieben, er habe sich zum Könige von
Ungarn aufwerfen und aus den rumänischen Fürstentümern — seine
Tochter hatte Gritti mit einem walachischen Kronprätendenten
verheiratet ^) — Leibgedinge für seine zwei Söhne machen wollen,
so übersehen sie, dafs Gritti jedenfalls kein Phantast oder gewöhn-
licher Abenteurer war; er wufste nur allzu gut, dafs die unga-
rische und rumänische Aristokratie die Herrschaft eines Fremden,
mochte ihr selbst die Unterstützung des allermächtigsten Kaisers
i) Gevay z. J., S. 45. Vgl. auch S. 59.
2) Ebenda z. J. ; Kretschmayr S. 5 2 ff. Ein türkischer Gesandter, Me-
hemed Tschausch, in Wien, Kretschmayr S. 52; Istvänffy S. 128.
3) Ostermayer in den „Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt" IV,
S. 500. Vgl. auch Gevay 1534, S. 118.
4) Gevay 1534, S. 120 — 121.
5) Tört. Tdr 1903, S. 56.
27*
430 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Soliraan zuteil werden, auf die Dauer nicht geduldet hätte ; auch ist
die Frage, ob Soliman selbst diesem Sklaven seiner Sklaven eine
solche Erhebung gegönnt oder verziehen hätte ^). Vielmehr mag
sein Auftrag dahin gelautet haben, in Siebenbürgen Frieden zu
stiften, indem er die Anhänger Ferdinands auf italienische Art,
durch Anzettelung von Verschwörungen und geschickten Mord-
taten, ausrotte ; ferner auch unter der Partei Zäpolyas Musterung
halte imd nach Beseitigung aller widerstrebenden Elemente aus
dem Lande eine vom Sultan abhängige Woiwodschaft, jener der
Moldau und Walachei entsprechend, unter einem treuen Diener
wie Doczy bilde. Grofse Bedeutung kommt der Äufserung
Schepperus', des Gesandten König Ferdinands an die Pforte, zu,
der am 2. Juni ausdrücklich bemerkt, dafs Gritti sich über Ofen
nur als Vermittler zu seinem König begebe ^), und der Äufse-
rung Grittis selbst gegen diesen selben Gesandten, dafs er komme,
,,um die Sachen in Ungarn zu ordnen und die stolzen Häupter
der Ungarn zu bestrafen" ^).
Jedenfalls hatte Gritti, der seiner persönlichen Wirkung sehr
viel zutraute, nur ein kleines Gefolge *) bei sich , als er sich im
Juni gegen die Walachei wandte. Er täuschte sich freilich, wenn
er glaubte, die mifstrauischen Leiter der rumänischen und sie-
benbürgischen Politik hierdurch allein schon zu entwaffnen. Als
sich einige Bojaren in der Nähe von PitestI bei ihm einfanden
und, aufs beste empfangen, an Stelle des ihnen nicht genehmen
neuen Vlad-Vintilä — der erste Vlad war 1532 ertrunken —
einen anderen Fürsten verlangten, gelang es jenem, das kleine
Lager des Gubernators mit seinen Truppen zu umringen, die re-
bellischen Grofsen herauszuholen und grausam zu bestrafen;
i) Vgl. die schon oft zitierte gewissenhafte Arbeit H. Kretschmayrs,
Ludovico Gritti, im „Archiv für österreichische Geschichte" LXXXIU — eine
ungarische Bearbeitung davon in der Sammlung von Monographien über die Ge-
schichte Ungarns — und I. Ursu, Die auswärtige Politik des Woiwoden der
Moldau Peter Rare^; erste Regierung 1527 — 1538; Berliner Inauguraldissertation
1907.
2) Hurmuzaki II*, S. 54, Nr. xxxi.
3) ,,Res in Hungaria componere et superba illa capita Hungarorum castigare";
Gevay S. 61; vgl. Tört. Tär a. a. O. S. 228.
4) Vgl. Gevay, 1534,. S. 63.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 421
Gritti mufste den Zuschauer spielen und trotz der tiefen Krän-
kung mit Vlad sogar einen Vertrag abschliefsen ^).
Am 20. August langte Gritti vor Kronstadt an, das sein aus
Ofen eingetroffener und bereits seit dem i. Mai „mit vielen
Türken und Husaren" dort befindlicher Sohn Antonio vergeb-
lich zu betreten gewünscht hatte ^). Der verdächtige Gast, dem,
Zäpolyas Befehl zufolge, alle Ehren erwiesen wurden, hatte nichts
Dringlicheres zu tun, als sogleich in der ganzen Handelsstadt
nach Anhängern Ferdinands Nachforschungen zu veranstalten,
und alle, die als solche ,, Verräter des Kaisers" gelten konnten,
mufsten sich von diesem Verdachte loskaufen. Es war natürlich,
dafs niemand ihm trauen wollte, wie er seinerseits niemandem
traute. Auch der eigentliche Herr Siebenbürgens, Stephan Maj-
lath, schlofs sich vorsichtig in sein Schlofs Fogaras ein, und, als
sich der Grofswardeiner Bischof Emerich Czibak, als Vizewoiwode
des Landes, mit einigen Gefährten nach Kronstadt aufmachte,
um Gritti zu beglückwünschen , liefsen dieser und der mit ihm
erschienene Döczy ihn überfallen und ermorden; am Hauptaltar
der Kronstadter Kirche setzten die Sachsen den von Gritti ihnen
überlieferten Kopf Czibaks ehrerbietig bei.
Dieser Mord setzte ganz Siebenbürgen in Flammen. Ste-
phan Majlath übernahm, ohne erst seinen König zu befragen, den
Befehl über die Rebellen. Gritti mufste vor ihm in die be-
festigte Stadt Mediasch (Megyes) — aber nicht ins Schlofs selbst,
wo sächsische Bürger auch weiter Wache hielten — fliehen, wo
seine Feinde ihn belagerten. Er verfügte zwar über zahlreiche unga-
rische Husaren, die für Sold dienten, aber über kaum einige Hun-
dert türkischer Fufstruppeü, Asapen und einige Janitscharen und
kein einziges Geschütz. Die unter Rares' Logofat (Logotheten)
Tudor und dessen Vornic, Huru, angekommenen Moldauer blieben
i) „Studii ^i documente" III, S. LI— II ; Tranquillus Andronicus , der Biograph
Grittis, im „Tört^nelmi Tär" 1903; vgl. einen anderen Biographen, Della Valle,.
und einen dritten, Musäus, in derselben Zeitschrift III und Kretschmayr a. a. O. ;.
Geschichte des rumänischen Volkes I, S. 378; auch Hurmuzaki I, S. 87 — 88.,
Nr. LXI und die von Schuller veröffentlichten Akten.
2) Siehe die Chronik Ostermayers, Quellen der Stadt Kronstadt IV,
S. 501.
423 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
aufmerksame Zuschauer der Ereignisse, jeder der beiden Parteien
Freundschaft bezeigend '). Am 28. September begann die Be-
schiefsung von Mediasch, und am folgenden Tage ergab sich
das Schlofs. Von allen verlassen, begaben sich Gritti und seine
Söhne ins Lager der Moldauer. Diese aber lieferten den Gu-
bernator seinen Feinden aus, die ihn ohne weiteres niederhieben.
Da sein Kopf an Rares geschickt wurde, so ist sicher, dafs dieser
die Tat angeordnet hatte, sei es aus Furcht vor einem solchen
Nachbar oder aus Erbitterung, weil Gritti ihn in seinem Kriege
mit Polen um die Provinz Pokutien — 1531 vvar er bei Ober-
tyn vom königlichen General Johann Tarnowski geschlagen wor-
den ^) — - bei der Pforte nicht unterstützt hatte. Die zwei Söhne
Grittis wurden nach der Moldau geführt und verschwanden für
immer. Die Türken, die den Gesandten und Bevollmächtigten
ihres Plerrn begleitet hatten , wurden ebenfalls keiner Schonimg
teilhaft.
Die Ermordung Grittis befreite Zapolya zwar von einer
lästigen und erniedrigenden Aufsicht, machte ihn aber keines-
wegs zum wahren Herrn Siebenbürgens. Denn der von ihm nach
Torda einberufene Landtag wählte Majlath zum Woiwoden, der
seine Stellung als ziemlich unabhängig betrachten zu wollen schien.
Aufserdem waren jetzt auch die Türken gegen Zapolya und be-
trachten ihn als einen ,, verräterischen Hund"; in Belgrad wurde,
nach Khosrew, ein erklärter Feind, Mehmed-beg, sein Nachbar.
Schon im Jahre 1536, dann wieder 1537 sprach man von dem
Vorhaben der Türken, Ungarn anzugreifen; in ersterem Jahre
glaubten manche sogar, dafs der Sultan in Person die Rache
für alle erlittene Kränkung übernehmen werde ^).
Der oft angekündigte und vielfach gefürchtete Zug erfolgte
nicht und auch die Herausforderungen Rares', der zwar seinen
Tribut von loooo Dukaten und die mannigfachen sonst noch
i) Siehe besonders Ursu S. 17 ff.
2) Vgl. auch Hurmuzaki, Supl. II, Bd. I, und die Exzerpte aus dem Ge-
sandtschaftsberichte des Polen Ocieski , die ich in der Zeitschrift „Literatura ?i
artä" 1900 gegeben habe.
3) Hurmuzaki II, S. 104, 107 — loS, Nr. Lxxvm ; S. 109 — 1 10, Nr. LXXXI.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 433
erforderlichen Gaben — g-emünztes Geld in ung-arischen Gulden,
Zobel- und Luchspelze, Pferde, Falken — für Kaiser und Wesire
.am Sankt Georgstage und am 15. Aug-ust ^) pünktlich entrichtete,
aber am 4. April 1535 einen Vertrag- mit König- Ferdinand g-e-
schlossen hatte ^) und bei jeder Gelegenheit laut von der Not-
wendigkeit sprach, den in Asien geschwächten Sultan gemeinsam
anzugreifen , blieben ungesühnt. Denn die persischen Ver-
wicklungen nahmen Solimans ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
Erst als diese endlich beigelegt worden waren, konnte der Kaiser
an einen neuen Donauzug denken. So konnten denn Peter Crussich,
der Befehlshaber von Klissa, über dessen Angriffe die Türken
lange Zeit zu klagen Gelegenheit hatten, und Katzianer selbst,
wie auch der Spanier Lodron, mit kleineren Truppenabteilungen
den Kleinkrieg an der slowenischen Grenze, obgleich nicht ohne
bedeutende Verluste von selten des Sandschaks Mehemed (1537),
•wagen ^). Katzianer wurde wegen der schlechten Kriegführung
in den Kerker geworfen und , als er mit den Türken ver-
räterische Beziehungen anknüpfte, hingerichtet.
Die Meinung war natürlich, dafs die Strafe allen, die in
letzter Zeit türkische Interessen geschädigt hatten, gelten werde ;
und Solimans Rüstungen versetzten seine christlichen Feinde im
Norden derartig in Furcht, dafs Zapolya, der den Zorn Solimans
durch den Mord Grittis hervorgerufen hatte ^), sich mit Ferdinand
aussöhnte und deutsche Panzerreiter und spanische Infanteristen
von ihm erwartete ^). Siebenbürgen füllte sich mit eilig zu-
sammengezogenen Truppen, und am Ojtuzpasse stand, wie im
Jahre 1476 während des moldauischen Zuges des grofsen Sultans
Mohammed, eine starke Wacht unter Majläth ^), während der
Szeklergraf Emerich Bebek bei Gergyö hielt ''); ein nach Klausen-
1) Hurmuzaki, Suppl. IP, S. 66 — 67.
2) Ebenda II, S. 91 ff.
3) Istväni'fy, XIII. Buch, im Anfange.
4) Gevay 1536, S. il.
5) Hurmuzaki XI, S. 35 — 36, Nr. XLVi; II, S. 182; 11*, S. 151, 160, 164.
6) Kronstädter Archiv, Fronius I, 13.
7) Ebenda.
-434 " Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
bürg berufener Landtag traf aufserordentliche Mafsnahmen ^),
Der polnische König, dessen soeben über die Krim zurück-
gekehrter Gesandter der Anregung zu diesem Kriege dennoch
jedenfalls nicht fern stand, schlofs mit dem jetzt hilflosen Mol-
dauer Frieden ^). Auch hielten polnische Truppen Hotin am
Dnjestr besetzt, wo Rares' Bruder Theodor Zuflucht suchte ^).
In Wirklichkeit handelte es sich, abgesehen von einem herbst-
lichen Einfalle Mehemed-begs von Belgrad nach Slawonien, der
Steiermark und Kärnten *) , allein um einen Angriff auf die
Moldau 5).
Am 9. Juli verliefs Soliman Konstantinopel, am 18. wurde
das Lager bei der zweiten Reichshauptstadt, Adrianopel, auf-
geschlagen. Seine zwei jüngeren Söhne, aufserdem Mohammed-
Pascha und Lutfi und beide Beglerbegs begleiteten ihn; an den
Tataren-Khan war Befehl ergangen, gegen die Moldau zu rüsten,
um mit dem kaiserlichen Heere zusammenwirken zu können ; die
Walachen Vlads erhielten den Auftrag, den Weg von Bäumen
zu säubern ; 300 Geschütze folgten dem Sultan *").
Am 7. August stellten sich Gesandte Peter Rares' beim
Heere ein, um ,,den Handkufs" zu leisten, und gaben sich den
Anschein, das Ziel des Zuges nicht zu kennen; sie wurden nicht
abgewiesen; vielmehr machte sich Sinan Tschelebi mit Olaken
nach der Moldau auf, um dem Fürsten den Befehl zu über-
bringen, selbst zu erscheinen. Nach einigen Tagen kam er mit
der Antwort zurück, dafs Rares willens sei, dem Verlangen, wie
1529 Zäpolya, zu entsprechen. In Erwartung dessen bewegte
sich das Heer nur sehr langsam vorwärts; in der Dobrudscha
1) Vgl. auch Hurmuzaki II*, S. 140 ff.
2) Ebenda II, S. 186—187.
3) Ebenda Supl. 11 1, S. iii, Nr. lx.
4) Ebenda II, S. 201, Nr. CLV.
5) Der venezianische Bailo schrieb freilich noch am 11. Juli 1538. dafs der
Sultan sich an die Donau begebe, „con animo di fare la impresa della Tran-
silvania et del Vallaco piciolo , videlicet del Budano '' ; er werde Hermannstadt
stürmen und den Tod Grittis rächen.
6) Vgl. die Berichte in Hurmuzaki II, II*, Supl. II», XI usw. Besonders
das Tagebuch Solimans im Anhange zu Hammer III.
Vernichtung des Königreichs Ungarn durch Sultan Soliman II. usw. 425
fand der Sultan Zeit, das Grab des berühmten Santons Saltukdede
in Babadagh zu besuchen und der Jagd obzuliegen. Erst am
21, erreichte man die Furt von Isaktsche, wo der Beg von
Semendria auf den Kaiser wartete.
Hier erhielt Chosrew-Pascha Weisung, in Sofia über die
Sicherheit der Verbindungen zu wachen, während Mohammed-
Pascha, wie vormals der nun hingerichtete Ibrahim, zum Serasker
ernannt wurde, allerdings nur bis zur Ankunft des Beglerbegs
Rüstern von Anadol.
Am 31. August überschritt das Heer bei Fälciitt den Pruth ;
am 9. September waren die Türken in Jassy. Peter war weder
als Freund, noch als Feind erschienen. Von König Ferdinand hatte
er vergebens 2 — 3000 Büchsenschützen und Szekler verlangt^);
andere Alliierte besafs er, der vielmehr allen Nachbarn verhafst
war, nirgends ; hatte doch der Walache dem Kaiser die begehrten
Führer für das Heer mit Freuden geschickt ^). Die Bojaren
wufsten bereits, dafs Soliman in Stephan, dem Sohn Alexanders,
des als Geisel in Konstantinopel gestorbenen Sohnes Stephans
des Grofsen — Stephan selbst gab sich für einen Sohn seines
grofsen Vorfahren aus — , einen neuen Fürsten mitbringe und
verrieten die Sache Peters, der mit seinen bäuerlichen Scharen
und wenigen Getreuen keinen Widerstand zu leisten wagte. Er
begab sich über den Sereth ; Hotin wurde ihm von den Polen
verschlossen, Akindschis und Verräter aus dem eigenen Lande
verfolgten ihn, und er mufste, nachdem er im Kloster Bistrita
ein letztes Gebet verrichtet hatte, nach Siebenbürgen fliehen,
wo er sich, von den szeklerischen Grofsen achtungsvoll empfangen,
in dem von seinen Vorgängern geerbten Schlofs Csicsö, im nord-
östlichen Winkel des Landes, verbarg ^).
So kamen die Türken nach Suceava, das, wie 1529 Ofen,
sehr schonend behandelt wurde; das Land gehörte kraft des
Rechtes des Schwertes nun dem Kaiser, der in der Hauptstadt
seinen ,, Sklaven" Stephan zum Fürsten einsetzte. Vier Tage
i) Hurmuzaki II, S. 178 — 179.
2) Ebenda S. 192 — 193.
3) Vgl. „Chilia ^i Cetatea-Alba" S. 184 ff. ; Documentele Bistritel I, S. XXXI ff.
430 Zweites Buch. Zehntes Kapitel. Verniclitung des Königreichs Ungarn usw.
blieb man daselbst (i6. — 21. September). 500 Janitscharen
wurden zurückgelassen. Am 22. verliefs Soliman die Stadt ^)
und begab sich über den Pruth, um mit den zurückkehrenden
Tataren Tighinea, die starke Festung und reiche Zollstätte am
Dnjestr, zu erreichen. Hier wurde dann ein Schlofs, Bender,
erbaut, dessen Widmungsstein den siegreichen Zug des Sultans
und die Niederlage des Moldauers, der ,,von den Pferdehufen
der osmanischen Reiterei zertreten worden war", verherrlicht^).
Das ganze Land vom Flusse Bic, der das heutige russische Bess-
arabien quer durchfliefst, bis zur Donau hin bildete die Raja,
das neue Gebiet von Kili und Akkerman ^). Am 4. Oktober
überschritt man die Donau auf dem Rückwege.
Den Winter verbrachte Soliman zum ersten Male in Adria-
nopel. Er durfte ausruhen. Das grofse Werk, dem Reiche seine
endgültige Grenze zu geben, war dem klugen Berechner aller
gegebenen Möglichkeiten und dem energischen Ausnutzer sich
darbietender günstiger Verhältnisse gelungen.
1) Mit dem 24. schliefst sein Tagebuch ab.
2) Denkwürdigkeiten der Gesellschaft von Odessa (russisch) XIII, S. 263 — 264.
3) „Chilia ^i Cetatea- Alba" S. 186 ff. ; vgl. „Geschichte des rumänischen
Volkes" II, S. ifif.
Elftes Kapitel.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen
Soliman 11.
Das riesig"e Reich, das allen Feinden widerstehen konnte
und, obwohl es seine natürlichen Grenzen erreicht hatte, auf die
Angriffspolitik, die es begründet, noch nicht verzichten wollte,
ruhte auf der Disziplin des besten Heeres der Welt, dem alle
körperliche und seelische Kraft der unterworfenen Völker zu-
strömte, auf einer streng^gereg-elten Hierarchie und einem unbe-
dingten Gehorsam, der dem Vertreter Osmans die Möglichkeit
sicherte, alles nach seinem alleinigen Gutdünken zu ordnen, auf
dem Reichtum verhältnismäfsig gut verwalteter Provinzen, unzweifel-
hafter Befähigung der Dynastie und daneben, nicht zum mindesten,
auf den Tugenden der osmanischen Gesellschaft, besonders der
führenden türkischen Rasse, zum Teil auch wohl der mit ihr
vereinten Klasse der zahlreichen Renegaten.
Das Volk lebte noch zu Anfang des i6. Jahrhunderts in
sehr bescheidenen Verhältnissen dahin. In den hölzernen Häusern
mit verräucherten Wänden war wenig zu sehen ; Sitze aus Holz
oder Stein galten neben dem althergebrachten Diwan als Neuerung.
Teppiche bildeten den einzigen Schmuck; auf Teppichen statt
auf Leintüchern schliefen die meisten ärmeren Türken. Die
Wäsche wurde im Innern des Hauses getrocknet. Auf der Erde
hockend benutzten die Bauern sowohl wie die Bürger der ver-
schiedenen Marktflecken und Städte, auch die Konstantinopels,
noch immer die bekannten ledernen Servietten zu ihren einfachen
Mahlzeiten, die gewöhnlich aus schwärzlichem, dünn und schlecht
438 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
gebackenem, mit Sesamsamen bestreutem Brot, etwas frischem
Schaffleisch oder Pastyrma, Reissuppe oder Reispilaf, Gemüse
und Früchten, nur selten aus Fischen bestanden, weil der im
Wasser lebende Fisch fast als unrein galt; Gabeln hatten sie
nicht, sondern langten mit drei Fingern zu, während nach ihrer
Annahme die Mohren fünf und ,,der Teufel nur zwei" gebrauchte.
Geistige Getränke wurden im Hause, im Kreise der Familie nicht
gesehen; alle Türken tranken aus Zucker bereiteten Dschulep
oder Sek er'), Sorbett mit Honig, mit Rosenöl parfümiertes
Wasser, in dem Rosinen gekocht waren, Hossaf, und Most,
Fechmez^). Wie beim edelsten Weine pflegten die Sorbett-
trinker lärmend die Gesundheit eines jeden auszurufen. Die
Teller waren aus Holz: nur in reichen Häusern war asiatisches
Porzellan eingeführt worden; sogar im Serail waren die Löffel
hölzern und das Geschirr gewöhnlich, wie in Venedig, aus Bronze*).
Aber Ibrahim-Pascha trank aus einem Türkisenbecher und rühmte
sich, dafs sein Herr jährlich zwei Some (Pferdelasten) von solchen
Edelsteinen bekomme *).
Den Stadtbewohnern standen als Gesellschafts- und Ver-
gnügungsorte vor allem Bäder zur Verfügung; in Konstantinopel,
Sofia, Nisch und Novibazar hatten sie bereits marmornen Schmuck.
Man zahlte vier Asper; für diesen Preis konnte der Türke oder
die weiblichen Mitglieder seines Hauses stundenlang im Bade
verweilen, sich unterhalten und essen und trinken ^). Die vielen
Kaffeehäuser von heute gab es nicht, und der Gebrauch des
Tabaks war unbekannt; damit fehlte ein bedeutender und inter-
essanter Teil des heutigen öffentlichen Lebens. Aber an Trink-
buden fehlt es nicht, und ihr Besuch war, trotz den Vorschriften
des Korans, gestattet. ,,Die Türken gehen hinein, um dann
den ganzen Tag über zu trinken ... Es vergeht kein Tag, dafs
nicht betrunkene Türken auf den Strafsen zu sehen wären ^)."
i) „Zucchero con acqua temperato"; Menavino fol. 34 vo ff.
2) Ebenda; vgl. Fortsetzung desselben fol. 74 v» — 75 ; Bassano fol. 98 ff.
3) Ebenda. 4) Gevay 1533, S. 15.
5) Bassano fol. 76 vo ff.
6) „Vanno i Turchi a bere tutto il di . . . Nfe ^ mai di che per Costantino-
poli non si veggano per le strade de' Turchi imbriachi"; Bassano fol. 93 — 93 vo.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 439
Reisenden standen zahlreiche, von Grofsen des Reiches oder
Sultanen erbaute Karawanseraien zur Verfüg-ung-, wo sie ganz frei
hausen konnten *), Kartenspiel und andere Zerstreuung-en der
Christen waren den Türken unbekannt. Besonders g-efielen jung-
und alt dag-egen kriegerische Spiele, wie der Dscherid, eine neue
Form des alten klassischen Diskusspieles ; wie in ihrem asiatischen
Vaterlande suchten sie in schnellem Ritt mit dem Dscherid das
Ziel zu trefifen. Langsame Spaziergänge, bequemes Lagern auf
Teppichen, die man auf ausgedehnten Wiesen am Flufsufer aus-
breitete, oder in den mit schwarzen Tannen bepflanzten Be-
stattungsplätzen , waren sehr beliebt. In solchen müfsigen
Stunden spielte man auf den einfachen alten Instrumenten, den
aus Schilf verfertigten bäuerlichen Flöten 2) , während die or-
giastische Freudenmusik Zimbeln und Trommeln bevorzugte.
Mit Blumen trieben alle Türken einen wahren Kultus ; Soldaten
durften beim Marsch nicht auf Rosen treten, und viele von ihnen
trugen Blumen im' Turban und in den Händen ^). Durch die
persische Dichtung erschien in den oberen Klassen diese Art
Blumenreligion erhoben und verklärt.
Die sehr bescheiden von Brot und Zwiebeln lebenden Hand-
werker, die Levents, vereinigten sich an bestimmten Tagen unter
dem Vorsitze ihres Levent-baschas in gemeinsamem Hause, wie
die alten Korporationsmitglieder des römischen, dann des byzan-
tinischen Reiches; dort sangen und spielten sie zusammen, um
bei anbrechender Nacht zahlreiche Wachslichter auf dem Speise-
tisch anzuzünden und die gesellige Stimmung dadurch zu erhöhen ;
in den Strafsen, wo kein einzelner nach der festgesetzten Stunde
betroffen werden durfte, ertönten noch spät ihre frohen Rufe,
wenn sie den Levent-bascha nach Hause führten *).
Mit Freudenrufen wurden nackte Pechlivans von der Menge
empfangen, denn ihre Ringkämpfe erregten immer Interesse, —
hielt doch der Sultan ein besonderes Korps von 80 Mann ihrer
i) Bassano fol. 98.
2) „Zampogne di cana." 3) Bassano fol. 100.
4) Menavino fol. 36 bis 36 v«.
430 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Zunft in seinen Diensten ^). Ein anderes Mal fesselten Dschemali,
Dschomailer, die Aufmerksamkeit des Volkes; jung^e Leute aus
guten Familien, die barhäuptig oder mit breiten Hüten, mit
lang"en Haaren, silbernen Ring-en in den Ohren, Löwen-, Tig-er-
odcr Lcopardenfelle auf dem Rücken, gruppenweise herumzog-en;
silberne Glöckchen erklangen harmonisch, auf seidener oder
g'oldener Schnur besonders an den Knien befestig't, bei
jeder Bewegung-. Einer von ihnen, der sich durch Schön-
heit auszeichnen mufste, beg^ann persische Liebeslieder zu
sing-en, und die anderen ,, Derwische der Liebe" begleiteten
ihn '''■). Hinter Gitterwerk lauschte ihnen ungesehen ein weib-
liches Publikum — und ihre Vorführungen waren so beliebt,
dafs auch die armen Handwerker ihnen gern einen Asper in die
Hand drückten ^).
Die Derwische, die ein bei Sultan Bajesid Edelknabe ge-
wesener Zeuge ein ,, fröhliches Völkchen" ^) nennt, dienten durch
ihr sonderbares Aussehen — mit ihrem Schafpelz, der spitzen
wxifsen Mütze und ihrem Stocke, zu welchen unentbehrlichen
Stücken sich weder Hemd noch irgendeine Fufsbekleidung
gesellen durfte — , durch ihre spitzfindigen Antworten, ihre freie
Kritisierung aller Begebenheiten des Tages und aller leitenden
Persönlichkeiten bis zum Sultan hinauf, und durch tolle Rufe, nicht
minder der Unterhaltung der Menge. Während des ganzen
Sommers lungerten sie überall als Bettler — die freilich an
entlegenen Orten auch Räuber und Mörder werden konnten — ,
untätig herum; einige von ihnen, die nicht zu den Observanten,
sondern nur zu den ,, freien" Brüdern sich rechneten, hatten
Hütten und Höhlen bei den Gräbern berühmter Santonen, wo
sie mit gezähmten Tieren und Vögeln zusammenlebten; andere,
derselben Derwischart zugehörend, besafsen armselige Buden.
An einem bestimmten Tage des Jahres versammelten sie sich
1) Spandugino fol. Ii6.
2) „Huomini della Religione d'amore, et non d'osservantia" ; Menavino-
fol. 28 bis 28 vo.
3) A. a. O.
4) „Gente molto allegra"; Menavino fol. 28vofif.
Osmariisclies Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 431
aus allen Winkeln des Reiches und des ganzen Islams am Grabe
des Scheiks Edebali, wo beständig- 500 aus ihrer Mitte Wacht
hielten ; eine Woche hindurch wurden hier von einer Menge von
80CO Leuten, Fanatikern und Betrügern, die sich alle zum losen
Orden der Derwische bekannten, heilige Legenden gelesen und
Berichte aufgenommen; dann gab sich die durch einen be-
rauschenden Saft trunken gemachte Menge der Zuschauer wilden
Tänzen hin, während deren man. sich auch mit dem Dolch
sonderbare Figuren auf den Leib ritzte, bis endlich die ver-
schiedenen Scharen mit ihren Fahnen und unter Vorantritt der
Trommler abzogen ^).
Von alten Santonen und anderen Ausbeutern des Volks-
aberglaubens begleitet, wanderten die sogenannten Turlaks
mit durch die Wüste oder tauchten mit ihrem glattgeschorenen
und gesalbten Kopfe gelegentlich in den Trinkstuben auf; sie
wufsten den Frauen die Zukunft vorauszusagen und liefsen sich
ihre Weisheit mit einem Stück trockenen Brotes, Eiern, Käse usw.
bezahlen, so dafs ein Christ, der längere Zeit als Sklave im
kaiserlichen Serail gedient hat, sie mit den Zigeunern seines
lateinischen Westens vergleicht -) ; sie trugen Spiegel in den
Händen ^).
Die Kalender, die in Kleinasien einen langwierigen Aufstand
verursachten, beseelte ein weit reinerer Fanatismus als die bisher
charakterisierten heiligen Leute; ihr Kleid war aus Wolle oder
Pferdehaar; sie trugen eine Kopfbedeckung, die der griechischer
Priester glich, und an Hals und Armen und in den Ohren schwere
eiserne Ringe ^). Dies religiöse Gesindel vervollständigten die
wahren und die weit zahlreicheren falschen Emire mit grünem
oder grün-weifsem Turban , die für ausreichende Bezahlung
doppeltes Zeugnis ablegten und von denen einige in Adrianopel
öffentlich Backwaren, fritelle, verkauften, und weiter die
1 ) M e n a V i n o fol. 2S voff. ; Bassano fol. 90 vo ff.
2) ,,Come sogliono farc i Zingari ne' paesi nostri''; ^lenavino.
3) Spandugino fol. 129 ff.
4) ilenavino fol. 28 vo.
433 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
sing-enden Mohren, die eine Fahne mit dem Zeichen des Mondes
vor sich hertrug"en ^).
Zu den g-rofsen Tagen für das Volk gehörten die wichtigsten
reHgiösen Feste des Islams, vor allen anderen der Bairam, wenn die
Moscheen im Glänze vieler Tausende von Lichtern schwammen,
und die feierliche Rückkehr der Pilger, der Hadschis, aus den
heiligen Städten, sowie die bei jedem kaiserlichen Triumphe
veranstalteten öffentlichen Beleuchtungen, die Dunanmas ^).
Jede Stadt war in Viertel eingeteilt, die dem Staat
gegenüber eine Einheit darstellten. Die Bewohner besoldeten
gemeinsam einen Wächter, der jährlich 4 Dukaten erhielt. Mit
einem Stock bewaffnet und die Laterne in der Hand gingen
diese Hüter der Ordnung von einem Hause zum anderen und
wachten darüber, dafs bei Eintritt der Nacht die Häuser ver-
schlossen waren. Da diese zum gröfsten Teile aus Holz gebaut
waren, war die Hauptsorge der Wächter, gefährliche Feuerbrände
zu verhindern, die, wie 15 16 in Philippopolis, ganze Stadtviertel
in einigen Stunden vernichten konnten — in Konstantinopel
selbst brannten einmal nicht weniger als 3000 Häuser nieder.
Alle Handwerker mufsten bei Einbruch der Nacht jedes Feuer
auslöschen. Der Wachtdienst war so wirksam, dafs viele Händler
ihre Waren über Nacht im Freien liefsen und nur zwei Steine
darauf legten, um sie am Boden festzuhalten^). Doch wurden
für die Sicherheit der Hauptstadt auch Janitscharenpatrouillen
aufgeboten ^).
Im Umkreis einer Stadt war niemand befugt, aufser in Aus-
übung militärischer Funktionen, Waffen zu tragen. Blut zu ver-
giefsen wurde als eine Beleidigung des Kaisers betrachtet, der
über den öffentlichen Frieden wachte. Die Nachbarn, die nicht
imstande waren. Kämpfende auseinanderzubringen, mufsten
wenigstens den Mörder festhalten oder ein Lösegeld von nicht
weniger als 20000 Aspern entrichten. Darum flofs in keiner
i) Bassano fol. 90 v-off.
2) Menavino fol. 30 bis 30 v", fol. 73.
3) Bassano fol. 83. 4) Menavino fol. 42.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 433
Hauptstadt der Welt so wenig- Blut wie in Konstantinopel ').
Auch trug- dazu bei, dafs die Türken, die den Verlust eines
Familienangehörig-en doch auch zu rächen wufsten, jedenfalls
den für die Albanier so wichtigen ,,punto d'honore " nicht
kannten ^).
Die reg-elmäfsig-e Verproviantierung der Metropolis mit Korn
aus den Donauländern, dem Archipelagus und neuerdings auch
Ägypten , sowie mit Schafen , Honig und Butter wiederum aus
den Donaufürstentümern war eine der ersten Sorgen der kaiser-
lichen Regierung. Die Schlächter oder Kasapen hafteten mit
ihrem Leben für die Zufriedenheit der Bürger und konnten
gevierteilt werden, wenn es durch ihre Schuld daran mangelte.
Täglich wurden looo Schafe geschlachtet ^). Der Aga von
Konstantinopel liefs Kaufleute , die schlecht wogen, mit einer
Schelle am Halse durch die Strafsen führen und zuletzt mit
zwanzig Stockschlägen bestrafen *). Ein Mortesip, der oft Sand-
schak gewesen war und 4000 Dukaten jährlicher Einkünfte
genofs, hatte die Aufgabe, die Waren zu wiegen und ihren Preis
festzusetzen ^). Die Strafsen waren rein gehalten und keine
Schlächterei, kein unsauberes Handwerk, wie Gerberei, wurde im
Umfang der Mauern geduldet *").
In jedem Rechtsstreit wendete sich der Türke, später mit
Ausnahme der höheren Beamten der Pforte, an den vom Mufti,
■der auf Lebenszeit eingesetzt war, für drei Jahre ernannten Kadi');
die Vorsteher dieser Richterschaft, die Kadiliskers oder Kadis
des Heeres, sprachen täglich mit dem Sultan und hielten danach
am ersten Tore des Serails Audienz ab *). In Kriminalsachen
richtete in gröfseren Städten der Subaschi ^).
Mit anderen Beamten hatten die Bürger der Hauptstadt, die
frei wie die byzantinische Plebs in der Zeit der christlichen
i) Spandugino fol. 12S vo. 2) Bassano fol. loo bis 100 vt).
3) Menavino. 4) Ebenda fol. 27 vo.
5) Spandugino fol. 129. 6) Bassano fol. 92 ff.
7) Spandugino fol. Ili vo, 113 yo.
8) Ebenda. 9) Bassano fol. 89 v^fi".
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. ^o
434 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Kaiser über alle Staatsangelegenheiten zu sprechen pflegten^
nichts zu tun ; die komplizierte Hierarchie der Staatsverwaltung
existierte nur für den Hof — der eine besondere Organisation
darstellte — , für die Politik und das Heer und bedrückte und
beunruhigte den vor allen anderen Klassen respektierten „armen
Mann" niemals. Jedem Türken stand das Recht zu, sich un-
mittelbar an den Sultan zu wenden : wenn dieser durch die
Strafsen Konstantinopels ritt, nahten ihm von Zeit zu Zeit Leute,
die ihre Eingabe, ihre Reka an einer Stange hochhielten. Iq
solchen Fällen pflegte Mohammed II. sein Pferd sogleich anzu-
halten und ebenso Bajesid in seiner Jugend; später öffnete er
wenigstens bald nach seiner Rückkehr ins Serail mit eigener
Hand die Eingabe des freien Mannes mohammedanischen Glaubens,.
der auf seine unfehlbare Gerechtigkeit Vertrauen setzte ^).
Für den ,, armen Mann" erbauten die Kaiser Karawansareien
an den Reichsstrafsen , Imarets — wie das Mohammeds , das
schönere Bajesids und das über jedes Lob erhabene Solimans —
neben den von ihnen errichteten Moscheen ^) und Schulen, deren
Anzahl unter Soliman auf vierzehn wuchs. Die Kinder, die in
ihnen Lesen, Schreiben und Religion gelernt hatten, führte man
unter fröhlichen Gesängen durch die Stadt, wie man sie am
Beschneidungstage mit festhchem Alai begleitete^).
Unter solchen materiellen Verhältnissen erhielten sich die
Sitten rein, wie sie während der patriarchalischen in Asien zu-
gebrachten Jahrhunderte gewesen waren. Nach dem Gesetze
des Islams genügte eine Erklärung vor dem Kadi über das der
Frau vom Manne gegebene Heiratsgut, um ein Familienbündnis
rechtskräftig werden zu lassen; durch eine ähnhche Erklärung
konnte es der Gemahl lösen. Ehebruch war eine Seltenheit,,
schon weil die Bestrafung rücksichtslos und öffentlich war: der
Schuldige mufste die hundert ihm zufallenden Stockhiebe noch
bezahlen, wie ebenso die ehebrecherische Frau den Esel, auf
dem sie durch die Strafsen geführt wurde ^). Das Geschäftsleben,,
i) Span dugino fol. 117. 2) Ebenda fol. 127 vo.
3) Bassano fol. 94.
4) Menavino fol. 27 vo bis 28; vgl. Spandugino fol. 125.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Solincan II. 4S5
soweit sich wahre Türken daran beteilig-ten , war von muster-
gültig-er EhrHchkeit ; manche Kaufleute Hefsen sich die von ihren
Gläubig-ern empfang-enen Quittungen mit ins Grab geben ; jeder
Moslem war verpflichtet, den genauen Preis der von ihm feil-
gebotenen Waren anzugeben ^).
Sehr einfach waren auch die Zeremonien, die der Tod eines
Menschen erforderlich machte, und die Friedhöfe glichen öffent-
lichen Gärten, in denen die Abgeschiedenen von ihrer Lebens-
arbeit ausruhten ; die Trauer dauerte nur acht Tage ^). Im all-
gemeinen ist die Tiefe und Innigkeit des religiösen Glaubens
bemerkenswert, der Mildtätigkeit und Almosen zur Pflicht
machte; daneben freilich lebten auch die alten abergläubischen
Praktiken des Orients in Talismanen und Chiromantie noch fort
— hatte doch der Sultan selbst einen Perser als Propheten im
Dienst 3).
Unter ^ den Andersgläubigen hatten die Juden es klug ver-
standen, sich eine vorteilhafte, durch kaiserliche Privilegien ge-
schützte Sonderstellung zu erringen. Sie galten als Wucherer
von Beruf, aber durch ihre Kenntnisse in der Arzneikunde wufsten
sie sich auch Eintritt in das Serail und die Gunst der Herrscher
zu verschaffen. Sie benutzten geschickt jede Gelegenheit, dem
Kaiser zu schmeicheln; dem siegreichen Soliman riefen sie in
Brussa, Adrianopel und Saloniki, ihren Hauptsitzen, wo sie grofse
Schulen unterhielten, entgegen: ,, Hosianna, Heil unserem Herrn,
Sultan Soliman Schach ! " und breiteten kostbare Tücher vor die
Pferde des triumphierenden Heeres ^). Soliman lachte darüber —
wie die ernsten, schweigsamen und tapferen Türken gewöhnlich
über die beweglichen, lärmenden und feigen Juden lachten ^) —
und er liefs das fremde Element, nicht immer zugunsten des
Osmanentums, sich geschäftig entwickeln und ausdehnen **). In
Konstantinopel zahlten ihre 15 eigenen Kasapen bedeutende
i) Bassano fol. 92 ff., 96 vo. 2) Spandugino fol. 130 bis 131 v».
3) Bassano fol. 104. 4) Ebenda fol. 87.
5) Ebenda fol. 82 voff. 6) Ebenda.
28*
436 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Summen an die Khasna, um ihr Handwerk unter kaiserlichem
Schutze treiben zu dürfen *).
Den Christen war jede BeteiUgung- am öfifentHchen Leben
verwehrt; das Beispiel Grittis steht ganz vereinzelt; höchstens
zogen Griechen als kaiserliche Kaufleute nach der Moldau und
nach Rufsland, um dort kostbare Pelze und „Fischzähne" ein-
zukaufen ^).
Sonst aber lebten die Lateiner, die Frengis, unter dem
Schutze ihrer Bailis und Konsuln ebenso frei wie in der byzanti-
nischen Zeit; den Venezianern war sogar erlaubt, in ihrem
Quartier lärmende mattinate mit Musik und Geschrei zu
veranstalten ^). Die Venezianer und Ragusaner waren sogar von
der Verpflichtung befreit, den Eilboten des Reiches, den Ulaks,
Pferde zu stellen *). Die lateinische Kirche übte in Pera alle
Kulthandlungen wie früher aus; Türken kamen, um neugierig
dem Spiele der Orgeln zuzuhören ; einmal erschien Soliman
selbst in der Kirche San-Francesco : ,,er liefs in seiner Gegen-
wart eine Messe zelebrieren und lachte darüber" ^). In elenden
Verhältnissen mufsten dagegen die im Kriege erbeuteten Sklaven
dahinleben, die von speziellen Kaufleuten auf öffentlichem
Platze feilgeboten wurden: ,,es ist", schreibt einer, dem dieses
Los selbst beschieden gewesen war^), ,,weit schlimmer, sich in
ihren Händen zu befinden, als zu sterben" '^),
Auch die Griechen gediehen, obgleich man jede Gelegenheit
benutzte, sie daran zu erinnern, dafs sie ein besiegtes und unter-
worfenes Volk seien. Denn die Türken bedurften ihrer oft zu
solchen Geschäften, die griechische Klugheit und Kenntnisse
erforderten; das hinderte sie andererseits nicht, die Skylofrengis
i) Menav ino.
2) Meine „Rela^iile comerciale en Lembergul", I, Bukarest 1900, S. 33.
3) Alberi S. 116, Jahr 1527. 4) Bassano fol. 103 vo — 104.
5) „II Gran-Turco in S. Francesco in Pera entrö, et vi fece dir una messa,
alla sua presenza, et se ne rise"; Bassano fol. 82 vo.
6) Bassano fol. 96 flf.
7) „ E peggio star iu man sua che morire " ; vgl. M e n a v i n o fol. 63 vo ff.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 437
oder „Frankenhunde" als Verleug^ner ihrer eigenen Religion,
die sie mit ihren Flüchen profanierten, zu verachten *), und
dafs die Griechen sich die bequemen Ehegesetze des Islams zu
freieren Verbindungen zunutze machten, trug nicht dazu bei,
ihnen Ansehen zu verschaffen ^). Es war ihnen verboten, Pferde
zu halten, die mehr als vier Dukaten Wert hätten ^) ; vor jedem
Moslem mufsten sie absteigen, und es kam vor, dafs ein Moslem
ihnen das Pferd einfach fortnahm *). Öfters ritten sie, um solchen
Unannehmlichkeiten zu entgehen, auf Mauleseln und wurden
trotzdem von türkischen Kindern mit Steinen und Schmähworten
verfolgt^). Spahis liebten es, ihnen Rosen zu schenken: sie
mufsten dann mit einer wertvollen Gegengabe aufwarten ; inter-
essierte Besuche von dieser Seite waren überhaupt häufig ^). Wenn
im Hause eines Christen Feuer ausbrach, zahlte er wenigstens
50 Dukaten, oftmals wurde seine ganze Habe konfisziert und der
,, Schuldige" konnte sogar den Kopf verlieren'').
Die vom Sultan bestätigten Patriarchen erfreuten sich keiner
grofsen Autorität im Reiche: Bulgaren und besonders Serben
entzogen sich der Anerkennung der konstantinopolitanischen
Hierarchie, wie es auch die walachische und moldauische Kirche
während einiger Zeit getan hatten. Ihre Namen, die in den kirch-
lichen Verzeichnissen erwähnt werden , rufen keine Erinnerung
hervor^). Der Patriarch zahlte looo Skudi an den kaiserlichen
Schatz und mufste aufserdem noch gelegentlich die vom Sultan
von seinen Kriegszügen mitgebrachten echten oder falschen Re-
liquien zu sehr hohen Preisen kaufen ■'). Ein Grieche, der allen
üblichen Unannehmlichkeiten zu entgehen, nicht vom Kadi,
sondern im Diwan Recht zu erhalten und vor allem keine türki-
schen Zeugen gegen sich auftreten zu sehen wünschte, war ge-
zwungen, für vieles Geld ein Huküm, einen Freibrief, zu erstehen '°).
i) Bassano fol. 86 vo. 2) Ebenda.
3) Spandugino fol. 206. 4) Menavino fol. 66 v".
5) Bassano fol. 100 vo bis loi. 6) Ebenda. 7) Ebenda fol. 83.
8) Vgl. Gedeon, ITar^uaQxcxol nCvaxtg , Konstantinopel 1S90, 80 und
seine „Jahrbücher der Patriarchen von Konstantinopel"; besonders den III. Band
des vorliegenden Werkes.
9) Bassano fol. 82 voff. 10) Ebenda fol. 95.
438 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Der gewöhnliche Türke, wie der christliche Renegat konnten
zu den höchsten Stufen der Reichshierarchie aufsteigen, wenn
die Sultane auch die in ihrem Serail erzogenen Kinder von
Christen bevorzugten. In einer Zeit, als ein Popensohn aus
Amphipolis, ein Bauernsohn aus Parga und ein anderer, dessen
Eltern in Bosnien das Land bebaut hatten, zu den höchsten
Würden berufen und der Ehre verwandtschaftlicher Verbindung
mit der kaiserlich-osmanischen Familie ■ — Lutfi freilich ohrfeigte
die Sultanm, seine Frau, und ging darum der Ehre, wie auch
seines Wesiramtes sogleich verlustig — teilhaft werden konnten'),
zeigte der reiche Sandschak Isaak-beg von Saloniki seinen zahl-
reichen Besuchern voll Pietät einen von seinem Vater verfertigten
Schuh ^). Die Erhöhung zum Sandschak, Kadilisker oder Wesir,
die mit ebenso grofser Gefahr wie Ehre verbunden war, brachte
nur selten häfsliche Selbstüberhebung mit sich, die dem Islam
bei der von ihm gepredigten Vergänglichkeit aller Dinge auf
Erden und der Nichtigkeit des menschlichen Glückes und Lebens
überhaupt fremd ist. Die Wesire blieben Leute aus dem Volke,
die dessen einfache Seelenregungen auch darin teilten, dafs ihre
Hauptstärke ein gesunder Verstand sein sollte; zahlreiche, oft
sehr ausführliche Gesandtschaftsberichte lassen leicht ihre voll-
ständige Unwissenheit in Geographie, Geschichte und Staatskunde
erkennen; sie fragten wie Kinder, die keine Schule besucht
haben, nach Grenzen, Wegen, Heeresverhältnissen, ohne sich für
Neigungen und Eigenart der fremden Herrscher zu interessieren,
denn nicht das Absonderliche, Individuelle, Zufällige, sondern
nur das allgemein Menschliche brauchten sie zu ihren Urteilen
und Entschlüssen, die auf dem Grunde religiöser Melancholie
und weiser Resignation oft sehr scharf zu unterscheiden wissen.
Alle freilich beanspruchten, wenigstens als ihrer Ehre ge-
schuldet, sowohl von den Vertretern fremder Mächte, als den
Häuptern des im Reiche amtierenden christlichen Klerus und
allen neu ernannten Beamten, die sich ihnen vorzustellen hatten 2),
i) Bassano fol. 85 voff. 2) Spandugino fol. 124 — 124 vo.
3) Ebenda fol. 10.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliraan II. 439
Geschenke, deren Zahl und Wert der dem Geber zukommenden
Bedeutung- entsprach. Da nun diese nicht rechtmäfsigen, aber
regelmäfsig-en Einkünfte sich auf hohe Summen behefen, konnte
ein Daud-Pascha, ohne ein riesiges unbeweg-liches Vermög-cn in
Anschlag- zu bringen, eine ganze Million in barem Gold hinter-
lassen ').
Das angehäufte Vermögen aber flofs nach dem natürlichen
Tode, der Vergiftung oder der Hinrichtung eines türkischen
Grofsen in die Khasna des Kaisers; auch Juwelen, goldener
Schmuck, Perlen, Goldbrokatkleider, Vorhänge und Teppiche,
Pferde und Häuser wurden sogleich öffentlich feilgeboten und
der Ertrag vom Kaiser in Anspruch genommen. Bei solchen
Aussichten, die keine Sicherheit der Zukunft verbürgten, bei der
Gewifsheit, dafs die Familie von dem Reich tume des hoch-
gestiegenen Sklaven oder ,, armen Mannes" nichts zu erwarten
hatte, blieb demjenigen, der auf rechtlichem oder unrechtem
Wege viel Geld im Staatsdienste erwarb, als einzige Weisheit
der Entschlufs übrig, es für Luxus und Aufwand jeder Art wieder
auszugeben und hierin allen Amtsgenossen und Rivalen den Rang
abzulaufen.
Dies ist die eigentliche Ursache des plötzlich ersichtlichen,
bis zum Verschwenderwahnsinn heutiger amerikanischer Milliardäre
gesteigerten Luxus der oberen Klassen der osmanischen Gesell-
schaft, der auch, infolge der reichen Beute, im Heere Eingang fand.
Der ,,arme Mann" und die überwiegende christliche Bevölkerung
der Reichsprovinzen blieben davon selbstverständlich unberührt,
und es erwuchs ein eigentümlicher, scharf ausgeprägter Gegen-
satz zwischen den von Gold und Juwelen strotzenden Grofsen
und Kriegern und der schlichten Lebensart des türkischen
Bauern und Handwerkers, dem ursprünglichen Elend dps
griechischen und slawischen Untertanen vom Lande und dem
klug verhehlten Reichtum der nicht ohne Grund vorsichtigen
und furchtsamen griechischen und jüdischen Stadtbewohner.
Unter Mohammed II. hätte man vergebens nach einem
Samtkleide ausgeschaut ^). Bajesid II. hatte noch die alte
i) Sp andugino.
2) „Fodera di velluto"; Spandugino fol. i23voff.
440 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Tradition der Kleidereinfachheit aufrecht g"ehalten^), im Essen
und Trinken waren die hohen Beamten des Reichs bei grofsen
Einnahmen noch mäfsig gebheben, wenn auch der eine schon
Malvasier vom Bailo verlang^te und der andere kretische Weine
bevorzug-te ^). Nach ihm aber brachten der Besitz Syriens und
Ägyptens und die Eroberung des uralten soudanischen Schatzes
ein so plötzHches Anwachsen des Reichtums hervor, dafs dadurch
eine grofse Veränderung im wirtschaftHchen Leben der führenden
Klasse eintrat; unter Soliman stieg endlich der Luxus aufs höchste.
Ein Zeitgenosse, der Grieche Spandugino Cantacusino, berichtet
treffend: ,,Ihr Pomp begann in der Zeit Bajesids und wuchs
unter der Regierung Selims, der grofse Mengen Gold und Juwelen
aus Ägypten und Persien bringen liefs, und heute treiben die
Türken den gröfsten Aufwand der Welt *)."
Nun werden die 2000 Spachioglane und Silichdare von
keinem Geringeren als Giovio mit den 200 Edelleuten im Ge-
folge des Königs von Frankreich verglichen ; ihre Waffen waren
wie die persischen nach der Mode von Damaskus — alla
damaschina — fein gearbeitet. Die eigentlichen Spahis, die
sich gern in Konstantinopel zu schaffen machten, um gegen
reichere Christen Erpressungen zu verüben, ritten ,,wie die
Cortigiani in Rom umher" und ,, trugen Zaumzeug von Gold
und Silber zur Schau, das oft teurer war als das Pferd" ^).
Rotes Tuch — di scarlatto — mit seidenen Franzen (fiocchi)
bedeckte das Pferd und am Bügel hingen ihm runde goldene
Schaustücke, wieder von Franzen umspielt ^). Juwelen glänzten
an Kopf, Zügel und Sattel des Pferdes ^).
1) Spandugino fol. 123 vo ff.
2) Alberi S. 105.
3) „La pompa di costoro commincio nel tempo di Baiazette, et crebbe piü
sotto il governo di Selim, il quäle et dalla contrada del Cairo et della Persia fece
recare gran quantita d'oro et di gioie, Perche hora i Turchi fanno la maggior
pompa del mondo''; a. a. O.
4) „Come fanno i cortigiani per Roma, a solazzo ... Sfoggiano i fomi-
menti da cavallo dorati e di argento , di modo che tal volta vale piü il forni-
mento che il cavallo''; Bassano fol. loo v» bis loi.
5) Menavino fol. 36.
6) Alberi S. 106.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Solinian II. 4.4I
Noch mehr durch den schweren breiten Tuch- oder Samt-
turban, aus dem sich die feine leichte Mütze erhob '), und durch
Gürtel, die bis zu zwanzig- Dukaten kosteten, als durch Kleider-
stoffe — 1526 gingen nur Soliman und Ibrahim in brokatenem
und seidenem Gewand, während man sonst noch das dauerhafte
Kamelott bevorzugte; brokatene Mäntel freilich waren schon
unter Bajesid keine Seltenheit mehr 2) — suchten die reichen
Hof- und Heerbeamten des Reiches sich hervorzutun. Das die Mütze
umwindende Stück Leinwand war unter Mohammed II. noch mit
einem schmalen Reif von Erz und Silber gebunden worden, der
höchstens 20 Dukaten kostete und bald schwarz wurde ; Bajesid II.
fand das ,, schmählich" 3) und erlaubte seinen Hofbeamten und
Sandschaks nur reines Gold. An den Fingern steckten zahlreiche
kostbare Ringe *).
Hohe, in einigen Fällen ungeheure Summen stellte dann
besonders der Wert der Frauenkleidung und der Frauenluxus
dar. Zwar erschienen sie an der Öffendichkeit, den Vorschriften
des Islams entsprechend, stets von dem feinen Tuch verhüllt,
das heute Feredsche heifst und damals mit anderen Namen be-
zeichnet wurde ^); und die Frauen der Aristokratie und die
Sultaninnen berührten niemals das Pflaster der engen Gassen
Stambuls, sondern verkehrten bis in die tiefe Nacht hinein in
verschlossenen, mit Gitterwerk versehenen und mit Gold und
Blumen verzierten Wagen, die mehr Käfigen glichen ^). Aber
im Bade, im gesellschaftlichen Verkehr mit anderen Frauen und
dem Gemahl trug die Frau seidene Kleider mit Franzen und
leichtem Besatz über einem weifsen, roten, grünen, blauen,
gelben Hemde von Taffet. Die Ärmel waren eng und die Büste
sollte hervortreten; ein Ausschnitt unter dem Halse war nicht
verpönt. Das ganze Kleid war an allen Nähten mit Perlen und
i) ,,Una tocca di bambagia sottile, larga meza canna et lunga sette o otto,
et e molto leggiera et senza alcun fastidio.''
2) Mit „fogliami et fregetti di Damasco o raso"; Menavino fol. 35 — 35 vo.
3) „Che gli era una cosa vergognosa a vederli"; Spandugino fol. 124.
4) Alberi S. 106.
5) Menavino fol. 35 vo : Barami.
6) Bassano fol. 78 vo bis 79.
442 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Edelsteinen besetzt. Der seidene oder goldene Gürtel blitzte
von Juwelen, die auch über die aus feinstem Brokat alla
damaschina gearbeiteten Schuhe gestreut waren. Die frei in
den Nacken fallenden Locken bedeckte ein Stück Taffct oder
ein teurerer Stoff mit Kränzen ^), darauf safs dann das Fekel 2),
in Form einer venezianischen Dogenmütze, das wie ein einziges
Kleinod manchmal aussah. Die höhere silberne Mütze, die auch
wohl getragen wurde ^), ermangelte kostbarer Verzierungen eben-
sowenig *). Die Haut der inneren Hand und die Nägel waren
rot gefärbt; von den griechischen Frauen der Hauptstadt hatten
die Türkinnen die Kunst gelernt, sich die Augenbrauen zu
schwärzen und grelle Schminken zu gebrauchen ^).
Um sich von der ganzen neuen Pracht unter den ,, Kaisern"
— wie die letzten Herrscher zum Unterschiede von ihren Vor-
gängern genannt wurden — Rechenschaft geben zu können,
mufs man sich den Serail des Sultans mit seinen zahlreichen
Höfen, Pforten, Galerien, Kiosken, Häuserreihen, Gärten und
Esplanaden am Meere, mit seinen Kapudschis oder Pförtnern,
Janitscharen, lOOO Spahioglanen, 1500 Silichdaren, 200 Mute-
fariakas, die alle beständig hier hausten, mit Privatbeamten,
100 Eunuchen, Sklaven, Schulknaben, Edelknaben, Mohren,
Zwergen, 300 Frauen und Sklavinnen — im ganzen unter Bajesid
18000 und unter Soliman nicht weniger als 35000 Personen — ,
mit den ins Türkische übersetzten hierarchischen Funktionen
und für ewig festgelegten Zeremonien vor Augen zu stellen
suchen ^).
Für die Frauen bestand ein eigenes Serail, das ,, alte Serail "
(Eski - Sarai) ; es war mit starken Mauern ohne Türme umgeben
i) „Cotne una stola de prete , d'ormesino con una francietta nel fine";
Bass ano fol. 78 vo.
2) tf'uxLÖXi, fazzuolo.
3) „Aguzza, et e tre palmi lunga, che, vedendole, paiono lioncorni"; Mena-
vino fol. 35 vo.
4) Ebenda; vgl. Spandugino fol. 124; Bassano fol. 78 vo bis 79.
5) Bassano a. a. O.
6) Vgl. auch Spandugino fol. 109 vo, ii6vo.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 44$
und hatte zwei Tore, von denen nur eines, natürlich unter Be-
wachung-, g-eöfifnet war. Hier lebten in 25 einzelnen Häusern die
Sultaninnen und die Söhne und Töchter des regierenden Sultans
mit ihren Müttern — die Töchter erhielten loo Asper täglich,
die Mütter nur 30, und dreimal im Jahre brokatene Kleider ; den
anderen Frauen mufsten 15 Asper täglich, den Sklavinnen 10,
und die Kleidung- genügen. Inmitten prachtvoller Gärten, in
denen Pfauen und Straufse zu sehen waren, erhoben sich zwei
Kioske für den Herrn; hierher kam er, um durch Herabreichen
eines feinen gestickten Taschentuchs, eines Fekel, das in der
feinen türkischen Welt gewöhnlich zu Geschenken benutzt wurde,
einer seiner Sklavinnen, die ihm dann zugeführt wurde, seine
Gunst zu bezeigen ^).
Hier weilte Soliman Stunden, selten ganze Tage, wenn ihn,
nur in seiner frühen Jugend, eine neue wilde Schönheit fesselte.
In seiner Abwesenheit führte der Kizlar-Aga, mit seinen Eunuchen,
die Herrschaft, und unter den herkömmlichen Unterhaltungen,
unter Plaudern, Musik und Beschauen der prachtvollen Natur
dieses kleinen Paradieses, lernten die Mädchen von eigens dazu
bestellten Meisterinnen die Kunst der schönen feinen Stickerei
des Morgenlandes , wie sie alle morgenländischen Frauen be-
herrschen sollten, und die ihnen das eintönige, blafs glückliche
Leben verkürzen half ^).
Am Kap Sankt Dimitri erhob sich das vom Sultan selbst
bewohnte Serail, das ebenso prachtvolle Gärten und auf den
Höhen im Umkreise von zwei Meilen hinan viele Wohnungen
umfafste. Von den eisernen Toren der sechs Türme diente nur
eins als öffentlicher Eingang, — farbige Arabesken und eine goldene
Inschrift in Marmor schmückten es ; — der Sultan selbst benutzte
ein anderes am Meere, dessen Turm mit Artillerie versehen war
und vor dem 40 Geschütze aufgestellt waren ^). An jenem
wachten bis unter Soliman, der sie entfernte, 300 Kapudschis
mit ihren Stöcken in der Hand ^). Rechts lagen die Gärten des
i) Menavino fol. 48 vo ff.
2) Ebenda a. a. O. 3) Ebenda fol. 36 vo bis 37.
4) Siehe auch ebenda fol. 41.
444 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Kaisers mit Kiosken, auf deren Dächer unaufhörlich kaltes Wasser
niederrann; links befand sich die zur Küche umgewandelte kleine
Kirche, die ,,die kleine Hagia Sophia" genannt wurde. Hier
konnten bis zu 20 000 Reiter lagern ^). An der zweiten Pforte,
die früher Janitscharen anvertraut gewesen war, standen jetzt
Kapudschis; an ihr mufste jeder Besucher des Diwans, jeder
Hofbeamte und Vertreter eines fremden Fürsten vom Pferde
steigen. Auf einem zweiten kleineren Platze befand sich bis unter
Soliman dieKhasna^); die Kriegs-Khasna dagegen befand sich unter
dem Schutze von 500 höher besoldeten Janitscharen und dem eines
Dizdars, wie er jeder Festung vorstand, in den ,, Sieben Türmen" der
byzantinischen Umfassungsmauer am Meere, die jetzt ,,Jedi Kule"
heifst ^). Soliman liefs die Baulichkeiten , in denen die Khasna
war, wie die, in denen Audienzen bei den Wesiren und dem
Janitscharen-Aga und die Sitzungen des Tefderdars stattgefunden
hatten*), niederreifsen ^). Rings herum lagen die Küchen des
Mutpak - Emini mit seinen sechzig Köchen , in denen man
täglich 40 Schafe, 4 Ochsen und eine grofse Anzahl Hühner
für die drei Mahlzeiten des Hofes schlachtete ^), und die Ställe,
in denen der grofse und der kleine Imrochor mit 900 Stall-
knechten ^) und 1000 christlichen Vojniklar, die Futter für die
Pferde zu mähen hatten, ihres Amtes walteten. Bei feierlichen
Audienzen der Gesandten reihten sich hier auf einer Seite Jani-
tscharen und Adschemoglane, d. h. junge Janitscharen, auf der
anderen Spachioglane , Ulufedschis und andere goldstrotzende
Hoftruppen auf ^). Im Hintergrunde war eine kleine, mit goldenem
Halbmond geschmückte Loggia aus Marmor für den Sultan be-
stimmt, wenn er einmal im Jahre vor den Janitscharen, die ihre
i) Vgl. Spandugino fol. 117 — 117 v», dann die deutschen Gesandt-
schaftsberichte in G e V a y.
2) Siehe über sie Menavino fol. 37 vo bis 38.
3) Übersetzung des griechischen Heptapyrgos ; Menavino fol. 49 vo.
4) Über deren Amt siehe Spandugino fol. iil vo. Sie kauften unter
anderem Tucliwaren für den Hof ein,
5) Alb^ri S. 116. 6) Spandugino fol. 109.
7) Menavino fol. 42 vo.
8) „Vestite quäl d'oro, quäl di vellutto et qnal di seta''; Spandugino
fol. 117 — 117 vo.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 445
Geschenke erhalten hatten, feierlich erschien und sich zujubeln
liefs '). Daneben bewachten Eunuchen unter dem Kapi-Aga das
Pförtchen, das ins Innere des Serails und in die kaiserlichen
Gemächer führte ^).
Hier befand sich die Serailschule, an der vier Schulmeister
zahlreiche Kinder den Koran und andere heilige Bücher aus-
wendig lernen hefsen, um sie so für hohe Reichsämter vorzu-
bereiten. Die Schüler, die sich durch Verlesung von ,, Psalmen"
an der Bahre von Toten in der Stadt etwas verdienen konnten,
erhielten vom Kaiser Kaftane und andere Geschenke, und er
zahlte den Doktoren , die ihre Zöglinge nur einmal am Tage
schlagen durften, wenn sie ihre rechte Hand behalten wollten,
lO Asper täglich ^). Nach Beendigung ihrer Studien wurden
die Zöglinge, die dann im Alter von 25 Jahren standen, dem
Kaiser beim Verlassen seines Serails mit goldenen Binden an
der Adschemoglanenmütze vorgestellt und empfingen in einem
Fekel looo Asper und einige gute Ratschläge aus dem Munde
ihres ,, Vaters", des Padischah-Baba , des Kaisers der Erde und
des Meeres ■*).
Im Serail lebten, dem Sultan, seinem ganzen Hofe und
Heere zur Verfügung, Tausende von Dienern, die verschiedene
Klassen bildeten. Da besorgten, um von unten anzufangen, einige,
die aus weifsem, grünem und schwarzem Marmor gebauten kai-
serHchen Bäder; Wasser brachten die Sakadschis •'') in Büffel-
fellen herbei ; Holz fällten die Baitadschis ^) ; die Kleiderwäscher
erhielten als Bezahlung die getragene Wäsche des Sultans ') ;
siebzig Gehilfen waren an den vier Backöfen beschäftigt, die das
kaiserliche Brot buken ^) ; 200 Maimardschis, darunter auch Grie-
chen, hatten die Bauten instand zu halten^); 300 Nalbandschis
oder Nalbants beschlugen die Pferde; den Dogandschis waren
Vögel und Hunde, den Seimens nur die Jagdhunde, den Tscha-
i) Spandugino fol. 118. 2) Ebenda fol. 117 — 117 vo.
3) Menavino fol. 38 — 38 v». 4) Ebenda fol. 40 v» bis 41.
5) Nach der Saka, dem Karren benannt, der zum Transport benutzt wurde.
6) Spandugino fol. 109 vo. 7) Menavino fol. 39voft".
8) Ebenda fol. 39. 9) Ebenda fol. 45 v°.
446 Zweites Buch. Elftes Kapitel,
kirdschis wieder Vögel anvertraut ^) ; die Elefanten, Löwen, Leo-
parden, Wildkatzen, Affen, die man nach dem Beispiele der Sou-
dane von Kairo in der einmal als Wasserleitung- benutzten unter-
irdischen Galerie Bin-bir-direk unterhielt, hatten ihren beson-
deren Pfleger^). Im Keller, wo Brot, Dschulep, Zucker, kan-
dierte Früchte, Spezereien usw. aufbewahrt wurden, waltete der
Kelerdschi-Bascha mit seinen 25 jungen Kelerdschis, die sich
noch im Lesen und Schiefsen vervollkommneten ^) ; die Gärten
unterstanden der Obhut des Bostandschi-Baschas und seiner 300
Bostand^his, die einen Teil der geernteten Früchte auf öffent-
lichem Markte verkauften — freute sich doch der Sultan über
solchen Gewinn, der nicht den Schweifs des Volkes kostete,
ganz besonders *). Junge Janitscharen bereiteten das Eis für die
Tafel ihres ,, Vaters" ^). Den Köchen zur Seite arbeitete ein
Halvadschi, um die Halva genannte süfse Masse herzustellen ^).
Für die persönlichen Bedürfnisse des Kaisers allein waren
wiederum besondere Kategorien von Hofbeamten bestimmt, 30
Schneider, 70 Goldarbeiter, die auch im Basar Buden hatten,
50 Münzschläger, Schuhmacher, Schmiede, Schreiber usw. Prie-
ster ^) gehörten zum kaiserlichen Hause *). Bartscherer warteten
auf ein Zeichen des „Herrn"; jüdische oder arabische Ärzte,
Hekims oder Dscherachs, hatten ihre Wohnung im Serail ^). Ein
kundiger Perser, dem 200 Sklaven zugeteilt waren, sagte als
Astrolog dem Herrscher die Zukunft voraus"'). Überall gingen
Eunuchen, die oft aus Indien gebracht waren, umher.
Des Morgens kam der Tschohodar, um dem Sultan Wasser
zum Waschen zu bringen; die Kleider, die er nur einmal zu
tragen pflegte, reichte ihm der Keptar; der Silichdar trug für
Schwert und Bogen Sorge und galt als erster unter den Favo-
i) Menavino fol. 46.
2) Ebenda; Bassano fol. 102 — 102 vo.
3) Ebenda fol. 38.
4) „Perch^ dice che quelli sono danari di buon' acquisto, et non di sudore
di poveri huomini'"; ebenda fol. 38 vo bis 39.
5) Menavino fol. 46. 6) Spandugino fol. 109.
7) Bassano fol. 104 vo. 8) Ebenda fol. 45.
9) Men av in o fol. 40 — 40 vo. 10) Bassano fol. 102.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 447
riten — sein Gehalt betrug- zehn Dukaten monatlich '). Mehrere
Itschoglane unter Oda-baschis, d. h. Edelknaben unter Kammer-
herren , leisteten die kleinen Handreichungen und hatten Sirup
und Confetti in Verwahrung- ^). Wenn — dreimal im Sommer,
zweimal im Winter — die Stunde der Mahlzeit kam , eilte , mit
dem Stabe in der Hand, der Tschisnedschir-Bascha und sein Ge-
folg-e aus der Küche herbei. Die schon in kleine Stücke zurecht-
g-eschnittenen Speisen lag-en auf Porzellantellcrn und waren mit
Silber zug-edeckt. Vor den auf Teppichen sitzenden Kaiser wur-
den zunächst zwei Leintücher ausgebreitet, dann die altherge-
brachte, jetzt fein gearbeitete lederne Serviette, die Sofra. Kniend
bot der Tschisnedschir seinem Herrn die Teller dar, während
die drei männlichen Favoriten des Sultans ihm mit Sirup oder
Dschalep in einer mit Silber eingefafsten und mit Smaragden
oder anderen Edelsteinen besetzten Kokosnufsschale aufwarteten ^).
Oft war ein Arzt bei dem Mahle zugegen, um den Herrscher
vor Gift zu bewahren ■*).
Nach dem Essen las der Sultan aus ,, dem Buche von Ale-
xander" oder philosophisch -religiöse Traktate^). Oder er rief
Zwerge, Narren , Pechlivans vor sich ; letztere nur mit ledernen
Hosen bekleidet, auf dem Kopf eine kleine schwarze oder weifse
Lammfellmütze und im Nacken ein Mäntelchen, das sie abwarfen,
wenn das Ringspiel begann ^). Nach dem von der Etikette vor-
geschriebenen Nachmittagsschlaf auf dem Diwan pflegte Soliman
sich eine der vier goldgeschmückten Barken aus dem Arsenal
bringen und sich mit Ibrahim oder einem anderen Freunde unter
seinen Sklaven nach den asiatischen Gärten übersetzen zu lassen.
Adschemoglane safsen am Ruder und der Bostandschi-Bascha
vorn am Steuer ').
i) Menavino fol. 37.
2) Vgl. Spandugino fol. 107 vo bis 108 vo.
3) Unter Bajesid : ,,Scorza di noce indiana, legata in verghe d'oro, et il
piede simile, con una luna in cima, due smeraldi bellissimi per ogni banda";
Menavino fol. 48 — 48 vo.
4) Bassano fol. 85. 5) Ebenda.
6) Menavino fol. 46 — 46 v«; Bassano fol. 87 — 87 yo.
7) Vgl. Alberi S. 96 mit Bassano fol. 87 — 87 vo.
448 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Des Abends zeitig- bereiteten Kammerherren dem Sultan in
dem von ihm bezeichneten Räume — vorsichtshalber schlief er
nie zwei Nächte nacheinander in demselben Zimmer — das Lager.
Tagsüber ruhte er auf zwei Matratzen , eine aus silbernem, die
andere aus goldenem BrokatstofF, beide mit Edelsteinen besetzt,
und stützte sich auf vier ebensolchen Kissen. Der Nachtruhe
dienten drei mit rotem Samt überzogene Matratzen, von denen
zwei mit Baumwolle, die unterste aber mit Federn gefüllt waren ;
im Sommer deckte er sich mit einer Decke aus rotem Tafifet,
im Winter mit einem kostbaren Schwarzfuchsfelle zu; von den
Kissen hingen seidene Kränzen mit goldenen Knöpfen herunter.
Darüber spannte sich an Schnüren ein goldener Baldachin aus.
Über das Hemd zog der Sultan nachts eine Jacke aus feinem
Tuche. Wenn er sich niederlegte , wurde einer oder zwei zu
beiden Seiten des Bettes aufgestellte silberne Kandelaber an-
gezündet, deren Licht die Augen des Schlafenden nicht be-
lästigte. Fünf Kammerherren hielten bis zum Morgen bewaffnet
Wache »).
Am Morgen empfmg der Sultan seine höchsten Beamten,
bevor sie selbst Audienzen erteilten. Dann begaben sich die
Wesire, Kadilisker, Tefterdare, der Janitschar- Aga und später
auch Khaireddin, der Beglerbeg des Meeres ^), mit seinen Kollegen
von Rum, Anadol , Diarbckr, Karaman, Sulkadr, Syrien und
Ägypten, soweit sie in Konstantinopel anwesend waren, und dem
Dragoman zum Gerichte. Der Audienzsaal war reich mit Mosaiken
ausgestattet und ruhte auf marmornen Säulen; goldene Arabesken,
die in BlumenmusternEdelsteine umgaben, schmückten die Wände ^),
die Gesandten sprachen sogar mit Bewunderung von dem ,,ver-
guldten Poden " *) ; Spahis, Mutefariakas u. a. verliehen den Ver-
handlungen durch ihre Gegenwart höhere Würde. Ernennungen
wurden vollzogen, falsches Geld untersucht, Staatsangelegenheiten
i) Menavino fol. 37 v, 48 vo; Bassano fol. 85.
2) Bassano fol. 88 vo.
3) Ebenda fol. 83 v».
4) Gevay 1530, S. 41-
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliraan II. 449
jeder Art beraten und Prozefsberufung-en , zu denen Tschausche
die interessierten Teile vorriefen, endg-iiltig- entschieden; der Ver-
urteilte erhielt auf der Stelle seine Stockhiebe oder wurde dem
Henker zu ausgesuchten Folterqualen oder zur Hinrichtung- —
durch Köpfen, Erwürgen, Pfählen oder Festsetzen mit eisernen
Klammern, guanci ^) — überwiesen. Die Sitzungen wurden durch
die Mahlzeiten der Mitglieder unterbrochen, denen man Hühner,
Wildbret mit Gewürz- und Safransaucen und Limonensaft vor-
setzte ; die Audienz ging dann im Sommer bis nachmittags , im
Winter bis abends, zur Kindistunde, fort. Dem Sultan gaben
anfänglich die Kadilisker, dann die Wesire und Beglerbegs durch
ein Arz, d. h. einen schriftlichen Bericht, Kenntnis von den ge-
troffenen Entscheidungen ^).
Viel feierlicher gestalteten sich die Audienzen, wenn der
Sultan — statt hinter schwarzem Vorhange ungesehen an einem
offenen Fensterchen zu lauschen — öffentlich erschien und auf
seinem mastabe, dem goldenen Throne, Platz nahm. Kapu-
dschis mit Stöcken aus schwarzem Ebenholz mit Silbereinlage
gingen ihm voran; dann folgte in langsamem Zuge der Grofs-
wesir; zwei andere Wesire begleiteten rechts und links den
Kaiser. Die drei Favoriten mit goldenem Kissen und die Eunu-
chen ersten Ranges schlössen sich ihm an. Die Hände auf der
Brust kreuzend und die Augen zur Erde richtend, standen die
Anwesenden unbeweglich. Hatte sich der Sultan nach morgenlän-
discher Art niedergelassen, so setzten der Grofswesir und der Kadi-
lisker von Rum sich auf die Bänke zur rechten Hand, zur linken der
andere KadiHsker und die übrigen Wesire. Die Beratung ging
vor sich, ohne dafs der Kaiser das Wort nahm; darauf speiste
man gemeinschaftlich. Endlich teilten die Kapudschis, der Wei-
sung des Herrn entsprechend, Brokatkleider oder Kaftane aus;
derjenige Beamte, der bei solcher Gelegenheit einen Kaftan aus
schwarzem Tuche erhielt, begab sich ohne einen Laut dahin,
wo ihn der Strick des Henkers erwartete ").
i) Bassano.
2) Ebenda fol. 87 voff. Vgl. Gcvay, passim.
3) Vgl. Menavino fol. 47 — 47 vo; Spandugino fol. 124 vo bis 125;
Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches. II. äö
450 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
Fand der Diwan zum Empfang eines fremden Gesandten
statt — man unterschied zwischen dem Feinde, der, um einen
Pafs zu erhalten, als Gefangener nach Konstantinopel oder Adria-
nopel begleitet und in dem ihm angewiesenen Hause von Jani-
tscharen bewacht wurde und den Sultan nicht zu Gesicht bekam,
und dem Freunde — , so hatte die kaiserliche Audienz einen
etwas anderen Charakter. Bei seiner Ankunft ritt der Gesandte
auf einem Paradepferde, von 30 bis 40 Imrochoren begleitet, ein ;
am dritten Tage erst durften seine unwürdigen Augen den Kaiser
sehen. Er machte die Reverenz, die tiefe, vom Hofzeremoniell
vorgeschriebene Verbeugung; der Sultan stand auf, was vor kei-
nem Untertanen seines Reiches geschah, und reichte dem Ge-
sandten die Hand zum Kusse. Auf einem kleinen roten Stuhle
europäischer Art mufste der Fremde Platz nehmen, und der Dra-
goman verlas die Briefe seines Herrn. Nicht selten nahm Soli-
man selbst das Wort, stellte Fragen und erteilte Rügen, so dafs
er die Milde mit der Strenge oft wechselte. Darauf wurde der
Gesandte zu den Wesiren geleitet, und diese bewirteten ihn in
einem anderen Zimmer, wenn er ein Franke war, alla franca,
d. h. es wurde auf silbernen und goldenen Tellern serviert und
Wein getrunken.
Der Gesandte teilte dann seine Zeit zwischen Verhandlungen,
die oft absichtlich in die Länge gezogen wurden , und Spazier-
ritten durch die Stadt, wobei ihn ein Tschausch und eine Wache
von Janitscharen , die ein Trinkgeld — Bakschisch — und Be-
förderung in ihrer militärischen Karriere erwarteten, begleiteten,
um die Menge von ihm fern zu halten. Täglich erhielt er aus
der Khasna bis 20 Golddukaten für seine Ausgaben. Am Tage
der Abreise durfte er noch einmal vor dem Sultan sprechen und
seine Antwort vernehmen, auch nahm er oft, neben ihm sitzend,
noch an einem festlichen Mahle teil ; wenn er von den zehn bis
fünfzehn gleichzeitig gebrachten fremden Gängen gekostet hatte,
erhielt der Fremde einen oder mehrere Kaftane aus Damast,
Samt oder Brokat, die oft einen Wert von 2000 bis 3000 Du-
siehe auch Hurmuzaki II, 62; Bassano fol. 88 v» bis 89; Alb^ri
S. 116.
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman U. 451
katen hatten. Darauf nahm er die kaiserliche Antwort in einem
kostbaren gestickten Säckchen auf die Reise mit ^).
Jeden Freitag begab sich der Sultan in die Moschee : es war
jedesmal der imposanteste Aufzug damit verbunden, den die Be-
völkerung seiner Hauptstädte sehen konnte. Berittene Tschausche
liefsen ihren Ruf: „Zurück, der Herr kommt!" erschallen 2).
Daraufkamen 2000 Janitscharen, 2000 Spahis, Solaken mit Schwer-
tern und Beilen am Gürtel und Flinten auf dem Rücken, Spa-
chioglane zu Pferde, mit Schwert und Bogen, den Buzdugan am
Sattel, vorbei. In einiger Entfernung folgten zwei Imrochore,
dann 15 bis 20 Pferde, die mit Perlen und Edelsteinen besetzte Zügel
und wallende rote Decken trugen. Die drei Agas des kaiser-
lichen Gemaches, der Silichdar-Aga und seine Gefährten schlössen
sich mit den Zeichen ihrer Würde an. ,, Tiefes Schweigen herrschte
und nichts war zu hören als Schritte und Pferdehufe 2)." Das
Volk grüfste schweigend und allen , auch Christen und Juden,
nickte der Kaiser. Nachdem er gegen zwei Stunden in seinem
gläsernen Kiosk gebetet hatte, kehrte er unter demselben Zere-
moniell zurück ^).
Sonst erschien er öffentHch auch wohl , wenn ein mit wei-
fsen Buchstaben auf schwarzem Grund geschriebener Brief ihm
den Tod eines kaiserlichen Prinzen verkündete, mochte er auch
auf seinen Befehl ermordet worden sein. Dann warf der Sultan
seinen Turban zu Boden, legte alle Juwelen ab, liefs den Wän-
den ihren Schmuck nehmen und die Teppiche umkehren, und
drei Tage lang durfte in der Hauptstadt keine Musik ertönen ;
Schafe wurden geopfert und bis zu 7000 Asper wöchentlicher
Almosen verteilt. Am Tage der Beisetzung ging der Herrscher
hinter der Bahre des Verstorbenen her, und die Pferde, die ihn
i) Menavino fol. 47 vo bis 48; Bassano fol. 102 voff.; Alberi S. 116;
vgl. oben S. 300 ff. Eine Audienz im Lager (1537), Charriere I, S. 344 ff.
2) „Fatevi indietro ; ecco il Signor che viene"; Bassano fol. 81 vo bis 82.
3) „Silentio grandissimo, ne si sente altro che il suono delle scarpe ferrate
et il strepito de' cavalli"; ebenda.
4) Ebenda.
29*
453 Zweites Buch. Elftes Kapitel.
zogen, mufsten „weinen" — man hatte ihnen tränenfördernde
Reizmittel in die Augen gebracht ^). In der Trauer aber wie im
Triumphe wurde dasselbe unvergleichliche, majestätische Schwei-
gen bewahrt.
Wenn sich der Sultan zu einem Kriegszug in Bewegung
setzte, hatten selbst die looo Karipidschis , ,,arme Leute", dar-
unter Christen und Mohren , schöne , kostbare Uniformen an.
Der Emir-Alem mit sechs Sandschaks trug ihm das kaiserliche
Zeichen, den Tug, voran 2). 4000 glänzende Spahioglane, von
denen je 500 um das Zelt des Kaisers bei jedem Wetter im
Freien schlafen mufsten, waren ihm beritten zur Seite; je zehn
Silichdare führten die kaiserlichen Pferde. Diese auserwählten und
hochbesoldeten Krieger hatten ihrerseits wieder, wie auch die
Ulufedschis und Mutefariakas, zwei oder drei Sklaven in pracht-
vollen Kleidern mit. Der Imrochor war von tausend Janitscharen
und eigenen Sklaven umgeben. Alle Tschausche waren unter
ihrem Führer, dem Tschausch-Bascha zugegen : mit dem Buzdu-
gan in der Hand ordneten sie geräuschlos die Reihen des Heeres.
Unter ihren zwei Agas und zwei Kehajas schritten die Solaks mit
weifsen und goldenen Mützen, wie die Janitscharen, einher. In
Gold und Seide prangten die Kapudschis, die auch als Massa-
ladschis in der Nacht dem Herrn mit Windlichten den Weg
wiesen ^). Schnelle Läufer eilten in ihrer eigentümlichen Klei-
dung voran. Das Korps der Janitscharen, die jetzt Panzer tru-
gen und oft auch schon Flinten führten, erregte die allgemeine
Bewunderung ^). Auf neuen, von spanischen Mohren nach dem
Vorbilde der in ihrer Heimat gebräuchlichen gebauten Karren
kam, von 1000 Toptschis und häufig christlichen Meistern be-
dient, die bronzene und eiserne Artillerie; notwendige Repara-
turen an Geschützen und anderen Waffen auszuführen, war Sache
1) Bassano fol. 51 v».
2) Spandugino fol. 113 ff. ; Menavino fol. 41 vo.
3) Vgl. Menavino fol. 42voff. ; Spandugino fol. 113 v» bis 115.
4) Die farbige Abbildung eines Janitscharen zu Anfang des i. Bandes meiner
„Acte §i fragmente".
Osmanisches Leben unter der Regierung des jungen Soliman II. 453
der Dschebedschis ^). Den Beschlufs des Zug-es bildeten die
Maultiere unter dem Katirdschi-Bascha und die seit Selims Tagen
für den Transport des schweren Gepäckes benutzten Kamele ^).
So vereinigten sich Pracht mit numerischer Stärke, Disziplin,
persönliche Tapferkeit, Treue gegen den Sultan, Hingebung an
den Islam und Lebensverachtung, um aus diesem Heere das erste
der Welt und in ihm das Reich Solimans , selbst wenn es die
erstrebten Ziele, wie 1529 und 1532, nicht immer vollständig er-
reichen konnte, unüberwindlich zii machen.
i) Spandugino fol. 115.
21 Ebenda.
->-^5G^-
Druck von Friedrich Andreas Perthes, Aktiengesellschaft, Gotha.
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