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REFERENCE LIBRARY
OF
CRYPTOGAMIC BOTANY
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PFLANZEN-GEOGRAPHIE
AUF
PHYSIOLOGISCHER GRUNDLAGE
VON
Dr. ä. F. W. SCHIMPER
a. o. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT BONN.
MIT 502 ALS TAFELN ODER IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN
IN AUTOTYPIE, 5 TAFELN IN LICHTDRUCK UND 4 GEOGRAPHISCHEN KARTEN.
->:«»^
JENA
VERLAG VON GUSTAV FISCHER
1898.
1
S3 3--f<i (■
Alle Rechte vorbehalten.
Vorwort.
Die Abgrenzung der einzelnen Florenareale und ihre Gruppirung
in grössere Verbände oder Florenreiche geht ihrer baldigen Vollendung
entgegen und die Zeit ist nicht mehr fern, wo alle Pflanzenarten und
deren Verbreitung bekannt sein werden. Damit wird jedoch nicht,
wie von manchen Seiten noch angenommen wird, die Pflanzengeographie
ihre Aufgabe gelöst, sondern nur eine Grundlage geschaffen haben,
auf welche die Wissenschaft weiter bauen wird. Das Ziel der Pflanzen-
geographie wird dann wesentlich in der Erforschung der Ursachen der
Florenunterschiede bestehen.
Die gegenwärtigen Floren stellen nur einen Moment in der Ge-
schichte der Pflanzendecke dar. Die Wechselwirkung der der Pflanze
innewohnenden Veränderlichkeit mit der Veränderlichkeit der äusseren
Factoren bedingt eine bald schneller, bald langsamer, jedoch fort-
während sich vollziehende Umformung. Dieser Wechsel beruht theil-
weise auf Wanderungen, vornehmlich jedoch auf Umgestaltung der
Glieder der Pflanzendecke. Die Structur der Pflanze ist aus unbekannten
inneren Ursachen einem überaus langsamen, aber anscheinend ununter-
brochenen Umwandlungsprocess unterworfen, welcher zur Ausbildung
rein „morphologischer", d. h. in keiner sichtbaren Beziehung zur Um-
gebung stehender Merkmale führt. Ausserdem aber wird dieselbe, wie
der Versuch zeigt, durch Veränderungen der äusseren Bedingungen in
tiefgreifender und rascher Weise modificirt, so dass jeder Wechsel in
der Umgebung alsbald einen solchen in der Organisation nach sich
zieht. Sind die neu eintretenden Eigenschaften nützlich, so werden sie
in den Nachkommen gezüchtet und vervollkommnet, und stellen dann
die sogenannten „Anpassungen" dar, in welchen die auf die Pflanze
wirkenden äusseren Factoren zum Ausdruck gelangen. Da diese letz-
teren mit der geographischen Lage wechseln , so werden durch die
IV Vorwort
Anpassungen die Ursachen der Verschiedenheiten im Vegetationsbilde
an den verschiedenen Punkten der Erde dem Verständniss näher ge-
führt, so dass ihre Untersuchung zu den vornehmsten Aufgaben der
Pflanzengeographie gehört.
Der Zusammenhang zwischen der Pflanzengestalt und den äusseren
Bedingungen an den verschiedenen Punkten der Erdoberfläche bildet
den Gegenstand der ökologischen Pflanzengeographie,1) welche erst
neuerdings in den Vordergrund des Interesse gerückt ist, obwohl sie
bereits in früheren Werken, namentlich in Giesebach's verdienstvoller
„Vegetation der Erde", allerdings von veralteten Gesichtspunkten aus,
Berücksichtigung gefunden hatte. Der grosse Aufschwung der physio-
logischen Richtung in der Pflanzengeographie datirt von dem Augen-
blicke, wo die bisher nur in europäischen Laboratorien arbeitenden
Physiologen die Vegetation fremder Länder an Ort und Stelle zu unter-
suchen begannen. Europa war, mit seinem in jeder Hinsicht ge-
mässigten Klima und seiner durch die Cultur tief modificirten Vegeta-
tionsdecke wenig geeignet, zu solchen Beobachtungen Anregung zu
geben; im tropischen Regenwald, in der Sahara, in der Tundra wurde
der enge Zusammenhang zwischen dem Vegetationscharakter und den
Bedingungen extremer Klimate an augenfälligen Anpassungen nach-
gewiesen.
Durch die Gründung des botanischen Laboratorium in Buitenzorg
und die ungemein günstige Gelegenheit zum Aufenthalt inmitten der
tropischen Vegetation, welche, dank Treub's nicht genug zu rühmenden
Bemühungen dem Botaniker auf Java geboten werden, hat die physio-
logische Richtung in der Pflanzengeographie ungemein rasche Fort-
schritte gemacht. Namentlich ist es, wie Wiesner's und Haberlandt's
bahnbrechende Arbeiten gezeigt haben, dadurch möglich geworden,
im tropischen Klima lange dauernde und exakte physiologische Ver-
suche anzustellen. Hoffentlich wird bald in den arktischen Ländern
ein Gegenstück zu Buitenzorg erstehen; entsprechend der Armuth der
Flora und der relativen Einfachheit der zu lösenden Fragen, würde
schon bei bescheidener Ausrüstung ein arktisches Laboratorium grosse
Dienste leisten.
Nur wenn sie in engster Fühlung mit der experimentellen Physio-
logie verbleibt, wird die Oekologie der Pflanzengeographie neue Bahnen
eröffnen können, denn sie setzt eine genaue Kenntniss der Lebens-
bedingungen der Pflanze voraus, welche nur das Experiment verschaffen
kann. Dadurch allein wird es möglich werden, die Anpassungslehre
dem Dilettantismus, welcher sich in derselben mit Vorliebe breit macht,
J) Nach dem Vorschlage Hackers wird in neuester Zeit die früher „Biologie" genannte
Anpassungslehre als „Oekologie11 bezeichnet.
Vorwort. V
zu entreissen und von den anthropomorphen Spielereien zu säubern,
welche sie in gänzlichen Discredit zu bringen drohten. In dieser Hin-
sicht ist es mit Freuden zu begrüssen, dass wissenschaftliche Botaniker
sich mehr und mehr den ökologischen Problemen zuwenden und ihre
theoretischen Anschauungen auf die Basis sicher beobachteter That-
sachen und kritisch ausgeführter Experimente stellen.
Mit dem vorliegenden Material lässt sich eine befriedigende Ge-
sammtdarstellung der ökologischen Pflanzengeographie noch nicht geben.
Dieses Buch bringt daher mehr Fragen und Antworten und beabsichtigt
in erster Linie durch präcise Aufstellung der erster en zu weiteren
Untersuchungen anzuregen.
Die grösste Sorgfalt wurde der Wahl und Ausfuhrung der Ab-
bildungen gewidmet, die theils an einzelnen Objecten, theils an ganzen
Pflanzenformationen den Zusammenhang zwischen dem Pflanzenleben und
den äusseren Bedingungen weit besser vor Augen fuhren, als die aus-
führlichsten Schilderungen. Dank der grossen Gefälligkeit einer Anzahl
Fachgenossen und Naturfreunde ist es mir möglich gewesen, ein reiches
Material an photographischen Landschaftsbildern mit charakteristischer
Vegetation zusammenzubringen. Ich verdanke dieselben folgenden Herren
und Behörden, welchen ich hier dafür nochmals meinen besten Dank
ausspreche: Forstinspector W. W. Ashe (N. Carolina), Prof. Bessey
(Lincoln, Nebr.), Prof. Dr. Brandis (Bonn), Privatdoc. Dr. A. Brauer
(Marburg), L. Cockayne (Christchurch, Neu -Seeland), Prof. J. M. Coulter
(Chicago), Prof. Dr. D. H. Campbell (Leland Stanford Univ., Calif.),
Prof. Dr. Deichmüller (Bonn), Docent P. Groom (Oxford), Grigoriew,
Sekretär der Kais. russ. geograph. Gesellschaft (St. Petersburg), „Geo-
logical department" der, Univ. Nebraska, Prof. Dr. G. Karsten (Kiel),
Gardelieutenant Kaznakoff (St. Petersburg), J. Kobus (Pasoeroean, Java),
Prof. Krassnow (Charkow), Prof. Kusnezow (Dorpat), G. Küppers-Loosen
(Köln), Dr. P. Kuckuck (Helgoland), Prof. Dr. Kükenthal (Jena), Prof.
MacMillan (Univ. of Minnesota), Prof. Pohlig (Bonn), Prof. Rothrock
(West Chester Pa.), Prof. Sargent (Brooklyne, Mass.), Privatdoc. Dr. A.
Schenck (Halle), Prof. Dr. H. Schenck (Darmstadt), Dr. O. Stapf (Kew)f
Geheimrath Prof. Dr. Strasburger (Bonn), F. Sönnecken (Bonn), W. Swingle
(Florida), Dr. Treub (Buitenzorg, Java), Prof. Dr. O. Warburg (Berlin),
G. H. Webber (Florida). Lady Brandis in Bonn hatte die grosse Güte
mir ihre ebenso naturgetreuen wie schönen Aquarelle aus Vorderindien
zur Verfugung zu stellen.
Mehreren der oben genannten Herren verdanke ich ausserdem
wesentliche Unterstützung durch Litteratur, Untersuchungsmaterial etc.
In dieser Hinsicht bin ich noch folgenden Herren und Behörden ver-
pflichtet: Der Kaiserlichen Regierung in Indien, den Directionen der
botanischen Museen und Gärten zu Berlin, Buitenzorg und Kew, Prof.
VI Vorwort.
Dr. Drude (Dresden), Prof. Dudley (Leland Stanford Univ., Calif.),
Prof. Dr. Flahault (Montpellier), Prof. Dr. Hieronymus (Berlin), Dr. Körnicke
(Bonn), Prof. Dr. Noll (Bonn), Geheimrath Prof. Dr. Pfitzer (Heidelberg),
Obergärtner Purpus (Darmstadt), Geheimrath Prof. Dr. Rein (Bonn), Prof.
Dr/Trabut (Algier), Prof. Dr. Volkens (Berlin).
Die Pflanzenbilder wurden zum grössten Theile unter meinen Augen
von Herrn stud. rer. nat. R. Anheisser zu meiner vollen Befriedigung
nach der Natur gezeichnet. Nur relativ wenige Bilder sind anderen
Werken entnommen.
Nur die dritte der vier Kartenbeilagen ist ein Original; dieselbe
bezweckt nur zur vorläufigen Orientirung zu dienen. Die Anordnung
der Vegetation in Brasilien stützt sich auf eine mir von Prof. H. Schenck
zur Verfugung gestellten Skizze.
Schliesslich ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Verlags-
buchhändler Dr. G. Fischer für die grosse Bereitwilligkeit, mit welcher
er auf alle meine Wünsche eingegangen ist, hier meinen besten Dank
auszusprechen.
Zur Literatur sei bemerkt, dass pflanzengeographische Werke allgemeinen
Inhalts in die Verzeichnisse meist keine Aufnahme gefunden haben. Jedem
Studenten der Pflanzengeographie seien ein für alle Male empfohlen:
A. de Candolle. Geographie botanique raisonnde. 2 Bde. Geneve 1855.
Grisebach, A. Die Vegetation der Erde. 2 Bde. 1872.
Drude, O. Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart 1890.
— Atlas der Pflanzenverbreitung. Gotha 1887.
Engl er, A. Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt. 2 Theile.
Leipzig 1879 u. 1882.
Bonn, Ende Juli 1898.
Inhaltsverzeichniss.
Erster Theil.
Die Factoren.
Seite
I. Das Wasser 3
1. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen. § i. Allgemeines.
Hygrophyten und Xerophyten. Ombrophobie und Ombrophilie. Physikalische
und physiologische Trockenheit. Eigenschaften der Tropophyten. Klimatische
und edaphische Xerophyten, Hygrophyten und Tropophyten. — §2. Die Xero-
phyten. Die Wasseraufnahme herabsetzende Factoren. Die Transpiration for-
dernde Factoren. Xerophile Structur. Schutzmittel gegen Wasserverlust. Wechsel-
beziehungen der Xerophyten verschiedener Standorte. — §3. Die Hygrophyten.
Wiesner's und Lothelier's Versuche. Hygrophile Structur. Entfernung über-
schüssigen Wassers : Träufelspitze, Hydathoden etc. — §4. Die Tropophyten.
Tropophile Structur. Der Laubfall. 2. Die Vegetationsorgane der Wasser-
pflanzen. Structurveränderung submers wachsender Landpflanzen. Eigentüm-
lichkeiten echter Wasserpflanzen. 3. Da« Wasser und die Reproduction.
Nachtheiliger Einfluss der Feuchtigkeit auf die Sexualsphäre. Die sexuelle Re-
production bei den Wasserpflanzen. 4. Das Wasser und die Samen-
verbreitung. Anpassungen von Früchten und Samen an Verbreitung durch
Wasserströmung. Die Auswürfe des Meeres. Die neue Flora von Krakatau.
II. Die Wärme 40
1. Allgemeines. Die Wärme und die Pflanzenstructur. Wirkungen des
kalten Klimas auf Form und Lage der Blätter. Die drei Cardinalpunkte. Die
Phänologie. 2. Die Nullpunkte des Pflanzenlebens. § 1. Untere Null-
punkte. Widerstandsfähigkeit gegen Kälte. Kältetod oft Trockentod. Die
kältesten Punkte der Erde. — § 2. Obere Nullpunkte. Widerstandsfähig-
keit gegen Hitze. Sachs' Versuche. Die Thermen. Höchste beobachtete Tem-
peraturen in Boden und Luft. 3. Die Cardinalpunkte der pflanzliehen
Functionen. Das harmonische Optimum. Absolutes und ökologisches Optimum.
Schwankungen des harmonischen Optimums während der Entwickelung. Das
ökologische Optimum des Pfirsichbaumes. Cardinalpunkte der Keimung. Keimung,
Wachsthum, Assimilation, Athmung bei niederen Temperaturen. Nützliche nie-
dere Temperaturen. Wirkungen der Kälte auf die geschlechtliche Reproduction.
VIII Inhaltsverzeichniss.
Seite
4. Die Akklimatisation. Verpflanzen aus warmen in kalte Klimate und um-
gekehrt. Schübeler's und A. de Candolle's Versuche. H. Mayr über Akkli-
matisation der Waldbäume.
III. Das Licht . 61
1. Allgemeines. Bedeutung des Lichtes für die Pflanzengeographie. 2. Pho-
tometrisohe Methoden. Wiesner's Arbeiten. 3. Das Pflanzenleben im
Dunkelen. 4. Lichtintensitat und Iiiohtqualität. Wirkungen des Lichtes
ungleicher Intensität auf verschiedene Functionen. Schädlichkeit hoher Licht-
intensitäten und entsprechende Schutzmittel. Ungleiche Wirkungen ungleicher
Strahlengattungen. Absolute und ökologische Lichtoptima. 5. Sonne und
Schatten. Gesammtlicht, Oberlicht, Vorderlicht, Hinterlicht, Unterlicht. Sonnen-
licht und diffuses Licht. Wiesner's Bestimmungen des factischen Lichtgenusses
der Pflanzen. Ungleiches Lichtbedürfhiss der Sonnen- und Schattenpflanzen.
Vorrichtungen zur Lichtconcentration bei Schattenpflanzen. 6. Tag und Nacht.
Pflanzengeographische Bedeutung der ungleichen Dauer des Tageslichtes. Bonnier's
Versuche in continuirlicher Beleuchtung.
IV. Die Luft 78
1. Der Luftdruck. Wachsthum bei vermindertem und erhöhtem Luftdruck.
Versuche Wieler's und Jaccard's. Der Luftdruck im Hochgebirge. 2. Die
Luft in den Gewässern. Löslichkeit, Zusammensetzung und Diffusion der
Luft im Wasser. Vorrichtungen zu Aufnahme und Transport des Sauerstoffs bei
Wasserpflanzen. Aerenchym und andere Durchlüftungsgewebe. Pneumatophoren.
Versuche G. Karsten's und Greshoff's. 3. Der Wind. § 1. Wind und
Baum wuchs. Mechanische Wirkungen. Trocknende Wirkungen. Grosse Schäd-
lichkeit der letzteren fiir den Baumwuchs. — § 2. Der Wind und die Re-
production. Anemophile Blätter. Ihre Häufigkeit an windigen Standorten.
Anemophile Aussäungsvorrichtungen. Vorkommen der letzteren. Bedeutung für
Verbreitung auf weite Entfernungen. Beobachtungen Treub's auf Krakataua.
V. Der Boden 93
1. Die physikalischen Bodeneigenschaften. Wassercapacität, capillare
Wasserleitung, Durchlässigkeit verschiedener Bodenarten. 2. Chemische Boden-
eigenschaft enim Allgemeinen. Wechselbeziehungen der physikalischen und
chemischen Eigenschaften. Wirkungen von Lösungen auf die Wasseraufnahme
durch die Pflanze. Giftigkeit concentrirtcr Lösungen. Schutzmittel der Pflanzen
gegen zunehmende Concentration der Salzlösungen in den Zellen. Verschiedene
Wirkungen der Salze auf die Structur der Pflanze. 3. Das Chlornatrium.
§ 1. Vorkommen und Rolle in der Pflanze. Einfluss des Chlornatriums
auf die Pflanzenstructur. Xerophiler Charakter der Halophyten. Einfluss des
Chlornatriums auf die Eiweissbildung. Einfluss auf die Structur von Süsswasser-
algen. — § 2. Die Halophyten oder Salzpflanzen. Salzhunger. Ver-
keilung der Halophyten auf die Familien. Ursprung der halophilen Lebensweise.
Unfähigkeit der Concurrenz im Binnenlande. 4. Andere leichtlösliche Salze.
Alaun: Die Solfataren. Salpeter. 5. Der Serpentin. Serpentinpflanzen.
6. Der Galmei. Galmeipflanzen. 7. Das Kalkcarbonat. § 1. Wirkungen
des Kalkcarbonats auf Stoffwechsel und Structur der Pflanze.
Giftigkeit fiir viele Pflanzen. Accommodation an kalkreichen Boden. Versuche
und Beobachtungen Bonnier's und Anderer. Art des Einflusses auf den Stoff-
wechsel. Experimentelle Culturen von Fliehe und Grandeau. — § 2. Kalk-
boden und Florencharakter. Kalkholde und kalkscheue oder Kiesel-
Pflanzen. Unbeständigkeit des Verhaltens der Pflanzen gegen Kalk. Thurmann's
physikalische Theorie. Widerlegung derselben. Erklärung der Unterschiede zwi-
schen Kalk- und Kieselflora und ihrer Unbeständigkeit. Ungleiches Verhalten
nahe verwandter Arten. Parallelformen auf kalkreichem und kalkarmem Boden.
Inhaltsverzeichniss. JX
Seite
Nägeli's Theorie. 8. Der Humus. § I. Chemie und Physik des Humus.
Aschenbestandtheile. Saurer und milder Humus. Mull nnd Torf. — § 2. Die
Mycorhiza. Endotrophische und epitrophische Mycorhiza. Thismia Averoe
nach P. Groom. Saprophyten. — § 3. Die chemischen Unterschiede
des Humus und die Flora. Ungleichheit des Florencharakters auf un-
gleichen Humusarten. Grosse Exclusivität gewisser Pflanzenarten. Pflanzen des
thierischen Humus. 9. Lebende Substrate. Die Parasiten. Abhängigkeit
von der chemischen Natur des Substrats.
VI. Die Thiere . . 132
1. Geographische Verbreitung der Bestaubungsvorriohtungen. § 1 .
Ornithophile Blüthen. Fr. Mtiller's und Th. Belt's Entdeckung der Kolibri-
blüthen. Die Honigvögel als Bestäuber. Scott -Elliot's Beobachtungen in Süd-
Afrika. Ornithophilie in Neu -Seeland. Feijoa, eine Pflanze mit süssen Blumen-
blättern. — § 2. Entomophile Blüthen. Ungleiche Bestäuber im Tiefland
und im Hochgebirge. Herrn. Müller's Beobachtungen. Abnahme der Entomophilie
in arktischen Ländern. Inselfloren und ihre Bestäuber. Langröhrige Falterblüthen
für die Tropen charakteristisch. Specielle Anpassungen : Yucca und ihre Bestäubung
durch Motten. Bulbophyllum -Arten bei Singapore. 2. Pflanzen und Ameisen.
§ 1. Die Ameisen als Pilzztichter. Die Blattschneiderameisen im tropi-
schen Amerika. Ihre Nester und Pilzgärten. Andere pilzzüchtende Ameisen. —
§ 2. Myrmecophilie. Th. Belt's Entdeckung der Ameisenpflanzen. Acacia
cornigera und sphaerocephala. Cecropia adenopus. Nachweis des Nutzens 'der
Ameisen als Pflanzenbeschützer. Andere Pflanzen mit axialen Wohnräumen.
Pflanzen, bei welchen Blätter die Wohnräume liefern. Die extrafl oralen Nektarien.
Zweiter Theil.
Formationen und Genossenschaften.
I. Die Formationen 173
1. Klimatische und edaphische Factoren. Allgemeiner Vegetationstypus
durch die Hydrometeore, allgemeiner Florentypus hauptsächlich durch die Wärme
bedingt, feine Gliederung durch edaphische Einflüsse. Die Formationen. Haupt-
und Nebenbestandtheile. Unterscheidung klimatischer und edaphischer Forma-
tionen. 2. Die klimatischen Formationen. §1. Eintheilung. Charakte-
ristik des Gehölzes und der Grasflur. Ihr Kampf. Invasion malayischer Waldgebiete
durch die Alangsteppe. Verkümmerung von Gehölz und Grasflur zur Wüste
führend. Charakteristik der Wüste. — §2. Das Gehölzklima. Klimatische
Existenzbedingungen der Bäume. Hygrophile und xerophile Bäume. Die Baum-
grenze. Das Niederholz. Charakteristik des Gehölzklimas. — § 3. Das Gras-
flurklima. Klimatische Existenzbedingungen der Gräser. Charakteristik des
Grasflurklimas. — §4. Meteorologische Tabellen. Was sie bringen und
was sie bringen sollten. 3. Die edaphischen Formationen. § 1. Eda-
phische Einflüsse im Allgemeinen. — § 2. Durch Grundwasser
bedingte edaphische Formationen. — § 3. Offene edaphische
Formationen. Felsen, Gerolle, Sandboden. — §4. Uebergang der eda-
phischen Formationen in klimatische. Krakatau. Der Vulkan Guntur.
Die Camargue. 4. Das Zusammenleben in den Formationen.
II. Die Genossenschaften 208
1» Die Lianen. Spreizklimmer , Wurzelkletterer, Windpflanzen, Ranken-
pflanzen. Geographische Verbreitung der Lianen. 2. Die Epiphyten. Oeko-
Inhaltsverzeichniss.
Seite
logische Existenzbedingungen. Uebergang der terrestrischen in die epiphytische
Lebensweise. Aussäungsvorrichtungen. Geographische Verbreitung der Epiphyten.
3. Die Saprophyten. Vertheilung auf die Pflanzenfamilien. Zusammenhang
zwischen Structur und Lebensweise. Geographische Verbreitung. Hemisapro-
phyten. 4. Die Parasiten. Hemiparasiten und Holoparasiten. Aehnlichkeit
mit den Parasiten. Absorptionsorgane: Die Haustorien. Vertheilung auf die
Familien. Geographische Verbreitung.
Dritter Theil.
Zonen und Regionen.
Einleitung 227
Erster Abschnitt
Die tropischen Zonen.
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner
Wirkungen auf Vegetation und Flora 229
1. Allgemeine Eigentümlichkeiten des Tropenklimas. § 1. Die
Hydrometeore. Regen, relative Feuchtigkeit, Bewölkung. — § 2. Die
Wärme, Lufttemperatur. Erhitzung durch directe Sonnenstrahlung. — § 3.
Das Licht und Ultraviolett. Intensität der chemischen Lichtstrahlen.
2. Einige allgemeine Wirkungen des tropischen Klimas auf das
Pflanzenleben« § 1. Vornehmlich durch Wärme beeinflusste Vor-
gänge. Cardinalpunkte. Fälle raschen und langsamen Wachsthums. Transpira-
tion in Sonne und Schatten. — § 2. Pflanzenphysiologische Wir-
kungen des Tropenlichtes. Schutzmittel gegen intensives Licht Zerstörung
des Chlorophylls. Stellung der Laubblätter. Lichtgenuss der Schattenflora. —
§ 3. Pflanzenphysiologische Wirkungen der Hydrometeore.
Massgebender Einfluss für den Vegetationscharakter und die periodischen Vor-
gänge. Ombrophilie und Ombrophobie. 3. Floristisoher Charakter der
Tropensone. Uebersicht der megathermen Formenkreise.
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen 260
1. Allgemeinheit der Periodicität in den Functionen der Pflanzen.
Keine absolute Ruhezeit, sondern nur Ruhezeit einzelner Vorgänge. Vorkommen
der Periodicität in der tropischen Vegetation. 2. Periodicität in der vege-
tativen Sphäre. § 1. Laubwechsel. Häufigkeit des periodischen Laub-
falls in den Tropen. Verschiedenartiges Aussehen der Bäume in den Trocken-
zeiten. Jahreszeiten und Vegetation in den Campos. — § 2. Wachsthum.
Periodisches Laubabwerfen bei gewissen Arten von der Jahreszeit unabhängig.
Individuelle Periodicität der einzelnen Sprosse vieler Tropengewächse. — § 3.
Temperirte Holzgewächse in den Tropen. 3. Periodicität in der
sexuellen Sphäre. § I. Allgemeines. Zeitliche Trennung der vegetativen
und reproductiven Thätigkeit. — § 2. Immerfeuchte Gebiete. Ungleich-
zeitiges Blühen der verschiedenen Zweige bei Holzpflanzen. Gleichzeitiges Blühen
aller Stöcke einer Art ohne Beziehung zur Jahreszeit. Beziehungen zwischen
Blüthenbildung und Laubfall. — §3. Periodisch trockene Gebiete.
Blüthenreichthum in den trockenen Jahreszeiten und zu Beginn der nassen,
Blüthenarmuth auf der Höhe der nassen Jahreszeiten. Die nasse Jahreszeit die
Inhaltsverzeichniss. XI
Seite
Zeit der Fruchtreife. — §4. Specielle Belege. Klima und BlÜthezeit auf
Java, im nordwestlichen Indien, auf Ceylon, in British-Guiana. 4. Die Caesal-
piniaceen im Botanischen Garten zu Buitenzorg.
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen 281
1. Tropische klimatische Formationsgruppen. 2. Klimatische Be-
dingungen tropischer Hochwälder. Klima des malayischen Archipel nach
Woeiko. Regenverhältnisse anderer tropischer Hochwaldgebiete. Regen wald
und Monsunwald in Vorderindien. Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Klimatische
Tabellen aus tropischen Hochwaldgebieten. 3. Dornwaldklima in Vorder-
indien. 4. Gehölzklima und Savannenklima in Brasilien. Küsten-
gebirge und Campos von S. Paulo. Campos und Wälder in Minas geraes. Xero-
philes Gehölzklima des Sertäo. 5. Klima des nördlichen Süd -Amerika
und der Antillen. 6. Klima des tropischen Afrika. Westküste. Central-
afrikanische Hochlandsavannen. — Rückblick.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete 305
1. Verbreitung des tropischen Begenwaldes. 2. Allgemeiner Cha-
rakter des tropischen Begenwaldes. § 1. Das Aeussere des Waldes.
Oberfläche und Profil. — § 2. Das Innere des Waldes. Ungleiche Dichtig-
keit. Häufige und verbreitete floristische Bestandtheile. Holzgewächse. Kräuter.
Lianen und Epiphyten. Der Zug nach dem Lichte. Luftfeuchtigkeit. — § 3.
Der tropische Regenwald in Asien. Vegetation und Flora am Gedeh
und Salak auf Java. Charakteristische Formen. Vorkommen lebhaft gefärbter
Blüthen. Regenwälder von Pegu nach F. Kurz. — § 4. Der tropische
Regen wald in Afrika. Der Wald der Loangoküste nach Pechuel- Lösche.
Der Regenwald in Usambara. — § 5. Der tropische Regenwald in
Amerika. — § 6. Der tropische Regenwald in Australien und
Mikronesien. 3. Oekologische Eigentümlichkeiten der Begenwald-
gewächse. § 1. Bäume und Sträucher des Regenwaldes. Die Stämme
der Bäume. Plankengerüste. Borke. Verzweigung. — § 2. Die Boden-
kräuter. Farbiges Laub. Die Hymenophyllaceen. — § 3. Die Lianen.
Palmlianen. Kletternde Bambusen. Wurzelkletterer. Cyclanthaceen und Pan-
danaceen. Araceen. Ihre Nähr- und Haftwurzeln. Winder. Ranker. Bauhinia-
Arten mit bandförmigen, welligen Stämmen. — § 4. Die Epiphyten. Vor-
kommen. Eintheilung nach der Lebensweise in Protoepiphyten, Hemiepiphyten,
Nestepiphyten und Cisternepiphyten. Charakteristik der Gruppen. Wasserspeicher.
Velamen der Orchideen und Araceen. Unbelaubte Orchideen. Der Banyan.
Humussammelnde Orchideen. Farne mit Sammeltrichtern und mit Nischenblättern.
Bromeliaceen. Wasseraufnahme durch die Blätter. Beleuchtung der Epiphyten.
Epiphyllen. Vertheilung der Epiphyten auf demselben Baume. — § 5. Die
Knospen. Unbeschützte Knospen. Schutzmittel activer Knospen. Das Aus-
schütten des Laubes. Hängeblätter und Hängezweige. Blüthenknospen unter
Wasser. Blüthenknospen mit Wasserkelchen. — § 6. Cauliflorie. Stamm-
Und Astcauliflorie. Unbelaubte fertile Zweige. — § 7. Saprophyten und
Parasiten. Chlorophyllfreie Orchideen, Burmaniaceen, Triuridaceen, Gentiana-
ceen. Loranthaceen. Balanophoraceen. Rafflesia.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten .... 37°
1. Allgemeine Eigentümlichkeiten der Vegetation periodisch
trockener Tropengebiete. Formationen. Xerophile Bäume. Xerophile
Sträucher. Lianen. Epiphyten. 2. Die Gehölzformationen der perio-
disch trockenen Tropengebiete. § 1. Allgemeines. Veränderung der
Gehölzvegetation beim allmählichen Uebergang aus immerfeuchten in periodisch
trockene Gebiete. Haupttypen der Gehölze: Monsunwald, Savannenwald, Dorn-
wald. — § 2. Die tropophilen und xerophilen Gehölze Indiens.
XII Inhaltsverzeichniss.
Seite
Die Waldvegetatioa in Pegu nach F. Kurz. Die Wälder von Tectona grandis
in Ost -Java. — §3. Die Gehölze des tropischen Ost-Afrika. Engler's
Darstellung der Formationen. — §4. Tropophile und xerophile Gehölze
im tropischen Amerika. Savannenwälder in Venezuela. Die Dorngebüsche
(Caatingas) Brasiliens. Dorngebüsch auf Kalkhügeln in Minas geraes. 3. Die
tropischen Grasflurformationen. § 1. Allgemeiner Charakter der
Savannen. — § 2. Afrikanische Savannen. Die Savannen an der
Loango- Küste nach Pechuel- Lösche. Der Baobab. Ostafrikanische Savannen
nach H. Meyer und nach Engler. — § 3. Amerikanische Savannen. Die
Llanos. Die Campos Brasiliens, nach Warnung.
VI. Edaphischc Wirkungen in den Tropen 405
1. Bdaphiflohe Wirkungen in tropischen Binnenländern. §1. Der
Laterit. Physikalische und chemische Eigenschaften. Wirkungen auf die Vege-
tation. Eng -Wälder in Birmah. — § 2. Der Kalk. Ungünstiger Einfluss auf
die Vegetation in den Tropen. Vorkommen der Dornwälder auf Kalkboden. —
§ 3. Der Humus. Seine relativ schwache Entwickelung in den Tropen. Fehlen
der Torfbildung. Der Regur in Süd -Indien. — §4. Kiesböden. Die Sal-
Wälder Vorder -Indiens. Bambusenwälder. — § 5. Sumpfboden. Palmen-
bestände. Die Sumpfwälder in Pegu. Nicht bewaldete Sümpfe. — § 6. Die
Fumarolen auf Java. Xerophile Vegetation. 2. Die Formationen des
tropischen Meeresstrandes. § 1. Ei nth eilung. — § 2. Offene For-
mationen des sandigen Strandes. Pescaprae* Formation. Strandsträucher.
Pandanus. — § 3. Strandgehölze oberhalb der Fluthlinie. Vor-
kommen derselben im malayischen Archipel, in Pegu, in Ost -Afrika. Oekologische
Eigenthümlichkeiten. Casuarina -Wälder. — § 4. Die Gehölz formationen
im Bereich der Fluth. Mangrove oder Fluthgehölze. Die östliche Man-
grove. Charakterpflanzen. Oekologische Eigenthümlichkeiten. Rhizophora mucro-
nata. Viviparie und Keimung bei Rhizophoraceen , Avicennia und Aegiceras.
Habitus der Mangrovegewächse. Stelzwurzeln. Pneumatophoren. Physiognomie
des Mangrovewaldes in Süd -Java. Nipaformation. Uebergang in die Festland-
formationen. Die westliche Mangrove. — § 5. Geographische Verbrei-
tung der tropischen Strandformationen.
Zweiter Abschnitt.
Die temperirten Zonen.
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer
Wirkungen auf Vegetation und Flora 440
1. Allgemeine Eigenthümlichkeiten der temperirten Klimate. § 1.
Die Wärme. Grosse Unterschiede der Temperatur. Seeklima und Continental-
klima. Isothermen des Januar und Juli. Tägliche Oscillationen. — § 2. Das
Licht. Zonenartige Gliederung der Beleuchtung. Absorption und Diffusion des
Lichtes in verschiedenen Breiten. — § 3. Die Hydro meteore. Periodicität
und Menge der Niederschläge. Bedeutung für den Boden. 2. Einige all-
gemeine Wirkungen der temperirten Klimate auf das Pflanzenleben.
§ 1. Wärme Wirkungen. Ueberwiegende Bedeutung derselben. Temperaturen
unter dem Gefrierpunkt. Gürtel der müden und Gürtel der kalten Winter. Ver-
breitung der Arten. Mesotherme Pflanzen. Ungleichheit des ökologischen Tem-
peraturoptimum. — § 2. Lichtwirkungen. Lichtmenge und Lichtintensität.
Schattenlicht in den temperirten Zonen. Fixe Lichtlage des Laubes. — § 3.
Inhaltsverzeichnis. XIII
Seite
Wirkungen der Hydrometeore. Geringere Bedeutung im Vergleich zu
den Tropen. 3« Floristischer Charakter der temperirten Zonen. Ueber-
sicht der mesothermen Formenkreise.
II. Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen 460
Einleitung. — 1, Stoff- und Kraftwechsel der mesothermen Pflan-
zen in verschiedenen Jahresseiten. § 1. Die Periodicität beim
Kirschbaum. Aeusserlich sichtbare Vorgänge. Entwickelung der Blüthen-
knospen beim Kirschbaum. Grosse Periode und Temperatur. Ruhezeit und
Temperatur. Die Kohlehydrate in den activen und in den ruhenden Perioden.
Wirkungen der Temperatur auf Lösung und Regeneration der Stärke. — § 2.
Stärkebäume und Fettbäume. Ursachen von Entstehung und Verschwinden
des Fettes. — §3. Theorie des Forcirens. Die beiden Zustände des Proto-
plasma. Der ruhende Zustand durch niedere Temperaturen verlängert. Unter-
drückung der Verlängerung. Oekologisches Temperaturoptimum in der activen
Periode mit den natürlichen Temperaturen im Einklang. — §4. Periodicität
krautiger Gewächse. Das Süsswerden der Kartoffel. — § 5. Kälte und
Trockenheit. Aehnliche Wirkungen von Winter und Trockenzeit. 2. Peri-
odische Vegetationsbilder. § 1. Allgemeines. Winterliche Erscheinungen.
Winterblüthler in Japan. Kälte und Blüthenentwickelung. — § 2. Periodische
Erscheinungen in den südlichen temperirten Zonen. Chile. Kapland.
Südaustralien.
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten
Gürteln 477
§ 1. Allgemeines. — § 2. Die subtropischen Gebiete. Florida. Süd-
Brasilien. Paraguay. — § 3. Warmtemperirte Gebiete ohne Trocken-
zeit. Klima des temperirten Regenwaldes. Süd -Japan. Neu -Seeland. Süd-
Chile. Grasflurklima der Falklands - Inseln. — § 4. Das temperirte Süd-
afrika. Regenprovinzen und Vegetationsprovinzen. Die Südwestküste mit
Winterregen. Klima der immergrünen Hartlaubgehölze. Die Süd- und Ostküste
mit Frühjahr- und Sommerregen. Klima der Savannen. Das innere östliche
Süd- Afrika (Transvaal und Oranje) mit Sommerregen. Klima der Steppen. —
§ 5. Sommerfeuchte warmtemperirte Gebiete. Uebergangsklima in
Nord- Argentinien. Parklandschaften. Klima der Pampas. Klima der westargen-
tinischen Dorngehölze (Espinal). — § 6. Winterfeuchte warmtemperirte
Gebiete. Klima der immergrünen Hartlaubgehölze. West- und Süd -Australien.
Mittleres Chile. Mittelmeerländer. Californien. — Schluss.
IV. Die immerfeuchten und die sommerfeuchten Gebiete der
warmtemperirten Gürtel 500
1. Die subtropischen und die temperirten Begenwalder. § 1. Die
subtropischen Regenwälder. Charakter. Verbreitung. Süd - Brasilien.
Nord -Argentinien. Goldküste und Florida. — § 2. Der temperirte Regen-
wald im Allgemeinen. Oekologischer und floristischer Charakter. Ver-
breitung. — § 3. Der neuseeländische Regenwald. Darstellung Hoch-
stetter's. Oekologische Merkmale nach Dieb. — §4. Der australische
temperirte Regenwald. — § 5. Der temperirte Regenwald in Süd-
Japan. — § 6. Der temperirte Regenwald in Süd-Chile. Valdivien
nach Philippi. Juan Fernandez nach Johow. 2. Die xerophilen Gehöla-
formationen der warmen temperirten Gürtel. § 1. Dorngehölze.
Charakter und Verbreitung. „Espinalformation" in Argentinien. — § 2. Sa-
vannenwälder. Cebilwälder in Nord - Argentinien. Eucalyptus - Wälder in
Australien. 3. Die Grasflurformationen der warmtemperirten Gürtel.
§ I. Verbreitung. Nördlicher Gürtel. Savannen in Texas und Neu-Mexico. —
XIV Inhaltsverzeichniss.
Seite
§ 2. Südafrikanische Grasfluren. Thode über Britisch-Kaffrarien. Trans-
vaal. — § 3. Die Pampas. Schilderung durch Lorentz. — §4. Die austra-
lischen Grasfluren. Die südaustralischen Savannen nach Schomburgk.
V. Die winterfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel . . 538
§ I. Die Hartlaubgehölze im Allgemeinen. Verbreitung und öko-
logischer Charakter der Formationen. Blattstructur. Nebenbestandtheile. Existenz-
bedingungen. — § 2. Die Hartlaubgehölze der Mittelmeerländer.
Maquis. Physiognomie. Systematische Zusammensetzung. Charakter -Gewächse.
— § 3. Die kapländischen Hartlaubgehölze. Niedrige Gebüsche.
Seltenheit der Bäume. Vorwiegen kleiner linealischer Blätter. — § 4. Süd-
und westaustralische Hartlaubgehölze. Oekologische Aehnlichkeit
mit anderen Hartlaubgehölzen. Vorherrschen schmal elliptischer Blätter. Der
südwestliche „Scrub" nach Schomburgk und nach Behr. — § 5. Die kalifor-
nischen Hartlaubgehölze. Oekologischer und systematischer Charakter.
Gesträuche. Hochwälder von Sequoia sempervirens. Die ,,Chaparralsu. — § 6.
Die chilenischen Hartlaubgehölze. Oekologie und systematische Be-
standtheile.
VI. Gehölzklima und Grasflurklima in den kalttemperirten
Gürteln 573
§ 1. Allgemeines. — § 2. Wald und Prärie in den Vereinigten
Staaten. Vier Klima- und Vegetationsgebiete. Mittlerer Regenfall in den
vier Gebieten. Die Winde. — § 3. Klima und Vegetation in Russ-
land. Das Klima der Steppen. Ungleiche Windverhältnisse in Nord- und
Süd-Russland. Klimatische Verhältnisse im mittel- und nordrussischen Walde. —
§ 4. Das ungarische Tiefland. Hunfalvy über das ungarische Steppen-
klima. — § 5. Das kalttemperirte Ost-Asien. Niederschlagsverhältnisse.
Vertheilung von Wald- und Grasflur.
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel 586
1. Allgemeine Oekologie des Sommerwaldes. § 1. Einleitung.
Tropophiler Charakter des Waldes in den kalttemperirten Gürteln. Nadelwald
und Laubwald. — § 2. Der winterkahle Laubwald, Vergleich mit dem
Regenwald. Ueppige Entwickelung an Gewässern. Lichtwirkungen. Unterholz.
Lianen. Fehlen oder Seltenheit höherer Epiphyten. Optimale Beleuchtung der
Schattenflora. Lichtbedürfniss von Hepatica triloba und anderen Schattenpflanzen.
Structur der Bäume. Ihre Zweigordnung, ihre Blätter. Vergleich der Bäume
mit denjenigen xerophiler tropischer Gehölze. Structur der Sträucher. — § 3.
Der Nadelwald. Beleuchtung. Xerophile Structur der Bäume. Tropophile
Lebensweise. Immergrüne Laubhölzer. 2. Speoielle Darstellungen. § 1.
Nordamerika. Gliederung des nordamerikanischen Waldes nach Sargent.
Der subpolare oder nördliche Waldgürtel. Der atlantische und der paeifische
nördliche Wald. Die paeifischen Wälder sind Nadelwälder. Der paeifische
Küstenwald. Nördlicher Theil desselben. Wald der Sierra Nevada. Sequoia
gigantea. Der paeifische Binnenwald. Dürftiger Charakter. Atlantische Wälder.
Provinz der Weyniouthkiefer. Oekologischer und floristischer Charakter. Der
sommergrüne Laubwald des Mississippi und der atlantischen Ebene. Die Waldungen
von Nord-Carolina nach W. W. Ashe. — § 2. Europa. Urwälder in Böhmen
nach Göppert. Wald an den östlichen Gestaden des Schwarzen Meeres. —
§ 3. Sibirien und Ostasien. Vergleich des sibirischen Waldes und des
subpolaren nordamerikanischen Waldes. Physiognomie des sibirischen Waldes
nach Middendorf. Ostasiatische Wälder in Kamtschatka, am Amur, auf Sachalin.
Die Soinmerwälder Japan's nach Rein und Mayr. — § 4- Die Wälder Feuer-
land's. Ihr Charakter nach Düsen.
Inhaltsverzeichniss. XV
Seite
VIII. Die Grasflurformationen der kalttemperirten Gürtel ... 622
1. Allgemeine Oekologie. Wiese und Steppe. Schutzmittel der Wiese
gegen die winterliche Trockenheit. Hygrophiler Charakter in der Vegetationszeit.
Xerophile Structur der Steppenpflanzen. 2. Vegetationsbilder aus Wiesen-
und Steppengebieten. § i. Die Wiesen. Europäische Wiesen. Wiesen
in ostasiatischen Parklandschaften und in Nord- Amerika. — § 2. Die Steppen.
Westlicher Theil der nordamerikanischen Prärie. Die Prärie in Kansas nach
Hitchcock, in Nebraska nach Pound und Clements. Die Steppe im Gebiet des
Schwarzen Meeres nach Rehmann. Die Hochsteppe bei Alexandrowsk nach Grüner.
IX. Die Wüsten 636
Einleitung. Verbreitung und Klima der Wüsten im Allgemeinen. 1. Die
Wüsten der ostlichen Hemisphäre. § 1. Das nordafrikanische
und südwestasiatische Wüstengebict. Ausdehnung. Klima. Landschafts-
charakter. Flora der Frühlingsregen. Bedeutung des Grundwassers für die Vege-
tation. Schutzmittel der Pflanzen gegen Wasserverlust. Wüstenformationen im
äquatorialen Ostafrika. — § 2. Das west- und centralasiatische Wüsten-
gebiet. Klima. Charakterpflanzen. Physiognomie der Wüste am Kaspimeer.
— § 3. Die südafrikanische Wüste. Ausdehnung. Klima. Vegetations-
charakter in der Littoralwüste, in der Karroo. Welwitschia mirabilis. Acan-
thosicyos horrida. — § 4. Die australische Wüste. 2. Die Wüsten
Amerika's. § 1. Die nordamerikanische Wüste. Ausdehnung. Klima.
Untere Sonora - Region. Charakterpflanzen. Standorts - Oasen. Obere Sonora-
Region. Schutzmittel gegen Trockenheit. Flora der Frühlingsregen. Die „Bad-
lands" in Dakota und Nebraska. Wüste Plateaulandschaften am östlichen Fuss
der Rocky mountains. — § 2. Die mexicanischen Wüsten und Halb-
wüsten. Klima. Vegetationscharakter nach G. Karsten. — §3. Südamerika-
nische Wüsten. Physiognomie der patagonischen Wüste nach Niederlein.
X. Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen 684
1. Allgemeines. 2. Die temperirten Strandformationen. Strandsümpfe,
Strandwiesen, Dünen. 3. Die Heide. Calluna vulgaris. Existenzbedingungen.
Begleitpflanzen. 4. Die Moore. Wiesenmoore und Torfmoore. Das Torfmoos,
Sphagnum. Bedingungen der Ernährung. Fleischfressende Pflanzen der amerika-
nischen Moore.
Dritter Abschnitt.
Die arktische Zone.
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation
und Flora 697
1. Charakteristik des polaren Klimas. Allgemeine Eigenschaften.
Sommertemperaturen. Unterschiede zwischen der Temperatur der Luft und der-
jenigen bestrahlter Gegenstände. Niederschläge. Klimatische Tabellen. 2. Wir-
kungen des arktischen Klimas auf das Pflanzenleben. § i.Uebersicht
der klimatischen Factoren. — § 2. Vegetationszeit und periodische
Erscheinungen. Lebensbedingungen der Pflanzen in der Arktis nach Kjellman.
Erwachen der Vegetation aus dem Winterschlaf. MiddendorfTs Beobachtungen.
Reifen der Früchte. — § 3. Wachsthum und Stoffwechsel der Vege-
tationsorgane. Zwerghafter Wuchs. Wachsthum bei dauernder und ununter-
brochener Beleuchtung. Assimilation im continuirlichen Sommerlicht. Durch
continuirliche Beleuchtung bedingte histologische Eigenthümlichkeiten. — § 4.
XVI Inhaltsverzeichniss.
Seite
Xerophile Structur der Vegetationsorgane. Xerophile Merkmale
durch die Bodenkälte bedingt. Polsterform. — § 5. Reproductionsorgane.
Grosser Blüthenreichthum. Relativ grosse Blttthendimensionen. — § 6. An-
gebliche Schutzmittel gegen Kälte. 3. Floristisoher Charakter
der arktischen Länder. Grönland's Flora nach Warnung. Spitzbergen^ Flora
nach Nathorst
II. Die arktischen Pflanzenformationen 720
Die Tundra. Charakteristische Eigentümlichkeiten. Moostundra. Flechten-
tundra. Moore. Oasen. Die Tundra im Taimyr-Lande nach Middendorff. Die
Formationen Grönlands nach Warming.
Vierter Abschnitt.
Die HOhen.
I. Das Höhenklima 726
L Die Luftverdünnung, Abnahme des Luftdrucks bei zunehmender Höhe
über dem Meere. Gleichzeitige Abnahme der Lufttemperatur und Zunahme der
Wärmestrahlung. Ungleiche Temperatur in Sonne und Schatten auf den Höhen.
Nächtliche Abkühlung. Zunahme der Lichtintensität. Reicherer Gehalt des
Höhenlichtes an stark brechbaren Strahlen. 2. Die Hydrometeore. Zunahme
des Regens bei zunehmender Höhe. Niveau des grössten Regenfalls. Abnahme
des Regens oberhalb desselben. Der ewige Schnee. Die Bewölkung. Abnahme
des Wasserdampfes auf grossen Höhen. Rascher Wechsel von Feuchtigkeit
und Trockenheit der Luft. Grosse Intensität der Verdunstung im Höhenklima.
II. Die Regionen der Vegetation 736
1. Klimatische Faotoren der regionalen Gliederung. Unterscheidung
und kurze Charakteristik der drei Regionen: Basale Region, montane Region,
alpine Region. Vergleich der Höhenregionen und der Zonen. Frühere Ueber-
treibung der Wärmewirkungen. Humboldt's Ansichten. 2. Das Pflansenleben
in den Höhenregionen* § 1. Gehölz, Grasflur, Wüste im Hoch-
gebirge. Reihenfolge des Gehölzklima, Grasflurklima und Wüstenklima bei
zunehmender Höhe. Uebereinstimmung der Formationen in der basalen und
montanen Region mit solchen des Tieflands, charakteristisches Gepräge der
alpinen Formationen. — § 2. Eigentümlichkeiten der alpinen Ge-
wächse. Alpine Tracht Krummholz, Sträucher, Polstergewächse, Rosetten-
stauden, Gräser. Xerophile Structur. Farbe, Grösse, Geruch der Blüthen. Peri-
odische Erscheinungen. Versuche Bonnier's und Kerner's über den Einfluss des
Höhenklimas auf die Structur der Pflanzen. Wirkung der einzelnen klimatischen
Factoren. Assimilation und Transpiration in der alpinen Region. Zunahme des
Zuckers in den Nektarien. Anwendung der Versuchsresultate auf die natürliche
alpine Vegetation. — § 3. Das Vorkommen alpiner Pflanzenarten in
den Tiefländern. Vorkommen tropischer alpiner Pflanzen in tieferen Re-
gionen als Epiphyten und in Solfataren. Unterschiede der arktischen und alpinen
Pflanzenstructur. — §4. Die Höhengrenzen des Pflanzenlebens. Saus-
surea tridaetyla.
III. Die Höhenregionen in den Tropen 757
1. Allgemeines. Der temperirte Regenwald der montanen Region in regen-
reichen Gebieten. Alpine Region. Krummholz. Alpines Gesträuch. Alpine
Steppe. Alpine Niederholzsavanne. 2. Die Regionen in Ost -Asien. Re-
gionen in West-Java: Der temperirte Regenwald. Krummholz. Alpine Savanne.
Inhaltsverzeichniss. XVII
Seite
Alpine Steppe. Regionen in Ost -Java: Temperirter Savannenwald von Casua-
rina. Alpine Steppe. Alpine Sonnen- und Schattenvegetation. Regionen am
Kinabalu. Pandanenwald auf dem Lokon, Celebes. Temperirter Regen-
wald in der montanen Region auf Ceylon. Nilgiri. 3. Die Regionen
im tropischen Afrika. Der Kilimandscharo, nach Volkens. . Xerophiler
Charakter der basalen Region. Temperirter Regenwald in der montanen Region.
Physiognomie und Flora der alpinen Steppen und Wüsten. 4. Die Begionen
im tropischen Amerika. Südamerikanische Cordillere. Temperirter Regen-
wald. Krummholz. Paramos. Frailejon. Puna. Mexico. Xerophiler Cha-
rakter der basalen Region im mittleren Mexico. Regen wälder. Sommerwälder
(Laub- und Nadelwälder) in der montanen Region. Alpine Region. Küsten-
gebirge Brasilien' s. Itatiaia. Serra do Picü.
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen 786
1. Begionen in den tropenahnliohen warm temperirten Gebieten.
§ 1. Central -Asien. Himalaya. Regenwälder in Sikkim, Sommerwald im
westlichen Himalaya. Pamir. Tibet Regionen im Nan-Schan- Gebirge nach
Prschewalski. Alpine Wiesen. Geröllwüste. Kwen-lun -Wälder am Dschachar.
Das tibetanische Plateau. — §2. Neu-Seeland. Montane Region; Xerophile
Gehölze. Buchenwald. Vegetation trockener Triften. Alpine Region: Krumm-
holz. Alpine Steinwüste. Polsterpflanzen. — § 3. Afrika: Natal. Regionen
nach Thode. — §4. Süd-Amerika. Argentinische Cordillere. Süd -Chile.
2. Begionen in den Gebieten mit Winterregen. § 1. Mediterran-
L an der. Libanon. Atlas. Sierra Nevada. Mt. Ventoux. Apennin. Aetna.
Süd-macedonische Gebirge. Athos. Canaren. Lorbeerwald in der montanen
Region der Canaren. — § 2. Amerika. Californien. Chile. 3. Kegionen
in den kalttemperirten Gürteln. § 1. Die Schweiz. Wälder der ba-
salen und montanen Region. Alpine Region. Krummholz. Rhododendron.
Gesträuch. Alpine Grasfluren. Felsenflora. Flora und Klima des Theodul-Pass.
— § 2. Tabellen. Regionen in der Tatra; in den Pyrenäen; im Kaukasus;
im Tien-Schan ; am Altai ; am Ontake ; in den White Mountains ; in den Rocky
mountains; in Feuerland.
Fünfter Abschnitt.
Die Vegetation der Gewässer.
I. Allgemeine Lebensbedingungen der Wasserpflanzen . . . . 817
§ 1. Halophyten und Nichthalophyten. Salzige, süsse, brackische
Gewächse. — § 2. Gliederung der Wasservegetation. Horizontale
Gliederung. Verticale Gliederung. Lichtregionen. Benthos, Plankton, Hemi-
plankton. Physik und Chemie des Substrats. — § 3. Periodische Erschei-
nungen. — § 4. Specielle Betrachtung der Factoren. Salze. Tem-
peratur. Licht.
II. Die Vegetation des Meeres 822
Einleitung. Die Familien der Meeresflora. 1. Das Benthos. § 1. All-
gemeines. Lithophyten, Sand- und Schlammpflanzen. Epiphyten. Photische
Region: Auftauchender Gürtel, untergetauchter Gürtel. Horizontale Gliederung.
— § 2. Das Benthos der tropischen Meere. Sargassum. Pflanzen-
armuth des auftauchenden Gürtels. — § 3. Das Benthos der warmtempe-
rirten Meere. Gliederung desselben im Golf von Neapel, nach Berthold.
Vorwiegende Bedeutung des Lichtes. Lichtperiodicität und Bewegungsperiodicität.
— § 4. Das Benthos der kalttemperirten Meere. Vorherrschen der
XVIII Inhaltsverzeichniss.
Seite
Braunalgen. Auftauchender und untergetauchter Gürtel. Zurücktreten der Licht-
wirkungen. Temperatur und Periodicit&t. Laubwechsel. Südliche temperirte
Meere. — § 5. Das arktische Benthos. Grosse Ueppigkeit. Rolle der
Fucaceen und der Laminariaceen. Standorte. Periodicität 2. Das pelagißche
Plankton. Systematische Zusammensetzung. Oekologische Eigenthümlichkeiten.
Lichtregionen. Klimazonen.
III. Die Vegetation des Süsswassers 845
1. Systematische und ökologische Uebersicht« Die Pflanzenfamilien
des Süsswassers. Eintheilung der Formen in fünf ökologische Typen. 2. Das
pflanzliche Benthos des Süsswassers. § 1. Allgemeines. Vorherrschen
der photischen Region. — § 2. Gliederung der Vegetation. Gürtelartige
Anordnung in der photischen Region. Kalkabsondernde Cyanophyceen. Dyspho-
tische Region. 3. Das limnetisohe Plankton der Süsswasserseen. Flo-
ristisches und Oekologisches. 4. Die fliessenden Gewässer. Schwimmende
Vegetation. Lithophyten der reissenden Ströme. Podostemaceen. 6. Periodische
Erscheinungen der Süsswasserflora. Benthos und Plankton in verschie-
denen Jahreszeiten. 0. Die Schnee- und Eisflora. Ursache und Verbreitung
des rothen Schnees. Sphaerella nivalis. Andere Mikrophyten des Schnees und Eises.
ERSTER THEIL.
DIE FACTOREN.
Schimper, Pflanxengeographie.
I. Das Wasser.
1. Die Vegetationsorgane der Landpflanaeru § i. Allgemeines. Hygro-
phyten und Xerophyten. Ombrophobie und Ombrophilie. Physikalische und physiologische
Trockenheit. Eigenschaften der Tropophyten. Klimatische und edaphische Xerophyten,
Hygrophyten und Tropophyten. — § 2. Die Xerophyten. Die Wasseraufnahme herab-
setzende Factoren. Die Transpiration fördernde Factoren. Xerophile Structur. Schutzmittel
gegen Wasserverlust. Wechselbeziehungen der Xerophyten verschiedener Standorte. — § 3.
Die Hygrophyten. Wiesner's und Lothelier's Versuche. Hygrophile Structur. Entfernung
überschüssigen Wassers: Träufelspitze, Hydathoden etc. — §4. Die Tropophyten.
Tropophile Structur. Der Laubfall. — 2. Die Vegetationsorgane der Wasserpflanzen.
Structurveränderung submers wachsendsr Landpflanzen. Eigen thümlichkeiten echter Wasser-
pflanzen. 3. Das Wasser und die Beproduction. Nachtheiliger Einfluss der Feuchtig-
keit auf die Sexualsphäre. Die sexuelle Reproduction bei den Wasserpflanzen. 4. Das
Wasser und die Samenverbreitung. Anpassungen von Früchten und Samen an Ver-
breitung durch Wasserströmung. Die Auswürfe des Meeres. Die neue Flora von Krakatau.
Unter den auf das Pflanzenleben wirkenden Factoren ist keiner so
durchsichtig als der Einfluss des Wassers. Der Transpirationsstrom lässt
sich von dem Augenblicke seines Eintritts bis zu demjenigen seines
Austritts Schritt für Schritt verfolgen, die physiologischen Vorgänge der
Aufnahme, Fortleitung und Ausscheidung des Wassers sind in vielen
Punkten aufgeklärt, die Structur der das Wasser aufnehmenden, fort-
leitenden, ausscheidenden und speichernden Organe ist genau untersucht
worden und die Theorie des Zusammenwirkens aller dieser Factoren
ist in der Hauptsache vollendet. Das Wasser ist aus diesem Grunde
in erster Linie zu berücksichtigen, wo es sich darum handelt, in den
Eigenthümlichkeiten der Vegetation eines Gebiets den Antheil von
Klima und Boden nachzuweisen.
1. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
§ I . Allgemeines. Aufnahme und Abgabe des Wassers durch die
Pflanze sind von äusseren Bedingungen abhängig. Die letzteren sind
aber in der Natur sehr ungleich und haben entsprechend der Anpassungs-
4 I. Das Wasser.
fähigkeit der Organismen, ungleiche Vorrichtungen zur Regelung des
Transpirationsstromes hervorgerufen. Die Structur mancher Ge-
wächse begünstigt den Austritt des aufgenommenen
Wassers, diejenige anderer erschwert denselben
Vorrichtungen zur Förderung der Wasserabgabe sind charakte-
ristisch für die Hygrophyten, d. h. diejenigen Gewächse, deren
Existenzbedingungen die Gefahr des Austrocknens ausschliessen und
mit derjenigen einer Stockung des die Nährsalze ihren Verbrauchsorten
zufuhrenden Transpirationsstroms verknüpft sind. Erschwerte Wasser-
versorgung führte dagegen zur Entstehung von Mitteln zur Förderung
der Absorption und zur Verzögerung der Transpiration; mit Vorrich-
tungen der letzteren Art sind die Trockenpflanzen oder Xerophyten
ausgerüstet.
Wiesner (IV) hat einen weiteren, jedoch anscheinend nicht ganz
durchgreifenden und jedenfalls noch weiterer Prüfung bedürftigen Unter-
schied zwischen Hygrophyten und Xerophyten entdeckt. Letztere gehen
bei andauernden Niederschlägen schon nach zwei oder drei Tagen zu
Grunde ; sie sind regenscheu, ombrophob, die Hygrophyten hingegen
sind in der Regel ombrophil. Letzteres gilt namentlich von den
Pflanzen sehr regnerischer Klimas; z. B. ist die Vegetation Westjavas
(Buitenzorg) nach Wiesner ombrophil. Dagegen giebt es in unserem
massig feuchten Klima ombrophobe Hygrophyten, wie Impatiens noli
tangere. Die Ombrophobie macht sich in diesem und den anderen
Fällen schon äusserlich bemerkbar: Ombrophiles Laub ist be-
netzbar, ombrophobes unbenetzbar.
Man pflegt als Hygrophyten die Pflanzen feuchter, als Xerophyten
die Pflanzen trockener Standorte zu bezeichnen, ohne zu bedenken, dass
es sich bei Organismen um physiologische, bei Standorten aber um
physikalische Eigenschaften handelt, und dass ein vollkommener Paral-
lelismus zwischen beiden Gruppen von Eigenschaften nicht nothwendig
besteht. In der That ist ein sehr nasses Substrat für die Pflanze voll-
kommen trocken, wenn sie ihm kein Wasser zu entnehmen vermag,
während ein Boden, der uns vollkommen trocken erscheint, manche
genügsame Pflanze hinreichend mit Wasser versorgt. Es muss
zwischen physikalischer und physiologischer Trocken-
heit, bezw. Feuchtigkeit unterschieden werden; letztere
allein kommt für das Pflanzenleben, also auch für die Pflanzengeographie,
in Betracht. Physiologischer Feuchtigkeit entspricht eine
hygrophile, physiologischer Trockenheit eine xerophile
Vegetation.
Xerophyten und Hygrophyten sind durch Uebergänge verbun-
den, welche die Grenze zwischen diesen beiden grossen ökologischen
Klassen verwischen; auch dürfte der Versuch, eine solche auf Grund
I. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen. tj
von Zahlen aufzustellen, ein ebenso aussichtsloses wie unnützes Unter-
nehmen sein. Thatsächlich hat die hier unvermeidliche Willkür keine
so grosse Verwirrung, als man es vielleicht hätte erwarten dürfen, ver-
anlasst. Dagegen würde die Aufstellung einer besonderen Categorie,
welche die weder ausgesprochen xerophilen noch die ausgesprochen hygro-
philen Gewächse umfassen würde, die Verwirrung ohne Zweifel anbahnen.
Nothwendig erscheint es hingegen, diejenigen Gewächse in eine dritte
Klasse zu unterbringen, deren Existenzbedingungen, je nach
der Jahreszeit, diejenigen von Hygrophyten oder von
Xerophyten sind. Solche Pflanzen, zu welchen z. B. der grossen
Mehrzahl nach diejenigen unserer Flora gehören, sollen Tropophyten
genannt werden. Die Structur der perennirenden Theile
ist bei ihnen xerophil; die der nur während der nassen
Jahreszeiten vorhandenen hygrophil.
Die Unterscheidung der Pflanzenformen in Hygrophyten, Xero-
phyten und Tropophyten ist der erste Schritt zum physiologischen
Verständniss der Pflanzendecke und ihrer Glieder, der Formationen.
Weite Gebiete, z. B. ein grosser Theil der Küsten- und Gebirgsland-
schaften der Tropen sind durch Hygrophyten, andere, wie die Steppen,
die Wüsten, die Polarländer durch Xerophyten, andere noch, wie der
grösste Theil der nordtemperirten Zone, durch Tropophyten beherrscht.
Es giebt Hygrophyten-, Xerophyten-, Tropophyten-Klimate.
Ein jedes Klimagebiet zeigt neben dem entsprechenden ökologischen
Vegetationstypus, an bestimmten Standorten einen der beiden anderen,
indem die Eigenschaften gewisser Bodenarten den Einfluss des Klimas
abschwächen oder aufheben. Einflüsse des Bodens sollen als edaphisch1)
bezeichnet werden. Es giebt klimatische und edaphische
Hygrophyten, Xerophyten, Tropophyten.
Die durch die physiologische Feuchtigkeit oder Trockenheit be-
dingten Merkmale geben der Vegetation der Gebiete2) und derjenigen
der einzelnen Standorte in diesen Gebieten ihr charakteristisches physio-
gnomisches oder besser ökologisches Gepräge. Auch die systematische
Pflanzengeographie muss diese Unterschiede zu den wichtigsten rechnen,
denn es giebt auch hygrophile, tropophile und xerophile Arten. Es
giebt jedoch auch Arten, und dieses ist für den Systematiker wie für
den Physiologen gleich wichtig, welche sich den wechselnden Be-
dingungen der Feuchtigkeit so vollkommen anpassen, dass ihre extremen
Formen zu ungleichen Arten zu gehören scheinen, aber durch Aende-
rung der Feuchtigkeit in einander übergeführt werden können.
*) T6 Idacpog, Der Boden.
*) Die durch die Wärme bedingten Zonen sind durch die Hydrometeore in Gebiete
zergliedert. Vgl. Thl. III. Einleitung.
6 I. Das Wasser.
§ 2. Die Xerophyten. Physiologische Trockenheit wird entweder
durch die Absorption herabsetzende oder durch die Transpiration för-
dernde äussere Factoren, am häufigsten jedoch durch die Combination
von Einflüssen aus beiden Gruppen bedingt.1)
A. Die Wasseraufnahme herabsetzende Factoren.
i. Geringer Gehalt des Bodens an freiem Wasser,
d. h. von Wasser, das von den Bodentheilchen schwächer als von den
Wurzeln angezogen wird. Je nach ihrer physikalischen Beschaffenheit
sind verschiedene Böden physiologisch sehr ungleich trocken. (Vgl.
V. Der Boden.)
2. Reichthum des Bodens an gelösten Salzen.
Geringe Salzmengen wirken fördernd, grössere hemmend auf die
Wasseraufnahme. Der Grad der Concentration, bei welchem die Ver-
langsamung eintritt, ist nach der Pflanzenart verschieden, übertrifft aber
wohl nie 0.5 °/0. Salzmischungen wirken mehr verlangsamend als reine
Salze, gewisse Salze, z. B. Chlornatrium, energischer als gewisse andere,
z. B. Salpeter. (Vgl. V. Der Boden.)
3. Reichthum des Bodens an Humussäuren.
4. Niedere Temperatur des Bodens.
Ein gefrorener Boden ist für alle Pflanzen völlig trocken, ein wenige
Grade warmer für die meisten Pflanzen nahezu trocken. Die untere
Temperaturgrenze der normalen, d. h. zur Deckung der Transpiration bei
offenen Spaltöffnungen genügenden Wasserabsorption ist specifisch ver-
schieden und liegt bei Pflanzen warmer Zonen meist weit höher als bei
solchen, zu deren Lebensbedingungen niedere Temperaturgrade gehören.
B. Die Transpiration beschleunigende Factoren.
1. Trockenheit der Luft.
Obwohl ein physiologischer, nicht ein rein physikalischer Vorgang,
verhält sich die Transpiration in dieser Hinsicht im Wesentlichen wie
die Verdampfung. Sie nimmt mit der Trockenheit der Luft beständig zu.
2. Hohe Lufttemperatur.
Die Transpiration steigt bis zu einem, nach der Art wechselnden
Maximum , oberhalb welches pathologische Veränderungen zunächst
eine Verminderung bewirken.
3. Verdünnung der Luft.
Die Abnahme des Luftdrucks wirkt beschleunigend auf die Tran-
spiration, jedoch nicht direkt, wie bei der Verdampfung, sondern nur
indirekt durch Beschleunigung der Diffusion des Wasserdampfes.
4. Licht.
Die Transpiration ist intensiver im Lichte als in der Dunkelheit
und steigt mit der Intensität der Beleuchtung. Die wirksamen Strahlen
*) Schimper I.
i. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen. j
sind, nach Wiesner, in erster Linie die blauen, in zweiter die rothen,
während die grünen nur schwachen Einfluss ausüben. Unter den die
Transpiration beschleunigenden Factoren sind Temperatur und Licht
die schwächsten und genügten für sich allein nicht, um einen aus-
gesprochen xerophilen Charakter hervorzurufen.
Alle Pflanzen, deren äussere Lebensbedingungen den
einen oder anderen der erwähnten Factoren oder eine
Combination mehrerer derselben in sich schliessen, be-
sitzen, mit Ausnahme der eben erwähnten beiden Factoren (Licht,
Temperatur), die Structur und Eigenschaften von Xero-
phyten.
Xerophile Structur. Wie bereits erwähnt, vermögen manche
Pflanzen unter sehr ungleichen Bedingungen der Wasserversorgung
zu gedeihen, indem sie ihre Structur entsprechend den äusseren Ein-
flüssen gestalten. Diesbezügliche Versuche sind namentlich für vier
der aufgezählten Factoren, nämlich Trockenheit des Substrats, Trocken-
heit der Luft, Salzgehalt des Substrats und Beleuchtung, ausgeführt
worden. Hauptsächlich wurden die Blätter, als wichtigste Organe der
Transpiration, untersucht.
Alle Experimente führten im Wesentlichen zu gleichen Ergebnissen.
Aeussere Bedingungen, welche, sei es durch Verminderung der Wasser-
aufnahme, sei es durch Beschleunigung der Wasserabgabe, das Gleich-
gewicht zu Gunsten der letzteren stören, bedingen in der Regel folgende
Abweichungen von der normalen Structur: i) Reduction der Ober-
fläche bei gleichem Volum. 2) Reduction der luftführenden Intercellu-
laren. 3) Zunahme der Gefasse und des Sklerenchyms. 4) Verlängerung
der Palissaden. Ausserdem häufig, aber nicht allgemein: 5) Zunahme
der Aussenwand der Epidermis an Dicke und Cutingehalt. 6) Ein-
senkung der Spaltöffnungen. 7. Zunahme luftführender Haare. 7) Auf-
treten wasserspeichernder Zellen (Doppelte Epidermis, Wassergewebe,
Schleimzellen etc.). (Fig. 1.)
Mit Ausnahme der Zunahme des Sklerenchyms und der Verlänge-
rung der Palissaden erscheinen die erwähnten Veränderungen geeignet,
der Gefahr übermässigen Wasserverlustes — möge dieselbe durch zu
geringe Wasseraufnahme oder zu grosse Transpiration bedingt sein —
entgegenzuwirken. Durch Reduction der Blattgrösse und der Inter-
cellularen wird die transpirirende Oberfläche für die gleiche Menge
Pflanzensubstanz kleiner, durch Zunahme der Gefasse wird die Wasser-
zufuhr erleichtert; die dickere Cuticula, luftführende Filz- oder Seiden-
haare, die Einsenkung der Spaltöffnungen setzen die Transpiration
herab; die Wasserzellen thun einerseits das gleiche, andererseits aber
füllen sie sich in Augenblicken gesteigerter Wasserzufuhr und entleeren
sich bei eintretendem Wassermangel in die assimilirenden Zellen.
8
I. Das Wasser.
Gewöhnlich wird der Besitz solcher Schutzmittel, wie sie eben geschildert
wurden, als die Folge starker Transpiration bezeichnet, jedoch mit Unrecht.
Wir sehen dieselben sowohl bei schwacher Transpiration, z. B. auf trockenem
Fig. I. Einfluss der Transpiration auf die Ausbildung der Laubblattgewebe.
I. Lactuca Scariola. Querschn. durch ein Sonnenblatt. 2. Dieselbe. Schattenblatt. 3. Robinia
Pseudacacia, in gewöhnlicher Luft. Querschn. des Blattes. 4. Dieselbe, in dampfgesättigter
Luft. 5. Sonneratia acida auf nassem Salzboden. Blattquerschn. 6. Dieselbe auf gewöhnlichem
Boden (Hort. Bogor., Blattquerschn.). 7. Sonneratia acida auf Salzboden. Epid. u. Spaltöfln.
8. Dieselbe auf gewöhnl. Boden. I — 2 nach Stahl, 3 — 4 nach Lothelier, 5 — 8 nach der Natur.
oder salzreichem Boden, als bei starker Transpiration, z. B. in trockener Luft
auftreten. Andererseits besitzen Pflanzen des feuchten Bodens eine lebhafte
Transpiration (Gain) und doch entbehren sie in der Regel der xerophilen
Structur. Nicht die absolut, sondern die relativ, d. h. im Verhältnis zur Wasser-
zufuhr starke Transpiration fuhrt zur Entwickelung von Schutzvorrichtungen.
i. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen. 9
Die z. B. von Kohl versuchte causalmechanische Erklärung, der zu Folge die
starke Transpiration Ursache, die Modification der Structur Wirkung sein
soll, wie bei einem einfachen physikalischen Vorgange, wird durch solche
Fig. 2. Xerophile Structur. Trockenes Klima (Temper. Australien), a Spaltöffnung
von Franklandia fucifolia. b von Eucalyptus giganteus. Nach Tschirch.
Fig. 3 und 4. Xerophile Structur. Nasser Salzboden. Links Oberseite des Blattes
von Aegiceras majus. Mangrove, Java. Vergr. 260. Rechts Spaltöffnung und Epidermis der
Blattunterseite von Rhizophora mucronata. Mangrove, Java. Vergr. 550.
Xerophile Structur. Kalter Boden. Grönland. Fig. 5 (links) Blattquerschnitt von Dryas
integrifolia. Fig. 6 (rechts) Theil des Blattquerschn. von Loiseleuria procumbens (B Palis-
saden, FAussenwand d. Epid., c Cuticula, A1 Zellraum d. Epid., g Innenwand d. Epidermis).
Nach Warming.
Thatsachen widerlegt. Mit grösserer Wahrscheinlichkeit könnte man in der
wechselnden Concentration des Zellsaftes die erste Ursache erblicken, d. h.
das auf das Plasma einwirkende Reizmittel, da dieselbe sowohl durch un-
genügende Wasserzufuhr wie durch zu starke Transpiration sich steigert. Aber
auch diese Annahme erklärt keineswegs die Zweckmässigkeit der geschilderten
IO
I. * Das Wasser.
Structuren. Letztere beruht auf einer im Kampfe ums Dasein erworbenen
Anpassungsfähigkeit, die sich zur Zeit, wie alle eigentlichen Lebensvorgänge,
der physikalischen Erklärung entzieht.
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AUfc — .rjij
Fig. 7. und 8. Xerophile Structur. Alpines Klima. Links Myrica javanica. Stück
des Blattquerschnitts. Gedeh, Java. 2900 m. Rechts Photinia integrifolia. Unter- und
Oberseite des Blattes. Ardjuno, Java. 3300 m. Vergr. 200.
Fig. 9. Xerophile Structur. Trocken-heisses Klima. Algierische und marokkanische
Wüste. Zygophyllum cornutum, eine Blattsucculente. Nat. Gr. Nach Engler in : Die natürL
Pflanzenfamilien.
Die wichtigsten natürlichen Gebiete und Standorte, in welchen
physiologische Trockenheit herrscht und wo demgemäss nur Xerophyten
gedeihen, sind nach ihren physikalischen Eigenschaften gruppirt, folgende:
I. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
II
i) Wüsten-, Steppen- und andere Gebiete mit trockenem Sub-
strat und trockener Luft, zeitweise oder dauernd grosser Hitze und
intensiver Beleuchtung.
2) Baumrinden und Felsen.
Rasches Vertrocknen des
Substrats in Folge mangeln-
der Tiefe.
3) Sandboden, Gerolle etc.
Rasches Vertrocknen des Sub-
strats wegen grosser Durch-
lässigkeit.
4) Meeresstrand , Solfata-
ren etc.
Reichthum des Bodens an
gelösten Salzen.
5) Torfmoore.
Humussäuren im Boden.
6) Polargebiete; Nähe der
Gletscher im Hochgebirge. Nie-
dere Bodentemperatur.
7) Alpine Höhen.
Verdünnte Luft und starke
Insolation charakterisiren das
alpine Klima.
Die Pflanzen aller dieser
Standorte sind mit Vorrich-
tungen zum Schutz der Tran-
spiration versehen; sie sind
Xerophyten. Namentlich ver-
breitet zeigt sich bei ihnen
Reduction der Oberfläche. Mit
zunehmender Trockenheit — im
physiologischen Sinne — , wer-
den die Blätter an Oberfläche
kleiner, aber entsprechend dicker,
lederartig (Sklerophyllen)
oder fleischig (Chylophyllen
oder Blattsucculenten), oder
sie werden rudimentär und hin-
fällig (Aphyllen). Im letztern Falle sind die Axen chlorophyllreich
und verrichten die Function der Assimilation. Sie sind bald schlank,
ruthenähnlich, saftlos und hart, wie bei Ephedra, Spartium u. A. (Sklero-
kaulen), oder sie verkürzen sich unter Dickenzunahme oft bis zur
Fig. 10. Xerophile Structur.
Nasser Salzboden. Batis maritima. Eine
Blattsucculente des tropischen Strandes. Pflanze.
Nat. Gr. Nach Dammer in: Die natürlichen
Pfl anzenf amilien.
12 I. Das Wasser.
Kugelform und füllen sich mit schleimigem Safte, wie bei den Cacteen
(Chylokaulen oder Stammsucculenten).
Fig. 1 1 . Xerophile Structur. Trockenes Substrat (Baumrinden und Felsen). / Octomeria sp.
2 Cattleya bicolor. Desterro, Brasilien. Nat. Gr.
Die Reduction der Oberfläche ist oft mit Dornbildung verknüpft, indem
Sprosse oder Blätter zu kurzen sklerenchymreichen, kaum oder gar nicht
transpirirenden spitzen Gebilden werden, deren Bedeutung als Schutzmittel
gegen Thiere, wenn überhaupt vorhanden, nur secundär eingetreten ist.
i. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
13
Den Xerophyten mit gefiederten Blättern ist Selbstregulirung der
transpirirenden Oberfläche ermöglicht, indem die leicht beweglichen
Blättchen sich bei der massigen Beleuchtung der frühen Stunden oder
eines trüben Tages ausspannen, bei intensiver Besonnung und ent-
sprechend intensiver Transpiration zusammenfalten. Wie vollkommen
diese Vorrichtung wirkt, zeigt der Umstand, dass Fiederblättergewächse
mit relativ grossen und dünnen Laubflächen gemeinschaftlich mit Aphyllen
in den trockensten Gebieten gedeihen.
Andere belaubte Xerophyten stellen ihre Blätter oder blattähnlichen
Cladodien parallel den einfallenden Sonnenstrahlen, sodass dieselben
weniger erwärmt und beleuchtet werden. Diese Eigenschaft verschwindet
bei manchen Arten mit der Gefahr zu grossen Wasserverlustes (z. B.
bei dem Mangrovebaum Sonneratia acida, bei
Cultur auf salzarmem Boden), während sie bei
anderen (z. B. Eucalyptus) erblich geworden ist.
Manche Pflanzen entwickeln, wie vorher er-
wähnt wurde, in der Trockencultur wasserführende
Zellen. Solche Wasserspeicher sind in der Vege-
tation trockener Standorte vielfach wiederkehrende,
wenn auch nicht allgemeine Erscheinungen. Bald
sind es dünnwandige, lebende Zellen, bald todte
tracheidenartige Zellräume, einzeln oder zu Ge-
weben auftretend verbunden; zuweilen (Philoden-
dron cannifolium) übernehmen Intercellularräume
die gleiche Function. Reiche Entwickelung paren-
chymatischen lebenden Wassergewebes bedingt
die schon erwähnte Succulenz von Blättern und
Axen. Solches Wassergewebe ist entweder äusser-
lich, zwischen Epidermis und Chlorenchym (Peri-
c h y 1 e n , z. B. viele Bromeliaceen, Rhizophora etc.)
(Fig. 16a), oder innerhalb des Chlorenchyms gelegen (Endochylen,
z. B. Cacteen, succulente Euphorbiaceen und die meisten anderen Stamm-
succulenten) (Fig. 13 — 14). Im ersteren Falle sind die Wasserzellen mit
dünnflüssigen, im letzteren häufig mit schleimigem Inhalte versehen.
Einzelne lebende Wasserzellen sind weniger häufig als Wassergewebe.
Solche sind z. B. sehr auffallend bei Mesembryanthemum cristallinum , wo
gewisse Epidermiszellen zu grossen Wasserbläschen heranwachsen; sie liegen
zerstreut im Chlorenchym bei Tillandsia usneoides etc.
Lebende Wasserzellen bleiben natürlich immer mit Plasma und Zellsaft ge-
füllt; sie werden nie lufthaltig. Ihr Wassergehalt ist aber zwischen weiten Grenzen
schwankend, indem sie sich bei weniger energischer Transpiration, z. B. in der
Nacht oder bei trüber Witterung, mit Wasser prall füllen, bei starker Transpira-
tion aber, unter starkem Collaps, die assimilirenden Zellen mit Wasser versorgen.
Fig. 12. Xerophüe Struc-
tur. Kalter Boden.
Grönland. Cassiope tetra-
gona mit kleinen leder-
artigen, eingerollten Blät-
tern. Vergr. 2. Nach
Warming.
14
I. Das Wasser.
Wassertracheiden enthalten, im Gegensatz zu lebenden Wasserzellen, je
nach der reichlicheren oder spärlicheren Transpiration der grünen Gewebe,
Luft oder Wasser. Sie zeigen sich vorwiegend an den Enden von Gefäss-
bündeln in Blättern; nur in den Blättern gewisser xerophiler Orchideen sind
sie im Chlorenchym zerstreut (Fig. 15 — 16).
Bei vielen Xerophyten sind die Wasserspeicher nicht gleichmässig
in Blättern oder Axen vertheilt, sondern auf bestimmte Glieder be-
schränkt, welchen das Aufbewahren von Wasser als Hauptfunction zu-
kommt. Solche Wasserbehälter sind in manchen Fällen alternde Blätter,
die durch die nachträgliche mächtige Entwicklung ihrer Wassergewebe
unförmlich dick werden (epiphytische Gesneraceen und Peperomia-
Fig. 13. Xerophile Structur.
Trockenes Klima. Mesem. bryan-
themum Forskalii, Blattsucculente der
ägyptischen Wüste. Nach Volkens.
Fig. 14. Xerophile Structur.
Nasser Salzboden. Sesuvium portu-
lacastuum, tropische Strandsucculente. Blatt-
querschnitt.
Arten, Rhizophora, Sonneratia und andere Mangrovebäume) und, wie
nachgewiesen wurde , *) die auf der Höhe der Assimilationsthätigkeit
befindlichen jüngeren Blätter bis zum vollständigen Erschöpfen der
Vorräthe mit Wasser versorgen (Fig. 16a u. 17). Dahin gehören ferner
die wohl bekannten Scheinknollen epiphytischer Orchideen, die spindel-
förmigen Blattstiele von Philodendron cannifolium u. a. m.
Die vorhin geschilderten vergleichenden Culturversuche haben er-
geben , dass die der Gefahr der Austrockung ausgesetzte Pflanze eine
die Transpiration herabsetzende Ausbildung ihrer Oberhaut erhält.
*) Schimper III, S. 42 u. f. Haberlandt, Physiol. Pflanzenanat. (u. A. S. 349).
I. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
15
Solche Schutzmittel, wie bedeutende Dicke und Cutinreichthum der
Aussenwand, Einsenkung der Spaltöffnungen in krug- oder rinnenartige
Vertiefungen, luftfuhrende Haarüberzüge, die in solchen Trockenculturen
nur andeutungsweise auftreten, erreichen bei typischen Xerophyten einen
hohen Grad der Vollkommenheit und zeigen sich bei ihnen ganz all-
gemein, unter den physikalisch verschiedensten Bedingungen. Auch
besitzen die meisten, jedoch nicht alle Xerophyten die Eigenschaft,
bei eintretendem Welken ihre Spaltöffnungen zu schliessen und dadurch
ihre Transpiration bedeutend herabzusetzen. Allerdings ist bei direkter
Bestrahlung durch die Sonne der dadurch gewährte Schutz weniger
gross, als manchmal angenommen wird.
Fig. 15. Xerophile Structur.
Nasser Salzboden. Speichertrachefden
vom Gefössbündelende im Laubblatte von
Sonneratia acida. Mangrove, Java.
Fig. 16. Xerophile Structur.
Flora trockener Baumrinden (Epi-
phyten). Wassertracheiden im Blatte einer
Pleurothallis. Blumenau, Brasilien.
Nicht bloss die im Dienste der Transpiration, sondern auch die in
Beziehung zur Absorption stehenden Organe der Pflanze zeigen sich
bei den Xerophyten zweckentsprechend ausgebildet. Ein sehr reiches
Wurzelsystem zeichnet die Mehrzahl dieser Gewächse aus, und manche
Arten, namentlich Epiphyten, sind im Besitze energisch wirkender Saug-
apparate, welche in einem späteren Kapitel geschildert werden sollen.
Wechselbeziehungen der Xerophyten verschiedener
Standorte. Die im Vorhergehenden dargestellten Vorrichtungen zur
Erhaltung des Wassers zeigen sich in ganz ähnlicher Ausbildung bei
Xerophyten der verschiedensten Standorte, möge die Gefahr des Aus-
trocknens durch physikalische Trockenheit, durch Kälte des Bodens,
durch Reichthum des letztern an gelösten Salzen oder Humussäuren
oder durch Luftverdünnung bedingt sein. Dass es sich dabei nicht
16
I. Das Wasser.
um zufällige äussere Aehnlichkeiten handelt, das geht
mit Sicherheit aus dem Umstände hervor, dass viele Xero-
phyten mit den verschiedensten physiologisch trockenen
Standorten vorlieb nehmen, aber niemals auf die physi-
kalisch oft viel ähnlicheren Standorte der Hygrophyten
übergehen.
Sehr schön lässt sich
solcher Standortwechsel in
West-Java nachweisen. Der
durch das Klima bedingte
Vegetationscharakter ist hier
ausgesprochen hygrophil ; die
Xerophyten sind auf eng be-
grenzte Standorte von sehr
ungleichen physikalischen Be-
dingungen beschränkt. Solche
sind nämlich:
i) Trockenes Lavagerölle
und sonstige steinige Unter-
lagen (z. B. am Gunung
Guntur).
2) Die Baumrinden (Epi-
phyten).
3) Der Meeresstrand, mit
Einschluss der zur Ebbezeit
überschwemmten Mangrove.
4) Die Solfataren, mit
lehmigem, nassem, von Alaun
und anderen löslichen Salzen
imprägnirtem Boden.
5) Die alpinen Höhen mit
ihrer verdünnten Atmosphäre
und starken Bestrahlung.
Physikalisch mehr un-
gleiche Bedingungen als die-
jenigen, wie die Baumrinde
im Urwalde, die Solfataren
und die alpinen Höhen sie
bieten, können kaum gedacht werden. Dennoch ist in West-Java
die Vegetation dieser Standorte zum grossen Theile
aus denselben Xerophytenarten zusammengesetzt, wäh-
rend letztere an anderen, physikalisch mehr ähnlichen, aber hygrophilen
Standorten durchaus fehlen.
Fig. 16a. Xerophile Structur. Trockenes Sub-
strat (Epiphyten). Querschnitte eines alternden
Blattes einer Codonanthe sp. (Gesneriacee) mit mäch-
tigem Wassergewebe. Ob. Vergr. 55, unten nat. Gr.,
umgek. n. d. Natur.
I. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
17
So wachsen z. B. Vaccinium polyanthum (Agapetes rosea Jungh.) Rhodo-
dendron javanicum und R. retusum als Epiphyten im Urwalde, als Boden-
pflanzen in der baumlosen alpinen Region und in Solfataren ; Ficus diversifolia
ist Epiphyt im Urwald, Bodenstrauch in Solfataren; Vaccinium varingiae-
folium, Gaultheria leucocarpa, Myrsine avenis, Tetranthera citrata bewohnen
die baumlose alpine Region. Alle diese Gewächse sind mit ausgeprägten
Xerophyten -Merkmalen versehen. Die gleiche Uebereinstimmung zwischen
der Flora der Solfataren und
derjenigen der viel höheren
alpinen Region zeigt sich in
Japan.
Die Existenzbedingun-
gen auf der Baumrinde in
massig warmen Bergurwäl-
dern und auf dem heissen,
sandigen , salzigen See-
strande sind noch weit
ungleicher als in den eben
erwähnten Fällen. Und doch
giebt es wenigstens eine
Pflanzenart, die an beiden
Standorten und ausserdem
in den Solfataren, sonst
aber nirgendwo wächst, die
strauchige Ficus diversifolia.
Endlich fand ich auf
den trockenen, der Sonnen-
gluth ausgesetzten Lava-
feldern des Gunung Gun-
tur, bei etwa 1000 m ü. M.,
das soeben erwähnte Rho-
dodendron javanicum, sonst
Epiphyt im Urwalde, Bodenbewohner nur in Solfataren und auf alpinen
Höhen, mit sonst ebenfalls epiphytischen Orchideen und Farnen, die
erste Vegetation bilden.
Ein so vielseitiger Standortswechsel der Xerophyten, wie auf Java,
ist in anderen Gebieten noch nicht nachgewiesen worden, wohl aber
nur, weil erst neuerdings der Begriff der Xerophilie zu einem physio-
logischen an Stelle eines physikalischen gemacht worden ist und weil
man auf solche Erscheinungen meist wenig geachtet hat. Doch hatte
bereits Battandier darauf aufmerksam gemacht, dass gewisse algierische
Pflanzen nur die alpinen Gipfel des Atlas und den Meeresstrand be-
wohnen, dass gewisse ubiquitäre Pflanzen an beiden scheinbar so
Schimper, Pflanzengeographie. 2
Fig. 17. Xerophile Structur. Flora des nassen
Salzbodens. Rhizophora mucronata, aus der Man-
grove Java's. Blattquerschnitt mit Wassergewebe.
Vergr. 70.
i8
I. Das Wasser.
ungleichen Standorten ganz ähnliche anomale Formen entwickeln
und dass die Cultur von alpinen und littoralen Pflanzen in gewöhn-
lichem Boden des Tieflandes ähnliche Modificationen der Structur
hervorruft.
Der xerophile Charakter der Vegetation in den Torfmooren ist
bisher als eine unverständliche Anomalie dargestellt worden, und doch
macht der reiche Gehalt des Bodens an Humussäuren denselben zu
einer ebenso erklärlichen wie nothwendigen Existenzbedingung. Das
Vorkommen von Kiefer- und Haidekraut einerseits auf trockenem
Sande, andererseits auf feuchtem Torfe ist ebenso wenig auffallend, wie
dasjenige von Ledum palustre, Vaccinium uliginosum und anderen
Torfbewohnern auf trocke-
nem kaltem Boden in den
Polarländern. Alle diese
physikalisch so ungleichen
Standorte sind für die Pflan-
zen trocken und daher zum
Gedeihen von Xerophyten
geeignet.
Trotz aller erwähnten
Uebereinstimmungen der
Schutzmittel, trotz des viel-
fachen Austausches der
Elemente, kurz trotz aller
Aehnlichkeiten in der Vege-
tation der verschiedenarti-
gen physiologisch trocke-
nen Gebiete und Standorte,
zeigt die genauere Prüfung
derselben, dass gewisse Formen der Xerophilie durch bestimmte
äussere Bedingungen begünstigt werden. Der Zusammenhang zwi-
schen Structur und äusseren Factoren ist in solchen Fällen meist
leicht begreiflich. So zeigen sich die Succulenten vornehmlich in
warmen Gebieten und erreichen nur da bedeutende Dimensionen,
sowohl in trockener wie in feuchter Luft (Wüsten, Strand, Epi-
phyten), während sie in Gebieten mit Winterkälte sowohl an Zahl
wie an Grösse abnehmen; nur solche Arten scheinen tiefe Tem-
peraturen längere Zeit zu ertragen, die im Winter stark zusammen-
schrumpfen. Ausgeprägte Reduction der transpirirenden Oberfläche,
Dornbildung, reiche Behaarung zeigen sich vornehmlich in trockener
Luft, während in feuchter Luft das Laub häufiger wohl ausgebildet und
unbehaart ist.
Warme Gebiete mit langen Dürreperioden, wie tropische und
Fig. 18. Xerophile Structur. Trockenes Klima.
Querschnitt durch das Blatt von Helianthemum Ka-
hiricum mit starker Behaarung. Aegyptische Wüste.
Vergr. 40. Nach Volkens.
i. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen, ig
subtropische Wüsten sind durch den Besitz endochyler Succulenten
ausgezeichnet, während peripherische Lage der Wasserspeicher auf
häufigere, wenn auch schwache Wasserzufuhr hinweist, wie sie z. B.
auf dem Meeresstrande und bei den Epiphyten feuchter Wälder statt-
hat. Leicht bewegliche Fiederblätter deuten auf raschen Wechsel der
äusseren Bedingungen, senkrecht gestellte Laubflächen auf starke In-
solation hin. Das lederartige Laub der Sklerophyllen ist zwar in allen
Xerophytenformationen vertreten, bevorzugt jedoch die mild temperirten
Gebiete mit nassen Wintern und trockenen Sommern (Mediterran-
länder u. s. w.). Endlich soll, nach der Ansicht mehrerer Autoren,
der noch nicht erwähnte dicht polsterartige Wuchs gewisser Pflanzen
Fig. 19 u. 20. Xerophile Structur. Polsterform. Links: Raoulia mammillaris. Neu-Seeland.
*/a natürlicher Gr. Rechts : Dionysia sp. Persisches Hochgeb. Bruchstück des Polsters in
natürlicher Gr.
ebenfalls zu den Schutzmitteln gegen Trockenheit gehören; derselbe
ist bei Phanerogamen auf Gebiete mit kalten oder doch kühlen, zeit-
weise nebeligen Klimaten beschränkt und zeigt sich vornehmlich im
Hochgebirge. Eine harte Unterlage scheint ihn zu begünstigen, ist
aber nicht nothwendige Voraussetzung, da Polsterpflanzen auch Wiesen
und Moore bewohnen.
Solche Unterschiede verleihen den xerophilen Formationen manch-
mal eine ungleiche Physiognomie; sie sind aber nur quantitativ,
nicht qualitativ, indem jede natürliche Xerophytenvereinigung die ver-
schiedensten Typen, nur in ungleichem Verhältnisse der Mischung,
aufweist. Hier sind z. B. die Succulenten, dort Dornsträucher mit
Fiederblättern, dort Sklerophyllen oder stark behaarte Gewächse vor-
herrschend; andere Formen sind aber als Nebenbestandtheile stets
vorhanden.
2*
20
I. Das Wasser.
/'
\
i
Fig. 21.
Taraxacum of-
i male. Links
an Nat. ca. 60
ein lang) im ab-
9^>lut feuchten
Raum. Rechts
,12—15 cml.)
in mittlerer Feuchtig-
keit. Nach Wiesner.
Die Hygrophyten.
Wiesner (III) eultivirte einige Pflanzen von theils
mehr, theils weniger ausgeprägten xerophilen Eigen-
schaften, namentlich solche, die in der Natur grund-
ständige Rosetten besitzen, im absolut feuchten
Räume und erzielte, soweit die Versuchsobjekte nicht
erkrankten, ganz wesentliche Abweichungen von
der normalen Structur. Die Blätter erhielten ausser-
gewöhnliche Dimensionen, die Rosetten wandelten
sich, durch Streckung der Internodien, theilweise in
Langsprosse um (Fig. 21).
Unter ähnlichen Bedingungen wurden in Ver-
suchen Lothelier's schwach belaubte oder unbelaubte
dornige Xerophyten zu reich belaubten, ganz oder
nahezu dornlosen Pflanzen (Fig. 22).
Durch Cultur in sehr feuchter Luft
erhalten die Xerophyten, soweit sie letz-
tere ertragen, eine ganz abweichende,
derjenigen der Hygrophyten sich nä-
hernde Structur.
Typische Hygrophyten haben
schwache Wurzeln, langgestreckte Axen,
grosse, dünne Laub flächen. Sie sind bei-
nahe niemals dornig, indem die vegetativen
Sprosse sämmtlich als Laubsprosse oder Blätter aus-
gebildet sind; sie können hingegen stachelig sein,
da Stacheln keine Reduction der transpirirenden
Oberfläche bedeuten. Wie die äussere Configura-
tion ist auch die innere Structur ganz vorwiegend
auf Förderung der Wasserabgabe zugerichtet.
Schutzmittel gegen Wasserverlust pflegen aller-
dings nicht ganz zu fehlen. Die Hymenophylleen
feuchter immergrüner Wälder vertrocknen zwar sehr
schnell in trockener Luft und sind daher an eine
stets dampfreiche Atmosphäre gebunden. Aehnliches
gilt, wenn auch in minder hohem Grade, von an-
deren krautigen Gewächsen ähnlicher Standorte. Die
baumartigen Hygrophyten hingegen befinden sich
zeitweise in weniger feuchter Atmosphäre und wer-
den theilweise durch die Sonnenstrahlen direkt ge-
troffen, wodurch, sogar im dampfgesättigten Räume,
die Transpiration bedeutend beschleunigt wird. Dem-
i. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
21
entsprechend besitzen manche hygrophile Holzgewächse, namentlich
solche der Tropen, *) deutliche, wenn auch schwach ausgeprägte Schutz-
vorrichtungen gegen Wasserverlust, die denjenigen ähnlich sehen, welche,
in starker Ausbildung, bei den Xerophyten vorkommen, wie eine wasser-
reiche Epidermis oder ein dünnes Wassergewebe, an den Sonnen-
blättern auch eine wohl ausgebildete Cuticula.
Durch die eben erwähnten Schutzmittel wird in den heissen
Mittagsstunden zu grossem Wasserverlust der Palissaden entgegen-
gewirkt ; gleichzeitig sind die Spalt-
öffnungen geschlossen. Wie not-
wendig solche zeitweilige Herab-
setzung der Transpiration ist, zeigt
das schlaffe Herabhängen des Lau-
bes mancher tropischen Bäume
und Sträucher in der Mittagssonne.
Zu den anderen Tagesstunden oder
bei bedecktem Himmel bleibt die
stomatäre Transpiration, welche bei
schwächerer Bestrahlung die cuti-
culare weit übertrifft, ganz unbe-
hindert.2)
Die Gefahr zu grosser Tran-
spiration ist bei den Hygrophyten,
wo überhaupt vorhanden, auf we-
nige Stunden des Tages beschränkt
und oft wochenlang nicht vorhan-
den; sie kann, im schlimmsten Falle,
Welken des Laubes, aber nicht
den Tod durch Austrocknen ver-
anlassen. Die Gefahr der Stag-
nation des Transpirationsstromes
bleibt vorherrschend und kommt in der Structur der Hygrophyten zu
allererst zum Ausdruck.
Möglichste Ausbreitung der transpirirenden Oberfläche ist der all-
gemeinste Charakter der Hygrophyten. Wie gross ihre Bedeutung ist,
wurde durch vergleichende Versuche Noll's mit einer grossblättrigen
hygrophilen Pflanze, Aristolochia Sipho8) und einem kugeligen Echino-
cactus nachgewiesen. Es ergab sich, dass letzterer, bei gleichem Ge-
wichte, eine 300 mal kleinere transpirirende Oberfläche besitzt, als die
b a.
Fig. 22. Ulex europaeus. a in gewöhnlicher,
b in dampfgesättigter Luft Nach Lothelier.
') Haberlandt I.
*) Haberlandt I.
,8) Dieselbe ist tropophil, zur Vegetationszeit also hygrophil.
22
I. Das Wasser.
Aristolochia. Käme nur die Grösse der freien Oberfläche in Betracht,
so würde das Verhältniss der Transpiration beider Arten 1 : 300 betragen.
Die Cactaceen haben aber, ausser
der kleinen Oberfläche, noch andere
xerophile Eigenschaften (schwaches
Intercellularsystem, dicke Cuticula etc.),
die Aristolochia ist ihrerseits nicht
bloss grossblätterig, sondern noch mit
anderen Förderungsmitteln der Tran-
spiration ausgerüstet (reiches Inter
cellularsystem, dünne Cuticula etc.) ; so
erklärt es sich, dass das experimentell
festgestellte Verhältniss der Transpira-
tion nicht 1 : 300, sondern 1 : 6000 be-
trägt. Diese letzte Zahl giebt von den
Vorrichtungen zur Regulirung der
Transpiration eine klarere Vorstel-
lung als jede Schilderung und stellt
nicht einmal einen extremen Fall dar,
denn, wenn die Cactaceen auch typi-
sche Xerophyten sind, so ist Aristo-
lochia keineswegs ein ausgeprägter
Hygrophyt.
Bei vielen Hygrophyten, nament-
lich solchen der feuchten tropischen
Wälder, sind die dünnen Laubflächen
in zweckentsprechender Weise ge-
staltet und modellirt. Grossem Regen-
reichthum entspricht vielfach eine lange „Träufel-
spitze", durch welche das Wasser schnell ent-
fernt wird1) (Fig. 23). Pflanzen des tiefen feuchten
Waldschattens, und solche, die, in der Nähe
von Bächen wachsend, oft bespritzt werden, be-
sitzen häufig eine sammetartige Oberfläche, auf
welcher das Wasser sich capillar zu einer äus-
serst dünnen, schnell verdunstenden Schicht aus-
breitet (Fig. 24). 2)
Die Bedeutung eines reichen luftfuhrenden
Intercellularsystems , wie es sich im Laube aller
Hygrophyten vorfindet (Fig. 25, 26), für die Be-
Fig. 23. Hygrophile Structur. Blatt von
Ficus religiosa, mit Träufelspitze. Nach
Stahl.
Fig. 24. Hygrophile Struc-
tur. Kegelpapillen der
Blattoberseite von Begonia
imperialis. Schwach vergr.
Nach Stahl.
*) Jungner und namentlich Stahl II.
2) Stahl IV.
I. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
23
schleunigung der Transpiration, ist augenscheinlich. Als Ausfuhrungs-
gänge dienen sehr zahlreiche Spaltöffnungen, welche nicht, wie bei
Fig. 25 und Fig. 26. Hygrophile Structur. Blatt von Fagus silvatica. Links: Querschnitt
durch ein Schattenblatt. Rechts: Schwammparenchym eines Schattenblattes. Nach Stahl.
den Xerophyten, eingesenkt, sondern oberflächlich, manchmal sogar
auf Kegeln sich befinden und jeder Schutzmittel entbehren.
Besonders charakteristisch ist für die Hygrophyten sehr feuchter
Klimate der Besitz der Hydathoden (Fig. 27), der Organe zur Aus-
scheidung flüssigen Wassers, deren Verbreitung, Mannigfaltigkeit und
grosse Bedeutung erst
durch Haberlandt1) klar-
gelegt wurde. Früh am
Morgen erscheinen im
feuchten Klima, nament-
lich in den Tropen, viele
Pflanzen , Kräuter wie
Bäume , von Wasser-
tropfen derart bedeckt,
dass nicht selten ein
Sprühregen vom Laub-
dache des Waldes her-
abfällt.
Mit Unrecht hat
man die Erscheinung auf
Thaubildung zurückge-
führt. Es handelt sich
da vielmehr um Aus-
scheidungen der Hyda-
thoden, deren Thätigkeit bei gehemmter Transpiration starke Steigerung
erfahrt, während sie in trockener Luft stille steht.
Fig. 27. Hygrophile Structur. a und b Hydathoden eines
Laubblattes von Gonocaryum pyri forme, c Hydathoden von
Peperomia exigua. Vergr. Nach Haberlandt
l) Haberlandt H. u. HI.
24 *• Das Wasser.
Die Hydathoden sind Epidermalbildungen verschiedenster Art,
bald einfacher, bei complicirter Structur, wie Haare, Drüsenzellen,
Wasserspalten etc. Es sind theils active, den Schweissdrüsen ver-
gleichbare Drüsen, bald passive Austrittsstellen zu einem einfachen
Filtrationsprocess.
In sehr feuchten Gebieten sind die Hydathoden manchmal recht
zahlreich. So fand Haberlandt auf der Blattoberseite von Gonocaryum
pyriforme durchschnittlich 55, an der Unterseite 58 Hydathoden pro
Quadratmillimeter.
Noch manche Erscheinungen im feineren Bau der Hygrophyten sind
mit der Förderung der Wasserabgabe in Zusammenhang gebracht
worden, so die rothen und silbernen Flecke von bunten Blättern u. s. w.
Experimente werden zeigen müssen, in wiefern die daran geknüpften
scharfsinnigen und anregenden Deutungen den Thatsachen entsprechen.1)
Die Tropophyten.
Die Vegetation von Gebieten mit abwechselnd feuchtem und
trockenem oder kaltem Klima besitzt abwechselnd hygrophile und xero-
phile Eigenschaften ; sie ist t r o p o p h i 1. Der Gleich werthigkeit trockener
und kalter Perioden in Bezug auf Wasserversorgung der Vegetation ent-
sprechend sind in beiden Fällen ganz ähnliche Anpassungen zur Aus-
bildung gekommen.
Den meisten Tropophyten, sowohl denjenigen des abwechselnd
trockenen und feuchten als des abwechselnd kalten und warmen Klimas,
ist die Opferung des grössten Theiles der transpirirenden Flächen bei
Beginn der physiologisch trockenen Jahreszeit gemeinsam. Viele Kräuter
gehen der Gesammtheit ihrer oberirdischen Glieder verlustig und ziehen
sich auf die unterirdischen, wenig transpirirenden, zusammen. Andere
behalten nur die dem Boden zunächst liegenden Laubsprosse, wie
Rosetten u. dgl. Die meisten Holzgewächse werfen ihr Laub ab.
Die periodisch belaubten tropophilen Holzgewächse haben hygrophile
Laubblätter ; dagegen xerophile Axen und Knospen. Stämme und Aeste
sind durch Borke oder dicke Korklagen, die Knospen durch harte, oft
lackirte Schuppen gegen die Trockenheit geschützt. Bei immergrünen
tropophilen Bäumen muss sich die Xerophilie auch auf das Laub er-
strecken, da letzteres sonst in der trockenen, bezw. kalten Jahreszeit
durch Wassermangel zu Grunde gehen würde. Solche Tropophyten
sind daher, mit Ausnahme der jungen Sprosse, durchweg xerophil gebaut;
sie unterscheiden sich aber dennoch durch ihre Lebensbedingungen von
den Xerophyten. Beispiele dafür sind in unserer Flora z. B. Tanne
x) Man vergleiche Stahl's Arbeit über bunte Laubblätter.
I. Die Vegetationsorgane der Landpflanzen.
25
und Fichte (nicht die wirklich xerophile Kiefer des trockenen Sand-
bodens), Stechpalme (Fig. 28), Preisseibeere, Heidekraut etc.
Die Abwechselung der sattgrünen und der graubraunen Farben-
töne, der saftigen, dichten Laubmassen und des dürren, lockeren Ge-
ästes, wie sie die Abwechselung der hygrophilen und xerophilen
Lebensweise hervorruft , verleiht den Tropophytengebieten , trotz
physikalisch oft sehr ungleichem Klima, ein ähnliches Gepräge. Die
tropische Ueppigkeit ist in den Tropen gar nicht allgemein; aus-
gedehnte Gebiete im Innern der Continente erinnern in der Physio-
gnomie ihrer Vegetation, auch in der Regenzeit, mehr an Mitteleuropa
als an die überwältigende Fülle der regenreichen Küstengebiete, und
die trockene Zeit vollends ist einem deutschen Winter in ihrem Ein-
fluss auf die Pflanzendecke gar nicht unähnlich. Andererseits besitzen
manche extratropische Striche mit
schwach ausgeprägter Winterkälte
und reichen Niederschlägen, wie das
westliche Neu -Seeland oder Süd-
Chile, üppige, immergrüne, den tropi-
schen ähnliche Wälder. Hier herrscht
nämlich ein Hygrophytenklima.
Die periodische Entlaubung und
Belaubung ist zwar für Tropophyten-
gebiete besonders charakteristisch,
weil erstere sehr vollständig, letz-
tere sehr üppig zu sein pflegt; sie
ist aber nicht auf dieselben be-
schränkt. Viele Xerophytengebiete
besitzen wohl ausgeprägte Jahres-
zeiten, welche ebenfalls vom Abwerfen und Erneuern des Laubes be-
gleitet sind; der periodische Wechsel ist aber weniger in die Augen
fallend, theils weil die Zahl der immergrünen Holzgewächse grösser,
theils weil die Dichtigkeit der Laubmasse geringer ist. Auch in man-
chen Hygrophytengebieten fehlt die Erscheinung nicht, doch handelt es
sich hier in den meisten Fällen nur um ein Dünnerwerden, nicht um
ein gänzliches Verschwinden des Laubes. Zudem ist die Erscheinung
auf die Minderzahl der Bäume beschränkt, ausser in Gebieten, die, wie
Ost -Java, klimatisch den Tropophytengebieten nahe stehen und einen
Uebergang zu denselben bilden. Der Laubfall ist eine Anpassung
an eine physiologisch trockene Periode. Es ist der Versuch gemacht
worden, seinen Eintritt überall zu dem Beginn ungenügender Wasser-
zufuhr, sei es wegen Austrockung oder Erkaltung des Bodens, in ursäch-
liche Beziehung zu bringen. So einleuchtend diese Erklärung a priori
auch erscheint, so ist sie zur Zeit noch eine unbewiesene Hypothese.
Fig. 28. Xerophile Structur im perenne-
riden Blatt einer tropophilen Pflanze : Ilex
aquifolium. Nach Stahl.
26 I- Das Wasser.
2. Die Vegetationsorgane der Wasserpflanzen.1)
Die ökologischen Bedingungen des Pflanzenlebens sind im flüssigen
Wasser offenbar zum Theil andere als in der Luft, möge die letztere
noch so reich an Wasserdampf sein. Die Wasserpflanzen zeigen in der
That eine Reihe für sie charakteristischer Eigentümlichkeiten , die mit
den physikalischen Eigenschaften des Wassers als Flüssigkeit zusammen-
hängen. Andererseits jedoch kehren bei ihnen in schärferer Ausprägung
manche Eigenschaften wieder, die auch durch sehr dampfreiche Luft
hervorgerufen werden. Die chemische Identität des Wassers im flüssigen
und gasförmigen Zustande macht sich in solchen Uebereinstimmungen
geltend.
Manche der zufällig im Wasser sich entwickelnden Landpflanzen
zeigen nur geringe Abweichungen von der normalen Structur, da letztere
durch Erblichkeit zu sehr fixirt ist, um bereits in der ersten Generation
neuen Einwirkungen zu weichen. Andere sind plastischer und erfahren
sofort eine Reihe von Veränderungen, durch welche ihre Structur sich
derjenigen echter Wasserpflanzen nähert. So fand H. Schenck am Rande
eines ausgetretenen Teiches submerse Exemplare von Cardamine pratensis,
welche folgende Abweichungen von der normalen Landform aufweisen :
Die sonst sitzenden Stengelblätter waren langgestielt, ihre Zipfel schmäler,
das Mesophyll war dünner und ohne Palissaden, die Rinde dicker, in-
, dem die Gefassbündel nach der Mitte gerückt waren (Fig. 29), die in
der Landform reich entwickelten sklerotischen Elemente fehlten, die
Aussenwand der Epidermis war stark verdünnt, die Gefässe hatten eine
starke Reduction, die Intercellularen eine Förderung erfahren.
Zum grossen Theile sind diese Veränderungen denjenigen, die auch
Wasserdampf hervorruft, sehr ähnlich. In sehr feuchter Luft tritt eben-
falls Verlängerung der Blattstiele, Schwinden der Wandverdickungen,
Reduction der Gefässe und Palissaden, Zunahme der Luftlücken auf.
Nur zwei nicht besonders hervortretende Eigentümlichkeiten sind auf
die flüssige Beschaffenheit des Wassers zurückzufuhren : Das centripetale
Rücken der Gefassbündel und die Verschmälerung der Blattsegmente.
Hierin zeigt sich der erste Schritt der Umwandlung einer
Luftpflanze in eine Wasserpfanze.
Die Cardamine scheint sich nicht als Wasserpflanze behaupten zu
können. Dazu ist ihre Plasticität nicht gross genug. Andere Pflanzen,
die sogenannten amphibischen, deren bekanntester Vertreter Polygonum
amphibium ist, gedeihen in Luft und Wasser gleich gut, indem sie,
dank einer hochgradigen Plasticität, dem jeweiligen Medium ent-
sprechend modificirt werden.
*) H. Schenck, I— m. Göbel.
2. Die Vegetationsorgane der Wasserpflanzen. 27
Die Phanerogamen und Pteridophyten, vielleicht
auch die Moose der Gewässer sind aus solchen plasti-
schen Landpflanzen entstanden, welche die Fähigkeit
besassen, sich auch als Wasserpflanzen zu behaupten.
Mit Ausnahme der wenigen amphibisch gebliebenen Arten verdankten
sie später dieser Fähigkeit ihre Fortexistenz, indem sie durch die
Concurrenz vom Lande verdrängt, eine Zuflucht im Wasser fanden,
wo sie sich allmählich entsprechend modificirten und die Fähig-
keit, auf dem Lande normal zu gedeihen, theilweise oder ganz ein-
büssten.
Die Richtungen, in welchen der modificirende Einfluss des Wassers
sich vornehmlich geltend machte, sind folgende gewesen: Vergrösserung
der freien Oberfläche der Sprosse durch Verlängerung oder Spaltung der
Glieder, Unterdrückung oder Reduction der Wurzeln bezw. Umwandlung
derselben (z. B. in Haftorgane), schwache Ausbildung der Cuticula, Fehlen
oder Reduction der Spaltöffnun-
gen, Rücken der Gefässbündel
zu einem centralen Strange,
periphere Lagerung des Chloro-
phyllapparats. In ruhigen Ge-
wässern tritt ausserdem allge-
mein eine Reduction der mecha-
nischen Elemente und Zunahme
i i r, /*.i i r . ii i Fiß. 20. Stengel von Card am ine pratensis. A Land-
der luftfuhrenden Intercellula- form B Wasserform. Schwach vergr. Nach
ren ein, die sich in solchem H. Schenck.
Maasse in stark bewegtem Wasser
nicht zeigen, wo die relativ grosse Ausdehnung der Oberfläche eben-
falls weit weniger ausgeprägt ist.
Das Zweckentsprechende aller dieser Veränderungen liegt auf der
Hand. Fraglich erscheint es nur, ob sie auf Zuchtwahl oder auf direkten
Einfluss des Wassers zurückzufuhren sind. Die erste Andeutung einiger
derselben zeigt sich bei der zufällig im Wasser lebenden Cardamine,
wo von Zuchtwahl nicht die Rede sein kann. Wahrscheinlich sind
beide Gruppen von Einflüssen, die direkten und die indirekten, gleich-
zeitig wirksam gewesen.
Die Veränderungen, die das Leben im Wasser bei ursprünglichen
Landpflanzen hervorrief, sind nur zum Theil direkt auf das Wasser
zurückzuführen. Im Uebrigen handelt es sich um andere Factoren des
Pflanzenlebens, die durch das Wasser modificirt werden. Einige Eigen-
schaften der Wasserpflanzen sind auf die Schwächung des Lichtes
zurückzufuhren und zeigen sich dementsprechend bei Landpflanzen des
tiefen Schattens wieder, so die periphere Lagerung des Chlorophyll-
apparats und vielleicht die starke Verlängerung im tiefen Wasser. Die
28
I. Das Wasser.
beträchtliche Ausdehnung der Oberfläche und der Reichthum an Luft-
canälen in Geweben, wo sie bei Pflanzen des trockenen Landes con-
stant fehlen (Rhizome, Wurzeln), ist auf die Gefahr des Sauerstoff-
mangels in Folge der langsamen Gasdiffusion im Wasser zurückzuführen ;
die Canäle leiten den bei der Assimilation gebildeten Sauerstoff* in die
nicht grünen Glieder hinein. Die Pflanzen sehr bewegten und daher
luftreichen Wassers, wie die
Podostemaceen der tropischen
Wasserfälle und die grösseren
Algen der Brandung zeichnen
sich weder durch besonders
grosse Oberfläche, noch durch
den Besitz von Durchlüftungs-
vorrichtungen vor Landpflanzen
aus. Diese Erscheinungen sol-
len an späteren Stellen (Kap. IV
und Dritter Th. V.) eingehen-
der besprochen werden.
Die übrigen Eigenschaften
der Wasserpflanzen sind als
direkte Wasserwirkungen zu
betrachten. Drei derselben
sind für das flüssige Wasser
im Gegensatz zum Wasser-
dampf charakteristisch: Erstens
die Verkümmerung, bezw. das
Fehlen der Spaltöffnungen,
welche die ihnen in der Luft
zukommende Function des Gas-
wechsels nicht mehr verrichten,
da die ganze Oberfläche Sauer-
stoff und Kohlensäure auf-
nimmt, bezw. ausscheidet und
Transpiration nicht stattfindet,
zweitens die centrale Lagerung
der Gefässbündel , welche dem Bedürfniss nach Zugfestigkeit ent-
spricht, endlich der Schleim, welcher junge Theile gegen Stoffverlust
durch Diffusion schützt. l) Andere Eigenthümlichkeiten zeigen sich in
schwächerem Maasse auch in feuchter Luft, nämlich die Reduction des
Wurzelsystems, der Gefässe und Hautgewebe entsprechend der im
Wasser fehlenden, in feuchter Luft geschwächten Transpiration, sowie
Fig. 30. Ranunculus fluitans. / Wasserform. 2 Land-
form. 2L nat. Grösse.
*) Schilling 1. c.
2. Die Vegetationsorgane der Wasserpflanzen.
29
die geringe Ausbildung der sklerotischen Elemente, welche sich übrigens
nur in ruhigem Wasser und in ruhiger Luft zeigt.
Die grosse Plasticität, welche die Umwandlung von Landpflanzen
in Wasserpflanzen ermöglichte, hat sich bis zu einem gewissen Grade
von den Vorfahren auf die Nachkommen vererbt. Die meisten phanero-
gamischen und farnartigen Wasserpflanzen vermögen sich noch in Land-
«
Fig. 31. Ranunculus fluitans. Querschnitt durch den Blattzipfel a der Wasserform (Vergr. 90),
b der Landform (Vergr. 60). Nach H. Schenck.
formen umzuwandeln, welche sich in ihrer Structur gewöhnlichen Land-
pflanzen nähern (Fig. 30). Kürzere Sprosse, weniger zertheilte Blätter,
Palissadenparenchym , Spaltöffnungen, eine wohl ausgebildete Cuticula,
centripetale Anordnung des Chlorophyllapparats zeichnen solche Luft-
formen vor den Wasserformen aus. Doch sind manche der im normalen
Wasserleben erworbenen
Eigenschaften erblich ge-
worden, wie die centrale
Lagerung der Gefassbün-
del. Ueberhaupt zeigt die
ganze Structur in unver-
kennbarer Weise, dass man
etwas umgeprägte Wasser-
pflanzen vor sich hat.
Solche Flüchtlinge der Ge-
wässer bleiben meist küm-
merlich und kommen nicht
oder selten zur Blüthe, im
Gegensatz zu den echten amphibischen Gewächsen, bei welchen gerade
die Landform häufiger geschlechtliche Thätigkeit entwickelt als die
Wasserform.
Die zu Wasserpflanzen gewordenen Landpflanzen bilden nur einen
geringen Bruchtheil der gesammten Wasserflora. Die im Vorhergehen-
den nicht berücksichtigten Algen, welchen die maassgebende Rolle in
der Vegetation der Gewässer zukommt, sind echte Wasserpflanzen,
Fig. 32. Callitriche stagnalis. Stammquerschnitt, a Land-
form, b Wasserform. Nach Schenck. Vergr. 67.
7o I. Das Wasser.
deren Ancestralformen stets das Wasser bewohnt haben. Auch die
wenigen Luftalgen zeigen sich in höherem Grade vom flüssigen Wasser
abhängig als echte Landpflanzen. Diese Eigenschaften machen die
Algen weniger geeignet, den Unterschied zwischen Wasser- und Land-
pflanzen klarzustellen, als die höher organisirten Gewächse.
3. Das Wasser und die Reproduction.1)
Reiche Wasserzufuhr begünstigt im Allgemeinen die Entwickelung
der Vegetationsorgane, Wasserentziehung bedingt deren Reduction.
Umgekehrt wird gewöhnlich die Bildung der Sexual-
organe durch grosse Feuchtigkeit gehemmt, durch
Trockenheit gefördert.*
Diese praktisch schon längst festgestellte Erkenntniss hat ver-
schiedene gärtnerische Kunstgriffe zur Hervorbringung reicher Blüthen-
bildung herbeigeführt. Dahin gehört z. B. das Verfahren des Wurzelschnittes,
bei welchem ein Graben um die Pflanze herum gezogen und der bloss-
gelegte Theil des Wurzelsystems abgeschnitten wird. Um auf Ceylon
den Weiristock zum Blühen zu veranlassen, werden die Wurzeln eine
Zeit lang theilweise blossgelegt. Cereus und andere Cacteen erzeugen
viel reichere Blüthen, nachdem sie eine Zeit lang stark zusammen-
geschrumpft gewesen sind, als nach ununterbrochen gebliebener Turges-
cenz. Viele Pflanzen, z. B. gewisse Juncusarten, kommen nur auf relativ
trockenem Boden zur Blüthe.
Gehemmte Leitung des Wassers in den Gefassen führt zu ähn-
lichen Ergebnissen. Wird ein Zweig des Kaffeestrauches abgebrochen,
so dass er nur noch durch einen Theil des Holzkörpers mit dem Haupt-
aste zusammenhängt, so erzeugt er mehr Blüthen und später mehr
Früchte als ein unversehrt gebliebener.2) Serehkrankes Zuckerrohr, dessen
Gefässe durch Schleim verstopft sind, blüht regelmässig nach kurzer Zeit.
Moebius hat der Frage des Einflusses der Feuchtigkeit auf die
Sexualsphäre einige lehrreiche Versuche gewidmet. Er cultivirte Topf-
exemplare von Phalaris canariensis, Borago officinalis und Andropogon
Ischaemum bei theils reicher, theils eben nur hinreichender Bewässe-
rung. Ueberall zeigte sich die Blüthenbildung durch Trockenheit in
auffallender Weise gefördert. Die nass gehaltenen Pflanzen hatten sogar,
während der Dauer des Versuches, zum grössten Theile gar keine
Blüthen erzeugt.
In dieselbe Gruppe von Erscheinungen gehört auch die Beobachtung
*) Reiche Litteraturnachweise bei Sorauer, Pflanzenkrankheiten Bd. I und Moebius 1. c.
8) Ernst nach Moebius 1. c.
3. Das Wasser und die Reproduction. jl
Wiesner's, nach welcher, im dampfgesättigten Räume, Capsella bursa
pastoris nur spärliche und kümmerliche, Taraxacum sogar keine
Blüthen erzeugte, während die vegetativen Sprosse beider Pflanzen
sich ausserordentlich üppig entwickelten.
Besonders instructiv sind endlich die Wasserpflanzen. Zum grössten
Theile bleiben die Wasserphanerogamen blüthenlos, wenn zu grosse
Tiefe des Wassers das Emportauchen der fertilen Sprosse verhindert.
So bleiben im ganz untergetauchten Zustande Alisma Plantago, Sagit-
taria, Isnardia, Hippuris, Elatine Aisinastrum, Littorella etc. stets steril.
Manche Arten von amphibischer Lebensweise wie Marsilea, Pilularia
entwickeln ihre Sporangien nur oder doch ganz vorwiegend an den
Landformen. Subularia aquatica ist untergetaucht kleistogamisch.
Vegetative Vermehrung findet hingegen bei Wasserpflanzen in aus-
giebigster Weise statt. So wurden durch die Weiterentwickelung
abgerissener Zweige unsere Gewässer von der Wasserpest, Elodea
canadensis, nach wenigen Jahren überwuchert.
Die bei weitem grösste Klasse der Wasserpflanzen, nämlich diejenige
der Algen, vollzieht allerdings ihre geschlechtliche und ungeschlechtliche
Vermehrung unter Wasser. Es sind das Gewächse, deren Ancestral-
formen bereits Wasserpflanzen waren und dem Einfluss der Trockenheit
stets entrückt geblieben sind. Jedoch ist auch bei einigen Algen mehr
amphibischer Lebensweise ein fördernder Einfluss der Trockenheit auf
die geschlechtliche Vermehrung nachgewiesen worden, so durch Klebs
für Vaucheria.
Diejenigen Wasserpflanzen, die von Festlandformen abstammen,
wie die Phanerogamen und höheren Kryptogamen, haben sich zwar
für ihre vegetative Thätigkeit dem Wasser vollkommen angepasst ; hin-
gegen sind sie, mit wenigen Ausnahmen, in der sexuellen Sphäre Luft-
pflanzen geblieben und diese Abhängigkeit hat sogar wunderbare An-
passungen hervorgerufen, wie die überall geschilderte und sogar dichte-
risch verwerthete Bestäubung derVallisneria spiralis. Nur wenige Formen,
wie Ceratophyllum , Najas, Isoetes, einige Moose und namentlich die
Seegräser durchlaufen sämmtliche Stadien ihrer Entwickelung unter
Wasser, wodurch Anpassungen an das letztere hervorgerufen wurden.
• Manche Pflanzen, welche auch unter Wasser ihre Geschlechtsorgane
entwickeln, sind in seichtem Wasser fertil, dagegen in tiefem Wasser,
bei üppiger vegetativer Entwickelung steril, z. B. Potomagoton rufescens,
verschiedene Podostemaceen , Isoetes etc. Es dürfte sich in diesen
Fällen um Lichtwirkungen handeln, da die Bildung der meisten Blüthen
in schwachem Lichte unterbleibt (vgl. Kap. HI).
Auch strömende Bewegung des Wassers wirkt hemmend auf die
Bildung der Blüthen, z. B. bei Potamogeton pectinatus. Nach Ver-
suchen von Klebs mit verschiedenen Algen erscheint es ausgeschlossen,
32 I. Das Wasser.
dass es sich in diesem Falle um eine Wirkung der Lichtschwächung,
bedingt durch die Luftblasen, handle. Die Ursache dieser Erscheinung
ist zur Zeit nicht aufgeklärt.
4. Das Wasser und die Samenverbreitung.
Die Pflanzenarten der Gewässer und ihrer Ufer besitzen häufig im
Bau ihrer Früchte oder Samen Vorrichtungen, durch welche ein längeres
Schwimmen und dadurch die Verbreitung durch die Wasserströmungen
ermöglicht werden. In hochgradig angepassten Fällen besitzen solche
Früchte oder Samen besondere Schwimmorgane, selten in der Form
einer von wasserdichter Wand umgebenen Schwimmblase (Morinda
citrifolia, Fig. 33), weit häufiger in derjenigen eines
als dicke Hülle ausgebildeten Schwimmgewebes,
dessen Zellen lufthaltig sind und ausserdem oft Luft-
lücken zwischen sich lassen (z. B. Früchte von Cocos
nucifera, Cerbera Odollam, Barringtonia speciosa,
Terminalia Catappa, Fig. 34, Calophyllum Inophyllum,
Fig- 35» Samen von Cycas circinalis etc.). Allerdings
entbehren manche Schwimmfrüchte und -Samen,
Fig. 33. a Stein von darunter einzelne , die sich sehr lange auf dem
Morinda umbellata. Wasser halten (Heritiera littoralis etc), besonderer
Nicht schwimmend. Anpassung, und verdanken ihr leichtes specifisches
^ Stein von M. citri- Gewicht einem iuftführenden und wasserdichten
folia, mit Schwimm-
blase, c ebensolcher, Räume zwischen Fruchtschale und Samen oder
vergrössert. Samenschale und Samenkern, ähnlich wie manche
Früchte und Samen des Binnenlandes, die in keiner
Weise in Beziehung zum Wasser stehen.1).
Die mit andauernder Schwimmfähigkeit ausgerüsteten Früchte oder
Samen zeigen sich namentlich in der Flora des Meeresstrandes, in erster
Linie an tropischen Küsten, wo sie oft bedeutende Grösse erreichen
und innerhalb der wenigen angegebenen Typen reiche Mannigfaltigkeit
entfalten.
Die grosse Bedeutung der Meeresströmungen für die Samen-
verbreitung wurde in der That zuerst an tropischen Früchten und
Samen erkannt , so bereits von Linn£ , welcher auf dem Strande Nor-
wegens solche fand, die der tropisch -amerikanischen Flora angehörten
und offenbar durch den Golfstrom von den Antillen gebracht worden
waren. Später wurde durch Beobachtungen von Hemsley, Treub,
*) Zahlreiche Abbildungen von Schwimmfrüchten und Schwimmsamen in meinem citirten
Werke, Taf. VII.
4. Das Wasser und die Samenverbreitung.
33
Guppy, und mir im indischen und pacifischen Ocean die grosse Be-
deutung der Meeresströmungen für die pflanzliche Besiedelung von
Küsten und Inseln nachgewiesen. Von dem Aussehen der vom Meere
ausgeworfenen Früchte und Samen, wie ich
sie namentlich am Strande bei Tjilatjap [in
Süd -Java fand, habe ich an Ort und Stelle
folgende Schilderung geschrieben:
„Der breite sandige Strand ist völlig vege-
tationslos und beinahe nackt; ausser einigen vor
Kurzem von der Brandung ausgeworfenen Früchten,
Muscheln, von der Krakataueruption herrühren-
den Bimsteinfragmenten, ist derselbe nur von den
Fruchtständen des Spinifex squarrosus bestreut, die
theils von dem Winde ihre tanzend rollende Bewe-
gung ausfuhren, theils kurz geschoren im Sande
halbvergraben liegen. Hinter dem Strande erheben
sich, unter scharfem Winkel aufsteigend, nie-
dere Dünen, die ganz von bläulichem Spinifex
bewachsen sind. Am Fusse dieser Dünen liegen,
durch den Wind oder hohe Seen dahin ge-
schoben, die Driftauswürfe,1) in Form langer,
scharf begrenzter Streifen, sonst im Aussehen
Misthaufen vergleichbar, auf welchen allerhand
Pflanzen gekeimt wären. Die Auswürfe bestehen
hauptsächlich aus bräunlichen, theiJs krautigen,
theils holzigen Fragmenten verschiedener, mit Ausnahme des Spinifex, schwer
zu identificirender Gewächse, aus Bimsteingeröllen, Korallen, Muscheln, end-
lich aus den Früchten und Samen, die da, wo die Drift-
haufen grössere Dicke besitzen, zum Theil in Keimung
begriffen sind und dieselben mit einem frischgrünen Rasen
überziehen. Diese Früchte und Samen rühren zum grossen
Theil von Pflanzen her, die man in der näheren Um-
gebung vergeblich suchen würde; einige dürften aller-
dings von der benachbarten Insel Noesa Kambangan her-
rühren, woher die anderen, vermag ich nicht anzugeben.
Manche der Früchte sehen beinahe so frisch aus,
als wären sie eben vom Baume gefallen, so diejenigen
von Barringtonia speciosa. Andere dagegen tragen die
Spuren einer langen Reise und sind manchmal bis zur
Unkenntlichkeit abgerieben; ihre Schalen sind von Ser-
picula überzogen, oder siebartig durchbohrt, oder von einer Cirrhipediencolonie
bewohnt; manchmal sind sie von Thieren ausgehöhlt worden (Carapa, Cocos).
Fig. 34. Frucht von Termi-
nalia Katappa aus der Drift.
Nat. Gr.
Fig. 35- Fruchtstein
von Calophyllum ino-
phyllum. Geöffnet und
das Schwimmgewebe
zeigend. Nat. Gr.
*) Die Engländer bezeichnen die Gesammtheit der Meeresauswürfe als Drift; letztere
Bezeichnung ist auch in der deutschen Literatur gebräuchlich, sie würde jedoch zweckmässig
durch eine deutsche ersetzt werden.
Schimper, Pflanzengeographie. 3
34
I. Das Wasser.
Unter allen diesen Früchten herrschen diejenigen von Heritiera littoralis
vor, die wegen ihrer Grösse auch gleich in die Augen fallen. Massenhaft
sind ferner die grossen Früchte von Cerbera Odollam, ihrer grünen Schale
ganz, ihres Parenchyms theilweise beraubt und die überaus zähe Faserhülle,
welche das für Wasser schwer durchdringliche Endocarp (hier das Schwimm-
gewebe) umgiebt, entblösst zeigen. Ferner fallen in die Augen Cocosnüsse,
nur noch von Resten ihrer Faserhülle bedeckt, seitlich meist mit einem rund-
lichen Loche versehen, durch welches ein mir unbekanntes Thier sich den
Genuss des stets ganz verschwundenen Samens verschaffte. Häufig sind auch
die gerippten Früchte von Nipa fruticans; die runzeligen oder auf den drei-
spaltigen Stein reducirten eines Canarium; die grossen mitraförmigen der
Barringtonia speciosa, nebst den länglichen der Barringtonia excelsa und den
viel kleineren, einer nicht näher bestimmten dritten Art; die bootförmigen Steine
von Terminalia Katappa (Fig. 34), häufig stark abgerieben und, in der dicken
Schale, von allerhand thierischen Organismen, namentlich Cirrhipedien be-
wohnt; die gleichsam aus Flaschenkork herausgeschnittenen unregelmässig
eckigen Samen von Carapa obovata, deren Schale ebenfalls perforirt oder
gleichsam angefressen zu sein pflegt ; die grossen eckigen Samen von Pangium
edule; die kugeligen Steine von Calophyllum inophyllum (Fig. 35); die Früchte
verschiedener Pandani; die Hülsen von Pongamia glabra; diejenigen von
Cynometra cauliflora; die grauen, unregelmässig rundlichen Samen von
Caesalpinia Bonducella; die flachen, dunkeln einer Dioclea; die länglichen von
Erythrina- Arten; Keimlinge einer Bruguiera. Bei genauerer Untersuchung
findet man noch eine Anzahl kleiner Früchte und Samen, so namentlich die
Steine von Lumnitzera racemosa oder coccinea, diejenigen von Scyphiphora,
die Samen von Ipomoea pes caprae.
In der Mehrzahl der Fälle sind, auch in abgeriebenen Früchten, die
Samen ganz gesund und viele sind anscheinend in Keimung begriffen; dabei
zeigt sich ein auffallender Unterschied zwischen den einzelnen Arten, der
wohl in erster Linie auf die Dauer der Keimfähigkeit zurückzuführen ist
Junge Cocospalmen, Eichen, Canarien findet man gar nicht, Keimlinge von
Heritiera, im Verhältniss zur enormen Menge der angeschwemmten Früchte,
wenige. Etwas häufiger sind die Keimpflanzen von Barringtonia speciosa und
B. sp., viel zahlreicher diejenigen von Calophyllum inophyllum, Cerbera
Odollam, Carapa, am gewöhnlichsten aber diejenigen von Ipomoea pes caprae
und verschiedener Leguminosen. Aber auch Keimpflanzen von Arten, deren
nicht keimende Samen ich überhaupt nicht fand, zeigen sich in grosser An-
zahl, namentlich Ricinus communis und verschiedene anderen Euphorbiaceen."
Die Flora des Meeresstrandes weist einen ausnehmend hohen
Procentsatz weitverbreiteter, oft innerhalb der betreffenden Klima-
zone kosmopolitischer Arten auf, welche ihre grossen Areale, wie das
Vorkommen ihrer Keimlinge in den Driftauswürfen und Versuche über
die Dauer der Schwimm- und Keimfähigkeit der Driftsamen gezeigt
haben, offenbar den Meeresstömungen verdanken.
Versuche, die ich über die Dauer der Schwimmfähigkeit der Samen ver-
schiedener malayischer Strandpflanzen auf 3,/2procentigem Salzwasser anstellte,
Literatur.
35
mussten unterbrochen werden, bevor die Objekte sämmtiich gesunken waren.
Samen von Suriana maritima schwammen seit 143 Tagen, solche von Hibiscus
tiliaceus seit 121 Tagen. Andere Samen oder Schliessfrüchte hatten zwischen
10 und 70 Tagen geschwommen und waren dann auf den Boden gesunken.
In Versuchen von Guppy in Buitenzorg, welche schon nach 53 Tagen unter-
brochen werden mussten, wurde bei einem beträchtlichen Theile der Samen
die Keimfähigkeit nach 40 — 53 Tagen unverändert gefunden.
Die Verbreitung von Strandpflanzenarten durch Meeresströmungen
hat nicht bloss in früheren Zeiten maassgebende Bedeutung für die
Besiedelung von Küsten und Inseln gehabt, sondern sie findet gegen-
wärtig noch statt, wie es Treub, der die in Folge der bekannten Eruption
völlig pflanzenleer gewordenen Inseln der Krakataugruppe nicht ganz
drei Jahre später besuchte, bestimmt nachweisen konnte. Zahlreiche
Driftsamen lagen da auf dem Strande und manche offenbar aus solchen
Samen entstandene Pflanzen hatten sich bereits angesiedelt und bildeten
den Anfang einer ähnlich zusammengesetzten Strandflora, wie sie den
in dieser Hinsicht völlig mit einander übereinstimmenden Inseln des
malayischen Archipels zukommt.
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H. Die Wärme.
1. Allgemeines. Die Wärme und die Pflanzenstructur. Wirkungen des kalten
Klimas auf Form und Lage der Blätter. Die drei Cardinalpunkte. Die Phänologie. —
2. Die Nullpunkte des Fflansenlebens. §. i. Untere Nullpunkte. Widerstands-
fähigkeit gegen Kälte. Kältetod oft Trockentod. Die kältesten Punkte der Erde. —
§. 2. Obere Nullpunkte. Widerstandsfähigkeit gegen Hitze. Sachs' Versuche. Die
Thermen. Höchste beobachtete Temperaturen in Boden und Luft. — 3. Die Cardinal-
punkte der pflanzlichen Functionen. Das harmonische Optimum. Absolutes und
ökologisches Optimum. Schwankungen des harmonischen Optimums während der Ent-
wicklung. Das ökologische Optimum des Pfirsichbaumes. Cardinalpunkte der Keimung.
Keimung, Wachsthum, Assimilation, Athmung bei niederen Temperaturen. Nützliche niedere
Temperaturen. Wirkungen der Kälte auf die geschlechtliche Reproduktion. — 4. Die
Akklimatisation. Verpflanzen aus warmen in kalte Klimate und umgekehrt Schübeler's
und A. de Candolle's Versuche. H. Mayr über Akklimatisation der Waldbäume.
1. Allgemeines.
Wenn trotz der herrschenden Rolle, die ihnen pflanzengeographisch
zukommt, die Wirkungen der Temperatur hier nicht auch äusserlich
an die Spitze der pflanzengeographischen Factoren gestellt worden sind,
so geschah es, weil das Wesen dieser Wirkungen auf den pflanzlichen
Organismus weniger deutlich erkennbar ist, als bei derjenigen des
Wassers. Wir können die Zufuhr und die Ausscheidung von Wasser
in der Pflanze direct beobachten, die dadurch bedingten Wirkungen
physiologisch erklären, den Transpirationsstrom auf seinen Bahnen ver-
folgen, während die Wärmewirkungen sich in dem uns ganz verborgenen
Moleculargebiet des Plasma abspielen und nur in ihren schliesslichen
Ergebnissen , wie Beschleunigung , Verzögerung , Aufhören physiolo-
gischer Vorgänge, sichtbar werden. Die ökologischen Erscheinungen
zeigen ähnliche Unterschiede. Die Schutzmittel gegen Mangel oder
Ueberfluss an Wasser sind der Beobachtung zugänglich, diejenigen
gegen Kälte und Wärme entziehen sich derselben gänzlich. Wir
können es einer Pflanze direct ansehen, ob sie in der Natur trockene
i. Allgemeines.
41
oder feuchte Standorte bewohnt, aber nicht, ob sie der Flora eines
kalten oder eines warmen Klimas angehört. Vielmehr haben die
Pflanzen heisser Wüsten oft eine grosse habituelle Aehnlichkeit mit
denjenigen der Polarländer.
In neuerer Zeit hat man allerdings einige Unterschiede zwischen den in
hochalpinen, bezw. polaren und den im temperirten Klima gewachsenen
Exemplaren einiger Pflanzenarten nachweisen wollen. So sagt Lindberg
in seiner Moosflora von Spitzbergen1): „Die meisten hier vorkommenden
Moosarten treten nur in mehr oder weniger unvollständigen und verfrorenen
Formen auf. In der That leiden diese Sporenpflanzen in hohem Grade von
der Ungunst des Klimas, denn gewöhnlich nimmt die ganze Pflanze einen
dunkelen Farbenton an; die Stengel werden kürzer, reichlicher verzweigt und
mehr dichtrasig •, auch die Blätter erhalten eine ver-
änderte Form und Richtung, indem sie mehr gedrängt,
kürzer, stumpfer und mehr aufrecht oder an-
gedrückt und concav werden; ausserdem sind sie oft
in der Spitze weiss oder durchsichtig, weil das Chloro-
phyll erfroren ist; wenn in der wohlausgebildeten
Pflanze die Blattrippe als lange haarförmige Spitze
ausläuft, vermag sie hier selten über die Blattspitze
hinauszutreten." Aehnliche Beobachtungen hat Berg-
gren gemacht2): Was die Moose betrifft, so liegt die
genannte Eigentümlichkeit darin, dass die Blätter
breiter, sehr oft concav sind und die Tendenz zeigen,
kapuzenförmige Spitzen zu bekommen Es ist
eher als eine Ausnahme zu betrachten, dass, wenn
Moose aus der gemässigten Zone bis nach Spitzbergen
verbreitet sind, diese nicht kürzere und demzufolge
verhältnissmässig breite Blätter haben Mitunter
wird der Blattrand gleichzeitig zurückgeschlagen und
seine Zähne verschwinden "
Zu ähnlichen Resultaten gelang Kjellman für verschiedene höheren Ge-
wächse; so für die Zapfen von Picea excelsa und für die Blätter einiger
Ericineen. Ueberall zeigte sich, ähnlich wie bei den oben geschilderten
Moosen, die Neigimg der Blüthen, breiter und kürzer zu werden und etwaige
Unebenheiten ihres Randes zu vermindern.
In wie fern solche Unterschiede direkt mit der Temperatur zusammen-
hängen, müssen Versuche entscheiden.
Warming *) beobachtete bei Juniperus communis (Fig. 36), sowie bei
Lycopodium annotinum und selago die Neigung, mehr gerade und dem Stengel
angedrückte, nicht wie sonst abstehende Blätter zu bilden. Er sieht darin ein
Schutzmittel gegen Transpiration. Manche Kiefernarten gleichen im Winter
A f*
Fig- 36. Juniperus com-
munis. A die Form nana
des kalten Klima. B die
gewöhnliche Form. Nach
Warming.
l) Nach dem Citat Kihlman's 1. c. S. 156.
*) Desgleichen S. 17 u. 18.
3) L. c. S. 114 u. f. und Fig. 12—14.
42 EL Die Wärme.
solchen „Kälteformen", indem ihre Nadeln sich erheben und der Axe andrücken.
Derartige Wirkungen in Folge grosser Trockenheit sind mir nicht bekannt.1)
Jede Pflanze ist nur zwischen zwei, bald mehr bald weniger von
einander entfernten Temperaturgraden, ihrem unteren und ihrem
oberenNullpunkt, existenzfähig. Ueberschreiten des einen oder des
anderen Nullpunkts hat in kürzerer oder längerer Zeit, spätestens aber
nach drei oder vier Tagen, den Tod zur Folge. Die Nullpunkte sind
für jede Pflanzenart verschieden, dagegen haben die Individuen einer
Art, wenigstens soweit sie sich unter annähernd gleichen äusseren Be-
dingungen entwickelt haben, die gleichen Nullpunkte. Die absoluten
Grenzwerthe des Pflanzenlebens sind nicht gleichzeitig
diejenigen aller seiner Functionen. Vielmehr besitzt
jede einzelne Function ihre eigenen Grenzwerthe und
ausserdem bei einem bestimmten Temperaturgrade ein
Optimum, im Ganzen also drei Cardinalpunkte oder Cardinalgrade.
Wie die Grenzwerthe ist auch das Optimum einer jeden Function für
jede Art charakteristisch und pflegt um so höher zu stehen, als das
Minimum einer höheren Temperatur entspricht.
Die im Vorhergehenden skizzirten Daten bilden die ein-
zige Grundlage für die Untersuchung der Temperatureinflüsse
auf Verbreitung und Lebensweise der Pflanzenarten.
Im Gegensatz zu der allein wissenschaftlichen Auffassung der Temperatur-
wirkungen, welche J. Sachs durch sorgfältige Experimente einführte, nimmt die
Phänologie2) weit einfachere Beziehungen zwischen Wärme und Pflanzenleben
an, indem nach ihren Lehren ein direkter Zusammenhang zwischen der Ent-
wickelung der Pflanze und der Eintheilung des Celsius -Thermometers vor-
handen sein soll. So werden, um das Wärmebedürfniss einer annuellen
Pflanze zu bestimmen, vom Tage der Aussaat bis zu demjenigen der Samen-
reife die mittleren oder auch die höchsten Temperaturgrade an den Tagen,
wo dieselben den Nullpunkt nach Celsius überschritten, addirt. Die Summe
soll bei einer und derselben Pflanzenart, unter jedem Klima, stets die gleiche
sein. So will es wenigstens die Theorie, welche, wie nicht anders zu er-
warten, durch die Thatsachen nicht bestätigt wird.
In ähnlicher Weise wie die totale Temperatursumme, wird auch die-
jenige einzelner physiologischer Vorgänge bestimmt. Bei mehrjährigen Pflanzen
geht man nicht von der Keimung aus, sondern berechnet die Temperatur-
summe gewöhnlich vom i. Januar an.
Dass die Methoden der Phänologie zu exakten Resultaten nicht führen
können, braucht kaum näher beleuchtet zu werden. Abgesehen von der
Willkür in der Auswahl der Temperaturgrade und des Zeitpunktes für den An-
fang der Berechnung, wird von ihr vollständig verkannt, dass die Wärmegrade
physiologisch sehr ungleichwerthig sind, dass in vielen Fällen 35 ° oder sogar 30 °
*) Johow.
9) Vgl. darüber z. B. Hoffmann L c.
2. Die Nullpunkte des Pflanzenlebens. 43
weniger günstig sind als 25 ° oder sogar 200, während sie mit io° oder 150 ver-
gleichbar sind, dass die verschiedenen Organe und Functionen ein sehr un-
gleiches Wärmebedürfniss haben, dass ungünstige Temperaturen eine nach-
trägliche Verzögerung bewirken und dass neben der Wärme noch andere
Factoren, namentlich die Feuchtigkeit, mit bestimmend eingreifen. Man kann
sich nicht wundern , dass die phänologischen Beobachtungen wenig Ueber-
einstimmung zeigen und wird ihnen höchstens für die rein darstellende
Pflanz engeographie , zur Charakterisirung einzelner Gegenden, eine gewisse
Bedeutung zuerkennen können. Den theoretischen Betrachtungen und den
Wärmesummen ist hingegen gar keine Bedeutung zuzuerkennen.
Die physiologischen Versuche über den Einfluss der Temperatur
auf die Lebensvorgänge der Pflanze sind leider noch wenig zahlreich.
Namentlich werden für Pflanzen, die weit mehr als die meisten der bis-
her benutzten Objekte, an bestimmte Wärmebedingungen gebunden
sind, Grenztemperaturen und Optima festgestellt werden müssen. Wir
sind z. B. für die Tropen, die Polarländer und die alpinen Höhen noch
gar nicht unterrichtet. Erst auf Grund einer grossen Anzahl genauer
Daten wird man eine tiefere Einsicht in den Zusammenhang zwischen
Temperatur und Pflanzenleben unter verschiedenen Klimaten zu er-
langen hoffen dürfen. Die wenigen diesbezüglichen Beobachtungen,
auch solche, die der kritischen Prüfung durchaus bedürfen, sind im
Folgenden zusammengestellt.
2. Die Nullpunkte des Pflanzenlebens.
§. 1. Untere Nullpunkte des Pflanzenlebens. Allgemein bekannt
ist die ungleiche Fähigkeit der Pflanzenarten, niedere Temperatur-
grade zu ertragen. So fand Molisch, dass eine Reihe tropischer Ge-
wächse schon bei Temperaturen von + 2 bis -|- 5 ° C. an Erfrieren zu
Grunde gehen, während andererseits die Flora von Jakutsk und
Werchojansk ein paar Hundert Pflanzen umfasst, welche unbeschadet
eine Temperatur von — 60 ° C. ertragen. Namentlich zeigen sich ver-
schiedene Gewächse in sehr verschiedenem Grade befähigt, das Ge-
frieren ihres Zellsaftes zu ertragen, so dass den Temperaturen wenig
unter o° C. eine hervorragende auslesende Bedeutung zukommt.
Im Allgemeinen ist für tropische Gewächse Gefrieren auch Erfrieren,
während die Pflanzen der temperirten und kalten Zonen, wenigstens die
perennirenden , durch Gefrieren zu Eisklumpen werden können ohne
abzusterben. Schädlicher als das Gefrieren ist in solchen Fällen das Auf-
thauen, welches, falls zu schnell vor sich gehend, mehr Pflanzen oder
Pflanzenglieder tödtet, als die strengste Kälte.
Die klimatischen Bedingungen sind nur. in wenigen Gegenden derart,
dass die Vegetation im Stande sein muss, ein häufig wiederholtes Gefrieren
44
H. Die Wärme.
und schnelles Aufthauen unbeschadet zu ertragen. So betont Kihlman „die
ausserordentliche Befähigung starke und schnelle Temperatur- Oscillationen
zu ertragen und sogar den Gefrierpunkt mehrmals innerhalb 24 Stunden zu
passieren, als hervortretende Eigentümlichkeit" der zwerghaften Vegetation
der Tundren in Russisch -Lappland. Aehnliches zeigt sich auch in den höchsten
Regionen der Gebirge. So verbringen die alpinen Gewächse oberhalb der Schnee-
grenze, in den Alpen z. B. Ranunculus glacialis und Gentiana nivalis, während
sie in voller Blüthe stehen,
die Nächte im hartgefrorenen
Zustande, während sie am
Tage der grössten Sonnen-
gluth ausgesetzt sind.
Die mikroskopische
Untersuchung gefrorener
Pflanzentheile ergiebt, dass
im gewöhnlichen Zustande
luftfiihrende Intercellularen
Eiskrystalle enthalten, die
auf Kosten des Zellsaftes
benachbarter Zellen ent-
standen sind. Der da-
durch bedingte Wasser-
verlust dürfte in sehr vielen
Fällen die Todesursache
darstellen, da, wie Müller-
Thurgau nachgewiesen hat,
derselbe auch bei günstigen
Temperaturen tödtend wir-
ken würde. Doch giebt es,
ganz abgesehen davon, wie
namentlich aus den Ver-
suchen Molisch's hervor-
geht, für das Plasma direkt
schädliche Kältewirkungen.
Wasserarme Pflanzen-
theile, sowie solche Pflan-
zen, die ohne Schaden
grosse Trockenheit ertragen, sind gegen Kälte besonders widerstands-
fähig. So zeigten sich in Versuchen von C. de Candolle und R. Pictet
trockene Samen, die einer Temperatur von — 80 ° ausgesetzt worden
waren, in ihrer Keimkraft gar nicht beeinträchtigt, während gequollene
Samen schon durch viel weniger tiefe Temperaturen getödtet werden.
Aehnlich grosse Resistenz gegen Kälte zeichnet auch die Sporen von
Pilzen und anderen Kryptogamen aus, sowie solche Gewächse, deren
Fig- 37- Cochlearia fenestrata von Pittlekaj. Ein Exem-
plar, das in blühendem Zustande überwintert und nach
Schluss des Winters seine Entwickelung fortgesetzt hat.
Nat. Gr. Nach Kjellman.
2. Die Nullpunkte des Pflanzenlebens. ac
vegetative Organe einen hohen Grad von Austrocknung unbeschadet
ertragen.
Kältetod ist unzweifelhaft in sehr vielen Fällen eine
Wirkung des Wassermangels und nicht der niederen Tem-
peratur. So sagt z. B. ganz richtig H. Mayr: „Man staunt, welch'
tiefe Temperaturen eine in Ruhe befindliche Holzart zu ertragen ver-
mag; bei genügender Feuchtigkeit der Luft oder verminderter Eigen-
verdunstung, wie es Waldesschluss, insulares Klima, enge Gebirgs- und
Flussthäler mit sich bringen; dagegen werden die meisten Pflanzen
gegen Winterfrost um so empfindlicher, je trockener die Luft ist; neun
Zehntel von allen Fällen, die als Frostbeschädigung während des Winters
bezeichnet werden, gehören in die Categorie der Vertrocknungs-
erscheinungen bei durch Frost gehinderter oder geminderter Wasser-
bewegung. So lassen sich vielleicht die Widersprüche erklären, dass
manche Pflanzen in notorisch kälterem Klima als „hart" bezeichnet werden,
die in notorisch milderem Klima für empfindlich gelten; wahrscheinlich
waren die Pflanzen an ersteren Oertlichkeiten in feuchterer Luft oder gegen
Verdunstung geschützt, während die empfindlichen Pflanzen des wärmeren
Klimas gegen Trockniss und Frost zu kämpfen hatten." (1. c. S. 368).
Welche die gegen Kälte am wenigsten empfindlichen Pflanzenarten
sind — abgesehen von Samen und Sporen — und welche Kältegrade
sie unbeschadet ertragen können, ist noch unbekannt. Doch zeigen
einige diesbezügliche Beobachtungen an arktischen Pflanzen, dass solche
Grade ausserordentlich niedrig sein können. So berichtet Kjellmann,
der als Botaniker die Vega-Expedition mitmachte, das Folgende über
Cochlearia fenestrata (Fig. 37):
„Es giebt wenige Gegenden auf der Erde, welche ein so strenges Winter-
klima besitzen, wie die Stelle, an welcher die Vega-Expedition überwinterte.
Die Kälte war sehr anhaltend und ging auf mehr als — 46 ° C. herab. Das
fragliche Exemplar wuchs auf dem Gipfel eines ziemlich hohen Sandhügels
bei Pittekoj, dem beständigen und scharfen Nord- oder Nordostwind aus-
gesetzt Es hatte seine Blüthe im Sommer 1878 begonnen, dieselbe aber,
als der Winter kam und seiner Entwicklung ein Ende bereitete, noch lange
nicht abgeschlossen. Das florale System enthielt daher Blüthenknospen in
verschiedenen Entwickelungsstadien , neuerdings geöffnete Blüthen, verblühte
Blüthen und mehr oder weniger reife Früchte. Von den Rosettenblättern
fanden sich nur unbedeutende, zusammengeschrumpfte Reste, aber die oberen
Blätter waren frisch und lebenskräftig. In diesem Zustande wurde die Pflanze
vom Winter betroffen und seiner ganzen Strenge ausgesetzt. Man möchte
nun wohl glauben, dass sie vernichtet werden musste, und dass besonders die
zarten, in der Entwickelung begriffenen Blüthentheile vom Frost zerstört und
ausser Stand gesetzt wurden, sich weiter zu entwickeln. Dies war aber nicht
der Fall. Als der Sommer 1879 begann, setzte die Pflanze ihre Ausbildung
von da an fort, wo sie zu Anfang des Winters unterbrochen worden war ; die
46
II. Die Wärme.
Blüthenknospen schlugen aus, und aus den Blattachseln der oberen frischen
Stengelblätter schössen neue frische Blüthenstände hervor."
Dass die vegetativen Organe noch viel tiefere Temperaturen als
die von Kjellmann beobachteten unbeschadet ertragen und dass entgegen
einer verbreiteten, aber durch nichts gestützten Vorstellung, der Baum-
wuchs durch lange andauernde strenge Wintertemperaturen keineswegs
ausgeschlossen ist, geht aus der Thatsache hervor, dass die kältesten
bekannten Orte der Erde sich im sibirischen Waldgebiete befinden.
Dahin gehören z. B. Jakutsk, wo das Thermometer nicht selten unter
— 62 ° fallt und das womöglich noch kältere Werchojansk, dessen Tem-
peraturverhältnisse in folgender Tabelle zusammengestellt sind:
Werchojansk (Sibirien).
67 ° 34r N. B., 1330 5if O. L., 107 m. ü. M.
Mittel
Mittlere Extreme
Dezember .... — 48.4
— 61.9 — 28.7
Januar . .
Februar
—51.5
— 46.2
—64.1 —31-5
—60.5 —24.3
März . .
April . .
— 35-2
-15.8
— 55-7 —16.6
—33-6 1.9
Mai . .
— 1.1
— 17.2 11. 9
Juni . .
Juli . .
August .
September
October
9.4
15.6
9.3
0.4
. — 18.1
— 0.7 22.4
5.0 29.8
0.4 30-1
— 10.3 12.4
—36.7 — 1.2
November
—39-7
—54.4 —14.0
Ueberhaupt ist, soweit bekannt, an keinem Punkte
der Erde die Temperatur so tief, dass ihr keine Pflanze
widerstehen könnte. Das angebliche gänzliche Fehlen jeder Land-
vegetation in den antarktischen Polargebieten ist nicht die Folge zu
grosser absoluter Kälte — denn so tief wie in der Nordpolarregion
fällt das Thermometer dort nicht — , sondern der beinahe constant
unter dem Minimum für nothwendige Functionen bleibenden niederen
Temperaturgrade.
Kjellmann ist es aufgefallen, dass Vorrichtungen, die als Schutz
gegen Kälte aufgefasst werden könnten, bei vielen polaren Gewächsen,
z. B. bei der soeben erwähnten Cochlearia fenestrata fehlen. Ueber-
haupt erschien ihm die polare Vegetation äusserlich nicht besser gegen
Kälteeinflüsse geschützt, als diejenige unserer Zonen. Wir können diese
Angabe dahin erweitern, dass für unsere gegenwärtigen Hülfs-
mittel erkennbare Schutzvorrichtungen gegen Kälte bei
Pflanzen nicht vorkommen. Die Fähigkeit, grosse Kälte zu er-
2. Die Nullpunkte des Pflanzenlebens. 47
tragen, ist eine specifische Eigenschaft des Protoplasma gewisser Pflanzen
und in keiner Weise durch äussere, d. h. ausserhalb der Plasmamicellen
gelegene Schutzmittel unterstützt.
Man kann sich auch bei uns von dem Fehlen des äusseren Kälte-
schutzes überzeugen; dazu genügt bei Frostwetter ein Blick auf jede
Wiese, auf jedes Feld. Da findet man hartgefroren und brüchig wie
Glas solche zarte Pflanzen wie Bellis perennis, Stellaria media etc. Diese
Pflanzen sind der Unbill der Witterung gleichsam nackt ausgesetzt,
durch keinen Haarpelz, durch keine Korkhülle, nicht einmal durch eine
dicke Cuticula gegen die Angriffe des Frostes geschützt. Thaut es auf,
so setzen die Pflanzen ihre vegetative Thätigkeit ungestört fort. Sie
sind gegen Kältegrade, wie sie bei uns vorkommen, unempfindlich.
Dagegen sind manchen Holzgewächsen Schutzmittel gegen Kälte
zugeschrieben worden. Knospenschuppen , Korküberzüge , die dicke
Cuticula immergrüner Blätter, wurden als solche früher beansprucht.
Thatsächlich handelt es sich nur, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde,
um Schutzmittel gegen Trockenheit. Ein kalter Boden, namentlich
aber ein gefrorener, ist, wie wir bereits wissen, physiologisch ein
trockener Boden, so dass das in einem solchen wurzelnde Gewächs der
Schutzmittel gegen Transpiration bedarf. Seichtwurzelnde niedrige
Kräuter, die ungefähr denselben Temperaturschwankungen wie der
Boden unterworfen sind, sind unter solchen Umständen der Gefahr der
Austrocknung weniger ausgesetzt, als tiefwurzelnde hohe Holzpflanzen,
und daher relativ ungeschützt.
Mehrfach ist die Ansicht ausgesprochen worden, dass fettes Oel in ge-
wissen Fällen als Schutzmittel gegen Kälte aufzufassen sei. So ist die noch
zu besprechende Erscheinung der winterlichen Umwandlung von Stärke in
Oel bei nordischen Baumarten verbreiteter als bei Bäumen, die mehr kälte-
empfindlich sind (A. Fischer). Auch sollen im gequollenen Zustande ölreiche
Samen tieferen Temperaturen besser widerstehen als ölarme. Es handelt sich
jedoch in solchen Fällen nur um Vermuthungen , wdche der experimentellen
Grundlage entbehren und gegen welche andere Erscheinungen zu sprechen
scheinen.
§ 2. Obere Nullpunkte des Pflanzenlebens. Die Widerstands-
fähigkeit der Pflanze gegen Hitze ist wie diejenige gegen Kälte specifisch
verschieden, jedoch weniger ungleich gross.
Einige Gewächse und Gewächstheile zeichnen sich allerdings durch
eine ausserordentliche Widerstandskraft gegen hohe Wärmegrade
aus, die sich, wie diejenige gegen Kältegrade, häufig mit der Fähigkeit
Austrocknen zu ertragen, gepaart zeigt. So ist zum Abtödten der
Dauersporen der Spaltpilze ein längeres Erwärmen auf 1300 C. noth-
wendig. Lufttrockene Hefe wird erst bei 115 — 1200 getödtet. Luft-
trockene Samen verlieren oft bereits bei 75 ° C. ihre Keimkraft, während
48
II. Die Wärme.
sie im vollkommen trockenen Zustande ioo°, vorübergehend sogar
i2O0 C. ertragen.
Die activen, wasserreichen Zustände der Vegetation sind meist mit
weit geringerer Widerstandskraft gegen Hitze verbunden, als die ruhen-
den, wasserarmen. Die höchsten Hitzegrade ertragen wiederum die
Bacterien,1) namentlich der Milzbrandbacillus, der sogar nach längerer
Erwärmung auf 75 — 80 ° C. seine infectiösen Eigenschaften nicht ein-
büsst, während allerdings viele andere vegetativen Bacterienformen durch
längere Erhitzung auf 45 — 50 ° C. getödtet werden. Die vegetativen
Zustände der Gefasskryptogamen gehen, nach den übereinstimmenden
Versuchen von Sachs und H. de Vries bei einer Temperatur von
50 — 5 1 ° in kurzer Zeit zu Grunde ; Jumelle fand, dass seine Versuchs-
objecte (Cocos Weddelliana, Begonia tuberosa, Pelargonium zonale)
einen langen Aufenthalt in einer Temperatur von 35 ° C. unbeschadet
ertrugen, während eine Erhöhung derselben auf 400 nach einigen Tagen,
eine solche auf 45 ° nach wenigen Stunden tödtlich wirkte.
Die Versuche von Sachs mit Nicotiana rustica, Cucurbita Pepo, Zea Mays,
Mimosa pudica, Tropaeolum majus, Brassica Napus, vorwiegend also mit
Gewächsen aus den wärmeren Zonen, führten zu dem Resultat, dass keine
dieser Pflanzen eine Temperatur von mehr als 5 1 ° C. in Luft auch nur
10 Minuten lang ohne starke Beschädigung oder völlige Tödtung erträgt,
während sie Temperaturen zwischen 49 — 51 ° binnen 10 und selbst mehr
Minuten ertragen. Dagegen werden die Organe, welche die letztgenannten
Temperaturen in der Luft überdauert haben, durch Berührung mit Wasser
von derselben Wärme schon binnen 10 Minuten getödtet; der höchste er-
trägliche Temperaturgrad liegt also im Wasser für gleiche Organe niedriger
als in der Luft.2)
Stellen wir den Ergebnissen des Versuchs die Verhältnisse in der
Natur entgegen, so finden wir nur an wenigen Punkten von sehr ge-
ringer Ausdehnung, wie die Kratere und Fumarolen thätiger Vulkane,
Fehlen jeden Pflanzenlebens in Folge zu hoher Temperatur.
Bacterien und Spaltalgen sind unter allen Wassergewächsen die
resistentesten und auch die in Thermen zuerst auftretenden. In einer
warmen Quelle bei Las Trincheras in Venezuela, die bei ihrem Ur-
sprung eine Wärme von 85 — 93 ° besitzt, sollen Spaltalgen bei einer
Temperatur von über 80 ° gedeihen. Dagegen treten sie in euro-
päischen Thermen erst bei stärkerer Abkühlung auf, in den Carlsbader
Thermen, nach Agardh und Pfeffer, erst wo die Temperatur auf 57 ° ge-
sunken ist, nach Hoppe -Seyler am Rande von Fumarolen in Wasser-
dampf von ca. 60 ° C. Ich selber sah auf Java, am Rande von Fuma-
rolen, auch höhere Gewächse, wie Rhododendron javanicum, in heissen
*) Rabinowitsch 1. c.
*) Abhandl. L S. 216.
2. Die Nullpunkte des Pflanzenlebens. # aq
Dämpfen üppig gedeihen ; jedoch kann ich über die dort herrschenden
unzweifelhaft sehr hohen Temperaturen nichts genaues angeben.
Die Temperatur der oberflächlichen Schichten des Bodens erreicht
in Wüsten, unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen, eine Höhe, welche
der oberen Grenze jedes Pflanzenlebens nahekommt und nur noch von
den wasserarmen Pflanzentheilen ertragen wird. So sagt Kerner:
„Die Krustenflechten, welche an den Kalkfelsen auf den schatten-
losen Einöden des Karstes in Istrien und Dalmatien haften, sind an
wolkenlosen Tagen im Sommer mehrere Stunden lang regelmässig
einer Temperatur von 58 ° — 6o° C. ausgesetzt, ohne dadurch Schaden
zu leiden und die Mannaflechte (Lecanora esculenta) wird so wie das
Gestein, dem sie in der Wüste aufgelagert ist, oft genug auf 70 ° C.
erhitzt, ohne zu verderben. Auch die Samen, welche oberflächlich
dem Wüstensande eingelagert sind und hier die lange Zeit der Dürre
überdauern, nehmen ohne Zweifel die Temperaturen ihrer Umgebung
an. Diese beträgt am Nachmittage regelmässig 60 ° — 70 ° G Die
höchste Temperatur in der oberflächlichen Bodenschicht wurde nahe
dem Aequator auf der Station Chinchoxo an der Loangoküste be-
obachtet. Dieselbe überstieg in sehr zahlreichen Fällen 750, erreichte
oft 80 ° und einmal sogar 84 °. Auch diesem Boden fehlte es in der
Regenzeit nicht an einjährigen Gewächsen." Pechuel-Lösche fand 69 °
im Sande des Meeresstrandes der Loangoküste, neben einer blüthen-
reichen Ipomoea1).
Auch in der Luft sind in Gegenden, die der Vegetation keineswegs
entbehren, Temperaturen beobachtet worden, die denjenigen der Thermen
nur wenig nachstehen. So sind die absoluten Maxima in Blanford's
Meteorology of India 1879 (Calcutta 1881) für Calcutta 41,1° C, Benares
47,8°, Lahore 50,9°, Multan 52,8°. Wie Hann, dessen Meteorologie diese
Angaben entnommen sind, hinzufügt, sind Lufttemperaturen von 500 C.
nicht so selten imPanjab, selbst bei guter Aufstellung des Thermometers2).
Bei solcher Schattentemperatur der Luft werden die den Sonnen-
strahlen ausgesetzten Pflanzentheile eine Erhitzung auf 60 ° bis 70 ° C.
zu ertragen haben, also eine weit beträchtlichere, als der in den
bisherigen Versuchen beobachtete obere Nullpunkt. So beobachtete
Askenasy bei einer Schattentemperatur von 28 ° C. eine Erhitzung der
Blätter von Sempervivum alpinum in der Sonne auf 52 ° C. Derartige
Temperaturunterschiede zwischen Sonne und Schatten werden allerdings
nur von Fettpflanzen aufgewiesen, denn derselbe Beobachter fand die
gleichzeitig insolirten Blätter vonGentiana cruciata nur auf 3 5°C. erwärmt.
Vorbehaltlich weiterer Untersuchungen scheint aus dem Vorher-
J) l. c. s. 65.
*) Hann, Handb. 1. A. p. 265.
Schimper, Pflanzengeographie.
50
H. Die Wärme.
gehenden hervorzugehen, dass das Vermögen, hohe Temperaturen zu
ertragen, ähnlich wie die Widerstandsfähigkeit gegen Kälte, bei den
einzelnen Arten ungleicher ist, als gewöhnlich angenommen. Die von
Sachs festgestellten Maximaltemperaturen dürften für die Pflanzen extremer
Klimate keine Geltung haben.
Schutzmittel gegen übermässige Erhitzung sind bei den Pflanzen
bis jetzt ebenso wenig nachgewiesen worden, als solche gegen Er-
kaltung. Die oberirdischen Theile der Pflanzen sehr heisser Gebiete
sind in den meisten Fällen, wegen der Gefahr des Vertrocknens, gegen
Transpiration geschützt und dadurch des wichtigsten Mittels der Ab-
kühlung beraubt, wie namentlich die hohen Temperaturen besonnter
Succulenten zeigen. Viele Pflanzen entziehen sich allerdings den schäd-
lichen Wirkungen solcher Wärmegrade dadurch, dass sie zur Zeit ihrer
Herrschaft nur ein unterirdisches Leben fuhren. Dieses gilt aber
keineswegs von allen Pflanzenarten.
3. Die Cardinalgrade der pflanzlichen Functionen.
Das Leben der Pflanze setzt sich aus Tausenden von Einzelvorgängen
zusammen, deren jeder sich innerhalb anderer Temperaturgrenzen ab-
spielt, und bei einem anderen Temperaturgrade sein Optimum aufweist.
An den meisten Standorten — mit Ausnahme der dem Pflanzenleben
überhaupt sehr ungünstigen — können sich nur solche Pflanzen
im Kampfe um das Dasein behaupten, die sich in einem den
äusseren Bedingungen entsprechenden Gleichgewicht ihrer Functionen,
dem ökologischen Optimum, befindet. Dieses Gesammtoptimum
setzt sich nicht aus den Einzeloptima sämmtlicher Functionen zusammen;
manche Functionen sind vielmehr, wenn sie sehr intensiv vor sich
gehen, wie Athmung oder Transpiration, der Pflanze schädlich. Es
ist für jede Function zwischen dem absoluten Optimum, welches
der höchsten Intensität einer Function und dem harmonischen
Optimum, welches der günstigsten Intensität derselben entspricht, zu
unterscheiden. Das ökologische Optimum ist die Gesammt-
heit der harmonischen Optima.
Die Kenntniss der Grenztemperaturen einer Function ist pflanzen-
geographisch wichtiger als diejenige ihres oft schwer zu ermittelnden
und für die natürlichen Existenzbedingungen oft ziemlich belanglosen
absoluten Optimums. Das Letztere hat nur da pflanzengeographische
Bedeutung, wo es mit dem harmonischen Optimum nahe zusammen-
fällt, z. B. für die Assimilation und andere Vorgänge der Ernährung.
Die entsprechenden Cardinalpunkte , namentlich aber die Optima
der einzelnen Functionen weichen bei Pflanzen gleichmässiger Klimate
3. Die Cardinalgrade der pflanzlichen Functionen. c\
nur um wenige Grade oder Theile von Graden von einander, wäh-
rend sie in Gebieten mit extremen Temperaturen grosse Abweichungen
von einander zeigen können. Ja, es kommt in solchen Klimaten vor,
dass die Temperaturcurven bestimmter Functionen diejenigen anderer
nicht berühren. Schon längst hat sich die Praxis dieser von den Phäno-
logen ignorirten Thatsachen bemächtigt und zieht Tropenpflanzen bei
gleichmässig hohen, temperirte Pflanzen bei abwechselnd hohen und
niedrigen Wärmegraden.
Das ökologische Temperatur-Optimum verbleibt nicht
während der ganzen Entwickelung einer Pflanze — we-
nigstens in temperirten Ländern — auf gleicher Höhe,
sondern weist, wie aus Sachs' Versuchen hervorgeht, mit
fortschreitender Entwickelung eine Steigerung, so dass
z. B. die Temperatur, welche für die Vorgänge der Kei-
mung am günstigsten ist, das Optimum späterer Funk-
tionen nicht erreicht. Es ist jedoch, wie das Forciren der Obst-
bäume lehrt, nicht eine gleichmässige , sondern eine oscillirende Stei-
gerung anzunehmen. Das harmonische Temperaturoptimum der auf-
einander folgenden Entwickelungsstadien liegt abwechselnd höher und
tiefer, allerdings derart, dass die Gesammtcurve eine ausgeprägte Stei-
gerung zeigt. Sehr instructiv ist in dieser Hinsicht folgende, von dem
Züchter Pynaert aufgestellte Tabelle der günstigsten Temperaturen (öko-
logisches Temperaturoptimum) zum Förciren des Pfirsichbaumes:
Periode Tagestemperatur Nachttemperatur
i. Woche 9— io° C. 5—7 C.
2. Woche 10 — 12 7 — 7
3. Woche 12 — 15 9 — 11
Bis zur Blüthe 15 — 18 11 — 14
Blüthezeit 8— 12 I 6 — 10!
Nach der Blüthe 15 — 18 11 — 14
Während der Entwickelung des Steines . 12 — 15! 9 — 11!
Nach der Entwickelung des Steines . . 16 — 19 12 — 15
Reifeperiode 20 — 22 15 — 17.
Bis jetzt wurden nur wenige befriedigende Versuche gemacht, die
Cardinalpunkte der einzelnen Functionen aufzustellen. Die eingehendsten
der vorliegenden Untersuchungen beziehen sich auf die Keimung, also
auf einen Vorgang, der sich aus verschiedenen Einzelvorgängen zu-
sammensetzt, wie Quellung, Fermentwirkungen, Fortleitung der Bau-
stoffe, Energieerzeugung, Zelltheilung, Zellstreckung etc., von welchen
jeder seine eigenen Cardinalpunkte besitzt. Die für die Keimung ge-
wonnenen Daten sind daher, rein physiologisch betrachtet, nicht sehr
hoch zu schätzen, während diese Complexität ihre Bedeutung für Oeko-
5 2 H. Die Wärme.
logie und Pflanzengeographie, die sich in erster Linie um das ökologische
Optimum zu kümmern haben, nicht beeinträchtigt. Als Beispiel möge
folgende, von Detmer1) zusammengestellte Tabelle, hier reproducirt
werden.
Minimum Optimum
Maximum
Pinus silvestris . .
. . 7—8 27
34
Triticum vulgare .
. . 5 (zu hoch) 28,7
42,5
Zea Mais . . .
• • 9>5 33,7
46,2
Alnus glutinosa
. . 7—8 24
36
Lepidium sativum
. . 1 ,8 (zu hoch) 2 1
28
Linum usitatissimum
. . . 1,8 21
28
Phaseolus multiflorus
• • • 9,5 33,7
46,2
Gleditschia triacanthos . . 9 28
3*
Cucurbita Pepo
• • .13,7 33,7
46,2.
Die Tabelle zeigt sehr deutlich, dass die Cardinalpunkte der Keimung
für die Pflanzen wärmerer Länder höher liegen, als für solche kalter.
Doch sind die Zahlen theilweise zu hoch gegriffen und geben noch
keineswegs eine richtige Vorstellung der grossen Ungleichheit der für
die Keimung nützlichen Temperaturen in verschiedenen Klimaten, indem
sie einerseits die rein tropischen Gewächse nicht berücksichtigt, anderer-
seits für temperirte Pflanzen theilweise zu hohe Minima aufweist. In-
structiver sind in Bezug auf die Minima die von F. Haberlandt be-
stimmten Grade. Zwischen o° und 1° C. zeigten in Versuchen dieses
Forschers nicht nur Keimung, sondern auch bedeutende Weiterent-
wickelung: Sinapis alba, Camelina dentata, Trifolium hybridum, Medi-
cago sativa. Von Pflanzen wärmerer Zonen keimten zwischen 1 1 ° und
160 C. : Solanum Melongena, Nicotiana Tabacum, Cucurbita Pepo, da-
gegen erst über 16 ° C. : Cucumis sativus, C. Melo, Theobroma Cacao.
Uloth beobachtete eine allerdings sehr verzögerte Keimung bei o° für
verschiedene Gräser, Cruciferen, Papilionaceen. Kerner stellte Glas-
röhren mit Erde und Samen in eine Quelle, deren Temperatur constant
-j-20 blieb, und fand, dass zahlreiche alpine Pflanzen noch bei dieser
Temperatur keimten.
Das Wachsthum ist an ähnliche Temperaturbedingungen wie
die theilweise aus Wachsthumsvorgängen bestehende Keimung ge-
bunden. Es giebt einige Pflanzen in alpinen Höhen, namentlich aber
in den Polargebieten, die bei Temperaturen in der Nähe des Gefrier-
punktes bedeutendes Wachsthum aufweisen. So durchbricht die Blüthe
von Soldanella alpina den Schnee und die Blüthen von Anemone
vernalis, Crocus vernus und anderen Arten schienen mir beinahe ebenso
genügsam zu sein , da ich sie in halbgeschmolzenem Schnee fand ;
*) Lehrb. d. Pflanzenphysiol. S. 269.
3- Die Cardinalgrade der pflanzlichen Functionen. es
durch direkte Bestrahlung dürfte, auch durch dünne Schneeschichten hin-
durch, eine höhere Temperatur als o° in solchen Fällen immerhin er-
reicht werden. Merkwürdiger noch sind die Tange der arktischen
Meere, welche in einem Wasser, das auch im Sommer nur wenig über
o ° erwärmt wird, bis 20 ' lang werden, im Winter aber, bei einer Tem-
peratur von höchstens — i° C. ihre Geschlechtsorgane ausbilden. Zu
den schon bei sehr niedriger Temperatur wachsenden Pflanzen gehören
auch die namentlich von Wittrock eingehender studirten niederen Ge-
wächse der Schnee- und Eisflora.
Assimilation und Athmung sind weit weniger complexe und daher
bei verschiedenartigen Pflanzen viel eher vergleichbare Functionen als
Keimung und Wachsthum, so dass das geringe Interesse, das bis jetzt
namentlich den Temperaturen der Assimilation gewidmet worden ist,
wunderlich erscheint. Von grossem Interesse ist die mit Sicherheit
festgestellte Thatsache, dass die beiden Formen des Gasaustausches
auffallend ungleiche Temperaturcurven aufweisen. Der untere Null-
punkt der Assimilation liegt tiefer als derjenige irgend einer anderen
Function der Pflanze. So konnte Jumelle bei Abies excelsa, Juniperus
communis und Evernia prunastri eine deutliche, wenn auch schwache
Assimilation noch bei — 40 ° beobachten; Boussingault und Kreusler
hatten eine solche bereits in der Umgebung von o° nachgewiesen.
Nach den wenigen vorliegenden Beobachtungen liegt das Maximum
etwas unterhalb der Tödtungstemperatur , das Optimum aber beträcht-
lich tiefer. So sind die betreffenden Cardinalpunkte bei Hottonia nach
Heinrich ca. 31 ° und 56° C. , während, nach Böhm, das Optimum bei
der Wallnuss ungefähr bei 30 ° C. liegen dürfte.
Eine merkliche Athmung konnte Jumelle bei Fichte, Wachholder
und Evernia prunastri unterhalb — 10 ° nicht mehr beobachten, während
dieselben Pflanzen noch bei beträchtlich tieferer Temperatur deutlich
assimilirten. Dagegen steigt die Athmung proportional der Temperatur
bis nahezu zur oberen Lebensgrenze.
So fand z. B. Rischawi bei Weizenkeimlingen folgende Mengen Kohlen-
säure bei Temperaturen von:
5° C. = 3,30 mgr
io° C. = 5,28 „
250 C. = 17,82 „
350 C. = 28,38 „
4O0 C. = 37,60 „
•
Für die bisher besprochenen Functionen und Com-
plexe von Functionen liegen die Optima bei hohen Tem-
peraturen. Es fehlt aber nicht an physiologischen Vor-
gängen, bei welchen nicht bloss die Optima, sondern
54
n. Die Wärme.
auch die oberen Nullpunkte sehr tief liegen, so dass sie
sich in der Regel nur im Winter, bezw. im Spätherbst und ersten Früh-
jahr abspielen können. Selbstverständlich handelt es sich da nur um
Pflanzen mittlerer und hoher Zonen, während Tropengewächse aus-
schliesslich hochgelegene Cardinalgrade besitzen.
Zu der Categorie von Functionen, die sich nur bei niederen Tem-
peraturen abspielen, gehören u. A. die wenig bekannten, nach der
Annahme von Sachs anscheinend fermentativen Vorgänge, durch welche
die in Winterruhe befindlichen Pflanzenglieder zu activem Leben zurück-
geführt werden, wie z. B. die Umwandlung von Stärke in fettes Oel
und umgekehrt. Das Kapitel über die periodischen Erscheinungen in
den temperirten Zonen wird eine ausfuhrliche Darstellung des darüber
Bekannten bringen. In ähnlicher Weise wird die Keimfähigkeit gewisser
Pilzsporen durch Abkühlung bis in die Nähe des Nullpunktes auffallend
gefördert (Eriksson) ; ähnliches soll, nach Fr. Haberlandt, von der mehr-
tägigen Abkühlung gequollener Leinsamen gelten.
Gewisse Reizbewegungen werden durch niedere Temperaturen aus-
gelöst, so solche der Chlorophyllkörner. Die Nadeln gewisser Pinus-
Arten drücken sich bei tiefer Temperatur an die Axen an. Manche
Stoffe werden in der Kälte erzeugt, so die rothen Oeltröpfchen, welche
die winterliche Braunförbung vieler Coniferen bedingen. Die Aufzählung
der nur bei niederen Temperaturen sich abspielenden Functionen der
Pflanze könnte noch erheblich vermehrt werden. Jedoch soll nur noch
eine derselben , wegen ihrer hervorragenden pflanzengeographischen
Bedeutung, hier erwähnt werden, nämlich der fördernde Einfluss
niederer Temperaturen auf die Geschlechtsorgane und
auf die damit ökologisch verbundenen Glieder (Blüthen-
hüllen, Inflorescenzaxen) bei vielen Gewächsen der tem-
perirten und kalten Zonen.
Die Cardinalgrade für das Wachsthum — und vielleicht für die
Entstehung — der Blüthenanlage liegen vielfach viel tiefer, als für das
Wachsthum vegetativer Sprosse, so dass erstere bei relativ niedriger,
letztere bei hoher Temperatur in der Entwickelung gefördert werden.
So ist es eine bekannte Thatsache, dass Crocus, Hyacinthus und andere
Stauden bei hoher Temperatur ihre Blüthen bezw. Blüthenstände nicht
strecken, dagegen üppig ins Kraut schiessen. Auch bei der forcirten
Cultur von Obstbäumen wird vor und namentlich während der Blüthe-
periode die Temperatur massig gehalten. Aus demselben Grunde
kommen viele Pflanzen der temperirten Zonen in den Tropen nur selten
zur Blüthe, z. B. die meisten unserer Obstbäume. Fritz Müller be-
obachtete in Blumenau bei verschiedenen europäischen Kräutern nie,
oder beinahe nie Blüthen, so bei Carum Carvi, Kohl, Rüben, Petersilie,
Sellerie. Echium vulgare blühte in seinem Garten ein einziges Mal,
3« Die Akklimatisation. 55
nach einem ausnehmend kalten Winter. Kurz fand in den Gebirgen
Birmah's, dass die Abkühlung bei zunehmender Höhe ü. M. , eine
Beschleunigung der Blüthenentfaltung bei temperirten Pflanzenformen
(Rhododendron, Gentiana), eine Verzögerung bei tropischen Formen
bedingte. Dass die Tange in den arktischen Meeren im Winter fructifi-
ciren, wurde bereits erwähnt. Derartige Einzelbeobachtungen könnten
noch mehr gebracht werden. Dagegen fehlt es über diese für die
Pflanzengeographie überaus wichtige Frage noch ganz an consequent
durchgeführten umfassenden Versuchen.
4. Die Akklimatisation.
Die absoluten Grenztemperaturen des Pflanzenlebens sind für die
einzelnen Arten constant, dagegen sind die Cardinalgrade der ein-
zelnen Functionen nach den klimatischen Bedingungen
wechselnd; sie sind einer begrenzten Verschiebung nach oben und nach
unten fähig, so dass eine in ein anderes Wärmeklima verpflanzte Pflanze
sich, wenn letzteres nicht zu verschieden, sich oft den neuen Bedingungen
der Temperatur anzupassen, sich zu akklimatisiren vermag. Die
Fähigkeit der Akklimatisation ist specifisch durchaus verschieden; bei
einzelnen Arten erscheint sie unter natürlichen Bedingungen unbegrenzt,
während sie bei anderen nur zwischen sehr engen Schranken stattfindet.
Vollkommene Akklimatisation ist nur dann möglich, wenn sämmt-
liche Cardinalgrade sich entsprechend den neuen Temperaturen ändern.
Findet letzteres bei einzelnen Functionen nicht oder ungenügend statt,
so erstreckt sich die Akklimatisation nur auf bestimmte Vorgänge und
die Pflanze ist entweder nicht lebensfähig oder vollzieht nicht ihre ganze
Entwickelung. Bereits wurde erwähnt, dass viele temperirte Cultur-
pflanzen in den Tropen vegetativ vortrefflich gedeihen, während sie nur
selten blühen; in solchen Fällen sind die Cardinalpunkte für das Wachs-
thum der Blüthen, vielleicht auch für ihre Anlage, nicht oder doch nicht
genug in die Höhe gestiegen. Auf der anderen Seite kommen manche
Gewächse der warmen Zonen in den kühlen nicht zur Blüthe oder
nicht zur Frucht, weil das Temperaturminimum ihrer Erzeugung nicht
erreicht wird.
Eine Pflanze kann in der Cultur und, wie Befunde in Polarländern
und den Alpen zeigen, im Falle reichlicher vegetativer Vermehrung,
auch im wilden Zustande existiren, ohne Samen zu bilden. Werden
dagegen die Cardinalpunkte für solche unbedingt nothwendige Functionen
wie Keimung, Wachsthum, Ernährung etc. in einem neuen Klima nicht
entsprechend nach unten oder nach oben geschoben, so ist die Fort-
existenz der Pflanze selbstverständlich ausgeschlossen.
56 II. Die Wärme.
Vergleicht man Individuen der selben Art in ungleich warmen
Klimaten, so überzeugt man sich leicht, dass bestimmte Functionen
im wärmeren Klima an höhere Temperaturen gebunden sind, als im
kälteren. Die Cardinalpunkte der Temperatur sind also nicht überall
die gleichen. Der Unterschied ist zunächst erblich, so dass z. B. Samen
aus einem kalten Gebiet in einem wärmeren einige Jahre lang bei
tieferen Temperaturen keimen, als solche derselben Art, die in diesem*
wärmeren Gebiete entstanden sind und die daraus sich entwickelnden
Pflanzen wachsen rascher. Bald jedoch ist in Folge allmählicher Schie-
bung der Cardinalgrade nach oben der Unterschied verschwunden. Das
Umgekehrte geschieht beim Uebergang aus einem wärmeren Gebiet in
kältere Gebiete.
„Im Jahre 1852 wurde der Hühnermais (von Hohenheim bei Stuttgart)
ausgesäet und geerntet am 22. September, also nach Verlauf von 120 Tagen
. . . Nach und nach reifte dieser Mais immer früher und früher, so zwar, dass
derselbe 1857 nach 90 Tagen geerntet wurde. Samen desselben Mais von
Breslau in demselben Samen und in demselben Beete gesäet, brauchte
122 Tage."1)
Zweige von Holzgewächsen zeigen das gleiche Verhalten wie Samen.
A. de Candolle trieb Zweige von Populus alba, Carpinus Betulus, Catalpa
bignoniaefolia und Liriodendron Tulipifera, die sich theils in Montpellier,
theils in Genf entwickelt hatten , vom 4. Februar an in einem Räume,
dessen Temperatur während der Dauer des Versuches zwischen -f~7°
und + 10 ° schwankte. Die Genfer Zweige entwickelten ihre Laub-
knospen früher als die aus Montpellier stammenden.
Durch solche Beobachtungen ist das Vorhandensein einer begrenzten
Akklimatisation mit Sicherheit nachgewiesen worden. Weiteren, exacteren
Untersuchungen bleibt es vorbehalten, die Weite der möglichen Oscilla-
tion der einzelnen Cardinalpunkte zu bestimmen.
H. Mayr hat über die Akklimatisation forstlich wichtiger Bäume in
Europa, Nordamerika und Japan Erfahrungen gesammelt, welche allgemeines
Interesse für die Frage der Naturalisation im Allgemeinen beanspruchen dürfen.
Danach befinden sich die meisten Holzarten sehr wohl, wenn sie in ein
wenig wärmeres Klima versetzt werden, als die Heimat bietet.
„Laubhölzer adaptiren sich leicht an ein wärmeres Klima durch Ver-
längerung ihres ganzen Entwickelungsganges ; unsere einheimische Eiche
(Quercus pedunculata) aus ihrer gemässigt warmen Heimat in das klimatisch
unmittelbar sich anreihende Gebiet der subtropischen Zone gebracht, z. B.
in Kalifornien, ist in der ersten Zeit sehr rasch wüchsig, erreicht in gleicher
klimatischer Zone Australiens in 9 Jahren 7 m Höhe. Die japanischen
Kohlholzeichen (Quercus glandulifera und serrata) bewirthschaftet man in
*) Schübeier 1. c. S. 80. — Viele FäUe beschleunigter oder verlangsamter Entwicke-
lung bei H. Hoffmann.
4. Die Akklimatisation. 57
grossem Massstabe in der subtropischen Zone Japans als Niederwald, wo sie
schon mit 8 Jahren so stark sind wie mit 15 Jahren in ihrer eigentlichen
Heimath, die Paulownia imperialis im warmen blattwerfenden Laubwalde der
Gebirge Japans in seltenen Exemplaren wild wachsend, wird des Holzes wegen
in der subtropischen Zone cultivirt, wo sie bei ganz ausserordentlich raschem
Wachsthum ein sehr leichtes Holz producirt, das sich nicht wirft und nicht
schwindet. Der Baum rentirt dort seine Cultur besser als in der Heimath,
aber mit 20 Jahren ist er bereits erschöpft, wird hohl und stirbt ab, während
in der Heimath bis vor kurzer Zeit noch Bäume mit 6 — 7' Umfang und 48'
bis zu den Aesten nicht selten waren."
„Eben desshalb zeigen auch Pflanzen aus den Subtropen in die Tropen
versetzt, eine gesteigerte Wachsthumsenergie in den ersten Jahrzehnten. Der
japanische Kampherbaum z. B. gehört der subtropischen Zone der Immer-
grünen an* in den Tropen Indiens und Java's wächst er ausserordentlich
rasch, seine Wuchskraft zertheilt den Schaft in zahllose kräftige Aeste, wodurch
der Baum kaum mehr seinen Ahnen gleicht Dass durch dieses beschleunigte
Wachsthum in der Jugend ein früherer Verbrauch der Vitalität, ein früherer
natürlicher Tod eintreten wird, ist sehr wahrscheinlich : denn alle in derartige
Verhältnisse gebrachte Holzarten kennzeichnet ein auffallend frühzeitiges und
überreiches Samenerträgniss. Wird bei dem Anbaue einer Holzart eine
Vegetationszone ganz übersprungen, so wachsen die blattabwerfenden Laub-
hölzer, in die Tropen gebracht, nach den in Indien und Java gemachten Er-
fahrungen, so kümmerlich, dass man sie nicht anbaufähig nennen kann.1)
Nadelhölzer scheinen sich nach Mayr dem geänderten Klima schwieriger
anzupassen als Laubhölzer. So sind die Nadelhölzer der kühlen Region, die
Tannen, Fichten und Lärchen, europäische wie japanische, in der subtropischen
Region so kümmerlich, vielgipfelig und in die Aeste fahrend, dass sie dort
kaum als anbaufähig gelten können."
„Das Verpflanzen aus der wärmeren in die kühlere Zone gibt im All-
gemeinen ungünstige Resultate: Alle Holzarten verlieren, wenn sie aus ihrer
Heimath (Verbreitungsgebiet) in eine kühlere Region versetzt werden, ihre
Wichtigkeit als Culturgewächse , wenigstens vom forstlichen Standpunkte aus
wegen Beschädigungen aller Axt, Mangel oder Seltenheit an reifen Früchten,
geringwertige Holzproduktion und dergleichen."
„An der warmen subtropischen Küste Südcaliforniens können alle Arten
von Palmen und Bäumen aus der tropischen Region cultiviert werden, aber
nur zu dekorativen Zwecken, denn sie zeitigen keine Früchte . . ."
„Bei dieser Uebertragung in kühleres Klima begegnet man oft merk-
würdigen Erscheinungen; Holzarten werden frostempfindlich, von denen man
es nach ihrer einheimischen Lage nicht erwarten sollte ; andere erweisen sich
als frosthart, die in ihrer Heimath, so lange sie existiren, keine Gelegenheit
gehabt, sich gegen Frost zu feien . . ."
„Bekanntlich sind alle Pflanzen gegen Frost während der Winterruhe viel
weniger empfindlich, als während der Vegetationszeit im Frühjahre und Herbst ;
*) Vgl. darüber auch in diesem Buche: Theil HI, Abschnitt I, Kap. II: Die periodi-
schen Erscheinungen in den Tropen.
5 8 n. Die Wärme.
wie schwierig es für eine Pflanze ist, sich an kühleres Klima anzupassen,
geht aus dem Verhalten gegen Spät- und Frühfrost hervor; den Beginn der
Entwicklung hinauszuschieben oder die Beendigung derselben zu beschleunigen,
mit anderen Worten frosthart zu werden, scheint für viele Arten geradezu un-
möglich. Die Gleditschie und Robinie sind in den südlichen atlantischen
Staaten zu Hause, einem Gebiete, das hinsichtlich der Wärme im Sommer und
Winter, die Dauer der Vegetationszeit unserer wärmsten Weinlande übertrifft;
beide Bäume werden weit über ihren Verbreitungsbezirk hinaus in Amerika,
Europa und Asien cultivirt; aber während der langen Cultur hat sich keine
Rasse gebildet, die durch eine Verkürzung der Vegetationszeit gegen Früh-
fröste gesichert wäre; dabei stammt bekanntlich der Same der Robinie stets
von Exemplaren, die bereits im kühleren Klima erwachsen sind; die Säm-
linge behalten die Eigenschaften der Mutter unverändert bei . . ." (I. a S.
365—368).
Auswahl der Literatur.
1. Allgemeines.
Ueber Phänologie vgl. das Capitel über Periodische Erscheinungen
in den temperirten Zonen. IQ. Theil. 2. Abschnitt dieses Werkes. Eine
Zusammenstellung der Litteratur für Mitteleuropa in: Drude. Deutschlands
Pflanzengeographie, in welchem Werke die phänologischen Anschauungen ein-
gehend und übersichtlich zusammengestellt sind. Auch: Hof&nann, H. Phäno-
logische Untersuchungen. Giessener Universitätsprogramm. 1887.
Berggren, S. Musci et Hepaticae spetsbergenses K. sv. Vet Aka<L
Handl. XIII. 7. 1875.
Kihlman. Pflanzenbiologische Studien aus Russisch Lappland. 1890.
L i n d b e r g. S. O. Förteckning öfver Mossor, insamlade under de svenska
expeditionerna tili Spitzbergen 1858 och 1861. Öfv. K. sv. Vet. AkacL
förh. 1862.
Warming, E. Om Grönlands Vegetation. Medddelelser om Grönland.
Kjöbenhavn. 1888.
2. Nullpunkte des Pflanaenlebena.
Askenasy, E. Ueber die Temperatur, welche Pflanzen im Sonnenlicht an-
nehmen. Botanische Zeitung. 1875.
Boussingault. Annales des sciences naturelles. Ve serie. Bd. 10. 1869.
De Candolle, C. et R. Pictet in Archives des sciences physiques et
naturelles de Geneve. III« se'rie. Bd. 2. S. 629.
Cohn, F. Ueber die Flora heisser Thermen. Flora 1862.
Detmer, W. I. Ueber die Einwirkung niederer Temperaturen auf die
Pflanze. Forschungen zur Agriculturphysik. 1888.
— II. Beobachtungen über die normale Athmung der Pflanzen. Berichte der
deutsch, botan. Gesellsch. Bd. X. 1892.
Auswahl der Literatur. 59
Göppert. Ref. in Botan. Jahresb. 1873. S. 263.
Hoppe-Seyler, F. Pflüger's Archiv für die gesammte Physiologie.
Bd. 11. 1875.
Kerner, A. v. Botanische Zeitung. 1873.
Kjellman, F. K. Aus dem Leben der Polarpflanzen in: Nordenskjöld,
Studien und Forschungen, veranlasst durch meine Reise im hohen Norden.
Leipzig 1885.
Mayer, H. Die Waldungen von Nord -Amerika. München 1890.
Middendorff, A. v. Die Gewächse Sibiriens. In : Sibirische Reise. Bd. IV.
Theil 1. Lief. 4. 1864.
Molisch, Hans. Das Erfrieren von Pflanzen über dem Eispunkt. Sitzb.
d. k. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien. Bd. CV. Abth. I. 1896.
Pechuel-Lösche. Die Loango- Expedition. 3. Abth. 1. Hälfte. Leipzig
1882.
Rabinowitsch, Lydia. Ueber die thermophilen Bacterien. Zeitschr. f.
Hygiene. Bd. XX.
Sachs, J. Krystallbildungen bei dem Gefrieren und Veränderung der Zell-
häute bei dem Aufthauen saftiger Pflanzentheile. Ber. der math.-phys.
Klasse der königl. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1860 (gesammelte Ab-
handlungen. 1892. I. Seite 3).
— Die vorübergehenden Starre-Zustände periodisch beweglicher und reizbarer
Pflanzenorgane. Flora 1863. (Ges. Abh. I. S. 84).
— Ueber die obere Temperaturgrenze der Vegetation. Flora 1864. (Ges.
Abh. I. S. in).
De V r i e s , H. Mate'riaux pour la connaissance de Tinfluence de la
tempe'rature sur les plantes. Archives nderlandaires. Bd. 5. 1870.
Warming, E. Lehrb. d. ökologischen Pflanzengeographie. 1896. S. 157.
8. Die Cardinalpunkte der Pflanzenfanotionen.
Askenasy, E. Ueber einige Beziehungen zwischen Wachsthum und Temperatur.
Ber. der deutsch, botan. Gesellschaft. Bd. VTIL 1890.
Böhm, J. Ueber die Respiration von Landpflanzen. Sitzb. der Wiener
Akad. Bd. 67. Abth. 1. 1873.
Haberlandt, F. In Landw. Versuchsstationen. Bd. 17. S. 104. Bd. 21.
1878 und wissenschaftl.-prakt. Unters, auf d. Gebiete des Pflanzenbaues.
Bd. 1. S. 109.
J um eile, H. Recherches physiologiques sur les lichens. Revue gdndrale
de botanique. Tome IV.
Kirchner, O. Längenwachsthum von Pflanzenorganen bei niederen Tem-
peraturen. Cohn's Beiträge zur Biologie d. Pflanzen. Bd. III. 1883.
Kreusler. Beobachtungen über die Kohlensäureaufnahme und -Abgabe der
Pflanzen. Dritte Mittheilung. Landw. Jahrb. Bd. 17. 1888.
Pynaert, Ed. Les serres vergers. Traite' complet de la culture force*e et
artificielle des arbres fruitiers. 4 c e*d. Gand 1888.
Sachs, J. I. Physiologische Untersuchungen über die Abhängigkeit der
Keimung von der Temperatur. Pringsheim's Jahrb. Bd. II p. 338.
— II. Ueber den Einfluss der Temperatur auf das* Ergrünen dei Blätter.
Flora 1884. (Ges. Abh. I. S. 137).
Uloth. Flora 1871 u. 1873.
6o IL Die Wanne.
4. Die Akklimatisation.
Ca n d olle, A. de. Des effets d'une meme tempe'rature sur une mßme espöce,
au nord et au midi. Comptes rendus de l'Acad. d. sciences de Paris.
1875. S. ^1369.
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Mayr, H. Die Waldungen von Nord -Amerika. München 1890.
Möbius, M. Welche Umstände befördern und welche hemmen das Blühen
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Müller, Fr. Bemerkungen zu Hildebrandt's Abhandlung über die Lebens-
dauer und Vegetationsweise der Pflanzen. Engler's Botan. Jahrbücher
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Naudin. Ann. d. sc. naturelles. Botanique. VIe serie. Bd. 5. 1877.
Schübeier, S. Die Pflanzenwelt Norwegens. Christiania 1873 — 1875.
m. Das Licht.
1. Allgemeines. Bedeutung des Lichtes für die Pflanzengeographie. 2. Photometrische
Methoden. Wiesner's Arbeiten. 3. Das Pflanzenleben im Dunkelen. 4. Idcht-
intensitat und Lichtqualität. Wirkungen des Lichtes ungleicher Intensität auf verschiedene
Functionen. Schädlichkeit hoher Lichtintensitäten und entsprechende Schutzmittel. Ungleiche
Wirkungen ungleicher Strahlengattungen. Absolute und ökologische Lichtoptima, 5. Sonne
und Schatten. Gesammtlicht, Oberlicht, Vorderlicht, Hinterlicht, Unterlicht. Sonnenlicht
und diffuses Licht. Wiesner's Bestimmungen des faktischen Lichtgenusses der Pflanzen.
Ungleiches Lichtbedürfniss der Sonnen- und Schattenpflanzen. Vorrichtungen zur Lichtconcen-
tration bei Schattenpflanzen. 6. Tag und Nacht. Pflanzengeographische Bedeutung der
ungleichen Dauer des Tageslichtes. Bonnier's Versuche in continuirlicher Beleuchtung.
1. Allgemeines.
Neben der Feuchtigkeit ist das Licht der mächtigste äussere Factor
der Gestalt der Pflanze. Während die Wärme, welche die pflanzliche
Machine in Bewegung setzt und während der ganzen Dauer ihrer
Entwickelung und Thätigkeit in erster Linie regulirt, deren Gestaltung
nicht wesentlich beeinflusst, ist das Licht, ähnlich wie das Wasser, beim
Aufbau des Pflanzenkörpers in hervorragendem Maasse architektonisch
betheiligt. Eine bei Lichtabschluss aufgezogene Pflanze ist ganz anders
gestaltet, als eine normal beleuchtete, und die Structur ist für jede
Stufe der Lichtintensität eine andere.
Die pflanzengeographische Wichtigkeit des Lichtes ist, trotz seiner
hervorragenden Bedeutung für Gestaltung und Leben der Pflanze, eine
geringere als diejenige der Wärme und der Hydrometeore , indem
die Lichtunterschiede klimatischer Gebiete gegen die eben erwähnten
Factoren zurücktreten. Doch wurde dieselbe, bis sie neuerdings von
Wiesner betont wurde, gewöhnlich unterschätzt. Die ungleiche Inten-
sität der Beleuchtung in den verschiedenen klimatischen Zonen und die
zunehmende Dauer des Sonnenlichtes vom Aequator zu den Polen ver-
fehlen nicht, der Vegetation ihren Stempel aufzudrücken. Weit grösser
62 HI. Das Licht.
bleibt allerdings die Bedeutung des Lichtes für die pflanzliche Topo-
graphie, da für die Charakterisirung der einzelnen Formationen eines
Gebietes die grossen Unterschiede der Beleuchtung wichtig sind.
Im Folgenden finden nur diejenigen Lichtwirkungen, welchen geo-
graphische oder topographische Bedeutung nachweisbar zukommt,
Berücksichtigung.
2. Photometrische Methoden.
Die Methoden zur Messung der Lichtintensität sind weit weniger
vollkommen als die zur Bestimmung der Temperatur und der Luft-
feuchtigkeit dienenden. Nur für den sogenannten chemischen Theil des
Spectrums, d. h. für die blauen, violetten und ultravioletten Strahlen
ist es Bunsen und Roscoe gelungen, eine Methode ausfindig zu machen,
welche den Ansprüchen exacter Forschung einigermaassen genügt. Sie
besteht darin, dass ein in bestimmter Weise zubereitetes photographisches
Papier, das sogenannte Normalpapier, dem Lichte ausgesetzt und
die eintretende Verfärbung unter Berücksichtigung der erforderlichen
Zeit mit einem constanten Farbenton, der Normalschwärze, ver-
glichen wird. Bunsen und Roscoe haben festgestellt, dass gleichen
Färbungen der im Lichte sich tingirenden Normal-
papiere gleiche Producte aus Lichtintensität und Zeit
entsprechen.
Als Maasseinheit der chemischen Lichtintensität
wird eine Schwärzung des Normalpapiers angenommen,
welche mit der Normalschwärze übereinstimmt und im
Zeitraum einer Secunde erreicht wird.
Wenn der Ton der Normalschwärze auf dem Normalpapier in 2,
3, 4, 5 . . . n Secunden erreicht wird, so ist die Intensität des Lichtes
I dividirt durch 2, 3, 4, 5 . . . n.1)
Die Roscoe-Bunsen'sche Methode wurde von Wiesner, behufs ihrer
Anwendung zur Bestimmung des Lichtgenusses der Pflanzen, weiter
ausgebildet und wesentlich modificirt. Es stellte sich nämlich heraus,
dass sie in ihrer ursprünglichen Gestalt nur zur Messung schwacher
Intensitäten geeignet ist, während die Bestimmung hoher Intensitäten
in Folge zu schnellen Eintritts des Normaltones, mit Fehlern behaftet
ist. Diesen Uebelstand zu beseitigen, bedient sich Wiesner zur Messung
hoher Intensitäten einer Scala mehrerer sorgfältig abgestufter, licht-
beständiger Farbentöne.
Die bahnbrechenden Arbeiten Wiesner's beschäftigen sich in erster
Linie mit dem Verhältniss des factischen Lichtgenusses der Pflanze (i)
') Wiesner, V. S. 301 — 302.
I. Allgemeines. 2. Photometrische Methoden. 63
zum Gesammtlichte (I). in y wird i = 1 gesetzt und der resultirende
Werth, L, als specifischer Lichtgenuss bezeichnet. Wenn z. B. I = 0,756,
i = 0,252 gefunden wird, so ist y = ^-K = L = — •
Bei hoher Lichtintensität, wenn z. B. L 1jib oder 1/2 beträgt, steigt
und fallt der specifische Lichtgenuss proportional dem Tageslichte; L bleibt
also constant. Hingegen treten bei sehr geringen Werthen von L täg-
liche Maxima und Minima des täglichen Lichtgenusses ein, derart, dass
ein L (max.), ein L (min.) und ein L (med.) zu unterscheiden sind.
Wird z. B. von einer Pflanzenart angegeben, das sie bei L: */1#1 — */7
gedeiht, so ist dieses dahin zu verstehen, dass sie bei nahezu voller Intensität
des Tageslichtes aber auch noch bei dem siebenten Theile desselben, jedoch
nicht darüber hinaus, fortkommt. L(max.) = */6 bedeutet, dass zu einer be-
stimmten Tageszeit das Licht in einer Baumkrone bis auf 1/6 des Gesammt-
lichtes steigt ; L(min.) = 1/50 aber, dass dasselbe zu einer bestimmten Tageszeit
bis auf a/60 von I heruntersinkt.
Die soeben kurz skizzirten Methoden Wiesner's, über welche dessen
citirte Arbeiten ausfuhrliche Angaben bringen, werden in der Zukunft
noch vervollkommnet werden müssen und hoffentlich auf die weniger
brechbaren Strahlen ausgedehnt. So wie sie sind, gehören sie bereits
zu den unentbehrlichen Hülfsmitteln physiologisch-pflanzengeographischer
Forschung.
3. Das Pflanzenleben im Dunkelen.
Es ist, wie früher gezeigt wurde, auf dem Erdball für das Pflanzen-
leben nirgendwo zu kalt und nur an wenigen Punkten sehr geringer
Ausdehnung zu heiss. In Bezug auf das Licht fehlt jede Einschränkung ;
es ist nirgends zu dunkel, nirgends zu hell, um jedes Pflanzenleben
auszuschliessen. Die in den Tiefen der Oceane bei gänzlichem Licht-
mangel vermodernden Thierleichen werden durch Bacterien zersetzt;
der Koth von Höhlenthieren verschimmelt; der zottigste Pelz, der
dickste Hautpanzer schützt den Thierkörper nicht vor den Angriffen
krankheiterregender pflanzlicher Parasiten. Die Vegetation im Dunkeln
ist jedoch auf Gewächse beschränkt, welche sich auf Kosten organischer
Substanz ernähren. Die Reduction des Kohlenstoffes aus der Kohlen-
säure durch den Chlorophyllapparat ist eine Lichtwirkung. Organismen,
die ihren Kohlenstoffbedarf der Kohlensäure entnehmen, gedeihen im
Dunkeln so lange als die organischen Reservestoffe reichen, und gehen
dann durch Verhungern zu Grunde.
Die Reduction der Kohlensäure ist nicht die einzige Lichtfiinction
im pflanzlichen Organismus; vielmehr wird noch für zahlreiche andere
64 HI- D*s Licht.
Arbeiten dieselbe Kraftquelle benützt. So ist die Chlorophyllbildung,
ausser bei den Kryptogamen und Gymnospermen, an die Anwesenheit
von Licht gebunden ; gleiches gilt von anderen, namentlich rothen und
blauen Pigmenten. Die Assimilation der Nitrate in höheren Pflanzen
wird durch das Licht mächtig gefördert. Die Laubblätter bleiben im
Dunkeln sehr klein. Viele Bewegungen werden nur durch das Licht
ausgelöst, andere wiederum durch dasselbe gehemmt.
Im Dunkeln entwickelte Sprosse weichen von normalen in mannig-
facher Weise ab und werden als ver geilt oder etiolirt bezeichnet.
Sie entbehren des Chlorophylls und sind daher weiss oder gelblich.
Ihre Axentheile sind weit länger als unter normalen Bedingungen, ihre
Blätter hingegen — mit Ausnahme derjenigen der Gräser und einiger
anderen Monocotylen — sind sehr klein und meist verkrümmt. Blüthen
werden nur selten, sogar bei hinreichender Zufuhr organischer Nahrung,
erzeugt und bereits angelegte Blüthenknospen pflegen bald zu Grunde
zu gehen; etwa sich ausbildende Blüthen sind meist abnorm gestaltet
und schwach oder gar nicht gefärbt.
Etiolirte Pflanzen kommen in der Natur nur selten vor; man sieht
sie zuweilen in Höhlen. So fanden wir in der bekannten Guacharro-
höhle bei Caripe in Venezuela den Boden stellenweise von einer dichten,
bis halbmeterhohen etiolirten Vegetation bedeckt, die aus dem Koth
der Guacharrovögel , der einzigen Bewohner der Höhle, hervor-
gegangen war.
4. Intensität und Qualität des Lichtes.
Die Wirkungen des Lichtes auf die Pflanze sind je nach der In-
tensität desselben und je nach der einzelnen physiologischen Function
fördernd oder hemmend, schaffend oder zerstörend. Die Intensitäten
der Beleuchtung, bei welchen die eine oder andere Wirkung eintritt,
sind, ähnlich wie diejenigen der Wärme, specifisch verschieden; doch
fehlt es darüber noch an exakten Angaben.
Das Längenwachsthum der Axen und Wurzeln hat bei gänzlichem
Lichtabschluss sein Optimum. Sehr schwache Lichtintensitäten üben
bereits eine retardirende Wirkung und grosse Lichtintensität ruft völligen
Stillstand hervor.
Das Flächenwachsthum der Blätter ist im Dunkeln sehr gering:
doch erreicht es bereits bei sehr massiger Lichtintensität sein Optimum.
Zunahme der Beleuchtung wirkt retardirend, schliesslich hemmend. Das
Dickenwachsthum der Blätter hat sein Optimum bei bedeutend höherer
Intensität des Lichtes als das Flächenwachsthum, daher stark beleuchtete
Blätter klein und dick sind.
3. Das Pflanzenleben im Dunkeln. 4. Intensität und Qualität des Lichtes. ßc
Die Entwickelung der Laubknospen der Bäume rindet erst ober-
halb einer bestimmten, nicht sehr niedrigen Intensität des Lichtes statt;
schwache Beleuchtung bedingt das Absterben der Aeste, das sogenannte
Reinigen der Bäume. (Wiesner V.)
Die Lichtwirkungen auf Entstehung und Entwickelung der
Reproduktionsorgane, die für höhere Pflanzen namentlich von
Sachs, Möbius und Vöchting, für niedere Pflanzen von Klebs näher unter-
sucht wurden, sind von hervorragender pflanzengeographischer Be-
deutung. Namentlich konnte Vöchting für zahlreiche Phanerogamen
nachweisen, dass bei schwacher Beleuchtung die Blüthenbildung entweder
ganz unterbleibt oder nur unvollkommen ist. Im Innern eines ein-
fensterigen Zimmers mit ONO -Beleuchtung wurden Blüthenknospen
meist nur in geringer Zahl oder gar nicht angelegt, während das
vegetative Wachsthum normal blieb oder sogar (Mimulus Tilingi) ab-
norme Ueppigkeit aufwies. Bereits angelegte Knospen gingen auf
frühen Stadien zu Grunde; andere entwickelten reducirte und abnorm
gestaltete Blüthen ; chasmogame Blüthen wandelten sich in kleistogame
um, wie überhaupt die Verkümmerung viel früher das Perianth als die
Geschlechtsorgane traf. Der störende Einfluss zu schwacher Beleuchtung
kam bei Sonnenpflanzen (z. B. Malva vulgaris) bereits bei höheren
Intensitäten des Lichtes als bei Schattenpflanzen (z. B. Impatiens parvi-
flora) zum Vorscheine.
Unter den vom Lichte bedingten chemischen Vorgängen gehört
die Bildung des Chlorophylls sowie diejenige der Pigmente brauner
und rother Algen zu den genügsamsten; sie erreicht bereits bei sehr
massigen Intensitäten ihr Optimum. Das Lichtminimum für die Re-
duction der Kohlensäure liegt beträchtlich höher als für die Bildung
der erwähnten Farbstoffe und die Intensität des Vorganges steigt pro-
portional derjenigen des Lichtes. Ein Optimum, nach dessen Ueber-
schreitung die Assimilationscurve herabsteigen würde, fehlt; letztere
scheint vielmehr gleichmässig zu steigen, bis die Zerstörung der Pigmente,
durch intensives Licht, ihr ein Ende setzt.
Sehr intensives Licht wirkt, ganz abgesehen von den be-
gleitenden Wärmeerscheinungen, tödtlich auf das Protoplasma. Unter
natürlichen Bedingungen sind nur wenige pflanzliche Organismen em-
pfindlich genug, um der Gefahr des Lichttodes ausgesetzt zu sein. Zu
denselben gehören viele Bacterien und einige grössere Wasserpflanzen,
namentlich Algen, welche auf sehr schwache Lichtintensitäten gestimmt
sind und zu Grunde gehen, sobald ihr Standort, z. B. durch die fort-
schreitende Jahreszeit, stärker beleuchtet wird. Am häufigsten dürfte
der Lichttod erst indirekt, nämlich in Folge der Zerstörung der bei der
Assimilation betheiligten Pigmente, eintreten indem ganz entfärbte
Algen nach dem Verbrauch der Reservestoffe, durch Verhungern zu
S c h i m p e r , Pflanzengeographie. 5
66
HI. Das Licht.
Grunde gehen. Die Landpflanzen sind unter normalen Verhältnissen weit
resistenter; Absterben ganzer Pflanzen oder auch nur einzelner Glieder als
Folge zu starker Beleuchtung scheint bei ihnen nicht vorzukommen. Den-
noch erleiden sie häufig eine weitgehende Zerstörung ihres Chlorophylls.
Die Vegetation sehr sonniger Standorte ist niemals rein grün, sondern
zeigt stets eine Beimengung gelber und brauner den Zersetzungs-
produkten des Chlorophylls entsprechender Töne. Es wird später gezeigt
werden, dass das intensive tropische Licht sogar das gänzliche Ver-
bleichen des Laubes bedingen kann.
Das Schutzbedürfniss der Pflanzen, speciell ihrer Chromat ophoren,
gegen zu intensives Licht kommt in zahlreichen Vorrichtungen zum
Fig. 38. Chylocladia reflexa. A Oberflächenzelle mit kleiner reflectirender Platte, von der
Fläche gesehen. B Seitenansicht einer solchen Zelle. Vergr. 450. Nach Berthold.
Vorschein, die namentlich bei den sehr lichtempfindlichen Wasser-
pflanzen grosse Vollkommenheit erreichen können.1) Lange und dichte
Haarüberzüge verhüllen viele Meeresalgen wie mit einer schatten-
spendenden Wolke ; andere Algen erzeugen in ihren Zellen eigenthüm-
liche lichtabsorbirende Platten, die, ähnlich wie Fensterläden, bei starker
Beleuchtung die peripherischen Wände bedecken, bei abnehmender
Beleuchtung aber auf die Seitenwände geschoben werden (Fig. 38).
Endlich sind viele Algen in ihrer ganzen Wuchsart von dem Schutz-
bedürfniss gegen das Licht beherrscht. Alle diese Vorrichtungen sind
natürlich in den stark durchleuchteten Meeren niederer Zonen stärker
l) Berthold I.
4. Intensität und Qualität des Lichtes. 67
ausgeprägt als in den hohen Zonen, wo das an sich schon weniger
intensive Licht in Folge des schiefen Einfalls der Strahlen, durch die
Wasserfläche in höherem Maasse zurückgeworfen wird.
Die Schutzmittel gegen Beleuchtung sind bei Landpflanzen weniger
ausgeprägt und fallen meist mit solchen gegen Transpiration zusammen,
so dass es zur Zeit kaum möglich erscheint zu entscheiden, welcher
der beiden Gefahren eine bestimmte Schutzvorrichtung ihren Ursprung
verdankt. Dahin gehören z. B. mannigfache Bewegungen und fixe
Lichtlagen der Blätter, durch welche dieselben sich dem direkten An-
prall der Sonnenstrahlen entziehen, ferner Haarüberzüge, glatte, stark
reflektirende Oberflächen, mannigfache Faltungen u. s. w.1)
Die Lichtwirkungen auf Pflanzen sind nicht bloss von der Quantität,
sondern auch von der Qualität der Beleuchtung abhängig. Die
verschiedenen Strahlengattungen haben ungleiche physiologische Be-
deutung und da sie von Luft und Wasserdampf in ungleichem Maasse
absorbirt werden, so ist die Frage nach der Wirksamkeit der einzelnen
Theile des Spectrums pflanzengeographisch nicht unwesentlich.
Die schwächer brechbare Hälfte des sichtbaren Spectrums, vom
Roth bis zum Anfang des Grüns, enthält die für die Reduction der
Kohlensäure durch das Chlorophyll wirksamsten Strahlen. Ob die
Wirksamkeit im Roth am grössten ist, entsprechend dem stärksten Ab-
sorptionsstreifen des Chlorophylls, oder im Gelb, wie es viele Versuche
wahrscheinlich machten, ist noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen
und für die hier in Betracht kommenden Fragen ohne grosse Be-
deutung.2)
Die Entstehung des Chlorophylls ist an die Anwesenheit gelben
oder orangegelben Lichtes gebunden. Die blauen und violetten Strahlen
sind die bei der Assimilation der Nitrate thätigsten. 8) Sie sind es auch,
die hemmend auf das Wachsthum wirken und die bei hohen Intensitäten
das Chlorophyll zerstören und das Plasma tödten.
Die ultravioletten Strahlen sind nach Sachs bei der Blüthenbildung
in hervorragendem Maasse betheiligt. Doch sind bisher diesbezügliche
Versuche nur mit einer einzigen Pflanze, Tropaeolum majus, angestellt
worden.
Neben den absoluten Optima der Beleuchtung, welche für
gewisse Functionen mit sehr ungünstigen ökologischen Bedingungen
zusammenfallen — so ist das Lichtoptimum des Wachsthums der Axen
und gewisser Blätter = 0, d. h. Dunkelheit — giebt es, wie für die
*) Wiesner II. Johow.
*) Diese Fragen sind auf Grund der Untersuchungen Pfeffer's, Reinke's, Engel-
mann's etc. in allen Handbüchern der Pflanzenphysiologie eingehend discutirt.
8) Ueber die Assimilation der Nitrate und die damit zusammenhangende Bildung der
organischen Kalksalze vgl. Schimper I und II.
68 m. Das Licht.
Wärme, auch für das Licht ein ökologisches Lichtoptimum,
welches dem normalen Gesammtleben der Pflanze entspricht und aus
den harmonischen Lichtoptima (vgl. S. 50) der einzelnen Functionen
zusammengesetzt ist. Die Pflanze sucht sich in verschiedener Weise
in den Besitz des ökologischen Lichtoptimums zu setzen. Viele mit
Cilienbewegung versehene Algen sammeln sich an Stellen von bestimmter,
meist massiger Lichtintensität und fliehen die Stellen, wo eine andere,
ihnen weniger zusagende Beleuchtung herrscht. Feststehende und daher
in ihren Bewegungen beschränkte Pflanzen und Pflanzentheile erstreben
die gleichen Vortheile durch die freien und beweglichen Stellungen
ihrer Laubblätter sowie durch die heliotropischen Krümmungen, durch
welche, je nach Bedürfniss, stärkere oder schwächere Beleuchtung er-
reicht wird. Aehnliches wird häufig durch Bewegungen der Chlorophyll-
körner bewerkstelligt. *)
In der Natur dürften diese verschiedenartigen Bewegungen die
Pflanze meist in die günstigsten Bedingungen der Belichtung bringen;
doch nicht immer. Vollkommenheit wird auch hier nicht erreicht.
Unter den so ungleich lichtbedürftigen Functionen gewinnt manchmal
die eine zum Nachtheil der anderen die Oberhand. Noch häufiger sind
solche unharmonische Störungen unter künstlichen Bedingungen, wo
Pflanzenarten, die an ihren natürlichen Standorten wohl oft ein zu wenig,
aber kaum je ein zuviel Licht empfangen, sehr zum Nachtheil ihrer
Oekologie, ja, zum Theil auf Kosten ihres Lebens, die ihren absoluten
Optima entsprechenden Lichtintensitäten aufsuchen.
5. Sonne und Schatten.
Sonne und Schatten, als Bezeichnungen für die Beleuchtung pflanz-
licher Standorte, waren sehr unbestimmte Begriffe, bis Wiesner dieselben
in bestimmte Formeln des faktischen Lichtgenusses der Pflanzen ein-
zwängte.
Sogar anscheinend sehr gut beleuchtete Pflanzen erhalten nur einen
Theil des gesammten Tageslichtes. In dem nahezu ungeschwächten
Genüsse desselben befindet sich bloss, und zwar zu ihrem Nachtheile,
die Vegetation ebener Wüsten und anderer schwach bewachsener
horizontaler Flächen. Die im Waldschluss wachsenden Bäume und das
Unterholz bekommen hauptsächlich Oberlicht, die Lianen und Epi-
phyten an Baumstämmen und Felswänden Vorderlicht; Hinter-
licht und Unterlicht haben meist nur geringe Bedeutung, doch
sah ich in Venezuela eine kleine Oncidiumart constant die Unterseite
*) Vgl. z. B. Stahl I u. II, Wiesner III, Schimper III.
5- Sonne und Schatten. 6q
der horizontalen Aeste des Calebassenbaumes (Crescentia Cujete) ein-
nehmen.
Von den beiden Formen des Tageslichtes ist das direkte Sonnen-
licht weniger wichtig für das Pflanzenleben als das diffuse Licht. Die
meisten Gewächse werden nur an wenigen Stellen ihrer Oberfläche oder
auch gar nicht von den Sonnenstrahlen getroffen; ausserdem pflegen
sie sich deren Einwirkung durch entsprechende Stellungen und Be-
wegungen ihres Laubes zu entziehen.
Die Schwächung der Lichtintensität durch Gezweig und Laub der
Pflanze ist viel beträchtlicher, als man es nach dem Augenschein an-
nehmen würde. So bestimmte Wiesner *) an einem sonnigen Märztage
(dem 27.) in Wien die Intensität des gesammten Tageslichtes auf 0.712,
diejenige in Hundertschrittentfernung vom Rande des noch unbelaubten
Waldes auf 0.355, die des Baumschattens auf 0.166.
Die Schwächung des Lichtes ist unter belaubten Bäumen, nament-
lich in belaubten Beständen, natürlich noch weit beträchtlicher als
unter nacktem Gezweige. So betrug nach Wiesner die Lichtintensität
an einem sonnigen Märztage in Wien 0.666, im Schatten einer 8 m
hohen , beinahe bis zum Grunde verzweigten Fichte nur noch 0.02 1 ;
am selben Tage war bei I = 0.518 unter einem 1 m hohen Buxus-
strauche die Lichtintensität 0.017. Anfang Mai waren die Lichtintensi-
täten des Gesammtlichtes, des Lichtes in den Kronen eines Rosskasta-
nienbestandes und des Schattenlichtes unter dem letzteren 0.500 bezw.
0.070 und 0.017. Diese Werthe verhalten sich zu einander wie 29: 21 : 1.
In welch' hohem Maasse die Pflanzen sonniger und schattiger Stand-
orte durch ihre Gestalten vom Lichte beherrscht sind, wurde nament-
lich neuerdings durch vergleichende Culturversuche Wiesner's nach-
gewiesen. Sempervivum tectorum z. B. ist eine typische Sonnenpflanze.
Bei einer mittleren maximalen Lichtintensität von 0.04, wie sie bei vielen
Standorten von Schattenpflanzen normal ist, giebt dasselbe ihre charak-
teristische Rosettenform auf. Sie verlängert ihre Internodien, verkleinert
ihre Blätter, verliert einen Theil ihres Chlorophylls. Das Optimum für
das Flächenwachsthum der Blätter liegt demnach hier bei einer ziemlich
hohen Lichtintensität; bei noch höherer Lichtintensität nimmt das letztere
wieder ab.
Wiesner cultivirte Pflanzen von Sempervivum tectorum, theils bei einer
mittleren Lichtintensität von 0.305 (I), theils bei einer solchen von 0.152 (I'). Inlr
war die durchschnittliche Maximallänge der Blätter 3 1 mm, ihre Breite 1 5 mm,
während die correspondirenden Werthe für I 26 mm bezw. 13.5 mm waren.
Noch bei anderen Sonnenpflanzen, wie der Kartoffel, der Bohne,
wurde von Wiesner eine fordernde Wirkung des Blattwachsthums durch
») IU. S. 307.
7o
HI. Das Licht.
Fig- 39- Vorkeim von Schistotega osmundacea in natür-
licher Lage, stark vergrössert. Nach F. Noll.
das Licht bis zu einer ziemlich hohen Intensität beobachtet, oberhalb
welcher eine Verlangsamung eintrat. Für Schattenpflanzen liegt das
Optimum bereits bei viel schwächerer Beleuchtung.
So erreichte das Blatt von Scolopendrium officinarum im Dunkeln eine
Länge von 76 mm (Breite 11 mm), bei 1 = 0.083 die Maximallänge von
228 mm (Breite 25 mm),
bei I = 0.247 eine Länge
von nur noch 152 mm.
(Breite 20 mm.) Hingegen
wirkte überall positive Be-
leuchtung hemmend auf
das Wachsthum der Sten-
gel. Kartoffelsprosse rea-
giren schon deutlich bei
1 = 0.0008, während erst
bei I = 0.4 5 1 , also bei sehr
intensivem Lichte , Ab-
nahme des Blattwachsthums
sichtbar wird.
Alle diese Werthe werden im absolut feuchten Räume herabgesetzt; doch
werden die Lichtwirkungen dadurch keineswegs eliminirt.
Das Lichtminimum der Blüthenbildung liegt bei Schattenpflanzen
tiefer als bei Sonnenpflanzen: dennoch pflegen die ersteren weniger
Blüthen zu erzeugen als
die letzteren. Das Innere
des Waldes ist weniger
blüthenreich als die Wiese,
und gewisse Gebiete mit
intensiver oder lange an-
dauernder Beleuchtung, wie
die höchsten Vegetations-
regionen der Gebirge, die
Polarländer , viele Wüsten
sind durch grossen Blüthen-
Fig. 40. Optischer Durchschnitt einer Protonemaselle reichthum ausgezeichnet,
von Schistotega osmundacea, in der der Gang der Allerdings wirken in diesen
Lichtstrahlen einconstruirt ist. S' S' ein Strahl, der I7..11 ,
an der Hinterwand total reflektirt wird. P Plasma, Falletl n°ch andere Fac~
c Chlorophyll, v Zellsaft. Nach F. Noll. toren mit.
Ausser durch die äussere
Plastik unterscheiden sich Sonnen- und Schattenpflanzen noch durch
die innere Structur, namentlich ihres Laubes. Wie durch Trockenheit,
wird auch durch intensives Licht die Bildung der Palissadenzellen ge-
fördert. Sonnenblätter besitzen Chlorophyll nur in ihrem Mesophyll,
Schattenblätter aber ausserdem, zuweilen sogar vorwiegend in der
s' »*
5- Sonne und Schatten. 71
Epidermis. Besonderes Interesse bieten bei vielen Schattenpflanzen
die Vorrichtungen zur Concentration der Lichtstrahlen
auf den Chlorophyllapparat.
Die Beleuchtungsapparate bei Pflanzen wurden zuerst von Noll für
das Protonema von Schistotega osmundacea, dem höhlenbewohnenden
Leuchtmoos, nachgewiesen und genauer untersucht (Fig. 39 — 40). Dieses
Protonema, welchem allein die Eigenschaft des Leuchtens zukommt, ist
tischähnlich geformt und besteht aus einem dünnen Fuss, welcher eine
zweilappige Platte trägt. Die Zellen der letzteren sind linsenförmig, an
der Oberseite kugelkappenähnlich gewölbt, unterwärts conisch aus-
gebuchtet ; die Chlorophyllkörner sind im schmalen Basaltheil angehäuft,
während der obere Theil als vollkommen hyaline, glasartige Linse wirkt.
Wie Noll des näheren zeigt, werden die in der Nähe der optischen
Axe einfallenden Strahlen so gebrochen, dass sie sich auf die Chlorophyll-
körner concentriren und dieselben, da sie kurz vor dem Brennpunkte
der Linse in der optischen Axe zu-
sammenliegen, intensiv beleuchten.
Jedes einzelne Chlorophyllkorn wirkt
dann vermöge seines stärkeren
Brechungsvermögens noch einmal
wie eine kleine Linse und lässt die
es treffenden, schon convergirenden
Strahlen in seinem Innern stärker
convergiren,. sodass die Intensität
der Beleuchtung an seiner hinteren FiS4i. Argostemma montanum, Java. Quer-
™.. , . . ~ . schnitt durch ein Blatt im tiefsten Schatten.
Flache eine weitere Steigerung er- y 2QO
fahrt. Es resultirt also aus dem
Gesammtstrahlengang eine grelle Beleuchtung des Chlorophyllapparates,
der in der optischen Axe nahe dem Focus zusammengedrängt ist. *)
Das Leuchten ist eine physikalisch nothwendige, für die Pflanze be-
deutungslose Nebenerscheinung.
Aehnliche Vorrichtungen zur Beleuchtung des Chlorophyllapparates
zeigen sich, wenn auch nicht immer mit solcher Vollkommenheit, noch
bei anderen Schattenpflanzen. Die Papillen, welche die sammetartige
Oberfläche vieler tropischen Schattenkräuter überziehen, wirken con-
centrirend auf die Lichtstrahlen. 2) Aber auch bei nahezu glatten Blättern
lassen sich, wie die Fig. 41 zeigt, ähnliche Anpassungen nachweisen.
Dieselbe stellt den Querschnitt des Blattes von Argostemma montanum,
einem im tiefsten Schatten der Gebirgswälder Java's häufigen Kraute, dar.
Ganz unaufgeklärt ist der bläuliche, metallene Glanz mancher Pflanzen
«) 1. c. S. 482.
*) Stahl IV.
72
in. Das Licht.
des tiefen Schattens, der in intensiverem Grade nur einige tropische Selaginella-
und Trichomanesarten auszeichnet, als weniger augenfällige Erscheinung jedoch
ziemlich verbreitet und auch bei uns, z. B. bei Sambucus nigra, nachweisbar
ist. Die merkwürdige Erscheinung ist an hellen Standorten nie vorhanden
und muss daher irgendwie mit der schwachen Beleuchtung sehr schattiger
Plätze zusammenlaufen.
6. Tag und Nacht
Die durch das Licht beherrschten Vorgänge des Pflanzenlebens
sind zum grössten Theile streng an die Tagesstunden gebunden; doch
treten in gewissen Fällen Nachwirkungen mehr oder weniger langer
Dauer störend ein. Davon abgesehen, ist das Leben der Pflanze ein
anderes bei Nacht als bei Tage. Dieses geht schon aus oberflächlicher
Betrachtung hervor. Die Blätter zahlreicher Gewächse nehmen die
Nachtstellung ein, welche häufig, aber nicht immer, der durch intensive
Beleuchtung bedingten Profilstellung ähnlich ist. Viele Blüthen schliessen
sich bei eintretender Dunkelheit, während andere, weniger zahlreiche,
sich erst dann öffnen ; manche Blüthen entwickein nur bei Nacht ihren
Duft. Nähere Untersuchung zeigt, dass entsprechend der Lichtabnahme,
die Assimilation Abends zunächst geschwächt und dann ganz unter-
drückt wird, um erst im Morgenlicht wieder anzuheben. Der hemmende
Einfluss des Lichtes auf das Wachsthum *) zeigt hingegen keine so un-
mittelbare Abhängigkeit von der Intensität der Strahlung , sondern er-
reicht seine volle Geltung erst in den Nachmittags- oder Abendstunden,
während das Maximum des Wachsthums meistens nicht Nachts, sondern
in den frühen Tagesstunden eintritt.
Die zunehmende Dauer des Sonnenlichtes vom Aequator zum Pol
wirkt sicher modificirend auf die täglichen Schwankungen des Pflanzen-
lebens, welche sogar innerhalb der Polarkreise ganz aufhören dürften,
falls sie nicht theilweise, ähnlich wie andere periodische Erscheinungen,
auf inneren Ursachen beruhen und durch äussere Einflüsse , wo solche
vorhanden sind, bloss regulirt werden. Auch abgesehen davon ist die
längere, aber weniger intensive Beleuchtung in den Polargebieten ein
pflanzengeographischer Factor, dessen Bedeutung bereits von Schübeier
erkannt und namentlich von Bonnier, Flahault, Kjelmann und Curtel *
genauer untersucht wurde.
Die Arbeiten der genannten Forscher werden in dem den Polar-
ländern gewidmeten Abschnitte eingehende Berücksichtigung finden.
An dieser Stelle sollen, als von allgemeiner Bedeutung, nur die Experi-
mente berücksichtigt werden, die Bonnier über die Wirkung con-
l) Vgl. z. B. die Arbeiten von Baranetzki, Godlenski.
6. Tag und Nacht.
73
tinuirlicher elektrischer Beleuchtung auf die Pflanzenent-
wickelung anstellte. Um das elektrische Licht dem Sonnenlichte
möglichst ähnlich zu machen, wurde der Reichthum des ersteren an
ultravioletten Strahlen durch dicke Glasplatten geschwächt. Quantitativ
war das benutzte elektrische Licht allerdings bedeutend schwächer als
Tageslicht, ein Umstand, der auf die Resultate wohl beeinflussend, aber,
wie Versuche mit unterbrochener elektrischer Beleuchtung (12 Stunden
hell, 12 Stunden dunkel) nicht
bedingend wirkte. Die Versuchs-
objecte waren sehr verschieden-
artig, theils holzig, theils krautig,
und wurden durch mehrere Mo-
nate cultivirt.
Die continuirlich beleuchteten
Pflanzen unterschieden sich von
den normal gewachsenen, sowie
von den unterbrochen elektrisch
beleuchteten in auffallendster
Weise durch viel grösseren Reich-
thum an Chlorophyll; auch tief-
gelegene, sonst chlorophyllfreie
Theile, wie die Innenrinde, die
Markstrahlen und das Mark hol-
ziger Axen waren grün. Die Axen
waren kürzer als unter normalen
Bedingungen, die Blätter kleiner
und dicker, die Blüthen normal
ausgebildet, aber intensiver ge-
färbt. Die innere Structur (Fig. 42)
zeigte grosse Aehnlichkeit mit
derjenigen etiolirter Pflanzen: so
waren die Palissaden schwach
oder kaum ausgebildet, die Fasern
und verholzten Elemente quanti-
tativ zurücktretend, die Zellwände
sämmtlich dünner, der histologische Bau überhaupt weniger differenzirt
als in normal gewachsenen Pflanzen. Auch die unterbrochen elektrisch
beleuchteten Objekte wiesen Anzeichen von Vergeilung auf, dennoch
waren sie den im Tageslicht gewachsenen weit ähnlicher als die conti-
nuirlich beleuchteten. Die ununterbrochene Dauer der Beleuchtung ist dem-
entsprechend als die wesentliche Ursache der Abweichungen anzusehen.
Manche dieser Abweichungen lassen sich auf Grund bekannter
Lichtwirkungen erklären ; namentlich gilt dieses von dem Kürzerwerden
Fig. 42. Querschnitt durch die Nadel von
Pinus austriaca, a im gewöhnlichen (unter-
brochenen), b im continuirlichen elektrischen
Lichte. Nach Bonnier.
74 HI. Das Licht.
der Axen, von der intensiveren Färbung der Blüthen, vielleicht auch
von der Reduction der Blätter. Andere Erscheinungen sind zur Zeit
nicht erklärlich, wie die stärkere Chlorophyllbildung und die Verein-
fachung der inneren Structur. Ob die etwas abweichende qualitative
Zusammensetzung des elektrischen Lichtes dabei im Spiele ist, werden
Versuche in den Polarländern zeigen müssen. Zu Gunsten der Ansicht,
dass es sich dabei um auch für Sonnenlicht gültige Wirkungen handelt,
scheint der Umstand zu sprechen, dass im hohen Norden gewachsene
Pflanzen nach Bonnier einfachere histologische Differenzirung als die
gleichen Arten im mittel- und südeuropäischen Hochgebirge aufweisen,
und dass Individuen solcher Arten, im continuirlichen Licht cultivirt, den
am Pole gewachsenen ähnlich werden. (Vgl. den Abschnitt über die
polare Vegetation in Theil III dieses Werkes.)
Auswahl der Literatur.
1. Allgemeines«
Warming, E. Lehrbuch der ökologischen Pflanzengeographie. Berlin 1896.
S. 1 3 u. f. Ausserdem namentlich die weiter unten citirten Arbeiten Wiesner's.
2. Photometrische Methoden.
Bunsen und Roscoe. Photometrische Untersuchungen. VX Abhandl.
Meteorologische Lichtmessungen. Poggendorffs Annalen. Bd. 117. 1862.
Wiesner, J. Untersuchungen über das photochemische Klima von Wien,
Cairo und Buitenzorg (Java). Denkschriften d. math.-naturw. Klasse d.
kais. Akad. d. Wiss. Bd. LXIV. 1896.
8. Das Fflansenleben im Dunkeln.
Die für die Pflanzengeographie wenig wichtigen Erscheinungen des Pflanzen-
lebens in anhaltender Dunkelheit sind, wegen ihrer grossen physiologischen
Bedeutung, der Gegenstand zahlreicher Arbeiten geworden, über welche
z. B. Pfeffer's Physiologie 2. A. nachzusehen ist
4. Lichtintensität und Lichtqualität.1)
Baranetzki, J. Die tägliche Periodicität im Längenwachsthum. Mem. de
l'Acad. d. Sc. de St. Petersbourg 1879.
*) Aus der ausserordentlich reichen Literatur sind nur solche Arbeiten entnommen, die
für pflanzengeographische Fragen in Betracht kommen dürften.
Auswahl der Literatur.
75
Berthold, G. I. Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Meeres-
algen. Pringsheim's Jahrb. Bd. XIII.
— II. Die Vertheilung der Algen im Golf von Neapel. Mittheil. d. botan.
Stat. zu Neapel. 1882.
de Candolle, C. Etüde de l'action des rayons ultraviolets sur la formation
des fleurs. Annales des sciences physiques et naturelles. Gen£ve 1897.
Deherain. Sur l'^vaporation de l'eau et la ddcomposition de l'acide
carbonique par les feuilles des vdg&aux. Annales d. sciences natur.
Botanique. Vc s£rie. 1869.
Godlewski. I. Die Art und Weise der wachsthumretardirenden Lichtwirkung
und die Wachsthumstheorien. Anzeigen der Akademie der Wissenschaften
in Krakau. 1890. (Rev. g<2n. d. bot. Bd. IE. S. 327.)
— IL Ueber die Beeinflussung des Wachsthums der Pflanzen durch äussere
Factoren. Ibid. 1890.
— HI. Ueber die tägliche Periodicität des Längenwachsthums. Ibid. 1889.
Haberland, G. Eine botanische Tropenreise.
Johow, Fr. Ueber die Beziehungen einiger Eigenschaften der Laubblätter
zu den Standortsverhältnissen. Pringsheim's Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XV.
1884.
Jost, L. Ueber den Einfluss des Lichtes auf das Knospentreiben der Roth-
buche. Ber. d. deutsch, botan. Gesellsch. 1894. S. 188.
Kern er, A. v. Pflanzenleben. 1 A. IL S 504 u. f.
Klebs, G. Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Fortpflanzung der Ge-
wächse. Biolog. Centralblatt Bd. XIII. 1893.
Lothelier. Influence de l'dclairement sur la production des piquants des
plantes. Comptes rendus de l'Acaddmie des sciences. Paris. 1891.
M ö b i u s , M. Welche Umstände befördern und welche hemmen das Blühen ?
Mededeelingen v. d. Proefstation Midden-Java. 1892. u. Biolog. Cen-
tralblatt 1892.
Oltmanns, Fr. Ueber die Cultur- und Lebensbedingungen der Meeres-
algen. Pringsheim's Jahrb. fiir wiss. Botanik. Bd. XXIII. 1892.
Pringsheim, N. Ueber Lichtwirkung und Chlorophyllfunction in der
Pflanze. Monatsb. der Berliner Akademie. 1 87 9. u. Jahrb. f. wiss. Bot.
Bd. xn.
Sachs, J. 1. Ueber die Durchleuchtung der Pflanzentheile. Sitzb. der Kais.
Akad. in Wien. Bd. 43. Ite Abth. 1860. (Ges. Abhandl. L S. 167.)
— II. Ueber den Einfluss des Tageslichtes auf Neubildung und Entfaltung
verschiedener Pflanzenorgane. Botan. Zeit. 1863. (Ges. Abhandl. 1.
S. 179.)
— III. Wirkung des Lichtes auf die Bltithenbildung unter Vermittlung der
Laubblätter. Botan. Zeit. 1864. (Ges. Abhandl. I. S. 229.)
— IV. Wirkungen farbigen Lichtes auf Pflanzen. Botan. Zeit 1864. (Ges.
Abhandl. I. S. 261.)
— V. Ueber die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf die Bltithenbildung.
Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg. Bd. III. 1887. (Ges. Ab-
handl I. S. 293.)
— VI. Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Bildung des Amylum in den
Chlorophyllkörnern. Botan. Zeit. 1862. (Ges. Abhandl. I. S. 332.)
— VII. Ein Beitrag zur Kenntniss der Ernährungsthätigkeit der Blätter.
Arbeit des botan. Inst, zu Wtirzburg. Bd. III. 1884. (Ges. Abhandl.
L S. 354.)
76 M- Das Licht.
Schimper, A. F. W. 1. Ueber Kalkoxalatbüdung in den Laubblättern.
Botanische Zeitung. 1888.
— II. Zur Frage der Assimilation der Mineralsalze durch die grüne Pflanze.
Flora 1890.
— III. Untersuchungen über die Chlorophyllkörper etc. Pringsheim's Jahr-
bücher. Bd. XVI. 1885.
Stahl, E. I. Ueber sogenannte Kompasspflanzen. Jenaische Zeitschr. für
Naturw. XV. 1881.
— II. Ueber den Einfluss von Richtung und Stärke der Beleuchtung auf
einige Bewegungserscheinungen. Botanische Zeitung. 1880.
Wiesner, J. I. Untersuchungen über die Beziehungen des Lichtes zum
Chlorophyll. Sitzb. der Kais. Akad. d. Wiss. zu Wien. Bd. 69. Abth. 1.
1874.
— II. Die natürlichen Einrichtungen zum Schutz des Chlorophylls der leben-
den Pflanze. S. A. aus Festschrift zur Feier des 25 jährigen Bestehens
der K. K. zool.-botan. Gesellsch. in Wien. 1876.
— III. Ueber die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche. 2 Ab-
theilungen. 1878 u. 1880. S. A. aus den Denkschriften der Wiener
Akademie. I p. 37, II p. 1^3.
— IV. Formänderungen von Pflanzen bei Cultur im absolut dunklen Räume
und im Dunkeln. Berichte der deutschen botan. Gesellschaft. 1891.
— V. Photometrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem Gebiete.
Erste Abhandlung. Orientirende Versuche über den Einfluss der so-
genannten chemischen Lichtintensität auf den Gestaltungsprocess der
Pflanzenorgane. Sitzungsber. der Wiener Akad. Bd. 102. 1893.
— VI. Beobachtungen über die fixe Lichtlage der Blätter tropischer Ge-
wächse. Sitzb. der Wiener Akad. Bd. 103. Abth. I. 1894.
5. Sonne und Schatten«
Gdneau de Lamarli&re, L. Recherches physiologiques sur les feuilles
ddveloppdes ä l'ombre et au soleil. Revue generale de botanique. Tome 4.
S. 481.
Noll, F. Ueber das Leuchten von Schistostega osmundacea Schimp. S. A.
aus Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg.
Stahl, E. I. Ueber den Einfluss der Lichtintensität auf Struktur und An-
ordnung des Assimilationsparenchyms. Botanische Zeitung. 1880.
— II. Ueber sogenannte Kompasspflanzen. Jenaische Zeitschrift für Natur-
wissenschaft. XV. 1881.
— III. Ueber den Einfluss des sonnigen oder schattigen Standorts auf die
Ausbildung der Laubblätter. Jenaische Zeitschrift. Bd. XVI. 1883.
— IV. Ueber bunte Laubblätter. Ann. du jard. de Buitenzorg. T. XI.
Wiesner, J. Bemerkungen über den faktischen Lichtgenuss der Pflanzen.
Ber. d. deutschen botan. Gesellsch. GeneralversamVnlungsheft. Jahrg. 1894.
— IL Untersuchungen über den Lichtgenuss der Pflanzen mit Rücksicht auf
die Vegetation von Wien, Cairo und Buitenzorg (Java). Sitzb. d. Kais.
Akad. d. Wiss. zu Wien. Bd. C. IV. Abth. I. 1895.
— III. Photometrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem Gebiete.
Erste Abh. Sitzb. d. Wiener Akad. Abth. 1. Bd. 102. 1893. Vergleiche
ausserdem die übrigen unter 4 citirten Arbeiten desselben Verf.
Auswahl der Literatur. jj
6. Tag und Nacht.
Baranetzki. Die tägliche Periodicität des Längenwachsthums. Mdmoires
de l'Acad. d. sciences de Sl- Pdtersbourg. 1879.
Godlewski. Vergl. unter 4, I — III.
Bonnier, G. Influence de la lumiere dlectrique continue sur la forme ,et
la structure des plantes. Revue ge'ne'rale de botanique. Tome VII. 1895.
Bonnier et Flahault. Observations sur les modifications des ve*gdtaux
suivant les conditions physiques du milieu. Ann. des sciences naturelles.
Bot. VIe sene. Tome VII. 1879.
Curtel, G. Recherches physiologiques sur la transpiration et l'assimilation
pendant les nuits norvegiennes. Revue ge'ne'rale de botanique. Tome IL
1890.
Kj eil mann, F. K. Aus dem Leben der Polarpflanzen. In Nordenskjöld,
Studien und Forschungen veranlasst durch meine Reise im hohen Norden.
Leipzig. 1885.
Schübeier, C. I. Die Pflanzenwelt Norwegens. Kristiania 1875.
— II. Nature 1891.
IV. Die Luft.
1, Der Luftdruck, Wachsthum bei vermindertem und erhöhtem Luftdruck. Versuche
Wieler's und Jaccard's. Der Luftdruck im Hochgebirge. 2. Die Luft in den Gewässern.
Löslichkeit, Zusammensetzung und Diffusion der Luft im Wasser. Vorrichtungen zu Auf-
nahme und Transport des Sauerstoffs bei Wasserpflanzen. Aerenchym und andere Durch-
lüftungsgewebe. Pneumatophoren. Versuche G. Karsten's und GreshoflPs. 3. Der Wind.
§ I. Wind und Baumwuchs. Mechanische Wirkungen. Trocknende Wirkungen. Grosse
Schädlichkeit der letzteren für den Baumwuchs. § 2. Der Wind und die Reproduc-
tion. Anemophile Blätter. Ihre Häufigkeit an windigen Standorten. Anemophile Aus-
säungsvorrichtungen. Vorkommen der letzteren. Bedeutung für Verbreitung auf weite Ent-
fernungen. Beobachtungen Treub's auf Krakataua.
Nicht die endlos mannigfachen Beziehungen der Vegetation zur
Atmosphäre sollen in diesem Kapitel behandelt werden, sondern nur
einige Erscheinungen, welche zur ökologischen Charakteristik bestimmter
Pflanzenformationen gehören oder mit der Verbreitung der Arten zu-
sammenhängen.
1. Der Luftdruck.
Wie Wieler und Jaccard nachgewiesen haben, entspricht der Druck
der Atmosphäre innerhalb der von Organismen bewohnten Schicht der
letztern keineswegs dem absoluten Optimum des Pflanzenwachsthums.
Vielmehr bedingt eine Abnahme der Partiärpressung des
Sauerstoffs — denn nur die letztere und nicht der Gesammtdruck
kommt dabei in Betracht — eine Beschleunigung des Wachsthums, bis
eine für jede Art constante niedere Druckhöhe, nach deren Ueber-
schreitung wiederum Verlangsamung eintritt, erreicht wird. So ent-
spricht das absolute Luftdruckoptimum des Wachsthums bei Helianthus
annuus einem Druck von ca. ioo mm, bei Vicia Faba aber einem solchen
von ungefähr 200 mm. Zunahme des Luftdrucks über 760 mm
(bezw. der entsprechenden Säuerst offspannung) bedingt bis ca. 21/* At-
mosphären Verlangsamung, dann aber Beschleunigung des Wachsthums,
sodass das letztere zwei absolute Optima des Luftdrucks besitzt, welche
i. Der Luftdruck. 79
beide in bedeutendem Abstände der in der bewohnten Luftzone
herrschenden Druckverhältnisse sich befinden, das eine bei viel nie-
drigerer, das andere bei viel höherer Sauerstoffspannung.
Nach Jaccard bedingt Abnahme der Sauerstoffspannung nicht bloss
rascheres Wachsthum, sondern ausserdem reichere Verzweigung der
Axen und Wurzeln, sowie Grösserwerden der Blätter.
Wie beträchtlich die Förderung des Wachsthums durch Verdün-
nung der Luft ist, geht aus folgender Tabelle Jaccard's hervor, in
welcher R Wachsthum in Luft von 15 cm Druck, O solches bei nor-
malem Luftdruck bedeutet:
R. o.
1. Topinambur. Knollen mit 1 cm langen Trieben, in 8 Tagen 40 cm 4.5 cm
2. Vicia Faba, 3 — 4 cm hoch, in 8 Tagen 22 cm 0.8 cm
3. Oxalis crenata, Knollen mit 2 hohen Trieben . . . . 35 cm 3.5 cm
4. Bellis perennis, 3 — 4 cm hohe Pflänzchen, in 15 Tagen . 10 cm 6 cm
5. Veilchen, 3 cm hohe Pflänzchen in 15 Tagen .... 8 cm 6 cm
6. Küchenzwiebel, mit 3 — 3'/^ cm hohen Trieben in 10 Tagen 16 cm 6 cm
Schwächere Verdünnungen üben entsprechend geringere Wirkungen
aus und wurden trotz ihrer grösseren Bedeutung für das Pflanzenleben
in der Natur, durch Wieler und Jaccard, kaum oder gar nicht berück-
sichtigt. Nur in einem Versuche des letztgenannten Forschers mit
Weizenkeimlingen kam ein Druck von 35 cm zur Anwendung. Die
Versuchspflanzen erreichten in 23 Tagen eine Länge von 20 cm anstatt
17^2 cm bei gewöhnlichem Luftdruck.
So starke Luftverdünnungen wie in den meisten Versuchen Wieler's
und Jaccard's zeigen sich in der Natur nur auf den höchsten Gipfeln
des Himalaya, z. B. auf dem 8839 m hohen Gaurisankar, wo, die Luft-
temperatur am Meeresniveau gleich 25 ° C. gestellt, ein Druck von
26 cm herrscht. Der Luftdruck von 35 cm, bei welchem der oben
erwähnte Versuch mit Weizenkeimlingen angestellt wurde, entspricht
ungefähr dem Niveau von 6000 m, wo im Tibet noch eine stattliche
phanerogamische Pflanze, die im Abschnitt über die Höhenvegetation
besprochene und abgebildete Saussurea tridactyla, ihren normalen
Standort hat. Es erscheint demnach keineswegs ausgeschlossen, dass
einiger Pflanzenwuchs, wenn auch nur kryptogamischer, noch beträcht-
lich höher vorhanden sei. Auf jeden Fall jedoch sind die Pflanzen, die in
solcher Höhe vorkommen, dass ihr Wachsthum in Folge des geringeren
Luftdrucks eine merkliche Beschleunigung gegenüber dem Tieflande
erfahren würde, nach den bisherigen Erfahrungen zu urtheilen, sehr
wenig zahlreich. Eine definitive Beantwortung der Frage ist übrigens
erst von Versuchen mit typischen Höhenpflanzen zu erwarten.
Wenn auch nicht direkt, so haben doch indirekt die Unterschiede
des Luftdrucks in verschiedener Höhe hervorragende pflanzenphysiolo-
8o IV. Die Luft.
gische Bedeutung, indem Feuchtigkeit, Wärme und Licht von dessen
Grösse abhängig sind. Die Modificationen , welche die letztgenannten
Factoren in Folge der Abnahme des Luftdrucks erleiden, bedingen
die an späterer Stelle zu besprechenden Einflüsse des Höhenklimas auf
die Vegetation.
2. Die Luft in den Gewässern.
Die im Wasser gelöste Luft ist procentig reicher an Sauerstoff und
viel reicher an Kohlensäure als diejenige der Atmosphäre. Dennoch
ist die der Pflanze zur Verfugung stehende Sauerstoffmenge in ersterem
geringer als in letzterem. Nach Forel enthält ein Liter Wasser an der
Oberfläche des Genfer Sees:
0
N
CO2
bei 5° C
73 cc
13.6 cc
0.6 cc
bei 2o°C
5-7 „
10.7 „
0.3 ,1
Da die Luft im Wasser nur sehr langsam diffundirt, so kann bei
fehlender Bewegung Sauerstoffmangel leicht eintreten. Die Pflanzen stiller
Gewässer sind dementsprechend mit Vorrichtungen zur möglichsten Aus-
nutzung der erreichbaren Sauerstoffmengen, und zwar sowohl der im
Wasser gelösten als der bei der Kohlensäureassimilation gebildeten,
ausgerüstet, während diejenigen stark bewegter Gewässer, wo die
Durchlüftung eine viel ausgiebigere ist, derartige Anpassungen nur in
geringerem Grade aufweisen. #
Die im Verhältniss zur Masse beträchtliche Grösse der Oberfläche
der Wasserpflanzen hängt offenbar in erster Linie mit den Bedürfnissen
der Sauerstoffaufnahme zusammen. Einen interessanten Beleg zu Gunsten
dieser Anschauung lernte ich durch meinen Collegen und Freund Noll
kennen. Derselbe cultivirte Caulerpa prolifera im stillen Wasser eines
Aquariums und erhielt auf diese Weise vollkommen gesunde, aber
höchst eigenartig modificirte Pflanzen (Fig. 43). Die sogenannten
Blätter, die unter normalen Bedingungen bekanntlich zungenformig und
ganzrandig sind, lösen sich bei solchen Aquariumexemplaren in zahl-
reiche dünne Zipfel auf, wodurch natürlich eine beträchtliche Vergrösse-
rung der Oberfläche stattfindet. Der Unterschied erinnert ganz auffal-
lend an den zwischen Wasserblättern und Luftblättern vieler Wasser-
pflanzen existirenden.
Die ungünstigen Bedingungen der Sauerstoffzufuhr führten bei den
Wasserpflanzen zu einer beträchtlichen Weiterentwickelung der bereits
bei den festländischen Ancestralformen vorhanden gewesenen Luft-
gänge. Letztere stellen bei den Wasserpflanzen geräumige Röhren
dar (Fig. 44) , welche den von den assimilirenden Zellen gebildeten
2. Die Luft in den Gewässern.
81
Sauerstoff den Verbrauchsorten, d. h. den nicht grünen athmenden
Theilen zuführen. l)
Holzgewächse, deren Wurzeln und Stammbasen sich in stagniren-
dem und daher schlecht durchlüftetem Wasser befinden, sind mit Vor-
richtungen zur Sauerstoffaufnahme aus der Atmo-
sphäre versehen. So ist der Stamm mancher sumpf-
bewohnenden Bäume an seiner Basis stark ange-
schwollen und in Folge des Auseinanderreissens der
Gewebe, in der Mitte hohl ; die Höhlung stellt einen
Luftspeicher dar, welcher durch Lenticellen und Inter-
cellularen mit der Atmosphäre zusammenhängt. In
der Regel jedoch stehen bestimmte Gewebe oder
sogar ganze Glieder in dem Dienst der Sauerstoff-
zufiihr und zeigen eine entsprechende Organisation.
Besonders verbreitet ist bei den Holzpflanzen
des nassen Bodens das zuerst von Schenck genau
geschilderte und in seiner Function klar erkannte
Aerenchym*), eine dem Kork homologe, aber
von demselben histologisch und ökologisch durchaus
abweichende Gewebeart. Dasselbe umhüllt die in
nassem Boden steckenden holzigen Stammtheile und
Wurzeln vieler Pflanzen mit einem mächtigen, schwam-
migen, rissigen Mantel (Fig. 45), welcher, anstatt des ganz fehlenden
Korks, vom Phellogen begrenzt wird. Solches Aerenchym (Fig. 46)
besteht aus locker verbundenen, zartwandigen , völlig unverkorkten
Zellen, zwischen welchen breite Inter-
cellulargänge ein continuirliches und
reich verzweigtes Durchlüftungssystem
bilden. Die Mündungen der Canäle
grenzen zwar in den zahlreichen Rissen £ty \ \ / \\l
direkt an das Wasser, doch dringt das
letztere in dieselben nicht ein. Das
Aerenchym ist nicht auf die benetzten
Theile beschränkt, sondern erstreckt
sich etwas über die Wasseroberfläche
hinaus. Doch nimmt es in der Luft
nach aufwärts schnell an Dicke ab
und geht in gewöhnlichen Kork über.
Zuweilen ist die Bildung des Aeren- Fig 44 Elatine AIsinastrum< Stamm.
chyms auf die Lenticellen beschränkt, querschnitt. Vergr. Nach H. Schenck,
Fig. 43- Caulerpa pro-
lifera im Aquarium,
mit Auswüchsen ver-
sehen. Nat. Gr.
l) VgL z. B. Schenck I, Göbel II. Bd. 2. Wasserpflanzen.
*) Schenck II.
S c h i m p e r , Pflanzengeographie.
82
IV. Die Luft.
Fig. 45. Querschnitt durch
den Stengel von Caperonia
heteropetaloides Müller Arg.
mit Aerenchymhülle. Nat. Gr.
Nach H. Schenck.
aus welchen es blumenkohlartig hervorquillt, während das übrige Phel-
logen auch unter Wasser typischen Kork erzeugt.
Die Durchlüftungsgewebe der Holzpflanzen sind nicht immer phel-
logenen Ursprungs. In manchen Fällen übernimmt die mächtig ent-
wickelte und von breiten Luftcanälen durchzogene primäre Rinde den
Transport des Sauerstoffs, welcher theils durch grosse Lenticellen aus der
Atmosphäre, theils aus dem Wasser entnommen
wird (Rhizophora, Bruguiera, Avicennia etc.).
Seltener befinden sich die Luftcanäle vornehm-
lich in der secundären Rinde (Laguncularia) *).
Endlich ist bei verschiedenen Leguminosen das
Holz als Luftgewebe entwickelt und besteht
aus dünnwandigen, luftfuhrenden , an Grösse
und Gestalt den Cambiumzellen ähnlichen Tra-
che'iden, welche durch offene Poren mit ein-
ander communiciren. Solches Luftholz bedingt
durch massige Entwicklung starke Anschwel-
lung der Stammbasen.
In vielen Fällen sind gewisse Seitenwurzeln als Sauerstoff-
pumpen ausgebildet und dieser Function entsprechend von anderen
Wurzeln abweichend gebaut. Derartige Athmungswurzeln oder Pneu-
matophoren (Jost) zeigen sich z. B. bei
den in seichten Gewässern der wärmeren
Zonen häufigen Sträuchern und Halb-
sträuchern der Gattung Jussiaea, wo sie
von Schenck näher untersucht wurden
(Fig. 47). Diese Gewächse bewohnen
seichte, ruhige Stellen der Gewässer
und entwickeln aus ihren im Schlamm
kriechenden Rhizomen theils positiv
geotropische, normale in den Boden drin-
gende Nebenwurzeln, theils anscheinend
nicht geotropische schwammige Ath-
mungswurzeln, die in Folge ihres Luft-
gehalts aufrecht im Wasser stehen und
ihr Längenwachsthum bei Erreichung der
Oberfläche abschliessen. Die Athmungswurzeln sind im Gegensatz zu
den Bodenwurzeln meist einfach, seltener corallenartig verzweigt und
von einem mächtigen, schneeweissen Aerenchymmantel umhüllt.
Derartige als Pneumatophoren wirkende Seitenwurzeln zeigen sich
Fig. 46. Caperonia heteropetaloides
Müller Arg. Aerenchym des Stammes,
quer. Vergr. 96. Nach H. Schenck.
*) Vgl. z. B. Schenck HI, Schimper, Karsten,
u. Göbel II, Bd. 2, S. 263.
-) Schenck m. 3) de Bary, S. 514
2. Die Luft in den Gewässern.
83
in mannigfacher Ausbildung noch bei vielen anderen Gewächsen. Sie
sind nicht immer untergetaucht, sondern ragen in der Mehrzahl der
Fälle, wenigstens zeitweise, in die Luft hinein und besitzen dann
entsprechend andere Eigenschaften als unter dem Wasser wachsende.
Die Structur solcher emporragender Athmungswurzeln ist fest, ihr Durch-
lüftungsgewebe ist nicht Aerenchym, sondern luftfiihrendes Kork- oder
Rindengewebe und ihr aufrechter Wuchs ist nicht passiv, sondern
activ und durch negativen Geotropismus bedingt. Derartige Pneumato-
phoren stellen häufig sehr stattliche Gebilde dar, wie diejenigen von
Eugeissona tristis, einer auf nassem Boden wachsenden Palme , wo sie
Fig. 47. Jussiaea peruviana L. Mit Pneumatophoren (aw) unter dem Wasserniveau sp.
Va nat. Gr. Nach H. Schenck.
i!/2 m Höhe und 3 bis 5 cm Dicke erreichen, wie die eigenartigen
„Kniewurzeln4 * der Sumpfcypresse , Taxodium distichum (Fig. 48), die
in Grösse und Gestalt von Zuckerhüten aus dem oft überschwemmten
Boden südlich - nordamerikanischer Sümpfe hervorragen, oder die in
mannigfacher Weise modificirten Wurzelbildungen der Sträucher und
Bäume der Mangrove, welche in einem späteren Capitel, im Zusammen-
hang mit der eben erwähnten tropischen Formation, geschildert wer-
den sollen.
Die ökologische Bedeutung der Durchlüftungsgewebe und Pneuma-
tophoren ist bis jetzt vornehmlich aus morphologischen Merkmalen
gefolgert worden und wäre daher hypothetisch geblieben, wenn
6*
84 IV. Die Luft.
G. Karsten und Greshoff sie nicht für einen Fall, nämlich für die Pneu-
matophoren von Bruguiera eriopetala, im Botanischen Garten zu Buiten-
zorg nachgewiesen hätten. Es ergab sich für den untersuchten Pneu-
matophor eine „überaus grosse Arbeitsleistung", nämlich eine sehr
starke Ausscheidung von Kohlensäure (einmal über 45 cm in einer
Stunde), welche, wie der Vergleich mit der Athmung des ganzen
Wurzelsystems einer jungen Pflanze zeigte, ganz unverständlich sein
würde, „wenn man das erhaltene Resultat nur auf die Thätigkeit des
zu Tage liegenden Stücks Wurzel beziehen wollte". Nur die Annahme,
dass die untersuchte Wurzel als Austrittsstelle für einen grösseren Theil
des Wurzelsystems dient, macht die hohen Zahlen verständlich.
3. Der Wind.
Die Vegetation windiger Gegenden zeigt manche Eigentümlich-
keiten, die theils als unmittelbare Windwirkungen, theils als Anpas-
sungen an solche aufzufassen sind. Derartige Einflüsse der Luftbewe-
gungen treten sowohl in der vegetativen wie in der reproduktiven
Sphäre zum Vorschein.
§ 1. Wind und Baumwuchs. Landschaften mit beinahe constant
stark bewegter Atmosphäre, wie flache Küsten und Inseln, welche den
ersten Anprall des Seewindes erhalten, oder hochgelegene freie Stellen
der Gebirge, sind im Allgemeinen durch abnormen Baumwuchs, wenn
solcher überhaupt vorhanden, charakterisirt, während die niedrige Vege-
tation einen Einfluss des Windes nur wenig oder gar nicht zeigt.
Der Unterschied zwischen baumartigem und niedrigem
strauch-krautartigem Wuchs in Bezug auf die Wind-
wirkungen ist durch die Zunahme der Luftbewegung mit
steigender Entfernung vom Boden bedingt.
Nach den Messungen Stevenson's in Edinburgh zeigen die Ge-
schwindigkeiten des Windes folgende Unterschiede mit zunehmender
Höhe1):
Höhe in '
Geschwindigkeit
t in engl.
Meilen
I.
IL
III.
%
6.9
9.2
22.2
4
9.8
12.4
25.6
9
10. 1
13.8
316
14
io-5
14.3
33-7
25
n-3
J5
37.1
51
12. 1
16.3
42.7
Van Bebber. S. 152 u. f.
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3. Der Wind.
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Fig. 49* Bananen (Musa sapientum). Ceylon. Im Vordergrunde: Manihot utilissima.
Nach einer Photographie.
86 IV. Die Luft.
Es ist auf Grund der vorstehenden Tabelle wohl begreiflich, dass
nur wenig über den Boden sich erhebende Gewächse die Wirkungen
der Winde weit weniger spüren, als hochwachsende, also in erster
Linie als Bäume.
Der Wind wirkt auf dieGewächse theils direkt durch
Zug und Druck, theils indirekt, durch Beschleunigung
der Transpiration, und diese Wirkungen sind um so
Fig. 50. Links Prunus spinosa, rechts Crataegus oxyacantha, durch den Einfluss des See-
windes verbogen und einseitig verzweigt. Nordküste von Seeland, Dänemark. Nach einer
Photographie von Herrn Prof. Dr. Warnring.
stärker, als die Pflanze höheren Wuchs besitzt oder
sich an höherem Standorte befindet.
Die direkte Beeinflussung des Pflanzenwuchses durch die Winde
zeigt sich meist nur da in augenfälliger Weise, wo letztere constant
und in bedeutender Stärke wehen. Es ist an solchen Standorten eine
gewöhnliche Erscheinung, dass Stämme und Aeste der Bäume durch
die herrschenden Winde von ihrer normalen Wachsthumsrichtung ab-
gelenkt werden, um der Windrichtung zu folgen (Fig. 50). Dass solche
Bäume auch direkte Beschädigung erleiden, wie Astbrüche, Zerfetzen
der Blätter u. s. w., ist selbstverständlich. Das Zerfetzen der Blätter
baumartiger oder hoher Gewächse und hochgewachsener Kräuter in
3. Der Wind.
87
Folge von Luftbewegungen kann jedoch auch als ganz normale nutz-
bringende Erscheinung auftreten, wie bei der Banane (Fig. 49) und
einigen anderen Pflanzen, deren riesige Blätter in der Jugend ganz-
randig sind und es an windstillen Orten auch bleiben, an mehr offenen
Stellen dagegen stets zerfetzt sind. Die Functionen der Blätter
werden dadurch in keiner Weise beeinträchtigt; die letzteren kommen
vielmehr durch die grössere Beweglichkeit der Segmente mit reich-
licheren Luftmengen in Berührung und erfahren eine entsprechende
Förderung ihres Gasaustauschs.
Erhebliche mechanische Beschädigungen durch besonders starke
Stürme sind häufiger in gewöhnlich windstillen als in gewöhnlich
Baümt]rUfppe*i^ £tm Waldchrn auf <UrJn«l Sylt
Fig. 51. Einfluss des Windes auf den Baumwuchs: Vertrocknete Aeste. Nach Borggreve.
windigen Gegenden, theils weil die in letzterem Falle von Stamm und
Zweigen angenommene Wuchsart einen Schutz bedingt, theils weil
ein continuirlicher Zug, wie Hegeler zeigte, Zunahme der
Festigkeit und der mechanischen Gewebe bedingt.
Die mechanischen Wirkungen des Windes sind keineswegs die
für die Oekologie hochwachsender, namentlich baumartiger Gewächse
am meisten in Betracht kommenden. Sie zeigen sich in ausgeprägter
Weise meist nur da, wo sehr starke und continuirliche Luft-
strömungen herrschen und bewirken auch in solchen Fällen vor-
nehmlich unschädliche Abweichungen von der normalen Gestalt.
Durch die mechanischen Wirkungen des Windes kann der vernich-
tende Einfluss, welcher den Baumwuchs in gewissen Gegenden ganz
88 IV. Die Luft.
ausschliesst1) und sich vornehmlich im Winter geltend macht, nicht erklärt
werden. Der Wind muss vielmehr, wie Focke es zuerst aussprach,
eine direkt tödtende Eigenschaft besitzen. Davon zeugen „die zahl-
reichen, kurz und starr aufstrebenden Aeste, die in exponirten Lagen
an der Oberseite der Sträucher und an den Baumkronen und zwar
hauptsächlich an deren Windseite zu sehen sind, ohne jedoch Spuren
äusserer Beschädigung erkennen zu lassen."2) (Fig. 51.)
Die direkt tödtende Wirkung wird, wie namentlich Kihlman zeigte,
durch übermässige Förderung der Transpiration durch den Wind ver-
ursacht. Weht der Wind gar während des Frostwetters, also zu einer
Zeit, wo ein Ersatz des Wasserverlustes durch Zufuhr aus dem Boden
und dem Stamm unmöglich ist, so wird die Wirkung leicht eine ver-
heerende. Frostschäden sind, wie bereits früher gezeigt wurde,3)
meist nicht auf die Temperatur an sich, sondern auf Austrocknung
während des Frostes zurückzuführen.
Verdunstung ist allerdings ganz allgemein schwächer bei tiefer als
bei hoher Temperatur, doch kommt trockenen, kalten Winden eine
auffallend grosse wasserentziehende Kraft zu. Ein drastisches Beispiel
wird von Middendorff erwähnt, der einen gewaschenen, steifgefrorenen
Lederhandschuh ausserhalb des Zeltes bei windigem Frostwetter aufhing
und nach einer Stunde völlig ausgetrocknet fand.
Die trocknenden Wirkungen des Windes und ihre resultirenden
Folgen sind, wie in einem späteren Kapitel4) gezeigt werden soll, von
grosser geographischer Bedeutung, indem sie die Grenze des Baum-
wuchses polwärts und in vertikaler Richtung bedingen.
§ 2. Der Wind und die Reproduktion. Die Flora offener, windiger
Landschaften zeigt nicht minder als in den vegetativen, auch in den
reproduktiven Funktionen den Einfluss der Luftbewegungen. Wind-
blüthigkeit, d. h. Anpassung an Bestäubung durch den Wind ist an
offenen Standorten, wo die Luft bewegt zu sein pflegt, weit häufiger
als im windstillen Innern der Wälder. Die Hauptmasse, wenn auch
nicht der Artenzahl nach, der Grasflur- und Sumpfgewächse sind Wind-
blüthler, wie Gräser, Seggen, Binsen, Arten von Plantago, Sanguisorba,
Thalictrum etc. Auch hohe Bäume sind in vielen Fällen auf Wind-
bestäubung angewiesen, wie die Coniferen und die meisten Amentaceen.
Hingegen sind die Sträucher und Kräuter des Waldes vornehmlich
Insektenblütler. Am klarsten jedoch wurde der Zusammenhang
zwischen Wind und Windblüthigkeit für die Küsteninseln der Nordsee
J) So sagt z. B. Borggreve: „Vielfach hört man z. B. die Behauptung aufstellen, dass
eine Bewaldung der schleswigschen Westküsten und Inseln durchaus unmöglich sei/4 (S. 251.)
9) Kihlman S. 68.
•) S. 45.
4) Zweiter Theil. I. Die Formationen.
3. Der Wind. 89
nachgewiesen, z. B. auf Spiekeroog, wo W. J. Behrens im Mai ein
Drittel der blühenden Arten mit anemophilen Ausrüstungen versehen
fand. Dieselben zeigten sich namentlich in der Nähe des Wattlands,
wo die Winde heftig wehen, während die insektenblüthigen Arten,
zusammen mit ihren Bestäubern, die ruhigen Standorte bewohnten.
Im Kapitel V (Die Thiere) sind die Beziehungen zwischen insularen
Standorten und Bestäubungsart des näheren besprochen.
Deutlicher noch als bei der Bestäubung zeigt sich bei den Aus-
säungsvorrichtungen ein Zusammenhang mit dem gewöhnlichen
Grade der Luftbewegung des Standorts. Anemophile Anpassungen
der Samen oder der die letzteren einschliessenden Früchte, wie winzige
Grösse, geringes specifisches Gewicht, Flügel- und Haaranhänge zeigen
sich vornehmlich in weiten ebenen Grasfluren (Steppen, Savannen), in
Wüsten, in offenen Sümpfen, an den offenen Standorten hoher Gebirge.
Da wird man in der Regel vergeblich nach Beeren suchen. Vor-
richtungen für den Transport durch Thiere fehlen zwar nicht; sie
weisen aber nicht auf beerenfressende Vögel hin, sondern auf die
fressenden Vierfüssler, in Sümpfen auch auf die thierische Nahrung
suchenden Sumpfvögel, an welche solche Samen äusserlich hängen
bleiben. Dagegen sind unter den Sträuchern und Kräutern der Wälder
und Büsche die Beerenfrüchte und andere Anpassungen an die Thiere
des Waldes gewöhnliche Erscheinungen. Hohe Bäume und Lianen
sind wiederum oft mit anemophilen Aussäungsvorrichtungen versehen,
und sogar manche der im Waldinnern wachsenden Epiphyten zeigen
ähnliches Verhalten. Die Samen oder Sporen der letzteren sind jedoch
so klein und leicht, dass die im Walde herrschenden schwachen vertikalen
Strömungen genügen, um dieselben in durchaus zweckentsprechender
Weise längs der Stämme und Aeste fortzubewegen, bis sie in Folge
ihrer Klebrigkeit an der Rinde hängen bleiben oder sich in Spalten der
Weiterbewegung entziehen.
Von der Regel, dass an sehr windigen Standorten anemophile
Aussäungsvorrichtungen überwiegen, bilden die Küsten eine Ausnahme.
Das Meer ist der Vehikel der Samen der meisten Strandhalophyten.
Pflanzenarten, deren Samen durch den Wind leicht fortbewegt werden,
aber im Meere sinken, würden sich auf dem Strande schwer behaupten
können, indem ihre Samen bald landeinwärts, wo Halophyten sich nicht
behaupten können, bald in das Meer, wo nur Schwimmvorrichtungen
vom Untergang retten, fortgeweht werden würden. Schwächere Luft-
bewegungen, welche für den Transport des Pollens genügen, kommen
den Samen weniger zu Gute, um so mehr, als der glatte lose Sand
die auf den Boden gefallenen anemophilen Samen nicht festhält, sondern
dem Spiele des Windes überlässt.
Die pflanzengeographisch wichtigste der an die anemophilen Aus-
90 IV. Die Luft.
säungsvorrichtungen sich knüpfenden Fragen, diejenige ihrer Leistungs-
fähigkeit, ist für grössere Entfernungen noch nicht endgültig ge-
löst worden. A. de Candolle und Kerner schätzen sie, wenigstens
für die Phanerogamen , sehr niedrig. Die Samen der letzteren sollen
durch den Wind nur auf kurze Entfernungen fortgetragen werden
können, während der erstgenannte Forscher für die Sporen der Kryp-
togamen die Möglichkeit eines weiteren Transports zugiebt. Danach
wäre die Verbreitung der Samen durch den Wind zunächst nur eine
lokale Erscheinung und würde erst durch ihre häufige Wiederholung
im Laufe der Generationen geographische Bedeutung erlangen. Zu
Gunsten dieser Ansicht lässt sich allerdings der Umstand geltend machen,
dass der Transport von Samen und Sporen durch den Wind über weite
Wasserflächen, z. B. nach oceanischen Inseln, trotz wiederholter Behaup-
tungen in diesem Sinne, noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden
ist. Andererseits lässt sich die Anwesenheit verschiedener Pflanzenarten
auf solchen Inseln nur durch die Annahme einer Vermittelung des
Windes erklären.
Dass eine Verbreitung von Samen durch den Wind über Meeres-
arme von mindestens 20 Seemeilen Breite thatsächlich stattfindet, wurde
von Treub nachgewiesen, welcher im Inneren der in solcher Entfernung
von Java befindlichen Insel Krakätau, drei Jahre nach der Eruption, die
dieselbe mit einer mächtigen Lavaschicht überströmt hatte, elf Farne,
zwei Compositen- und zwei Grasarten fand, deren Sporen, bezw. Samen
nur durch die Vermittelung des Windes dorthin gelangt sein konnten.
Demnach sind es in erster Linie Farne, welche von den Nachbar-
inseln aus das verwüstete Innere von Krakätau wieder besiedeln; es
sind aber auch Farne, welche die Hauptvegetation recenter vulkanischer
Inseln in grosser Entfernung von Continenten bilden, z. B. diejenige
von Ascension, welche kleine Insel beinahe ganz von Farnen bedeckt
ist. Die durch Meeresströmungen verbreiteten Pflanzen entbehren in
der Regel geeigneter Vorrichtungen, um in das Innere zu gelangen,
namentlich wo das letztere bergig ist und weit fliegende beerenfressende
Vögel kommen, ausser durch seltene Zufälle, erst wenn Bäume vor-
handen sind. Nur zwei phanerogamische Strandpflanzen wurden von
Treub auch im Innern nachgewiesen, Scaevola Koenigii und Tournefortia
argentea, deren Samen so klein und leicht sind, dass der Wind sie
bis auf die Berge fortbewegen konnte. Durch Thiere verbreitete Pflanzen
fehlten damals noch ganz.
Die Bedeutung der anemophilen Aussäungsvorrichtungen für die
Entstehung der Inselflora ist durch Treub's wichtige Beobachtungen
endgültig nachgewiesen worden.
Auswahl der Literatur. Ol
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1. Die physikalischen Bodeneigenschaften« Wassercapacität, capillare Wasser-
leitung, Durchlässigkeit verschiedener Bodenarten. 2. Chemische Bodeneigenschaften im
Allgemeinen. Wechselbeziehungen der physikalischen und chemischen Eigenschaften.
Wirkungen von Lösungen auf die Wasseraufhahme durch die Pflanze. Giftigkeit concentrirter
Lösungen. Schutzmittel der Pflanzen gegen zunehmende Concentration der Salzlösungen in den
Zellen. Verschiedene Wirkungen der Salze auf die Structur der Pflanze. 3. Das Chlor-
natrinm §. i. Vorkommen und Rolle in der Pflanze. Einfluss des Chlornatriums
auf die Pflanzenstructur. Xerophiler Charakter der Halophyten. Einfluss des Chlornatrium
auf die Eiweissbildung. Einfluss auf die Structur von Süsswasseralgen. §. 2. Die Halo-
phyten oder Salzpflanzen. Salzhunger. Vertheilung der Halophyten auf die Familien.
Ursprung der halophilen Lebensweise. Unfähigkeit der Concurrenz im Binnenlande. 4, Andere
leichtlösliche Salze. Alaun : Die Solfataren. Salpeter. 5« Der Serpentin. Serpentin-
pflanzen. 6. Der Oalmei. Galmeipflanzen. 7. Das Kalkcarbonat. §. i. Wirkungen
des Kalkcarbonats auf Stoffwechsel und Structur der Pflanze. Giftigkeit für
viele Pflanzen. Accommodation an kalkreichen Boden. Versuche und Beobachtungen Bonnier's
und Anderer. Art des Einflusses auf den Stoffwechsel. Experimentelle Culturen von Fliehe
und Grandeau. § 2. Kalkboden und Florencharakter. Kalkholde und kalkscheue
oder Kiesel-Pflanzen. Unbeständigkeit des Verhaltens der Pflanzen gegen Kalk. Thur-
mann's physikalische Theorie. Widerlegung derselben. Erklärung der Unterschiede zwischen
Kalk- und Kieselflora und ihrer Unbeständigkeit Ungleiches Verhalten nahe verwandter
Arten. Parallelformen auf kalkreichem und kalkarmem Boden. Nägeli's Theorie. 8. Der
Humus. §. I. Chemie und Physik des Humus. Aschenbestandtheile. Saurer und
milder Humus. Mull und Torf. §2. Die Mycorhiza. Endotrophische und epitrophische
Mycorhiza. Thismia Averoe nach P. Groom. Saprophyten. §3. Die chemischen
Unterschiede des Humus und die Flora. Ungleichheit des Florencharakters auf
ungleichen Humusarten. Grosse Exclusivität gewisser Pflanzenarten. Pflanzen des thierischen
Humus. 9. liebende Substrate. Die Parasiten. Abhängigkeit von der chemischen
Natur des Substrats.
1. Die physikalischen Bodeneigenschaften.
Die für das Pflanzenleben wichtigsten physikalischen Eigen-
schaften des Bodens1) sind viel weniger dessen früher überschätzte
Cohäsionskräfte , welche dem Wachsthum der unterirdischen Glieder
*) Vgl. namentlich Ad. Mayer 1. c.
94 V. Der Boden.
einen mehr oder weniger grossen Widerstand entgegensetzen als die
Adhäsions- und Capillaritätskräfte , welche dessen Wasser- und Luft-
gehalt reguliren. An verschiedenen Stellen eines Gebiets mit gleich-
massigen Niederschlägen ist der Boden trocken oder feucht, in zahl-
reichen Abstufungen, je nach seiner Wassercapacität, capillaren
Wasserleitung und Durchlässigkeit und diese Unterschiede
bedingen solche der Pflanzendecke.
Als volle Wassercapacität wird von Mayer die Menge
Wasser bezeichnet, welche vom Boden überhaupt aufgenommen wird,
und als absolute Wassercapacität diejenige, welche nach dem
Durchsickern des Ueberschusses festgehalten wird. Letztere, die für
das Pflanzenleben wichtigste, ist in erster Linie von der Grösse des
Kornes abhängig. Ein grober Sandboden z. B. hat eine absolute
Wassercapacität von 13,7 °/0 Vol., ein echter Thonboden eine solche
von 40,9 °/0 Vol. Der Wassercapacität umgekehrt verhält sich die
Luftcapacität , indem die nicht von Wasser gefüllten Poren luft-
haltig sind.
Die Durchlässigkeit des Bodens schliesst sich eng an dessen
Wassercapacität an. Besonders durchlässig sind die grobkörnigen
Bodenarten, während feinkörnige, namentlich der Thon, sich durch
grossen Filtrationswiderstand auszeichnen und über ihre Capacität
Wasser aufnehmen.
Die capillare Wasserleitung oder wasseraufsaugende
Kraft, eine nicht minder wichtige Eigenschaft des Bodens, wird
gemessen an der Geschwindigkeit, mit welcher getrocknete Erde sich
bis zu einer bestimmten Höhe mit Wasser vollsaugt, wenn sie mit
solchem in Berührung kommt. Den Thonboden kommt die grösste
Fähigkeit der Wasserleitung zu. Daran schliessen sich humöse Erden
und Sandböden , während Gyps und Kreide die geringste wasser-
aufsaugende Kraft aufweisen.
Die Bedeutung der physikalischen Unterschiede der Bodenarten
für das Pflanzenleben kann in folgenden Sätzen zusammengefasst
werden :
1) Humusreiche feinkörnige Böden mit hinreichend
durchlässigem Untergrund besitzen eine mittlere, für das
Pflanzenleben im allgemeinen günstige Feuchtigkeit. Auf solchen
Böden kommen Gehölz und Grasflur zu ungehinderter Ausbildung.
2) Humusarmer Sandboden mit durchlässigem, z. B. kiesigem
Untergrunde lässt zwar bei jedem Regenfalle eine tiefgehende
Durchnässung zu, trocknet aber beim Aufhören des Regens schnell.
Auf solchem Boden werden daher in einem Klima von mittlerer
Feuchtigkeit nur die weniger wasserbedürftigen xerophilen Pflanzen
wachsen.
i. Die physikalischen Bodeneigenschaften. qc
3) Noch ungünstigere Bedingungen stellt humusarmer fein-
körniger Kalkboden dar, da solchem nur geringe wasser-
aufsaugende Kraft zukommt. Auf derartigem Boden ist die Vegetation
in der That ganz ausgesprochen xerophil, während auf humusreichem
Kalkboden der hygrophile Charakter, wenn er dem Klima entspricht,
unbeeinträchtigt zum Vorschein kommt.
4) Thon besitzt von allen Böden die grösste wasseraufsaugende
und wasserenthaltende Kraft. In trockenen Gebieten, z. B. in den
Mediterranländern, wird der Thon wegen solcher Eigenschaften hoch
geschätzt, während in feuchten Gebieten, z. B. in Westeuropa, Boden-
arten von gerade entgegengesetzten Eigenschaften, vorgezogen werden,
weil Thonböden bei reichen Niederschlägen über ihre absolute Capacität
Wasser aufnehmen.
5) Das letztere führt zur Versumpfung, welche auch auf Kalk-
boden eintreten kann und welche namentlich wegen der Stagnation
des Sauerstoffs1) dem Pflanzenleben ungünstige Bedingungen bietet.
Trotz ihrer hervorragenden Bedeutung vermag die rein physi-
kalische Bodenanalyse die auf experimentellen Culturen beruhende
physiologische nicht ganz zu ersetzen. Vielmehr vermag nur das
Zusammengehen beider Methoden den Zusammenhang zwischen der
physikalischen Bodenqualität und dem physiologischen Vorgang der
Wasseraufnahme aufzuklären. Aus der Wassercapacität eines bestimmten
Bodens lassen sich noch nicht Schlüsse über die Wassermengen, welche
eine bestimmte Pflanze demselben zu entziehen vermag, ziehen. So
war z. B. in Versuchen von Sachs das Verhältniss der Wassercapacitäten
eines sandigen Buchenhumus, eines Lehms und eines reinen Quarzsandes
46:52,1:20,8, dasjenige der für eine Tabakpflanze disponiblen Mengen
aber 33,7:44,1 : 19,3. Mit anderen Worten, derjenige Theil der wasser-
anziehenden Kraft des Bodens, die von der Saugkraft der Wurzeln
nicht mehr überwunden werden kann, war nach der Bodenart ver-
schieden und verhielt sich wie 12,3:8:1,5.
Diese Verhältnisse wurden in neuerer Zeit von Gain für mehrere Boden-
arten und drei Pflanzenarten mit ungleichen Ansprüchen an Feuchtigkeit
(Phaseolus vulgaris, Erigeron canadense, Lupinus albus) näher untersucht. Wir
gehen auf diesen Gegenstand hier nicht näher ein, weil seine Bedeutung für
die topographische Gliederung der Pflanzendecke zweifelhaft erscheint. Aller-
dings wird eine solche Bedeutung von Gain angenommen, welcher die che-
mischen Wirkungen des Substrats in weiterem Maasse, als es gewöhnlich ge-
schieht, auf die Ungleichheit der wasserhaltenden Kraft zurückführen will. So
nimmt der genannte Forscher z. B. an, dass der Wassergehalt des Bodens in
einem geographischen Gebiet auf 3°/0 sinken könnte; dann würden die zu
den Versuchen benutzen Pflanzenarten wohl in Sand oder Gartenerde, aber
») Vgl. S. 81.
96 V. Der Boden.
nicht in Humus, Thonerde oder Heideerde fortexistiren können. Die An-
nahme ist zwar hypothetisch berechtigt, für die Pflanzengeographie dagegen
bedeutungslos, da in jedem geographischen Gebiet zahlreiche Bodenqualitäten
mit sehr verschiedenem Wassergehalt vorkommen.
2. Chemische Bodeneigenschaften im Allgemeinen.
Chemie und Physik des Substrats greifen in mannigfacher Weise
in einander. Neben der Grösse des Kornes sind auch dessen chemische
Eigenschaften für die Adhäsions- und Capillarkräfte von maassgebender
Bedeutung. Gleich feinkörnige Böden verhalten sich z. B. ungleich,
je nachdem sie aus Thon, aus Kalk oder aus Quarz bestehen. Physi-
kalische Wirkungen werden auch durch die im Bodenwasser gelösten
Salze bedingt, indem letztere die osmotischen Vorgänge und da-
durch wiederum die Wasseraufnahme: beeinflussen. Wie bereits früher
gezeigt wurde, nimmt die Wurzel mehr Wasser in chemisch reinem
Zustande als aus Lösungen und es giebt für jede Pflanzenart eine
bestimmte, 3°/0 nur selten überschreitende Concentration , oberhalb
welcher die Wasseraufnahme durch die Wurzel aufhört. Ein an ge-
lösten Salzen reicher Boden stellt daher, auch wenn ganz durchnässt,
für das Pflanzenleben einen völlig trockenen Boden dar.1)
Allerdings mag bei Pflanzen, welche in ihren Zellen hohe Salz-
concentrationen unbeschädigt ertragen, durch Aufnahme von Salzen
aus dem Substrat eine gewisse Accommodation eintreten, welche es
solchen Pflanzen ermöglicht, ihr Wasserbedürfniss aus Lösungen
steigender Concentration zu decken. Die Bedeutung dieser Eigenschaft
für die Oekologie der Pflanzen ist jedoch unter natürlichen Bedingungen
geringer, als man es nach Laboratoriumsversuchen annehmen könnte,
da die Salzconcentration im Boden starken Schwankungen ausgesetzt
zu sein pflegt. So ist z. B. das Wurzelsystem einer Strandpflanze bei
Sonne und Regen, Sturm und Windstille, Ebbe und Flut abwechselnd
von ausgesüsstem und von reinem oder sogar von concentrirtem See-
wasser umspült.
Die gelösten Salze des Bodens üben nicht bloss bei ihrer Auf-
nahme, sondern noch, wenigstens soweit sie nicht verarbeitet werden, auf
ihrem ganzen Wege durch die Pflanze osmotische Wirkungen aus, welche
die Entwickelungsvorgänge mächtig beeinflussen können. So bedingen
bereits massig starke Salzlösungen, ähnlich wie Trockenheit, das
Schliessen der Spaltöffnungen vieler Pflanzen, namentlich solcher, die
salzarme natürliche Standorte bewohnen und beeinträchtigen dadurch
l) Vgl. S. 6.
I. Chemische Bodeneigenschaften im allgemeinen. gj
in hohem Grade die Kohlenstoffassimilation. J) Der vielfach beobachtete
retardirende Einfluss concentrirter Salzlösungen auf das Wachsthum ist
wahrscheinlich in erster Linie auf diesen Factor zurückzuführen.
Die Unentbehrlichkeit gewisser Mineralstoffe des Bodens, nämlich
der Salpeter-, Phosphor- und Schwefelsäure, des Kali, des Kalks und der
Magnesia, sowie des Eisenoxyds für den pflanzlichen Organismus beruht
nicht auf ihren physikalischen, sondern auf ihren chemischen Eigen-
schaften. Theils werden ihre Elemente zu solchen des Protoplasma,
theils spielen sie eine zwar secundäre, aber doch nothwendige Rolle
im Stoffwechsel.
Nicht allein die der Pflanze unentbehrlichen Stoffe vermögen den
Chemismus zu beeinflussen. Auch solche, die durchaus entbehrlich
sind, üben, falls sie aufgenommen werden, neben den physikalischen,
chemische Wirkungen aus, welche den pflanzlichen Organismus bald
in günstiger, bald in ungünstiger, bald in zwar sichtbarer, aber
ökologisch anscheinend indifferenter Weise beeinflussen. Ueber eine
gewisse Concentration hinaus sind jedoch alle in grösserer Menge in
die Pflanze eindringenden und nicht oder nicht alsbald assimilirten
Stoffe giftig. Der Concentrationsgrad, bei welchem eine
Lösung anfängt giftig zu wirken, ist nach der chemischen
Natur derselben und nach der Pflanzenart verschieden.
Die ungleiche Widerstandsfähigkeit der Arten bedingt
zum grossen Theile die Unterschiede der Flora auf che-
misch ungleichen Substraten.
Ausser den eben erwähnten relativ einfachen und unmittelbaren
physikalischen und chemischen Wirkungen üben die Salze einen bald
mehr, bald weniger sichtbaren indirekten Einfluss auf die Structur des
pflanzlichen Organismus. Leicht lösliche Salze rufen allgemein Schutz-
mittel gegen die Transpiration hervor, welche mit den auf trockenem
Boden eintretenden übereinstimmen und ökologisch zunächst auf die
erschwerte Wasseraufnahme zurückzuführen sind.2) Solche Schutz-
mittel zeigen sich zwar sowohl, wenn das gelöste Salz ein Nährsalz
ist, wie z. B. Salpeter, als wenn es nutzlos und nicht assimilirbar ist,
wie z. B. Chlornatrium. Doch wirken Salze im letzteren Falle schon
bei schwächerer Concentration und mit grösserer Intensität, was darauf
hinweist, dass die Schutzmittel gegen Transpiration der zunehmenden
Concentration eines bald giftig wirkenden Salzes entgegentreten sollen
und daher bei schädlichen Salzen schneller eintreten, als es die
erschwerte Deckung des Transpirationsverlustes in Folge des Salz-
gehalts des Substrates für sich allein nothwendig machen würde.
*) Stahl.
*) Vgl. S. 6.
Seh im per, Pflaniengeographie.
98 V. Der Boden.
Während die Schutzmittel gegen Transpiration sich nur in ihrem
früheren oder späteren Eintreten von den chemischen Unterschieden
der aufgenommenen Stoffe beeinflusst zeigen, machen sich die letzteren
in bestimmten specifischen Wirkungen geltend, welche vielleicht mit den
von gewissen Pilzen an ihren Wirthspflanzen hervorgerufenen Ver-
änderungen vergleichbar sein dürften. Manche der in solcher Weise
hervorgerufenen Modificationen der Pflanzenstructur haben einen ent-
schieden pathologischen Charakter und kommen in der Natur nur
ausnahmsweise oder niemals vor. Andere hingegen beeinträchtigen die
Lebensfähigkeit der Pflanze in keiner Weise und sind für das Ver-
ständniss der Florenunterschiede auf chemisch ungleichem Boden von
hervorragender Bedeutung. Zu diesen letzteren Veränderungen gehören
diejenigen, welche, abgesehen von den vorher erwähnten Schutz-
einrichtungen gegen Transpiration, Chlornatrium, Zinksalze, Serpentin
(ein Magnesiasilikat) und Kalkcarbonat in der Pflanzenstructur
hervorrufen.
3. Das Chlornatrium,
§ I. Vorkommen und Rolle des Chlornatrium in der Pflanze.
Dem Chlornatrium kommt, wie Culturversuche auf künstlichen Nähr-
substraten, namentlich solche mit Nährlösungen gezeigt haben, eine
Bedeutung als Nährstoff für die grosse Mehrzahl der Pflanzen nicht zu.
Doch hat sich dasselbe als nothwendig für die normale Entwicklung
von Fagopyrum esculentum erwiesen und es ist wahrscheinlich, dass
das Gleiche noch von anderen Pflanzen gilt, da die Zahl der Arten,
mit welchen solche Versuche angestellt worden sind, eine relativ
kleine ist.
Die Gewächse, welche ein Bedürfniss nach Chlornatrium besitzen,
können dasselbe in jedem natürlichen Boden befriedigen, indem es
sich dabei wohl stets um geringe Mengen handelt. Thatsächlich
nehmen sämmtliche Pflanzen, welchen Chloride, d. h. vornehmlich
Chlornatrium, geboten werden, solche auf, manchmal in nicht un-
beträchtlicher Menge, auch wenn sie, wie experimentell festgestellt,
ohne dieselben ganz normal gedeihen.
Die Chloride scheinen in organische Verbindungen nicht ein-
zutreten, sondern bleiben unverändert im Zellsaft der Parenchyme und
der Oberhaut, wo sie mikrochemisch leicht nachweisbar sind.1)
Geringe Mengen Chlornatrium (und Chlorkalium) werden anscheinend
von allen Pflanzen ohne Schaden ertragen. Begiesst man dagegen den
!) Schimper I.
3. Das Chlornatrium. gg
Boden mit einer zwei- bis dreiprocentigen Kochsalzlösung, so gehen
die meisten Arten in kurzer Zeit zu Grunde. Es persistiren nur die
Halophyten, d. h. die auch in der Natur an salzreichen Standorten, z. B.
auf dem Meeresstrande wachsenden Gewächse und einige Nicht-
halophyten mit ausgeprägten Schutzmitteln gegen Transpiration. Der-
artige Gewächse gedeihen auf einem von Meerwasser (2,7 — 3,2 °/0
Chlornatrium) durchtränkten Boden vortrefflich und speichern, nament-
lich in ihren Stengeln und ihrem Laube, beträchtliche Salzmengen auf.
Bei weiter steigender Concentration der Lösung gehen allerdings auch
diese Arten nacheinander zu Grunde.
Nach Wolfls Aschentabellen wurden für den procentischen Chlorgehalt der
Asche einiger Halophyten des Meeresstrandes folgende Zahlen festgestellt : Armeria
maritima 12.69 bis *5 IO> Artemisia maritima 26.68, in der Wurzel jedoch
nur 1.99; Aster Tripolium: Blätter 43.00, Stengel 49.90, Blüthen 19,10;
Chenopodium maritimum 44.06, Stengel 47.08; Arenaria media 36.55 ; Plantago
media 43.53. Die mikrochemische Prüfung auf Chlornatrium ergab mir für
die grosse Mehrzahl der Strandgewächse Java's1), allerdings nicht für alle,
intensive Reactionen.
Der Chlorgehalt der Asche von Binnenlandpflanzen pflegt 5 °/0 nicht zu
überschreiten; allerdings giebt es Ausnahmen.
Chlornatrium wirkt auf den pflanzlichen Organismus theils physi-
kalisch, indem es, wie alle Salzlösungen, die osmotische Wasser-
aufnahme durch die Wurzel erschwert, theils chemisch, indem es nach
seinem Eintritt in die Zellen, den Stoffwechsel beeinflusst.
Systematisch ausgeführte Culturen behufs Untersuchung des Einflusses des
Chlornatriums auf die Structur der Gewächse wurden zuerst von P. Lesage
ausgeführt, mit dem Ergebnisse, dass in der Mehrzahl der Fälle dasselbe
Verkleinerung der Blattoberfläche, Zunahme der Blattdicke, Verlängerung
der Palissaden und Reduction der Intercellularen bedingte. Auch Zunahme
der Behaarung wurde von Lesage in einigen Fällen beobachtet.
Culturversuche und eingehende Untersuchungen der malayischen Strand-
flora führten mich zu dem Schlüsse, dass die morphologischen Eigen-
tümlichkeiten, welche die Halophyten auszeichnen, mit
denjenigen ausgesprochener Xerophyten übereinstimmen,
auch da, wo dieselben in nassem Boden, z. B. in den Strand-
sümpfen wachsen.2)
Es giebt kaum eine der zahlreichen Eigentümlichkeiten , die bei den
Xerophyten trockener Klimate und trockener Böden als Schutzmittel gegen
Transpiration aufgefasst werden, die den Halophyten fehlte und zwar ganz
unabhängig davon, ob der Boden mehr oder weniger nass ist, denn die Menge
des Salzes ist in solchen Fällen allein maassgebend. So finden wir bei den
Halophyten die Reduction der transpirirenden Oberfläche wieder,
») Schimper II.
*) Vgl. auch S. 7 u. f.
7*
IOO V. Der Boden.
die bei den Xerophyten im bisherigen Sinne so häufig ist, und zwar sowohl
in der äusseren Gestalt als in der Verkleinerung der Intercellularen ausgeprägt.
Ferner sind bei den Halophyten mehr oder weniger verbreitet: Profil-
stellung des Laubes, reiche Behaarung, dicke Aussenwand
der Epidermis, Speichertracheiden in den Blättern, vertiefte
und mit Schutzapparaten versehene Spaltöffnungen, Schleim-
zellen, namentlich aber Wassergewebe. Letzteres ist besonders ge-
eignet, schädlichen Salzconcentrationen in den assimilirenden Zellen vorzubeugen
und nimmt dementsprechend, mit dem Alter der Blätter und der absoluten
Zunahme der Salze in den letzteren, an Mächtigkeit zu. Alle diese xerophilen
Eigenschaften der Halophyten erfahren auf gewöhnlichem Boden eine Ab-
schwächung, zum Theil verschwinden sie sogar gänzlich.
Neben der osmotischen ist auch eine chemische Beeinflussung des
Stoffwechsels durch das Chlornatrium unzweifelhaft vorhanden. Hansteen
hat es wahrscheinlich gemacht, „dass das Chlornatrium, wie auch das
Chlorkalium, in einer gewissen Beziehung zu der Eiweissbildung aus
Amiden und Kohlehydraten stehen. " Diese Rolle ist nicht immer die
gleiche, indem sie bald in einer Verzögerung, bald in einer Förderung
der Eiweissbildung bestehen soll. Jedenfalls werden durch concen-
trirtere Chloridlösungen abnorme Ernährungsverhältnisse und schliess-
lich schädliche und beträchtliche Störungen hervorgerufen. Solchen
schädlichen Wirkungen treten die Schutzmittel gegen Transpiration
entgegen, indem sie die Zunahme der Concentration im Sonnenlichte
verlangsamen. Allerdings nimmt der absolute Gehalt der Blätter an
Salz mit dem Alter zu, aber gleichzeitig wächst auch das Wasser-
gewebe und setzt die Concentration des Zellsaftes in den grünen Zellen
mit steigender Energie herab.
Die Schutzmittel gegen Transpiration beruhen auf Anpassung und
sind als nützliche Vorrichtungen im Laufe der Zeit allmählich gezüchtet
worden. Das Kochsalz ruft aber ausserdem mehr unmittelbare und
intensive structurelle Veränderungen hervor, welche, da sie sich bei
Pflanzen zeigen, die unter natürlichen Bedingungen in Salzwasser nicht
vorkommen und denselben einen nachweisbaren Nutzen nicht bringen, auch
nicht als Anpassungen gelten können. So beobachtete Richter an Algen
des Süsswassers, die er bei allmählich steigender Concentration in
Kochsalzlösungen cultivirte, ganz allgemein eine beträchtliche Grössen-
zunahme der Zellen und in manchen Fällen Veränderungen der Gestalt,
der Wanddicke, der Zelltheilung und der Structur der Chromatophoren.
Ob es sich dabei um specifische Kochsalzwirkungen handelt oder
ob andere Salze ähnliche Wirkungen hervorrufen, ist noch nicht
untersucht.
Ich hatte früher angenommen, dass das Kochsalz eine hindernde Wir-
kung auf die Assimilation, oder doch wenigstens auf Stärke- und Glycosebildung
ausübe. Die Annahme hat an Wahrscheinlichkeit wesentlich eingebüsst seit
3. Das Chlornatrium. lOI
dem durch Stahl geführten Nachweis, dass nicht halophile Pflanzen, wie die-
jenigen, mit welchen ich experimentirte , bei Anwesenheit grösserer Salz-
mengen in der Nährlösung ihre Spaltöffnungen schliessen und dadurch eine
wesentliche Einbusse der Assimilation erfahren. Die Vermuthung Stahl's, dass
die Halophyten stets offene unbewegliche Spaltöffnungen besitzen, ist nach
neueren Untersuchungen O. Rosenberg's nicht begründet. Ueberhaupt dürfte
die Rolle der Spaltöffnungen bei der Transpiration weniger gross sein, als es
Stahl annehmen zu können glaubt.
§ 2. Die Halophyten oder Salzpflanzen.1) Der Salzreichthum
der Halophyten ist nicht ausschliesslich durch denjenigen ihres Substrats
passiv bedingt, sondern beruht zum grossen Theile auf Salzhunger,
denn die in der Natur an solchen Standorten wachsenden Pflanzen
pflegen auch auf gewöhnlichem Boden grössere Mengen Chlornatrium
als die meisten Nichthalophyten aufzuspeichern. Es giebt allerdings,
auch unter den letzteren, einige Arten mit solcher Neigung, die sich
dann stets mit der Fähigkeit verbunden zeigt, grössere Mengen Salz
als andere Gewächse zu ertragen. Manche dieser salzliebenden Arten
des gewöhnlichen Bodens zeigen sich gelegentlich auf dem Meeres-
strand und an anderen Standorten, deren Salzreichthum andere Gewächse
fernhält.
So enthalten nach mehreren Analysen die Wurzeln von Beta vulgaris bis
35, 45 °/0 ihrer Asche an Chlor. Bei einer auf Sandstein gewachsenen Coch-
learia anglica wurden 41.7 o°/0 Chlor gefunden; Crambe maritima, auf gedüngtem
Boden gezogen, enthielt daran 15.46°/^ Apium graveolens bis 22.1 4°/0,
Asparagus officinalis, ein facultativer Halophyt, bis 1 5 °/0 ; Eryngium maritimum
bis 19.30°/^ In der Asche des Meerrettigs wurde allerdings für die Wurzel
nur 1.78%, für die Blatter 5.54% Chlor in der Asche gefunden. Die mikro-
chemische Prüfung auf Chlor der Blätter indischer Halophyten, die im Bota-
nischen Garten zu Buitenzorg ohne Salz cultivirt sind, ergab eine intensive
Reaction in 14 Fällen, eine nur schwache oder keine in 7 Fällen.
Bemerkenswerth ist, dass die Halophyten keineswegs gleichmässig auf
alle Pflanzenfamilien vertheilt sind, sondern vielmehr in gewissen Familien
reichlich, in anderen spärlich oder gar nicht auftreten. Gewisse Familien
bestehen vornehmlich aus Halophyten, wie die Chenopodiaceen, Frankeniaceen,
Plumbagineen , oder enthalten solche doch in sehr grosser Anzahl, wie die
Amarantaceen, Aizoaceen, Cruciferen, Tamaricaceen, Malvaceen, Euphorbiaceen,
Umbelliferen , Rhizophoraceen , Lythraceen, Papilionaceen , Convolvulaceen,
Compositen. Entschieden salzscheu sind z. B. die Amentaceen, Piperaceen,
Urticinen, die meisten Polycarpier, die Rosaceen, Melastomataceen, Ericaceen,
Orchideen, Araceen, Pteridophyten und Bryophyten.
Nach den bisherigen Untersuchungen hat es den Anschein, als wären
die Vertreter der zur Halophilie neigenden Familien im Allgemeinen chlor-
reicher, als diejenigen salzscheuer Familien. Der Vergleich des Gehalts an
*) Schimper II. Dort die ältere Literatur.
102 V. Der Boden.
Chlor beider Gruppen von Familien in Wolff's Aschentabellen spricht zu
Gunsten dieser Annahme. Doch ist das Material nicht reich genug, um end-
gültige Schlüsse zn gestatten.
Wie aus dem Vorhergesagten hervorgeht, vermögen die Halophyten
auch auf gewöhnlichem Boden, z. B. in Gartenerde, ohne Zusatz von
Kochsalz zu gedeihen. Ja, einige der gewöhnlichsten Culturbäume der
Tropen wachsen unter natürlichen Bedingungen nur auf dem Salzboden
des Meeresstrandes, z. B. Cocos nucifera, Cycas circinalis, Casuarina
equisetifolia , Terminalia Katappa, Erythrina indica, Calophyllum
Inophyllum etc. Es unterliegt keinem Zweifel, dass durch Vermittelung
des Windes, der Thiere, der Wasserläufe fortwährend Samen von
Halophyten auf nichtsalzigen Boden gelangen. Sie würden auf dem-
selben günstige Bedingungen finden, wenn die Concurrenten ihre
Ansiedelung nicht verhinderten.1) Die Concurrenz stärkerer Formen
schliesst aber die Halophyten von allen Standorten, mit Ausnahme der
salzreichen aus.
Selbstverständlich ist der Kampf um den Raum von jeher auf den
Böden, welche den meisten Pflanzenarten günstige Bedingungen bieten,
am heftigsten gewesen. Im Laufe der Zeit sind viele Sippen von den
bevorzugten Plätzen durch kräftiger gewordene Concurrenten verdrängt
worden. Manche dieser Besiegten gingen zu Grunde, während andere
ihre Fortexistenz bestimmten Eigenschaften verdankten, durch welche sie
befähigt wurden, ungesunde Ländereien zu colonisiren. So vermochten
solche unter den verdrängten Gewächsen eine Zuflucht auf Salzboden
zu finden, die bereits auf gewöhnlichem Boden die Gewohnheit an-
genommen hatten, Kochsalz reichlich aufzuspeichern und dadurch gegen
seine giftigen Wirkungen immun geworden waren. Auf Salzboden
gestattete die verminderte Concurrenz ihr Fortbestehen.
Die Eigenschaft, Salz aufzuspeichern und auf Salzboden unversehrt
zu existiren, macht natürlich an sich nicht untauglich, auch an mehr
bevorzugten Plätzen im Kampfe zu bestehen. Thatsächlich gibt es
eine Anzahl Pflanzenarten, die sowohl an salzreichen wie an salzarmen
Standorten vorkommen, wie Asparagus officinalis und Samolus Valerandi.
4. Andere leicht lösliche Salze.
Chlornatrium ist das einzige leicht lösliche Salz, welches auf
grossen Strecken in concentrirteren Lösungen den Boden durchtränkt.
Andere Salze von ähnlicher Löslichkeit treten nur lokal in grösseren
Mengen auf und ihre Wirkungen auf die Vegetation sind deshalb weniger
*) Vgl. z. B. (Seite 90) das Vorkommen von sonst exclusiven Strandhalophyten im
Inneren von Krakatau, wo die Concurrenz noch nicht existirt.
4. Andere leicht lösliche Salze. 5. Der Serpentin. IO3
bekannt. Das Vorhandensein grosser Mengen Alaun im warmen
sumpfigen Boden der Solfataren auf Java und in Japan bedingt das
Auftreten, mitten in Hygrophytengebieten, von xerophilen Pflanzen,
welche nicht, wie auf Kochsalzboden, theilweise eigenthümlich,
sondern aus den nächsten Standorten xerophiler Pflanzen zugewandert
sind; theils sind es Gewächse, die sonst als Epiphyten auf trockener
Rinde wachsen, theils Bewohner der kühlen trockenen alpinen Region.
Die Factoren , welche xerophile Structur zur Lebensbedingung der
Gewächse machen , sind offenbar dieselben wie beim Kochsalz :
Erschwerte Wasseraufnahme und Schädlichkeit der Salze in den
assimilirenden Zellen.1)
Salpeter ruft ebenfalls xerophile Structur hervor, jedoch erst bei
höherer Concentration und auch dann noch in weniger ausgeprägter
Weise als Kochsalz. Dieser Unterschied spricht zu Gunsten der
Annahme, dass die starke Ausbildung der xerophilen Structur bei
Kochsalzpflanzen theilweise Schutz gegen giftige Salzwirkungen liefern
soll und daher früher eintritt, als bei dem erst in .höherer Concentration
schädlichen Salpeter. Solche Concentrationen werden an nitratreichen
Stellen in der Regel nicht erreicht, wenigstens für solche Gewächse
nicht, welche, wie viele Solanaceen, Cruciferen, Chenopodiaceen, Fumaria,
Sambucus nigra etc. die Neigung haben, in ihren Geweben Salpeter
zu speichern und an solchen Stellen besonders luxurirendes Wachs-
thum aufzuweisen pflegen. Die Nitratfelder Amerika's dagegen
besitzen schon ihrer grossen Trockenheit wegen, eine entschieden
xerophile Flora.
5. Der Serpentin.
Der Serpentin, ein überaus wenig lösliches Magnesiasilikat wirkt auf
zwei Farnarten Mitteleuropa's, Asplenium viride und Asplenium Adiantum
nigrum derart ein, dass sie in abweichende, eine Zeit lang für
besondere Arten gehaltene Formen umgewandelt werden. Es ist
Sadebeck gelungen, durch Cultur auf gewöhnlichem Boden, Rückkehr
zur Stammform zu erzielen, jedoch erst in der sechsten Generation;
dagegen blieb der Versuch, durch Cultur auf Serpentin die beiden
Asplenia zur entsprechenden Gestaltänderung zu veranlassen, erfolglos.
Es handelt sich demnach offenbar um eine ausserordentlich langsam
vor sich gehende Beeinflussung. Die Abweichungen vom Typus sind
anscheinend rein „morphologische" ohne jeden erkennbaren Nutzen für
die Pflanze.
*) Vgl. Schimper L
104
V. Der Boden.
Asplenium adulterinum Milde, die Serpentinform des A. viride, nimmt
in mancher Hinsicht eine Mittelstellung zwischen diesem und A. Trichomanes,
z. B. dadurch ein, dass die Spindel unten braun, oben grün ist (Fig. 52.)
Seinen eigenartigen Habitus verdankt es der
starken Convexität der Blättchen und der senk-
rechten Lage derselben auf die Spindel ; die bei-
den verwandten Formen haben längliche flache,
der Spindel parallele Blättchen. Doch soll dieses
Merkmal, nach Lürssen, nicht constant sein.
Asplenium serpentini Tausch unterscheidet sich
von dem typischen A. Adiantum nigrum durch
an der Basis keilförmige Segmente und durch
zartere, mehr krautige, glanzlose, nicht überwin-
ternde Blätter.
Beide Formen müssen als ihrem Substrat
vollkommen angepasst gelten, denn sie gedeihen
auf demselben in grösster Menge und Ueppig-
keit. Asplenium adulterinum verdrängt auf Ser-
pentin beinahe ganz das gemeine Aspl. Tricho-
manes, während die Stammform, Aspl. viride,
nur ausnahmsweise beobachtet wurde; Das ty-
pische Aspl. Adiantum nigrum scheint auf Serpen-
tin ganz zu fehlen. So sagt Kalmus von dem
Fundort bei Einsiedel in Bezug auf Aspl. adul-
terinum und Aspl. Trichomanes, letzteres sei
ihm wie ein ganz kleines Völkchen erschienen,
welches von dem weit überlegenen Nachbar
und Stammesgenossen nur auf Gnade und Un-
gnade geduldet wurde und Milde berichtet
über dieselbe Pflanze: „Das erste, was mir
auffiel, war die bedeutende Dichtigkeit des
Wachsthums, theils bewirkt durch die grossen
Mengen, theils aber auch durch die colossalen
Stöcke, welche die Pflanze oft bildet. Nie
habe ich bei A. viride und A. Trichomanes
nur im entferntesten eine solche Massenhaftig-
Fig. 52. Asplenium adulterinum. keit des Wachsthums beobachtet . . . .". (Sade-
Nat. Gr. Nach Lürssen. beck, 1. c).
6. Der Galmei.
Die Wirkungen grosser Mengen schwerlöslicher Zinkerze (Zink-
carbonat und Kieselzinkerz, gewöhnlich als Galmei zusammengefasst)
auf die Gewächse sind denjenigen des Serpentins insofern ähnlich, als
sie ebenfalls bei einzelnen Pflanzen, in diesem Falle Viola lutea und
6. Der Galmei.
I05
Thlaspi alpestre erbliche Veränderungen hervorrufen, deren physio-
logischer und ökologischer Zusammenhang mit der Beschaffenheit des
Substrats sich jeder Deutung entzieht. Die so modificirten Pflanzen
wachsen auf Zinkboden in grosser Menge und Ueppigkeit und über-
schreiten dessen Grenze nicht.
Das Galmeiveilchen , Viola calamina-
ria Lej. (V. lutea var. multicaulis Koch)
(Fig. 52) unterscheidet sich von den an-
deren Formen der V. lutea durch die
reiche Verzweigung, die längeren Stengel,
die kleineren, übrigens in der Grösse
sehr schwankenden Kronen. Bei Thlaspi
calaminarium Lej. et Court, sind die Kron-
blätter breiter als in der Stammform, viel
länger als der Kelch, die Staubfäden kürzer
als dieser. Der Zinkgehalt des Bodens
hat also bei der einen Form Vergrösse-
rung, bei der anderen Verkleinerung der
Krone bewirkt.
Ausser seiner Einwirkung auf die Aus-
bildung einzelner Arten ist der Galmei-
boden auch durch die systematische Zu-
sammensetzung seiner Flora vor anderen
benachbarten Standorten ausgezeichnet.
Viola lutea fehlt im Rheinland gänzlich
und zeigt sich erst in der Umgebung von
Lüttich. Alsine verna, ebenfalls auf dem
Galmeiboden von Aachen häufig, ist von
ihren übrigen Wohnorten noch weiter ge-
trennt. Armeria vulgaris ist bei Aachen
an Zinkboden gebunden und Silene inflata
var. glaberrima fallt durch massenhaftes
Auftreten und grosse Ueppigkeit an den
zinkreichsten Stellen auf.
Die Pflanzen des Galmeibodens sind
in ihren sämmtlichen Theilen zinkhaltig. Risse
fand bei Thlaspi calaminare 13, i2°/0 Zink-
oxyd in der Asche der Blätter, während der Gehalt der Asche an Zink, von
Wurzel, Stengel und Blüthen mit 1,66, 3,28 und 3,24% resp. bestimmt
wurde. Bei Viola calaminaria und Armeria vulgaris fand Risse die grösste
Menge Zinkoxyd in der Wurzel (1,52, resp. 3,58°/0 der Asche).
Fig- 53« Viola lutea var. calaminaria.
Auf die Hälfte verkl.
7. Das Kalkcarbonat.
§ I . Wirkungen des Kalkcarbonats auf Stoffwechsel und Structur
der Pflanze. Unter den Kalkverbindungen des Bodens befinden sich
IOÖ V. Der Boden.
wichtige Nährsalze der Pflanze, wie die Kalksalze der Salpeter-, Phos-
phor- und Schwefelsäure, unlösliche, völlig indifferente Körper, wie
die Kalksilikate (Labrador, Kalkgranat etc.) und ein Salz, welches, ohne
zu den Nährstoffen der Pflanze zu gehören, doch deren Stoffwechsel
und, in Folge dessen, Charakter und Gliederung der Pflanzendecke be-
einflusst, der kohlensaure Kalk.
An Kohlensäure gebunden kommt der Kalk in der Natur als un-
lösliches, neutrales Kalkcarbonat C08Ca und als lösliches Doppel-
carbonat, C2OflH2Ca1) vor. Das erstere Salz kann, wegen seiner Un-
löslichkeit, in die Pflanze nicht eindringen: dagegen wird das saure
Salz, welches durch die Einwirkung kohlensäurehaltigen Wassers auf
das neutrale entsteht und daher steter Begleiter desselben im Boden
ist, wie Wasserculturen zeigen, von der Pflanze aufgenommen und dürfte
wahrscheinlich unzersetzt bis in die Wasserbahnen gelangen, dessen
Saft Kalkcarbonat zu enthalten pflegt. Hingegen ist es sehr wahrschein-
lich, dass das in den Zellmembranen activer Pflanzenorgane, oft reich-
lich aufgespeicherte Kalkcarbonat, z. B. dasjenige der Cystolithen, nach-
träglich aus anderen Kalkverbindungen, z. B. aus dem in Zellmembranen
stets vorhandenen Kalkpektat2) oder durch Umsetzung aus den kalk-
haltigen Nährsalzen (Nitrat, Sulfat, Phosphat) nachträglich entsteht. Die
Kalküberzüge vieler grüner Wasserpflanzen sind dagegen mit Sicherheit
auf Umsetzung des Doppelcarbonats und Fällung des unlöslichen neu-
tralen Salzes in Folge der Assimilation zurückzufuhren.8)
Kalkcarbonat ist in allen Böden und in allen Gewässern enthalten
und wird in geringer Menge von allen Pflanzen ertragen. Eine nach-
weisbare Beeinflussung der physiologischen Vorgänge ist in solchen
Fällen nicht vorhanden. Hingegen ist eine kalkreiche Nähr-
lösung für manche Pflanzenarten giftig, während sie von
anderen theils mehr, theils weniger gut ertragen wird.
Diejenigen Pflanzen, welche grosse Mengen Kalkcarbonat
ertragen, werden durch solche ebenfalls in ihrem Stoff-
wechsel beeinflusst und erfahren dadurch häufig sicht-
bare structurelle Veränderungen. Kalkcarbonat verhält sich
demnach ähnlich wie Chlornatrium, Serpentin und die Galmeisalze.
Die Giftigkeit des kohlensauren Kalks für viele Pflanzen ist am
leichtesten in der Wasservegetation festzustellen. Zufuhr kalkreichen
Wassers genügt z. B., wie es schon Sendtner nachwies, um in kurzer
*) Nach anderer Anschauung soll das Doppelcarbonat in der Natur nicht vorkommen,
kalkhaltiges Wasser soll vielmehr einfaches Kalkcarbonat und freie Kohlensäure enthalten.
Die Frage ist für die Pflanzengeographie ohne Bedeutung.
8) Die Bildung des Kalkpektats in activen Zellen ist gewiss auf ähnliche Vorgänge
zurückzuführen wie diejenige des Kalkoxalat, Kalkmalat u. s. w. Vgl. Schimper.
a) Pringsheim.
7. Das Kalkcarbonat. 107
Zeit die Sphagnum-Arten zu tödten und ist für andere Wassermoose
ein nicht minder heftiges Gift. Das gleiche scheint, nach ihrem con-
stanten Fehlen in kalkreichem Wasser zu schliessen, von vielen, sonst
gemeinen Algen zu gelten. Viele Pflanzen des Festlandes sind kaum
weniger empfindlich. So genügt, nach Christ, das blosse Begiessen mit
kalkreichem Wasser, um die meisten Begleiter der Torfmoose in Hoch-
mooren, z. B. Drosera, in kurzer Zeit zu tödten. Von Pflanzen anderer
Standorte verhalten sich, nach demselben Forscher, Blechnum spicant,
Allosoms crispus, Saxifraga aspera, Phyteuma hemisphaericum, Andro-
sace carnea und viele anderen ganz ähnlich. Kerner cultivirte verschie-
dene Pflanzen, die auf Kalkboden nie vorkommen, auf kalkreichem
Substrat: „Sie kränkelten und starben alsbald, ohne geblüht zu haben."
Unter den Bäumen ertragen z. B. die Edelkastanie und Pinus Pinaster
eine kalkreiche Bodenlösung nicht; auf die erstere soll, nach Chatin,
bereits ein dreiprocentiger Kalkgehalt des Bodens tödtlich wirken.
Diejenigen Pflanzen, welche grosse Mengen Kalk ertragen, ver-
danken, ähnlich wie die Salzpflanzen, diese Eigenschaft einer Accomo-
dation, welche, wie bereits erwähnt, oft mit sichtbaren structurellen
Modificationen verknüpft ist. Der Zusammenhang zwischen solchen
Veränderungen und dem Einfluss des Kalkes lässt sich ebensowenig,
sei es causalphysiologisch, sei es ökologisch erklären, als bei den Ver-
änderungen, die Kochsalzlösungen bei Algen hervorgerufen oder bei
der eigenartigen Rassenbildung gewisser Pflanzenarten auf Galmei- und
Serpentinboden. Vielleicht darf man, wie schon erwähnt, auch gewisse
Veränderungen durch parasitische Pilze (Euphorbia, Anemone etc.) zu
derselben Categorie chemischer Beeinflussungen rechnen.
Die ersten experimentellen Untersuchungen über den Einfluss des
Kalkes auf die Pflanzenstructur wurden von Bonnier ausgeführt, nach-
dem derselbe beobachtet hatte, dass Ononis Natrix auf kalkarmem
Boden eine andere Physiognomie besitzt als auf Kalkboden, welch' letz-
teren sie gewöhnlich vorzieht.
Um festzustellen, ob es sich bei diesem Unterschied um den Ein-
fluss des Kalkes handelte, wurden von Bonnier vergleichende Cultur-
versuche, bei welchen Samen eines und desselben Stockes zur Ver-
wendung kamen, auf kalkarmem (*/, Sand , x/2 Thon) und kalkreichem
(78 Kalk, 1js Sand) Boden angestellt. Die resultirenden Pflanzen waren
je nach der Beschaffenheit des Substrats von ungleichem Aussehen.
Sie bekamen auf dem kalkreichen Boden höhere, weniger ausgebreitete
Büschel, breitere Blätter, kürzere Kelchblätter und eine andere Färbung
als auf dem kalkarmen Boden. Auch histologische Unterschiede liessen
sich nachweisen. Die kalkarmen Pflanzen besassen ein verholztes Mark,
zahlreiche Fasern und dichtes Palissadengewebe in ihren Blättchen,
108 V. Der Boden.
während die auf Kalkboden gewachsenen ein unverholztes Mark, weniger
zahlreiche Fasern und lockeres Palissadengewebe aufwiesen.
Zahlreiche Beobachtungen an natürlichen Standorten, namentlich
solche von Fliehe und Grandeau, haben ebenfalls eine deutliche Ein-
wirkung des Kalkes auf die Pflanzenstructur erwiesen.
Fliehe und Grandeau beobachteten bei der Robinia Pseudacacia (Boden-
vag) des Waldes von Champfe'tu, je nachdem dieselbe auf kalkreichem oder
auf kalkarmem Boden gewachsen war, folgende Unterschiede: Das Holz
nimmt auf kalkarmem Boden nach dem siebenten, auf Kalkboden nach dem
neunten Jahre braune Färbung an. Die Rinde ist auf ersterem dünner und
dichter, der Splint hellbraun, während er auf Kalk gelblich ist, die Gefasse
sind zahlreicher und breiter. Im Holzparenchym ist Stärke auf kalkarmem
Boden reichlicher, Albuminate auf Kalk reichlicher. Die Hülsen sind auf
ersterem länger und namentlich breiter, von hellerer Färbung als auf Kalk.
Masclef untersuchte Exemplare von Pters aquilina, die in nächster Nähe
von einander auf Kalk- und Thonboden gewachsen waren. In ersterem waren
die Rhizome kürzer, mit zahlreicheren, dichteren Wurzeln versehen, ihr Reserve-
parenehym war schwächer, ihre Schutzgewebe stärker entwickelt.
Timbal-Lagrave und Malinvaud fanden, dass Asclepias Vincetoxicum auf
Kalk und auf kalkarmem Boden durch ungleiche Standortsvarietäten oder
Rassen vertreten ist
Hilgard hat über den Einfluss des Kalkes auf die Gestaltung der Pflanzen
ausgedehnte Beobachtungen in Nordamerika angestellt. So sind Quercus
ferruginea und Q. obtusifolia auf Sandboden und schwarzem Prärieboden
niedrig, auf Kalkboden hochstämmig und von abweichender Verzweigung.
Hoher Kalkgehalt fördert nach demselben die Tragfähigkeit mancher öko-
nomischer Gewächse, namentlich der Baumwolle.
Untersuchungen über die Natur des Einflusses des kohlensauren
Kalkes auf den pflanzlichen Stoffwechsel liegen bis jetzt nur wenige vor.
Doch bezeichnen die kritisch angelegten und umfangreichen Versuche
von Fliehe und Grandeau einen wesentlichen ersten Schritt in der an-
gedeuteten Richtung.
Die Untersuchungen wurden im Walde von Champfötu bei Sens angestellt,
wo auf einem Areal beschränkter Ausdehnung Kalkboden (Kreide) und Kiesel-
boden (Sand und sandiger Thon) mit einander abwechseln, indem der Thon
und Sand als tertiäre Ablagerungen der Kreide aufliegen und bald eine dicke,
bald eine dünne Schicht bilden, oder auch abgewaschen sind. Das unter-
suchte Gebiet wurde mit verschiedenartigen Waldbäumen bepflanzt, welche
zum grössten Theile auf jedem Substrat gleich gut gediehen sind , wie Pinus
silvestris, Pinus Laricio, Lärche, Weisstanne, Fichte, Eiche, Birke etc., während
die ebenfalls angepflanzten Strandkiefern und Edelkastanien auf dem kalk-
armen Boden in grosser Ueppigkeit wuchsen, auf dem Kalkboden aber küm-
merlich blieben und bald zu Grunde gingen; letzteres um so schneller, als
die kalkarme obere Schicht dünner war. Da wo letztere fehlte, konnten beide
Bäume überhaupt gar nicht am Leben bleiben.
7. Das Kalkcarbonat. IOO
Ausser durch krüppelhaftes Wachsthum und Absterben eines grossen
Theiles ihrer Zweige, unterschieden sich die Kastanien und Strandkiefern des
Kalks von denjenigen des Kieselbodens durch geringere Grösse und mehr
gelbliche, bei der Kastanie z. Thl. weisse Farbe ihrer Blätter. So hatten die
Nadeln der Kiefer auf Kieselboden eine Länge von 0,175 m bis 0»I^7 m
und 2 mm Breite; auf Kalkboden schwankte die Nadellänge zwischen
0,092 m und 0,111 m während die Breite 1,5 mm betrug. Bei der Kastanie
waren auf Thon- und Sandboden die Blätter bis 0,253 m lang und
0,072 m breit, auf Kalkboden aber höchstens 0,149 m ^ang und 0,056 m
breit; diejenigen der Zweigenden waren viel kleiner, oft verkümmert,
nahezu weiss.
Die Analyse der Böden, auf welchen die Exemplare von Pinus Pinaster
gesammelt wurden, deren Aschenzusammensetzung nachher mitgetheilt werden
soll, ergab folgendes:
Kieselthonboden Kalkboden
Obergrund Untergrund Obergrund Untergrund
Wasser 1.75 1.66 2.90 2.46
Organische Stoffe . . . 5.50 2.84 6.53 5.39
Kalk 0.35 0.20 3.25 24.04
Magnesia 0.38 0.47 0.47 1.3 1
Kali 0.07 0.03 0.04 0.16
Natron 0.06 0.04 0.03 0.07
Phosphorsäure .... 0.64 0.42 0.29 0.18
Rest (Kiesels., Thonerde,
Eisenoxyd) . . . 90.55 92.70 83.00 46.80
Kohlensäure .... 0.70 1.64 3.54 19.54
100 100 100 100
Bei den Analysen der Asche der auf diesen Böden gewachsenen Strand-
kiefern kamen ungefähr gleiche Volumina Holz, Rinde und Blätter zur Ver-
wendung. Vergleichsweise wurde die kalkholde Pinus Laricio des Kalk-
bodens mit analysirt
Pinus Pinaster P. Laricio
Kieselb.
Kalkb.
Phosphors. . .
9.00
9.14
"•33
Kiesels. . . .
9.18
6.42
714
Kalk . . . .
40.20
56l4
49.13
Eisenoxyd .
3.83
2.07
3-29
Magnesia
20.09
18.80
13.49
Kali . . .
16.04
4.95
i356
Natron . .
1.91
2.52
2.24
Zusammen .
. 100.25
100.04
100.18
Aschengehalt °j{
> 132
i-535
2.45
Die analysirten Kastanien wuchsen auf den gleichen Böden, wie die Strand-
kiefer. Hier kamen Blätter und Holz getrennt zur Untersuchung.
IIO
V.
Der Boden.
Castanea vesca.
Blätter
Holz
Kieselb.
Kalkb.
Kieselb.
Kalkb.
Kieselsäure
5-79
1.46
3.08
1.36
Phosphorsäure .
12.32
12.50
4-53
4.27
Kalk. . . .
45-37
74.55
73.26
87.30
Magnesia . .
6.63
3-70
3-99
2.07
Kali ....
21.67
5-76
11.65
2.69
Natron . . .
3.86
0.66
0.00
0.28
Eisenoxyd .
1.07
0.83
2.04
1.27
Schwefelsäure . .
2.97
0.00
1-43
0.64
Chlor . . .
0.30
0.52
—
0.08
Zusammen . .
. 99.98
99.98
99.98
99.96
Asche in °/0
4.80
7.80
4.74
5.71
Was in diesen Tabellen zunächst auffällt, ist der grosse Unterschied
im Gehalt an Kalk und Kali. Die auf Kieselboden ge-
wachsenen Bäume sind viel reicher an Kali und viel
ärmer an Kalk als diejenigen des Kalkbodens.
Die Verfasser ziehen aus diesen Befunden den Schluss, dass Kalk-
reichthum des Bodens die Au fn ahme des Kali beeinträchtigt,
während es diejenige des Kalks befördert und hiermit
einen anomalen, für die Pflanze schädlichen Zustand
schafft.
Bedeutsam ist vielleicht auch der Unterschied der Aschen im Gehalt
an Eisenoxyd, obwohl er wegen der geringen in Betracht kommenden Menge
weniger auffallt. Strandkiefer und Kastanie sind, namentlich in
ihren Blättern, auf Kalkboden viel ärmer an Eisenoxyd als
auf Kieselboden. Zieht man dabei den geringeren Gehalt der Blätter
an Chlorophyll auf Kalkboden in Betracht, so wird man mit Wahrscheinlichkeit
schli essen dürfen, dass bei kalkfeindlichen Pflanzen, die auf Kalkboden wachsen,
die Aufnahme des Eisens, bezw. seine Fortleitung beeinträch-
tigt, und damit die Chlorophyllbildung eine Einbusse er-
fährt Auch Contejean hat unter solchen Umständen stets gelbliche Färbung
beobachtet, so bei Sarothamnus, Ulex, Calluna, Anthoxanthum Puellii.
Die physiologischen Ursachen des schädlichen Einflusses des Kalk-
carbonats auf gewisse Pflanzenarten sind durch die Untersuchungen
von Fliehe und Grandeau unserem Verständniss näher gerückt ; dagegen
bleibt das ungleiche Verhalten der Arten ganz unerklärt. Eine
Affinität der „kalkholden" Gewächse zum Kalkcarbonat, ähnlich der-
jenigen der Halophyten zum Chlornatrium, der Nitrophyten zum
Salpeter scheint hier nicht in Betracht zu kommen; die von den
einzelnen Pflanzenarten aus demselben Boden aufgenommenen Kalk-
mengen sind zwar in der Regel sehr ungleich, aber ohne merklichen
Zusammenhang mit der grösseren oder geringeren Fähigkeit, auf kalk-
reichem Substrat zu gedeihen.
7. Das Kalkcarbonat. III
So wachsen z. B. im künstlichen Wald von Champfötu auf kalkarmem
Boden (0,35 °/0 CaO) gemeinschaftlich der in der Natur Kalkholde Cy-
tisus Laburnum, mit 27,1 5 °/0 CaO), der kalkfeindliche Ulex europaeus
mit 25,97 CaO, der ebenfalls kalkfeindliche Sarothamnus scoparius mit
25,03 CaO, und die indifferente Robinia Pseudacacia mit 58,97% CaO
in der Asche. Zieht man in Betracht, dass der Goldregen nur die
halbe Aschenmenge der übrigen Arten enthält, so ergiebt sich, dass
derselbe, obwohl kalkhold, kalkärmer ist als seine kalkfeindlichen Ver-
wandten.
§ 2. Kalkboden und Florencharakter. Die Flora einer Gegend,
deren Krume theils aus sehr kalkarmen Gesteinen wie Granit, Sand-
stein oder Schiefer, theils aus kalkreichem Gesteine hervorgegangen
ist, zeigt einen sofort in die Augen fallenden Unterschied in der
floristischen Zusammensetzung der Vegetationsdecke beider Bodenarten,
obwohl viele Gewächse sowohl das kalkreiche , wie das kalkarme
Substrat bewohnen. Streng an kalkarmen Boden gebunden sind z. B.
in Deutschland: Calluna vulgaris, Vaccinium Myrtillüs, Sarothamnus
scoparius, Scleranthus perennis, Rumex Acetosella, Digitalis purpurea,
während man u. a. folgende Arten nur auf Kalkboden antreffen wird :
Prunus Mahaleb, Aster Amellus, Hippocrepis comosa, Teucrium
montanum, T. botrys, Globularia vulgaris, Epipactis rubiginosa etc.
Manche Arten zeigen nur eine ausgesprochene Vorliebe für die eine
oder die andere Bodenart, ohne sich so streng an dieselbe zu halten.
So zeigt sich der so gemeine Adlerfarn nur selten auf Kalkboden,
Anthyllis Vulneraria und Scilla bifolia selten auf kalkarmem Boden, —
wobei als kalkarm ein Boden zu bezeichnen ist, der weniger als 3°/0
Kalk enthält.
Nach dem im Vorhergehenden nachgewiesenen schädlichen Einfluss
des Kalkcarbonats auf gewisse Pflanzenarten, ist das Fehlen der letzteren
auf kalkreichem Substrat wohl verständlich. Nicht minder begreiflich
erscheint es, dass manche Arten, obwohl nicht besonders kalkbedürftig,
auf Kalkboden beschränkt sind. Aehnlich wie die Halophyten, sind es
Flüchtlinge des Kampfes ums Dasein, die sich auf Kieselboden gegen
stärkere Concurrenten nicht zu behaupten vermögen, aber Kalkboden
besser als sie vertragen.
Dass der eigenartige Florencharakter des Kalk-
bodens in erster Linie mit dessen chemischen Eigen-
schaften zusammenhängt, wäre nie in Zweifel gezogen
worden, wenn die gleichen Pflanzenarten immer gleiches
Verhalten zeigten; dieses ist jedoch nur in beschränktem
Maasse der Fall. Nur solche Arten, für welche der Kalk giftig
ist, bleiben von Kalkboden constant fern. Im Uebrigen ist der
Unterschied zwischen Kalkflora und Kieselflora nicht
112 V. Der Boden.
constant, wie zwischen Halophyten und Nichthalophyten,
sondern nach dem Gebiet wechselnd. In einer Gegend mit
verschiedenen Bodenarten, aber sonst gleichen Existenzbedingungen
der Vegetation werden sich stets bestimmte Pflanzenarten nur auf
Kalkboden, andere nur auf Kieselboden zeigen, während eine dritte
Gruppe mehr oder weniger indifferent sein wird. Listen der drei
Gruppen in dieser einen Gegend werden für eine zweite Gegend nur
theilweise ihre Gültigkeit bewahren. Manche kalkscheue Art der ersten
Gegend ist in der zweiten kalkhold, oder umgekehrt und viele der in
einer Gegend bodensteten Arten zeigen sich in einer anderen auf jeder
Bodenart.
Beispielsweise fand Bonnier, dass die Listen der mehr oder weniger
bodensteten Arten, die für die Schweizeralpen aufgestellt worden sind,
im Dauphin^ keine volle Gültigkeit mehr besassen. Noch weniger
lassen sich dieselben auf die Karpathen oder auf Skandinavien über-
tragen. So bevorzugt die Lärche in der Schweiz und in Tirol das
kalkarme Urgestein und ist auf Kalk selten, während sie in Baiern
und Salzburg ganz allgemein auf Kalkboden, aber nicht auf Kiesel-
boden vorkommt und in den Karpathen gleichmässig auf allen Boden-
arten wächst.
Die Literatur weist eine ziemlich grosse Anzahl ähnlicher Fälle auf:
„Pinus montana Mill. ist in ihren Formen uncinata und Pumilio eine ent-
schiedene Kalkpflanze, sie wechselt dort (d. h. in den Schweizeralpen) auf-
fallend je nach der Unterlage mit Alnus viridis. Die Legföhre bildet auf
den Geröllhalden der Kalkgebirge ihre Buschwälder, während die Erle die
Abhänge des Urgebirges bekleidet. In den Karpathen hingegen ist das
Krummholz bodenvag." (Christ). — Folgende Arten sind nach Wahlenberg in
den Karpathen kalkstet, in der Schweiz nach Christ bodenvag : Dryas octopetala,
Saxifraga oppositifolia, die meisten Alpenleguminosen, Gentiana nivalis, G. tenella
G. verna, Erica carnea, Chamaeorchis alpina, Carex capillaris. — Bupleurum
stellatum und Phaca alpina sind in den Karpathen kalkstet, in der Schweiz
kieselhold. — Geum reptans ist nach Bonnier in Savoien (Mt. Blanc) exclusive
Kalk-, im Dauphin^ exclusive Kieselpflanze; in der Schweiz scheint sie boden-
vag zu sein.
Angesichts solcher Erscheinungen, welche sich mit jeder Unter-
suchung vermehrten, so dass die Zahl der wirklich bodensteten Arten
mehr und mehr zusammenschrumpfte, fing man in der Mitte des Jahr-
hunderts an, allmählich einen chemischen Einfluss des Bodens auf den
Florencharakter in Zweifel zu ziehen und die Unterschiede der Kalk-
und der Kieselflora auf physikalische Factoren zurückzuführen. Der aus-
gezeichnete schweizerische Forscher Thurmann siegte eine Zeit lang mit
seiner „physikalischen Theorie", welche den chemischen Einfluss nicht
bloss der Kieselsäure, sondern auch des Kalkcarbonats vollständig ver-
7. Das Kalkcarbonat. j j 3
neinte und die Unterschiede der Flora ausschliesslich auf solche der
Feuchtigkeit und des Aggregatzustandes des Bodens zurückführte.
Thurmann theilte die Gesteine ein in eugeogene, welche einen reichen
Detritus liefern, und dysgeogene, welche nur wenig oder gar nicht in
Detritus zerfallen. Die Hygrophyten sind an eugeogenen, die Xerophyten an
dysgeogenen Boden gebunden. Nach der physikalischen Beschaffenheit des
Detritus unterschied Thurmann weiter pelogene Bodenarten, von sehr fein-
körniger, erdiger Beschaffenheit und psammogene, von mehr oder weniger
grobkörniger, sandiger Beschaffenheit. Nach dem Grade ihrer Zertheilung
wurden die pelogenen Böden weiter eingetheilt in perpelische, hemi-
pelische, oligopelische und die psammischen ganz ähnlich in per-
psammische u. s. w. Zwischenformen beider Hauptgruppen wurden als
pelopsammisch unterschieden.
Die sogenannten Kieselpflanzen sind nach Thurmann Hygrophilen;
die Kalkpflanzen Xerophilen. Nicht die Anwesenheit von Kieselsäure oder
Kalk, sondern diejenige grösserer oder geringerer Wassermengen ist für ihr
Auftreten maasgebend, während die anderen physikalischen Unterschiede feinere
Nuancen in der Zusammensetzung der Pflanzendecke hervorrufen sollen.
Dass die eben kurz skizzirte Theorie sich lange Zeit so allgemeiner Zu-
stimmung erfreute und die chemische beinahe in Vergessenheit geriet, wurde
von Nägeli, der 1865 zu Gunsten der letzteren in einer geistreichen Ab-
handlung auftrat, wesentlich auf den Umstand zurückgeführt, dass „die Be-
hauptungen der physikalischen Theorie sich in einer gewissen Unbestimmtheit
bewegen, so dass die Kritik nirgends eine feste Handhabe zur Widerlegung
hat, und nichts schwieriger ist, als eine vage Vorstellung zu berichtigen."
Dennoch sind Nägeli viele Bekehrungen nicht gelungen, wohl schon des-
halb nicht, weil die besseren Kräfte beinahe ganz durch die Laboratoriumarbeit
in Anspruch genommen waren, während die anderen solchen allgemeinen
Fragen damals glücklicherweise fern blieben. Erst seit 1880 hat es wieder
angefangen, auf dem Gebiete rege zu werden, mit dem Ergebniss, dass die
sogenannte chemische Theorie, gestützt auf eine richtige Auffassung des
Problems sowie durch ein besseres Material an Beobachtungen in der Natur,
sowie Bodenanalysen und Culturen, jetzt unerschütterlich feststeht.
Eine Hauptursache des Discredits, in welchen die chemische Theorie ge-
rathen war, ist in der damals herrschenden falschen Auffassung des Boden-
einflusses zu suchen. Es wurde angenommen, dass die Kalkpflanzen des
Kalks, aber nicht der Kieselsäure, die Kieselpflanzen dagegen der Kieselsäure,
aber nicht des Kalks zur Ernährung bedurften. Es braucht nicht mehr betont
zu werden, dass solche Anschauungen, welche merkwürdigerweise jetzt noch
von einigen Pflanzengeographen gehegt werden, der Wirklichkeit nicht ent-
sprechen.
Die Unhaltbarkeit der sogenannten physikalischen Theorie ergiebt
sich schon mit grösster Sicherheit daraus, dass auch bei gleichen physi-
kalischen Eigenschaften des Substrats, die Flora nach dessen chemischen
Eigenschaften wechselt. Auf den Felsen eines Stromes im kalkarmen
Granitgebirge wird man nach Boulay z. B. beobachten: Hypnum dila-
Schimper, Pflanxengeographie. 8
1 14 V. Der Boden.
tatum, H. ochraceum, Brachythecium plumosum, Amblystegium irriguum,
Fontinalis squamosa , Rhacomitrium aciculare , Pterigophyllum lucens.
Vergeblich wird man nach diesen Arten im Kalkgebirge suchen. Hin-
gegen wird man in den Gewässern des letzteren viele dem Kiesel-
gestein fehlende Arten, z. B. solche von Cinclidotus finden.
Nicht minder wesentlich verschieden ist in kalkreichem und kalk-
armem Wasser die Algenflora, auch die freischwebende (z. B. die
Desmidiaceen).
In allen solchen Fällen kann der Unterschied nur mit dem Kalk-
gehalt des Wassers zusammenhängen, denn die physikalische Beschaffen-
heit des Substrats ist für die oberflächlich befestigten Moose gleich-
gültig und kommt für freischwebende Algen erst recht nicht in Betracht.
Sehr instructiv ist auch der Unterschied in der Flora von Hoch-
und Wiesenmooren. In beiden Fällen ist das Substrat Torf, im ersten
Falle aber ist es von kalkarmem, im letzteren Falle von kalkreichem
Wasser durchtränkt. Die Flora beider Moore ist aber eine sehr un-
gleiche. Nur auf Hochmooren findet man Sphagnum , Viola palustris,
Spergula pentandra, Drosera, Vaccinium uliginosum und V. Vitis idaea,
Calluna vulgaris, Rhododendron ferrugineum, Pedicularis silvatica, Carex
dioica, Aira flexuosa, Pteris aquilina etc. etc., nur auf Kalkmooren hin-
gegen: Spergula nodosa, Pedicularis palustris, Erica carnea, Primula
auricula, Carex Davalliana, Sesleria coerulea etc.
Grosse Unterschiede zeigen sich auch zwischen den Moosen und Flechten,
die an der Oberfläche von Felsen wachsen, je nachdem diese kalkarm oder
kalkreich sind, während für die meisten, wenn auch nicht für alle Arten, die
physikalische Beschaffenheit irrelevant ist. So sind die Arten von Andraea
sämmtlich kalkfeindlich, ferner viele Arten von Rhacomitrium, Grimmia, Dicra-
num etc., während schon aus der Anwesenheit bestimmter anderer Formen,
namentlich solcher von Barbula, Pottia, Desmatodon, Encalypta, Gymnosto-
mum etc. mit Sicherheit auf Kalkstein als Unterlage geschlossen werden darf.
Viele Flechten der Felsen zeigen eine ähnliche Abhängigkeit von der che-
mischen Beschaffenheit der Unterlage, während für andere, namentlich sich
sehr langsam entwickelnde, grosse Dauerhaftigkeit des Substrats, also eine
physikalische Eigenschaft, maassgebend sein soll. Flechten der letzteren Art
findet man vorwiegend auf Granit oder Porphyr, aber auch auf sehr festem
krystallinischem Kalkgestein.
Ein Quarzsand besitzt ganz ähnliche physikalische Eigenschaften wie ein
krystallinischer Kalksand, und doch haben beide ihre durchaus charakteristischen
Moose, ersterer z. B. Brachythecium albicans, letzterer Barbula inclinata. Nicht
weniger verschieden ist die Moosflora des Lehms, je nachdem derselbe kalk-
arm oder kalkreich ist, obwohl die physikalischen Eigenschaften nur wenig
verschieden sind. So lernte Sendtner Ephemerum serratum, Phascum crispum,
') C. fontinaloides ist nach Limpricht in Schlesien kalkscheu.
7. Das Kalkcarbonat 1 1 5
Pleuridium subulatum etc., als so kalkfeindlich kennen, dass er ihr Dasein
als geeignet hielt, einen zur Ziegelbrennerei geeigneten Lehm anzuzeigen.
Die die Basis der ganzen physikalischen Bodentheorie bildende
Annahme, dass die Kalkpflanzen xerophil, die Kieselpflanzen hyprophil
seien, entbehrt jeder Annahme. Kalkreiche und kalkarme Gewässer
sind auch physiologisch gleich nass, Hochmoore und Wiesenmoore
gleich feucht. Aber auch auf erdigem Boden giebt es Hygrophilen auf
Kalkboden, Xerophilen auf kalkarmem Boden. Ja, auf Basalt kehrt sich
das Verhältniss geradezu um, indem die Kieselpflanzen dann das wenig
zersetzte Gestein als Xerophyten, die Kalkpflanzen die Feinerde als
Hygrophyten bewohnen. Beispiele von ausgesprochenen Hygrophilen
des Kalkbodens sind z. B. : Ranunculus lanuginosus , Arabis alpina,
Moehringia muscosa, Bellidiastrum Michelii, Campanula pusilla etc.
Grösste Abhängigkeit von der chemischen Beschaffenheit des Sub-
strats contrastirt manchmal sogar in auffallendster Weise mit grösster
Gleichgültigkeit in Bezug auf die rein physischen Bedingungen. So
schreibt Schultz: „Eine Reihe von Pflanzen hat die Eigenschaft, auf jedem
Standorte, vom dürrsten Felsboden bis zur sumpfigen Torfwiese leben zu
können. Die meisten von diesen sind eigenartigerweise kalkbedürftig,
z. B. Polygala comosa, P. amara, Astragalus danicus, Phyteuma orbicu-
lare, Gentiana cruciata, Prunella grandiflora, Orchis militaris, Carex
flacca etc." (1. c. p. 43) So wächst nach Boulay Hypnum chrysophyllum
an allen kalkreichen Standorten, in Sümpfen, auf Dolömitsand, auf
trockenen Steinen und auf Wiesen. Hingegen wachsen Grimmia leuco-
phaea und Gr. trichophylla auf beinahe allen von Thurmann unter-
schiedenen Bodenarten, unter der einzigen Bedingung, dass sie kalkarm
sind. Achillea moschata und A. atrata, die in den Gegenden, wo sie
gemeinschaftlich wachsen, ausgesprochen bodenstet sind, erstere auf
Kieselboden, letztere auf Kalkboden, sind in Bezug auf die physikalischen
Eigenschaften ganz bodenvag.
Nach dem Gesagten muss in den chemischen Eigenschaften des
Bodens allein oder doch in erster Linie die Ursache des Unterschieds
zwischen Kalk- und Kieselflora liegen. Auch hier muss daher der
Schlüssel der räthselhaften Erscheinung, dass die gleiche Pflanzenart nach
der Gegend ungleiches Verhalten der chemischen Bodenbeschaffenheit
gegenüber zeigt, gesucht werden. Die Ursache solches un-
gleichen Benehmens ist offenbar dadurch bedingt, dass
eine auf kalkreichem Substrat gewachsene Pflanze, wie
oben(S. I07u.f.) gezeigt wurde, einen anders beschaffenen
Organismus darstellt und daher andere physiologische
Eigenschaften und eine andere Oekologie besitzt, als
eine auf kalkarmem Substrat gewachsene.
Ungleiche pflanzliche Organismen verhalten sich
8*
n6
V. Der Boden.
aber, sogar oder vielmehr gerade bei sehr naher Ver-
wandtschaft, äusseren Einwirkungen gegenüber ungleich.
Was der Kalkform einer Art zu gute kommt, wird daher oft die Kiesel-
form weniger begünstigen oder ihr sogar schaden. Die äusseren
Bedingungen wechseln aber nach den Gegenden.1) In
einer Gegend ist die Kieselform, in einer anderen die
Kalk form den Bedingungen besser angepasst, während
in einer dritten Gegend beide Formen sich im Kampf
ums Dasein zu erhalten vermögen. Dementsprechend
ist ein und dieselbe Art im ersten Gebiet kalkscheu,
im zweiten kalk-
hold, im dritten
bodenvag.
>^Ci / /,- W \lm* E*n instructives Bei-
spiel der ungleichen
physiologischen Eigen-
schaften der Kalkform
und Kieselform derselben
Pflanzenart zeigt z. B.
Pinus uncinata. Als Kalk-
form sucht diese Kiefer,
wenigstens in der Schweiz
und in Baiern, trockenes
Gerolle auf, während sie
als Kieselform steinige,
trockene Standorte flieht
und nur in Mooren vor-
kommt. In anderen Ge-
bieten, bei anderem Klima
werden möglicherweise
die beiden Formen an-
deres Verhalten zeigen.
Nägeli und Christ haben für nahe verwandte Arten von Gentiana,
Achillea und Rhododendron nachgewiesen, dass nahe übereinstimmende
pflanzliche Organismen sich in Bezug auf die chemische Qualität des
Substrats sehr ungleich verhalten. So ist z. B. in der Schweiz Gen-
tiana acaulis kalkhold, während die nahe verwandte und meist nur
als Varietät der ersteren aufgeführte Gentiana excisa kalkscheu ist
(Fig. 54); ganz exclusiv ist keine von beiden. Aehnliche, allerdings
Fig. 54. 1 Gentiana excisa Presl. Kalkscheu. 2 Gentiana
acaulis L. ex p. Kalkhold. a/3 nat Gr.
l) Die ausserordentlich grosse Empfindlichkeit des pflanzlichen Organismus gering-
fügigen äusseren Einflüssen gegenüber geht u. A. aus Wettstein's schönen Untersuchungen
über Gentiana und Euphrasia hervor.
7. Das Kalkcarbonat.
117
weniger ähnliche Paare sind Achillea atrata und moschata (Fig. 55),
Rhododendron hirsutum und Rh. ferrugineum, Androsace pubescens
und glacialis, Juncus Hostii und trifidus etc., wobei die erstgenannte
Art die kalkliebende ist. Kerner hat eine lange Liste solcher Parallel-
arten aufgestellt.1)
Fig. 55- / Achillea atrata. Kalkhold. 2 Achillea moschata. Kalkscheu. Nat. Gr.
Die Parallelformen sind in der Regel bodenstet in den Gegenden,
wo beide vorkommen und bodenvag, wo die eine fehlt. Nägeli hat
dieses ungleiche Verhalten in scharfsinniger Weise an dem Beispiel
von Achillea atrata und moschata gedeutet.
Achillea moschata verdrängt A. atrata auf Kieselboden und wird von
») Kerner I.
1 1 8 V. Der Boden.
ihr auf Kalkboden verdrängt. Dagegen wächst die eine sowohl als die andere
mit A. Millefolium zusammen. Offenbar machen die beiden erstgenannten
wie sie äusserlich einander höchst ähnlich sind, analoge Ansprüche an die
Aussenwelt. A. Millefolium dagegen, welche von beiden ferner steht, con-
currirt nicht mit ihnen, weil sie auf andere Existenzbedingungen angewiesen
ist. Fehlt die eine der beiden Arten, so wird die andere bodenvag.
„Im Bernina-Heuthal (Oberengadin) kommen A. moschata, A. atrata und
A. Millefolium in Menge vor; A. moschata und A. Millefolium auf Schiefer,
A. atrata und A. Millefolium auf Kalk. Wo der Schiefer mit Kalk wechselt,
da hört auch immer A. moschata auf und A. atrata beginnt. Es sind also
hier die beiden Arten streng bodenstet ; und so habe ich es an verschiedenen
Orten in Bündten beobachtet, wo sie beide vorkommen. Mangelt aber eine
Art, so ist die andere bodenvag. A. atrata bewohnt dann ohne Unterschied
Kalk und Schiefer; und ebenso findet man A. moschata, obgleich dieselbe,
wie es scheint, nicht so leicht auf den Kalk, wie jene auf den Schiefer geht,
doch neben dem Urgebirge auch auf ausgesprochener Kalkformation mit der
dieser eigentümlichen Vegetation. Im Bernina-Heuthal traf ich mitten auf
dem Schiefer, der mit A. moschata bevölkert war, einen grossen herab-
gestürzten Kalkblock, kaum mit zolldicker Krumme bedeckt Auf demselben
hatte sich eine Colonie von A. moschata angesiedelt, weil hier die Concurrenz
der A. atrata ausgeschlossen war."
8. Der Humus.
§ i. Chemie und Physik des Humus.1) Nur wenige natürliche
Böden bestehen ausschliesslich aus Mineralstoffen, — nur solche
nämlich, die des Pflanzenwuchses ganz entbehren. Sobald sich auf einem
mineralischen Substrat Gewächse angesiedelt haben, seien es auch nur
Bacterien, einzellige Algen und langsam wachsende Flechten, so ent-
stehen durch ihr Absterben und ihre Zersetzung feinkörnige organische
Stoffe, welche sich durch Vermittelung des Regens und der Thiere des
Bodens allmählich innig mit den Mineralstoffen zu der, äusserlich durch
ihre nahezu schwarze Färbung von rein mineralischem Detritus sofort
unterscheidbaren dunkeln Erde oder Ackererde vermengen.
Die organischen Zersetzungsprodukte von Thier und Pflanze werden
Humus genannt. Während des Vorgangs der Humification werden
auf Kosten der pflanzlichen oder thierischen Leiche durch Oxydation
Kohlensäure und Wasser erzeugt, letzteres aber in viel grösserer Menge
als erstere, so dass der Rest viel kohlenstoffreicher wird, als der
lebende Organismus es war. Bei hinreichendem Luftzutritt findet auf
Kosten der Proteinstoffe Bildung von Ammoniak und Salpetersäure
statt; doch bleibt der grösste Theil des Stickstoffs in schwer zer-
l) Vgl. namentlich Ad. Mayer und P. Müller.
8. Der Humus. 1 19
setzlichen organischen Verbindungen erhalten. Das Nachstehende
bezieht sich zunächst nur auf den allverbreiteten und wichtigen pflanz-
lichen Humus; der thierische Humus hat für die Gliederung der
natürlichen Pflanzendecke nur ganz lokale Bedeutung und wird besonders
behandelt werden.
Wie aus dem Vorhergehenden sich ergiebt, ist der Humus reich
an zwei der wichtigsten Elemente der Pflanzensubstanz und zwar solchen,
welche im anorganischen Nährmedium nur in sehr starker Verdünnung
enthalten sind, Kohlenstoff und Stickstoff. Diese Nährstoffe sind je-
doch, in der Form welche sie im Humus bekleiden, für die grünen
Pflanzen, ja für alle höheren Pflanzen unverwerthbar. Nur gewisse
Bacterien und Pilze vermögen sie mehr oder weniger zu assimiliren
oder in einfachere Verbindungen zu spalten. Manche Phanerogamen
und Farne haben sich diese Eigenschaft niederer Pflanzen zu Nutze
gemacht und vermögen dadurch indirekt dem Humus Kohlenstoff und
Stickstoff zu entziehen; im Allgemeinen jedoch werden diese Stoffe
nicht dem Humus, sondern der Kohlensäure der Luft und den Nitraten
des Bodens entnommen.
Von allgemeinerer Wichtigkeit als Kohlenstoff und Stickstoff sind
für die meisten Pflanzen die Aschenbestandtheile, welche der Humus
in grösserer Concentration und in besserer mechanischer Zertheilung
enthält, als die rein mineralischen tieferen Schichten. Der Reichthum
des Humus an nutzbaren Aschenbestandtheilen hängt theils mit dem
Gehalt der verwesenden Pflanzentheile an solchen, theils mit der
Thätigkeit der Regenwürmer zusammen, die Bodenbestandtheile aus
der Tiefe nach oben befördern und in ihrer Verdauungsröhre mit dem
Humus innig vermengen und zerkleinern. Fügt man zu den erwähnten
Eigenschaften noch die früher erwähnte Absorptionsfähigkeit hinzu, so
wird man die günstigen Wirkungen des Humus auf die Vegetation
wohl begreifen. Allerdings ist, wie nachher gezeigt werden soll, nicht
jeder Humus solcher Eigenschaften theilhaftig und ein gutes Substrat
des Pflanzenlebens.
Die organischen Bestandteile des Humus sind noch sehr un-
vollkommen bekannt. Die einen haben Säurecharakter und gehen mit
Alkalien lösliche, mit alkalischen Erden unlösliche dunkelfarbige Ver-
bindungen ein. Die braunen Humusstoffe werden unter dem Collektiv-
namen Ulminsäure, die mehr schwarzen als Huminsäure zu-
sammengefasst. Die in Alkalien unlöslichen indifferenten Bestandtheile
des Humus werden Humus, wenn sie schwarz, Humin wenn sie braun
gefärbt sind, genannt.
Erschwerte Zufuhr von Sauerstoff begünstigt die Bildung und
Anhäufung der sauren Verbindungen und dadurch die Bildung des
sauren Humus, der im Gegensatz zu dem bei reichlichem Sauerstoff-
120 V. Der Boden.
zutritt entstehenden milden Humus eine üppige und formenreiche
Vegetation nicht aufkommen lässt.
Der milde Humus ist meist locker und heisst dann Mull. Er ist
mit mineralischen Bodenbestandtheilen innig vermengt und geht durch
deren Zunahme, ohne scharfe Grenze, in den rein mineralischen Unter-
grund über. Mull zeigt sich nur auf massig feuchtem frischem Boden
und erreicht seine vollkommenste Ausbildung in schattigen Wäldern,
wo ihn Regenwürmer fortwährend ihren Verdauungscanal durchziehen
lassen und in Form loser lockerer Ballen ausscheiden. Der Mull-
boden der Wälder besteht thatsächlich ganz aus Wurmexcrementen
und verdankt diesem Umstände seine ausgezeichneten Eigenschaften.
Die reiche Durchlüftung des Mulls fuhrt zur Bildung hochoxydirter
neutraler Stoffe; Säuren bilden nur etwa den sechzehnten Theil seiner
organischen Substanz.
Der saure Humus ist gewöhnlich als T o r f ausgebildet. Letzterer
stellt, im Gegensatz zum Mull, eine zusammenhängende, compakte Kruste
dar, welche den mineralischen Bodenschichten nur aufliegt, ohne in die-
selben allmählich überzugehen. Nur die im Torf reichlich entstehenden
wasserlöslichen Humussäuren dringen in den Mineralboden ein und
verleihen ihm eine dunkele Färbung. Im Gegensatz zum Mull, welcher
sich im Regen schnell durchfeuchtet, ist der Torf wenig durchlässig,
sodass das Regenwasser sich in Pfützen auf demselben ansammelt.
Bei anhaltendem Regen jedoch saugt er sich voll wie ein Schwamm,
ohne an den unterliegenden Mineralboden Wasser abzugeben.
Saurer Humus entsteht, wo immer die Sauerstoffzufuhr nur schwach
ist, namentlich auf dem Boden stagnirender Gewässer, aber auch an
trockenen, sonnigen Standorten, wo die Regenwürmer selten sind, welche
das Zusammenbacken des Humus verhindern. Aus demselben Grunde
fehlen im Torf die Mineralbestandtheile des Untergrunds, welche durch
die wühlende Thätigkeit der Mullbewohner innig mit dem Humus ver-
mengt werden.
Nasser Torf, der Torf im gewöhnlichen Sinne, ist charakteristisch für
die Moore, trockener Torf für die Haiden. Letzterer kann daher zum
Unterschied vom Moortorf als Haidetorf bezeichnet werden. Man sieht
trockenen Torf auch in Wäldern entstehen, sobald in Folge von Ausforstung
der Boden ausgetrocknet und die Würmer ausgestorben sind ; damit ist
auch die erste Stufe der Umwandlung von Wald in Haide gegeben.
Abgesehen vom Wassergehalt dürfte der Unterschied zwischen
Haidetorf und Moortorf nicht sehr beträchtlich sein. Erhöhte, weniger
nasse Stellen der Moore tragen im Wesentlichen die gleiche Vegetation,
wie echte Haiden auf trockenem Boden.
§ 2. Die Mycorhiza. Mull und Torf sind von einem ausserordent-
lich reichen Gewirr von Mycelfäden, welche verschiedenen, jedoch nur
8. Der Humus.
121
in seltenen Fällen ermittelten Pilzformen angehören und in den ver-
schiedenen Humusarten verschieden zu sein scheinen, durchwuchert. Diese
Pilze vermögen sowohl als Parasiten wie als Saprophyten zu existiren
und bilden, indem sie die Wurzeln höherer Pflanzen umhüllen, die so-
genannte Mycorhiza, welcher für die Ernährungsphysiologie vieler
Wald- und Haidegewächse eine grosse Bedeutung zuzukommen scheint;
es ist nämlich wahrscheinlich, dass der Pilz die organischen Humus-
bestandtheile des Humus verarbeitet und dieselben theilweise in assimilir-
barer Form der Wurzel zufuhrt. (Fig. 56 — 60),
Die Mycorhiza wurde von Kamienski bei Monotropa Hypopitys
(Fig. 56 — 57) und Fagus silvatica (Fig. 58) entdeckt und in ihrer Be-
deutung erkannt. Später wurde von Frank, sowie von Wahrlich, Johow,
Schlicht, Oliver, Gro'om, Janse und Anderen das constante Vorkommen
1
Fig. 56. Monotropa Hypopitys. Theil einer
jungen Pflanze, 2 mal vergr. Nach Kamienski.
Fig. 57- Oberhaut u. Mycorhizapilz von Mono-
tropa Hypopitys. Vergr. 450. Nach Kamienski.
der „Pilzwurzel" bei vielen anderen, theils grünen, theils nicht grünen
Phanerogamen und Pteridophyten nachgewiesen und angenommen, dass
diese Gewächse derselben zu normalem Gedeihen bedürfen. Die Be-
zeichnung Mycorhiza rührt von Frank her.
Der Pilz der Mycorhiza bildet entweder als blosser Epiphyt eine
dichte Hülle um die in solchen Fällen der Wurzelhaare entbehrende
Wurzel herum, oder er lebt als Endophyt im Inneren derselben. In
beiden Fällen stehen die Hyphen in Zusammenhang mit im Boden
wuchernden Pilzmycelien, deren Zugehörigkeit zu bekannten Formen in
mehreren Fällen nachgewiesen wurde. So erkannte Wahrlich in den
Wurzelpilzen gewisser Orchideen Arten von Nectria (N. Vandae und
N. Goroschankiniana), während Noack, Reess und Fisch in Elaphomyces
granulatus, Noack ausserdem in Arten von Geaster, Agaricus, Lactarius
und Cortinarius und im bekannten Fliegenpilze die Wurzelpilze unserer
Waldbäume nachwiesen.
122
V. Der Boden.
Das Verhältniss zwischen Pilz und Wurzel ist wenigstens bei der
endophytischen Mycorhiza ein mutualistisches , d. h. beiden Theilen
nützliche«, denn es geht aus P. Groom's Beobachtungen an Thismia
mit Wahrscheinlichkeit hervor, dass die Anwesenheit des Pilzes fördernd
auf die Bildung der Proteinstoffe in den Wurzelzellen wirkt und dass
zwischen beiden Theilen ein Austausch von Nährstoffen, allerdings un-
bekannter Natur, stattfindet.
Die Beziehungen zwischen Pilz
und Wurzel sind in der epitrophischen
Mycorhiza sehr einfache, in der endo-
trophischen hingegen oft recht com-
plicirt. Als Beispiel der letzteren
möge die von P. Groom näher studirte
Mycorhiza von Thismia Aseroe etwas
näher geschildert werden (Fig. 59). Das
korallenartig verzweigte Wurzelsystem
hat eine fein papillöse Oberfläche. Die
zartwandigen stärkefreien peripheren
Gewebe, welche Verf. als Scheide (s/i.)
bezeichnet, sind der Länge nach von
einigen zarten Pilzfäden durchzogen.
Innerhalb der Scheide befindet sich
zunächst eine scharf differenzirte Zell-
schicht (e.c), deren Zellen sämmtlich
einen knäuelartig gewundenen, ge-
schwollenen Pilzfaden enthalten. Diese
Pilzfäden sind äusserlich von Cyto-
plasma überzogen. Auf den Exocortex
folgt die Grenzschicht (/./.), in deren
Zellen zarte, dünne Pilzfaden stellen-
weise in dicken, von Proteinstoffen an-
gefüllten Schläuchen schwellen. Die
innerste Lage der Rinde (Mediocortex,
m. c.) ist zwei oder dreischichtig, stärke-
reich und durch den Besitz todter,
gelber Pilzmassen in sämmtlichen
Zellen, mit Ausnahme der Raphidenschläuche, ausgezeichnet. Endodermis und
Centralcylinder sind pilzfrei.
Beim Eintritt aus der Scheide in die tiefergelegenen Zellen wächst die
Spitze des Pilzfadens direkt auf den Zellkern. In der Marklage der Rinde
(Mediocortex), wo die Verhältnisse am klarsten sind, löst sich alsbald die
Stärke der inficirten Zelle vollständig auf, um erst später, nach dem Tode
des Pilzes, wieder aufzutreten. Letzterer aber bildet, sobald er mit dem
Zellkern in Contakt gelangt ist, einen ei- oder birnenförmigen Schlauch,
der sich mit Cystoplasma und Zellkernen füllt. (Fig. 60.) Nach einiger
Zeit wird der Inhalt des Schlauches desorganisirt und in eine gelbe, körnige
Fig. 58. Fagus silvatica. Mycorhiza mit
Pilzhyphen. 9 mal vergr. Nach Kamicnski.
8. Der Humus.
123
Masse umgewandelt. Der Zellkern hat in der Zwischenzeit seinen Platz in
der Zelle gewechselt, die Spitze des Pilzfadens aber folgt ihm und bildet,
in Contakt mit ihm, zu wiederholten Malen neue Schläuche. In der äusseren
Schicht der Rinde leben die Hyphen länger und zeigen weniger deutliche
oder (Scheide) keine Beziehungen zum Zellkern. Groom fuhrt, unzweifelhaft
mit Recht, das Wachsthum der Hyphenspitze in der Richtung des Nucleus
auf Chemotropismus zurück. Aehnliches kommt bei unzweifelhaft parasitischen
Pilzen, z. B. bei Puccinia asarina
und bei Hemileia vastatrix, dem Pilz
der Kaffeekrankheit, vor und ist bei
der endotrophischen Mycorhiza ganz
allgemein. Es handelt sich offenbar
um ein vornehmlich in den inneren
Rindenschichten entstehendes Produkt
des Zellkerns. Die Anschwellung ist
auf kräftige Ernährung zurückzu-
führen, da eine ähnliche Erscheinung
auch bei Pilzculturen in Nährlösung
eintritt, wenn die Concentration der
letzteren zunimmt. Dass die Lösung
der Stärke mit der Bildung der
Proteinstoffe in den Schläuchen zu-
sammenhängt, braucht nach dem Vor-
hergehenden nicht betont zu werden.
Es kann keinem Zweifel
unterliegen, dass der Pilz
seiner Wirthpflanze gewisse
Nährstoffe entzieht. Dass um-
gekehrt aus dem Pilze Stoffe
in die Wirthzelle übertreten,
zeigt sich beim Absterben
der Schläuche, die unter Ab-
gabe von Flüssigkeit zusam-
menschrumpfen. Was letztere
in Lösung enthält und woraus die
körnige Masse besteht, die im todten Schlauche verbleibt und seitens der
Wirthpflanze nicht benutzt wird, konnte nicht festgestellt werden.
Die meisten der mit Mycorhiza versehenen Gewächse erhalten
durch dieselbe jedenfalls nur einen Theil ihres Kohlenstoffbedarfs.
Doch sind einige Pflanzen, namentlich solche des tiefen Waldschattens,
von der Mycorhiza ganz abhängig geworden und haben ihr Chlorophyll
verloren. Dieselben werden, ähnlich wie die sich direkt aus dem Humus
ernährenden Pilze, Saprophyten genannt. Gewächse welche wohl
Chlorophyll enthalten, und doch nachweisbar der organischen Bestand-
theile des Humus bedürfen, bilden die Hemisaprophyten, eine
Fig. 59. Thismia Aseroe. Rinde der Mycorhiza.
Nach P. Groom.
124
V. Der Boden.
Mittelstufe zwischen echten Saprophyten oder Holosaprophyten
und den ganz autotrophen Gewächsen. Die Saprophyten sind in
einem späteren Abschnitt behandelt.
§ 3. Die chemischen Unterschiede des Humus und die Flora.
Milder und saurer Humus ernähren eine ganz ungleiche Flora. Manche
Arten können geradezu als Leitpflanzen des einen oder des anderen be-
zeichnet werden, so z. B. für den milden Humus Asperula odorata, Mer-
curialis perennis, Milium effusum, Melica uniflora, Stellaria nemorum etc.,
für den sauren aber Aria flexuosa, Majanthemum bifolium, Melam-
pyrum pratense und verschiedene Moose wie Hylocomium triquetrum,
Polytrichum formosum, Leucobryum etc. Auf
dem sehr sauren Humus der Hoch-
moore nimmt die Vegetation ent-
schieden xerophilen Charakter an,
indem die Humussäuren die Absorp-
tion des Wassers durch die Wurzeln
erschweren.
Milder und saurer Humus sind Collektiv-
bezeichnungen für zahlreiche, namentlich nach
der Natur der verwesenden Pflanzen wechselnde
Humusarten, deren Unterschiede von dem feinen
Chemismus der Pflanze leichter empfunden
werden, als von dem groben Chemismus unserer
Laboratorien. Jede Humusart hat ihre cha-
rakteristischen Pflanzenarten. Es giebt in Be-
zug auf die verschiedenen Humusarten, wie auf
die mineralischen Bodenbestandtheile , boden-
stete und bodenvage Pflanzen.
Manche Pflanzenarten wachsen nur auf
dem Humus der Nadelwälder, z. B. Goodyera
repens und der nordamerikanische Saprophyt
Schweinitzia odorata. Monotropa Hypopitys tritt in Laubwäldern bei-
nahe nur in ihrer kahlen, in Nadelwäldern in ihrer behaarten Form
auf. Wir haben hier also einen Parallelfall zu der kalkholden Gentiana
acaulis und ihrer kalkscheuen Verwandten, Gentiana excisa.
Die Wahl des Substrats geht bei manchen Humuspflanzen noch
viel weiter, namentlich bei niederen Kryptogamen. Die Phanerogamen
und Pteridophyten sind weniger exclusiv, doch fand ich das im tro-
pischen Amerika weit verbreitete Trichomanes sinuosum stets nur auf
Baumfarnen und das nordamerikanische Epidendrum conopoeum zieht
die Rinde der Magnolien anderen Rinden vor.
Bei den Moosen des Humus zeigen sich alle Uebergänge zwischen
Vorliebnehmen mit jeder humosen Erde und ganz ausgesprochener, oft
Fig. 60. Thismia Aseroe.
Zwei Zellen der Mycorhiza.
Nach P. Groom.
8. Der Humus. I2C
höchst eigenartiger Exclusivität. Faulende Baumstämme haben ihre
bestimmten Moosarten, wie Plagiothecium silesiacum und Buxbaumia
indusiata, die auf lebenden Baumstämmen nicht vorkommen.
Letztere haben wiederum eine reiche Moosflora (z. B. Leucodon
sciuroides, viele Orthotrichum- Arten etc.), deren Bestandteile sich an
anderen Standorten nicht zeigen. Die meisten epiphytischen Moose
sind nicht wählerisch, doch sind manche an bestimmte Baumsippen
gebunden. So kommt Orthotrichum leucomitrium nur auf Nadelhölzern
vor, während die Zygodon-Arten und Barbula latifolia sich nur auf
Laubhölzern zeigen. Noch wählerischer sind z. B. Ulota Drummondii,
die nur auf Sorbus aucuparia beobachtet wurde , Orthotrichum gym-
nostomum, das ausschliesslich Populus tremula bewohnt, das seltene
Anacamptodon splachnoides, das bisher nur in der von abgefallenen
Aesten hinterlassenen Höhlungen der Rothbuche aufgefunden wurde.
Die Splachnaceen bewohnen beinahe ausschliesslich thierischen Humus
und sind meist sehr wählerisch: So kommt Tayloria splachnoides auf
den verschiedensten modernden Thierkörpern vor und Tetraplodon
mnioides auf den verschiedensten Excrementen, dagegen Tayloria
serrata nur auf faulendem Menschenkot, Tayloria Rudolphiana auf dem
Kot von Raubvögeln im Geäste der Bäume, Tetraplodon urceolatus auf
Kot von Schafen, Ziegen und Gänsen, Splachnum ampullaceum auf
Rinderkot, Splachnum luteum und Spl. rubrum auf Rennthierkot.
Die saprophytischen Pilze zeigen ähnliches Verhalten wie die Moose.
Manche derselben zeigen sich überall, wo Pflanzen- oder Thierreste in
Verwesung übergehen, andere wiederum sind an bestimmte Substrate
gebunden. So kommen die Marasmius- Arten nur auf abgefallenen
Fichtennadeln vor, Antennatula pinophila nur auf abgefallenen Tannen-
nadeln, Hypoderma Lauri nur auf abgefallenen Lorbeerblättern, Septoria
Menyanthis nur auf den unter WaSser faulenden Blättern des Bitterklees,
Poronia punctata nur auf Kuhfladen , Gymnoascus uncinatus nur auf
faulendem Mäusekot, Chenomyces serratus nur auf verwesenden Gänse-
federn , Onygena corvina nur auf Raubvogelgewölle , Onygena equina
nur auf faulenden Hufen etc.
9. Lebende Substrate: Die Parasiten.
Manche Pflanzen wachsen rein epiphytisch auf lebenden Substraten,
ohne denselben Stoffe zu entziehen. Letzteres ist dagegen bei den
Parasiten oder Schmarotzern der Fall, deren Lebensweise und Er-
nährungsmodus in einem späteren Abschnitt geschildert sind. Hier
sollen nur ihre Beziehungen zu der chemischen Natur des Substrats
berücksichtigt werden.
126 v- Der Boden.
Pflanzliche Parasiten kommen sowohl auf Thieren wie auf Pflanzen
vor, aber durchweg in ungleichen Arten. Im Uebrigen zeigen sich die
Parasiten, wie die Humuspflanzen, theils sehr ausgeprochen, theils wenig
wählerisch in Bezug auf die chemische Natur des Substrats. Die ge-
wöhnliche Mistel, Viscum album, kommt sowohl auf Nadel- wie auf
Laubbäumen vor, allerdings gewöhnlich in ungleichen Varietäten; die
typische Form mit weissen Beeren bevorzugt die Laubbäume, eine Form
mit gelben kleineren Früchten (V. laxum) ist dagegen mehr oder
weniger an die Nadelbäume gebunden. Loranthus europaeus befallt
Eichen und Kastanien; Arceuthobium Oxycedri ist in Europa an Juni-
perus Oxycedrus gebunden, in Nordamerika an gewisse Pinus-Arten.
Die verschiedenen Orobanche-Arten zeigen sehr ungleiches Ver-
halten. So wurde O. minor von G. Beck auf 58, O. ramosa auf 35
verschiedenen Pflanzenarten gefunden, während viele andere Arten
dieser Gattung an eine bestimmte Wirthspflanze gebunden sind, z. B.
O. rapum an Sarothamnus scoparius.
Viele Pilze befallen unterschiedslos Pflanzen oder Thiere der ver-
schiedensten Verwandtschaftskreise, andere haben einen grösseren oder
einen kleineren Kreis nahe verwandter Wirthspecies , wie Claviceps
purpurea auf Gräsern, Cordyceps cinerea auf Carabus- Arten. Noch
andere sind streng an eine Wirthspecies gebannt, wie Peronospora
Radii auf Pyrethrum inodorum, Laboulbenia Baeri auf der Stubenfliege.
Soweit untersucht, sind solche exclusive Beziehungen auf die
natürlichen Bedingungen beschränkt. So gelang es Brefeld, viele streng
parasitischen Pilze als Saprophyten gedeihen zu lassen und Möller die
Flechten ohne Algen zu cultiviren, ebenso gut wie es gelingt, die
in der Natur streng an salzreichen Boden gebundenen Halophyten im
Garten auf gewöhnlichem Boden zu ziehen.
Im Grossen und Ganzen zeigen Parasiten und Saprophyten in
Bezug auf die Wahl ihres Substrats ähnliche Unterschiede, wie die in
Mineralböden bewurzelten Gewächse, und der Vergleich zwischen beiden
Klassen ist für die Frage nach der Bedeutung der chemischen Be-
schaffenheit des Substrats sehr lehrreich. Wir haben unter den
Pflanzen des Mineralbodens solche kennen gelernt, die sich ganz
bodenvag verhalten, solche die eine mehr oder weniger ausgesprochene
Bevorzugung chemisch bestimmter Bodenarten aufweisen, und solche,
die an die Anwesenheit grosser Mengen gewisser Mineralstoffe, wie
Kochsalz oder Kalkcarbonat durchaus gebunden erschien. Das gleiche
wiederholt sich, mutatis mutandis, bei den Pflanzen organischer Sub-
strate, nur in grösserer Mannigfaltigkeit.
Wir begegneten namentlich bei den Kalkpflanzen der beim ersten
Blick verwirrenden Erscheinung, dass ein und dieselbe Art in ungleichen
Gebieten ganz ungleiche Ansprüche an die chemische Beschaffenheit
9. Lebende Substrate: Die Parasiten. 127
des Substrats macht. Das Gleiche zeigt sich aber auch bei manchen
Parasiten. Die Mistel befallt in manchen Gegenden nur die Kiefer,
in anderen nur Laubbäume. Loranthus europaeus wächst in Böhmen
nur auf der Eiche, im Orient ausserdem auf der Kastanie. Puccinia
sessilis auf Convallaria majalis, P. Digraphidis auf Polygonatum multi-
florum und Majanthemum, P. Paridis auf Paris quadrifolia sind in vielen
Gegenden streng an ihre erwähnten gewöhnlichen Wirthpflanzen
gebunden, während sie in anderen durcheinander auf Convallaria,
Polygonatum, Majanthemum, Paris wachsen, also bodenvag werden
(Magnus). Aehnliches gilt noch von vielen anderen Pilzen. Dass
es sich dabei, wie bei den Wirkungen des Kalks und anderer Mineral-
salze, um Unterschiede der Organisation handelt, welchen wiederum un-
gleiche Ansprüche an die Lebensbedingungen entsprechen, kann wohl
einem Zweifel nicht unterliegen. Solche Veränderungen der Organisation
sind dem Auge nicht immer erkennbar, da sie in manchen Fällen auf
die feinste, unseren Untersuchungsmitteln unzugängliche Plasmastructur
beschränkt sind. Giebt es doch Pilzarten, die auf einzelnen Ent-
wickelungsstadien mit einander ganz übereinstimmen, auf anderen aber
deutlich und constant abweichen und sogar rein „physiologische" Rost-
pilzarten, welche sich durch kein morphologisches Merkmal trennen
lassen und doch in dem Gebundensein an ungleiche Wirthpflanzen,
ohne jede Möglichkeit gegenseitiges Austausches, einen ausgeprägten
specifischen Charakter zeigen (Eriksson).
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Vergl. ausserdem die Literatur über Parasiten im zweiten Theile. II. Die
Genossenschaften.
VI. Die Thiere.
1. Geographische Verbreitung der BestäubungBvorriohtungen. § i. Orni-
thophile Blüthen. Fr. Müller's und Th. Belt's Entdeckung der Kolibriblüthen. Die
Honigvögel als Bestäuber. Scott -Elliot's Beobachtungen in Süd -Afrika. Ornithophilie in
Neu-Seeland. Feijoa, eine Pflanze mit süssen Blumenblättern. — §2. Entomophile
Blüthen. Ungleiche Bestäuber im Tiefland und im Hochgebirge. Herrn. Müller's Be-
obachtungen. Abnahme der Entomophilie in arktischen Ländern. Inselfloren und ihre
Bestäuber. Langröhrige Falterblüthen für die Tropen charakteristisch. Specielle Anpassungen :
Yucca und ihre Bestäubung durch Motten. Bulbophyllum-Arten bei Singapore. 2« Pflansen
und Ameisen. § i. Die Ameisen als Pilzzüchter. Die Blattschneiderameisen im
tropischen Amerika. Ihre Nester und Pilzgärten. Andere pilzzüchtende Ameisen. — § 2.
Myrmecophilie. Th. Belt's Entdeckung der Ameisenpflanzen. Acacia cornigera und
sphaerocephala. Cecropia adenopus. Nachweis des Nutzens der Ameisen als Pflanzen-
beschützer. Andere Pflanzen mit axialen Wohnräumen. Pflanzen, bei welchen Blätter die
Wohnräume liefern. Die extrafloralen Nektarien.
Die Anpassungen der Pflanzen an die Thierwelt bilden eines der
umfangreichsten und am meisten bebauten Gebiete der Oekologie; die
geographischen und topographischen Gesichtspunkte sind jedoch bis
jetzt nur wenig berücksichtigt worden, obwohl es keinem Zweifel unter-
liegen kann und für bestimmte Fälle nachgewiesen ist, dass Unterschiede
der Thierwelt solche der Pflanzenwelt bedingen. Für die Bestäubungs-
vorrichtungen und für die Beziehungen zwischen Pflanzen und Ameisen ist
in neuester Zeit ein viel versprechender Anfang nach der erwähnten
Richtung gemacht worden. In Bezug auf die Aussäungsvorrichtungen
ist wohl ein Zusammenhang zwischen der Verbreitung gewisser Thiere
und Pflanzen in einzelnen Fällen behauptet worden, dagegen ist die
Frage nach den Beziehungen von Grösse , Gestalt , Geschmack , Farbe
und anderen Eigenschaften der Früchte zu den Eigenthümlichkeiten der
sich von denselben ernährenden Thierarten noch gar nicht berührt
worden. Die vielfachen Schutzmittel der Pflanzen gegen Zerstörung
durch Thiere sind, ausser betreffs der Ameisen, höchstens in ganz
hypothetischer Weise zur Charakteristik der Gebiete und ihrer einzelnen
Formationen herangezogen worden ; allerdings haben die diesbezüglichen
i. Geographische Verbreitung der Bestäubungsvorrichtangen. 133
Erscheinungen bis jetzt nur ausnahmsweise den Gegenstand ernster
wissenschaftlicher Forschung gebildet. Stahl's ausgezeichnete Arbeit
über „Pflanzen und Schnecken"1) wird hoffentlich zu ferneren Unter-
suchungen anregen, bei welchen die Berücksichtigung geographischer
Fragen gewiss zu lohnenden Ergebnissen fuhren würde.
1- Geographische Verbreitung der Bestäubungsvorrichtungen.
Durch die Untersuchungen K. Sprengel's und Darwin's, welchen
solche von Fr. und H. Müller, Delpino, Hildebrand und vielen anderen
Forschern ergänzend hinzutraten, ist endgültig der Nachweis geliefert
worden, dass viele Blüthen zu ihrer Bestäubung der Mitwirkung gewisser
Thiere, zumal Insekten, seltener Vögel bedürfen und diesem Umstände
viele ihrer Eigenthümlichkeiten verdanken.
Zahlreiche Blüthen werden von den mannigfachsten Besuchern
ausgebeutet und bestäubt, indem ihr Pollen und Nektar jedem frei
oder doch leicht zugänglich zur Verfügung steht. Andere Blüthen
sind in mehr oder weniger hohem Grade an bestimmte Sippen an-
gepasst, sei es, dass ihre Lockmittel charakteristische Liebhabereien
voraussetzen, sei es, dass der Zugang zum Nektar nur beim Besitze
gewisser Körperformen oder gewisser Fähigkeiten möglich sei. Sind
Anpassungen der letzteren Art an Thiersippen beschränkter Verbreitung
gebunden, so ist ihr Vorhandensein oder Fehlen für die Vegetation
bestimmter Gebiete charakteristisch.
§ I. Ornithophile Blüthen. Das grösste pflanzengeographische
Interesse wenigstens beim gegenwärtigen Standpunkt unserer Kenntnisse,
ist den Anpassungen der Blüthen an Bestäubung durch Vögel zu-
zuschreiben, indem blüthenbesuchende Vögel auf bestimmte Gebiete
beschränkt sind. Vornehmlich drei Klassen von Vögeln kommen dabei
in Betracht, die Kolibris (Trochiliden), die Honigvögel (Nektariniden)
und die Honigsauger (Meliphagiden), obwohl einzelne Vögel anderer
Verwandtschaftsgruppen ebenfalls als Bestäuber eine Rolle spielen.
Die Kolibris sind auf Amerika beschränkt. Nur in der Phantasie
gewisser Blüthenbiologen sieht man sie zuweilen die Blüthen Afrika's
und Asien 's umschwärmen. Ihre Bedeutung als Blüthenbestäuber wurde
zuerst von Delpino hypothetisch ausgesprochen, aber erst durch
Fr. Müller im Jahre 1870 nachgewiesen, welcher Kolibris als Bestäuber
von Combretum-, Manettia- und Passiflora-Arten in St. Catharina be-
obachtete. Th. Belt gab bald darauf, auf Grund sorgfältiger Beobachtungen
in Nicaragua, die erste ausfuhrliche Beschreibung von Kolibriblüthen :
*) Jena 1888.
134
VI. Die Thiere.
„Man konnte unter diesen Bäumen kleine Schaaren von Vögeln be-
obachten ; einen grünen mit rothem Kopfe (Calliste Laviniae Cass.), einen anderen,
glänzend grün mit schwarzem Kopfe (Chlorophanes guatemalensis) und einen
dritten schön schwarz, blau und gelb mit gelbem Kopfe (Calliste larvata, Du
Bus.). Diese Vögel und noch viele Anderen waren mit Sicherheit zu erwarten,
wo die kletternde Marcgravia umbellata ihre merkwürdigen Blüthen trug.
Die Blüthen dieser hochstämmigen Liane sind kreisförmig geordnet und herab-
hängend, wie ein umgekehrter Kandelaber. Von der Mitte des Blüthenkreises
hängt eine Gruppe eimerförmiger Gebilde herab, welche zur Blüthezeit eine
süsse Flüssigkeit enthalten. Diese Flüssigkeit wirkt als Lockmittel für Insekten
und diese wiederum für eine grosse Anzahl insektenfressender Vögel, ein-
schliesslich der vorhin erwähnten und zahlreichen Kolibris. Die Blüthen
sind derart gestellt,
dass ihre herabhän-
genden Staubgefasse
durch Vögel, welche
die Nektarien er-
reichen wollen, ab-
gebürstet werden; so
wird der Pollen von
einer Bltithe auf die
andere getragen. Bei
einer zweiten , von
mir bei San Domingo
beobachteten Marc-
gravia-Art befinden
sich die Eimer in
nächster Nähe der
Blumenstiele und die
Blüthen sind nach oben
gerichtet, so dass der
Pollen durch die Brust
des Vogels abgebürstet
wird." (S. 128—129.)
Auch für eine Ery-
thrina-Art wurde bereits durch Belt die Ornithophilie nachgewiesen. . . .
„Viele Blüthen sind, wie diejenigen von Marcgiavia, der Bestäubung durch
Vögel angepasst. Unter diesen zog der „palo sabre," Erythrina sp., ein kleiner
rothblühender Baum, oft meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Baum blüht
im Februar und ist zur Blüthezeit laublos, so dass die grossen rothen Blüthen
in weiter Entfernung leuchten. Jede Blüthe besitzt ein grosses, langes und
ziemlich fleischiges Blumenblatt (die Fahne), welches gefaltet, seitlich ab-
geflacht und, mit Ausnahme einer kleinen Oeffnung, durch welche die Staub-
gefasse herausragen, geschlossen ist. Nur winzige Insekten können in das
Innere der Blüthe gelangen , deren Grund eine honigartige Flüssigkeit aus-
scheidet Zwei langgeschnäbelte Kolibriarten besuchen die Blüthe; die eine,
Heliomaster pallidiceps Gould, ist ziemlich selten; die andere, Phoethornis
Fig. 61. Blüthenstand von Marcgravia umbellata, der Bestäubung
durch Kolibris angepasst. Nat. Gr. Nach Flora Brasiliensis.
I. Geographische Verbreitung der Bestäubungsvorrichtungen. ijc
longirostris de Latt., konnte bei Beobachtung des Baumes während nur weniger
Minuten mit Sicherheit gesehen werden."
Seit der klassischen Schilderung Belt's und den leider sehr kurzen
Mittheilungen Fr. Müller 's hat die Kenntniss der Kolibriblüthen erheb-
liche Fortschritte nicht aufzuweisen, denn die fern von der Heimath der
Kolibris aufgestellten Vermuthungen verschiedener Biologen können als
solche nicht gelten. Der Antheil, der den Kolibris an den Eigen-
thümlichkeiten vieler amerikanischer Blüthen sicher zukommt, wird erst
auf Grund sorgfaltiger und kritischer Untersuchungen an Ort und Stelle
nachgewiesen werden können. Unzweifelhaft haben diese lebhaft ge-
färbten Bestäuber eine Vorliebe für die rothe, speciell die brennend
rothe Farbe; in kolibrireichen Gegenden, z. B. auf den Antillen, habe
ich selten eine in rothem Blüthenschmuck an der Sonne prangende
Holzpflanze gesehen, ohne, bei einiger Geduld, auch Kolibris an der-
selben beobachten zu können. Namentlich ist es mir in lebhafter Er-
innerung, die mit .scharlachrothen Nectarien prangende Norantea guia-
nensis auf Trinidad von Kolibris umschwärmt gesehen zu haben.
Auch an den höchst eigenartigen grossen tief carminrothen Blüthen von
Couroupita guianensis habe ich solche Besucher beobachtet. In dem
Garten eines von mir an der Küste von Massachussets im Sommer
bewohnten Hauses konnte ich alltäglich die einzige dortige Kolibriart
(Trochilus colubris) einen tiefcarminroth blühenden Weigeliastrauch be-
suchen sehen. Diese Bevorzugung für rothe Farbe schliesst jedoch den
Besuch anders gefärbter Blüthen nicht aus ; so haben die Blüthen der
mir bekannten Marcgravia-Arten matte, bräunliche Färbung.
Kerner will den Reichthum der amerikanischen Flora an rothblühenden
Pflanzen in ursächlichem Zusammenhang mit der Anwesenheit der Kolibris
bringen. Wie verhält es sich aber mit diesem Reichthum? Allerdings würde
der Unkundige, der in einem tropisch - amerikanischen Hafen landet und das
Flammenmeer der blühenden Poinciana regia erblickt, nach berühmtem Muster,
zu berichten geneigt sein, dass die Bäume im tropischen Amerika roth blühen.
Nur ist dieser glänzendste aller rothblühenden Bäume ostindischen Ursprungs,
ähnlich wie viele anderen Pflanzen mit scharlachrothen Schauapparaten, welche
in wannen Zonen allgemein als Zierpflanzen cultivirt werden. Ich habe nicht
den Eindruck gehabt, dass die rothe Farbe in der amerikanischen Flora mehr
hervortritt als etwa in der malayischen.
Da die Honigvögel, welche den grössten Theil Afrika's, das tropische
Asien und Australien bewohnen, ebenfalls als Blüthenbestäuber nachgewiesen
sind, und ähnliche Vorliebe für rothe Farbe besitzen, so könnte man sich
allerdings die Frage stellen, ob der thatsächlich grössere Reichthum an
leuchtend rothen Blüthen und Bracteen, der die warme Zone vor der nord-
temperirten auszeichnet, mit der Ornithophilie zusammenhängt. Zu den, in
in solcher Weise ausgezeichneten Blüthen gehören in Amerika u. a. zahlreiche
Bromeliacen, namentlich Arten von Aechmea und Vriesea, im malayischen
136 VI. Die Thiere.
Archipel Zingiberaceen an; ich habe aber niemals irgend welche Vögel in
der Nähe dieser Pflanzen gesehen. Die Bromeliaceen mit bunten Bracteen
bewohnen, soweit ich sie an ihren natürlichen Standorten gesehen habe, nur
schattige Plätze, wo die sonnenliebenden Kolibris selten gesehen werden und
die malayischen Zingiberaceen kommen aus dem tiefsten Waldschatten, wo
Honigvögel vergeblich gesucht werden würden, nicht heraus.
Eine ganz ähnliche Rolle wie die Kolibris in der neuen Welt
spielen die Nectariniiden oder Honigvögel in der warmen Zone der
alten, doch treten sie wohl nur im tropischen und südlichen Afrika in
ähnlicher Zahl der Arten und Individuen auf. Die Beziehungen der
Honigvögel zu den Blüthen wurden in Südafrika von Scott-Elliot unter-
sucht, dessen vortreffliche Arbeiten uns zuerst eine nähere Einsicht in
die Structur ornithophiler Blüthen eröffnet haben.
Die südafrikanischen Honigvögel sind nach Scott-Elliot ausgezeich-
nete Bestäuber, da sie, ähnlich wie Bienen, bei den Blüthen einer Art
verharren.
Nectarinia chalybea und bicollaris, Promerops caper sind bei Cape-
Town die wichtigsten Arten; Promerops Gurneyi vertritt Pr. caper im öst-
lichen Theile der Cap-Colonie und in Natal; Nectarinia famosa lebt vom
December bis April in der Karoo, sonst in den Gebieten der Knysna und
East- London.
Wie die Kolibris, zeigen auch die südafrikanischen Honigvögel Vor-
liebe für die rothe Blüthenfarbe , und zwar zeichnet eine bestimmte
rothe Nuance, welche den Brustfedern verschiedener Arten dieser
Vögel zukommt, verschiedene ornithophile Blüthen aus. Labiaten, Aloe-
Arten, Irideen und Leguminosen nehmen diese sonst seltene Blüthen-
farbe an, wenn sie sich der Bestäubung durch Honigvögel anpassen.
Charakteristische Merkmale der ornithophilen Blüthen des Kaplandes
sind ferner in vielen Fällen ein bürstenartiges vielgliedriges Androeceum
und hervorragende Griffel. Aehnliches beobachtet man auch bei Kolibri-
blüthen, z. B. denjenigen der Margraviaceen und von Couroupita.
Zu den ornithophilen Blüthen gehören ferner viele Arten von Pro-
tea, deren grosse kopfige Blütenstände von steifen Bracteen umgeben
sind, an deren Grund der Honig sich ansammelt ; die Vögel sitzen auf
dem Rand des Bechers und streifen die pollenbedeckten hervorragenden
Griffel (Fig. 61). Auch viele Kap -Eriken sind an Vogelbestäubung
angepasst, nicht minder manche Leguminosen, wie die Erythrina caffra,
welche wohl keine anderen Besucher als Honigvögel besitzt. Die
Banane ist in Natal , Ravenala madagascariensis in ihrem Heimathland
vornehmlich, jedoch nicht ausschliesslich, ornithophil.
Der merkwürdigste unter den südafrikanischen ornithophilen Blüthen-
apparaten kommt der in unseren Gewächshäusern häufig cultivierten
Strelitzia reginae (Fig. 62) zu. Die drei äusseren Perigonblätter sind
Geographische Verbreitung der Bestäubungsvorrichtungen.
137
Fig. 61. Protea speciosa L. Blüthenköpfchen. Bestäubung durch Honigvögel. Nat. Grösse.
hier von lebhafter Orangenfarbe, von den drei innern ist das eine als
grosses azurblaues pfeil förmiges Labellum ausgebildet, während die
beiden anderen klein sind, und über dem Eingang zur Nektarhöhle eine
138
VI. Die Thiere.
Wölbung bilden. Eine das Labellum der Länge nach durchziehende
Rinne umschliesst die Staubgefässe und den Griffel, dessen Gipfel sammt
der Narbe frei hervorragt. Der Vogel wandelt auf dem Rande des
Labellum und saugt den
unter der Wölbung be-
findlichen Nektar, dabei
zuerst die Narbe, dann
die Staubgefässe berüh-
rend. Die schönen Farben
der Blüthe entsprechen
vollständig denjenigen
ihres Bestäubers, Necta-
rinia Afra.
Auch in Neu-Seeland
ist die Bestäubung von
Blüthen durch Vögel be-
obachtet worden, so na-
mentlich von Thomson
bei Clianthus puniceus,
Sophora tomentosa, Me-
trosideros lucida, Fuchsia
excorticata , Loranthus
Colensoi, Dracophyllum
longifolium , Phormium
tenax. Diese Blüthen sind
zum Theile roth gefärbt.
Anpassung an andere
Vogelgruppen ist nur für
einen Fall nachgewiesen,
nämlich für Feijoa Schen-
ckiana, eine baumartige
Myrtacee , welche Fritz
Müller im Oberland von
St. Catharina entdeckte
und in seinen Garten zu
Blumenau verpflanzte, wo
ich sie zur Blüthezeit zu
beobachten Gelegenheit
Die Structur der Blüthe ist von Fritz Müller trefflich geschildert
worden. Höchst eigenartig sind die vier schneeweissen Blumenblätter,
welche eingerollt sind, so dass nur ein schmaler Spalt oberwärts oder
etwas seitlich sichtbar bleibt. Diese Blumenblätter sind fleischig-saftig
und von süssem Geschmack. Wie bei den meisten Vogelblüthen sind
Fig. 62
reginae.
hatte.
Eine Kapländische Honigvogelblüthe, Strelitzia
/ Kelchblätter, / Blumenblätter, g Griffel und
Narbe, st Staubgefässe.
% nat. Gr.
i. Geographische Verbreitung der Bestäubungsvorrichtungen.
139
auch die Staubgefässe schön roth, zahlreich, steifbürstenartig und von
dem Griffel überragt. Der einzige mit Sicherheit nachgewiesene Be-
stäuber ist ein ziemlich grosser, schwarzer, leider nicht bestimmter
Vogel, welcher die Blumenblätter gierig frisst.
Fig- 63. Feijoa Schenckiana. Eine ornithophilc Myrtacee aus St. Catharina, Brasilien. Nat. Gr.
§ 2. Entomophile Blüthen. Die Anzahl der an Bestäubung
durch Insekten angepassten Blüthen ist weit grösser als diejenige der
ornithophilen , auch da wo ausgezeichnete Bestäuber unter den Vögeln
vorkommen. Während aber Ornithophilie eine beschränkte Verbreitung
zeigt, ist Entomophilie in allen Floren, bis zu den Grenzen der
Phanerogamenvegetation überhaupt , nachgewiesen. Nur drei Ab-
theilungen von Insekten sind an der Bestäubung hervorragend thätig,
140
VI. Die Thiere.
die Dipteren, Lepidopteren und Hymenopteren , während andere In-
sekten entweder keine oder doch nur eine nebensächliche Bedeutung
besitzen und keine ihnen speciell angepasste Blüthenform hervorgerufen
zu haben scheinen. Die drei wichtigsten Bestäubergruppen sind aller-
dings überall, wo es Blüthen giebt, vertreten und haben überall
Anpassungen gezüchtet; ihre relative Menge ist aber oft sehr ungleich
und dieser Unterschied wiederholt sich in der relativen Zahl der
Dipteren-, Lepidopteren- und Hymenopteren-Blüthen. Ein Vergleich von
kalten, temperirten und warmen Gebieten oder von Inseln mit
Continenten ist in dieser Hinsicht oft sehr lehrreich.
Die hohen Regionen der Alpen sind wohl insektenärmer als
die umgebenden Niederungen; doch werden, wie H. Müller zeigte,
ihre Blüthen nicht minder häufig be-
sucht als in der Ebene. Wichtiger
als die Abnahme der Gesammtmenge
der Insekten ist das ganz veränderte
Zahlenverhältniss der einzelnen Grup-
pen. So nehmen, nach dem ge-
nannten Forscher, in vertikaler
Richtung die Apiden rasch ab, mit
Ausnahme der Hummeln. Eine be-
trächtliche Zunahme zeigen dagegen
die Falter. Dementsprechend nehmen
mit der Höhe die Bienenblüthen ab
und die Falterblüthen zu. Letzteren
kommen nach Low in den Alpen
53 , in der westfälischen Niederung
dagegen nur 36 Arten zu.
Manche Gattungen sind in der
Ebene durch Arten mit Apiden-
blüthen, in den Alpen aber durch
solche mit Falterblüthen vertreten, z. B. Gentiana, Rhinanthus, Viola.
Ein und dieselbe Art kann sogar entsprechende Variationen erfahren.
Die Blüthen von Viola tricolor (Fig. 64, 2) sind in der Ebene kurz-
gespornt, entsprechend der Kürze des Rüssels der Bienen, ihrer Be-
stäuber; die Var. alpestris ist langgespornt, entsprechend dem langen
Falterrüssel. Die rein alpine Viola calcarata hat langgespornte Falter-
blüthen (Fig. 64, /.). Primula farinosa hat, nach H. Müller, in der
Ebene, wo ihre Bestäuber Bienen sind, einen bedeutend weiteren
Blütheneingang als auf den alpinen Höhen, wo sie wesentlich nur durch
Falter aufgesucht wird.
Die Pyrenäen sind ärmer an Schmetterlingen als die Alpen, da-
gegen reicher an Insekten, welche bestimmte Blüthenformen nicht ge-
Fig. 64. / Viola calcarata. Falterblüthe,
langgespornt. 2 Viola tricolor. Bienen-
blüthe, kurzgespornt. Nat Gr.
i. Geographische Verbreitung der Bestäubungsvorrichtungen. 141
züchtet haben; Falterblüthen treten dementsprechend stark zurück
(Mac Leod). Das norwegische Hochland ist wegen der Kürze und
nassen Witterung seines Sommers insektenarm; die Anpassungen an
Fremdbestäubung haben dadurch eine beträchtliche Einschränkung
erlitten.
Von den 76 alpinen und arktischen Arten des Dovrefjeld sind, nach
einer Zusammenstellung Löw's, 2 anemophil (Oxyria digyna und Thalictrum
alpinum), während die 74 entomophilen folgende Einrichtungen aufweisen:
Stets oder meist verhinderte Selbstbestäubung haben 12 Arten = i6,2°/0,
Selbstbestäubung neben Fremdbestäubung zeigt sich bei 40 = 54% und regel-
mässig oder leicht eintretende Selbstbestäubung bei 22 = 29,7%.
Im Vergleich zu den Hochalpen zeigen die Hochgebirgspflanzen Nor-
wegens eine deutliche Abnahme allogamer Blütheneinrichtungen (um ca. 1 o ü/0),
sowie eine noch stärkere Zunahme von Autogamie (um ca. i5°/0).
Die Verhältnisse der Bestäubung in hocharktischen Ländern
wurden von Warming für Grönland näher untersucht. Insektenbesuche
schienen in sehr geringer Anzahl stattzufinden. Dementsprechend sind
Windblüthigkeit und Autogamie stark, Entomophilie schwach entwickelt.
Manche sonst ausgesprochene Insektenblüthen zeigen grössere Neigung
zur Selbstbestäubung, z. B. diejenigen von Mertensia maritima, deren
Blüthen in Grönland kleiner sind als in Skandinavien, Azalea procum-
bens, Vaccinium vitis idaea var. pumila, Bartsia alpina, Thymus Ser-
pyllum, Menyanthes trifoliata, Pirola grandiflora etc. Trotz der Insekten-
armuth sind, im Gegensatz zu einer vielfach ausgesprochenen Ansicht,
die Lockmittel nicht stärker ausgeprägt als beim Vorhandensein einer
reichen Insektenfauna.
Die vegetative Vermehrung ist in Grönland stark entwickelt,
namentlich bei Pflanzen mit verminderter oder erschwerter Selbst-
bestäubung: „Je mehr in dem insektenarmen Grönland eine Art ento-
mophil ist, desto mehr passt sie sich der Vermehrung auf vegetativem
Wege an, während die autogamen Pflanzen diese Art der Fortpflanzung
entbehren können und thatsächlich auch entbehren" (Warming).
Die Bedingungen der Bestäubung sind vielfach zur Erklärung der
Eigenthümlichkeiten der Inselfloren herangezogen worden ; nament-
lich hat Wallace versucht, die Anwesenheit oder das Fehlen bezw. die
Seltenheit lebhaft gefärbter Blüten auf Inseln mit der Fauna in Zu-
sammenhang zu bringen. So sind auf den Inseln im östlichen Teile
der Südsee, z. B. auf Tahiti, die Insekten, namentlich Lepidopteren und
Bienen selten; diesem Umstände soll die Armuth der dortigen Flora
an Insektenblüthen, namentlich an lebhaft gefärbten, und das Ueber-
handnehmen der Farne zugeschrieben sein. Auf den westlichen Inseln,
z. B. auf Fidji, sind die Schmetterlinge zahlreicher und haben eine
grössere Anzahl schön gefärbter Blüthen gezüchtet. Die Pflanzen der
142 VI. Die Thiere.
Galapagos haben so unscheinbare Blüthen, dass Darwin sich erst nach
längerer Zeit überzeugen konnte, dass sie beinahe sämmtlich zur Zeit
seines- Aufenthalts blühten. In der That sind kleine Dipteren und
Hymenopteren die einzigen Vertreter der Insektenwelt auf diesen
Inseln.
Solche Versuche sind unzweifelhaft interessant und anregend ; doch
braucht kaum betont zu werden, dass die erwähnten Eigenthümlich-
keiten nicht durch die Verhältnisse der Bestäubung allein, sondern nur
unter Heranziehung historischer und klimatischer Momente erklärbar
sind. Zudem beruhen Wallace' s Anschauungen grösstenteils auf den
lückenhaften Berichten und Sammlungen anderer, der Sache fernstehen-
der Forscher und sind für mehrere besonders prägnante Fälle bereits
widerlegt worden. So hatte Wallace der neuseeländischen Flora beinahe
ausschliesslich unscheinbare, grünliche, geruchlose Blüthen zugeschrieben
und das vermeintliche Fehlen lebhaft gefärbter oder duftender Blüthen
mit der vermeintlichen Insektenarmuth in Zusammenhang gebracht. In
Wirklichkeit jedoch sind weder schöne Blüthenfarben , noch Insekten
mit ausgeprägtem Farben- und Geruchssinn auf Neuseeland so selten,
als es Wallace annahm.
Von 433 neuseeländischen Blüthenpflanzen hat, nach G. M. Thomson,
kaum die Hälfte (49%) unscheinbare Blüthen und 2 2°/0 der Arten sind
duftend. Auf Kreuzung durch Insekten sind über 23% angewiesen, selbst
fertil sind 48%, anemophil 29 ° /0 Arten. Die wichtigsten Bestäuber sind
hier Dipteren ; die unscheinbaren Insektenblüthen werden von anderen Insekten
kaum oder gar nicht besucht. Auch manche der zahlreichen Käfer (ca. 1300
Arten) nehmen an der Bestäubung theil. Unter den Schmetterlingen kommt
den zahlreichen Noctuiden grössere Bedeutung zu, als den wenigen Tagfaltern
(18 Arten). Von Bienen kommen nur 10 Arten vor. Endlich sind, wie bereits
erwähnt, Vögel die hauptsächlichen oder ausschliesslichen Bestäuber mancher
grosser Blüthen. Was sich aus dieser Darstellung entnehmen lässt, ist nur, dass
die relativ grosse Anzahl unscheinbarer Blüthen möglicherweise mit dem Vor-
wiegen der Dipteren zusammenhängt.
Während die meisten Inselfloren durch ihre Armuth an schön
blühenden Pflanzen auffallen, ist der kleine Juan-Fernandez-Archipel im
Gegentheil durch die Farbenpracht seiner Flora ausgezeichnet; manch-
mal sind die Blüthen einheimischer Arten sogar auffallender als die-
jenigen verwandter Arten des Continents. Nach Wallace hätten zwei
endemische Kolibri-Arten die schönen Blüthenfarben gezüchtet. Johow,
welcher die Oekologie der Juan-Fernandez-Vegetation an Ort und Stelle
studieren konnte, hält allerdings die Bestäubung mancher Arten durch
Kolibris für wohl möglich (Rhaphithamnus , Escallonia , Myrceugenia
fernandeziana) ; er betont aber andererseits, dass die Insektenarmuth
keineswegs so gross ist, als Wallace angenommen zu haben scheint.
So sind verschiedene Lepidopteren ausserordentlich häufig und Dipteren
i. Geographische Verbreitung der Bestäubungs Vorrichtungen.
143
wurden von Johow auf den Blüthen von Dendroseris, Robinsonia, Eryn-
gium bupleuroides etc. beobachtet. Die Ansicht Wallace's darf, obwohl
allgemein adoptirt, bis zu ihrer Bestätigung an Ort und Stelle wissen-
schaftliche Berechtigung nicht beanspruchen.
Nur sorgfältige und lange fortgesetzte Beobachtungen werden die
Bedeutung der Blüthenbestäubung für die Zusammensetzung und die
Physiognomie der Inselflora aufklären können. Für einige Küsteninseln
Fig. 65. Angraecum eburneum Thou, am natürlichen Standorte. Seychellen. Rechts eine
Zingeberacea. Nach einer Photographie von Herrn Dr. A. Brauer.
der Nordsee sind in neuester Zeit durch Behrens, VerhoefT, Alfken und
Knuth Untersuchungen begonnen worden, aus welchen brauchbare Re-
sultate hervorzugehen versprechen. Diese Inseln entbehren allerdings
der einheimischen Elemente und sind überhaupt in vieler Hinsicht
weniger interessant als die oceanischen Inseln ; aber gerade ihre recente
Bildung, die Nähe des Continents, der sicher nachweisbare Ursprung
ihrer Flora und Fauna erscheinen geeignet, manche Unterschiede der
insularen und continentalen Existenzbedingungen aufzuklären und die
Deutung complicierter Verhältnisse auf oceanischen Inseln anzubahnen.
VI. Die Thiere.
Fijj,66, Blüthevon
Macroplectmm se-
squipedale , das
Perigon mit Aus-
nahme des Sporns
entfernt. B, G.Hei-
delberg, Nat. Gr.
Wie auf den oceanischen Inseln
ist auch auf den Küsteninseln
der Reichthum an insektenblüthi-
gen Arten geringer als auf dem
Continent; die blosse Abtrennung
von letzterem hat demnach das
Verschwinden eines Theils dieser
Arten zur Folge. Gleichzeitig ist
auch eine Abnahme der Insekten
bemerkbar. Beide Erscheinungen
sind auf die Sturmwinde zurück-
zuführen, welche einerseits die
Zahl der Insekten und der an
dieselben gebundenen Pflanzen-
arten vermindern, während sie
andererseits die Windblüthen be-
günstigen. *)
Die bisherigen Untersuchungen
über Blüthenbestäubung sind, mit
wenigen Ausnahmen, nur in den
temperirten Zonen angestellt wor-
den. In den Tropen wurden bis
jetzt nur wenige und vorwiegend
fragmentarische Beobachtungen
ausgeführt, obwohl viele tropische
Blüthen formen an ganz bestimmte
Bestäuber angepasst zu sein schei-
nen; es braucht in dieser Hin-
sicht nur an die Orchideen er-
innert zu werden. Die Schönheit
und der Duft vieler tropischer
Schmetterlinge weisen auf einen
entsprechend entwickelten Farben-
und Geruchsinn hin und die
grossen blauen Morphos Süd-
Amerika's, die vogelähnlichen glän-
zenden Ornithopteren Malayens
sind in ihren Heimathländern recht
häufig. Aber noch andere Eigen-
thümlichkeiten mancher tropischer
J) Vgl. S. 88.
Geographische Verbreitung der Bestäubungsvorrichtungen.
145
Fiß, 6S. Tropische
langröhrigc Nacht-
firttefblftthen (Hu-
btaceaf). t Exu-
sttftDii flonliundum
(Sw ) Rom, et
Schult (Antillen).
2 Püfoqucm hir*
3 Öiyanthus
***—"*"» Hott ho*
ftat, Gr.
Schimper, Pflanzengeographie.
146
VI. Die Thiere.
Schmetterlinge kommen hier in Betracht. So haben manche tropische
Blüthen ungeheuer lange Röhren, in deren Grund der Nektar sich be-
findet (Fig. 66 — 68), der nur von Schwärmern mit entsprechend langem
Rüssel ausgebeutet werden kann. Die längsten Gebilde dieser Art sind
die spornähnlichen Aussackungen des Labellum von Macroplectrum
sesquipedale Pfitzer, einer madagassischen Orchidee, welche 5 dem lang
werden (Fig. 67). Einige im botanischen Garten zu Buitenzorg eultivirte
tropische Rubiaceen fielen mir durch die ungewöhnliche Länge ihrer
Röhren auf (Fig. 68); Schwärmer mit hinreichend langem Rüssel, um
Fig. 69. Bliithe von Yucca filamentosa und (nach Kerner) die Motte. Nat. Gr.
den in deren Grund befindlichen Nektar zu saugen, kommen in Europa
und wohl in der nördlichen temperirten Zone überhaupt, nicht vor.
Macroplectrum sesquipedale dürfte zu denjenigen Arten gehören,
deren sehr beschränkte geographische Verbreitung an diejenigen einer
sie bestäubenden Insektengattung oder -Art gebunden ist. Einen
unzweifelhaften Fall letzterer Art stellen verschiedene Yucca-Arten
Nord-Amerika's dar, welche ausschliesslich durch Motten der Gattung
Pronuba bestäubt werden. So ist die in unseren Gärten häufig eultivirte,
aber stets steril bleibende Yucca filamentosa für ihre Befruchtung von
Pronuba yuccasella abhängig (Fig. 69). Da das Insekt für seine Ver-
mehrung von der Yucca ebenso abhängig ist, so ist es schwer zu sagen,
2. Pflanzen und Ameisen.
147
welcher der beiden Organismen die geographische Verbreitung des
anderen vorwiegend bestimmt (Fig. 69).
Der Vorgang der Bestäubung ist bei Yucca ein höchst eigenartiger. Die
Motte legt ihre Eier in den Fruchtknoten, in welchem die Larven sich auf
Kosten junger Samen entwickeln sollen. Um die Entwickelung der letzteren
zu ermöglichen, vollzieht sie die Bestäubung, indem sie Pollen in die Narbe
hineinschiebt. Da viele Samen und nur wenige Larven erzeugt werden, so
haben beide Organismen gleichen Vortheil.
Andere Yucca -Arten werden durch andere Arten von Pronuba bestäubt,
z. B. Yucca Whipplei in Kalifornien durch Pronuba maculata, Yucca brevifolia
in der Mohawewüste durch Pronuba synthetica etc.
Die Abhängigkeit bestimmter Pflanzen von ihren Bestäubern zeigt
sich in auffallender Weise auch beim rothen Klee, welcher, an Be-
stäubung durch Hummeln gebunden, in Neu-Seeland, wo solche Insekten
fehlen, steril bleibt, so dass in neuester Zeit, bloss zu diesem Zwecke,
Hummeln nach dort importirt worden sind. (Belt.)
Unzweifelhaft werden fernere Beobachtungen, namentlich in mög-
lichst ursprünglich gebliebenen Gegenden, den Zusammenhang zwischen
dem Vorkommen bestimmter Insektensippen und an dieselben speciell
angepasster Blüthen in zahlreichen Fällen nachweisen. Interessant ist
in dieser Hinsicht auch die von Ridley festgestellte Thatsache, dass die
Bulbophyllum-Arten der Umgebung von Singapore an die Bestäubung
durch eine bestimmte Fliege von sehr specialisirter Geschmackrichtung
angepasst sind; von nicht einheimischen Orchideen wurde nur Den-
drobium superbum von dieser Fliege besucht.
2. Pflanzen und Ameisen.
Die Ameisen spielen in den temperirten Zonen eine unwesentliche,
in den Tropen hingegen eine Hauptrolle im Haushalt der Natur. Sie
sind die häufigsten und emsigsten Vertreter der tropischen Insekten-
welt; überall sind sie vorhanden, im Beutesuchen unermüdlich, dabei
meist ganz unerschrocken und zum Angriff stets bereit, wozu ihnen
scharfe Gebisse oder Giftstacheln zur Verfugung stehen. Im östlichen
Theile der Tropen sind sie für die Vegetation wenig schädlich, indem
sie sich, ähnlich wie in den temperirten Ländern, vornehmlich mit ab-
gestorbenen Pflanzenresten oder mit den süssen Ausscheidungen der an
Laubblättern befindlichen Nektarien, auf welche zurückzukommen sein
wird, begnügen. Im tropischen Amerika hingegen sind die sogenannten
Blattschneider oder Schlepper, Ameisen der Gattung Atta, geradezu als
die gefahrlichsten Feinde der Vegetation zu bezeichnen.
10*
148
VL Die Thiere.
Fig. 70. Schnitte an Cuphea-Blättern, in 5 bezw.
4 Minuten von Atta discigera ausgeführt. Nat. Gr.
Nach Alf. Möller.
Fig. 72. Ein Blatt der Aipimpflanze, an
welchem Atta discigera thätig war. Schliess-
Fig. 71. Atta discigera, mit Schnittstücken an lieh wäre das ganze Blatt auf den gleichen
einer geplünderten Aipimpflanze herabsteigend. Zustand, wie rechts unten an der Mittelrippe,
Nat. Gr. Nach Alf. Möller. reducirt worden. Nat. Gr. Nach Alf. Möller.
2. Pflanzen und Ameisen.
149
§. 1. Die Ameisen als Pilzzüchter. Die Raubzüge der Schlepp-
ameisen im tropischen Amerika sind jedem Reisenden wohl bekannt
und häufig geschildert worden. Ein grüner Strom zieht quer durch
den Waldpfad, — wandernde Blattstücke von Groschengrösse, jedes auf
dem Kopf einer Ameise senkrecht stehend. Bei gewissen Arten be-
gleiten grossköpfige unbeladene Soldaten den Zug. Letzterer kommt
von einer Pflanze, auf welcher die keineswegs furchtsamen Thierchen
bei ihrer Arbeit leicht beobachtet werden können. Ein Stück aus dem
Blattrande wird mit den scheerenartigen Kinnbacken in wenigen Minuten
herausgeschnitten (Fig. 70) und mit ruckartiger Bewegung auf den Kopf
Fig. 73. In der . Gefangenschaft innerhalb dreier Tage auf einem Teller erbauter Pilzgarten
der Schlepperameise (Atta IV). Nat. Gr. Nach Alf. Möller.
gestellt. So beladen schliesst sich die Ameise der heimkehrenden
Schaar an (Fig. 71).
Die heimgesuchte Pflanze wird manchmal, jedoch nicht immer, erst
verlassen, nachdem sämmtliches Laub mit Ausnahme besonders harter
Rippen und Stiele fortgeschleppt worden ist. Es ist merkwürdig, dass
die Schlepper ihre Beute so häufig in grösserer Entfernung holen, ob-
wohl ihnen zusagende Pflanzen in der Nähe sind ; Belt fand sie manch-
mal eine halbe englische Meile weit von ihrem Neste beschäftigt. Wahr-
scheinlich hängt dieses damit zusammen, dass, wie Alf. Möller feststellte,
die gleiche Pflanzenart abwechselnd verschmäht und aufgesucht wird, was
nur dadurch erklärlich erscheint, dass es darauf ankommt, ein be-
I 50 VI. Die Thiere.
stimmtes Gemisch herzustellen, bezw. in seinen unbrauchbar gewordenen
Bestandtheilen zu erneuern. Nicht bloss Blätter, sondern auch Blüthen,
Früchte und Samen, bezw. Theile solcher werden eingeheimst.
Die Schleppameisen verschwinden mit ihrer Beute in die Eingangs-
öffnungen ihrer Nester, welche entweder in einer flachen, natürlichen
Höhlung, wie bei den besonders gut untersuchten Atta discigera und
A. hystrix Südbrasiliens liegt oder in festen Boden gegraben ist, wie bei
Atta coronata und wahrscheinlich den meisten Arten. Was mit den
in so grosser Menge eingeheimsten Blattstücken geschieht, ist bis vor
Kurzem ein ungelöstes Räthsel geblieben. Bates Hess dieselben zum
Ueberziehen der Wände verwenden, Mac Cook glaubte an die Erzeugung
einer Art Papier zu inneren Constructionen , Th. Belt aber sprach die
abenteuerlichste Vermuthung aus, dass nämlich die Ameisen auf den
faulenden Blattmassen Pilzzucht betreiben. Der geniale „Naturforscher
in Nicaragua*' hatte, wie immer, das Richtige getroffen. Alf. Möller
hat in einer Untersuchung, welche ein auf dem Gebiete der Oekologie
seltenes Beispiel von mit Kritik verbundenem Scharfsinn darstellt, die
Richtigkeit des stets bestrittenen oder bespöttelten Belt'schen Satzes:44
I believe .... that they are, in reality mushroom growers and eaters"1)
endgültig nachgewiesen.
Die heimgebrachten Blattstücke dienen nur zum kleinen Theile zur
Bedeckung der Nester. Die Hauptmasse wird von den Ameisen weiter
zerschnitten und mit Füssen und Kinnbacken derart weich geknetet,
dass nur noch wenige Zellen unversehrt bleiben. So zubereitet, werden
die nun formlosen Klümpchen einer grobporigen schwammigen Masse
hinzugefugt, welche das Innere des Nestes ausfüllt und den Pilzgarten
darstellt (Fig. 73).
Die Klümpchen, deren anfänglich grüne Farbe zunächst ins blau-
schwärzliche und schliesslich ins gelbbraune übergeht, sind von
zarten Pilzfäden zusammengehalten und durchzogen. Bei genauerer Be-
trachtung entdeckt man ausserdem zahllose weisse Körperchen von
höchstens 1j% mm. Grösse, die den Pilzfäden seitlich entspringen und
von Möller Kohlrabihäufchen genannt werden (Fig. 74). Sie be-
stehen aus einer Gruppe kurzer Aeste mit knotenförmig oder kugelig
erbreitertem Ende und sehr reichem Plasmagehalt. Die Kohlrabi-
häufchen bilden die wichtigste, wenn nicht die einzige
Nahrung der Ameisen und stellen eine durch deren
Züchtung entstandene Neubildung dar.
Die Kohlrabihäufchen treten an dem frischen Klümpchen bereits
nach kurzer Zeit und verschwinden, wenn letztere eine braungelbe
Färbung annehmen. Möller hat durch sinnreiche Versuche das ganze
*) „Ich glaube, dass sie in Wirklichkeit Pilzzüchter und Esser sind."
2. Pflanzen und Ameisen. je i
Treiben der Ameisen in ihren Pilzgärten klargestellt und gezeigt, wie die
kleinsten Arbeiterinnen alle fremden Organismen fernhalten, derart, dass
die Klümpchen ohne weiteres zu Reinculturen verwendet werden konnten
und wie dieselben durch fleissiges Abbeissen der Luftfäden das nachher
zu schildernde „ins Kraut schiessen" verhindern; er hat auch das
Verzehren der Kohlrabihäufchen in zahlreichen Fällen direkt be-
obachtet und festgestellt, dass Fehlen derselben den Tod der Ameisen
durch Verhungern herbeiführt.
Der Pilz verbleibt in der Regel auf dem eben geschilderten rein
vegetativen Zustande. Nur ausnahmsweise und unter unbekannten Be-
dingungen entwickeln sich aus dem Mycel stattliche hutförmige Frucht-
körper von reinem Agaricineentypus und krönen den Gipfel des Ameisen-
nestes, — eine um so mehr in die Augen fallende Erscheinung, als
grosse Hutpilze im tropischen
Regenwalde selten sind. Der-
artige Befunde haben es Möller
möglich gemacht, die systema-
tische Stellung des Pilzes voll-
kommen sicher zu ermitteln. Der-
selbe stellte sie als neue Art
der Gattung Rozites dar, R. gon-
gylophora Moll. ^
Die vier bei Blumenau vor-
kommenden Atta -Arten cultiviren
4 \^ * ^ ■ ■Fl I Jl^"
dieselbe Pilzart ; hingegen ist die- ., ^ .
j Fig. 74. Kohlrabihäufchen von Rozites gon-
selbe ausserhalb der Ameisen- gy^ora Moll., dem Pilze der stidbrasilian^
nester nie gefunden worden. Es sehen Atta-Arten. Vergr. 150. NachA. Möller.
handelt sich demnach um einen
hochentwickelten Fall der gegenseitigen Anpassung ungleicher Organismen.
Die Entfernung der Ameisen aus dem Pilzgarten hat nach wenigen
Tagen das Auftreten eines sehr reichen Luftmycels zur Folge, an
welchem zweierlei Conidien abgeschnürt werden. Das üppige Wachs-
thum bedingt nicht bloss rasche Erschöpfung des Substrats, sondern
auch die Entleerung der Kohlrabihäufchen, bezw. das Ausbleiben der
Bildung derselben.
Möller konnte durch Cultur in Nährlösung den Pilz zur Bildung von
Kohlrabihäufchen veranlassen, welche mit denjenigen der Pilzgärten
identisch waren und ebenso gerne wie diese von den Ameisen verzehrt
wurden. Die eigenartigen Bildungen stellen demnach keineswegs
Ameisengallen dar, sondern sind ein Produkt der Cultur, vergleichbar
dem Kohlrabi. Der phylogenetische Ausgangspunkt ihrer Bildung ist in
der Neigung des Pilzes zu suchen, allerlei Anschwellungen zu erzeugen.
Die Schlepper sind nicht die einzigen pilzzüchtenden Ameisen. Eine
152
VI. Die Thiere.
itlrTrl Jjr
der Töchter Fritz Müller's, Frau Brockes, hat dieselben Gewohnheiten
bei einer zweiten Ameisengattung, Apterostigma, in der Umgebung von
Blumenau entdeckt, und Alf. Möller hat die Pilzgärten dieser durch reiche
Behaarung ausgezeichneten und daher Haarameisen genannten Thier-
chen näher untersucht. Die letzteren gehören zu vier verschiedenen
Arten: Apt. Mölleri Forel, Apt. pilosum Mayr, Apt. Wasmanni Forel
und einer noch unbenannten Art, Apt. IV. Sie leben in viel kleineren
Gesellschaften als die Atta-Arten und bauen entsprechend kleinere Gärten,
zu welchen sie vornehmlich das durch die Thätigkeit von Insektenlarven
gebildete Holzmehl und die Excremente der letzteren verwenden.
Endlich lernte Möller auch die Höckerameisen, Arten der
Gattung Cyphomyrmex (C. auritus Mayr und C. strigatus Mayr) als Pilz-
züchter kennen. Ihre Pilzgärten sind denjenigen der Haarameisen ähnlich.
Die Pilze der Haarameisen und Höckerameisen sind unter sich
sowohl als von dem Atta -Pilze
specifisch verschieden, dagegen
züchten die verschiedenen Arten
einer jeden Ameisengattung die
gleiche Pilzart. Der Apterostigma-
und der Cyphomyrmex - Pilz er-
zeugt, wie der Atta-Pilz, Kohlrabi,
doch von etwas abweichender
Struktur und bildet ebenfalls, nach
Entfernung der Ameisen, ein üp-
Fig. 75. Kohlrabihäufchen des Pilzes einer PJ& wucherndes, Conidien abschnü-
südbrasilianischen Höckerameise, Cyphomyrmex rendes Luftmycel. Leider Wurde
strigatus. Vergr. 270. Nach Alf. Möller. die höchste Fruchtform nicht be-
obachtet, so dass die systema-
tische Stellung der unzweifelhaft zu den Basidiomyceten und wahrschein-
lich zu den Agaricinen gehörigen Pilze der Haar- und Höckerameisen
noch nicht genau festgestellt ist.
Die Kohlrabihäufchen der verschiedenen Ameisen - Arten sind in
hohem Grade instructiv, indem sie auf ungleichen Stufen der Züchtung
verbliebene Gebilde darstellen. Das vollkommenste Produkt haben die
Atta- Arten erzielt (Fig. 74). Etwas weniger vollkommen sind die Kohlrabi-
häufchen von Apterostigma Wasmanni, indem die einzelnen Kohlrabiköpfe
niemals die Gestalt von Kugeln, sondern diejenige angeschwollener Keulen
besitzen und zu weniger bestimmten Häufchen gruppiert sind. Ausser-
dem wachsen sie, im Gegensatz zu denen des Atta-Pilzes, in Nährlösung
regelmässig zu gewöhnlichen Fäden aus und bekunden dadurch, dass
sie ihre Fadenform weniger eingebüsst haben. Noch auf etwas nied-
rigerer Stufe, trotz besser begrenzter Gesammtgestalt , finden wir die
Kohlrabihäufchen des Cyphomyrmex strigatus (Fig. 75); die unvoll-
2. Pflanzen und Ameisen. IC 3
kommensten Bildungen zeigen sich aber in den Gärten von Cypho-
myrmex auritus, Apterostigma pilosum, Apt. Mölleri, Apt. IV, wo die
Anschwellungen noch keinen bestimmten Ort der Vorkommens am
Faden und kein bestimmtes Maass ihrer Stärke aufweisen.
Ein so verheerender Factor, wie ihn die Schleppameisen im tro-
pischen Amerika, namentlich am Aequator und nördlich desselben dar-
stellen, kann nicht ohne Einfluss auf den Charakter der Vegetation
geblieben sein. Das Schicksal der eingeführten Gewächse ist in dieser
Hinsicht lehrreich. Manche derselben werden derartig bevorzugt, dass
ihre Cultur da, wo Schlepper sehr häufig sind, ganz unmöglich ist,
wie die Rosen, Orangen, Kaffee, Cichorien, Mango, Kohl; andere
hingegen bleiben verhältnissmässig ganz verschont, wie Eucalyptus,
die Ramiepflanze (Böhmeria), Gramineen, Heliotrop, Magnolien, Lorbeer,
Cucurbitaceen, Wermuth, Rettig, Petersilie, Sellerie etc.1)
ß
Fig. 76. Acacia sphaerocephala. / Stammstück mit Stacheln und einem Blatte, letzteres mit
den Belt'schen Körperchen F. Auf dem Blattstiel bei N ein Nectarium. Verkleinert.
II Einzelnes Blattfiederchen, etwas vergr. B. L.
Aehnliches ist von der tropisch-amerikanischen Vegetation vor dem
Auftreten der Schlepper anzunehmen. Sie umfasste einerseits besonders
häufig heimgesuchte, anderseits selten oder gar nicht berücksichtigte
Arten. Die ersteren wurden, wenn sie nicht zu den am schnellsten
wachsenden und häufigsten Arten gehörten, entweder vollständig ver-
nichtet, oder sie persistierten nur in solchen Exemplaren, welche irgend
einer Eigenschaft individuelle Immunität verdankten. Diese Eigenschaft
wurde sodann im Kampfe gegen die Schlepper gezüchtet.
Die schützenden Eigenschaften dürften in manchen Fällen histo-
logischer Natur sein, so bei faserreichen Gewächsen, wie Gramineen,
*) MöUer 1. c. S. 83. Diese Angaben gelten zunächst nur für Südbrasilien. Die Atta-
Arten am Aequator mögen z. Th. andere Neigungen haben.
IJ4 VI- Die Thiere.
Palmen, Bromeliaceen , die zu den am seltensten oder gar nicht zer-
schnittenen Gewächsen gehören. Im anderen Falle handelt es sich wahr-
scheinlich um scharf schmeckende und riechende oder giftige Stoffe,
oder uni kautschukreichen, sehr zähen Milchsaft, welch letzterer jedoch
nicht immer schützt (Manihot). Die Zahl der aromatischen Pflanzen ist
sowohl unter den bevorzugten als unter den beinahe stets verschmähten
relativ sehr gross, was darauf hinzuweisen scheint, dass bestimmte aethe-
rische Oele die Schleppameisen anziehen, während andere dieselben
abstossen. Solche Erscheinungen geben Winke bezüglich der Bahnen,
welche die natürliche Zuchtwahl im Kampfe der Vegetation gegen die
Schlepper befolgt haben muss.
Während die in der Pflanze selbst befindlichen Schutzmittel, welche
bedingen, dass viele Arten ganz, andere mehr oder weniger von den
Blattschneidern verschont werden, zur Zeit nur den Gegenstand von
Hypothesen bilden können, ist für gewisse Arten der Nachweis geliefert
worden, dass sie, um ihre Angreifer abzuwehren, ein symbiotisches Ver-
hältniss mit bestimmten kampflustigen Ameisen eingegangen sind und
dadurch einen nahezu vollkommenen Schutz erhalten haben.
§ 2. Myrmecophilie. Mit Anpassungen zum Anlocken von Ameisen
versehene Gewächse werden myrmecophil genannt. Wie das
Vorkommen solcher Vorrichtungen in den Tropen der alten Welt
beweist, ist die Myrmecophilie auch gegen andere Feinde der Vege-
tation zur Ausbildung gelangt und zwar vornehmlich zum Schutze der
Blüthen gegen Insektenfrass. Hingegen sind in der temperirten Zone,
entsprechend der relativ geringen Häufigkeit der Ameisen, für die
letzteren bestimmte Lockmittel nur bei wenigen Pflanzen als schwache
Andeutung vorhanden. Die typische Myrmecophilie gehört zu den
Eigenthümlichkeiten der tropischen Flora.
Als eigentlicher Entdecker der Myrmecophilie muss Th. Belt
gelten, wenn auch Delpino auf Grund eines viel weniger beweisenden
Materials, ungefähr gleichzeitig und selbständig die gleiche Idee aus-
sprach. Belt lernte in Nicaragua und am Amazonas mehrere Ameisen-
pflanzen kennen, in erster Linie jedoch beschäftigte ihn die Acacia
cornigera, welche, nebst der sehr ähnlichen Ac. sphaerocephala seitdem
mehrfach wieder untersucht, jetzt zu den best bekannten Beispiele^
für diese Gruppe von Erscheinungen gehört (Fig. 76). Beide Acacien
und mit ihnen noch mehrere andere Arten besitzen grosse, hohle,
relativ dünnwandige Stipulardornen , welche einer bestimmten Art
bissiger Ameisen, die sich in der Nähe der Spitze eine Eingangsöffnung
durchbohrt, als Wohnung dienen. An den Enden der Blättchen, meist
aber nur in der oberen Hälfte des Blatts, befinden sich kleine ei- oder
birnförmige Gebilde, welche von den Ameisen eifrig gesammelt und
verzehrt werden. Diese nach ihrem Entdecker Belt'sche Körperchen
2. Pflanzen und Ameisen.
155
genannten Nahrungskörper sind morphologisch wohl als umgebildete
Drüsen zu betrachten. Sie unterscheiden sich jedoch von allen be-
kannten Drüsen durch bestimmte Merkmale, welche, mit der in solchen
Dingen überhaupt möglichen Gewissheit, als Anpassungen an die
Ameisen betrachtet werden dürfen, nämlich durch bedeutendere Grösse,
längere Dauer, Reichthum an Eiweissstoffen , leichtes Abfallen beim
Berühren. Zudem ist eine secernirende Thätigkeit, wenigstens auf den
späteren Stadien der Entwickelung nicht vorhanden. Besonders fällt
aber der Umstand ins Gewicht, dass ganz ähnliche Körperchen bei der
Moraceengattung Cecropia und der Acanthaceengattung Thunbergia
ebenfalls im Zusammenhang mit Schutzameisen vorkommen. Derartiges
ist bei anderen Pflanzen nie beobachtet worden. Ausserdem bietet
ein an der Basis des Blattstiels befindliches Nektarium zuckerreiche
Flüssigkeit.
Unter allen Ameisenpflanzen sind bisher keine so gründlich nach
allen Beziehungen untersucht worden, wie einige Arten der Gattung
Cecropia, namentlich die südbrasilianische C. adenopus.
Die Cecropien (trumpet trees, bois canot, pao de imbaüba)
gehören zu den am meisten in die Augen fallenden Bäumen des
tropischen Amerika. Sie sind weit verbreitet und überall häufig, in
den Regenwäldern wie in den dünnen Waldstrichen der xerophilen
Gebiete und in den jungen Wäldern (capoeiras der Brasilianer), welche,
in regenreichen Gebieten, verlassenen cultivirten Boden bald bedecken
oder zerstörten Urwald ersetzen. Ueberall erheben sich, kandelaber-
ähnlich, ihre schlanken, von kurzen Stelzwurzeln getragenen Stämme,
welche sich oberwärts in wenige, einfache oder nur wenig zertheilte
Aeste spalten; die grossen, handförmig gelappten Blätter sind nur an
den Astenden vorhanden.
Stets laufen einige emsige Ameisen auf Aesten und Blattstielen
der Cecropia adenopus. Berührt man aber den Baum etwas unsanft,
so stürzt aus winzigen Oeffnungen des Stammes und der Zweige ein
Ameisenheer hervor und greift den Ruhestörer wüthend an. In
St. Catharina ist es stets dieselbe Ameisen-Art, Azteca instabilis und
dieselbe kommt anscheinend nur in den Cecropien vor. Sie gehört zu
den kampflustigsten der mir bekannten Ameisen und zu denjenigen,
deren Stich am empfindlichsten ist. Sie übertrifft in beiden Richtungen
die Ameisen, welche ich als Bewohner anderer Pflanzen kennen lernte,
namentlich auch, trotz der wohl übertriebenen Schilderungen der
Reisenden, diejenigen der „lebenden Ameisennester** des malayischen
Archipels, Myrmecodia und Hydnophytum, die nachher geschildert
werden sollen.
Die gefährlichsten Feinde des Imbaubabaums sind die Blatt-
schneiderameisen, d. h. sie würden es sein, wenn sie nicht durch die
156
VI. Die Thiere.
stammverwandte Schutzarmee ferngehalten werden würden. Sie haben
für das Cecropialaub eine solche Vorliebe , dass Fritz Müller und ich
bei Blumenau niemals einen der selten vorkommenden unbewohnten
Bäume fanden, dessen Blätter nicht bis auf die Rippen zerschnitten
worden wären, während kein Baum mit Schutzarmee die Spuren solcher
Thätigkeit aufwies. Nur während der niedrigsten Wintertemperaturen
ist der Baum dem Feinde preisgegeben, da die Schutzameisen gegen
Kälte weit empfindlicher
sind als die Schlepper. *)
Andere Thiere werden,
wie es scheint, nicht fern-
gehalten. Raupen kom-
men auf dem Baume vor,
allerdings ohne grossen
Schaden zu verrichten, und
das Faulthier zeigt für
denselben eine solcheVor-
liebe, dass es in Brasilien
nach ihm (imbaüba) ge-
nannt wird. Keiner dieser
Feinde kann sich aber
an verheerender Thätig-
keit mit den Schlepp-
ameisen messen.
Die nähere Unter-
suchung lehrt, dass der Im-
baubabaum seinen Gästen
Wohnung und Nahrung
bietet. Die Mitte des Stam-
mes ist von einer quer ge-
fächerten Höhlung durch-
zogen, welche sich von
unten nach oben, ent-
sprechend der Breiten-
zunahme des wachsenden
Gipfels, trichterförmig er-
weitert, so dass die obersten Stammkammern viel geräumiger sind als
die in unseren Abbildungen dargestellten. Die Höhlung, also der
Wohnraum der Ameisen, stellt trotz seiner eminenten Brauchbarkeit,
keine Anpassung an die Gäste dar ; vielmehr zeigt sich die gleiche Er-
scheinung bei vielen anderen Gewächsen und ist auf das mechanische
Fig. 77. Längsgespaltenes Stück eines jungen Stammes
von Cecropia adenopus. Centrale Höhlung mit durch die
Ameisen durchbohrten Querfiichern und Ameisenbauten.
Nat. Gr.
*) Möller 1. c. S. 82.
2. Pflanzen und Ameisen.
157
Bauprincip der Biegungsfestigkeit bei kleinstem Aufwand von Baumaterial
zurückzuführen. Die Wohnung hat dem Zusammenleben präexistirt (Fig. 77).
Mit der Thüre verhält es
sich anders. Hier zeigt sich
eine unzweifelhafte Anpassung.
Oberhalb einer jeden Blattin-
sertion läuft nahezu bis zum
nächsten Knoten eine flache
Rinne, deren Gipfel bei amei-
senfreien Bäumen oder an
jungen, noch nicht bewohnten
Internodien eine rundliche
Vertiefung zeigt (Fig. 78). Da
der äusseren eine innere Ver-
tiefung entspricht, so ist an
dieser Stelle die Wand sehr
dünn und stellt nur ein Dia-
phragma durch eine Röhre dar
(Fig. 79). Das Diaphragma
weicht in seiner histologischen
Zusammensetzung wesentlich
von den benachbarten Wand-
theilen ab, denn es entbehrt
der harten und zähenElemente,
wie Gefassbündel,Collenchym,
verholztes Parenchym , die
eine Hauptmasse der Gewebe
an allen anderen Stellen bil-
den. Die Gefässbündel ent-
stehen hinter der Rinne erst
nachträglich; sie hören aber
dicht unterhalb des Dia-
phragma auf. Das Diaphragma
ist die vorgezeichnete Thüre ;
stets wird nur an dieser Stelle
gebohrt.
Die Untersuchung der Ent-
wicklungsgeschichte zeigt,
dass das erste Auftreten der
Vertiefung auf den Druck der
kleinen Axillarknospe zurück-
zufuhren ist , welche auf unserem Bilde an der Basis des Internodium
sichtbar ist (Fig. 78). Dieser Druck findet während des ganzen Längen-
Fig. 78. Cecropia adenopus. Gipfel eines jungen
Stammes. Am Internodium, a eine noch nicht durch-
bohrte Eingangsstelle; in b ist dieselbe durchbohrt.
Nat. Gr.
Ij8 VI. Die Thiere.
wachsthums des letzteren statt und bedingt die Entstehung der Rinne.
Die Gewebe hinter derselben werden denjenigen der nicht eingedrückten
Theile gleich, mit Ausnahme des zuerst entstandenen Grübchens, das
nach Aufhören des Drucks an Umfang zunimmt und gleichsam weiter
modellirt wird.
Bei dem phylogenetischen Beginn des Zusammenlebens bohrten die
Ameisen ihre Eingangsöffnung offenbar in der Rinne, weil die Wand
dort etwas dünner war, und zwar, entsprechend einer mit inneren Ein-
richtungen zusammenhängenden Gewohnheit, die sich beinahe überall
wiederzeigt, möglichst im oberen Teile ihrer Wohnung. Alle das Durch-
bohren dieser Stelle erleichternden Eigenschaften mussten im Kampfe
ums Dasein erhalten und weiter gezüchtet werden.1) Sie führten
Fig« 79« Cecropia adenopus. Theil des Querschnitts einer Internodiumwand mit der ver-
dünnten Stelle. Schwach vergr.
schliesslich zur Ausbildung des geschilderten dünnen und weichen
Diaphragma.
Die Cecropia-Ameisen geben sich in ihren Wohnräumen mit Aphiden-
zucht ab und würden dieselben wenig verlassen und das Laub selten
oder nicht aufsuchen, wenn dasselbe nicht eine fortwährende Besich-
tigung lohnte. Die Basis der Blattstiele ist nämlich an der Rückseite
von einem braunsammetenen Haarüberzug bedeckt , auf welchem , bei
unbewohnten Bäumen, eiähnliche, etwa 2 mm lange Körperchen von
weisslicher Farbe ganz lose liegen (Fig. 80). Die Anwesenheit solcher
Gebilde, die nach ihrem Entdecker, Fritz Müller, Müller'sche Körper-
chen genannt werden, ist ein sicheres Zeichen, dass der Baum un-
*) Ich habe auf den Bergen zwischen den Provinzen Rio und Minas eine Cecropia-
Art beobachtet, welche auf tieferer Stufe der Anpassung verblieben zu sein scheint, unter
anderen dadurch, dass die „Thüre" bei jungen Pflanzen fehlte. Doch blieben die Beob-
achtungen sehr fragmentarisch.
2. Pflanzen und Ameisen.
159
bewohnt ist ; so sind sie in unseren Gewächshäusern stets sichtbar. Den
bewohnten Bäumen fehlen sie an der Oberfläche der Polster gänzlich,
indem sie fortwährend von den ewig nach ihnen fahndenden Ameisen,
ähnlich wie bei Acacia cornigera, sofort eingeheimst und verzehrt
werden. Die Müllerschen Körperchen bestehen wie die Belt'schen aus
zartem, eiweiss- und fettreichem Parenchym.
Wie die Ameisenpilze und die genannten Acacien, stellt auch
Cecropia den Ausnahmefall eines Preisgebens von Eiweissstoffen, sogar in
relativ reichlicher Menge, seitens einer Pflanze dar, denn die Müller'schen
Körper werden fortwährend
und in reichlicher Menge
erzeugt. Durchschneidet man
den braunen Sammetüber-
zug (Fig. 81), so sieht man,
zwischen den Haaren ver-
borgen, zahlreiche dicht ge-
drängte Gebilde der ge-
schilderten Art in den
verschiedensten Stadien der
Entwickelung. Zur vollen
Grösse herangewachsen, lö-
sen sie sich an der Basis
ab und werden durch den
Druck der seitlich ausein-
ander gedrängten elastischen
Haare nach der Oberfläche
geschoben.
Die Entwicklungsge-
schichte sowie die Anwesen-
heit einer Spaltöffnung am
Gipfel zeigt, dass die Müller'-
schen Körperchen, ähnlich
wie die Belt'schen, als meta-
morphosirte Drüsen aufzufassen sind; Drüsenfunktion kommt ihnen
jedoch, auch in den Anfangsstadien, gar nicht mehr zu. Während
normale Blattdrüsen sonst nur an jungen Blättern vorhanden sind und
alsbald absterben, werden die in Nahrungskörper für Ameisen umge-
wandelten Drüsen der Cecropia während der ganzen Lebensdauer des
Blattes fortwährend neu gebildet und fortwährend, strotzend mit Ei-
weissstoffen, abgelöst.
Die Annahme, dass die Eingangsthüre und die Müller'schen Körperchen
Anpassungen an Ameisen darstellen, wurde in überraschender Weise be-
stätigt durch die Entdeckung auf dem Corcovado bei Rio de Janeiro, einer
Fig. 80. Cecropia adenopus. Blattstielbasis mit Polster
und Müller'schen Körperchen. Nat. Gr.
i6o
VI. Die Thiere.
Cecropia-Art, welche sowohl der Ameisen als auch der vor-
gebildeten Eingangsthüre und der Müller'schen Körperchen
entbehrt (Fig. 82). Auch hier drückt die junge Axillarknospe auf das
Internodium und bedingt die Entstehung zunächst einer isodiametrischen
Vertiefung, die sich später, dem Längen wachsthum entsprechend, zu
einer Rinne fortsetzt. Aber die zuerst entstandene Vertiefung unter-
scheidet sich weder äusserlich, noch in der Beschaffenheit der hinter
ihr befindlichen Gewebe, von der Rinne, deren oberstes Ende sie bildet.
Trotz dem Fehlen der Schutzarmee zeigte sich die ameisenfreie
Cecropia ganz unverletzt, anscheinend weil der Wachsüberzug des
Stammes das Hinaufklettern der Blattschneider verhindert. Es ist näm-
lich experimentell nachgewiesen, dass ein
Wachsüberzug ein unüberwindliches Hinder-
niss darstellt.1)
Cecropia adenopus, welcher sich wohl
die Mehrzahl der anderen Arten der Gattung
anschliesst, stellt eine höhere Stufe der An-
passung dar, als Acacia cornigera u. A. sphae-
rocephala, indem sie ausser den Nahrungs-
körperchen noch die vorgebildete Bohrstelle
als Anpassung aufweisen kann. In letzterer
Hinsicht schliesst sich das von Beccari auf
Borneo entdeckte Clerodendron fistulosum
den Cecropien an. Andere Arten sind hin-
gegen noch einen Schritt weiter gelangt,
indem es bei ihnen zur Bildung einer Oeff-
nung durch die Wand des hohlen Inter-
nodium gekommen ist. Die Ursachen, die
zur Bildung einer Oeffnung fuhren, sind noch
nicht aufgeklärt ; es dürfte sich in gewissen Fällen um die Folgen einer
Spannung, in anderen vielleicht um Absterben der Gewebe an einer
circumscripten Stelle handeln.
Die Oeffnung ist bald schmal spaltenartig, so dass sie von den
Ameisen erbreitert werden muss (Duroia hirsuta, nach Schumann), bald
ist sie von Anfang an mehr rundlich, lochartig, so dass sie der späteren
Verwendung vollkommen entspricht (Fig. 83 , 1 — 3).
Das spontane Auftreten einer Oeffnung in der vorher intakten
Wand hohler Internodien wurde zuerst von Bower für Humboldtia lauri-
folia, sodann von Schumann für mehrere Arten wahrscheinlich ge-
macht. Zu vollkommener Sicherheit darüber kam ich im botanischen
Garten zu Buitenzorg, wo ich ganz ameisenfreie Exemplare von
Fig. 81. Cecropia adenopus.
Theil des Sammetüberzuges an
der Blattstielbasis mit Müller'schen
Körperchen in verschiedenen
Entwickelungsstadien. Schwach
vergr.
l) Schimper 1. c. S. 66.
2. Pflanzen und Ameisen.
161
der
und
im
ver-
Humboldtia laurifolia, Triplaris americana und der bisher als Ameisen-
pflanze noch nicht erkannten Ficus inaequalis1) mit einer wohl aus-
gebildeten Eingangsöffnung am oberen Ende der meisten oder aller
Internodien beobachtete.
Von den drei letzterwähnten Fällen ist derjenige
äquatorialen Südamerika verbreiteten Triplaris americana ,
wandter Arten derselben Gattung, der ein-
fachste. Hohle Axen sind bei der Familie
der Polygonaceen häufig ; die Wohnung ist
hier also ebensowenig als bei Cecropia
eine Anpassung an die Ameisen. Dagegen
dürfte die Eingangsöffnung mit Sicherheit
als solche beansprucht werden. Nahrungs-
körperchen, denjenigen von Cecropia und
Acacia cornigera vergleichbar, fehlen, da-
gegen sind extraflorale Nektarien an den
Blättern vorhanden. Das Vorkommen der
letzteren Bildungen , d. h. von Zucker se-
cernirenden Drüsenorganen ausserhalb der
Blüthen und ohne ökologischen Zusammen-
hang mit der Bestäubung, ist bei den von
Ameisen bewohnten Pflanzen eine sehr häu-
fige Erscheinung.
Bei Ficus inaequalis, welcher sich eine
Anzahl anderer nachgewiesenermaassen von
Ameisen bewohnten Gewächse anschliesst
(z. B. Duroia-Arten), ist nicht bloss die Oeff-
nung, sondern anscheinend auch der Hohl-
raum als Anpassung entstanden, denn der
letztere ist nur an einem Theile der Inter-
nodien vorhanden und nimmt nur die obere
Hälfte des betreffenden Internodiums ein, so
dass das Princip der Biegungsfestigkeit auf
ihn keine Anwendung mehr finden kann.
Ob Humboldtia laurifolia sich dem letzt-
erwähnten oder dem Triplaris -Typus an-
schliesst, muss ich dahingestellt lassen. Hier
sind an den Blättern und Nebenblättern zahlreiche schönrothe Nektarien
vorhanden. Cordia nodosa (Fig. 84), von welcher ich zahlreiche Exemplare
bei Pernambuco wild wachsend beobachten konnte, gehört wiederum
Fig. 82. Stammstück einer ameisen-
freien Cecropia- Art des Berges Cor-
covado bei Rio de Janeiro. Nat. Gr.
') Allerdings bleibt an natürlichem Standorte der Nachweis zu liefern , dass die
Höhlungen von Ameisen bewohnt sind. Im botanischen Garten zu Singapore waren die
meisten bewohnt
Schimper Pflanzengeographie. II
IÖ2 VI. Die Thiere.
einem anderen Typus an. Hier trägt das lange untere Internodium
des in seinem oberen Theile straussartig gestauchten fertilen Sprosses,
dicht unterhalb der Blätter und Inflorescenzen eine seitliche Blase, zu
welcher zwischen den Blattstie laxen eine kleine vorgebildete Oeffnung
fuhrt. Ich fand die Blase stets von winzigen Ameisen bewohnt. Hier
zeigt sich sehr deutlich die Beziehung der Wohnräume der Ameisen zu
den Blüthen und ähnliches wiederholt sich in zahlreichen anderen Fällen,
Fig. 83. Myrmecophilen. / Ficus inaequalis (Hort. Singapore). 2 Triplaris americana, 1. jung.
Hort. Bogor., r. T. Caracasana, alt: Caracas. 3 Humboldtia laurifolia. (Hort. Bogor.)
Nat. Gr. R. Anheisser del.
z. B. bei der Lauracee Pleurothyrium macranthum, wo nur die
Inflorescenzaxen hohl und von Ameisen bewohnt sind.
Die berühmten Ameisenpflanzen des malayischen Archipels, Arten
von Myrmecodia und Hydnophytum (Fig. 85 und 86), stellen einen
von den vorigen ganz abweichenden Typus axialer Höhlungen dar.
Es handelt sich hier nicht mehr um eine einzige centrale Höhlung in
einem cylindrischen holzigen Internodium, sondern um zahlreiche
2. Pflanzen und Ameisen.
163
schwammartig communicirende Räume in einem saftigen Knollen,
welcher wohl, da die betreffenden Pflanzen Epiphyten sind, in erster
Linie als Wasserspeicher dient. Das Wasser befindet sich im Parenchym
der mehr oder weniger dünnen Scheidewände; die Räume selbst sind
lufthaltig und von Ameisen bewohnt. Ziemlich zahlreiche, aber sehr
kleine Oeffnungen vermitteln den Verkehr nach aussen. Aus ihnen
stürzen die Thierchen angriffbereit hervor, sobald der Knollen berührt
wird. Ich habe Myrmecodia echinata und Hydnophytum montanum
an verschiedenen Stellen auf Java wildwachsend beobachtet und die
Knollen stets bewohnt gefunden. Der grösste von mir beobachtete
Knollen ist Fig. 86 auf ein Drittel verkleinert, nach dem in Alkohol
conservirten Exemplar abgebildet.
Fig. 84. Cordia nodosa. Scheinwirtel mit Blüthenstandstiel und Blase, '/a nat. Gr.
In ausgezeichneter Weise wurde durch Treub Structur und Ent-
wickelung der Knollen von Myrmecodia und Hydnophytum dargestellt.
Er lieferte den Nachweis, dass die von Rumphius und späteren Be-
obachtern als eine Art Ameisengallen aufgefassten Bildungen, mit allen
ihren Eigenthümlichkeiten ohne jede Mitwirkung der Ameisen zu Stande
kommen. In Bezug auf die Function drückte sich Treub sehr vor-
sichtig aus; doch glaubt er nicht in den Knollen Anpassungen an
Ameisen erblicken zu dürfen, sondern ist eher geneigt, den Nutzen
der Innenräume mit der Durchlüftung in Beziehung zu bringen. Die
Mehrzahl der Forscher, die sich mit den von Ameisen bewohnten
Pflanzen beschäftigt haben und in bestimmten Fällen Gewissheit über
Anpassungen an die letzteren erlangt haben, werden es vorziehen,
164
VI. Die Thiere.
Myrmecodia und Hydnophytum zu den Myrmecophilen zu rechnen.
Ein Beweis für diese Ansicht ist jedoch nicht geliefert worden.
Die als Ameisenwohnungen dienenden Phyllombildungen sind
noch beträchtlich mannigfaltiger als die in solcher Weise benutzten Axen-
theile und zum Theil höchst eigenartig; dennoch handelt es sich in
allen zu dieser Gruppe gehörigen Fällen höchstens um muthmaassliche
Myrmecophilie. Auch bei den sicher myrmecophilen Acacien sind nur
Fig. 85. Myrmecodia ec hin ata. Knollen der Länge nach geschnitten, unterwärts mit
epiphytischem Farn. West- Java. Nat. Gr.
die Nahrungskörperchen, nicht die hohlen Stipulardornen, als unzweifel-
hafte Anpassungen zu beanspruchen.
Bei manchen Pflanzen ist die Umgestaltung eines Blatts oder Blatt-
stiels zu einem kammerförmigen, als Ameisengehäuse geeigneten und
thatsächlich als solches dienenden Gebilde, nachweisbar auf ganz
andere Factoren zurückzufuhren, z. B. bei epiphytischen Farnen,
Asclepiadaceen und Bromeliaceen , wo solche Kammern zur Auf-
speicherung von Wasser und erdigen Stoffen dienen.
Eher dürfte man bei den in Fig. 87 und 88 abgebildeten Ge-
wächsen, die ich im botanischen Garten zu Buitenzorg kennen lernte,
2. Pflanzen und Ameisen.
165
an Myrmecophilie denken. Bei Capura alata sind die grossen löffei-
förmigen Stipulae eines jeden Blattes derart gekrümmt, dass sie zu-
Fig. 86. Hydnophytum montanum. Noesa Kambangan, Süd- Java. ljz nat. Gr.
sammen einen kammerförmigen Raum umschliessen, deren Randlücke die
Ameisen, bis auf eine Eingangsöffnung, durch eine Art Spinngewebe
166
VI. Die Thiere.
verschliessen. Ich fand die Kammern beinahe stets von Ameisen be-
wohnt. Noch eigenartiger und der morphologischen Untersuchung
bedürftig erwiesen sich die Verhältnisse bei einem als Actinodaphne sp.
bezeichneten, vom Salak herrührenden Baum, wo als Schlussgebilde sämmt-
licher Zweige, oberhalb der winzigen Endknospe, ein Quirl kleiner Nieder-
blätter durch Krümmung nach innen, eine geräumige Kammer umschliesst.
Die hier als Niederblätter bezeichneten Phyllome unterscheiden sich von
den Laubblättern durch viel geringere Grösse, Fehlen des Stiels und ab-
weichende Gestalt. Stets fand ich die
Kammern von Ameisen bewohnt, welche
einer auch sonst im Garten massen-
haft auftretenden Art zu gehören schie-
nen. Dass so geeignete Bildungen von
Ameisen bewohnt werden, ist kein Wun-
der; weit merkwürdiger erscheint es,
dass die mit Eingangsöffnung versehe-
nen hohlen Stengel von Triplaris und
Humboldtia im Garten zu Buiten-
zorg, wenigstens soweit meine Beob-
achtungen reichen, ameisenfrei bleiben.
Weiter noch gehen die Abweichun-
gen von der gewöhnlichen Blattstructur
bei tropisch- amerikanischen Melasto-
maceen aus den Gattungen Tococa,
Maieta, Calophysca, Myrmedone und
Microphysca, sowie nach Schumann, bei
den Rubiaceen Remijia physophora und
Duroia saccifera und der tropisch-afrika-
nischen Isterculiacee Cola Marsupium. M
Hier befinden sich an der Basis der Blatt-
spreite, beiderseits des Hauptnerven oder
auch am Stiele, zwei mit je einer Oeff-
nung versehene Aussackungen (Fig. 891,
welche bei den Melastomaceen an der
Blattunterseite gelegen und als umgestaltete Domatien zu betrachten
sind, während sie bei Duroia der Oberseite gehören und morphologische
Neubildungen darstellen.
Alle die eben erwähnten Gewächse und noch andere von Ameisen
bewohnte Pflanzen sind, wie zuerst Schumann betonte, mit einer reich-
lichen braunrothen Behaarung versehen, welche in irgend einer Weise
zu der Symbiose in Beziehung zu stehen scheint.
Fig. 87. Capura alata. Myrmecophi!
(Hort. Bogor.) Nat. Gr.
') Vgl. über alle diese Pflanzen namentlich Schumann I.
2. Pflanzen und Ameisen.
167
Die meisten der mit Ameisenwohnungen versehenen Pflanzen bieten ihren
Schutzthieren gleichzeitig Nährstoffe^ gewöhnlich eine zuckerreiche Flüssigkeit
in extrafloralen Nektarien. Eine sehr grosse Anzahl Pflanzenarten, namentlich
in den Tropen1) sind im Besitze solcher Nektarien, ohne gleichzeitig den
Ameisen Wohnräume zu bieten. Nichtsdestoweniger erblicken einige Forscher,
namentlich Delpino, in allen derartigen Bildungen Lockmittel für Schutz-
ameisen, eine Ansicht, welche in dieser Allgemeinheit und bei der Spärlich-
keit der Beobachtungen über den durch Nektarien erzielten Ameisenschutz,
sicher unhaltbar ist Dass letzterer in gewissen Fällen verliehen wird, ist
allerdings nachgewiesen. So konnte ich bei Blumenau in Süd -Brasilien be-
Fig. 88. Actinodaphne sp. (Salak.) (Hort. Bogor.) Nat. Gr.
obachten, wie Ameisen, die dort ungemein häufig Cassia neglecta aufsuchten,
um die durch Nektarien an der Basis der Blattstiele ausgeschiedene süsse
Flüssigkeit aufzusaugen, und die zur Plünderung kommenden Blattschneider-
ameisen in die Flucht schlugen, *) während sie einen gewöhnlich anwesenden
Käfer unbelästigt Hessen. Ebenso konnten R. von Wettstein bei Jurinea
mollis und Burck bei verschiedenen Pflanzen des botanischen Gartens
zu Buitenzorg experimentell feststellen, dass durch die Ameisen unberufene
Besucher von den Blüthen ferngehalten werden. Andererseits ist es mir bei
l) Ausfuhrliche Verzeichnisse bei Delpino.
*) Schimper 1. c. S. 68 u. f. Fig. 9, Taf. III.
168
VI. Die Thiere.
einigen mit extrafloralen Nektarien versehenen Pflanzenarten nicht gelungen,
Ameisenbesuch zu constatiren.
Die wahrscheinlichste Ansicht dürfte zur Zeit die sein, dass die extrafloralen
Nektarien eine von den Ameisen unabhängige, noch unbekannte Function, die
irgendwie mit einem warmen
A ß Klima zusammenhängt, zu ver-
richten haben und erst secun-
där zu myrmecophilen Organen
geworden sind, in ähnlicher
Weise wie die Belt'schen und
Müller'schen Körperchen sowie
die ebenfalls eiweissreichen Ge-
bilde, welche Burck bei Thun-
bergia entdeckt hat
Die als Lockmittel für
Ameisen gezüchteten und ent-
sprechend umgestalteten extra-
floralen Necktarien wird man
in erster Linie unter den durch
Grösse, auffallende Färbung,
reichliche Ausscheidung, An-
häufung in der Nähe der Blü-
then, namentlich aber fleissigen
Ameisenbesuch ausgezeichneten
derartigen Gebilden vermuthen
dürfen; jedoch wird nur der
Nachweis, dass die Ameisen der Pflanze einen wesentlichen Schutz gewähren, der
Hypothese einen festen Grund verschaffen. Andererseits wird es hoffentlich ge-
lingen aufzufinden, welche ursprüngliche Bedeutung den Nektarien zukam und in
vielen Fällen wohl noch ausschliesslich zukommt. Dass es sich dabei um eine
sehr wesentliche Function nicht handeln kann, zeigten Versuche mit Pflanzen
von Cassia neglecta, die ich sämmtlicher Nektarien beraubte, ohne dadurch irgend
welche Störung zu veranlassen. Die Wunden vernarbten schnell und schieden
keinen Zucker aus, so dass die betreffende Function als vollkommen unterdrückt
betrachtet werden durfte. Leider fehlte es an Zeit um festzustellen, ob die
nektarfrei gewordenen und nicht mehr von Schutzameisen besuchten Pflanzen
den Blattschneidern zum Opfer fielen.
Fig. 89. Tococa lancifolia. Blattbasis mit Schläuchen.
A von unten gesehen, die Eingänge (a) zeigend. B von
oben. Nat. Gr. Nach K. Schumann.
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Wettstern, R. v. Sitzb. d. Wien. Akad. Bd. XCVII. iA. 1888.
ZWEITER THEIL.
FORMATIONEN
UND
GENOSSENSCHAFTEN.
I. Die Formationen.
1. Klimatische und edaphische Faotoreru Allgemeiner Vegetationstypus durch
die Hydrometeore , allgemeiner Florentypus hauptsächlich durch die Wärme bedingt, feine
Gliederung durch edaphische Einflüsse. Die Formationen. Haupt- und Nebenbestandtheile.
Unterscheidung klimatischer und edaphischer Formationen. — 2. Die klimatischen For-
mationen. § l. Ei nth eilung. Charakteristik des Gehölzes und der Grasflur. Ihr
Kampf. Invasion malayischer Waldgebiete durch die Alangsteppe. Verkümmerung von Ge-
hölz und Grasflur zur Wüste führend. Charakteristik der Wüste. — §2. Das Gehölz-
klima. Klimatische Existenzbedingungen der Bäume. Hygrophile und xerophile Bäume.
Die Baumgrenze. Das Niederholz. Charakteristik des Gehölzklimas. — §3. Das Gras-
flurklima. Klimatische Existenzbedingungen der Gräser. Charakteristik des Grasflur-
klimas. — § 4. Meteorologische Tabellen. Was sie bringen und was sie bringen
sollten. — 3. Die edaphischen Formationen. § 1. Edaphische Einflüsse im
Allgemeinen. — § 2. Durch Grundwasser bedingte edaphische For-
mationen. — § 3. Offene edaphische Formationen. Felsen, Gerolle, Sand-
boden. — § 4. Uebergang der edaphischen Formationen in klimatische.
Krakatan. Der Vulkan Guntur. Die Camargue. 4. Das Zusammenleben in Formationen.
1. Klimatische und edaphische Factoren.
Betrachtet man eine im Urzustände verbliebene ebene Gegend von
grosser Höhe, etwa von dem Gipfel eines Berges oder noch besser
von einem Luftballon herab, so erscheint ihr Vegetationscharakter in
der Regel gleichartig und zwar als Gehölz, Grasflur oder Wüste. Wohl
zeigen sich bereits in grosser Entfernung einige Unterbrechungen der
herrschenden Eintönigkeit. Wo beispielsweise ein Fluss die Grasflur-
landschaft durchfliesst , sind seine Ufer häufig von einem Waldsaum
eingenommen oder die dürre Wüste zeigt Flecken und Streifen mit
üppiger Vegetation. Es handelt sich da jedoch nur um Accidentien,
die dem Gesammtcharakter, welcher, ausser in Grenzgebieten, stets dem
einen oder dem andern der erwähnten drei Typen angehört, keinen
Eintrag thun.
Gebirgsketten stellen häufig Grenzmauern zwischen Gebieten un-
gleicher Vegetationstypen dar. So ist das Waldgebiet Nordafrika's
durch den Atlas von der Wüste Sahara, dasjenige des nördlichen
174
I. Die Formationen.
Venezuela durch die Cordillere von den Grasfluren der Llanos, der
Wald Brasiliens und Argentiniens durch die Anden von den Wüsten
Peru 's, Bolivia's und Nordchile's getrennt. In anderen Fällen ist ein
allmählicher Uebergang vorhanden. Das östliche nordamerikanische
Waldgebiet geht allmählich nach Westen in das Grasflurgebiet der
Prärie über und das letztere wird in westlicher Richtung allmählich
wüstenartig ; ähnliches zeigt sich beim Uebergang des russischen Wald-
gebiets in die südrussische Steppe und von der letzteren in die
kaspische Wüste.
Möge der Wechsel ein plötzlicher oder ein allmählicher sein , er
entspricht stets einem Wechsel der klimatischen Feuchtigkeit. Die
Menge und Vertheilung der Regen, die atmosphärische
Feuchtigkeit und die für die Vegetation wesentlich nur
durch ihre trocknenden Wirkungen maasgebenden Be-
wegungen der Atmosphäre sind die Factoren, welche in
den tropischen und temperirten Zonen den Vegetations-
typus bedingen, während der floristische Typus, soweit
er von jetzigen Factoren bestimmt, in erster Linie auf
die Wärme zurückzuführen ist, namentlich wenn nicht
Gruppen unteren Ranges (Gattungen und Arten), sondern
solche höheren Ranges (Ordnungen und Familien) in
Betracht gezogen werden. Nur in den polaren Ländern kommt
die Temperatur als klimatische Ursache eines Vegetationstypus, der
Kälte wüste oder Tundra, zur Geltung.
In grösserer Nähe erscheint der einheitliche Charakter der Pflanzen-
decke eines Gebiets weit weniger deutlich, da den schon in der Ferne sicht-
baren Unregelmässigkeiten eine Menge neuer hinzutreten, wie z.B. kleine,
von Schilf bedeckte Stellen mitten im Walde, oder spärlich bewachsenes
Gerolle etc. Ausserdem zeigen sich Gehölz, Grasflur und Wüste inner-
halb des Typus reich nüancirt ; hier ist der Charakter mehr hygrophil,
dort mehr xerophil in zahllosen Abstufungen. Endlich ist auch die
floristische Zusammensetzung, die in der Ferne meist gar nicht zur
Geltung kam, einem mehr oder weniger raschen Wechsel unterworfen.
Solche feine Gliederung der Vegetation und der Flora innerhalb eines
klimatischen Gebiets ist in erster Linie durch den Boden bedingt. Nur
bei Anwesenheit grösserer Unebenheiten macht sich ausserdem die Un-
gleichheit der Bestrahlung durch die Sonne geltend. Doch ist die
Wirkung dieses Factors demjenigen der physikalischen und chemischen
Bodenbeschaffenheit stets untergeordnet.
Die Gliederung der Pflanzendecke der Erde ist nach
dem Vorstehenden von drei Factoren beherrscht: Wärme»
Hydrometeore (mit Einschluss des Windes) und Boden.
Die Wärme liefert die Flora, die klimatische Feuchtigkeit die Vegetation,
1. Klimatische und edaphische Factoren. 175
der Boden sortirt und nüancirt in der Regel nur das von den beiden
klimatischen Factoren gelieferte Material und fugt einige Details aus
Eigenem hinzu.
Die nüancirende Thätigkeit des Bodens fuhrt zu einer Gliederung
in bald kleinere, bald grössere Parcellen von einheitlichem ökologischen
und floristischen Typus, deren Eigenthümlichkeiten sich bei gleich-
bleibendem Klima auf gleichen Bodenarten genau wiederholen, während
gleiche Bodenarten eine ungleiche Pflanzendecke tragen. Man nennt
die durch die Bodenqualitäten bedingten Pflanzenvereine
Formationen.
In jeder Formation zeigt sich eine Pflanzenart oder eine Gruppe
von Pflanzenarten maasgebend ; nur vereinzelt auftretende Pflanzen sind
für die Formation unwesentlich und häufigere Nebenbestandtheile können
nur eine verschiedene Facies der Formation bedingen. So kennt
man bei uns eine Formation des Buchenwalds, wo Fagus silvatica vor-
herrscht, und wenigstens zwei Facies derselben mit ungleicher krautiger
Vegetation.1) Aendert sich die Zusammensetzung der Vegetation bei
gleichbleibender Beschaffenheit des Bodens, so ist dies ein sicheres
Anzeichen des Uebergangs in ein anderes Klima. Ein rascher Wechsel
der Formationen bei gleichbleibender Bodenqualität zeigt sich nur in
Gebirgen, entsprechend dem raschen Wechsel des Klimas.
Jede Formation ist zwar in ihrem floristischen und ökologischen
Charakter ein Produkt von Klima und Boden, jedoch in ungleichem
Verhältniss der verschiedenen Factoren. Der Einfluss des Bodens
ist demjenigen des Wärmeklimas stets untergeordnet, während er
unter Umständen, allerdings nur lokal, denjenigen der Hydrometeore
aufhebt. So zeigt sich an manchen Standorten Gehölz, wo das
Klima Grasflur bedingen würde, oder umgekehrt, und üppiger Wald
gedeiht stellenweise im niederschlagsärmsten Wüstenklima. Ausser-
dem können bestimmte Eigenschaften des Bodens einen Vegetations-
charakter hervorrufen, der keinem der klimatischen Typen ange-
hört. Letztere setzen nämlich eine günstige, dem Gedeihen der
überwiegenden Mehrzahl der Pflanzen zusagende Bodenbeschaffenheit
voraus. Extreme, für das meiste Pflanzenleben ungünstige Bodeneigen-
schaften entziehen die Vegetation dem maassgebenden Einfluss der
Hydrometeore. Dieselbe trägt daher beispielsweise auf Felsen, Gerollen,
und Sümpfen in erster Linie das ökologische Gepräge des Substrates
und dieses Gepräge bleibt unter sehr verschiedenen Bedingungen der
klimatischen Feuchtigkeit, welche in solchen Fällen nur noch nüancirend
wirkt, in der Hauptsache das Gleiche.
Nach dem Vorhergehenden sind zwei ökologische
') Vgl. S. 124.
176 *• Die Formationen.
Formationsgruppen zu unterscheiden, die klimatischen
oder Gebiets formationen, deren Vegetationscharakter
durch die Hydrometeore beherrscht und die edaphischen
oder Standortsformationen, wo derselbe in erster Linie
durch die Bodenbeschaffenheit bedingt ist.
2. Die klimatischen Formationen.
§ 1. Eintheilung. Die klimatischen Formationen lassen sich auf
drei Haupttypen zurückfuhren: Gehölz, Grasflur und Wüste.
Das Gehölz besteht wesentlich aus Holzgewächsen und heisst
Wald, wenn Bäume in geschlossenem Stande wachsen, Buschwald
oder Gebüsch, wenn die Sträucher so reich entwickelt sind, dass die
Baumkronen einander nicht berühren und Gesträuch, wenn Sträucher
die Gesammtphysiognomie bedingen. Kräuter sind in den Gehölzen
stets vorhandep, aber nur als accessorische Bestandtheile ; sie sind in
ihrer Oekologie vollständig von den Holzgewächsen beherrscht.
Die Grasflur besteht wesentlich aus büschelartig wachsenden,
perennirenden Gräsern. Andere Kräuter stellen , auch wenn sie
ebenso zahlreich sind als die Gräser, doch nur Begleiter der letzteren
dar, da die Existenz der Formation in erster Linie auf ihrer Grasnarbe
beruht. Die hygrophilen und tropophilen Grasfluren heissen Wiesen,
die xerophilen Steppen, xerophile Grasflächen mit einzeln wachsen-
den Bäumen Savannen.
Gehölz und Grasflur stehen einander gegenüber wie
zwei feindliche, gleich mächtige Völkerschaften, die im
Laufe der Zeiten zu wiederholten Malen um die Herr-
schaft des Bodens gegen einander gekämpft haben. Die
jetzigen Klimate haben jedem der beiden Gegner seine Domänen ab-
gegrenzt, aber geringe klimatische Veränderungen würden genügen,
um den Kampf wieder zu entfachen. In Gebieten, die, im nachher zu
erläuternden Sinne, weder ausgeprägtes Gehölzklima noch ausgeprägtes
Grasflurklima besitzen, genügt dazu der Eingriff* des Menschen. So
findet gegenwärtig, in Folge der Ausrodung des Waldes, in Ostjava
und an einigen anderen Punkten des malayischen Archipels eine Invasion
früher von Gehölz eingenommener Gegenden durch die Grasflur statt.
Obwohl ich selber Zeuge dieses Kampfes gewesen bin, so will ich
doch dessen Schilderung in den Worten des langjährigen Kenners der
malayischen Vegetation, Junghuhn, wiedergeben, da es kaum möglich
sein würde, demselben an Anschaulichkeit gleich zu kommen.
Bleibt der Boden, nach Ausrodung der Wälder, unbebaut, „dann
tritt gewöhnlich zuerst das gesellig und gedrängt wachsende Alang-
gras (Imperata Koenigii Palis) an die Stelle der verschwundenen
2. Die klimatischen Formationen. 177
Wälder, dann werden Flächen, die sich meilen-, ja wohl tagereisenweit
ausdehnen, in einförmige, trockene Grasfelder, in Wildnisse von 3 bis
5f hoch aufgeschossenem Grase verwandelt, während an Berggehängen
dasselbe Gras seine ursprüngliche Zone weit überschreitet und fast
unempfindlich für Temperatur Verschiedenheiten, 6 bis 7000' hoch, Alles
überziehend, hinausragt."
„Seine seidenhaarigen Samen, so leicht wie der zarteste Flaum,
werden von dem leisesten Athem des Windes millionenweise in der
Luft herumgeweht und begünstigen in hohem Maasse seine allgemeine
Verbreitung, während seine kriechenden und tief eindringenden Wur-
zeln die Ausrodung schwierig machen, da, wo das lebenszähe Gras
sich einmal angesiedelt hat. Ich habe Grund, zu glauben, dass das
Alanggras während des ursprünglichen Zustandes des Landes auf einige
unfruchtbare, dürre, wasserleere Flächen der heissen Zone angewiesen
und besonders auf schweren, leicht austrocknenden, harten und eisen-
schüssigen Thonboden beschränkt war, dass aber gegenwärtig überall,
wo man dieses Gras auf einem fruchtbaren lockeren Boden und an
Berggehängen, oberhalb der Zone von 2000' antrifft, dies ein Zustand
ist, der erst durch Menschenhände hervorgerufen wurde .... Im nörd-
lichen Sumatra, besonders in den durch Krieg verödeten Batta-Ländern
sind dadurch Graswüsten in's Dasein getreten, die in ihrer furchtbaren
Einförmigkeit Alles weit und breit bedecken und Flächen, Berg und
Thal mit ihrem weisslich-grünen Kleide überziehen.4*1)
Es ist wahrscheinlich, dass, wenn der Mensch nicht wieder ein-
greift, die Alangsteppe im Laufe der Zeit wieder dem Wald weichen
wird, da die klimatischen Bedingungen solchem immerhin mehr ent-
sprechen, als der Grasflur. Im ausgeprägten Waldklima, z. B. an der
Küste Brasiliens, folgt auf den zerstörten Wald rasch wieder Wald,
allerdings zunächst solcher mehr xerophilen Charakters, die sogenannte
Capoeira.
Sind die klimatischen Bedingungen wegen zu grosser Trockenheit
oder Kälte, jedem Pflanzenleben abhold, so tritt Verkümmerung des
Gehölz- und Grasflurtypus ein und ihre Unterschiede verwischen sich,
denn der Kampf hört auf. Der Boden wird dann von solchen holzigen
und krautigen Gewächsen in Beschlag genommen, die den Kampf gegen
die Unbill des Klimas noch mit Erfolg fuhren können.
So entsteht als dritter Haupttypus derjenige der Wüste. Ueber-
gangsformen zwischen Wüste einerseits, Gehölz oder Grasflur anderer-
seits werden Halbwüsten genannt.
Im Gehölz und in der Grasflur können nur solche Gewächse be-
stehen, die sich in Bezug auf alle Factoren im ökologischen Optimum
«) l. c. Bd. I. S. 153.
Schi m per, Pflanz engeographie.
178 I. Die Formationen.
befinden, da sie sonst im Kampfe gegen stärkere Mitbewerber zu Grunde
gehen würden. In der Wüste ist dieses, da der Kampf der Pflanzen
unter sich aufhört, nicht mehr Bedingung. Gehölz und Grasflur sind
geschlossene Formationen, wenigstens im ökologischen Sinne; mehr
Bestandtheile können in dieselben nicht aufgenommen werden und
zahllose Keimlinge gehen im gegenseitigen Kampfe fortwährend unter.
Die Wüste hingegen ist ökologisch eine offene Formation. Die meisten
Samen keimen in ihr nicht und die Keimlinge erliegen häufig der
klimatischen Unbill. Andere fristen eine kümmerliche Existenz. Viele
Pflanzen sterben ab und ihr Platz wird nicht eingenommen. Es sind
in der Wüste stets viele leere Stellen zu besetzen.1)
Die Grasflur, wie es vielfach geschieht, als den Ausdruck eines
„schlechten Klimas", als ein Armutszeugniss der Natur, eine Uebergangs-
stufe zwischen Wald und Wüste zu betrachten, ist vom Standpunkte
des Forstmanns allenfalls begreiflich, aber weder wissenschaftlich noch
praktisch berechtigt. Vielmehr sind gewisse Formen der Gehölze, wie
später gezeigt werden soll, klimatisch weit genügsamer als die Gras-
flur. Der Sieg im Kampfe zwischen Gehölz und Grasflur
gehört demjenigen der beiden Gegner, dem die gegebenen
klimatischen Bedingungen am besten entsprechen.
Genaue Kenntniss der Erfordernisse, welche einerseits die Holz-
pflanzen, andererseits die Gräser, an die Hydrometeore , die Luft-
bewegungen und die Wärme stellen, werden uns die Elemente liefern,
aus welcher ein Gehölzklima und ein Grasflurklima sich zu-
sammensetzen.
§. 2. Das Gehölzklima. Betrachten wir zunächst die Holzpflanze
in ihrer vollkommensten Entwickelung, als Baum. Im Baum befindet
sich die transpirirende Oberfläche in grösserer Entfernung von den
Wasservorräthen des Bodens, als beim Strauch und beim Kraut ; ausser-
dem haben die dieselbe umgebenden Luftschichten zum Theil andere
Eigenschaften als die tiefer befindlichen; endlich ist sie, wenigstens in
vielen Fällen, im Verhältniss zur Bodenoberfläche, grösser als beim
Strauch oder Kraut.
Andererseits steht dem Baume ein mächtiges Wurzelsystem zur
Verfügung, welches auch sehr tiefliegende Wasservorräthe auszunützen
im Stande ist und häufig vornehmlich solche verwendet, indem seine
Wurzelspitzen sich in grösster Menge in beträchtlicher Entfernung der
Oberfläche befinden.
Unsere jetzigen Kenntnisse der Baumphysiologie sind beinahe aus-
schliesslich auf die mitteleuropäische Flora beschränkt, deren Bäume
*) Nicht zu verwechseln mit klimatischen Wüsten sind kümmerlich bewachsene
Standorte im Gehölz- und Grasflurklima, s. 3. Die edaphischen Formationen.
2. Die klimatischen Formationen. ' 179
sämmtlich, wenn auch in ungleichem Grade, stark transpiriren und dem-
entsprechend sehr wasserbedürftig und während der Vegetationszeit
hygrophil sind
Die umfassendsten und brauchbarsten Untersuchungen über die
Transpiration unserer Waldbäume sind von R. v. Höhnel angestellt
worden, dessen Arbeit die folgenden Daten entnommen sind*;
Verf. benutzte „5 — 6jährige, 50 — 80 cm hohe Bäumchen, die in 16 cm
hohe und 31/2 bis 5 Kilogramm Erde fassende gewöhnliche Gartentöpfe ver-
setzt wurden, die derartig von weiten Zinkblechhüllen luftdicht umgeben waren,
dass nicht nur eine Begiessung der Pflanzen möglich war und ein vollkommener
Abschluss des Topfes bewirkt wurde, sondern auch der Culturboden nirgend
mit dem Zinkblech in direkte Berührung kam. Auf diese Weise wurde ein
Wasserverlust aus dem Boden vollständig verhindert und eine genaue Be-
stimmung der Transpirationsgrösse ermöglicht. Ferner wurde dafür gesorgt,
dass die Töpfe von der Sonne nicht direkt beschienen werden konnten, und
im Wesentlichen die Bodentemperatur annehmen mussten. Ebenso wurde
dafür Sorge getragen, dass sich die Versuchsbäumchen , die im Mariabrunner
Forstgarten standen , unter äusseren Verhältnissen befanden , die denen der
verschiedenen Partien der Baumkrone im Walde wenigstens annähernd ähn-
lich waren."
Mittlere Transpirationsgrössen vom 1. Juni bis Ende November.
(Die Zahlen bedeuten Gramme Wasserverlust auf 100 Gramm Trockengewicht
der Blätter, resp. Nadeln bezogen.)
Birke 67987 Stiel- und Steineiche . . . 28345
Linde 61 519 Zerreiche 25 333
Esche 56689 Feldahorn 24683
Weissbuche 56251
Rothbuche 47 246 Rothfichte 5 847
Spitzahorn 46287 Weissföhre 5802
Bergahorn 43 577 Edeltanne 4402
Feldulme 40731 Schwarzföhre 3207
Von Höhnel gelangte in Bezug auf den Wasserverbrauch eines Hektars
115jährigen Buchenhochwaldes zu dem Ergebniss, dass derselbe, „je nach
verschiedenen Annahmen, 3587000 bis 5 380000 Kilogramm Wasser in der
Vegetationsperiode verbraucht. Ein 50- bis 60 jähriger Buchenbestand ver-
dunstet im Vegetationshalbjahre pro Hektar 2 330 900 Kilogramm und ein
Stangenbuchengehölz von 30 — 40 Jahren in der gleichen Zeit etwa 680 000
Kilogramm."
Da nun die Regenmenge, gering genommen, im Laufe des ganzen Jahres
7 Millionen Kilogramm beträgt, so ergiebt sich eine vorzügliche Ueber-
einstimmung derselben mit den Transpirationsresultaten.1)
Ausser den wenigen in der Vegetationszeit hygro-
philen Bäumen, wie sie allein bei uns vorkommen, giebt es
>) s. 290.
12*
l8o !• ^>ie Formationen.
auch ausgesprochen xerophile, ja sogar solche , die auf dem
trockensten Wüstenboden noch gedeihen. Es dürfte zu den interessan-
testen Aufgaben zukünftiger botanischer Reisenden gehören, die Existenz-
bedingungen dieser ausgeprägt xerophilen Bäume, die z. B. in grosser
Mannigfaltigkeit in trockenen Savannen und in Wüsten der Tropen vor-
kommen, genauer zu erforschen.
Die Tiefe ihres Wurzelsystems ermöglicht es den
Bäumen, inGegenden üppigzu gedeihen, woandauernde
Trockenzeiten bei grosser Hitze periodisch wieder-
kehren, wie in den Mittelmeerländern, in Vorderindien, im Sudan.
Die Unrichtigkeit der vielfach vertretenen Ansicht, dass der Wald
zu gedeihlicher Entwickelung der Niederschläge zu jeder Jahreszeit,
namentlich aber zur Vegetationszeit, bedürfe, geht aus dem Vor-
kommen in Gegenden mit trocken-heissen Perioden zur Genüge hervor.
Von Wichtigkeit für den Baumwuchs ist nicht grosse
Häufigkeit der Niederschläge, auch nicht eine regen-
reiche Vegetationsperiode, sondern dauernde Anwesen-
heit eines Wasservorraths im Bereich der Wurzelenden,
also in beträchtlicher Bodentiefe. In welchen Jahres-
zeiten dieser Vorrath erneuert wird, ist gleichgültig. Es
giebt Waldgebiete mit Regen zu allen Jahreszeiten und
solche mit Trockenperioden. Im letzteren Falle kann die
Regenperiode gleichzeitig hauptsächlich oder ausschliesslich
Vegetationsperiode sein, wie in den Tropen und im Innern
Argentiniens, oder die Regenperiode fällt mit einer rela-
tiven Ruhezeit der Vegetation zusammen, wie in den extra-
tropischen Waldgebieten mit Winterregen (Mediterranländer, südliches
Caspigebiet, Chile, Californien, Südwest- und Süd - Australien).
Die Bäume der Waldgebiete mit trockener Vegetationsperiode sind
auf die während der Winterszeit entstandenen, in grosser Tiefe befind-
lichen Wassermengen angewiesen und mit entsprechenden Eigenschaften
versehen. Ihr Wurzelsystem ist besonders tiefgehend und stark ent-
wickelt, Stamm und Wurzeln sind häufig mit Vorrichtungen zur Auf-
speicherung von Wasser versehen, das Laub ist gegen raschen Wasser-
verlust in der trockenheissen Luft geschützt. In den Gebieten ohne
ausgesprochene Trockenperiode oder wo dieselbe gleichzeitig Ruhezeit
der Baumvegetation ist, besitzt letztere weniger vollkommene Auf-
nahme- und Schutzvorrichtungen. Das Laub ist zart und transpirirt
reichlich, der ganze Charakter ist hygrophil, trotzdem leisten auch
hygrophile Bäume in abnormen Trockenperioden, wie überhaupt alle
tiefwurzelnden Pflanzen im Gegensatz zu den seichtwurzelnden, erstaun-
lichen Widerstand.
So entwickelte sich während der regenfreien Vegetationsperiode
2. Die klimatischen Formationen. l8l
des Jahres 1893 am Rhein und in der westlichen Schweiz das Wiesen-
gras nur zu ganz geringer Höhe und trocknete sammt den meisten
Wiesenstauden schon vor Ende des Juni aus. Ueber dem niedrigen
strohgelben Rasen der Wiesen erhoben sich Luzerne, Esparzette und
andere tiefwurzelnde Stauden als frische, saftgrüne, üppige Büsche. Das
Laub der Bäume wurde erst im Juli theilweise trocken und das Obst
füllte sich, wie gewöhnlich, mit Saft und wuchs zu normaler Grösse
heran. Es waren also im Boden, den tiefwurzelnden
Pflanzen allein zugänglich, noch bedeutende, von dem
Winterregen herrührend e Wasservorräthe erhalten ge-
blieben. Doch handelte es sich in diesem Falle um eine während des
Sommers hygrophile Vegetation , die unter normalen Umständen einer
mit hoher Temperatur verbundenen Trockenheit nicht ausgesetzt ist.
Wichtige Beobachtungen über die Bedeutung der Regenmenge und der
Winterregen für den Wald werden von Woeikof mitgetheilt:
. . . „Ich will den Einfluss der Sommerregen auf die Wälder, wie auf
andere Arten der Vegetation nicht leugnen, nur sind Niederschläge der kalten
Jahreszeit, vorzüglich wenn sie als Schnee auftreten, bei Weitem wichtiger.
Die Wälder brauchen einen beständigen Vorrath von Wasser in der Schicht,
wo ihre Wurzeln stehen, um der beständigen Evaporation der Blätter zu
genügen. Je kühler die Jahreszeit ist, während welcher die Niederschläge
fallen, desto feiner sind diese, desto regelmässiger vertheilt, desto mehr Wasser
dringt in die tieferen Bodenschichten ein, anstatt rasch über den Boden zu
laufen und die Flüsse zu erreichen. Noch besser für die Vegetation ist eine
Schneedecke. Ist er früh oder spät gefallen, der Schnee schmilzt immer im
Frühling, wenn die Vegetation am meisten Wasser braucht. Die permanente
Schneedecke des Winters ist die Hauptursache der Bewaldung Nordrusslands
und Schwedens, trotzdem die jährliche Menge des Niederschlags viel geringer
ist, als in Westeuropa. Im Süden, in der Steppe, ist die Menge des fallenden
Schnees viel geringer, und auch der, welcher gefallen ist, wird durch die
heftigen Winde weggefegt und sammelt sich in den Schluchten, während hohe
Orte schneelos bleiben/'1)
„Einen Beweis, dass Lignosen ohne Sommerregen fortkommen, bieten
die ohne künstliche Bewässerung kultivirten Bäume in Süd -Europa, wo im
Sommer oft Monate lang kein Tropfen Regen fällt, und doch selbst der
Weinstock reichlich Frucht trägt, wozu natürlich viel WTasser nötig ist An
der Südktiste der Krim z. B. achten die Winzer gar nicht auf Sommerregen,
er hat keinen Einfluss auf die Vermehrung der Ernte, denn er netzt den
Boden zu oberflächlich. Ganz anders die Regen im Spätherbst und Winter,
welche ergiebig genug sind, um den Boden ein Meter tief zu durchnässen,
und einen Vorrath für den ganzen nächsten Sommer zu liefern."
„Nicht allein Winzer, sondern alle, welche sich mit Acker- und Garten-
bau beschäftigen, wissen sehr wohl, dass häufige, aber schwache Regen wenig
') 1. c. S. 243.
l82 I. Die Formationen.
oder gar nichts nützen, und dass es besser ist, wenn im Monate zwei Regen-
tage in 15 Tagen Abstand je 20 mm Regen geben, als wenn dieselbe Menge
in 14 Tagen zu je 3 mm. per Regentag fällt, denn in ersterem Falle wird
der Boden auf eine grössere Tiefe benetzt, in letzterem aber bleibt, wenn
schon früher Trockenheit herrschte, das Regenwasser fast ganz in der obersten
Bodenschicht."1)
„Die Betrachtung der Wolgagegenden und des östlichen Kaukasus hat
mir den nahen Zusammenhang zwischen der Cultur von Winterkorn und der
Waldung gezeigt. In Gegenden mit einem kalten Winter (unter o) ist eine
beständige Schneedecke nöthig, damit der Boden im Frühling stark durch-
feuchtet wird, Sommerregen können den Schnee nicht ersetzen, wegen der Un-
regelmässigkeit ihres Auftretens und der grossen Menge, welche auf einmal
herabfallt und abläuft, ohne dem Boden zu nutzen.
„In südlicheren Gegenden sind regelmässige Winterregen nöthig, um die
Cultur der Winterfrüchte zu ermöglichen. Sind die Regen spärlich, so wird
Getreide wachsen und sichere Ernten geben, aber kein Wald existiren können.
Dies sehen wir z. B. auf der Halbinsel Apscheron. Dort wird überall Winter-
weizen gesäet, er gibt sehr ungenügende, aber sichere Ernten, denn der
Weizen braucht nur Feuchtigkeit in der obersten Bodenschicht Weiden die
Niederschläge des Herbstes und Winters reichlicher, so kann auch die Wald-
vegetation gedeihen. Dies sehen wir z. B. bei Leukoran. Etwas nördlich
von der Stadt sind einige Colonien russischer Sectirer, die ausschliesslich
Winterweizen und Gerste säen. Der Ertrag ist ausgezeichnet, aber Sommer-
früchte kann man nicht bauen, der Boden trocknet schon im Mai so ein,
dass das Blühen unmöglich wird. In dieser Gegend gibt es Wälder mit
grossen, hochstämmigen Bäumen. Der Wasservorrath, welcher im Winter ge-
sammelt wird, genügt, um die Evaporation des Sommers zu decken."2)
Je grösser die Wassermenge des Bodens, möge dieselbe von
Regen oder durchsickerndem tellurischen Wasser herrühren, desto
grösser wird im Allgemeinen die Höhe der Bäume, desto reicher ihre
Belaubung. Allerdings sind die höchsten bekannten Bäume, wie die
Sequojen Californiens und die Eucalypten Australiens, nicht Bewohner
besonders feuchten Bodens; specifische Eigenschaften spielen hier eine
grosse Rolle. Bei abnehmender Wassermenge im Boden nimmt die
Höhe der Bäume und die Oberfläche ihres Laubes im Allgemeinen ab,
doch trifft man noch auf trockenem Boden, z. B. in den tropischen
Savannen, manche stattlichen Bäume. Die trockensten Gebiete besitzen
nur noch Zwergbäume. Der Baumwuchs wird jedoch nur
durch solche Grade der Trockenheit ganz sistirt, die
jeden Pflanzenwuchs mit Ausnahme niederer Krypto-
gamen, ausschliessen.
Die zum Gedeihen hygrophiler Bäume nöthige Wassermenge steigt
natürlich mit der Temperatur. In temperirten Zonen gedeihen hygro-
J) II. Bd. 2. s. 255.
2) I. S. 243.
2. Die klimatischen Formationen. 183
phile1) Bäume bei einer Bewässerung, die in den Tropen nur xero-
philen Bäumen genügen würde. Näheres darüber ist in den speciellen
klimatischen Kapiteln für die einzelnen Zonen mitgetheilt. Hier mag
jedoch schon erwähnt werden, dass hygrophiler Baumwuchs in den
Tropen mindestens 150 cm jährliche Regenmenge erfordert, — mit
Ausnahme natürlich der Ufer von Wasserflächen, — während in den
kühlen Gebieten der temperirten Zone 60 cm ausreichend sind. Das
Vorkommen hoher xerophiler Bäume ist weniger an die Regenmenge,
als an specifische Eigenschaften gebunden.
Ein anderer wichtiger Factor des Baumwuchses ist der Gehalt
der Atmosphäre an Wasserdampf, wobei natürlich nicht die
absolute, sondern die relative Dampfspannung ins Gewicht fallt. Die
Bäume befinden sich in dieser Hinsicht unter weniger günstigen Be-
dingungen als niedrige Gewächse, denn ihre transpirirende
Oberfläche liegt in höheren, also trockeneren undmehr
bewegten Schichten der Atmosphäre. Grössere hygrophile
Bäume bedürfen zur Zeit, wo sie belaubt sind, einer durchschnittlichen
relativen Feuchtigkeit von etwa 8o°/0, die nur in wenigen Stunden des
Tages auf 6o°/0 herabfallt. Xerophile Bäume begnügen sich mit
geringerer Luftfeuchtigkeit, und einzelne Arten scheinen, sogar im be-
laubten Zustande, eine Trockenheit von 3O°/0 auf einige Zeit ohne
Schaden ertragen zu können.
Ganz wesentlich ist es für den Baumwuchs, wie in einem
früheren Kapitel gezeigt wurde2), ob Ruhe oder Bewegung in
den umgebenden Luftschichten herrscht, indem der Wind
eine mächtige Zunahme der Transpiration bedingt.
Trockene Winde bei Frostwetter bedingen, wie
Kihlman bestimmt zeigte, die polare Grenze des Baum-
wuchses. Vor der endgültigen Darstellung dieses Forschers herrschten
in der Pflanzengeographie höchst unklare Vorstellungen über die Ur-
sachen des Aufhörens der Baumvegetation in der arktischen Zone. Bald
wurde dieselbe in der Kälte, bald in der Kürze der Vegetationszeit,
bald in der Combination beider Factoren gesucht, obwohl keine in der
Physiologie des Baumes begründete Eigenschaft solche Annahmen
stützen konnte. Dass grosse und andauernde Winterkälte mit Baum-
wuchs nicht unvereinbar ist, geht schon aus der Thatsache hervor, dass
die tiefsten überhaupt bekannten Kältegrade sich im sibirischen Wald-
gebiete zeigen.8)
Die Bedeutung des Windes für den Baumwuchs wurde schon von Midden-
') D. h. zur Vegetationszeit.
-) S. 86.
*) Vgl. S. 46.
184
I. Die Formationen.
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S
8
3
I
I
i
2
er
2. Die klimatischen Formationen. 185
dorff erkannt, wenn auch nicht physiologisch begründet, wie aus folgender
Stelle seines sibirischen Werkes hervorgeht: „Ich wage sogar auszusprechen,
dass im Hochnorden ein günstig gestalteter Windschutz von vielfach grösserer
Bedeutung ist, als die geographische Breite oder die Höhenlage über dem
Meere. Ein Windschutz von wenigen Klaftern Höhe fördert dort den Baum-
wuchs mehr als fünfzig- bis hunderttausend Klafter minder nördliche Lage
des Ortes.1)
Bekanntlich stellt die nordpolare Baumgrenze nicht eine scharfe
Linie zwischen Wald und baumloser Tundra dar. Der Baumwuchs
erleidet vor seinem gänzlichen Verschwinden eine allmähliche Reduction,
die von Middendorff und namentlich von Kihlman anschaulich ge-
schildert worden ist.
Der erst genannte Autor gibt die Erscheinung in ihren allgemeinen Zügen
wieder, ohne auf ihre Ursachen einzugehen: „Verfolgen wir die Baumgrenze
über grosse Länderstrecken fort und betrachten wir uns alle die verschiedenen
Baumarten, welche rings um den Nordpol an dieselbe herantreten, so sehen
wir alle in gleichem Maasse verkümmern und zu Krummholz ausarten : sowohl
Laubholz als Nadelholz werden schliesslich zu Greisen von 2, ja 1 Fuss Höhe
herabgedrückt2)
Die Verkrüppelungen, die der Baumwuchs in der Nähe seiner
polaren Grenze erleidet, rühren, wie Kihlman zeigt, von der winter-
lichen Austrocknung her, deren Zunahme in nördlicher Richtung
schliesslich jedem Baumwuchs Einhalt thut.
„Verfolgt man die Entwickelung des Wachholders, wie sie in der
oberen Waldregion oder in der inneren Tundra verläuft (Fig. 91), so findet
man, dass die Spitze des geraden Stammes regelmässig abstirbt, sobald sie
eine gewisse, etwas variable Höhe über dem Boden erreicht hat. Die Seiten-
zweige wachsen dagegen schief aufwärts oder fast horizontal weiter, bis ihre
Spitzen in der einmal gegebenen, verhängnissvollen Höhe ebenfalls absterben.
Da dem Wrachholder das Vermögen zur Wurzelsprossbildung oder auch zu
einem nachträglichen Ausschlag an der Stammbasis vollständig abgeht, kommt
dadurch ein niedriges, tischähnliches Bäumchen zu Stande, dessen dichte
schirmförmige Krone ein Diameter von 3 — 4 m. erreicht, und dessen cen-
traler, cylindrischer Stamm bei einem Alter von 300 — 400 Jahren einen Durch-
messer von mehr als 30 cm haben kann. Die Höhe des ganzen Gebildes
beträgt durchschnittlich etwa 1 m, kann aber hin und wieder beinahe 2 m
erreichen . . . Wenn das als Brennholz sehr gesuchte Stämmchen lange genug
stehen bleibt, kommt früher oder später ein Zeitpunkt, wo die Wurzel-
befestigung dem wachsenden Windfang der Krone nicht mehr entspricht; das
Bäumchen fällt um und wird in schräger Richtung von der nunmehr abwärts
gerichteten Hälfte der Krone gehalten, während die obere Hälfte derselben
längs der kritischen Linie rasch abstirbt und verschwindet.
*) 1. c. S. 683.
*) 1. c S. 675.
l86 !• Die Formationen.
Die Linie, oberhalb welcher alle Zweige zu Grunde gehen, wird durch
die durchschnittliche Höhe der Schneedecke zu Anfang der Schmelze be-
stimmt ... Im April 1889 konnte ich mich überall davon überzeugen, dass
die lebendigen Wachholderäste bis dicht unter die Oberfläche des erweichen-
den Schnees reichten, oder dass sie höchstens einige cm über demselben
hervorragten. Ich habe die Ansicht gewonnen, dass der Wachholder in
Russisch -Lappland überhaupt nur unter der Bedingung den Winter aushält,
dass er mehrere Monate hindurch vollständig mit Schnee bedeckt" ist.1)
. . . „Auch die Birke bildet tisch - oder heckenförmig geschorene Sträucher,
die, der massenhaften Verbreitung dieser Baumart ausserhalb der Waldgrenze
entsprechend, für die innere Tundra -Landschaft geradezu charakteristisch
sind.2)"
Als extremsten Fall endlich erwähnt Kihlman die Bildung von Matten,
„welche nur die Höhe des umgebenden Flechten- und Reiserfilzes erreichen,
die aber in dem Horizontalplan mitunter recht ansehnliche Dimensionen
erreichen . . . Besonders
V j. *J -*> , schön kann die leicht
wurzelnde Fichte (Fig. 92)
tin dieser Wuchsform auf-
treten; längs dem Tundra-
saum bei Orlow sah ich
Fichtenmatten von 1 bis
5 m Länge, deren dünne,
sterile Zweige in dem
Fig. 91. Von der Baumgrenze. Plattgewachsenes Bäum- Flechtenfilz umherkrochen
chen von Juniperus communis. Nach Kihlman. und offenbar einer ein-
zigen Keimpflanze ent-
stammten . . . Bei allen diesen Matten findet man die Jahrestriebe, in-
soweit sie sich über dem Niveau der umgebenden Moos- und
Flechtenpolster erheben, vertrocknet und entblättert"8)
Wie in einem späteren Kapitel (Dritter Theil, Abschnitt IV) ge-
zeigt werden soll, sind auch für die vertikale Grenze des Waldes die
Verhältnisse der Luftbewegung maassgebend.
Es erscheint zweckmässig, Sträucher und Zwergbäume als Nieder-
holz zusammen zu fassen.
Auch für das Niederholz ist die Menge des Grundwassers maass-
gebend und die Zeit, wo letzteres erneuert wird, gleichgültig. Die
zum Gedeihen des Niederholzes nöthige Wassermenge ist geringer als
für den Baumwuchs; wird sie grösser, so tritt letzterer auf. Wie das
Hochholz, gedeiht das Niederholz besser in feuchter als in trockener,
besser in ruhiger als in bewegter Luft; es ist aber in jeder Hinsicht
genügsamer, als das erstere.
>) 1. c. S. 71.
-) 1. c S. 73.
a) S. 68-69.
2. Die klimatischen Formationen.
187
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igg I. Die Formationen.
Ein gutes Gehölzklima setzt sich, nach dem Vorher-
gehenden, aus folgenden Elementen zusammen: Warme
Vegetationszeit, beständig feuchter Untergrund, feuchte
und ruhige Luft, namentlich im Winter. Irrelevant für
die Gehölze ist es, ob die Grundfeuchtigkeit vomRegen
oder von tellurischen Gewässern geliefert wird, ob die
Niederschläge häufig oder selten sind, ob sie während
der activen Periode oder der Ruheperiode fallen. Dem
Optimum des Gehölzklimas entspricht der hygrophile
Baum, den geringeren Graden des Gehölzklimas, in ab-
steigender Reihe, der tropophile Baum, der xerophile
Baum und das Niederholz. Gehölzfeindlich ist in höheren
Breiten ein Klima mit trockenen Wintern, da die Bäume
während des Winters den Transpirationsverlust nicht decken können.
§ 3. Das Grasflurklima. Ganz anders sind die Ansprüche, welche
die Grasflur an das Klima stellt. Das Maassgebende in der Grasflur
ist, wie schon erwähnt, die Grasnarbe. Grasfreie oder grasarme
Staudenformationen vermögen den Kampf gegen die Gehölze nicht
mit Erfolg zu fuhren und zeigen sich nur in Wüsten (die sogenannten
Artemisiasteppen u. s. w.), wohl meist mit Beimischung von Niederholz.
Die krautigen Gräser sind vorwiegend Gewächse der temperirten
Länder. In den Tropen sehen wir grasreiche üppige Grasfluren vor-
nehmlich auf den zeitweise kühlen Hochebenen, z. B. im Innern Bra-
siliens, in Central- Afrika , und nur dürftigen Graswuchs da, wo in der
Vegetationszeit die Temperatur während der Tagesstunden 30 ° C
dauernd übersteigt. Warum hohe Temperaturen den meisten krautigen
Gramineen wenig zusagen, lässt sich zur Zeit nicht angeben. Während
der Vegetationsruhe schaden auch die höchsten in der Natur vor-
kommenden Temperaturen der ausgedörrten Grasnarbe nicht.
Im Vergleich zu den Holzpflanzen und vielen Stauden sind die
Gräser der Grasflurnarbe seichtwurzelnde Gewächse und leiden
daher durch längere Dürreperioden während der Vegetationszeit. Es
wurde vorhin erwähnt, welchen verderblichen Einfluss die trockene
Vegetationszeit des Jahres 1893 auf die Gräser im Gegensatz zu den
Holzpflanzen und den tiefwurzelnden Stauden ausgeübt hatte, und auch
Woeikof hat ähnliche Beobachtungen aufgezeichnet. Ein Klima, in
welchem die Trockenheit gleichzeitig warme Jahreszeit ist, wie dasjenige
der Mittelmeerländer, ist demnach dem Graswuchs, also auch der
Grasflur, ungünstig. So sah ich im August 1886 bei Lissabon die
Gräser und die meisten Stauden völlig verdorrt, während tiefwurzelnde
Disteln fröhlich blühten und die Bäume in unversehrtem Laube prangten.
Feuchtigkeit des Untergrunds kommt also für die
Grasnarbe wenig in Betracht; wesentlich ist ihr nur
2. Die klimatischen Formationen. 189
Feuchtigkeit des Obergrundes. Da letztere aber durch Ver-
dunstung und Filtration rasch verloren geht, so sind zu ihrer Erhaltung
häufige, wenn auch schwache Niederschläge, nöthig. Während der
Ruheperiode können die Gräser grosse Trockenheit unbeschadet
ertragen.
Die Gräser erheben sich weit weniger als die Bäume über die
Oberfläche des Bodens und befinden sich demnach in feuchteren
Schichten der Atmosphäre. Grosse Lufttrockenheit ist ihnen übrigens,
während der Ruheperiode, ebenso unschädlich wie Regenlosigkeit.
Die tiefsten atmosphärischen Schichten sind auch die ruhigsten,
so dass die Gräser von der austrocknenden Wirkung des Windes
weniger als Holzpflanzen zu leiden haben. Die dem Baumwuchs so
schädlichen Winde der Trockenzeiten und des Winters sind für die
Gräser ohne Bedeutung.
Nach dem Vorhergehenden sind die Elemente eines guten Grasflur-
klimas: Häufige, wenn auch nur schwache, die Feuchtig-
keit des Obergrundes erhaltende Niederschläge in der
Vegetationszeit und gleichzeitige massige Wärme. Bei-
nahe irrelevant sind für die Grasflur die Feuchtigkeit
des Untergrundes (ausser bei grosser Capillarität des
Obergrundes), Trockenheit der Luft, namentlich in den
Ruheperioden (Trockenzeit, Winter) und Winde. Grasflur-
feindlich ist in höheren Breiten Trockenheit in der Haupt-
vegetationszeit der Gräser (Frühjahr, Frühsommer.)
Gehölzklima führt zum Sieg des Gehölzes, Grasflur-
klima zum Sieg der Grasflur. In Uebergangsklimaten
entscheiden edaphische Einflüsse den Sieg. Stärkere
Abweichungen vom Gehölzklima und vom Grasflurklima
rufen die Wüste hervor.
Dass das Innere der Continente, namentlich ausserhalb der Wendekreise,
weniger reichen Baumwuchs aufweist als die Küstengebiete, ist in erster Linie
auf die zeitweise herrschende grosse Lufttrockenheit, namentlich des Winters,
zurückzuführen. Ueber den nachtheiligen Einfluss des Continentalklimas bringt
namentlich MiddendortT Belege.
„Unter derselben Breite, unter welcher ich mich am Jenisöj, in die
Waldungen Sibiriens versenkte, unter 58 ° n. Br., erreichen auf Sitcha Nadel-
hölzer, welche den sibirischen so nahe stehen, dass sie nur vom Fachkenner
artlich unterschieden werden, eine Höhe von 160' bei 7' bis 10 ' Durch-
messer . . . Von Jenisejsk nordwärts möchte man, dem in Livland gewonnenen
Augenmaasse zufolge, den Waldungen kaum mehr als ein halbes Jahrhundert
geben, nie ein ganzes1) . . . Auch ausserhalb des Bereichs vom Eisboden sehen
wir, unter den günstigsten Verhältnissen, in Süd -Sibirien die dort vorkommen-
') S. 631.
190
I. Die Formationen.
den Baumarten keine ausserordentliche Grösse erreichen, ja nicht einmal die-
jenige, zu welcher dieselben oder deren Repräsentanten in Europa gelangen.1)
. . . Wenigstens 99/100 aller scheinbar erwachsenen Bäume des Waldes,
sogar an günstigen Oertlichkeiten Südsibiriens, besassen nicht mehr als 1 bis
ft/4 Fuss Dicke . . . Drei oder vier Jahrhunderte scheinen sogar in Süd-
sibirien die äusserste Lebensdauer zu sein, welche die bevorzugten Stämme
des Waldes durchschnittlich erreichen. Die durchschnittliche Lebensdauer
der Bäume eines sibirischen Balkenwaldes muss ich noch beträchtlich geringer
schätzen. *) . . . Ueberschauen wir die im vorhergehenden Abschnitte gewonnenen
Anschauungen, so können wir nicht umhin, uns dafür auszusprechen, dass
das excessive Continentalklima dem Baumwuchse ungünstig
ist, und derselbe sein Maximum nur im Seeklima erreichen
könne."8)
Das Gehölzklima, in seinen verschiedenen Abstufungen, und das
Grasflurklima bleiben in allen Zonen qualitativ die gleichen, weichen
aber quantitativ von einander ab, sodass ihre Elemente sich nur für
einzelne Zonen zahlenmässig ausdrücken lassen. Dementsprechend
sind die klimatischen Tabellen, die die hier entwickelten Anschauungen
näher begründen, in speciellen Kapiteln des dritten Theils enthalten.
§ 4. Klimatische Tabellen. Die Zahl der Gebiete für welche wirk-
lich brauchbare, vollständige und über längere Zeiträume ausgedehnte meteoro-
logische Beobachtungen vorliegen ist noch nicht gross. Immerhin giebt es
bereits für mehrere, klimatisch wie in Bezug auf ihre Vegetation wohl charak-
terisirte Gebiete nach beiden Richtungen genügende Daten, um Schlüsse auf
die Allgemeinheit zu gestatten. Allerdings werden von den Meteorologen
nicht immer alle Factoren berücksichtigt, die für die klimatische Erkenntnis
der Vegetation in Betracht kommen; dieses ist aber zum Theil auf die
Pflanzengeographen zurückzuführen, die früher, entsprechend ihrer Verkennung
der Bedeutung mancher klimatischer Elemente, sehr bescheidene Forderungen
an die Meteorologie stellten.
Eine pflanzengeographisch wirklich brauchbare Tabelle müsste, meiner
Ansicht nach, folgende Rubriken enthalten:
Ort:
Lage in Länge- und Breitegraden. — Höhe. — Mittlerer Luftdruck, (nur bei
Höhenstationen).
Temperatur Regen Relat. Feuchtig.
Monate mittleres
Minimum
Jan. I,
Febr. |
März |
mittleres
Maximum
Menge j Tage
mittleres
Minimum
mittleres
Maximum
Sonnen- ' Wind-
schein.
Stunden
stärke
Ver-
dunst
U.S.W.|
Mittlere Jahresextre
me
1) S. 632.
2) S. 632.
3) S. 640.
3. Die edaphischen Formationen. IQI
Die von den Meteorologen sorgfältig notirten Schwankungen des Luft-
druckes sind für die Vegetation ohne Belang. Von den Daten über die Tempe-
ratur sind diejenigen über die täglichen Minima und Maxima die wichtigsten,
ja vollkommen genügend. Angaben über die Stunden sind kaum nötig, da
die Minima Nachts, die Maxima am Tag auftreten. Erstere geben uns
die Temperaturen, bei welchen die Wachsthumsvorgänge hauptsächlich vor
sich gehen, die Maxima sind namentlich als Factoren der Transpiration von
Wichtigkeit. Die mittlere Tagestemperatur ist pflanzengeographisch werthlos,
wenn nicht wenigstens die Grösse der täglichen Schwankung mit gegeben ist.
Mittlere Jahresextreme sind zwar nicht für die Formationenlehre, wohl aber
für die Artenareale zuweilen von Wichtigkeit, die mittlere Jahrestemperatur
ist ohne jede Bedeutung.
Angaben über die absolute Regenmenge sind sehr wichtig, aber an sich
noch nicht hinreichend. Es hängt viel davon ab, ob der Regen in relativ
seltenen aber starken oder in häufigen aber leichten Güssen fällt. Darüber
belehren die Rubriken Regentage (Regenstunden wären ausserdem erwünscht,
sie werden aber beinahe nie erwähnt) und Sonnenstunden. Letztere gehören
ausserdem zu den Factoren der Transpiration.
Zu den wichtigsten Rubriken gehört diejenige: Relative Luftfeuchtigkeit.
Grosse Feuchtigkeit wirkt fördernd auf das Wachsthum und setzt die Trans-
piration herab, geringe Feuchtigkeit wirkt im entgegengesetzten Sinne.
Den Winden kommt wegen ihrer trocknenden Wirkung grosse Wichtig-
keit zu. Die Rubrik „Verdunstung" ermöglicht direkte Schlüsse auf die Grösse
der Transpiration.
3. Die edaphischen Formationen.
§ I. Edaphische Einflüsse im Allgemeinen. Der Einfluss der
Unterschiede in der physikalischen und chemischen Beschaffenheit des
Bodens beschränkt sich in der Regel, wie früher bereits erwähnt wurde,
auf die feine Gliederung innerhalb des durch das Klima bestimmten
Vegetations- und Florentypus. Solche edaphische Nüancirung ist nicht
selten ausserordentlich reich, indem viele Arten auf eine Constellation
äusserer Factoren so genau gestimmt sind, dass schon geringe Ab-
weichungen derselben ihr Heraustreten aus dem ökologischen Optimum
und hiermit ihre Niederlage im Kampfe mit den Mitbewerbern bedingt.
Man betrachte z. B. eine etwas unebene Wiese. Da sind aller-
dings manche der vorherrschenden Arten, namentlich unter den Gräsern,
überall vorhanden, so dass eine solche Wiese als eine Formation be-
zeichnet werden darf. Andere Arten zeigen sich dagegen an ganz be-
stimmte Qualitäten des Bodens gebunden , so dass die Wiese ein ge-
flecktes Aussehen erhält. Das ist namentlich der Fall, wo zwei oder
mehr verwandte Arten sich in den Boden zu theilen haben. Sind z. B.
Primula officinalis und Pr. elatior vorhanden, so wird man an der un-
IQ2 I. Die Formationen.
gleichen Farbe der Blüthen schon von Weitem, die von der ersteren
bewohnten trockeneren Stellen von den feuchten, welche die zweite
inne hat, unterscheiden.
Niemals wird man sie gesellschaftlich wachsen sehen. In ähnlicher
Weise bezeichnen Ranunculus bulbosus, acris und repens oft drei Stufen
zunehmender Feuchtigkeit. Auf dem Simplon bewohnen zwei zwergige
Senecio -Arten, S. incanus und S. uniflorus, die trockenen alpinen
Wiesen, oft dicht beieinander, aber niemals durcheinander. Ich fand
den grossköpfigen Senecio uniflorus nur, wo der Wiesenboden sich als
dünner Ueberzug über Steine und Felsen ausdehnte, während S. incanus
ausschliesslich tiefere Bodenstellen bewohnte. Der Bastard zwischen
beiden Arten zeigte sich an die Zwischenräume beider Standorte ge-
bunden.
Eine derartige Parcellirung wird durch chemische Unterschiede des
Substrats weit seltener als durch die physikalischen bedingt, indem die
letzteren einen viel rascheren Wechsel und eine grössere Mannigfaltig-
keit als die ersteren zu zeigen pflegen.
Weit stärker als in Fällen der eben geschilderten Art kommen die
Wirkungen des Bodens in den edaphischen Formationen zum
Vorschein, wo der Vegetationstypus nicht durch das Klima, sondern
durch den Boden bestimmt ist, sodass er in Gehölz- und Grasflur-
gebieten sich wesentlich gleich bleibt. Das Klima wirkt in den eda-
phischen Formationen blos nüancirend, ähnlich wie der Boden iö den
klimatischen Formationen.
Maassgebend für das Zustandekommen gewisser edaphischer For-
mationen ist Anwesenheit reichlichen Bodenwassers in Folge der Infiltra-
tion dauernder Wasseransammlungen, für andere aber die mechanische
Beschaffenheit des Substrats. Die chemischen Unterschiede des Bodens
haben meist bloss eine nüancirende oder differenzirende Wirkung.
Nur reiche Mengen leicht löslicher Salze, namentlich Kochsalz oder
freie Humussäuren vermögen das klimatische Gepräge zu verwischen
und z. B. im Hygrophytenklima Xerophytenformationen hervorzurufen.
§ 2. Durch Bodenwasser bedingte edaphische Formationen.
Der Boden bleibt in der Nähe der Gewässer beständig bis zu grosser
Tiefe feucht, auch im Grasflurklima, wo die Regen nur den Obergrund
benetzen. Dementsprechend sehen wir im Bereiche der Infiltration die
Ufer von Flüssen und Seen von Gehölzen bedeckt. Letztere sind oft
gebüschartig, nicht selten jedoch als üppige, denjenigen des besten
Waldklimas nicht nachstehende Wälder (Gallerie Wälder) entwickelt
(Fig. 93). Derartige edaphische Gehölze unterscheiden sich von den
klimatischen natürlich stets durch ihre Abhängigkeit von Wasser-
ansammlungen, mögen die letzteren eine freie Oberfläche haben oder,
wie in den Oasen ganz unterirdisch sein.
3. Die edaphischen Formationen. IQj
Stagnirendes Wasser bedingt die Ausbildung der als Sümpfe
bezeichneten Formationen, die wiederum in mehrere Gruppen ein-
getheilt werden, von welchen die torf haltigen Moore und die Man-
groven des tropischen Strandes am besten charakterisirt sind. Die
Sumpfformationen werden durch die Hydrometeore wenig beeinflusst
und zeigen daher im Gehölz- und Grasflurklima wesentlich die gleiche
Vegetation, dagegen sind ihre beiden erwähnten auffallendsten Formen,
Moor und Mangrove von der Wärme abhängig, letztere aus noch nicht
bekannten Gründen, ersteres, weil die chemischen Vorgänge, auf welchen
die Torfbildung beruht, sich nur bei tieferen Temperaturen abspielen.
§ 3. Offene edaphische .Formationen. An vielen Standorten ist
die mechanische Bodenbeschaffenheit derartig, dass sie das Aufkommen
geschlossener Formationen nicht zulässt. Was in der Wüste durch das
Klima, wird hier durch die Beschaffenheit des Bodens bedingt. Der
[etztere gehört den Gewächsen, die sich auf demselben, den ungünstigen
Bedingungen zum Trotz, anzusiedeln vermögen. Es sind deren wenige
und die Formation bleibt eine durchaus offene, wo es noch Raum für
viele Pflanzen giebt und wo dementsprechend der Kampf zwischen
Mitbewerbern fehlt. Solche Standorte besitzen, das Klima möge sein
wie es wolle, weder Gehölz- noch Grasflurcharakter, sondern tragen
Holzpflanzen und Kräuter in buntem Gemisch und in voller Unabhängig-
keit von einander.
Zu den offenen Formationen der geschilderten Art gehören in
erster Linie diejenigen der Felspflanzen. Der nackte Fels bleibt,
nach seiner Erkaltung aus feuerflüssigem Zustande oder seiner Los-
trennung von einer grösseren Felsmasse, mehr oder weniger lange Zeit
jeder Vegetation baar. Früher oder später, im feuchten Klima früher
als im trockenen, kommen Pflanzen auf seiner Oberfläche zur Ent-
wickelung, zuerst kleine Algen und Flechten, später, nachdem diese
genügsamsten Gewächse etwas Humus erzeugt haben, Moose und
höhere Pflanzen. Die Vegetation der Fels- und Steinoberfläche soll
diejenige der Lithophyten genannt werden. Die Felsspalten, in
welchen sich mehr feinkörnige Bestandtheile und mehr Wasser an-
sammeln, als an der Oberfläche, erhalten eine etwas üppigere Vegetation,
diejenige der Chasmophyten. Eine Felspflanzenformation besteht
entweder nur aus Lithophyten, nämlich wenn der Fels spaltenlos ist,
oder aus solchen und Chasmophyten.
Die Lithophyten sind niedrige flachausgebreitete Gewächse, deren
Flächenentwickelung bald hauptsächlich durch die Wurzeln, bald durch
die Sprosse selbst bedingt ist, welche sich , in diesem Falle, vermittelst
kurzer Wurzeln, — bezw. bei Thallophyten durch Rhizoiden, — auf dem
harten Substrat befestigen. Moose und Phanerogamen nehmen häufig
Polsterform an. Die Chasmophyten sind im Gegensatz zu den Litho-
Schimper, Pflanzengeographie. 13
IQA I. Die Formationen.
phyten, lang gestreckte Gewächse, da ihr Substrat sich oft in grosser
Entfernung von der Mündung der Spalte und hiermit vom Lichte be-
findet. Viele Chasmophyten besitzen in Folge dessen ungeheuer lange
Rhizome und Wurzeln, doch zeigen sich solche extremen Formen weniger
in Felsspalten als auf den Gerollen, welche durch Zertrümmerung
der Felsen unter der Einwirkung der Atmosphärilien entstehen und am
Fusse der Felsmassen, von welchen sie heruntergefallen, oder als Moränen
längs der Gletscher, grosse Haufen zu bilden pflegen. Hier treten die
Fig. 94. Steinfeld im Bette des Craiguburn-Flusses in der Nähe seiner Mündung in den
Pearson-See, im Waldgebiet Neu-Seelands, Süd-Insel. Ozothamnus depressus Hook. f. und Epi-
lobium melanocaulon Hook. f. 600 m ü. M. Nach einer Photogr. des Herrn L. Cockape.
Lithophyten gegen die Chasmophyten stark zurück und letztere zeigen
die vorher erwähnte oft ungeheuere Längsstreckung.
Die Felstrümmer gerathen theilweise in die Wasserläufe, wo gegen-
seitige Reibung sie theils zu Kies, theils zu Sand zerkleinert und wo
die verwitterten Feldspäthe zu feinkörnigem erdigem Thon zerrieben
werden. Der Wechsel des Wasserniveaus fuhrt zur Ablagerung in den
Flussbetten und an ihren Ufern von Kies-, Sand- und Thonmassen, die
theilweise häufiger, theilweise seltener oder nur ausnahmsweise von
Wasser wieder bedeckt werden. Solche Ablagerungen tragen eine bald
mehr vergängliche, bald länger andauernde offene Vegetation, deren
3. Die edaphischen Formationen. ige
Arten zum grossen Theile für solche Standorte charakteristisch sind
(Fig. 94—96).
Durch die Wasserläufe gelangen die Felstrümmer schliesslich in
das Meer. Sind die Ufer des letzteren flach, so werden durch Sturm-
fluthen Sand, Thon und kleiner Kies bis mehr oder weniger weit
jenseits der gewöhnlichen Fluthgrenze auf das Land getragen und diese
Ablagerungen erhalten, wenn sie nicht durch die Winde zu sehr durch-
wühlt oder vom Meere wieder fortgetragen werden, schon nach wenigen
Fig. 95- Grand Canon des Colorado. Arizona. Steiniges Flussbett. Im Hintergrund die
dem Klima entsprechende Wüste. Nach einer Photographie.
Monaten einige Vegetation. Kann die letztere sich behaupten, so werden
solche Neubildungen allmählich befestigt und definitiv dem Festlande
angegliedert.
Unter den Strandablagerungen sind die sandigen die am stärksten
entwickelten, indem der Wind den Sand tiefer in das Land hineintreibt
als Thon oder Kies und denselben oft zu Dünen häuft. Die Forma-
tionen des sandigen Strands und der Dünen erscheinen geeignet als Bei-
spiele für die Vegetation der Psa mm ophyten oder Sandpflanzen, die
hier besonders stark entwickelt auftritt, zu dienen. Diese sandigen Küsten-
striche am Meere gliedern sich gewöhnlich in drei Zonen, die Schorre,
13*
196
I. Die Formationen.
zwischen den gewöhnlichen Grenzen von Ebbe und Fluth, den flachen
Mittelstrand, oberhalb der gewöhnlichen Fluthlinie, und die Dünen,
welche sich hügelartig zwischen Strand und Binnenland erheben.
Dünen sind nicht immer vorhanden. Manchmal erhebt sich das sandige
Ufer ganz allmählich und sanft und geht ohne scharfe Grenze in Gehölz- oder
Grasflurland über oder das Land erhebt sich hinter dem flachen Strande zwar
plötzlich, aber ohne Dünencharakter anzunehmen. Derartiges zeigt sich theils an
relativ windstillen Küstenstrichen, theils wo der Sand grobkörnig, bezw. stark
mit Kies vermengt ist und daher vom Winde schwerer fortbewegt wird.
Fig. 96. Nebraska. Sandige Ablagerungen mit offener gemischter Pflanzenformation in
einem Flussbett. Im Hintergrund die dem Klima entsprechende Grasflurformation (Prärie)
und nackte Felsen. Photogr. des geolog. Depart. der Universität von Nebraska.
Folgende Darstellung der Vegetation auf dem sandigen Meeres-
strande Java's kann für die Vegetationsverhältnisse an solchen Stand-
orten überhaupt Gültigkeit beanspruchen.
Die Südküste Java's ist stellenweise von ganz ähnlichen Dünen-
landschaften bedeckt, wie sie z. B. an der Nordsee so verbreitet sind.
Hinter dem sandigen, hier kalkreichen Strande erhebt sich eine erste
pflanzenarme Dünenreihe , hinter welcher mehr bewachsene Dünen den
Uebergang zur Binnenlandvegetation vermitteln. Nur der flache Strand und
die dem Meere zunächst gelegenen Dünen zeigen in ihrer Vegetation die
charakteristischen Einflüsse der Standorte. Erschwerte Befestigung am
losen Substrat, erschwerte Wasserversorgung, Kampf gegen den See-
3. Die edaphischen Formationen. \gy
wind oder Benutzung desselben zum Transport der Früchte auf der
glatten Sandfläche lassen sich aus den merkwürdigen Gestalten gerade-
zu herauslesen.
In klarster Weise vereinigen sich die erwähnten Anpassungen bei
Spinifex squarrosus, einem steifen bläulichen Gras mit grossen kuge-
ligen Blüthen- und Fruchtständen,1) welch* letztere aus langen radial
geordneten Nadeln , den sehr langen Tragblättern , zusammenge-
setzt erscheinen. Spinifex bedeckt manchmal für sich allein, in zahl-
Fig. 97. Sand-Dünen bei Neu-Brighton an der Ostktiste der Südinsel Neu -Seelands mit
Desmoschoenus spiralis Hook. f. Nach einer Photographie von Herrn L. Cockayne.
losen, anscheinend selbständigen Stöcken, die äussersten Dünen am
indischen Meere; nähere Untersuchung ergiebt in vielen Fällen, dass
auch weit von einander entfernte Stöcke durch federkiel- bis fingerdicke,
im Sande mehr oder weniger vergrabene Stolonen verbunden sind, die
an ihren Knoten Wurzeln und Blattbüschel erzeugen. Letztere verdanken
ihr fahles Aussehen, ähnlich wie unsere Sandgräser, einem Wachsüberzug.
Die Vortheile, welche eine solche Vegetationsweise an derartigen
Standorten mit sich bringt, sind einleuchtend. Die kriechenden, durch
M Vgl. die Abbildung des ganz ähnlichen Fruchtstands von Spinifex hirsutus im Kapitel
über die edaphischen Formationen der temperirten Zonen (Dritter Theil, zweiter Abschnitt).
198
I. Die Formationen.
zahlreiche, tiefeindringende Wurzeln festgeankerten Sprosse bieten dem
Winde weit besseren Trotz und laufen weit weniger die Gefahr, aus
ihrem lockeren und beweglichen Substrat herausgerissen zu werden,
als aufrechte Pflanzen. Es ist daher kein Wunder, dass viele anderen
Strandgewächse sich in ihrem Lebensmodus dem Spinifex anschliessen,
wie die in den Tropen nahezu ubiquitäre Remirea maritima oder die noch
häufigere und verbreitetere Ipomoea pes caprae (I. biloba), deren un-
geheuer lange und weit bewurzelte kriechende Sprosse mit einem eng-
Fig. 98. Strand von Garden Island , Lake of the woods, Minnesota. Salix fluviatilis vor-
herrschend. Ausserdem : Capnoides micranthum, Chenopodium album, Polygonum ramosissi-
mum etc. Nach einer Photogr. von Herrn Prof. MacMillan.
maschigen Netze den Sand bedecken und festhalten, oder auch die
physiognomisch mit der Ipomoea pes caprae nahe übereinstimmen-
den Canavalia - Arten u. s. w. In der nördlichen temperirten Zone
befestigt der Helm, Psamma arenaria, durch seine ungeheuer langen
und reich verzweigten Rhizome den lockeren Sand der Dünen, zu-
sammen mit anderen Gräsern, wie Elymus arenarius, Agropyrum jun-
ceum u. s. w. Allen diesen Gewächsen kommt die wichtige Eigen-
schaft zu, wenn sie verschüttet werden, aus dem Sande wieder
herauszuwachsen.
Noch in manchen anderen Hinsichten zeigt sich bei Spinifex squar-
3. Die edaphischen Formationen.
199
rosus ein enger Zusammenhang zwischen Structur und Lebensweise,
z. B. im Bau der Blätter, deren Wachsüberzug und Structur die
Schwierigkeit der Wasserversorgung auf den hohen, durchlässigen,
zudem salzigen Dünen zum Ausdruck bringt. Ganz besonderes Inter-
esse beansprucht jedoch der nahezu kopfgrosse, aus steifen Borsten
gebildete sphärische Fruchtstand. Zur Zeit der Reife bricht er von den
abgetrockneten Stengeln ab und wird ein Spiel des Windes. Rollend
und tanzend schnellt er auf der glatten Sandfläche dahin und lässt
seine Früchte herunterfallen. Allmählich werden die Borsten abgenutzt
Fig. 99' Dünen auf der Isle aux Sables, Lake of the woods, Minnesota. Populus tremu-
loides, Juniperus communis, Prunus pumila im Vordergrund und links; Elymus canadensis
und Artemisia im Hintergrund. Auf dem Gipfel der Düne Zwergbäumchen von Celtis
occidentalis und Cerasus pennsylvanica. Nach einer Photogr. des Herrn Prof. MacMillan.
und der schwer beweglich gewordene Fruchtstand wird im Sande,
mit dem Reste der Früchte, vergraben.
Spinifex squarrosus gehört nach seiner Wachsthumsweise zu einem
sehr verbreiteten Typus. Einen Typus für sich bilden dagegen die
Pandanus-Arten des sandigen Strandes, welche sich durch elastische,
von den Aesten herabwachsende Stützwurzeln im beweglichen Sande
festankern (Fig. 122).
Bei vielen Gewächsen des sandigen Meeresstrandes, allerdings vor-
nehmlich bei solchen, die geschütztere Standorte bewohnen, kommen
200 !• Die Formationen.
solche in die Augen fallenden Anpassungen nicht vor. Doch sind sie
im Vergleich zu anderen Pflanzen stets aussergewöhnlich reich und tief
bewurzelt.
Sandige Strandformationen ähnlich denjenigen des Meeres zeigen
sich auch an vielen salzigen oder süssen Binnenseen; doch pflegt
die Dünenbildung, entsprechend der geringeren Windstärke und Sand-
menge, schwächer ausgeprägt zu sein. Sehr eingehend und in in-
structiver Weise sind die betreffenden Formationen von C. MacMillan
für den „Lake of the Woods," einen zwischen Minnesota und Canada
gelegenen mittelgrossen See (ca. 1500 engl. Quadratmeilen) dargestellt
worden. Die Ufer sind theils felsig, theils lehmig, theils sandig, theils
von Humus bedeckt. Das Bild Fig. 98 zeigt den sandigen, flachen
Strand mit einer hauptsächlich aus Weiden bestehenden Vegetation,
Fig. 99 niedere, mit verschiedenartigen Gräsern und Sträuchern be-
wachsene Dünen.
Selbstverständlich unterscheidet sich der sandige Strand an Süss-
wasserseen von demjenigen am Meere durch Armuth an Kochsalz
und verleiht der Vegetation daher nur auf höheren Dünen xerophilen
Charakter.
§ 4. Uebergang der edaphischen Formationen in klimatische.
Zwischen dem nackten und harten Felsen und dem aus solchem schliess-
lich hervorgehenden feinkörnigen Boden, um dessen Besitz Gehölz und
Grasflur sich streiten, schalten sich, nach dem Vorhergehenden, eine
Reihe offener Uebergangsformationen ein, die weder Gehölz- noch
Grasflurcharakter besitzen, auch im ungleichen Klima wesentlich gleiches
Gepräge aufweisen und ihre Eigenart vornehmlich der mechanischen
Bodenbeschaffenheit verdanken. Die Umwandlung solcher vorüber-
gehenden Formationen in die definitiven der Gehölze und Grasfluren
vollzieht sich fortwährend unter unseren Augen, allerdings so langsam,
dass wir nur einen Theil der Vorgänge direkt zu beobachten im
Stande sind und nur durch Vergleich ungleich alter Zustände ihre
Aufeinanderfolge ungefähr errathen können. Trotz dem hohen Interesse
der Entwickelungsgeschichte der Formationen ist ihr bisher nur wenig
Aufmerksamkeit gewidmet worden.
Eine hervorragende Leistung auf diesem Gebiete ist Treub's Dar-
stellung der Vegetation auf Krakatau drei Jahre nach dem be-
kannten Ausbruch, welcher die ganze Insel mit einem glühenden Bim-
stein- und Asche - Ueberzug bedeckte.
Wie bereits früher (S. 90) gezeigt wurde, bestand die Vegetation
Krakatau's zur Zeit von Treub's Besuch ganz vorwiegend aus Farnen
(elf Arten), während die Phanerogamen sich nur vereinzelt und beinahe
ausschliesslich auf dem Meeresstrande zeigten. Die Farne bilden dem-
nach die erste Vegetation auf vulkanischen Inseln, — jedoch nur die
3. Die edaphischen Formationen.
20I
erste makroskopische Vegetation. Ihnen geht eine mikroskopische
Cyanophyceenvegetation voraus, welche in dünner Schicht
die ganze Oberfläche von Asche und Bimstein überzieht
und den Boden für die Entwickelung der Farne vor-
bereitet.
Auf den Rath meines verehrten Freundes Treub besuchte ich den
Vulkan Guntur (Westjava), der durch die Eruption von 1843 bis zur
Fig. 100. Beginnende Vegetation auf neuem vulkanischen Boden (Bimstein, Asche etc.)
in Westjava. Nach einer Photographie.
Basis von mächtigen glühenden Trümmerhaufen bedeckt worden war.1)
Ich fand natürlich eine viel weiter entwickelte Stufe der Vegetation,
als Treub auf Krakatau , jedoch war dieselbe noch ganz offen und im
Ganzen dürftig. Bäume fehlten noch gänzlich, während strauchige und
krautige Gewächse sehr verschiedener Arten vorhanden waren. Farne
waren, wie auf Krakatau, an Arten und Individuen recht zahlreich, je-
doch ohne die Hauptmasse der Vegetation zu bilden. Die wesent-
J) Vgl. Junghuhn Bd. II, S. 392 u. f.
202 I. Die Formationen.
lichste Rolle spielten Gewächse, die in den benachbarten Wäldern als
Epiphyten wachsen, nämlich ausser verschiedenen Farnen auch viele
Orchideen und das strauchige Rhododendron javanicum, welche hier
eine Anzahl ihnen zusagender Bedingungen, wie hartes Substrat, feuchte
Luft und reiche Beleuchtung fanden und ungestört durch Mitbewerber
den Boden in Beschlag nehmen konnten. Interessant war auch das
Vorkommen einer Nepenthes in zahllosen Exemplaren, deren Urnen
Wasser und Insekten in so reicher Menge enthielten, dass das Fort-
Fig. ioi. Aus der Camargue. Horizontale sandige Strandflächen im Ueberschweinmungs*
gebiet der Sturmflathen mit erster Vegetation aus Salicornia macrostachya. Nach Flahaolt
et Combels.
kommen der üppigen und nicht merklich xerophilen Pflanze auf
derartigem Boden nicht wunderlich erschien.
Flahault und Combres haben für das über 14000 h sich aus-
dehnende sandige und lehmige Tiefland der Camargue in dem Rhöne-
delta die allmähliche Umwandlung des nackten Bodens im Bereich der
Sturmfluthen in anfangs offene, später geschlossene Pflanzenformationen
dargestellt.
Ist ein flaches Strandgebiet längere Zeit dem Einfluss der Wellen
entzogen geblieben, so erhält es als erste Vegetation einzelne, in
weiten Zwischenräumen wachsende Stöcke von Salicornia macrostachya
3- Die edaphischen Formationen.
203
(Fig. 101). Häufig wird ein solcher eben bewachsener Strand durch die
Winterstürme überschwemmt und wieder jeder Vegetation beraubt ; zu-
weilen jedoch vermögen sich die ersten Ansiedler zu behaupten und sam-
meln zwischen und an ihren buschigen Aesten Sand, in zwar geringer,
jedoch genügender Menge, um das Auftreten einiger neuer Pflanzen,
nämlich Salicornia sarmentosa, Atriplex portulacoides und Dactylis sarmen-
tosa, zu ermöglichen. Sand und allmählich auch Humus häuft sich um solche
Pflanzengruppen an, sodass dieselben nach einiger Zeit die Mitte kleiner,
nur etwa ein dem. hoher Sandhügel, der sogenannten „touradons" bilden.
Fig. 102. Aus der Camargue. Wald von Pinus Pinea mit Juniperus phoenicea etc. als
Unterholz. Die Depression in der Mitte ist hauptsächlich von psammophilem Graswuchs
bedeckt. Nach Flahault et Combres.
Die „touradons" besitzen bereits, dank dem Filze der Wurzeln und
Stolonen, eine erhebliche Widerstandsfähigkeit und können auch den
winterlichen Ueberschwemmungen Stand halten. Jedes Jahr bedingt
eine Zunahme derselben in die Breite, sodass sie nach einigen Jahren
I — 2 m Durchmesser erreichen und bereits an 20 Halophyten -Arten
tragen, u. a. Inula crithmoides, Juncus-, Statice-, Plantago -Arten, ver-
schiedene Gramineen etc. Langsam, im fortwährenden Kampfe gegen
die Ueberschwemmungen, bedingen die „touradons" eine allmähliche
Hebung des Bodens, während die Regen den letzteren immer mehr
aussüssen und für das Gedeihen von Nichthalophyten geeignet machen.
204 *• ^e Formationen.
Sehr lehrreich sind in der Camargue auch die Dünen, welche
an einzelnen Küstenstrichen parallele, durch ursprüngliches Ueber-
schwemmungsgebiet sammt den noch erhaltenen Touradons thalartig
getrennte Reihen darstellen, deren Vegetation nach dem Binnenlande
hin allmählich zunimmt. Offenbar hat einmal eine Gesammterhebung
des Bodens bestanden und Dünen und „touradons" sind gleichsam als
Petrefakten erhalten geblieben. Die Reihenfolge der Dünen zeigt alle
Zwischenstufen, von dem ersten Anfange der Vegetation auf den äussersten
Dünen bis zu den geschlossenen Formationen der innersten, wo der
psammophytische Charakter sich nur noch schwach ausgeprägt zeigt.
Die Vegetation der äussersten Dünen ist dürftig, aber sehr
charakteristisch. Da zeigen sich verschiedenartige Gräser, Seggen und
Binsen, nebst einigen anderen Gewächsen, mit weit kriechenden und
an den Knoten bewurzelten Rhizomen (z. B. Juncus maritimus, Cynodon
Dactylon, Scirpus Holoschoenus, Agropyrum -Arten, Ephedra distachya,
Eryngium maritimum etc.), neben Pflanzenarten mit ungeheuer tiefen
Rhizomen und Wurzeln (z. B. Ammophila arenaria, Echinophora spinosa,
Clematis Flammula etc.). Die meisten Arten haben hier ausser dem
psammophilen auch halophilen Charakter.
Auf den ältesten Dünen, aber auch auf flacheren Erhebungen
(„radeaux") gleichzeitigen Ursprungs treten die edaphischen Einflüsse
stark zurück. Bäume und hohe Sträucher treten auf und die meisten
Arten sind dort solche, wie sie auch fern vom Meere und auf ver-
schiedenen Bodenarten vorkommen. Doch zeigt immerhin das Fehlen
mehrerer sonst häufiger Arten, dass es sich um verhältnissmässig neuen
Boden handelt.
Die Fig. 102 stellt ein Bild aus älteren Dünen dar. Die höheren
Stellen sind von einem Pinienbestande eingenommen, dessen reiches
Unterholz hauptsächlich von Juniperus phoenicea, ausserdem aber von
anderen charakteristischen Sträuchern der Mediterranländer gebildet ist,
wie Rosmarinus officinalis, Phillyrea angustifolia , Cistus salviaefolius
etc. Die tieferen Stellen tragen hauptsächlich psammophilen Graswuchs.
4. Das Zusammenleben in den Formationen.
Die verschiedenen Gewächse, die zu einer Formation zusammen-
treten, stehen unzweifelhaft in den mannigfachsten Wechselbeziehungen
unter einander, sowie zu den die Formation bewohnenden Thieren
(Würmer, Insekten, Vögel u. s. w.). Die Frage nach der Natur und
den Wirkungen dieser Beziehungen verspricht die wichtigsten Auf-
schlüsse für das ökologische Verständniss der Formationen zu liefern;
doch ist sie bis jetzt nur selten und nur für einzelne Fälle in Angriff
4. Das Zusammenleben in den Formationen. 205
genommen worden. ') Die floristische Richtung in der Pflanzengeo-
graphie hat hingegen indirekt durch das Aufstellen von Listen der
constant zusammenwachsenden Arten wichtige Beiträge geliefert. So
zeigen sich, nach Flahault, in Gesellschaft der Quercus Hex in Frank-
reich stets noch dreizehn andere Pflanzenarten, namentlich Cistus mons-
peliensis und albidus, Lavandula latifolia, Thymus vulgaris u. s. w.,
während Fagus silvatica sich stets von folgenden Arten begleitet zeigt:
Vaccinium Myrtillus, Rubus idaeus, Oxalis acetosella, Mercurialis
perennis u. s. w. Hoeck hat für mehrere deutsche Formationen
solche Listen aufgestellt. Dieselben haben natürlich nicht für alle Ge-
biete oder für alle Bodenarten Geltung, indem jeder Constellation
äusserer Factoren eine bestimmte Gruppirung entsprechen muss. Da-
durch ist natürlich der Werth solcher Zusammenstellung wenigstens,
wenn sie von genauen Angaben über Klima und Boden begleitet sind,
nicht vermindert.
In dieselbe Categorie von Fragen gehört diejenige nach der Ur-
sache des geselligen Wachsthum gewisser Arten und des stets isolirten
Auftreten anderer. Auf die Hypothesen, welche darüber aufgestellt
worden sind, näher einzugehen, erscheint überflüssig, da dieselben, ausser
für einige später zu besprechende tropische Formationen, der sicheren
Grundlagen noch entbehren.2)
Auswahl der Literatur.
1. Die klimatischen Formationen,
Fliehe. Un reboisement Annales agronomiques. 1888.
Henry, Ed. La Vegetation foresti&re en Lorraine pendant l'annde 1893.
Revue g^ndrale de botanique T. 7. 1895.
Junghuhn. Java. Deutsch von Hasskarl. Bd. 1 und 2. Leipzig 1854.
Kihlman, A. O. Pflanzenbiologische Studien aus Russisch-Lappland. Acta
Söc pro Fauna et Flora fennica. 1890.
Koorders, S. H. I. Waarnemingen over spontane reboisatie op Java.
Teysmannia 1894.
— IL Jets over spontane reboisatie van verlaten Koffietuinen op het Mi-
dangan-gebergte etc. Tijdschrift voor Nijverheid en Landbouw. Deel
XL1X. Afl. 5 en 6. 1894.
— III. Beobachtungen über spontane Neubewaldung auf Java. Forstlich-
Naturw. Zeitschr. 1895.
Woeikof, A. v. Beiträge zur Kenntniss der Wald- und Regenzonen des
Kaukasus. Zeitschr. d. Gesellsch. für Meteorologie. 1871. Bd. VI.
*) Schimper 1. c.
*) Vgl. darüber z. B. de Candolle 1. c, Warming 1. c. S. 106, namentlich Brandis 1. c.
206 I- Die Formationen.
Man vergleiche ausserdem die Kapitel : Gehölzklima und Grasflurklima
in den Tropen, Gehölzklima und Grasflurklima in den temperirten Zonen,
die Wüsten der temperirten Zonen im dritten Theile.
2. Die edaphischen Formationen«
Altenkirch, G. Studien über die Verdunstungserscheinungen in der
trockenen Geröllflora Sachsen's. Engler's Botan. Jahrb. Bd. XVIII.
Buchenau, F. Ueber die Vegetationsverhältnisse des „Helms" (Psamma
arenaria) und der verwandten Dünengräser. Abhandl. d. naturw. Vereins
zu Bremen. Bd. X. 1889.
Drude, O. Ueber die Principien in der Unterscheidung von Pflanzen-
formationen. Engler's Botan. Jahrb. Bd. XI. 1889.
— Deutschlands Pflanzengeographie. I. Theil. 1895.
Erikson, Joh. Studier öfver sandfloran i östra Skäne. Bihang tili k.
svenska vet.-akad. Handlingar. Bd. 22. Afd. III. 1896. Mit deutschem
Resume' (Xerophile Structur der Sandpflanzen).
— Ueber negativ - geotropische Wurzeln bei Sandpflanzen. Botanisches Cen-
tralblatt Bd. LXI. 1895.
Flahault, Ch. Distribution des ve'ge'taux dans un coin du Languedoc.
Montpellier 1893.
Flahault, Ch. et Combres, P. Sur la flore de la Camargue et des
alluvions du Rhone. Bullet, de la societe* botanique de France. T. 41.
1894.
Graebner, P. Studien über die norddeutsche Heide. Engler's Botan.
Jahrb. Bd. XX. 1895.
MacMillan, C. I. On the formation of circular muskeag in Tamarack
swamps. Bullet, of the Torrey Botanical Club. Vol. 23. 1896.
— II. Observations on the distribution of plants along shore at Lake of the
Woods. Minnesota Botanical studies. Geolog, and Nat hist survey of
Minnesota. Minneapolis 1897.
Nägeli, C. I. Bedingungen des Vorkommens von Arten und Varietäten
innerhalb ihres Verbreitungsbezirkes. Sitzb. d. k. bayr. Ak. d. Wiss.
München 1865.
— II. Verdrängung der Pflanzenformen durch ihre Mitbewerber. Ibid. 1872.
Schimper, A. F. W. Die indo-malayische Strandflora. Botan. MittheiL a.
d. Tropen. Jena 1891.
Sendtner, O. Die Vegetationsverhältnisse Südbayerns. 1854.
Treub, M. Notice sur la nouvelle flore de Krakatau. Annales du jardin
bot. de Buitenzorg. Vol. VII. 1888.
Warming, E. I. De psammofile Vegetationer i Danmark. Vidensk. Med-
delelser naturh. Forening. Kjöbenhavn 1890.
— II. Exkursionen til Fanö og Blaavand i Juli 1893. Bot. Tidsskr. XDC
— III. Lehrbuch der ökologischen Pflanzenanatomie etc. Deutsche Aus-
gabe von Knoblauch. Berlin 1896.
Vergleiche ausserdem die Kapitel: Edaphische Wirkungen in den
Tropen und: Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen im
dritten Theile.
Auswahl der Literatur. 207
3. Das Zusammenleben in den Formationen.
Brandis, D. (Gesellig wachsende Holzgewächse). Sitzungsber. d. Niederrh.
Ges. für Natur- und Heilk. zu Bonn. 5. März 1894.
de Candolle, A. Geographie botanique raisonnde. Tome I. S. 460.
Flahault, Ch. Projet de carte botanique, forestifcre et agricole de la
France. Bullet de la soc. botanique de France. T. XLI. 1894.
— Au sujet de la carte botanique, foresti&re et agricole de France etc.
Annales de g^ographie. 1896.
Hock, F. I. Pflanzen der Schwarzerlenbestände Norddeutschlands. Engler's
Botan. Jahrbücher Bd. 22.
— IL Die Flora der Nadelwälder Norddeutschlands. Die Natur. 1892.
— HI. Laubwaldflora Norddeutschlands. Forschungen zur deutschen Landes-
und Volkskunde. IX. Stuttgart 1896.
— IV. Begleitpflanzen der Buche. Botan. Centralbl. 1892.
— V. Begleitpflanzen der Kiefer in Norddeutschland. Ber. d. deutsch.
botan. Gesellsch. XL 1893.
Seh im per, A. F. W. Die epiphytische Vegetation Amerika's. Jena 1888.
VVarming, E. Lehrbuch der ökologischen Pflanzengeographie. 1896. S. 105.
n. Die Genossenschaften.
1. Die Lianen. Spreizklimmer , Wurzelkletterer, Windepflanzen, Rankenpflanzen.
Geographische Verbreitung der Lianen. 2. Die Epiphyten. Oekologische Existenz-
bedingungen. Uebergang der terrestrischen in die epiphytische Lebensweise. Aussäungsvor-
richtungen. Geographische Verbreitung der Epiphyten. 3. Die Saprophyten« Veitheilung
auf die Pflanzenfamilien. Zusammenhang zwischen Structur und Lebensweise. Geographische
Verbreitung. Hemisaprophyten. 4. Die Parasiten. Hemiparasiten und Holoparasiten.
Aehnlichkeit mit den Saprophyten. Absorptionsorgane : Die Haustorien. Vertheilung auf die
Familien. Geographische Verbreitung.
Zerstreut unter den Gewächsen, welche den Boden in Beschlag
nehmen und die eigentlichen Formationsbildner darstellen, befinden sich
beinahe stets solche abweichender Lebensweise, welche unterschiedslos
als accessorische Bestandtheile der verschiedensten Formationen auftreten,
ohne jemals für sich solche zusammenzustellen. Sie vermögen in der
That das letztere nicht, da sie für ihre Existenz von anderen Pflanzen
abhängig sind. Jeder dieser Gruppen von Gewächsen kommt eine charak-
teristische, mit der Lebensweise zusammenhängende Tracht zu, welche
zwar unter dem Wechsel der äusseren Bedingungen manche Modi-
ficationen erfahrt, aber in den Hauptzügen stets die gleiche bleibt.
Solche ökologischen Gruppen werden Genossenschaften1) genannt. Eis
sind deren vier: Die Lianen, die Epiphyten, die Saprophyten
und die Parasiten.
Der Uebergang zwischen den Formationsbildnern und den Genossen-
schaften ist durch die im vorhergehenden Capitel besprochenen Litho-
phyten vermittelt, welche für sich Formationen bilden, aber auch als
Nebenbestandtheile anderer Formationen, auf zerstreuten Felsblöcken
und Steinen auftreten. Die Lithophyten zeigen namentlich zu den
Epiphyten nahe Beziehungen und viele Gewächse kommen sowohl auf
Felswänden wie auf Baumrinden vor.
*) Schimper 1. c. S. 8.
i. Die Lianen. 209
1. Die Lianen.1)
Während man früher nur kletternde Holzgewächse als Lianen be-
zeichnete, fasst H. Schenck unter dieser Bezeichnung alle Gewächse zu-
sammen, „die im Erdboden wurzeln und mit langgliedrigen Stengeln sich
anderer Gewächse als Stützen bedienen, um ihr Laubwerk und ihre
Blüthen vom Boden zu erheben und in eine zum Licht günstige Lage zu
bringen. Sie umfassen sowohl Holzpflanzen mit immergrünen Blättern,
als auch laubabwerfende Klettersträucher, ferner Formen mit krautigen
Stengeln, welche nur eine Vegetationsperiode aushalten oder mit unter-
irdischen Organen perenniren."*) Dass die Stützen andere Pflanzen sein
müssen, ist nur dadurch bedingt, dass, in der Natur, nur solche die für das
Klettern der meisten Lianen nöthige Gestalt besitzen ; auf die letztere
allein kommt es an und nicht auf die chemische Natur der Stütze,
welche, wie es die Culturen zeigen, aus dem verschiedensten Material
bestehen kann. Uebrigens kommen gewisse Lianenformen in der Natur
auch an Felsen kletternd vor; doch ist ihre Zahl eine relativ geringe.
Die Lianen können nach dem Klettermodus in vier Gruppen ein-
geteilt werden, nämlich in Spreizklimmer, Wurzelkletterer,
Windepflanzen und Rankenpflanzen.
Die Spreizklimmer sind der Mehrzahl nach Sträucher, die sich
von anderen Sträuchern im einfachsten Falle nur durch die langen
spreizenden Zweige unterscheiden, welche ohne active Befestigung sich
auf andere Zweige stützen. Vielfach wird das Klettern dieser Gewächse
durch Stacheln oder Dornen unterstützt, ohne dass man die letzteren als
Anpassungen an kletternde Lebensweise deuten dürfte, z. B. bei Rosen
und Brombeeren. Während die meisten Spreizklimmer die unterste Stufe
der Lianen darstellen, gibt es unter ihnen auch Formen mit sehr voll-
kommenen, wenn auch passiven Vorrichtungen, wie die Palmlianen der
Tropenwälder, die an anderer Stelle geschildert werden sollen.
Die Wurzelkletterer bilden eine kleine Gruppe, deren Ver-
treter durch Vermittelung am Substrat befestigter Luftwurzeln empor-
wachsen. Solche Haftwurzeln sind in manchen Fällen kurz und dünn,
z. B. beim Epheu. In anderen Fällen erreichen sie die Dicke eines
Federkiels bei einer Länge von 2—3 dem und umklammern reif-
artig cylindrische Stützen. So starke Entwickelung der Haftwurzeln
zeigt sich nur bei tropischen Formen, wie Vanilla, vielen Araceen
(Monstera, Philodendron) etc.
Bei den Wind e pflanzen wachsen die Axen vermöge eines ein-
l) H. Schenck I u. II.
*) Schenck I. S. 2.
3) Schenck I. S. 5.
Schimper, Pflanzengeographie. 14
2IO
I. Die Genossenschaften.
seitigen Transversal geotropismus, der später in negativen Geotropismus
übergeht, schraubenartig um dünne Stützen empor. Zu ihnen gehören
eine Menge allbekannter krautiger Kletterpflanzen, wie Hopfen, Bohnen,
Winden, aber auch viele Holzlianen, z. B. das Geisblatt, Lonicera peri-
clymemum, die viel cultivirte Wistaria sinensis (Glycine), Aristolochien etc.
Die formenreichste Gruppe ist diejenige der Rankenpflanzen,
in welcher reizbare, bei Berührung mit einer Stütze sich um dieselbe
krümmende Organe, das Klettern ermöglichen. Morphologisch sind
die Ranken Blätter oder Axen. Oekologisch sind sie überaus ver-
schiedenartig, sodass man, mit Schenck, die Rankenpflanzen im weitesten
Sinne nach dem Modus des Kletterns in sechs Untergruppen eintheilen kann.
Bei den Blatt-
kletterern ist ein
Theil (Stiel , Spreite)
des im Uebrigen nicht
modificirten Blattes mit
der zum Ranken nö-
thigen Reizbarkeit aus-
gestattet; so ist z. B.
Clematis Vitalba ein
Blattstielkletterer , Fu-
maria officinalis in ihren
Var. Wirtgenii und vul-
garis ein Blattspreiten-
kletterer , Flagellaria
indica, eine in den
Tropen der alten Welt
häufige Monocotyle, ein
Blattspitzenkletterer.
Bei den Blatt-
fadenrankern ist
das Blatt oder ein Theil desselben als fadenförmiges, nur noch als
Ranke dienendes Organ ausgebildet. Die Erbse und andere Vicieen,
die Cucurbitaceen etc. sind Blattfadenranker.
Die Gruppe der Zweigkletterer *) stellt wie diejenige der Blatt-
kletterer eine phylogenetisch tiefe Stufe dar. Die kletternden Zweige
unterscheiden sich in den am wenigsten angepassten Fällen von ge-
wöhnlichen Zweigen nur durch ihre Reizbarkeit und sind mit normalen
Seitenzweigen und Blättern versehen (Fig. 103 — 104).
Die Zweigkletterer sind auf die Tropen und die Grenzgebiete der-
Fig. 103. Securidaca Sellowriana Klotzsch. Rankende Seiten-
zweige. 2/3 nat. Gr. Nach H. Schenck.
l) Diese und die folgende Gruppe wurden zuerst von Fr. Müller unterschieden und ge-
schildert.
i. Die Lianen.
211
Fig. 104. Dalbergia variabilis Vag. Alter,
stark verdickter gerenkter Ast. 2/8 nat. Gr.
Nach H. Schenck.
selben beschränkt. Beispiele befinden sich unter der Polygalaceen,
Papilionaceen, Mimosaceen, Connaraceen etc.
Auch die beiden folgenden
Gruppen sind tropisch und entbeh-
ren allgemein bekannter Vertreter.
Die Kletterorgane der Ha-
kenklimmer1) sind metamor-
phosirte Dornen oder Blüthen-
stiele, die, nach dem Erfassen
der Stütze, eine beträchtliche
Verdickung erfahren. Beispiele :
Manche Anonaceen , Logania-
ceen , Dipterocarpaceen , Rubia-
ceen etc. (Fig. 105).
Die Uhrfederranker2)
haben dünne, spiralig eingerollte
nackte Kletterorgane, welche in
Folge des Contaktreizes dicker
und härter werden. Beispiele:
Mehrere Rhamnaceen, Sapjndaceen etc. (Fig. 106 — 107).
Die umfangreichste Gruppe unter den mit Achsenranken versehenen
Gewächsen ist diejenige der Ach-
senfadenranker, deren Klet-
terorgane mit den Blattfadenranken
äusserlich sowie in den physiolo-
gischen Eigenschaften oft nahe
übereinstimmen ; doch verräth
sich ihre Achsennatur manchmal
ausser durch die Stellung noch
durch die Anwesenheit rudimen-
tärer Blätter (z. B. Weinstock).
Die Gruppe umfasst viele Arten
namentlich aus den Familien der
Vitaceen, Passifloraceen etc.
Der Lianenstamm ist stets nach
demselben ökologischen Princip ge-
baut; sein Holzkörper ist nicht
wie im Baumstamm compakt und
glatt, sondern in mannigfacher
Weise zerklüftet oder sogar in einzelne Stränge aufgelöst
Fig. 105. Strychnos triplinervia Mart. Aeltere,
verholzte und verdickte Kletterhaken.
Dadurch
l) Namentlich von Treub untersucht.
*) Zuerst von Schenck unterschieden.
14'
212
II. Die Genossenschaften.
kommen mannigfache Anomalien zu Stande, von welchen die Fi-
guren 108 — no eine Vorstellung geben mögen. Auf näheres Eingehen
auf dieselben muss an dieser Stelle verzichtet werden. *)
Ausgezeichnet sind die Lianen ferner durch die beträchtliche Länge
und Breite ihrer Leitungsröhren, Gefasse wie Siebröhren, wodurch die
Leitung des Rohsafts in den
ersteren und der Eiweisstoffe
in den letzteren in dem oft
ungeheuer langen Stamme
erleichtert wird.
Lianen gedeihen beinahe
unter allen Klimaten; sie
fehlen nur in den polaren Ge-
bieten und in der alpinen
Region der Hochgebirge, wo
gewisse klimatische Ele-
mente der Erzeugung langer
Axen ungünstig sind. (Vgl.
Thl. m Abschnitt 3 und
4.) Die Genossenschaft be-
wohnt demnach ein un-
geheures Areal, jedoch in
sehr ungleichmässiger Weise.
Bei weitem der Mehrzaihl
nach sind die Lianen Be-
wohner der Tropen und
einiger Nachbargebiete von
tropischem Klima (Südbra-
silien, Südflorida etc.). Nach
einerSchätzung, welche, nach
Schenck, unter der Wirk-
lichkeit bleiben dürfte, wür-
den etwa 10/ 11 der Lianen
tropisch sein. Auch in den
Tropen ist die Verteilung
der Lianen eine sehr un-
gleiche; die meisten statt-
lichen holzigen Formen zeigen sich nur in den feuchten Regenwäldern
und Monsunwäldern,2) während trockene Gehölze und Savannen bei-
§H
Fig. 106. Zweig von Bauhinia sp. (Blumenau) mit
Uhrfederranken. 2/a nat. Gr. Nach H. Schenck.
*) Dieselben sind von Schenck (H) eingehend geschildert und prächtig illustrirt worden.
Eine kurze Darstellung im Lehrbuch der Botanik 3 A. S. 112 u. f.
*) Vgl. Thl. III 1. Absch. III.
2. Die Epiphyten.
213
nahe nur dünnstämmige, vornehmlich aber krautige Formen aufzuweisen
haben.
Ausserhalb der Tropen treten Lianen vornehmlich in den tempe-
rirten Regenwäldern auf (Süd- Japan, Neu-Seeland, Süd-Chile), seltener
und weniger formenreich in sehr feuchten Sommerwäldern1) (Mitteljapan,
Atlantisches und mittleres Nordamerika), ohne auch nur annähernd
solche Mannigfaltigkeit zu zeigen, wie in den Tropen.
Fig. 107. Gouania urticaefolia Reiss.
Mit Uhrfederranken. 2/8 nat. Gr. Nach
H. Schenck.
Fig. 108. Querschnitt durch den Stamm
von Anisosperma Passiflora Marso. 3,'2/1.
Fig. 109. Querschnitt durch den Stamm
von Dalechampia ficifolia Lam. Nat Gr.
Nach H. Schenck.
2. Die Epiphyten.2)
Epiphyten nennt man Gewächse, die auf anderen Pflanzen keimen
und sich entwickeln, ohne, wie die echten Schmarotzer oder Parasiten,
mit welchen sie oft verwechselt werden, sich auf Kosten der Substanz
ihres Wirthes zu ernähren.
») Vgl. Thl. KT. 2. Abschn. 2) Schimper 1. c.
214 H. Die Genossenschaften.
Bei solcher Lebensweise ist die Beschaffung der nöthigen Nähr-
stoffe mit grossen Schwierigkeiten verknüpft. Noch mehr als der Ge-
fahr des Verhungerns sind die Epiphyten, als ganz oberflächliche Ge-
wächse, derjenigen des Austrocknens ausgesetzt und sind daher auf
Gebiete beschränkt, wo lange andauernde Trockenheit unbekannt ist,
ausser wenn sie mit dem Vermögen ausgestattet sind, im lufttrocknen
Zustande zu existiren, eine Eigenschaft, welche vielen Moosen und
Flechten zukommt, dagegen den Farnen und Phanerogamen, trotz der
Fähigkeit einiger Arten, weitgehenden Wasserverlust zu ertragen, allge-
mein zu fehlen scheint. Die ephiphytische Genossenschaft zeigt da-
her, je nach dem Klima, ungleiche systematische Zusammensetzung,
Mannigfaltigkeit und Ueppigkeit.
Gebiete, in welchen ein Vertrocknen der Gewächse durch Wasser-
mangel ausgeschlossen ist, sind auf die Tropen beschränkt. Die Regen-
wälder der Tropen sind immer feucht ; schon weit weniger gilt dasselbe
von den Regenwäldern der warmtemperirten Zonen und gar nicht
mehr von den Sommerwäldern höherer Breiten, denn die Winterkälte
stellt eine Periode physiologischer Trockenheit dar, welche, auch bei
reichsten Niederschlägen, der Wasserversorgung mehr entgegenwirkt,
als mit Wärme verbundene grosse Trockenheit. Im letzeren Falle ist
die Verdunstung zwar noch grösser, aber die Wasseraufnahme ist
nicht verhindert und der nächtliche Thau kommt den oberflächlichen
Wurzeln der Epiphyten direkt zu gute, während im letzteren Falle dem
Wasserverlust des Epiphyten gar keine Wasserzufuhr entgegensteht, da
die gefrorene oder doch wenigstens sehr kalte frei liegende Wurzel
wohl verdunstet, aber nichts aufnimmt.
Solchen Existenzbedingungen entsprechend, gehört die grosse
Masse der Epiphyten den tropischen Regenwäldern an. Nur da über-
ziehen sie in üppiger Fülle Stämme und Aeste, manchmal sogar die
Blätter der Bäume, und erreichen häufig baumartige Dimensionen. In den
Gebieten mit ausgeprägten Trockenperioden und auf den einzelnen Bäumen
der Savannen sind die Ephiphyten entweder gar nicht oder nur spärlich
und in relativ wenigen Formen vorhanden. Letztere sind Flüchtlinge der
Regenwälder und ihre Anwesenheit ist stets ein Zeichen, dass die
Trockenperiode nicht lang oder, wie in den Monsunwäldern, mit reicher
Thaubildung verknüpft ist.
Die Entstehung der Epiphytengenossenschaft in den tropischen
Regenwäldern dürfte in folgender Weise vor sich gegangen sein:
Manche Pflanzen des Waldbodens vermögen auch auf rissigen Stämmen,
in Gabelungen der Aeste und an anderen Stellen, wo sich Humus an-
sammelt, sich anzusiedeln und zu gedeihen. So verhalten sich in den
Tropen z. B. verschiedene Solanaceen, Melastomaceen, Farne u. s. w. Aus
solchen zufälligen Epiphyten gingen die echten Epiphyten hervor, in-
2. Die Epiphyten.
215
dem manche dieser Pflanzen ihre Existenz dieser Fähigkeit verdankten,
welche ihnen einen sicheren Hort ausserhalb des Kampfplatzes ver-
schaffte. Auf den Bäumen blieb nämlich die Concurrenz auf wenige
Arten beschränkt, indem die Fähigkeit, als Epiphyt existiren zu können,
bestimmte und keineswegs verbreitete Eigenschaften voraussetzt. So
keimen auf den Bäumen natürlich nur solche Pflanzen, deren Samen nicht
bloss der horizontalen, sondern auch der vertikalen Verbreitung fähig
sind, und letztere setzt Anpassungen an die baumbewohnenden Thiere
und an den Wind voraus. Ferner müssen die Samen sehr klein sein,
damit sie in enge Spalten eindringen können und, im Falle der Ver-
breitung durch den Wind, ausserordentlich leicht, da die vertikalen
Luftströmungen im Walde schwach sind. Die Samen der Epiphyten
entsprechen thatsächlich allen diesen Bedingungen; sie sind stets klein
und entweder von saftigen
Hüllen umgeben (z. B. Ara-
ceen, viele Bromeliaceen, Ru-
biaceen , Melastomataceen,
Feigen, Cactaceen, Gesnera-
ceen etc.) oder sie sind von
aussergewöhnlicher staub-
artiger Leichtigkeit, wie die
Sporen der Farne oder die
Orchideensamen , oder sie
sind, trotz sehr geringer
Dimensionen, mit den ge-
eignetsten Flugapparaten ver-
sehen (Rhododendron, viele
Bromeliaceen , Asclepiada-
ceen, Gesneraceen, Rubia-
ceen etc.). Ferner sind alle Gewächse von Anfang an im Vortheil,
die viele Nebenwurzeln erzeugen und die mit relativ wenig Wasser
vorlieb nehmen. So war die Zahl der Arten, die ihre Zuflucht auf den
Bäumen finden konnte, eine relativ geringe und der Sieg gegen die
Concurrenten von anderen Bedingungen, als auf dem Boden, abhängig.
Bei denjenigen Arten, welche sich auf dem Boden gar nicht mehr be-
haupten und daher nur noch als Epiphyten ferner existiren konnten,
wurden natürlich die Eigenschaften gezüchtet, welche für Lebensweise
auf Bäumen besonders geeignet waren ; sie wurden der letzteren an-
gepasst. Namentlich wurde jede Eigenthümlichkeit , die einen Epiphyt
in den Stand setzte, nach aufwärts, d. h. nach dem Lichte, fort-
zuschreiten, erhalten und weiter ausgebildet. In erster Linie handelt
es sich dabei um Schutzmittel gegen Wasserverlust, da jede Etappe
des Wegs von der Basis zum Gipfel des Baumes nicht bloss mehr
Fig. 110. Querschnitt durch den Stamm von Securi-
daca lanceolata St. HiL Nat. Gr. Nach H. Schenck.
2l6
II. Die Genossenschaften.
Fig. m. Eine epiphytische Orchidee, Jonopsis sp., auf einem Orangenzweig. Blumenau,
S. -Brasilien. Nat. Gr.
Licht, sondern auch mehr Trockenheit bringt. Die auf der Basis der
Baumstämme im Regenwalde wachsenden Epiphyten sind hygrophil,
die auf den höchsten Baumästen befindlichen xerophil. Das Ganze
2. Die Epiphyten. 2IJ
zeigt das Gepräge des allmählichen Steigens aus dem tiefen Schatten
zum Sonnenlichte, aus der nasskühlen Luft des Waldinnern in die
trockenheisse der Waldoberfläche.
Die xerophilen sonnenliebenden Epiphyten der Baumgipfel ver-
mögen, obwohl sie Nachkommen hygrophiler Schattenpflanzen darstellen,
den Regenwald zu verlassen. Dank ihrer veränderten Eigenschaften sind
sie im Stande, ganz offene Gegenden zu bewohnen. So wanderten sie
aus den Regenwäldern aus und colonisirten die Gebiete mit ausgeprägten
Trockenzeiten, namentlich Monsunwälder, Savannen und Savannen-
wälder. Nur da wurde ihrem Gedeihen eine Schranke gestellt, wo die
Trockenheit viele Monate dauerte, ohne durch reichliche Thaufälle regel-
mässig unterbrochen zu werden; doch vermochten sie sich auch da
noch am Rande der Gewässer dauernd anzusiedeln. Vollkommener
wurde der Wanderung der tropischen Epiphyten durch die Winterkälte
Halt geboten. Nur einzelne mit besonders grosser Resistenz gegen
Trockenheit und Kälte ausgerüstete Arten, wie Tillandsia usneoides und
Polypodium incanum in Nordamerika, vermochten die Gebiete der kalten
Winter eben noch zu betreten.
Die tropischen Regenwälder sind die bei weitem wichtigsten Bil-
dungsheerde der Epiphytengenossenschaft gewesen und ihre Erzeugnisse
sind bis weit in die warmtemperirten Zonen Nordamerikas, Argentiniens,
Japans, Australiens eingedrungen. Jedoch finden wir auch in den tem-
perirten Zonen zwei allerdings kleine autochthone Bildungsheerde
höherer Epiphyten, nämlich in den wenig ausgedehnten temperirten
Regenwäldern Süd-Chiles und Neu-Seelands. Hier sind aus temperirten
Phanerogamen und Farnen wirklich temperirte höhere Epiphyten
hervorgegangen.
Ausserhalb dieser Gebiete findet man als autochthone Epiphyten
nur kleine Algen, Flechten und Moose, d. h. Gewächse, welche, dank
ihrer Fähigkeit, im lufttrockenen Zustand monatelang zu existiren, sogar
den trocknenden Wirkungen andauernder Winterkälte widerstehen.
Aber auch sie zeigen sich nur in feuchten Gebieten, namentlich im
nebelreichen Klima, oder in der Nähe der Gewässer, reich und üppig
entwickelt. Bodenpflanzen kommen, wie in den Tropen, auch bei uns, ge-
legentlich in Höhlungen alter Bäume vor ; sie befinden sich aber nur da,
wo grössere Erdmengen die Entwickelung echter Bodenwurzeln ermög-
lichen und dürfen in keiner Weise zu den Epiphyten gerechnet werden.
Die mannigfachen Vorrichtungen, durch welche höhere Epiphyten
sich an ihre Lebensweise anpassten, sind mit den Existenzbedingungen
in den Regenwäldern so eng verknüpft und für dieselben so charak-
teristisch, dass sie erst mit ihnen zur Behandlung kommen sollen. Es
sei nur noch erwähnt, dass dieselben in erster Linie zu den Farnen und
Orchideen, in Amerika noch ganz besonders zu den Bromeliaceen gehören.
2l8 H. Die Genossenschaften.
3. Die Saprophyten.
Als Saprophyten wird eine Gruppe von Gewächsen bezeichnet, die
des Chlorophylls entbehren und daher auf organische Nährstoffe an-
gewiesen sind. Sie schöpfen die letzteren aus todter pflanzlicher und
thierischer Substanz und zwar, bald in mehr, bald in weniger fort-
geschrittener Zersetzung derselben, je nach der Art.
Die Saprophyten gehören der überwiegenden Mehrzahl nach zu
den Bacterien, Myxomyceten und Pilzen, im Übrigen zu den Phanero-
gamen. Andere Pflanzenklassen sind unter ihnen nicht vertreten. Der
Art ihrer Ernährung entsprechend, müssen sie, vielleicht mit Ausnahme
der Bacterien, von grünen assimilirenden Pflanzen abstammen. Bei den
Phanerogamen knüpfen noch zahlreiche Abstufungen die rein an-
organische Ernährung mit der rein organischen. Die erste Stufe ist in
dem Auftreten der Mycorhiza bezeichnet, durch welche die Phanero-
gamen und Farne erst in den Stand gesetzt wurden, die organischen
Humusbestandtheile zu verwerthen. Zunehmende Abhängigkeit vom
Mycorhiza - Pilze , dessen Rolle von derjenigen eines blossen Stickstoff-
lieferanten zu derjenigen eines Gesammtlieferanten überging, führte
durch zahlreiche Zwischenstufen zu der rein saprophytischen Lebensweise.
Die letztere verlieh den betreffenden Gewächsen die Fähigkeit, Stand-
orte zu besiedeln, an welchen wegen ungenügender Beleuchtung, grüne
Pflanzen nur noch kümmerlich oder gar nicht mehr existiren können.
Wie die Halophyten, die Epiphyten etc. sind auch die Saprophyten
Flüchtlinge des Kampfes ums Dasein.
Trotz der weiten Verbreitung der Mycorhiza haben nur eine relativ
geringe Zahl von Phanerogamen aus wenigen Familien die rein sapro-
phytische Lebensweise angenommen. Der Mehrzahl nach sind es
Monocotylen und zwar vorwiegend Orchideen ; ausserdem ist die kleine
Familie der Burmanniaceen vorwiegend, diejenige der Triuridaceen
ausschliesslich saprophytisch. Unter den Dicotylen besitzen nur die
Gentianaceen und Monotropeen saprophytische Arten.
Die Veränderung der Ernährungsweise bedingte solche der Structur
und der Oekologie der Pflanze. Als unnütz gewordener Bestandtheil
wurde das Chlorophyll unterdrückt oder in andere, anscheinend mit dem
Chlorophyll verwandte, braune, gelbe oder ziegelrothe Pigmente um-
gewandelt, welche vielen Saprophyten eine lebhafte, in ihrer öko-
logischen Bedeutung, falls eine solche überhaupt vorhanden ist, noch
nicht erkannte Färbung verleihen. Gleichzeitig mit dem Chlorophyll
wurden die mit demselben functionell zusammenhängenden Organe
reducirt, nämlich die Laubflächen, die bei den Saprophyten nur noch
kleine Schuppen darstellen, die Spaltöffnungen, welche sogar bei einigen
Arten verschwanden, die trachealen Bahnen, deren Stelle nur noch
3» Die Saprophyten. 2 IQ
wenige enge Gefasse und Tracheiden einnehmen. Das unterirdische
System ist entsprechend der verminderten Transpiration schwächer ent-
wickelt, als bei grünen Pflanzen und besitzt in vielen Fallen ein korallen-
artiges Aussehen. Die Mycorhiza ist in ihm wohl entwickelt. Die
Blüthen weichen begreiflicherweise von denjenigen der nichtsaprophy-
tischen Verwandten nicht wesentlich ab ; ihre Farbe stimmt häufig mit
derjenigen der Vegetationsorgane überein. Die Eigenthümlichkeiten
der Samen sind ökologisch noch nicht aufgeklärt. Dieselben sind sehr
zahlreich, von winziger Grösse und besitzen einen ungegliederten wenig
entwickelten Keim.
Die Saprophyten sind nicht wie die Lianen und namentlich die
Epiphyten an bestimmte klimatische Bestimmungen geknüpft, sondern
zeigen sich, wenigstens in ihren systematisch niederen Formen, in allen
Klimaten, während höhere Formen die feuchteren Klimate vorziehen
und hauptsächlich schattige Plätze bewohnen. Ihre grösseren Formen
zeigen sich ganz vornehmlich in Wäldern, in welchen Saprophyten über-
haupt einen wesentlichen, wenn auch nur theilweise leicht sichtbaren
Theil der Vegetation bilden. Die am meisten in die Augen fallenden
und häufigsten Saprophyten sind bei uns die Hutpilze; viel seltener
sind die Phanerogamen. Aber erst genauere Untersuchung lehrt, dass
der Humus von feinen Mycelfäden ganz durchsetzt ist und dass alle
todten Stämme, Aeste und Blätter eine reiche saprophytische Thal-
lophytenflora ernähren.
Die Hemisaprophyten nähern sich in ihrer Gesammtstructur
den echten Saprophyten um so mehr, als ihr Chlorophyllapparat mehr
reducirt ist. Coralliorrhiza innata und Limodorum abortivum, zwei chloro-
phyllarme Humusorchideen , sind durch ihre auf Schuppen reducirten
Blätter, die erstere auch durch ihr korallenartiges wurzelloses Rhizom,
das zweite durch seine violette Färbung, Holosaprophyten sehr ähnlich.
Das letztere gilt in noch höherem Grade von der chlorophyllarmen
Lecanorchis javanica , die ich auf Java beobachtete. Die Gentianacee
Obolaria virginica möchte ich hingegen als zu einer tieferen Stufe des
Uebergangs zur saprophytischen Lebensweise gehörig betrachten. Ich
fand das zierliche Pflänzchen häufig auf dem tiefen Humus sehr
schattiger Wälder bei Baltimore und es fiel mir auf, dass sie, im
Gegensatz zu anderen Schattenpflanzen, einen fleischigen Stengel und
sehr kleine Blätter besass.
4. Die Parasiten.
Die Parasiten oder Schmarotzer entnehmen ihre Nährstoffe theil-
weise oder ausschliesslich anderen lebenden Organismen, Pflanzen oder
Thieren. Mit den Saprophyten theilen sie die Eigenthümlichkeit, dass
220
IL Die Genossenschaften.
sie ihren Kohlenstoff theilweise oder ganz in organischen Verbindungen
erhalten und die Kohlensäure der Luft in entsprechendem geringem
Maasse, bezw. gar nicht assimiliren. Der letztere Umstand hat in beiden
Fällen ähnliche Folgen für die der Verarbeitung der Kohlensäure
dienenden Glieder gehabt. Wie die Hemisaprophyten , sind auch die
Hemiparasiten, welche nur einen Bruchtheil ihres Kohlenstoff-
bedarfs in organischer
Form decken, in Bezug
auf Chlorophyllgehalt
und Laubbildung auto-
trophen Gewächsen noch
mehr oder weniger ähn-
lich, während die Ho-
loparasiten, die ganz
und gar auf Kosten der
organischen Substanz
ihres Wirthes leben,
ähnlich wie die Holo-
saprophyten , chloro-
phyllfrei sind und, falls
sie Phanerogamen sind,
an Stelle der Laub-
blätter Schuppenblätter
entwickeln. Alle mög-
lichen Abstufungen ver-
binden die beiden Haupt-
gruppen der Parasiten.
Das Fehlen, bezw.
die Reduction der sonst
der Assimilation des
Kohlenstoffs dienenden
Organe verleiht den Ho-
losaprophyten und Holo-
parasiten eine grosse
habituelle Aehnlichkeit.
Doch hat der Parasitis-
mus in einigen Fällen
einen noch weitergehenden modificirenden Einfluss auf den pflanzlichen
Organismus gehabt, als der Saprophytismus. So giebt es parasitische
Phanerogamen, welche auf Wurzeln und Blüthen reducirt sind (Rafflesia-
ceen, Pilostyles etc.), solche von pilzartiger, an diejenige von Blüthenpflanzen
gar nicht mehr erinnernden Gesammtgestalt (Balanophoraceen, Lennoa-
ceen). Derartige extreme Formen zeigen sich auch in Blüthen- und Frucht-
Fig. 112. In der Mitte ein Weidenzweig, umwunden von
der schmarotzenden Cuscuta europaea. b reducirte Blätter,
Bl Blüthe. Links: Verbindung des Schmarotzers mit der
Wirthpflanze. W H\ die Haustori en, v c s die Gefässbündel
des Wirths. Rechts: Keimlinge. B. L.
4. Die Parasiten. 221
bildung durch die parasitische Lebensweise derartig verändert, dass ihre
systematische Stellung, obwohl es sich um die Nachkommen autotropher
Pflanzenformen handelt, nicht mehr mit Sicherheit ermittelt werden kann.
Begreiflicherweise sind die Absorptionsorgane, bei Phanerogamen
die Wurzeln, durch die parasitische Lebensweise am tiefsten modificirt
worden. Da nur zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen den
Saprophyten, die ihre organische Nahrung aus todter Substanz durch die
Mycorhiza, und den Parasiten, die dieselbe aus lebender Substanz durch
Saugorgane aufnehmen. Die Saugorgane oder Haustorien der
Parasiten sind in manchen Fällen kleine Auswüchse sonst normaler
Wurzeln, z. B. bei zahlreichen bodenbewohnenden Hemiparasiten aus
den Gattungen Euphrasia, Rhinanthus und anderen Scrophulariaceen,
sowie aus den Gattungen Thesium und Santalum unter den San-
talaceen. Die Haustorien legen sich der Nährpflanze zunächst fest an
und treiben dann in dieselbe Fortsätze, welche die eigentlichen Saug-
organe darstellen.
In anderen Fällen ist ein grösserer Theil des Wurzelsystems oder
auch dessen Gesammttheil in der Wirthpflanze eingeschlossen. In noch
anderen Fällen gehen die Wurzeln früh zu Grunde und die Haustorien
entwickeln sich, anscheinend Adventivwurzeln homolog, an den Axen
(Cuscuta, Cassytha). (Fig. 112.)
Die Lebensweise der phanerogamischen Parasiten ist eine sehr
verschiedenartige. Die einen sind Bodenbewohner und entweder auf-
rechte, im Boden wurzelnde Kräuter wie Euphrasia, Thesium etc. unter
den Hemiparasiten, Orobanche, Lathraea etc. unter den Holoparasiten,
oder Holzgewächse, wie Santalum album. Andere sind wurzellose Lianen,
wie die Arten der Convolvulaceengattung Cuscuta und der Lauraceen-
gattung Cassytha, beide unbelaubte und theils mehr (Cuscuta), theils
weniger (Cassytha) chlorophyllarme Schlingkräuter. Andere noch sind
Epiphyten, wie die Mistel, Viscum album, Loranthus europaeus und
zahlreiche andere Loranthaceen , sowie verschiedene Santalaceen des
extratropischen Südamerika. Die epiphytischen Formen sind sämmtlich
Hemiparasiten mit Ausnahme von Loranthus aphyllus (Johow). Manche
sind gleichzeitig kletternd. Endlich nehmen diejenigen Formen, die,
mit Ausnahme der Reproductionsorgane, in der Nährpflanze verborgen
sind, ökologisch eine Sonderstellung ein.
Bei den Pilzen zeigen sich noch grössere Unterschiede der Lebens-
weise, schon deswegen, weil sie nicht, wie die Phanerogamen, auf
pflanzliche Substrate beschränkt sind, sondern auch Thiere befallen,
sodann weil manche Arten mehrere Entwickelungsformen auf ver-
schiedenen Nährpflanzen besitzen.
Wie die Saprophyten, gehören auch die Parasiten einer verhält-
nissmässig kleinen Zahl systematischer Gruppen an. Am zahlreichsten
222 E. Die Genossenschaften.
zeigen sie sich, ähnlich wie die ersteren, unter den Pilzen und Bac-
terien, während die Algen nur wenige Holoparasiten neben zahl-
reicheren Hemiparasiten aufzuweisen haben. Holoparasiten fehlen, ähn-
lich wie Holosaprophyten unter den Moosen, Pteridophyten und Gym-
nospermen. Die Analogie zwischen den beiden ökologischen Gruppen
erstreckt sich nicht auf die Angiospermen. Obwohl es einen Parasiten
giebt (Melampyrum pratense), der anscheinend auch saprophytisch exis-
tiren kann (L. Koch), so zeigen sich die beiden Modi der orga-
nischen Ernährung doch systematisch scharf getrennt. Die Holosapro-
phyten gehören der Mehrzahl nach zu den Monocotyledonen, welche der
Parasiten ganz entbehren und die Familien, welchen Vertreter der letzteren
gehören, haben keine Saprophyten aufzuweisen. Nicht nur die Bala-
nophoraceen, Rafflesiaceen, Orobanchaceen und Lennoaceen, die aus-
schliesslich aus Holoparasiten und die Loranthaceen und Santalaceen,
die ganz vorwiegend aus Hemiparasiten bestehen, sondern auch die
Convolvulaceen (Cuscuta), Scrophulariaceen (Melampyrum, Euphrasia,
Rhinanthus etc.) und Lauraceen (Cassytha), welche nur in einzelnen Gat-
tungen parasitisch sind, entbehren der Saprophyten. Sogar Hemisa-
prophyten gehen den letzterwähnten Familien ab.
Die Parasiten sind nicht an bestimmte klimatische Bedingungen
gebunden und zeigen sich daher in allen Zonen und Gebieten. Sie
besitzen daher geographisch nur wenig Interesse und haben nur des-
halb hier Berücksichtigung gefunden, weil sie manchmal einige Züge
zur ökologischen Charakteristik von Formationen liefern.
Auswahl der Literatur.
1« Die Lianen.
Die zahlreichen Abhandlungen über Lianen haben zum grössten Theile
nur die anatomischen Merkmale oder die physiologischen Eigenschaften
zum Gegenstande. Sie sind von Schenck (v. u.) sorgfaltig zusammen-
gestellt worden. Oekologisch-pflanzengeographisches Interesse haben folgende
Werke:
Müller, F. I. Notes on some of the climbing plants near Desterro in
South Brazil. Linnean Soc. Journ. IX.
— II. Zweigklimmer. Kosmos, Bd. VI. 1887.
Schenck, H. I. Beiträge zur Biologie und Anatomie der Lianen, im
Besonderen der in Brasilien einheimischen Arten. I. Theil. Beitrage
zur Biologie der Lianen. Botan. Mittheil. a. d. Tropen. Heft 4. Jena
1897.
Auswahl der Literatur.
223
Schenck, H. II. Beiträge etc. (v. o.) II. Theil. Beiträge zur Anatomie
der Lianen. Ibid. Heft. 5. Jena 1893.
Treub, M. L Sur une nouvelle cat^gorie de plantes grimpantes. Annales
du jard. botanique de Buitenzorg. Vol. III. 1882.
— II. Observations sur les plantes grimpantes du jardin botanique de Buiten-
zorg. Ibid. 1883.
Westermaier, M. and Ambronn, H. Beziehungen zwischen Lebens-
weise und Structur der Schling- und Kletterpflanzen. Flora 1881.
2. Die Epiphyten.
Das über die Epiphyten Gesagte stützt sich auf folgendes Werk:
Seh im per, A. F. W. Die epiphytische Vegetation Amerika's. Botan.
Mittheil. a. d. Tropen. Jena 1888.
Man vergleiche ausserdem die Literatur zum Kap. IV des 1. Abschnitts
des dritten Theils für die Epiphyten und für die Epiphyten der temperirten
Zonen diejenige zum Kap. IV des zweiten Abschnitts.
8. Die Saprophyten.
Die Literatur über Saprophyten steht im allgemeinen der in diesem
Buche behandelten Frage ferne. Gute, allgemein gehaltene, namentlich auch
die ökologischen und pflanzengeographischen Fragen berücksichtigende Ar-
beiten hat Johow veröffentlicht; dort auch die historische Literatur. Für
die Pilze bleibt de Bary's Hauptwerk die wichtigste Quelle. Vgl. ausserdem
die Litteratur: Thl. III. 1. Abschn. IV.
de Bary, A. Vergleich. Morphologie und Biologie der Pilze, Mycetozoen
und Bacterien. Leipzig 1884.
Johow, F. I. Die chlorophyllfreien Humusbewohner West-Indiens. Prings-
heims Jahrb. Bd. XVI. 1885.
— II. Die chlorophyllfreien Humuspflanzen nach ihren biologischen und
anatomisch-entwickelungsgeschichtlichen Verhältnissen. Pringsheim's Jahrb.
Bd. XX. 1889.
4. Die Parasiten.
Von der Literatur über Parasiten gilt Aehnliches wie für diejenige über
Saprophyten. Johow's Arbeit berücksichtigt namentlich ökologische und geo-
graphische Verhältnisse und giebt eine Zusammenstellung der Literatur. In Be-
zug auf Morphologie u. s. w. sind ausserdem in erster Linie Engler's Natür-
liche Pflanzenfamilien zu benutzen. Im folgenden sind nur einige grund-
legende Arbeiten erwähnt.
Brown, R. An aecount of a new genus of plants, named Rafflesia. Trans.
Linn. Soc. XIII. 1820.
Hart ig, R. Zur Kenntniss von Loranthus europaeus und Viscum album.
Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen. VIII. 1873.
224
II. Die Genossenschaften.
J o h o w , F. Die phanerogamen Schmarotzerpflanzen. Verhandl. d. deutschen
wissensch. Vereins zu Santiago 1890.
Koch, L. Die Klee- und Flachsseide. Heidelberg 1880.
— II. Ueber die direkte Ausnutzung vegetabilischer Reste durch bestimmte
chlorophyllhaltige Pflanzen. Ber. d. deutsch, bot Gesellschaft 1885.
— III. Die Entwicklungsgeschichte der Orobanchen. Heidelberg 1887.
Marti us, Th. Ueber die Vegetation der echten und unechten Parasiten,
zunächst in Brasilien, Münchener Gel. Anzeigen. 1842.
Solms-Laubach, H. Gr. zu. Ueber den Bau und die Entwickelung der
Ernährungsorgane parasitischer Phanerogamen. Pringsh. Jahrb. Bd. VI.
1867—68.
DRITTER THEIL.
ZONEN UND REGIONEN.
Schimper, Pflanzengeographie. 1 5
Einleitung.
Die Isothermen des Sommers und Winters gliedern die Pflanzen-
decke der Erde in mehr oder weniger parallele Zonen ungleichen
systematischen Charakters. Gewisse Ordnungen und Familien der Ge-
wachse sind an constant hohe Temperaturen, wie sie nur in den Tropen
herrschen, gebunden und gehen beim Gefrierpunkt des Wassers oder
schon bei einigen Graden über demselben zu Grunde (Makrothermen),
während der Entwicklungsgang anderer abwechselnd niedere und höhere
Temperaturen verlangt (Mesothermen). Die zweite Categorie von Ge-
wachsen zeigt wiederum Unterschiede in der Empfindlichkeit gegen
Temperaturen unter dem Nullpunkt und diese Unterschiede bedingen
solche des floristischen Charakters bei zunehmender Breite. Die polaren
Zonen endlich sind von Gewächsen bewohnt, die nicht bloss sehr tiefe
winterliche Temperaturen, sondern auch Frostwetter während der Vege-
tationszeit unbeschadet ertragen und ihren Entwickelungsgang in kurzer
Zeit zu vollenden vermögen (Mikrothermen).
Eine ähnliche Abnahme der Temperatur, wie vom Aequator zu
den Polen, zeigt sich in vertikaler Richtung auf den die Grenze des
ewigen Schnees überragenden Gebirgen. Hier sind aber die Isotherm-
gürtel viel schmäler, so dass z. B. der ca. 6000 m hohe Kilimandscharo
am Fuss äquatoriales, auf dem Gipfel ein in Bezug auf Lufttemperatur
polar zu nennendes Klima besitzt.
Die Aehnlichkeit zwischen der Veränderung des Klimas vom Aequator
zu den Polen und vom Fusse der Gebirge zu ihren Gipfeln ist auf die
Lufttemperatur beschränkt; die vertikal zunehmende Luft Verdünnung
verleiht den übrigen klimatischen Factoren ein sehr charakteristisches
und demjenigen der Tieflandzonen keineswegs vergleichbares Gepräge.
Es empfiehlt sich dementsprechend nicht, die klimatischen Gürtel der
Gebirge, wie es neuerdings manchmal wieder geschieht, als Zonen zu
bezeichnen, da dadurch eine partielle Analogie einen übertriebenen und
Verwirrung schaffenden Ausdruck erhält; vielmehr ist dafür die von
15*
228 Einleitung.
früheren Pflanzengeographen u. a. von Grisebach gebrauchte Bezeichnung
von Regionen beizubehalten.
Die Temperaturzonen besitzen keineswegs rings um den Erdball
den gleichen floristischen und pflanzenökologischen Charakter; vielmehr
zeigen sie sich einem mehr oder weniger raschen Wechsel unterworfen,
welcher, bezüglich der Flora, zum Theil auf historische Ursachen, zum
Theil auf das ungleiche Feuchtigkeitsklima, für die Vegetation aber aus-
schliesslich auf das letztere zurückzuführen ist. Je nach der Constellation
der Hydrometeore herrscht entweder der Gehölztypus, oder der Gras-
flurtypus oder der Wüstentypus und ändert seinen Charakter, abgesehen
von standortlichen Bodeneinflüssen, nur beim Uebergang in andere
Feuchtigkeitsklimate. Die durch letztere abgegrenzten Landtheile
sollen Gebiete genannt werden. Die einzelnen Vegetationsgebiete
zeigen im Gegensatz zu den Florenzonen, sehr unregelmässige Ver-
teilung und sehr ungleiche Areale.
Die Hochgebirge weichen, wie bezüglich der Temperatur, auch
bezüglich der Feuchtigkeit von den klimatischen Verhältnissen des
Tieflandes ab. Die Regionen der Temperatur sind gleichzeitig solche der
Hydrometeore.
Bei den grossen Unterschieden zwischen den Vegetationsverhältnissen
der Gebirge und Tiefländer und bei den vielfachen ökologischen Be-
ziehungen der ersteren unter einander, erscheint es zweckmässig, die
Behandlung der Höhenregionen von derjenigen der Zonen und Gebiete
zu trennen und zum Gegenstand eines besonderen Abschnitts zu machen.
Die Abschnitte über Zonen sind daher, ausser in Fällen wo das Aus-
schüssen niederer Gebirge oder der unteren Regionen der Gebirge
widernatürlich wäre, nur den Tiefländern gewidmet.
Erster Abschnitt:
Die tropischen Zonen.
L Allgemeine Charakteristik
des tropischen Klimas und seiner Wirkungen
auf Vegetation und Flora.
L Allgemeine Eigentümlichkeiten des Tropenklimas. § i. Die Hydro -
meteore. Regen, relative Feuchtigkeit, Bewölkung. — § 2. Die Wärme. Lufttempe-
ratur. Erhitzung durch direkte Sonnenstrahlung. — §3. Das Licht und Ultraviolett.
Intensität der chemischen Lichtstrahlen. 2. Einige allgemeine Wirkungen des tro-
pischen TTHTWM auf das Pflanzenleben. § 1. Vornehmlich durch Wärme be-
einflusste Vorgänge. Cardinalpunkte. Fälle raschen und langsamen Wachsthums.
Transpiration in Sonne und Schatten. — § 2. Pflanzenphysiologische Wirkungen
des Tropenlichtes. Schutzmittel gegen intensives Licht. Zerstörung des Chlorophylls.
Stellung der Laubblätter. Lichtgenuss der Schattenflora. — § 3. Pflanzenphysio-
logische Wirkungen der Hydrometeore. Maassgebender Einfluss für den Vege-
tationscharakter und die periodischen Vorgänge. Ombrophilie und Ombrophobie. 3, Floristi-
scher Charakter der Tropenaone. Uebersicht der megathermen Formenkreise.
1. Allgemeine Eigentümlichkeiten des Tropenklimas.
§ 1. Die Hydrometeore. Die jährliche Regenmenge schwankt in
der tropischen Zone zwischen 5 m und darüber an einigen Punkten
der Gebirge und wenigen cm in den Wüstengebieten. Sie ist durch-
schnittlich am grössten im Aequatorialgürtel (5 NB — 5 SB) und nimmt
in nördlicher Richtung schneller ab, als in südlicher. Die Wüsten-
gebiete innerhalb der Wendekreise gehören, mit wenigen Ausnahmen,
den Grenzgürteln an und stellen nur die tropische Fortsetzung der
ausgedehnten subtropischen Wüsten dar.
Mindestens ebenso wichtig wie die Menge der Niederschläge ist
für das Pflanzenleben ihre zeitliche Verth eilung. Das Jahr zer-
230 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
fällt im grössten Theile der tropischen Zone in eine Trockenzeit, die
meist mit den Wintermonaten, und eine Regenzeit, die mit den Sommer-
monaten zusammenfällt. Einige aequatoriale Gebiete (z. B. Guiana)
besitzen zwei ungleich lange Regenzeiten und einige andere lassen
eine jahreszeitliche Unterscheidung von Regenzeiten nicht zu (z. B.
Singapore). Der Unterschied zwischen Regenzeit und Trockenzeit ist
im Binnenlande, namentlich in Ebenen, stärker ausgeprägt als an den
Küsten und im Gebirge, wo er sich auf das Pflanzenleben oft nicht
mehr geltend macht. Mit welchen Monaten Regenzeit und Trocken-
zeit zusammenfallen, ist, ausser in einigen Grenzgebieten geringer
Ausdehnung, bei den meist sehr geringen Unterschieden der Winter-
und Sommertemperaturen, für die Physiologie der Gewächse ohne
Bedeutung.
Die relative Luftfeuchtigkeit entspricht im Allgemeinen
der Regenmenge und ist natürlich grösser in der Regenzeit als in der
Trockenzeit. Wiederum sind Küstengebiete, Inseln, Gebirgsländer durch
hohe Grade der relativen Luftfeuchtigkeit ausgezeichnet (im Jahres-
durchschnitt 80 ° und darüber). Die letztere steigt Nachts und in den
Frühmorgensstunden bis zum Sättigungspunkt, fallt aber während des
Tages, bei sonnigem Wetter tief genug herab (65 — 7o°/0), um erheb-
liche trocknende Wirkungen auf die Pflanzenwelt auszuüben. In den
Gebieten mit ausgeprägten trockenen Jahreszeiten fällt die Luft-
feuchtigkeit während der letzteren im Durchschnitt meist auf 55 — 65%,
in Wüstengebieten jedoch viel tiefer. Manche Gebiete mit Trocken-
zeiten besitzen während der letzteren eine sehr reichliche und für die
Vegetation wichtige nächtliche Thaubildung.
Die Bewölkung ist in manchen Gebieten während der Regen-
zeit eine andauernd vollständige, so dass, nach Hann, ein schwerer
finsterer Wolkenhimmel monatelang nicht weicht Dieses ist jedoch
keineswegs überall der Fall und stimmt nicht zu meinen eigenen Er-
fahrungen über tropische Regenzeiten (Trinidad, Java), während welcher
die meisten Tage mehrere sonnige Stunden brachten. Fehlte es auch
nicht an ganz regnerischen Tagen, so waren andererseits ganz heitere
Tage nicht seltener. In Buitenzorg pflegt der Himmel während der
Regenzeit in den Vormittagsstunden ganz heiter zu sein und die Regen-
güsse, welche die hohe jährliche Regenmenge bedingen (ca. 41/* m),
fallen meist nur während einiger Nachmittagsstunden, allerdings mit
einer bei uns unbekannten Heftigkeit. Die Trockenzeit ist in vielen
Gebieten durch andauernd wolkenlosen Himmel ausgezeichnet, während
sie in anderen eine kaum oder gar nicht schwächere Bewölkung als
die Regenzeit aufweist.
Folgende, von Hann nach J. Murray und S. Arrhenius zusammen-
gestellte Tabelle giebt eine Vorstellung der mittleren Vertheilung der
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 23 I
Hydrometeore in der Tropenzone und in den benachbarten Gürteln
der temperirten Zonen.1)
N 45°
35°
25° 15° 5° 5° i5°
Regenmenge, Centimeter.
25°
35°
45° S
57
*55
68 95 197 198 123
Bewölkung, Prozent.
*65
70
106
54
46
*4o 43 55 59 52
Relative Feuchtigkeit, Prozent.
*45
49
61
74
♦70
71 76 79 81 88
*77
79
81
§ 2. Die Wärme. Die Lufttemperatur schwankt im Jahres-
mittel zwischen 200 und 280 und ist im Vergleich zu höheren Breiten,
sehr beständig; selbst die Unterschiede der höchsten und tiefsten
Temperatur des Jahres gehen ins Aequatorialgebiet nicht viel über die
Grenzen der täglichen Schwankung hinaus und betragen im Durch-
schnitt etwa 10 — 130 C, aber oft viel weniger, z. B. 50.
„Der Temperaturunterschied zwischen dem wärmsten und kältesten Monat
hält sich in der Nähe des Aequators zwischen 1 ° und 5 ° C. und über-
schreitet dieses Maass auch nicht im Innern der Continente (Ladö 5 ° N.
4,8°, Iquitos 3,7° S. 2,4°, Equatorville am Kongo 1,2°). Aber selbst gegen
die Wendekreise hin und in den extremsten Klimaten, die innerhalb der
Tropen vorkommen, überschreitet die jährliche Schwankung kaum 13 ° (Kal-
kutta 10,3°, Hongkong 13,4°, Veracruz 6,5°, Habana 5,8°, Chartum 12,9°).
Die jährliche Wärmeschwankung ist daher an vielen Orten kleiner als die
tägliche, für welche man vielleicht als Grenzen annehmen darf 50 und 13 °
(z. B. Equatorville 8°, Batavia 6,5° [August 7,7°], Chinchoxo Jahr 6,4°,
Juli 7,3°, Kuka in der Trockenzeit n, 40; Lado' [Differenz 2h. — 7 h.] Jahr
7,7°, Trockenzeit n,i°; Bakel 12,4°)."*)
Nur an wenigen Punkten , ganz in der Nähe der Grenzen der
Zone, z. B. in Süd-China, wird der Nullpunkt gelegentlich erreicht oder
sogar etwas nach unten überschritten. Die durchschnittlichen Maxima
schwanken gewöhnlich zwischen 30 und 35° C. und bleiben unterhalb
der in aussertropischen Gebieten beobachteten Extreme.
Die meteorologischen Berichte bringen leider nur ausnahmsweise
Angaben über die durch die direkte Sonnenstrahlung hervorge-
rufenen Temperaturen, obwohl letztere an Bedeutung für das organische
Leben der Luftwärme wenigstens gleich kommen.8) Entsprechend der
Lage der Sonne am Zenith oder in geringer Entfernung desselben ist
l) 1. c. Bd. n. s. 37.
a) Hann 1. c. Bd. II. S. 12.
*) Es sei an die Gefährlichkeit des Sonnenstichs in Vorderindien und anderen tropi-
schen Continentalgebieten erinnert
232 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
die Intensität ihrer Wärmestrahlung während eines bestimmten Zeit-
raumes, z. B. in einer Stunde, grösser in den Tropen als in der
höheren Zone und muss eine entsprechend höhere Erwärmung hervor-
rufen. In der That fand Pechuel-Lösche in Chinchoxo (Loango) sehr
oft eine Erwärmung des Bodens auf 750, manchmal auf 8o°, einmal
sogar auf 820. G. Haberlandt hingegen hat an einem Solarthermo-
meter zu Buitenzorg, während der nassen Jahreszeit, nur ähnliche Tem-
peraturgrade, wie sie in Graz während des Augusts gewöhnlich sind,
beobachtet, nämlich 550 — 56,7° zur Mittagszeit. Augenscheinlich ist die
relativ geringe Wirkung der Sonnenstrahlung in diesem Falle eine Folge
des sehr reichen Gehalts der Luft an Wasserdampf gewesen. In
Continentalgebieten sind, während der Trockenzeit wenigstens, weit
höhere Temperaturen die Regel. Die Erkaltung der Vegetation durch
nächtliche Wärmeausstrahlung ist in tropischen Continentalgebieten
während der Trockenzeit jedenfalls beträchtlich und dürfte von wesent-
licher pflanzengeographischer Bedeutung sein, ist es doch bekannt, dass
in Bengalen dünne Wasserschichten während der Nächte der Trocken-
zeit zu Eis gefrieren. In Küsten-, Wald- und Berggebieten ist die
nächtliche Abkühlung durch Wärmeausstrahlung, dank des reichen Ge-
halts der Luft an Wasserdampf, ein weit geringerer, wenn auch physio-
logisch keineswegs bedeutungsloser.
Folgende Tabelle giebt eine Uebersicht der mittleren Temperatur
auf den Parallelkreisen der Tropenzone.
Mittlere Temperatur nach Spitaler1).
Breite 25 20 15 10 5 Aeq. 5 10
Januar 18.4 21.7 23.9 25.7 26.2 26.2 26.1 25.9
Juli 28.0 28.1 27.9 26.7 26.1 25.5 24.9 24.0
Jahr 23.7 25.7 26.3 26.4 26.1 25.9 25.5 25.0
§ 3. Das Licht und Ultraviolett. Wie die Intensität der Wärme-
strahlen ist natürlich auch diejenige der Lichtstrahlen innerhalb der
Wendekreise grösser als ausserhalb derselben und der tropische Tag
ist heller als der temperirte oder polare. Diese Eigenthümlichkeit
kommt in den stärkeren Reflexen der Wasserspiegel und des vom
Regen benetzten Laubes direkt zum Vorschein und macht sich auch
beim Photographiren bemerkbar. Das gleiche wie von dem leuchtenden,
gilt auch von dem ultravioletten, noch chemisch wirksamen Theil
des Spectrums.
In den mir bekannten tropischen Gebieten Amerika's und des insularen
Asiens ist die Lichtintensität allerdings nicht so stark, wie in Ostafrika, über
dessen Lichterscheinungen P. Reichard folgendes berichtet: „In der uns um-
*5
20
2S
25-7
25.2
24.7
22.6
2O.5
18.1
24.2
22J
20.9
*) Hann, L c. Bd. II. S. 17.
L Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 233
gebenden Natur fällt in erster Linie die blendende Helle der Luft auf. Die
in den Tropen höher stehende Sonne sendet eine weit grössere Fülle Lichtes
herab als bei uns. Im Anfang ist die Lichtfülle dem Auge beinahe unerträg-
lich, sodass man unwillkürlich zur blauen Brille greift und den Hut tief
über die Augen zieht . . ." *)
Direkte vergleichende Messungen über die Intensität der leuchten-
den Strahlung in verschiedenen Breiten liegen nicht vor, dagegen sind
über die chemischen Strahlen einige Versuche angestellt worden. So
ergaben gleichzeitige Messungen zu Kew und zu Para an drei April-
tagen des Jahres 1866 für letzteren Ort eine nahezu zwanzigmal grössere
Intensität der chemischen Wirkung als für letzteren; im August war
sie noch 3,3 mal grösser zu Para als zu Kew.
2. Einige allgemeine Wirkungen der tropischen Klimate
auf das Pflanzenleben.
§ 1. Vornehmlich durch Wärme beeinflusste Vorgänge. Nach
dem Vorhergehenden unterscheiden sich die tropischen Klimate von
denjenigen höherer Zonen wesentlich durch die gleichmässige und
hohe Temperatur der Luft und durch die grössere Wirksamkeit der
Wärme- und Lichtstrahlen. Die Hydrometeore zeigen weder in der
Intensität noch in der zeitlichen Reihenfolge wesentliche Unterschiede
gegenüber der temperirten Zone, wo stellenweise ebenso grosse Regen-
mengen wie an den regenreichsten Punkten der Tropen sich zeigen
und wo ausgedehnte Gebiete eine ähnliche Abwechselung von Trocken-
und Regenzeiten aufweisen. Dass nichtsdestoweniger die Hydrometeore
noch grössere Bedeutung für die Oekologie der tropischen Gewächse
als für diejenige der temperirten besitzen und eine Reihe charakteristi-
scher Eigentümlichkeiten der ersteren hervorruft, ist theils durch die
Combination grosser Wärme mit grosser Feuchtigkeit, theils durch die
Ungleichmässigkeit der letzteren im Gegensatz zur Gleichmässigkeit der
ersteren verursacht.
Bei der grossep Gleichmässigkeit und beträchtlichen Höhe der
Temperatur in den Tropen sind viel geringere Unterschiede der har-
monischen Optima und in Folge dessen eine viel grössere Gleichmässig-
keit der das ökologische Optimum darstellenden Temperaturcurve 2) als
in höheren Breiten zu erwarten. Genaueres ist darüber zur Zeit nicht
bekannt, da die physiologischen Cardinalpunkte der Temperatur sowie
die ökologisch günstigsten Grade derselben bis jetzt nur für temperirte
Pflanzen festgestellt worden sind, bei welchen dieselben, entsprechend
') Deutsche Rundschau. October 1894. Citirt bei Hann 1. c. Bd. II. S. 40.
*) Vgl. S. 50.
234
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
den natürlichen Bedingungen, weit auseinander liegen. Doch ist es,
soweit Untersuchungen noch nicht vorliegen, unzulässig, aus den Grenz-
Fig. 1 1 3. Dendrocalamus giganteus im Botanischen Garten zu Peradenyia auf Ceylon.
Nach einer Photographie.
temperaturen der Luft Schlüsse auf die Cardinalpunkte der Vegetation
in den Tropen ziehen zu wollen, da die nächtliche Abkühlung durch
Strahlung, welche in den Trockenzeiten diejenige der Luft be-
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 235
deutend überschreitet, sowie die starke Erhitzung durch direkte Sonnen-
strahlung, bei manchen physiologischen Vorgängen eine maassgebende
Rolle spielen dürfte.
Unter den pflanzenphysiologischen Vorgängen mit hohem physio-
logischen Temperaturoptimum nimmt das Wachsthum, wenigstens nach
der Keimungsperiode, eine hervorragende Stelle ein. Es wäre lehrreich,
Vergleiche mit Pflanzen einer und derselben Art in den Tropen und
in den temperirten Zonen, unter sonst möglichst gleichen äusseren Be-
dingungen* anzustellen- Bis jetzt Hegen nur ganz vereinzelte Beobach-
tungen über die Waehsthiunsgeschwindigkeit tropischer Gewächse vor,
aus welchen sich nur entnehmen lässt, dass gewisse tropischen Ge-
wächse alle bekannten temperirten an Geschwindigkeit des Wachs th ums
Obertreffen,
Zu den am schnellsten wachsenden Vertretern des Pflanzenreichs
dürften gewisse Bambusen gehören. Bereits Wallich erwähnt, dass ein
Spross von Bambusa arundinacea in 31 Tagen um 7 m 85 cm an
Länge zugenommen hatte. Doch sind genauere Beobachtungen darüber
erst in neuester Zeit und zwar durch Kraus an einer Dendrocalamus-Art
des botanischen Gartens zu Buitenzorg angestellt worden.
wurden u« a« folgende Zuwachse innerhalb fünf Tage ("4.-8. Dec»)
festgestellt ;
Länge
in cm
Zuwachs
Ta^ und Nacht
1
Vor* u, Nachniittn|»
4, December ( 6 \ orra,
164
Tag 10*5 cm
Nacht 16 cra
Tag 5.0 cm
} Nacht 1 5 rm
Tag 8 cm
} Nacht 1 6 cm
1 Tag 8.5 cm
} Nacht j 2,5 cm
\ Tag 12 cm
*
\
t
t
\
t
*
*
*
f
l
'
:
Vorm. 7-5 cm
,j
11
"71 5
Nachm. 3,0 cm
1 «
Ab.
I74S
mber
1 6
1f
190-5
[2
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iga
Vormt 1.5 cm
6
H
i9S
Nachm, 3 cm
6. December
6
Pf
210
la
n
"5
Vorm, 5 cm
6
n
2*8
X.uhin. 3 cm
7. December
6
*i
234.0
"
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VqWq. 4.5 cra
*
u
*4*-5
Na< hm» 4 cm
g* December
6
pi
=55
"
TJ
261
\iirni, 6 cm.
1 6
• »
2(n
Nachm, fi cm
Die nachfolgende Tabelle giebt das stündliche Wachsthum in
Millimetern für Tag und Nacht.
236 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Spross II
4. Dec.
5. Dec.
6. Dec.
7. Dez.
8. Dec.
9. Dec
Tag
15.4
6.6
8.4
2.9
9.2
6.3
Nacht
12.4
13.0
16.6
12. 1
i7,S
138
Spross III
Tag
8.8
3.8
6.6
7.i
10.0
10.4
Nacht
13-3
12.5
13-3
10.2
11.0
10.4
Der stündliche Zuwachs ist demnach im Mittel am Tag 7J mm,
in der Nacht 13 mm gewesen.
Der tägliche mittlere Zuwachs betrug während der zweimonatlichen
Beobachtungszeit :
Für Rohr Nr. 1 in 58 Tagen 22.9 cm pro Tag
„ Nr. 2 in 60 „ 19.0 cm „
„ Nr. 3 in 60 „ 19.9 cm „
Der grösste Zuwachs innerhalb 24 Stunden fand statt:
bei Nr. 1 mit 57 cm am 22. December
„ Nr. 2 „42 „ „ 3. Januar
„ Nr. 3 ,.45 „ „ 4.
Sehr schnell wachsende Pflanzenarten sind in den Tropen, wenig-
stens in regenreichen Gebieten, keine seltene Erscheinung. Ich habe
im botanischen Garten zu Buitenzorg einige Messungen an jungen
Trieben und Blättern von Holzpflanzen, die dem Augenscheine nach
sehr schnell wuchsen, vorgenommen. So maass ich am 15. Nov. ein
noch gefaltetes Blatt von Amherstia nobilis und fand: Rhachis 6 cm,
ein Blättchen 2,9 cm. Am 24. Nov. wurde für dieselbe Rhachis und
dasselbe Blättchen 31 cm bezw. 19,5 cm gefunden, d. h. eine Längen-
zunahme auf das Fünf- bezw. das Siebenfache in 9 Tagen oder eine
tägliche Längenzunahme von 4,1 cm. bezw. 1,8 cm. Für ein etwas
älteres Blatt desselben Triebes waren die entsprechenden Werthe am
15. Nov. 10,8 cm und 3,5 cm, am 24. Nov. 36 cm. und 19,7 cm.
Bei Brownea sp. war die Länge einer eben sich öffnenden Knospe
am 15. Nov. 8 cm; am 20. Nov. war der junge Spross, dessen Blätter
noch eingerollt, i&lj9 cm lang, am 24. Nov., mit flach ausgebreiteten
Blättern, 29 cm lang bis zur äussersten Blattspitze. Die Gesammt-
länge hatte demnach in 9 Tagen um mehr als das 3'/2 fache zugenommen
und zwar um 21 cm oder 2,6 cm pro Tag. Neue Messungen an den
sich entwickelnden jungen Trieben von Urostigma glabellum sollen
nachher, im Zusammenhang mit dem Laub Wechsel des Baumes, mit-
getheilt werden.
Haberlandt erwähnt mehrere Beispiele schnellen Wachsthums auf
Java: „Beim Gymnasium Willem HI. in Batavia wurde 1874 ein Exem-
plar der auf Timor einheimischen Eucalyptus alba angepflanzt; nach
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 237
drei Jahren, war bereits ein 15 m hoher Baum daraus geworden. Im
Culturgarten zu Tjikömöh bei Buitenzorg besitzen zweijährige Maha-
gonibäumchen eine Höhe von 4a/2 m, dreijährige Exemplare von
Swietenia macrophylla sind 5 — 6 m hoch. Geradezu fabelhaft räch
wächst Albizzia moluccana, dieser beliebte Schattenbaum, dessen zartes
Fiederlaub durchaus nicht den Eindruck besonderer Fülle und Leistungs-
fähigkeit macht. Schon einjährige Exemplare erreichen eine Höhe von
5 — 6 m, sechsjährige sind bereits 25 m hoch, wobei ihr Stamm in
Mannshöhe einen Durchmesser von 20 — 25 cm aufweist."1)
Maxwell hat in Honolulu einige Untersuchungen über das Wachsthum
der Bananenblätter angestellt. Die Resultate der Messungen stellt er folgender-
maassen zusammen:
Fig. 1 14. Taeniophyllum Zollingeri Rchb. f. Nat. Gr. (Nach Wiesner.)
Länge des Blattes = Länge des fertigen Blattes, nach Abzug der Länge
des Blattes bei der ersten Messung. Tag: 7.30 a. m. bis 5.50 p\ m. ;
Nacht: 5.30 p. m. bis 7.30 a. m.; Zeit: 26. I. bis 9. III. — Englische Zoll.
Temperatur nach Fahrenheit.
Blatt-
Blatt-
Blatt-
Mittl.
Mittl.
Mittl.
Mittl.
Mittl.
länge
breite
fläche
L.- Wachsth.
L.
-Wachsth.
Wachsth.
Oberflw.
Temp.
inch.
I.Periode
Nach 1 . Periode
T.+ N.
T. + N.
I.
*94/«
14
413
—
—
47*
59
72.50
IL
357,
M
497
—
—
4V,
62.0
72.0
IIL
43
15
645
3
i1/.
41/.
64.5
70.0
IV.
477,
17
803
*2/*
i1/.
3%
66.9
71.70
Sehr schnelles Längenwachsthum scheint auch den oft ungeheuer
lang werdenden Nährwurzeln gewisser Lianen und Epiphyten zuzu-
kommen. Went fand an denjenigen von Philodendron melanochrysum
einen Gesammtzuwachs von 44 mm in 48 Stunden.
Die vorstehenden hohen Werthe für das Längenwachsthum von
Axen, Blättern und Wurzeln dürfen keineswegs dahin verallgemeinert
*) Reise S. 115.
Lichtgenuss.
% in
29
Tagen
2.37
mm in 24
/l8 »
29
;i
3-47
„ >. 24
/8 '»
3°
»
8-55
» „ 24
/5 »»
3i
»
6.80
ff » 24
7* »
3i
»»
2.50
» » 24
238 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
werden, dass dasselbe um ein Beträchtliches das Längenwachsthum in
den temperirten Zonen übertrifft. Dieselben beziehen sich ausschliess-
lich auf Gewächse, bei welchen das Wachsthum auffallend schnell vor
sich ging und daher zur näheren Untersuchung veranlasste. Dass es
sogar in regenreichem Tropengebiet an ausserordentlich langsam
wachsenden Pflanzen nicht fehlt, hat Wiesner an Taeniophyllum Zol-
lingeri, einer beinahe nur aus grünen Luftwurzeln bestehenden, unbe-
laubten epiphytischen Orchidee (Fig. 114), nachgewiesen.
Die für das Wachsthum verschiedener Pflanzen des Taeniophyllum
an natürlichen Standorten beobachteten Zahlen sind in der folgenden
Tabelle zusammengestellt, die auch Angaben über den in dieser Hin-
sicht wichtigen Lichtgenuss bringt:
0.1172 „
„ 0.2830 „
0.2266 „
„ 0.0806 „
Verglichen mit dem grössten täglichen Zuwachs des Bambus-
rohres (nach G. Kraus) verhält sich der grösste Zuwachs von Taenio-
phyllum wie 570:0.283 mm = 2013:1. Das von Kraus untersuchte
Bambusrohr wächst also rund 2000 mal schneller als die Luftwurzeln
von Taeniophyllum Zollingeri.
Transpiration. Die grosse pflanzenphysiologische Bedeutung
der Erhitzung durch Insolation ist bezüglich der Transpiration sehr
leicht zu beobachten und hat in neuester Zeit den Gegenstand
genauerer Untersuchungen gebildet. Die Wirkung der Insola-
tion ist stärker bei grossem als bei geringerem Dampf-
gehalt der Luft, da Trockenheit der letzteren das Schliessen der
Spaltöffnungen bedingt, und zeigt sich daher am auffallendsten in den
feuchten Gebieten.
Jedem Besucher des botanischen Gartens zu Buitenzorg ist bekannt,
dass viele Gewächse in den späten Stunden des meist sonnigen Vor-
mittags deutliche Zeichen beginnenden Welkens zu zeigen pflegen
und dass letzteres bis zum Eintritt des nachmittäglichen Regenschauers
rasch und bis zum ganz schlaffen Herabhängen vieler Blätter fort-
schreitet, obwohl letztere der Schutzeinrichtungen gegen Transpiration
nicht entbehren. ') Als während meines Aufenthaltes, mitten in der
Regenzeit, vierzehn regenlose heitere Tage aufeinander gefolgt waren,
bot die Vegetation ein Bild des Verdurstens, wie es bei uns nach der
n vgl. s. 21.
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 239
dreifachen Zeit kaum eintreten würde, die Culturen wurden gefährdet
und die Bevölkerung suchte durch geeignete lärmende Ceremonien sich
den Regengott gewogen zu machen. Die Luft blieb während dieser
Trockenzeit fortwährend sehr feucht und die reiche nächtliche Thau-
bildung wäre in einem weniger sonnigen Klima nicht so unwirksam
geblieben.
Wiesner hat in Buitenzorg den Einfluss des direkten Sonnenlichts
auf die Transpiration von Reispflanzen zahlenmässig festgestellt. >)
Reispflanze A.
Versuchszeit, Uhr a. M.
Temperatur
Relative
Feuchtigkeit
Transpiration
Beleuchtung2) pro Stunde.
6-5°— 7-5°
22.O — 22. 50
95— 96
diffus o.Big.
7.50— 9.17
22.5— 23.8°
89—95
(70 Min. diffus 1
\i7 „ So— S2/ 2'32
7.20 — 10.10
25.O — 25. 2°
82—94
So— S2 7.45
10.11 — 10.19
25 2 — 28,50
73—72
S3— S4 10.57
Reisp
flanze B.
Versuchszeit, Uhr
Relative Transpiration
Temperatur Feuchtigkeit Beleuchtung pro Stunde
8.43 — 9.00
26.2°
82
Sonne 15.35 g
9 — 9.15
27°
70
diffus 0.09
9.18— 9.34
27. 2°
>
Sonne 8.91
9.39— 10.10
27°
74
diffus 2.85
Eine Versuchsreihe an einem sonnigen Vormittage mit einem
jüngeren (rothen) und einem älteren (grünen) Blatte von Amherstia
nobilis, — die Versuchsobjecte standen mit dem Stiel in Wasser —
ergaben folgende Grössen der Transpiration in Gramm pro 100 g
Lebensgewicht :
Amherstia
Rothes Blatt
Grünes Blatt
Bedeckter Vorraum
1.22
1.00
Freie Exposition S 0
1.88
2.56
n » ^ 2
2.40
5^33
» v S 4
3-"
8.44
Wie gross die Transpiration in Buitenzorg sein kann, geht auch aus den
folgenden Beobachtungen Wiesner's hervor. Derselbe Hess mehrere krautigen
Pflanzen (ein Coleus, ein Adiantum, eine Jatropha, Mimosa pudica) eintopfen
und an einem offenen, dem Regen vollkommen zugänglichen Orte des Gartens
in den Boden eingraben. Während mehrerer Tage erhielten die Pflanzen
*) Mitgetheilt von Burgerstein 1. c.
*) Bedeutung der Zeichen fiir die Sonnenbedeckung: So Sonne vollständig bedeckt;
S, Sonne nur als heller Schein am Himmel sichtbar; Sä Sonne als Scheibe zu sehen; S3
Sonne nur von leichtem Dunst oder von einem zarten Wolkenschleier bedeckt; S4 Sonne
voUkommen unbedeckt.
240 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
täglich, zum Theil sehr starken Regen. „Der 29. December war ein vollkommen
regenfreier Tag ; der Vormittag war sonnig und am Mittag war die Sonne voll-
kommen unbedeckt. An diesem Tage gingen alle Versuchspflanzen (welche
auch an diesem Tage nicht begossen wurden) durch Verdorren zu Grunde."
Giltay machte vergleichende Versuche über die Grösse der Transpiration
von Helianthus tuberosus zu Buitenzorg und zu Wageningen in Holland. Es
ergab sich, dass der tägliche Wasserverlust in beiden Fällen der gleiche war,
nämlich im Durchschnitt 0,6 g pro Stunde, doch scheint auch hier die
Transpiration während der heissen Mittagsstunden in Buitenzorg bedeutend
stärker gewesen zu sein als in Holland.
Wie eingehende Versuche ergaben, die von G. Haberlandt zu Buitenzorg
im Januar, also mitten in der Regenzeit und zu Graz während heisser
Augusttage angestellt wurden, ist im Schatten die Transpiration im
feuchten tropischen Klima weit schwächer als in Mitteleuropa.
Die Luftfeuchtigkeit schwankte zur Zeit, in der Haberlandt seine Ver-
suche anstellte (December, Januar), zwischen 70 — 97 °/0. „Das Minimum
(70 — 80 °/0) trat um die Mittagszeit, oft erst um 1 Uhr Nachmittag ein.
Dann nahm die Feuchtigkeit bei eintretendem Regen rasch zu, um schon
zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittag eine Höhe von 90 — 95% zu erreichen.
Von geringen Schwankungen abgesehen , die selten mehr als 5 °/0 betrugen,
erhielt sich die Curve bei typischem Verlaufe von Abend an bis circa 7 Uhr
früh in der Höhe von 93 — 97 °/0, um dann allmählich bis Mittag wieder zu
sinken." *) Die Temperatur während der Versuchszeit zeigte eine tägliche
Schwankung von 6 — 8°C.
„Die tägliche Temperaturcurve zeigte in der Regel folgenden Verlauf:
Morgens zwischen 6 und 7 Uhr war die Temperatur am niedrigsten. Das
Minimum schwankte, von extremen Fällen abgesehen, zwischen 2 1 und 2 3 ° G
Während des Vormittags stieg die Temperatur erst rasch, dann etwas lang-
samer bis auf 29 — 30.5° C. Dieses Maximum wird selten schon zur Mittags-
zeit, gewöhnlich erst zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittags, erreicht Nun sinkt
die Temperatur nach Maassgabe der nachmittägigen Umwölkung, beziehungs-
weise der Ausgiebigkeit und Dauer des Regenfalles bald rascher, bald lang-
samer auf 23 — 25° herab."
Transpirationsgrösse der Blätter in Buitenzorg und in Graz.
Nach G. Haberlandt.
(Pro Tag und 1 dm in Gramm.)
I. Buitenzorg.
Conocephalus ovatus 0.29
Musa Ensete 0.45
Gonocaryum pyriforme 0.45
Daemonorops oblongus 0.47
Xanthophyllum vitellinum 0.58
Carica Papaya 0.62
Pterocarpus saxatilis 0.71
J) I. S. 6.
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 24 1
Cocos nucifera 0.89
Grammatophyllum speciosum 0.89
Bactris speciosa 1.00
Theobroma Cacao 1.06
Albizzia moluccana 1.19
Ficus elastica 1.52
Sanchezia nobilis 1.56
Loranthus pentandrus 1.86
Phönix spec 2.60
Acalypha tricolor 3.25
IL Graz.
Aesculus Hippocastanum 1.37
Syringa vulgaris 2.03
Acer pseudoplatanus 2.03
Corylus Avellana 3.33
Coraus sanguinea 4.09
Pyrus communis 5.97
III. Nach N. J. C. Müller.
Pappel 2.42
Eiche 2.89
Buche 3.50
Birke 3.65
Weide 4.22
Hainbuche 4.36
Erle 7.96
§ 2. Pflanzenphysiologische Wirkungen des Tropenlichtes. Bei
den bekannten Wirkungen des Lichtes auf Wachsthum und Trans-
piration ist mit Sicherheit anzunehmen, dass das Tropenlicht, seiner
grösseren Intensität entsprechend, die erwähnten Vorgänge auch stärker
beeinflusst, als das schwächere Licht hoher Breiten. In der That ist
das Längenwachsthum der Bambuse ganz auffallend geringer in den
Tages- als in den Nachtstunden, das Längenwachsthum der Luftwurzeln
von Taeniophyllum Zollingeri hört schon bei relativ sehr massigen Inten-
sitäten des Tageslichtes ganz auf, jedoch auch bei sehr schwacher Be-
leuchtung, und die verhältnissmässig starke Transpiration, welche das
schlaffe Herabhängen des Laubes vieler Tropenpflanzen in den hellsten
Stunden bedingt, ist zum Theil als eine, wenn auch indirekte Wirkung
der leuchtenden Strahlen aufzufassen.
Der Antheil des Lichtes an den eben erwähnten Vorgängen ist
noch nicht zahlenmässig festgestellt worden. Dagegen ist namentlich
durch Beobachtungen Wiesner's in Buitenzorg ein Einblick in ver-
schiedene specifische Lichtwirkungen eröffnet worden.
Die Licht läge der Blätter tropischer Gewächse weicht, nach
Wiesner's Untersuchungen, im allgemeinen von derjenigen temperirter
Schimper, Pflanzengeographie. l6
242 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Gewächse ab, indem sie nicht, wie bei diesen, überall senkrechte
Stellung zum stärksten diffusen Licht erstrebt, sondern solches Ver-
halten nur im inneren, lichtarmen Theile der Krone zeigt, an der
Peripherie des Baumes hingegen vor den Strahlen hohen Einfalls aus-
weicht. Hier sind also die Blätter durch das direkte Sonnenlicht in
ihrer Lage fixirt.
Durch die eben geschilderte Lichtlage der den Sonnenstrahlen
direkt ausgesetzten Blätter wird einerseits der starken Erhitzung und
dadurch der übermässigen Transpiration, anderseits der Zerstörung
des Chlorophylls durch intensives Licht vorgebeugt. Mehrere
Eigenthümlichkeiten des tropischen Laubs scheinen speciell zu letzterem
Zwecke erworben oder doch demselben nebenher zu dienen , wie Be-
wegungen der Blättchen gefiederter Blätter, starke Lichtreflexion der
Blattflächen, langes Beibehalten des turgorlosen Zustands und dadurch
bedingtes schlaffes Herabhängen junger Blätter, Faltungen, Haarüber-
züge u. s. w. *) Trotz aller derartiger Schutzvorrichtungen ist die Zer-
störung des Chlorophylls durch das intensive Tropenlicht eine sehr in
die Augen fallende und verbreitete Erscheinung. So sind die Blätter
der als Zierbaum häufig cultivirten Pisonia alba in der Jugend auf-
recht und saftgrün; später stellen sie sich senkrecht zur Richtung des
intensivsten Tageslichts und erleiden eine so vollkommene Zerstörung
ihres Chlorophylls, dass sie beinahe rein weiss werden2). Ueberhaupt sind
gelbliche Verfärbungen des Laubs an sonnigen Standorten der Tropen
ganz allgemein.
Die grössere Intensität des Tropenlichtes ermög-
licht auch eine üppigere Entwickelung der Schattenflora
als in den höheren Zonen. Hier jedoch wirkt die Eigenschaft
der Gewächse, bei höheren Temperaturen weniger lichtbedürftig zu sein,
im gleichen Sinne verstärkend mit. Wiesner hat in der That tropische
Pflanzen bei einer Schwäche der Beleuchtung gedeihen sehen, die bei
uns jedes grüne Pflanzenleben ausschliessen würde. Es wäre von
grosser Wichtigkeit, die Schattenvegetation des Urwaldes nach den von
Wiesner eingeführten Gesichtspunkten und Methoden näher zu untersuchen.
So hat der genannte Forscher ein javanisches Gras, Orthopogon Wiesneri
Schiffher, „in spurenweisen Anflügen im Schatten einer Myristica moschata
bei h. = lll00 (L max. = 0.016), aber nicht mehr im Schatten des tiefsten
Palmendickichtes, nämlich bei L. = V120 (*• niax. = 0.011, L med. =0.003).
Unter allen krautigen nicht epiphytischen Dicotylen fand Wiesner Geo-
phila reniformis Don. am tiefsten in den Schatten gehend. Sie blüht noch
bei L.= l/61 (L max. = 0.026; L med. = 0.011). Blüthenlos erträgt sie eine
beinahe ebensogrosse Abschwächung des Lichtes wie Orthopogon WiesnerL
x) Vgl. Wiesner, Johow, Haberlandt L c. *) Wiesner.
L Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 243
Die Intensität der Sonnenstrahlung in den Tropen ist so gross, dass
manche Culturpflanzen, namentlich Caffee und Cacao, wenigstens in der Jugend,
Fig. 115. Pandanus Sechellarum Balf. f. Seychellen. Nach einer Photographie
des Herrn Dr. A. Brauer.
der Beschattung bedürfen. Man benutzt zu diesem Zwecke Bäume mit lichter
Krone, vornehmlich solche mit gefiederten Blättern, auf Java namentlich
Albizzia moluccana Miq., auch Cedrela serrulata Miq., Cedrela odorata L.,
16*
244 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Pithecolobium Saman Benth. Im tropischen Amerika finden zu solchem Zwecke
hauptsächlich Erythrina - Arten Verwendung. Wahrscheinlich handelt es sich
dabei weniger um Abhaltung der leuchtenden und der chemischen Strahlen,
als der Wärmestrahlen, welche zu grosse Erwärmung und, in Folge dessen,
zu grosse Transpiration bedingen würden.
Wiesner hat über die Lichtintensität unter den Schattenbäumen im Ver-
suchsgarten zu Tjikömöh bei Buitenzorg einige Messungen angestellt und fand:
Albizzia moluccana Miq 1/2.81
Cedrela serrulata Miq 1/3.3
Cedrela odorata L 1/3.7
Pithecolobium Saman Benth . . . 1/4.2
§ 4. Pflanzenphysiologische Wirkungen der Hydrometeore. Die
Unterschiede in der Oekologie tropischer Gewächse stehen in erster
Linie mit denjenigen der Hydrometeore im Zusammenhang. Dieselben
bedingen für sich allein, meist ohne jede auch nur indirekte Mitwirkung
der Temperatur, die Herrschaft von Gehölz oder Grasflur, den hygro-
philen, tropophilen oder xerophilen Charakter der Vegetation und die
periodischen Erscheinungen. Dementsprechend sind auch die Unter-
schiede der klimatischen Feuchtigkeit für die Areale der Arten innerhalb
der Tropen maassgebend.
Den durch die Verschiedenheit der Hydrometeore bedingten ver-
schiedenen Typen der Gehölze und Grasfluren, wie sie die in den Tropen
und den klimatischen Bedingungen ihres Vorkommens sind, ebenso
wie den periodischen Erscheinungen, besondere Kapitel gewidmet.
Wiesners Untersuchungen über Ombrophilie und Ombrophobie
der tropischen Vegetation mögen an dieser Stelle Berücksichtigung
, finden, da die Untersuchungen noch zu unvollständig sind, um bei der Charak-
.terisirung der einzelnen klimatischen Gebiete Verwendung zu finden Nach
^denselben besitzt die grosse Mehrzahl der Gewächse im feucht-
warmen westlichen Theile von Java ausgesprochen ombro-
philes Laub und dieser Befund lässt sich mit Wahrscheinlichkeit auf
die Vegetation im stets feuchten tropischen Klima überhaupt ausdehnen. Da-
gegen dürfte in denjenigen Theilen der heissen Zonen, wo lange regenlose
Perioden regelmässig auftreten, das Verhältniss sich zu Gunsten der ombrophoben
Arten ändern. Diesbezügliche Untersuchungen liegen zwar nicht vor, a^er
die Häufigkeit in solchen Gebieten von Succulenten und anderen Gewächsen
mit unbenetzbaren Ueberzügen spricht zu Gunsten solcher Ansicht.
Manche entschieden ombrophoben Gewächse gedeihen allerdings auch
im immerfeuchten Klima; so macht Wiesner mit Recht auf die gute Ent-
wickelung verschiedener Opuntia- und Cereus- Arten im Botanischen Garten
zu Buitenzorg aufmerksam. Diese Pflanzen sind aber auf sehr offene, sonnige
Standorte beschränkt, wo stark ombrophile Pflanzen unter zu grosser Transpiration
leiden würden. Hingegen ist auf Ombrophobie das schlechte Gedeihen vieler
Gewächse trockenerer Klimate in Westjava und in anderen sehr feuchten
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 245
Tropengebieten zurückzuführen. Nachgewiesen wird dieses von Wiesner
namentlich für die Rosen, welche in tropischen Gärten beinahe stets sehr
dürftigen Habitus besitzen. Ihr Laub ist schwach entwickelt und hinfällig;
ihre Corollen sind klein und unregelmässig. Uebrigens sind die verschiedenen
Rosenarten ungleich ombrophob und gedeihen dementsprechend ungleich
schlecht, bezw. gar nicht.
Zu den einheimischen ombrophoben Gewächsen immerfeuchter Gebiete
gehören namentlich solche mit zartem gefiederten Laube, die sich durch ihre
Bewegungen dem Anprall des Regens mehr oder weniger entziehen, wie
Mimosaceen, Oxalis- Arten u. dgl. Solche Formen treten aber hier, nament-
lich im Walde, sehr zurück; ihre starke Entwickelung ist für die Vegetation
trockenerer Klimate charakteristisch.
Der Ombrophilie entsprechend, ist das Laub im immerfeuchten Klima
in der Regel leicht benetzbar; übrigens wird, wie Wiesner zeigt, sehr häufig
schwer benetzbares Laub durch anhaltende Befeuchtung leicht benetzbar und
umgekehrt. Die jungen Blätter sind in der Regel unbenetzbar und ombro-
phob; sie werden später benetzbar und ombrophil um, in höherem Alter,
wieder die Eigenschaften ihrer Jugend anzunehmen. Dann gehen sie in Folge
starker Regen leicht zu Grunde und fallen ab, indem sie im Gegensatz zu
jungen Blättern, durch ihre Lage gegen den Regen nicht geschützt sind.
Viele Bäume der periodisch trockenen Gebiete werfen ihre Blätter noch
während der Regenzeit ab; es liegt nahe hierin eine Folge der mit dem
Alter fortschreitenden Ombrophobie zu erblicken. Andererseits bin ich in
Reiseberichten hin und wieder der Angabe begegnet, dass gewisse Bäume
oder sogar ganze Wälder auf der Höhe der Regenzeit laublos werden. Es
ist überhaupt sehr wahrscheinlich, dass in manchen Fällen nicht Trockenheit,
sondern grosse Nässe dem periodischen Laubfalle in der Natur zu Grunde
liegt Es wäre wünschenswerth, dass im Anschluss an Wiesner's Versuche die
Ursache des Laubfalles in den Tropen näher untersucht würde.
3. Floristischer Charakter der Tropenzone.
Die von den Wendekreisen eingeschlossenen Zonen besitzen, mit Aus-
nahme einiger Grenzgebiete von meist geringer Ausdehnung, wo die
Wintertemperatur regelmässig auf den Gefrierpunkt fallt , eine ausge-
prägte Megathermenflora , welche stellenweise, z. B. in Südflorida und
Südbrastlien , etwas über die Wendekreise hinausgreift. Doch zeigt
sich in solchen Fortsätzen die Megathermenflora bereits beträchtlich
verarmt, indem die jährliche Temperaturcurve dem ökologischen Opti-
mum vieler Arten nicht mehr entspricht. Namentlich fehlt es häufig an
den zur Fruchtreife nöthigen Temperaturen.
Die folgende Uebersicht soll die megathermen Floren im Allge-
meinen charakterisiren, indem sie die in den tropischen Tiefländern
vertretenen Familien in systematischer Reihenfolge auffuhrt und die
246 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Rolle, welche dieselben durch Arten- und Individuenzahl spielen, kurz
skizzirt. Die Wasserpflanzen bleiben, da ihnen ein besonderer Ab-
schnitt gewidmet ist, unberücksichtigt.
Thallophyten.
Die Algen haben zwar in der tropischen Zone als Landpflanzen
nur eine ganz untergeordnete Bedeutung; letztere ist jedoch, wenig-*
stens in regenreichen Gebieten, immerhin grösser als in anderen
Zonen. Viele Arten leben als Epiphyten, namentlich auf Blättern. Die
Pilzfloren der Tropen sind noch ganz ungenügend erforscht. Doch
scheint jetzt schon festzustehen, dass die in Europa nachgewiesenen
grösseren Ordnungen sämmtlich vertreten sind. Es fehlt im Uebrigen
an tiefgreifenden Unterschieden nicht und manche der bei uns besonders
hervortretenden Gruppen, namentlich unter den Hymenomyceten, treten
in den heissen Zonen sehr zurück.
Die folgenden Angaben Alf. 'Möller's über die Pilzvegetation des süd-
brasilianischen Küstenwaldes gelten von allen mir bekanntenTropenwäldern :
„An feuchten Herbsttagen findet man in unserem deutschen Walde weit
mehr für das blosse Auge auch des nicht besonders danach suchenden Be-
obachters auffallige, das Waldbild merklich beeinflussende Pilze, als jemals
im brasilianischen Urwalde. Dort giebt es nichts, was sich mit den bunten
Trupps unserer zahlreichen Hutschwämme des Waldbodens vergleichen liesse.
Der Eindruck, den der unbefangene Reisende im brasilischen Urwald em-
pfangen muss, ist zunächst der, dass es dort sehr wenig Pilze zu geben
scheint. In Wirklichkeit freilich ist das nicht zutreffend, die Pilzflora ist
eine ungeheuer reiche, aber vorzugsweise sind in grossen Massen die kleinen
Formen vertreten, welche man nur sieht, wenn man aufmerksam danach
sucht, und die grösseren Formen werden meist nur vereinzelt getroffen. *)
Unter den Flechten spielen die Ascolichenen, wenigstens was
Zahl und Grösse der Individuen betrifft, eine weit geringere Rolle als
bei uns. Stattliche und massenhaft auftretende Formen, wie Usneen
u. s. w. zeigen sich erst im Hochgebirge, also ausserhalb des Mega-
thermenklimas. Cora pavonia, welche für sich allein die Klasse der
Hymenolichenen bildet, ist ausschliesslich tropisch und scheint innerhalb
der Wendekreise kosmopolitisch zu sein. Sie zeigt sich in ihren ver-
schiedenen Wuchsformen, namentlich jedoch in der eigentlichen Cora-
form massenhaft auf feuchtem Boden und auf Baumrinden.
Bryophyten.
Die Megathermen sind unter den Moosen, namentlich unter den
Laubmoosen selten und stellen meist kleine unscheinbare Arten dar, die
l) 1. c S. 154.
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 247
ausser an kühlen, feuchten Standorten spärlich und für das Vegetations-
bild ganz irrelevant sind. Um so reichlicher treten sie in den kühlen
Regionen der tropischen Hochgebirge auf (vgl. Abschnitt IV).
Pteridophyten.
Die Farne entwickeln in den Tropen einen ausserordentlichen
Formenreichthum und variiren in ihren Dimensionen von kleinen moos-
artigen Gestalten bis zu Baumgrösse. Die meisten sind hygrophil und
Fig. 116. Waldlandschaft auf den Seychellen. Im Vordergrund: Gleichenia linearis. Im
Hintergrund: Palmen (wahrsch. Roscheria melanochaetes H. Wendl), Pandanus etc. Nach
einer Photographie von Herrn Dr. A. Brauer.
schattenliebend, so dass nur feuchte Wälder einen grossen Farnreich-
thum aufweisen. Ausserdem sind sie der Mehrzahl nach nicht ausge-
sprochen megatherm, sondern ziehen ein mildes, wenn auch möglichst
gleichmässiges Klima vor, so dass die grösste Massenentwickelung der
Farne, namentlich auch diejenige der baumartigen Formen, sich weniger
im Tieflande als in kühleren Gebirgslandschaften zeigt.
Drei Farnordnungen sind ausschliesslich tropisch, die Gleicheniaceen,
Schizaeaceen , und Marattiaceen. Die Gleicheniaceen sind wiederholt
dichotomisch verzweigte, sehr eigenartig aussehende Farne, die im
Gegensatz zu den meisten ihrer tropischen Verwandten, offene sonnige
248
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Standorte, und zwar meist in grossen Gesellschaften bewohnen. Nament-
lich gilt das letztere von der in der Tropenzone beinahe kosmopolitischen
und überall gemeinen Gleichenia linearis (Fig. 1 16 im Vordergrund).
Die Schizaeaceen (z. B. Aneimia, xerophile Gattung, vornehmlich
im Inneren Brasiliens ; Lygodium- Arten, in Regenwäldern kletternd) und
die Marattiaceen (z. B. Angiopteris evecta, riesige krautige Form mit
kopfgrossem, rundem, oberirdischem Stamm, in Ostasien) sind niemals
Hauptbestandtheile von Formationen.
Fig. 117. Dioon edule. Mexico : Cerro colorada, s. ö. v. Jalapa. Nach einer Photographie
des Herrn Prof. Dr. Stahl.
Vorwiegend, jedoch nicht ausschliesslich tropisch sind die Cya-
theaceen, zu welchen beinahe sämmtliche Baumfarne gehören (Arten
von Cyathea, Dicksonia, Alsophila) und die Hymenophyllaceen,
kleine, oft moosartige Kräuter mit durchsichtigem Laube, welche in
feuchten, schattigen Wäldern Baumstämme und Felsen überziehen, ähn-
lich wie bei uns die Moose.
Die grosse Masse der tropischen Farne gehört zu der auch bei
uns vornehmlich vertretenen Ordnung der Polypodiaceen und zum
1. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 24Q
beträchtlichen Theile zu denselben Gattungen, namentlich Polypodium,
Aspidium, Asplenium, Pteris etc. Nur wenige und seltene Polypodia-
ceen sind baumartig.
Die Lycopodiaceen sind weit weniger hervortretend als die
Farne, aber immerhin von grösserer Bedeutung als in den temperirten
Floren. Selaginella-Arten bilden oft die hauptsächliche Bedeckung des
Waldbodens, Lycopodium cernuum ist an lichten Stellen ungemein
häufig, andere Arten von Lycopodium, sowie solche von Psilotum sind
stellenweise häufige Epiphyten.
Fig. 118. Cocos nucifera am Strande. Seychellen. Nach einer Photographie von Herrn
Dr. A. Brauer.
Die Equisetaceen sind nicht stärker entwickelt als in den tem-
perirten Zonen.
Gymnospermen.
Die Gymnospermen haben für die Megathermenfloren eine ganz
untergeordnete Bedeutung. Die Coniferen fehlen gänzlich ; sie finden
sich zwischen den Wendekreisen nur im Hochgebirge, jenseits des
tropischen Klimas. Die Cycadeen (Fig. 117) bilden zwar sehr charak-
teristische, aber der Zahl der Arten und Individuen nach untergeordnete
Erscheinungen und das letztere, aber nicht das erstere gilt auch von
250
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
den in ihren vegetativen Organen mit Dicotyledonen ganz überein-
stimmenden Gnetumarten.
Monocotylen.
Die Monocotylen liefern die charakteristischsten Erscheinungen der
Tropenflora. In erster Linie gilt dieses von den Palmen, die ihre
überwiegende Be-
deutung für tro-
pische Landschaf-
ten allerdings zum
grösseren Theile der
Cultur verdanken.
Das letztere gilt
namentlich von der
Cocospalme, Cocos
nucifera, deren die
meisten tropischen
Küsten bedeckende
Haine wohl nur aus-
nahmsweise ohne
Mitwirkung desMen-
schen entstanden
sind. (Fig. 118 und
224). — In den
tropischen Cultur-
ländern wird man
ferner stets die aus
den Antillen und
Südflorida stam-
mende Königspal-
me, Oreodoxa regia,
die stattlichste ihres
Geschlechts, ange-
pflanzt finden. Be-
rühmt sind die von
Oreodoxa regia ge-
bildeten Alleen in Rio de Janeiro und auf Ceylon. Zu den gewöhn-
lichsten Culturpalmen gehört ferner die nur als Nutzpflanze hervor-
ragende Arenga saccharifera. In Ostasien, namentlich im malayischen
Archipel, wird man schon von ferne an dem Auftreten der Betelpalme
Areca Catechu (Fig. 123), die Anwesenheit menschlicher Ansiedelungen
erkennen. Der dünne, aber hohe und pfeilgerade Stamm trägt eine
Fig. 119. Oreodoxa regia. Junges Exemplar im tropischen
Regenwald Südflorida's. Aus „Garden and Forest".
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 2 5 I
kleine Krone smaragdgrüner Blätter. Vornehmlich als Zierbaum endlich
sieht man die eigenartige Caryota urens, deren doppeltgefiederte Blätter
dreieckige Fiedern tragen und einigermaassen an Adiantum erinnern.
Noch eine grosse Anzahl anderer Palmen werden als Nutz- oder Zier-
bäume cultivirt, jedoch ohne so allgemein verbreitete Erscheinungen dar-
zustellen, z. B. zahlreiche Fächerpalmen, die Sagopalmen (Metroxylon
Rumphii Mart. und M. laeve Mart), Phytelephas macrocarpa etc.
In den natürlichen Landschaften sind die Palmenarten nach den
einzelnen Gebieten sehr wechselnd, oft derart, dass eine der baumartigen
die anderen sehr überwiegt. (Vgl. z. B. Fig. 116 und 121). Neben den
Bäumen sind auch Lianen (Calamus, Desmoncus) sowie kurzstämmige
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Fig. 120. Wäldchen von Phoenix silvestris auf sumpfigem Boden bei Bombay. Nach einer
Photographie von Herrn Prof. Dr. Deichmüller.
(z. B. Geonoma-Arten) oder stammlose Formen in den Wäldern selten
fehlend. Palmen wachsen auch zerstreut in Savannen (z. B. Hyphaene-
Arten, Copernicia tectorum etc.). Eigene Formationen, Palmenhaine, bilden
sie vornehmlich auf sumpfigem oder häufig überschwemmtem Boden,
z. B. Mauritia setigera auf Trinidad, andere Mauritia-Arten im nördlichen
Süd-Amerika, Phoenix silvestris in Vorderindien (Fig. 120), Nipa fruticans
in der ostasiatischen Mangrove (Fig. 224 u. 225).
Nächst den Palmen gehören die baumartigen Gräser, namentlich
Arten von Bambusa und Dendrocalamus (Fig. 113) zu den charakte-
ristischsten Formen tropischer Landschaften. Allerdings fehlen sie
ebenso wie die Palmen, nicht ganz in den subtropischen Zonen und
gehen in Japan bis in die kühle gemässigte Zone hinein. Die Bam-
busen verdanken ihr massenhaftes Vorkommen im grösseren Theile
der Tropenzone (Afrika ist daran arm) vorwiegend der Cultur. Doch
252
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
sind sie auch im wilden Zustande häufig. Die grössten Formen
wachsen zerstreut im Walde zwischen anderen Bäumen oder bilden
selbständige Wälder (Fig. 205); kleinere Formen sind als Unter-
holz häufig.
Sehr eigenartige und stellenweise sehr häufige, jedoch selten massen-
haft auftretende Formen der megathermen Floren sind die Pandanus-
Arten (Fig. 115, 116, 122). Sie sind auf die alte Welt beschränkt Vor-
nehmlich sieht man sie auf dem Meeresstrande, jedoch auch in Wäldern ;
nur sehr selten bilden sie selbständige Bestände.
Fig. 121. Lodoicea Seychellarum , wildwachsend. Insel Praslin, Seychellen. Nach einer
Photographie des Herrn Dr. A. Brauer.
Die Araceen pflegen in tropischen Waldlandschaften durch ihr
massenhaftes Auftreten und die Mannigfaltigkeit ihrer Arten einen hervor-
ragenden Platz einzunehmen. Man findet unter ihnen Lianen (z. B.
Philodendron- , Monstera- , Pothos- Arten) , Epiphyten (z. B. Anthurium-,
Philodendron-Arten) , und viele, oft gesellig wachsende Bodenkräuter.
Zu ihnen gehören einige der merkwürdigsten Erzeugnisse der Tropen,
wie beispielsweise der gigantische Amorphophallus Titanum auf Sumatra.
Araceen sind auch wichtige Bestandtheile der Sumpfflora (Colocasia-,
Alocasia-Arten etc.).
Die Scitamineen sind als manneshohe Stauden häufige und
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 253
hervorragende Bestandtheile der Waldflora. Die Bananen (Musa para-
disiaca und M. sapientum) (Fig. 49) gehören nicht bloss zu den all-
gemeinsten und auffälligsten Culturpflanzen, sondern sind, in Asien, auch
im Walde häufig. Für den tropisch-amerikanischen Wald sind nament-
lich die Heliconien, für den asiatischen verschiedene Zingiberaceen
charakteristisch. Madagascar besitzt die einzige baumartige Form der
Ordnung, Ravenala madagascariensis, den Baum der Reisenden, welcher
in allen tropischen Culturländern als Zierbaum gezogen wird (Fig. 123).
Endlich sind unter den als Florenbestandtheile hervortretenden
Monocotylen- Familien die Or-
chideen zu nennen, die na-
mentlich als Epiphyten eine
erstaunliche Formenmannigfal-
tigkeit entwickeln, und für das
tropische Amerika, die ebenfalls
vorwiegend epiphytisch leben-
den Brom eliaeeen. Die gras-
artigen Eriocaulaceen sind,
namentlich in Arten der Gattung
Paepalanthus , wesentliche Be-
standtheile der südamerikani-
i n Grasflurgebiete und die,
wie die letzterwähnte Familie
zu der Ordnung der E n a n t i o -
b lasten gehörenden Comme-
Hnaceen sindy namentlich in
Arten der Gattung Commelina,
s-ehr verbreitet,
Mehrere der für die tem-
perirten Zonen, wichtigsten mo-
nocotylen Familien, wie Cype-
raeeen , Juncaceen , Liliaceen,
Amaryllidaceen haben abgesehen
von einzelnen nicht ausschliesslich tropischen Gattungen (Smilax, Agave,
Fourcroya etc.) meist nur untergeordnete Bedeutung.
Fig. 122. Pandanus sp. Botanischer Garten zu
Buitenzorg. Nach einer Photographie von Herrn
Dr. G. Karsten.
Dicotylen.
Die Dicotylen überwiegen in der Tropenflora, die Monocotylen um
ein Beträchtliches und die Zahl der rein tropischen Familien ist unter
ihnen beträchtlich grösser. Ihre Merkmale sind jedoch weit weniger
augenfällig, so dass ein wesentlich nur von Dicotylen zusammengestelltes
Vegetationsbild einem solchen der temperirten Zonen häufig sehr ahn-
254
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
lieh aussieht. Wo hervorstechende Eigentümlichkeiten zum Vorschein
treten (eigenartige Verzweigung, abweichende Stellung der Blätter zum
Horizont, Plankengerüste, Luftwurzeln, Epiphyten etc.) sind dieselben in
der Regel nicht Familienmerkmale, sondern in den verschiedensten
Formenkreisen wiederkehrende ökologische Anpassungen.
Die Verbreitung der Amentaceen in den Tropen ist derjenigen
der Coniferen vergleichbar, indem sie in höheren Gebirgsregionen ien-
Fig. 123. Aus dem botanischen Garten zu Singapore. Die Palme links: Areca Catechu.
Rechts: Ravenala madagascariensis. Nach einer Photographie des Herrn Prof. Kükenthal.
seits des Megathermenklimas ein beträchtliches Contingent der Flora
liefern, während sie für das Tiefland bedeutungslos sind. Sie gehen
dem letzteren doch nicht, wie die Nadelhölzer, vollständig ab ; es giebt
vielmehr einige megatherme Eichen, z. B. in Mexiko und, nach eigenen
Beobachtungen, in den Wäldern bei Singapore.
Die Urti einen haben für die tropische Zone ganz hervorragende
Bedeutung, die Moractfen in »erster Linie durch die Gattung Ficus mit
I. Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 255
ihren zahlreichen baumartigen und strauchartigen Arten, sodann durch
die Gattung Artocarpus, zu welcher einige der häufigsten Culturbäume
der Tropen gehören (Artocarpus incisa, der Brotbaum; A. integrifolia,
der Jackbaum), die Urticaceen durch zahlreiche Gattungen meist strauchiger
und krautiger Arten.
Unter den Polygoninen sind die Piperaceen ausschliesslich mega-
therm. Sie sind namentlich in den Regenwäldern durch viele strauchige
und krautige Bodenpflanzen, sowie durch wurzelkletternde Lianen und
Epiphyten vertreten. Die Polygonaceen sind auf wenige, vorwiegend
baumartige Arten beschränkt.
Die Familien, welche bei uns die Centrospermen vornehmlich
repräsentiren , nämlich die Caryophyllaceen und Chenopodiaceen sind
beinahe ausschliesslich mesotherm und für die Tropen bedeutungslos.
Dagegen sind Amarantaceen als unscheinbare Kräuter, seltener als Holz-
gewächse sehr häufig. Die Phytolaccaceen und Nyctaginaceen sind vor-
wiegend tropisch amerikanisch.
Die für die nördliche temperirte Zone wichtigste Familie unter
den Polycarpiern, diejenige der Ranunculaceen , ist meso- und
mikrotherm und daher zwischen den Wendekreisen nur im Hochgebirge
vertreten. Auch die Magnoliaceen treten gegenüber der nordtemperirten
Zone zurück. Die für die Tropen wichtigste Familie ist diejenige der
Lauraceen, zu welcher zahlreiche Waldbäume, auch Sträucher und der
häufige krautige Parasit Cassytha gehören. Die rein tropischen Familien
der Anonaceen, Myristicaceen, Monimiaceen sowie, im Gegensatz zu den
verwandten mesothermen Berberidaceen, die Familie der Menisperma-
ceen steuern zahlreiche Holzpflanzen bei.
Die Rhoeadinen zeigen sich beinahe auf die Capparidaceen
beschränkt. Die wenigen Cruciferen sind meist Bergbewohner.
Unter den Cistifloren befinden sich mehrere rein megatherme,
in den Tropen reich vertretene Familien von Holzpflanzen, wie die
Clusiaceen, Dilleniaceen, Ochnaceen, Dipterocarpaceen, Bixaceen, ferner
die auch Mesothermen umfassenden Ternstroemiaceen und die aus
tropisch-amerikanischen Lianen und Epiphyten bestehenden Marcgravia-
ceen. Auch die tropischen Violaceen sind vorwiegend holzig, zum Theil
baumartig. Unter den krautigen Familien haben die Nepenthaceen für
die östlichen Tropen hervorragende Bedeutung.
Unter den Columniferen ragen die rein megathermen Bombaca-
ceen durch mächtige Dimensionen, namentlich durch beträchtliche Dicke
ihrer Stämme, sowie durch prächtigen Blüthenschmuck hervor. Die ver-
wandten Malvaceen, die Tiliaceen und die rein tropischen Sterculiaceen
sind sowohl in holzigen, wie in krautigen Arten wichtige Bestandtheile
der tropischen Floren.
Die Gruinales haben geringere Bedeutung. Die Oxalidaceen,
2C6 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Tropaeolaceen und die in Ostindien sehr häufigen Balsaminaceen sind
meist durch Kräuter vertreten; die Geraniaceen fehlen.
Die Terebinthinen besitzen namentlich für die Gehölzflora
trockenerer Gebiete hervorragende Bedeutung. Ihre Familien sind aus-
schliesslich (Meliaceen, Simarubaceen, Burseraceen) oder nur theilweise
(Rutaceen, Anacardiaceen, Zygophyllaceen) megatherm.
Unter den Aesculinen sind die Sapindaceen ganz vorwiegend
megatherm, die Malpighiaceen sind es ausschliesslich und namentlich
unter den Lianen häufige Erscheinungen. Die Erythroxylaceen und
Vochysiaceen (Amerika) sind ebenfalls megatherm, aber weniger arten-
reich, die Polygalaceen sind vertreten, die Aceraceen fehlen.
Die Frangulinen liefern in ihren Familien der Celastraceen,
Hippocrateaceen (beinahe rein megatherm), Aquifoliaceen , Vitaceen
(namentlich Cissus) und Rhamnaceen eine grosse Anzahl Holzgewächse,
namentlich Lianen.
Die Trikokken sind in ihrer wichtigsten Familie der Euphor-
biaceen, vorwiegend megatherm und steuern zu der tropischen Flora
eine grosse Anzahl baumartiger, strauchiger und krautiger, namentlich
zu der grossen Gattung Croton gehöriger Arten bei.
Die grösste Familie der Umbellifloren, diejenige der Um-
belliferen, ist beinahe ausschliesslich mesotherm, so dass sie sich zwischen
den Wendekreisen wohl auf den Gebirgen, aber nur mit sehr wenigen
Arten in den Tiefländern zeigt. Die Cornaceen sind ebenfalls nur im
Hochland vertreten, während die Araliaceen auch im Tiefland Vertreter
aufweisen.
Die Saxi fraginen, nämlich die Crassulaceen Saxifragaceen,
Hamameüdaceen, Platanaceen, und Podostemaceen sind, mit Ausnahme
der letztgenannten, nur aus Wasserpflanzen bestehenden Familie, ganz
vorwiegend mesotherm und für die Tropen von geringer Bedeutung.
Die für sich allein die Ordnung der Opuntinen bildende ameri-
kanische Familie der Cactaceen hat in den trockenen Gebieten des
tropischen Amerika zahlreiche Vertreter, in den Regenwäldern gehören
ihr einige häufige Epiphyten und Lianen.
Die Passi florinen sind beinahe ausschliesslich megatherm und
in erster Linie durch die Passifloraceen, Begoniaceen und Flacourtiaceen,
ferner durch die Loasaceen (Amerika), Samydaceen, Turneraceen, Cari-
caceen, in theilweise häufigen und hervorragenden Arten vertreten.
Die Myrtifloren bestehen in den Melastomaceen, Combretaceen
und Rhizophoraceen ausschliesslich aus megathermen Arten, von welchen
diejenigen der erstgenannten Familie, als schön blühende Sträucher und
Kräuter, namentlich in Amerika eine wesentliche Rolle zu spielen pflegen,
während zu den beiden letzteren die meisten Sträucher und Bäume
L Allgemeine Charakteristik des tropischen Klimas und seiner Wirkungen. 257
der Mangroven1) gehören. Auch die Oenotheraceen und Lythraceen
fehlen nicht.
Unter den Rosifloren sind die Chrysobalaneen ausschliesslich
megatherm, während die anderen Gruppen der Rosaceen beinahe aus-
schliesslich aus Mesothermen bestehen und daher zwischen den Wende-
kreisen nur als Gebirgspflanzen auftreten.
Die drei Familien der Leguminosen, die Mimosaceen, Caesal-
piniaeeen und Papilionaceen gehören zu den allerwichtigsten Formen-
kreisen der tropischen Flora. Sie umfassen Bäume, Sträucher und
Kräuter, die häufig klettern und sind für feuchte und trockene Gebiete,
für Gehölze und Grasfluren gleich bedeutungsvoll ; viele sind durch schöne
Blüthen ausgezeichnet.) (Die verschiedenen vorläufig als Hysterophyten
zusammengestellten Familien sind ganz vorwiegend makrotherm und ent-
halten manche der eigenartigsten Erzeugnisse der tropischen Floren,
namentlich unter den Aristolochiaceen, RafFlesiaceen und Balanophoraceen.
Die Eric inen sind mit wenig Ausnahmen mesotherm und daher für die
eigentliche Tropenflora ganz bedeutungslos. Hingegen haben sie zahlreiche
Arten in den Gebirgsfloren aufzuweisen (Vaccinieen, Rhododendron etc.).
Unter den Primulinen sind die Myrsinaceen ausschliesslich tropisch,
während die Plumbaginaceen nur eine Jdeine Anzahl megathermer
Arten enthalten und die wenigen Primulaceen Hochgebirgspflanzen sind.
Die Familien der Diospyrinen (Ebenaceae, Diospyraceae,
Sapotaceae) bestehen beinahe ausschliesslich aus tropischen Holzge-
wächsen. Mehrere Sapotaceen werden allgemein eultivirt.
Unter den Contorten sind die Loganiaceen, Apocynaceen und As-
cleptadaceen in vielen Arten der verschiedensten Wuchsform vorhanden,
während die Oleaceen und Gentianaceen, als mesotherme Familien, nur
Gebirgsbewohner aufzuweisen haben.
Die Tubifloren besitzen viele megatherme Arten unter den
Convolvulaceen und die durch Beerenfrüchte ausgezeichnete Asperi-
folieengruppe der Cordieen ist rein tropisch.
Die für die Tropen wichtigste Familie in der Ordnung der Per-
sonaten ist diejenige der Solanaceen, zu welcher sehr zahlreiche
Kräuter und Sträucher und einige kleine Bäume gehören. Die ganz
vorwiegend megathermen Familien der Bignoniaceen, Gesneraceen und
Acanthaceen haben zahlreiche Vertreter und die Lentibulariaceen sind
namentlich mit Utricularia-Arten vorhanden. Dagegen sind die Scro-
phulariaceen sehr schwach entwickelt.
Unter den Labiatifloren haben die Verbenaceen, zu welchen
sowohl baumartige, als strauchige und krautige Arten gehören, grössere
Wichtigkeit als die relativ schwach entwickelten Labiaten.
*) Vgl. über die Mangroven Kapitel VI dieses Abschnitts.
Schimper, Pflanzengeographie. 17
258 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Die megathermen Campanulinen sind auf die Lobeliaceen, Goo-
deniaceen und Cucurbitaceen beschränkt; die Campanulaceen sind
mesotherm und in den Tropen daher nur Bergbewohner.
Die Rubiaceen, die grösste der drei Familien der Rubiinen,
gehören durch die grosse Zahl der Arten und durch die wesentliche
Rolle, welche viele ihrer Vertreter durch ihre Häufigkeit spielen, zu
den wichtigsten Formengruppen der tropischen Vegetation. Dagegen
sind die Caprifoliaceen im tropischen Tiefland äusserst spärlich und die
Valerianaceen fast gar nicht vorhanden.
Die Compositen haben für die tropische Zone ungefähr die gleiche
grosse Bedeutung wie für die temperirten Zonen ; megatherm sind nur
wenige Ligulifloren, hingegen zahlreiche, theilweise besondere Gruppen
bildende Tubulifloren. Die meisten tropischen Compositen sind Kräuter,
aber auch Lianen und kleine Bäume kommen unter ihnen vor. Die
Dipsacaceen, welche mit den Compositen und der kleinen Familie der
Calyceraceen die Ordnung der Aggregaten bilden, sind meist meso-
therm und in den Tropen beinahe nur Gebirgspflanzen.
Auswahl der Literatur.
1. Die Klimate.
Die allgemein klimatischen Angaben sind vornehmlich aus: Hann,
Handbuch der Meteorologie. 2. Aufl. Stuttgart 1897 entnommen.
Burgerstein, Alf. Ueber die Transpirationsgrösse von Pflanzen feuchter
Tropengebiete. Berichte d. deutschen botan. Gesellsch. 15. Jahrg. 1897.
Giltay, E. Vergleichende Studien über die Stärke der Assimilation in den
Tropen und im mitteleuropäischen Klima. Pringsheim's Jahrbücher für
wissensch. Botanik. Bd. 30. 1897.
Haberlandt, G. Ueber die Grösse der Transpiration im feuchten Tropen-
klima. Pringsheim's Jahrb. für wissensch. Botanik. Bd. XXXI. 1897.
Johow, Fr. Ueber die Beziehungen einiger Eigenschaften der Laubblätter
zu den Standortsverhältnissen. Pringsheim's Jahrbücher. Bd. XV. 1884.
Kraus, G. Das I^ängenwachsthum der Bambusrohre. Ann. du jard. botan.
de Buitenzorg. Vol. XII (nur in Ref. zugänglich).
Maxwell, W. The rate of growth of banana leaves. Botan. Centralbl.
Bd. 6 7. 1896.
Stahl, E. Einige Versuche über Transpiration und Assimilation. Botanische
Zeitung 1894.
Wallace, A. R. Die Tropenwelt nebst Abhandlungen verwandten Inhalts.
Deutsch von D. Brauns. Braunschweig 1879.
\V i e s n e r , J. I. Ueber den vorherrschend ombrophilen Charakter des Laubes
der Tropengewächse. Sitzb. d. k. Akad. zu Wien. Bd. 103. 1 Abth.
1894.
Auswahl der Literatur.
259
Wiesner, J. II. Photometrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem
Gebiete. Erste Abhandlung. Orientirende Versuche über den Einfluss
der sogenannten chemischen Lichtintensität auf den Gestaltungsprocess der
Pflanzenorgane. Sitzungsb. d. k. Akad. zu Wien. Bd. 102. 1893.
— III. Beobachtungen über die fixe Lichtlage der Blätter tropischer Gewächse.
Sitzungsb. d. k. Akad. zu Wien. Bd. 103. Abth. 1. 1894.
— IV. Untersuchungen über den Lichtgenuss der Pflanzen mit Rücksicht auf
die Vegetation von Wien, Cairo und Buitenzorg Qava). Sitzungsb. d. k.
Akad. zu Wien. Bd. 104. Abth. 1. 1895.
— V. Beiträge zur Kenntniss des tropischen Regens. Ibid.: Bd. 104. Abth. 1.
1895.
2. Die Floren.
Die Angaben über Vorkommen und Fehlen der Familien in den Tropen
sind in erster Linie dem Werke Engl er' s und Prantl's, fortges. von
Engler. Die natürlichen Pflanzenfamilien, entlehnt.
Benutzt wurden ausserdem:
Christ, H. Die Farnkräuter der Erde. Jena, G. Fischer, 1897.
Möller, A. Ueber einige besonders auffallende Pilze Brasiliens. S. A. S. 1.
1898.
17*
II. Die periodischen Erscheinungen der
Vegetation in den Tropen.
1. Allgemeinheit der Periodioitat in den Functionen der Pflanzen. Keine
absolute Ruhezeit, sondern nur Ruhezeit einzelner Vorgänge. Vorkommen der Periodicitit
in der tropischen Vegetation. 2. Periodioitat in der vegetativen Sphäre. § i. Laub-
wechsel. Häufigkeit des periodischen Laubfalls in den Tropen. Verschiedenartiges Aus-
sehen der Bäume in den Trockenzeiten. Jahreszeiten und Vegetation in den Campos. § 2.
Wachsthum. Periodisches Laubabwerfen bei gewissen Arten von der Jahreszeit un-
abhängig. Individuelle Periodicität der einzelnen Sprosse vieler Tropengewächse. Tem-
perirte Holzgewächse in den Tropen. 3. Periodioitat in der sexuellen Sphäre.
§ 1. Allgemeines. Zeitliche Trennung der vegetativen und reproductiven Thätigkeit.
§ 2. Immer feuchte Gebiete. Ungleichzeitiges Blühen der verschiedenen Zweige bei
Holzpflanzen. Gleichzeitiges Blühen aller Stöcke einer Art ohne Beziehung zur Jahreszeit.
Beziehungen zwischen Blüthenbildung und Laubfall. § 3. Periodisch trockene Ge-
biete. Blüthenreichthum in den trockenen Jahreszeiten und zu Beginn der nassen, Blüthen-
armuth auf der Höhe der nassen Jahreszeiten. Die nasse Jahreszeit die Zeit der Fruchtreife.
§4. Specielle Belege. Klima und Blüthezeit auf Java, im nordwestlichen Indien, auf
Ceylon, in British - Guiana. 4. Die Caesalpiniaeeen im Botanischen Garten su
Buitensorg.
1. Allgemeinheit der periodischen Erscheinungen.
Die periodischen Erscheinungen der tropischen Vegetation sind
bisher wenig untersucht worden. Als Ergebniss der spärlichen und
meist unrichtigen Angaben der Reisenden hat sich ziemlich allgemein
die Vorstellung eingebürgert, dass in immerfeuchten tropischen Ge-
bieten die vegetative und reproductive Thätigkeit ununterbrochen vor
sich geht, während die wohl ausgeprägten Trockenzeiten anderer Ge-
biete Ruhezeiten der Vegetation hervorrufen sollen.
Beobachtungen in tropischen Gebieten mit reich-
lichem Regen zu allen Jahreszeiten haben mich gelehrt,
dass auch da die Lebensvorgänge in der Pflanze eine
rhythmische Abwechselung von Perioden der Ruhe und
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen. 26 1
Bewegung aufweisen. Allerdings beruht diese Anschauung auf
einer von der gewöhnlichen abweichenden Auffassung der Ruhezeiten.
Neuere Untersuchungen, namentlich diejenigen von Sachs und
Müller -Thurgau haben zur Genüge erwiesen, dass es Ruhezeiten
der gesammten Lebensvorgänge nicht giebt, sondern
nur Ruhezeiten für bestimmte Functionen. Die Pflanze ist
während der „Winterruhe" keineswegs inactiv. Stärke wird ig manchen
Bäumen in Oel umgewandelt; die Chlorophyllkörner der Coniferen er-
zeugen rothe Farbstoffe; die Epidermis der Blätter vieler Kräuter
bildet. Cyanophyll; die Wurzeln setzen ihr Längenwachsthum fort;
die Winterknospen erhalten, in Folge unsichtbarer Vorgänge, die Fähig-
keit der Fortentwickelung, die ihnen in der warmen Jahreszeit fehlte
u. s. w. Stillstand herrscht dagegen meist in Bezug auf Anlage,
Langen- und Dickenwachsthum der Sprosse, doch giebt es hierin Aus-
nahmen. Die Assimilation erleidet eine Abschwächung, aber nur bei
starkem Frostwetter eine gänzliche Unterbrechung.
Im Frühjahr hört in temperirten Zonen die Ruhezeit für die
Wachsthumsvorgänge auf; Laubsprosse und Blüthen werden ausge-
bildet; die Functionen der Ernährung, namentlich der Umsatz schon
assimilirten Materials, treten in lebhafte Thätigkeit. Dagegen stellt sich
für die an niedere Temperaturen gebundenen Functionen Ruhezeit ein.
Im Sommer herrscht grösste Bewegung auf dem Gebiete der Er-
nährung, namentlich in Bezug auf Assimilation der Rohstoffe. Das
Dickenwachsthum der Axen, das Dicken- und Längenwachsthum der
Wurzeln sind in voller Thätigkeit, dagegen herrscht, nach der Fertig-
stellung der Winterknospen, in der Regel Ruhe in den Gipfelmeristemen
der Sprosse. Auf dem Gebiete der Reproduction ist, je nach der Art,
Bewegung oder Ruhe.
Der Herbst ist eine Zeit der Abschwächung, der beginnenden
Ruhe auf den meisten Gebieten. Bei einigen Arten jedoch tritt erst
während desselben die reproductive Thätigkeit aus der Ruhe heraus.
Es giebt demnach in den temperirten Zonen keine
Jahreszeit, die nicht gewisse Functionen des Pflanzen-
lebens in Bewegung setzen, andere dagegen zur Ruhe
bringen würde. Allerdings wiegt während des Herbstes und des
Winters der Stillstand, während des Frühjahrs und des Sommers die
Bewegung vor, so dass man von einer relativen Ruhe- und Vege-
tationszeit sprechen darf, doch ist in keiner Jahreszeit der eine Zustand
allein vorhanden.
Die tropischen Gewächse sind ebenso wie diejenigen
kühler und kalte r Zonen der periodisch en Abwec hselung
von Ruhe und Bewegung unterworfen. Wo eine scharfe
klimatische Periodicität herrscht, zeigen sich die Functionen des pflanz-
2Ö2 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
liehen Organismus auch in den Tropen, von ihr wesentlich beeinflusst.
So wirken trockene Jahreszeiten in mancher Hinsicht wie kalte. Je
weniger ausgeprägt die Periodicität des Klimas, desto
unabhängiger ist die Periodicität in der Pflanze von
ihrem Einfluss. Innere Ursachen sind in dem nahezu
gleichmässigen Klima für die Abwechselung von Ruhe
und Bewegung vorwiegend oder allein maassgebend. Aufge-
geben wird solche Rhythmik jedoch niemals, denn sie ist
im Wesen des Organismus und nicht in den äusseren Be-
dingungen begründet. Ihr Zusammenhang mit den letzteren ist
eine seeundäre Erscheinung, eine Anpassung.
So ist auch das Bild allgemeiner und continuirlicher Bewegung,
welches die meisten Reisenden von der Vegetation in immerfeuchten
Tropenregionen mitgenommen haben, ein Trugbild. Dem aufmerk-
samen Beobachter zeigt sich überall neben der Bewegung, die Ruhe,
und beide Zustände vertauschen ihre Plätze fortwährend, wie die Theile
eines Kaleidoskops. Der Unterschied zwischen einer solchen Vege-
tation und einer dem Einfluss abwechselnd günstiger und ungünstiger
Jahreszeiten unterworfenen, beschränkt sich darauf, dass im ersteren
Falle die Summe von Ruhe und Bewegung in jedem Zeitabschnitte an-
nähernd die gleiche bleibt, während sie im zweiten Falle periodisch zu-
und abnimmt.
2. Periodicität in der vegetativen Sphäre.
§ i. Laubwechsel. Trotz zahlreicher anderslautender Angaben der
Reisenden ist die Anschauung immer noch vorherrschend, dass die
Tropenwälder weitaus zum grössten Theile immergrün sind und
wesentlich nur immerfeuchte Gebiete bewohnen, während Gebiete
mit ausgesprochenen Trockenzeiten nur an den Ufern der Gewässer
Waldwuchs aufweisen sollen. Diese unrichtige Vorstellung hängt mit
der nicht minder unrichtigen Annahme zusammen, dass trockene Jahres-
zeiten dem Walde unzuträglich sind.
In der Wirklichkeit sieht die Sache ganz anders aus. Der tro-
pische Wald ist zum grössten Theile aus periodisch un-
belaubten Bäumen zusammengesetzt und ist, wie früher (S. 180)
gezeigt wurde, sogar von Gebieten mit sehr dürren und heissen Jahres-
zeiten keineswegs ausgeschlossen. Die indischen Forstbotaniker, nament-
lich Brandis und Kurz haben uns zuerst mit den unterscheidenden
Eigenthümlichkeiten der immergrünen und der regengrünen Wälder
bekannt gemacht. Die Gehölze in Gebieten mit periodischen noch aus-
geprägten Trockenzeiten bieten während der letzteren mehr Aehnlich-
keit mit unseren Gehölzen im Winter als mit den dichten und üppigen
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen. 263
Regenwäldern, als welche gewöhnlich die Tropenwälder im Allgemein
dargestellt werden. Allerdings ist das Bild der Ruhe, wie es die
Trockenzeit hervorruft, weit weniger gleichmässig, als dasjenige einer
Winterlandschaft in temperirten Zonen.
So behalten die Gehölze in der Nähe der Gewässer vielfach, auch
während der Trockenzeit, ihre gesammte Belaubung oder doch einen
grossen Theil derselben und stellen grüne Streifen und Flecken in dem
sonst vorwiegend braunen und grauen Landschaftsbilde. Auch ausser-
halb des Bereichs der Wasserinfiltration machen sich Unterschiede der
chemischen und physikalischen Beschaffenheit des Bodens auf Zeit und
Ergiebigkeit des Laubfalls geltend. So verzögert grössere Feuchtigkeit
des Bodens das Ablösen der Blätter und beschleunigt die Entfaltung
der Laubknospen. Auch hat Warming beobachtet, dass die auf Kalk-
boden wachsenden Gehölze kahler werden, als auf anderen Bodenarten.
Ausserdem kommen specifische Unterschiede der Holzgewächse
zur Geltung. Unter gleichen äusseren Bedingungen werden einige der-
selben schon vor Ende der Regenzeit entlaubt, andere werfen ihre
Blätter am Anfang der Trockenzeit, wieder andere thun es ganz all-
mählich, im Laufe mehrerer Monate, andere endlich bleiben bis zur
Entfaltung der Ruheknospen belaubt. Bei einigen Bäumen soll sogar,
nach Warming, der Laubfall in manchen Jahren ganz ausbleiben. Die
Buntheit des Bildes wird noch dadurch erhöht, dass einzelne immer-
grüne Bäume im laubabwerfenden Walde eingesprengt zu sein pflegen.
Solche Unterschiede zeigen sich allerdings wesentlich nur da, wo
die Trockenzeiten nicht sehr lang oder nicht ganz regenlos sind. Die
dürren Savannenwälder an der Grenze der Llanos von Venezuela (Prov.
Maturin) fand ich, abgesehen von einer kleinen immergrünen Baumart,
Rhopala complicata, ebenso vollkommen entlaubt, wie im deutschen
Wald im Winter; sie bildeten den auffallendsten Contrast zu den
schmalen, aber dichten Waldstreifen längs der Wasserläufe, die ihre
Belaubung beibehalten hatten.
Die Grasflur in den Tropen, meist als Savanne (S. 176) auftretend,
zeigt sich während der Trockenzeit, falls nicht durch die üblichen
Brände verkohlt, von strohartig trockenen Gräsern bedeckt, zwischen
welchen nur vereinzelte Pflanzen grün sind und blühen. Einen auf-
fallenden Contrast bilden zu solcher Grasnarbe trockene und, in der
Sonne, brennend heisse Felsblöcke, mit ihrer Vegetation von Succu-
lenten und anderen immergrünen Xerophyten, wie Cacteen, Bromelia-
ceen, Orchideen, die gerade in der Trockenzeit zu blühen pflegen. *)
Warming stellt folgendermassen den Zusammenhang zwischen Vegetation
und Jahreszeit für die Campos von Minas Geraes in Brasilien dar:
*) Eigene Beobachtung in Venezuela.
264 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Winter (Mai — Juli. Grösste Kälte und Trockenheit). Gras der Cam-
pos strohartig. Der Laubfall beginnt, setzt sich aber in den Frühjahrsmonaten
fort. Einige Bäume verlieren schon ihr ganzes Laub, einige thun es erst im
Frühjahr. Der Laubfall ist weit stärker und allgemeiner in den Campos
(Savannen) als in den Wäldern.
Frühjahr (August — Oktober). Zunnahme der Feuchtigkeit und Wärme;
im Oktober beginnen meist die Regen. Der Laubfall setzt sich fort und wird
allgemeiner. Während dieser Monate verlieren die meisten Bäume ihr Laub,
jedoch zeigen sich gleichzeitig, oder schon etwas früher, die jungen Blätter,
so dass der Wald stets grün bleibt. Die meisten Blätter verbleiben 12 — 14
Monate an den Bäumen, etwas länger im Wald als im Campo. Einige Stämme
behalten ihr Laub 24 Monate oder noch länger. Im Ganzen betrachtet dauert
die Laubbildung über ein halbes Jahr; bei den einen Arten länger, bei anderen
weniger lang. Die neuen Blätter entwickeln sich vor dem Beginne der Regen.
Sommer (November — Januar). Regenzeit. Der Laubfall hat aufgehört
Manche Arten erzeugen zum zweiten Male Blätter. Einige scheinen drei
Generationen von Trieben zu bilden.
Herbst (Februar — April. Fortsetzung der Regenzeit nach einer trockenen
Unterbrechung im Januar — Februar). Der Laubfall beginnt im März, vor
Schluss der Regenzeit
Je reicher die Regenzeit an Niederschlägen, desto mehr herrschen
die immergrünen Bäume über die periodisch laubabwerfenden vor. In
den dichten Wäldern immerfeuchter Gebiete findet Entlaubung nur noch
bei den Riesen statt, deren Kronen sich kuppenartig über dem all-
gemeinen Laubdach erheben und daher der Trockenheit mehr aus-
gesetzt sind. Zu diesen periodisch kahlen Riesen gehören namentlich
Feigenbäume; auch die Rasamala (Altingia excelsa), der höchste Baum
der von Feuchtigkeit triefenden Wälder Java's, ist bei Beginn des
trockenen Ostwinds auf kurze Zeit entlaubt.
In allen Tropen gebieten mit sehr schwacher klimatischer Periodi-
cität giebt es Holzgewächse, die ohnejede Beziehung zur Jahres-
zeit, in grösseren oder kürzeren Intervallen (1 — 6 mal jähr-
lich) ihr Laub abwerfen, derart, dass Bäume derselben
Art, unter denselben äusseren Bedingungen, sich zu un-
gleicher Zeit belauben und entlauben.
So sah ich z. B. in Singapore Flamboyant-Bäume (Poinciana regia)
mit und ohne Laub durcheinander wachsen, und ähnliches Verhalten habe
ich mancherorts für Terminalia Katappa constatirt. Aehnliches berichtet
Haberlandtvon Palaquium macrophyllum zu Buitenzorg. Die Zeit, während
welcher solche Bäume unbelaubt bleiben, ist meist sehr kurz, I — 2 Tage
z. B. bei Excoecaria Agallocha, Acer niveum, vielen Urostigma-Arten *).
Ich habe im botanischen Garten zu Buitenzorg Urostigma glabellum,
einen riesigen Baum, der ungefähr alle zwei Monate seine Blätter
!) Koorders en Valeton 1. c.
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen. 265
abwirft und neues Laub erzeugt, des Näheren beobachtet. Am 10. De-
cember 1889 fiel das ganze Laub, im vollkommen grünen Zustande,
im Laufe des Tages ab, so dass der noch am Morgen ganz frisch aus-
sehende Baum , am Abend wie winterkahl dastand. Am 20. December
war die Laubmasse wieder nahzu ausgewachsen. Einer der in der
Zwischenzeit gebildeten jungen Sprosse, der ohne Wahl gepflückt wurde,
war von der Basis bis zur äussersten Blattspitze 26 cm lang, die Axe
allein 12 cm lang, die Spreite des drittältesten Blattes 13 cm lang, die
des jüngsten 8 cm.
Solche Fälle von der Jahreszeit unabhängiger Ent- und Belaubung
können nur auf innere Ursachen zurückgeführt werden. In manchen
Fällen ist solcher Laubfall ein Anzeichen, dass der Baum sich zum
Blühen vorbereitet. Bei Urostigma glabellum und bei manchen anderen
Arten ist jedoch solcher Zusammenhang nicht oder doch nicht noth-
wendig vorhanden.
Die Vermuthung liegt nahe, dass in solchen Fällen die anschwellenden
Knospen den Wasserstrom an sich ziehen; doch sind noch keine Versuche
darüber angestellt worden.
In den eben geschilderten Fällen zeigten sämmtliche Theile der
Laubkrone gleiches Verhalten. In anderen Fällen entlauben und
belauben sich die einzelnen Zweige zu ungleichen Zeiten.
Ich habe solches Verhalten bei tropischen Bäumen nur in Zusammen-
hang mit der Blüthezeit beobachtet und werde dasselbe daher erst
nachher besprechen.
§ 2. Wachsthum. Die immergrünen Holzge wachse in
den Gebieten mit Niederschlägen zu allen Jahreszeiten
sind nicht in fortwährendem Wachsthum begriffen, son-
dern, ebenso wie die laubabwerfenden, der periodischen
Abwechselung von Ruhe und Bewegung unterworfen. Sehr
in die Augen fallend ist der vegetative Rhythmus bei Bäumen, deren
Laub in der Jugend sehr helle, im Alter dagegen dunkele Färbung be-
sitzt. Da steht ein Baum wochen-, ja monatelang im dunkelen Laub-
kleide; seine sämmtlichen Endknospen sind im ruhenden Zustande.
Auf einmal zeigt sich der dunkele Grund weiss oder hellroth getupft;
die L^ubknospen haben sich entfaltet. Häufiger als gleichzeitige
Verjüngung der ganzen Krone ist der ungleichzeitige
Uebergang der Endknospen einzelner Zweige oder Zweig-
systeme aus dem ruhenden in den activen Zustand. Solche
Bäume bilden dann allerdings, im ganzen betrachtet, ein Bild ununter-
brochenen Treibens; doch ist, wenngleich mehr versteckt, die allen
Lebensprocessen gemeinsame Abwechselung von Ruhe und Bewegung
auch bei ihnen vorhanden.
Die Unabhängigkeit einzelner Sprosssysteme zeigt sich z. B. in
266 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
auffallender Weise beim Mangobäume. Sein röthliches junges Laub
erscheint nicht auf einmal auf der ganzen Oberfläche der mächtigen,
schwarzgrünen Krone, sondern nur an einer Stelle oder an zwei Stellen,
entsprechend dem Verzweigungssystem eines dickeren Astes, deren End-
knospen sich sämmtlich entfalten, während diejenigen anderer Aeste
in Ruhe verharren.
Meist geht jedoch die Individualisirung der Zweige noch viel weiter.
Als typisches Beispiel für die Mehrzahl der immergrünen Holzgewächse
immerfeuchter Tropengebiete mag die viel cultivirte Caesalpiniacee
Amherstia nobilis gelten. Hier sind, wie in vielen anderen Bäumen,
alle Glieder des Verzweigungssystems von einander unabhängig, so dass
stets, im buntesten Wechsel, Zweige mit ruhenden Endknospen und
solche mit wachsenden Trieben in allen Stadien der Entwickelung durch-
einander stehen.
§ 3. Temperirte Holzgewächse in den Tropen. Alle Lehrbücher
wiederholen die Angabe Humboldts, dass die Weinrebe bei Cumanä
(Venezuela) das ganze Jahr belaubt sei und Früchte trage. Ich ziehe die
Richtigkeit dieser Beobachtung nicht in Zweifel; dagegen ist die daran
geknüpfte Vorstellung, dass diese Rebe immergrün geworden sei, im
selben Sinne etwa wie eine Tanne, höchst wahrscheinlich unrichtig.
Ich habe Gelegenheit gehabt, die periodischen Erscheinungen bei
Bäumen aus den temperirten Zonen in einem Klima näher zu unter-
suchen, das zu den gleichmässigsten der Erde gehören dürfte, nämlich
in dem immer feuchten und kühlen Hochgebirge Westjava's. Der bei
ca. 1 500 m ü. M. gelegene botanische Garten zu Tjibodas enthält Holz-
gewächse aus Europa, aus dem temperirten Asien und aus Nord-Amerika,
welche in der Heimath winterkahl, hier, wie die berühmte Weinrebe
von Cumand, „immergrün" geworden sind. Ich lernte sie im December
und Januar kennen, also zu einer Zeit, wo sie unter ihren natürlichen
Bedingungen winterkahl gewesen wären ; sie waren jedoch alle reichlich
mit Laub, zum Theil auch mit Blüthen und Früchten versehen.
Diese Bäume haben nichtsdestoweniger ihre Periodicität beibehalten,
nur sind die einzelnen Aeste in mehr oder weniger hohem
Grade von einander unabhängig geworden, so dass, zur
Zeit meines Aufenthalts, manche Bäume gleichzeitig
winterliche, frühjahrliche, sommerliche und herbstliche
Sprosse trugen, die anderen aber meist wenigstens das
Bild von zwei Jahreszeiten in ihrem Gezweige aufwiesen.
Die Unabhängigkeit von der Jahreszeit in der rhythmischen Abwechse-
lung von Belaubung und Entlaubung, die Selbständigkeit der einzelnen Spross-
systeme eines Baumes treten bei den in die Tropen verpflanzten jungen
Bäumen erst im Laufe der Jahre auf; der bereits erlittene Einfluss der Jahres-
zeiten auf die periodischen Erscheinungen macht sich noch lange als Nach-
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen. 267
wirkung geltend, um erst allmählich, durch ungleiche Verschiebungen in den
verschiedenen Zweigen, verloren zu gehen.
Die im Garten zu Tjibodas cultivirten nordtemperirten Bäume waren zur
Zeit meines Aufenthalts, soweit meine Beobachtungen reichen, folgende : Mag-
nolia Yulan, Magnolia sp., Liriodendron Tulipifera, Diospyros Kaki, Pirus
Malus, P. communis, Quercus pedunculata, Rhus succedanea, Olea europaea,
Amygdalus communis.
Magnolia Yulan, z. B., wies folgendes Bild auf: Einzelne entlaubte Zweige
mit Blatt- und theilweise Blüthenknospen ; andere mit jungen Blättern und
offenen Blüthen; andere mit ausgewachsenen, lederartigsteifen Blättern und
vertrockneten Blüthenresten — Fruchtbildung trat nicht ein, — andere mit
einzelnen, „herbstlich" verfärbten, bei Berührung leicht abfallenden Blättern.
Bei Magnolia sp. waren die „sommerlichen" Zweige mit Früchten ver-
sehen. Der in mehreren stattlichen Exemplaren vertretene Baum zeigte an
seinen einzelnen Zweigen weniger grosse Unterschiede; dieselben stehen in
grösserer Abhängigkeit von einander. Dagegen waren die einzelnen Bäume
auf ungleichen Stadien der jährlichen Entwickelung. Die einen waren in der
Tracht des ersten Frühjahres, mit ganz jungen Blättern; andere waren früh-
sommerlich, mit noch frischem Laube und jungen Früchten; andere noch
trugen reife Früchte und alte Blätter.
Liriodendron Tulipifera und Quercus pedunculata zeigten an ihren
einzelnen Aesten Winter, Frühjahr und Sommer. Bei Pyrus malus und com-
munis, denen übrigens anscheinend das Klima nicht zusagte, waren alle vier
Jahreszeiten auf demselben Stämmchen vereinigt. Ein Strauch von Rhus succe-
danea war an seiner Basis frühjahrlich, am Gipfel sommerlich; ein anderer,
grösserer derselben Art prangte an einzelnen Aesten in den zartrothen Farben
des Frühjahrs und in den dunkelrothen des Herbstes, während andere winter-
lich kahl waren. Amygdalus communis war im reinen Frühjahrskleid.
In weniger gleichmässigen tropischen Klimaten scheinen die periodischen
Erscheinungen der aus temperirten Zonen stammenden Holzgewächse sich an
die neuen Jahreszeiten anzupassen. Da fallen die winterlichen und frühjahr-
lichen Erscheinungen mit der Trockenzeit, die sommerlichen und herbstlichen
mit der Regenzeit zusammen. So sagte mir Herr Nock, der Curator des bei
c. 1800 m ü. M. gelegenen Versuchsgartens zu Hakgalla auf Ceylon, dass
die europäischen Bäume den grössten Theil ihres Laubs noch während des
nassen Stidwestmonsuns verlieren, während der massig feuchten Herbstmonate
aber junge Blätter und Blüthen entwickeln. Genauere Beobachtungen über
diese interessanten Erscheinungen liegen nicht vor.
3. Periodicität in der sexuellen Sphäre.
§ 1. Allgemeines. Blüthen und Laub weisen bei den meisten
Pflanzen einen gewissen Antagonismus auf und pflegen sich entweder
zeitlich oder räumlich getrennt zu entwickeln. Bei den krautigen Pflanzen
ohne Knollen und Zwiebeln kommt es meist erst dann zu einer
üppigen Entwickelung in der reproductiven Region, nachdem das
268 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Laub ganz oder nahezu ganz ausgewachsen ist. Man könnte in diesem
Falle allerdings die Erscheinung dahin deuten, dass dem Laube die
Rolle zufällt, Nährstoffe für die Erzeugung von Blüthen und Früchten
zu bilden. Bei den Rhizompflanzen und Holzgewächsen ist jedoch eine
solche direkte Abhängigkeit nicht vorhanden und wir sehen in der
That die Blüthenbildung der Laubbildung oft vorausgehen, indem
sie auf Kosten vorjähriger Reservestoffe stattfindet. Letzteres geschieht
wohl auch häufig da, wo Blüthen und Laub weit von einander entfernt
sind, wie bei caulifloren Gewächsen.
In den Zonen mit kalten Wintern zerfällt die Entwickelung der
Blüthe bei vielen Gewächsen, namentlich bei holzbildenden, in zwei
durch eine Ruhezeit getrennte Abschnitte, einen der Anlage und einen
des Wachsthums. In wiefern ähnliches auch in den Tropen vorkommt,
ist nicht ermittelt. Die folgenden Betrachtungen beziehen sich daher
nur auf die späteren, für das blosse Auge leicht erkennbaren Ent-
wickelungsstadien. Die Blüthen haben weit mehr Berücksichtigung ge-
funden als die Früchte, indem sie sowohl von früheren Beobachtern,
als auch von mir, genauer ins Auge gefasst wurden. So stellt sich das
hier gegebene von vornherein als ein blosses Fragment dar.
Die Holzpflanzen sollen in erster Linie betrachtet werden, indem
etwaige äussere Einflüsse auf die Blüthenentwickelung sich bei ihnen
deutlicher bemerkbar machen, als bei den meisten Kräutern, wo die
unmittelbare Abhängigkeit der reproductiven Sphäre von der Ernährungs-
thätigkeit des Laubs solchen Beeinflussungen störend entgegentritt.
Die zeitliche Trennung des blühenden und des rein vegetativen
Zustands wird dadurch erreicht, dass beide an ungleiche Jahreszeiten
gebunden sind. Auch in den Tropen macht sich ein Einfluss der
letzteren überall geltend, wo ein scharf ausgeprägter Klimawechsel vor-
handen ist, doch ist dieser Einfluss im Allgemeinen schwächer, als in
den Zonen mit kalten Wintern. Die Zahl der das ganze Jahr blühen-
den Arten ist grösser und die Zeit, während welcher blühende Exemplare
einer Art angetroffen werden, ist im Allgemeinen länger in den Tropen
als da, wo die Jahreszeiten sehr grosse Temperaturunterschiede auf-
weisen, und die im letzteren Falle beinahe nur als Anomalie auftretende
Erscheinung des wiederholten Blühens in kurzen Intervallen, ist bei
vielen tropischen Gewächsen eine normale und regelmässige Erschei-
nung. Solche Unterschiede stellen sich am auffallendsten dar, wenn
die Holzgewächse der temperirten und tropischen Zonen miteinander
verglichen werden.
§ 2. Immerfeuchte Gebiete. Die Blüthezeiten tropischer
Gewächse sind, wie Belaubung und Entlaubung, von den
Jahreszeiten um so weniger abhängig, je weniger letztere
klimatisch von einander abweichen. Die das ganze Jahr
IL Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen. 269
blühenden Arten sind in den Gebieten mit nahezu gleichmässigem
Klima am häufigsten. Die in den tropischen Floren vielfach anzu-
treffende Bemerkung: „Blüht das ganze Jahr" ist jedoch in der Regel
keineswegs so zu verstehen, dass ein und derselbe Stock immer
Blüthen trägt, sondern bedeutet lediglich, dass blühende Stöcke zu
jeder Zeit angetroffen werden. Unter den Arten, die zur Kategorie der
stets blühenden gehören, befinden sich manche, deren einzelne Stöcke
nur einmal jährlich oder sogar nicht jedes Jahr Blüthen tragen. So
verhalten sich namentlich viele Bäume feuchter Urwälder, die man nur
selten blühend antrifft. Andererseits giebt es auch Arten, deren ein-
zelne Stöcke eine sehr lange Blüthezeit besitzen, oder die letztere in
kurzen Intervallen wiederholen, so dass die Zahl ihrer blühenden Exem-
plare zu jeder Jahreszeit diejenige der nichtblühenden überwiegt. Der-
artiges zeigt sich namentlich an offenen, sonnigen Standorten und
in den Strandwäldern. Rhizophora- und Avicennia - Arten , besonders
aber Hibiscus tiliaceus, haben auffallend lange Blüthezeiten und werden
meistens blühend angetroffen. Ob es langlebige Gewächse giebt, deren
einzelne Stöcke ununterbrochen Blüthen tragen, kann ich nicht angeben,
da dazu mehrjährige Beobachtungen gehören würden, an welche noch
Niemand gedacht hat. Jedoch halte ich es, namentlich für reichver-
zweigte Holzgewächse, nicht für ausgeschlossen; einige viel cultivirte
und, wie mir schien, stets blühende Hibiscus-Arten , sowie Ricinus
dürften sich zur bequemen Feststellung der Frage eignen. Doch
würde, auch in diesem Falle, die Abwechselung der Ruhezeiten und
Bewegungszeiten in der Blüthenbildung nicht fehlen. Wir haben bei
den Erscheinungen der Laubbildung gesehen, in welch hohem Grade
die einzelnen Aeste vieler tropischer Holzgewächse individualisirt sind.
Das gleiche gilt vielfach von der Erzeugung von Blüthen. Häufig
steht ein einzelner Ast in Blüthe, während die übrigen Aeste in rein
vegetativer Thätigkeit verharren, zu anderen Zeiten aber Blüthen tragen.
Sehr auffallend ist die Erscheinung z. B. beim Mangobaum und bei
Eriodendron anfractuosum , dem „Silkcottontree" , wo eine mehr oder
weniger grosse, dem Bereich eines grossen Astes entsprechend Stelle
der Krone allein Blüthen trägt, um zur andern Zeit von einer andern
Stelle abgelöst zu werden. Fritz Müller erwähnt eines bei Blumenau
wachsenden riesigen Feigenbaums, dessen verschiedene Aeste zu ver-
schiedenen Jahreszeiten Frucht tragen.1) In anderen Fällen ist die Er-
scheinung weniger in die Augen fallend, indem nicht das ganze
Gezweige eines dicken Astes auf einmal, sondern kleinere Zweig-
systeme höherer Ordnung oder sogar einzelne Zweige in Bezug auf
die reproductiven Vorgänge abwechselnd Ruhe und Bewegung aufweisen.
*) 1. c. s. 392.
270 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Dass aber ein und derselbe Spross ununterbrochen blüht und fruchtet,
kommt gar nicht vor.
Diejenigen Gewächse, deren Blüthezeit von der Jahreszeit un-
abhängig ist, entfalten ihre Blüthen begreiflicherweise meist zu ungleichen
Zeiten, so dass man häufig einen in vollem Blüthenschmucke prangenden
Baum neben einem anderen derselben Art, der nur reife Früchte trägt,
sehen kann.
Doch zeigt sich bei wenigen Arten mit kurzer Blüthezeit die räthsel-
hafte Erscheinung, dass innerhalb eines mehr oder weniger
ausgedehnten, häufig viele Quadratkilometer umfassen-
den Gebietes, sämmtliche Stöcke einer Art am selben
Tage aufblühen.
Der erste, der eine Thatsache dieser Art kennen lehrte, war, wie
bei so vielen anderen Erscheinungen des tropischen Pflanzenlebens,
Fritz Müller, der dieselbe an drei Arten der Iridaceen-Gattung Marica
mit verschiedenen Blüthezeiten, nachwies. Später theilte mir M. Ridley
in Singapore mit, dass eine dortige Orchidee sich ähnlich verhielte.
Endlich machte mich, während meines Aufenthalts in Buitenzorg, Herr
Dr. Treub auf das Verhalten von Dendrobium crumenatum, einer in
West- und Mitteljava überaus häufigen epiphytischen Orchidee aufmerksam.
Am 13. December 1889 sah ich alle Exemplare der Pflanze in Buiten-
zorg und Umgebung (West- Java) ihre sämmtlichen Blüthenknospen
öffnen. Am 19. Januar 1890 wohnte ich in Samarang (Mittel-Java) der
gleichen Erscheinung bei. Wie ich erfuhr, hatte das Dendrobium nahezu
zur selben Zeit auch in Buitenzorg geblüht. Am 19. Februar sah ich
das gleiche in Garut, auf dem Hochplateau des Preanger, am 4. März
wiederum in Buitenzorg. Noch einige andere, weniger häufige Orchideen,
scheinen ein ähnliches Verhalten zu zeigen.
Mit den eben geschilderten räthselhaften Erscheinungen dürfte viel-
leicht das Verhalten gewisser Bambuseen vergleichbar sein, welche nur
in mehrjährigen Zeiträumen blühen, dann aber innerhalb eines grossen
Bezirkes alle gleichzeitig. So blühen die Bambusen in den süd-
brasilianischen Provinzen St. Catharina und Rio Grande do Sul in
Zwischenräumen von etwa 13 Jahren, an der Westküste von Vorder-
indien (Bambusa arundinacea) in solchen von 32 Jahren, z. B. 1804,
1836, 1868 1). Nach Ridley blühen zwei Arten von Hopea (H. inter-
media und H. Mengarawan) und vier Arten von Shorea (S. leprosula,
parvifolia, pauciflora und macroptera) mit grosser Regelmässigkeit jedes
sechste Jahr. Diese Perioden sollen mit sehr trockenen Jahren zusammen-
fallen2).
') Brandis bei Hackel 1. c. S. 90.
-) Brandis II. S. 20.
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen. 271
In den meisten Fällen herrscht während des grösstenTheils
der reproduktiven Periode eine Verlangsamung oder so-
gar eine Stockung in der vegetativen Region, welche sich
auf das ganze Geäst erstreckt, wenn dasselbe auf einmal zur Blüthe
übergeht, andernfalls, je nach dem Grade der Individualisirung , auf
grössere oder kleinere Aeste beschränkt bleibt. Die Einwirkung auf
die vegetative Region ist vielfach auf das Ausbleiben der Laubtrieb-
bildung beschränkt ; die vegetativen Knospen ruhen. In manchen Fällen
geht jedoch der Antagonismus zwischen vegetativen und reproduktiven
Functionen weiter. Der zum Blühen sich anschickende Baum
oder Strauch wirft sein Laub ab, jedoch meist nur an den
blühenden Aesten, während die rein vegetativ gebliebenen
ihr Laub zu behalten pflegen.
Auf welchem Stadium der Entwicklung der Blüthen die Erscheinung
eintritt, habe ich leider festzustellen unterlassen; auch die Litteratur bringt
darüber nichts. Hier, wie bei der Entlaubung von Urostigma glabellum
(£. 265) ist dieselbe vielleicht auf Ablenkung des Wasserstroms zu Gunsten
der Blüthenknospen zurückführen. Das neue Laub entsteht bald schon zu
Anfang, bald auf späteren Stadien der Fruchtbildung.
Bereits Crüger hatte auf Trinidad beobachtet , dass Erythrina im
unbelaubten Zustande blüht und dass blüthenlos verbliebene Zweige
ihr Laub behalten. Ich habe häufig Gelegenheit gehabt, diese Angabe
bestätigt zu sehen und das gleiche hin und wieder auch bei Schizolobium
giganteum , auf Java , beobachtet. Aehnliche Erscheinungen fand ich
im botanischen Garten von Tjibodas (Java), wo ich auf dieselben mehr
achtete, z. B. bei Paraspondias parviflora, deren reich blühende Zweige
den grössten Theil ihrer Blätter abwarfen, während die nur wenige
Blüthen tragenden entsprechend mehr belaubt blieben, ferner bei einer
Ardisia und bei Juannuloa aurantiaca, wo die blühenden Zweige ganz
oder nahezu entlaubt waren, während eine Abnahme der Belaubung
sich an den rein vegetativ gebliebenen Zweigen nicht zeigte.
Bei manchen auch sonst laubabwerfenden Bäumen fand ich, dass
die blühenden Zweige später belaubt werden alsdierein
vegetativen. So sah ich (21. November 1889) im botanischen Garten
zu Buitenzorg zwei Bäume von Firmiana colorata mit jungem Laube
und Blüthen. Letztere waren bei dem einen Baume reichlich, beim
anderen spärlich vorhanden, bei beiden aber auf einzelne Zweigsysteme
beschränkt. An den blühenden Aesten waren die Laubblätter noch sehr
klein und blass, an den sterilen bereits gross und lebhaft grün. Nach
der Blüthezeit (13. XII.) war derjenige Baum, der reich geblüht, von
dem anderen leicht an seiner weniger entwickelten Belaubung erkennbar.
Bei Meliosma lanceolata, im selben Garten, sah ich am 21. November
junges Laub nur an sterilen Aesten, während die mit Fruchtständen
272 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
oder jugendlichen Blüthenständen versehenen Zweige noch keine Spur
von Belaubung zeigten.
Manche Bäume sind in der Jugend, so lange sie noch
nichtBlüthen erzeugen, immergrün, während sie später,
vor der jemaligen Blüthezeit, ihr Laub abwerfen. So ver-
hält sich z. B. Schizolobium giganteum, wenigstens auf Java.
Man ersieht aus dem Vorhergehenden, dass wie Laubbildung und
Laubfall, auch die Blüthenentwickelung an einen periodisch wieder-
kehrenden inneren Zustand gebunden ist. Ebensowenig wie Sprosse,
mit ununterbrochener Laubbildung giebt es solche mit ununterbrochener
Blüthenbildung. Auch auf dem reproductiven Gebiet ist eine
durch innere Ursachen bedingte rhythmische Abwechselung
von Ruhe und Bewegung vorhanden.
§3. Periodisch trockene Gebiete. Wie die Rhytmik der Laub-
bildung zeigt auch diejenige der Blüthenbildung einen
Zusammenhang mit den Jahreszeiten, sobald letztere
scharfe Unterschiede aufweisen. Auch für die repro-
ductive Sphäre ist diese Abhängigkeit eine secundäre
Erscheinung, eine Anpassung physiologisch nothwendiger Vorgänge
an äussere Factoren. In den Tropen zeigt sich ein Einfluss der wech-
selnden Temperatur nur in den Grenzgebieten, so dass derselbe hier
vernachlässigt werden kann. In dem grössten Theile der heissen
Zonen drückt sich der Unterschied der Jahreszeiten, soweit er für das
Pflanzenleben in Betracht kommt, nur in den Hydrometeoren aus, nament-
lich in Regenmenge und Luftfeuchtigkeit.
Ueberall in den Tropen fällt der Reichthum blühen-
der Holz- und Knollenpflanzen, also solcher Gewächse, deren
Blüthenbildung nicht in direkter Abhängigkeit vom Laube steht,
während der Trockenzeiten oder unmittelbar nach den-
selben auf. Manchmal finden wir es in den Berichten von Reisenden
als eine merkwürdige Erscheinung berichtet, dass viele Bäume gerade
in der Trockenzeit blühen. So erwähnt es Belt für Nicaragua, Crüger
für Trinidad, Schweinfurth für Nubien und Kurz sagt von den laubab-
werfenden Wäldern in Pegu, dass die meisten ihrer Bäume während
der trockenheissen Zeit blühen, dass gleichzeitig eine Menge von
Rhizom- und Knollenpflanzen (Scitamineen, Amaryllideen, Orchideen,
Ochna suffruticosa, etc.) sich mit Blüthen bedecken, dass die ent-
laubten, verdorrten Zweige der Bäume blühende Ochideen in Fülle
tragen.
Aus eigener Anschauung lernte ich den Blüthenreichthum tro-
pischer Trockenzeiten in den Savannenwäldern Venezuela's kennen.
Die meisten Bäume waren während meines Aufenthalts (März 1883)
entlaubt ; keine Spur von vegetativer Thätigkeit trat an ihnen zum Vor-
IL Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen. 273
schein, und doch waren viele derselben, namentlich Cassia-Arten und
andere Leguminosen, über und über von Blüthen besäet. Auch epi-
phytische Bromeliaceen und Orchideen blühten reichlich. Dagegen war
die Bodenvegetation beinahe blüthenlos ; dieselbe war allerdings vor-
nehmlich von Gräsern und anderen Kräutern gebildet, deren Nährstoffe
sich vornehmlich im Laube ansammeln und daher noch während der
Vegetationszeit, d. h. der Regenzeit, zur Blüthenbildung Verwendung
finden müssen. Jetzt war das Laub strohartig trocken.
Ein oft noch reicherer Blüthenflor, namentlich von Stauden, begleitet
die ersten Regen nach der Trockenzeit. Dagegen nimmt derselbe mit
dem Fortschreiten der Regenzeit immer mehr ab, namentlich für Holz-
gewächse und Knollenpflanzen, und sinkt am Ende derselben auf ein Mini-
mum zurück, während das Wachsthum der Laubtriebe noch lange fort-
dauert, das secundäre Dickenwachsthum die grösste Intensität aufweist,
die Assimilation und andere Vorgänge der Ernährung im Maximum sind.
Die Früchte vieler Holzgewächse, die in der Trockenzeit geblüht
haben, gelangen in der darauf folgenden Regenzeit zur Reife; andere
brauchen eine längere Zeit. Doch scheint die Reifezeit der meisten
Früchte, so weit sie überhaupt an eine bestimmte Jahreszeit gebunden
ist, vorwiegend die Regenzeit zu sein. Dementsprechend giebt es in
der Trockenzeit nur wenig Obst.
Die fördernde Wirkung der Trockenzeit auf das Blühen ist keines-
wegs eine überraschende Erscheinung. Im Gegentheil, das Ueber-
raschende ist eher, dass gewisse Pflanzenarten, die allerdings, nament-
lich wenn nur die Holzgewächse in Betracht gezogen werden, sehr in
der Minderzahl sind, gerade auf der Höhe und gegen Ende der Regen-
zeit blühen. Es ist in einem früheren Kapitel gezeigt worden, dass
Wasserarmuth des Bodens und der Atmosphäre Anlage und Wachs-
thum der Blüthen begünstigen. Das Blühen in der Trockenzeit oder gleich
nachher ist eine physiologisch begreifliche Erscheinung. Warum dasselbe
in anderen, allerdings seltenen Fällen, umgekehrt durch die grosse Nässe
der Regenzeit herbeigeführt wird, ist bei den Holzgewächsen vielleicht
auf besondere Anpassungen, z. B. an bestimmte Bestäuber und dgl.,
zurückzuführen. Dass aber viele Kräuter ohne persistirende Reserve-
stoffbehälter während der Regen blühen, ist eine nothwendige Folge
der unmittelbaren Abhängigkeit der Blüthen vom Laube.
§ 4. Specielle Belege. Um zu sicheren und zahlen massigen Er-
gebnissen über den Einfluss der tropischen Jahreszeiten auf die Blüthen-
bildung zu gelangen, habe ich in einigen Florenwerken die diesbezüglichen
Angaben für die einzelnen Arten zusammengestellt. Es konnten nur solche
Werke, welchen mehrjährige Erfahrungen an Ort und Stelle zu Grunde
liegen, in Betracht kommen; in anderen wird man ganz gewöhnlich
als Blüthezeit den Monat angegeben finden, in welchem das betreffende
Schimper, Pflanzengeographie. lg
274
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Exemplar zufällig gesammelt wurde. Allerdings ist die gelegentliche
Verwendung solcher Sammlerangaben in einem Theile der von mir be-
nutzten Werke nicht ausgeschlossen; doch kann den Angaben Brandis'
in dessen Forest Flora of N. W. u. C. India unbedingtes Vertrauen
geschenkt werden und Koorders und Valeton, die Herausgeber einer
in Lieferungen erscheinenden Baumflora Java's, haben dieser Frage
kritische Sorgfalt gewidmet. Ausser diesen Werken wurden die drei
erschienenen Bände von Trimen's Flora of Ceylon und Schom-
burgk's Verzeichniss der Flora von Guiana benutzt. Aus allen
diesen Werken gab sich der fördernde Einfluss der
Trockenzeiten auf die Blüthenentwickelung in deut-
lichster Weise zu erkennen. Die Blüthezeit der Mehrzahl der
Arten, namentlich aus schon erwähnten Gründen diejenige der Holz-
gewächse, fällt mit dem Ende der Trockenzeit und dem ersten Anfang
der Regenzeit zusammen.
Koorders' und Valeton's Werk verspricht, nach seiner Vollendung, die
wichtigste Quelle für die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Blüthezeit
und Jahreszeit darzustellen, einerseits wegen der Sorgfalt, mit welcher die
Aufzeichnungen gesammelt werden, andererseits weil auf Java die Temperatur-
unterschiede gar nicht in Betracht kommen. Soweit also das Klima auf
Java die Blüthezeit mitbestimmt, kann es sich nur um die Unterschiede der
Hydrometeore handeln.
Von 228 Arten, deren Blüthezeit angegeben ist, ist letztere bei 53 auf
das ganze Jahr gleichmässig vertheilt, bei 12 fängt sie in der nassen Jahres-
zeit (Dec. — März) an und setzt sich in die trockene fort; bei 65 Arten oder
ca. 2 9 °/0 haben also die Hydrometeore einen deutlichen Einfluss auf die
Blüthezeit nicht. Bei 142 Arten, d. h. nahezu 63%, ist die Blüthezeit auf
die Trockenzeit (April — November) entweder ganz oder doch vornehmlich
beschränkt Nur etwa 18 Arten oder nicht ganz 8°/0 blühen nur während
der Regenzeit.
Die beigegebene Tabelle giebt diese Verhältnisse in übersichtlicher
Darstellung.
Tabelle I.
Klima ur
id B1
üthezeiten auf Java.
MitteltempJ[Dec.
Jan.
Febr. | März
April
Mai 1 Juni
JuH
25-7
Aug. | Sept. 1 Oct. Nov.
Batavia ; ,
(Jahr 25.8) ;!25-6
25-3
19
25-4
25.8
26.3
26.4
26.0
• !
26.0 1 26.3 26.4 , 26.1
Regenmengel
in °/o ! II
West -Java 1
12
13
8
5
6
4
3
1 - '
5 6 , 9
Ost -Java ,| 16
22
18
12
8
5 1 7
3
i-4 | 0.5 ! 2 4
Blüthe- ,i R 6 ,, 0/ I
zeiten in %,| Regen- OI 2 /o |
Arten jl 8 u/n |
Regen: 38V, °/o
*9°/o
63%
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen.
275
Das im Brandis'schen Werke behandelte Gebiet ist insofern weniger in-
structiv, als, namentlich im nordwestlichen Theile, die Temperaturunterschiede
der Jahreszeiten nicht unbeträchtlich sind. Doch sind sie während der trocken-
heissen Zeit und während der Regenzeit immerhin noch nicht sehr gross,
während der Unterschied in den Blüthezeiten sehr zu Gunsten der ersteren
fällt. Die geringe Menge von Blüthen während des Winters dürfte auf die
niedere Temperatur zurückzuführen sein. Die Rubrik „Blüthezeiten" giebt
die Zahl der Arten an, die in dem betreffenden Monate blühend angetroffen
werden. Es ist also ein und dieselbe Art in mehreren Monaten aufgeführt,
wenn ihre Blüthezeit sich auf mehrere Monate erstreckt
Tabelle IL
Temperatur, Regen und Blüthezeit in NW.- und Central-Indien.
NW.
Peschawar
(Pendjab)
(mm Regen)
Jan.
Febr.
März
April
Mai 1 Juni
Juli
Aug.
Sept.
17
Oct.
Nov.
Dec.
42
40
40
50
18
5
44
177
65
7
25
19
Lahore (id)
Delhi (id) i
14
34
26 ! 18
20 | 41
124
55 i 17 | 4
15
22
16
21
1 1
19 | 72
213
183
112
26.4
2
II
Agra
(Temp.)
'S*
24.7
3I.I
343
30.6
29.1
2O.9
C. 1
Nagpur i
(Regen) i
17
12
16
13
22
218
322
229
190 54
1
8
IO
Indore (id)
Jubbulpoor
(Regen)
Jubbulpoor i
(Temp.)
8
9
0
2
8
*54
289
255
218 1 17
I
4
16
13
12
6
10
198
45°
357
217 36
7
5
16.6
243
29.3
32.6
26.0
1 25.4 23.4
1 1
18.7 i
1
Regenmittel ]
der 6 Orte 2°
21
19
18
16
ii5
249
202
1
135 25
8 , 11
Blüthezeiten l 64
"3
23I
293
269
189
in 1 78
49 1 43
49 i 54
°/0 Regen
°'0 Blüthen-
zeiten
2.4
2-5
2-3
2.2
1.9
13.7
29.7
24.1
16.0 | 3.0
1.0
i-3
41
7-3
14.9
18.9
174
12.2
7.2
5-°
3.1
2.1
31
3.4
Aus Trimen's Flora of Ceylon habe ich nur die Arten des Tieflands
entnommen, weil für dieses allein mir zuverlässige meteorologische Daten
vorliegen. Die Insel gliedert sich in einen kleineren westlichen und südwest-
lichen sehr regenreichen, und einen grösseren östlichen und nördlichen weniger
regenreichen Theil. Nähere Daten über das Klima giebt die beiliegende
Tabelle.
13"
276
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Tabelle III.
Klima von Ceylon: Tiefland.
Meteorol. Zeitschr. 1886. S. 272 u. f.
I. Feuchtes|
Jan.|
Febr. |
März | April
Mai ' Juni 1 Juli 1
Aug. 1 Sept. 1
Oct.J
Nov.
Dec.
Gebiet. |
A. Westen.i
Colombo
Temperatur
26.1
26.7
27.8
28.3
28.1
273
27.0
1
26.9
27.1
26.8
26.5
26.2
Rel. Feucht
78
77
77
80
5-5
233
27.6
~86~
81
83
82
83 |
81
82 82 | 80
Bewölkung
4.9
41
4.0
6.8
7.4
6.8
7.0
6.8
6.8
6.3 1 5-6
1
334 j 169
Regenfali
mm
(Jahr 2219)
81
47
142
328
191
137
I20
121
316
B. Süden.
Galle. I|
Temperatur l 25.3
26.1
87
49
27.1
~8<r
27.4
26.7
26.3
90
6.5
26.4
91
6.6
26.4
9i
6.5
26.2
1
i
25-9 25.5
Rel. Feucht.'| 89
88
91
7.0
91 91 | 90
Bewölkung 1 5.6
5-°
6.0
6.7
284
6.7
7.0 1 5.6
Regenfall ||
(Jähr2273)j109
89
124
232
28.1
200
137
142
27.9
191
313
291 , 161
II. Trocke-
nes Gebiet.
A. Osten.
Batticaloa.
Temperatur
1
124.9
25-7
5-9
26.8
28.6
28.4
28.3
27.7
27.0
1
1
1
1
25.7 1 248
Rel. Feucht. | 88
84
82
79
6.8
79
6.8
82
~678~
83
52
87
1 89 1 92
Bewölkung
6.9
85
_5:6_
42
41
6.7 7.2 6.8
Regenfall
(Jahr 1332)
206
91
32
17
72
146
33i
1
f 2I7
1
1
25-2
87
B.Norden. 1
Jaffna. |
Temperatur ,1 25.3
26.2
77
28.1
79
34
29-5
29-3
28.7
86
28.1
85
27.9
27.8
27.4
26.1
Rel. Feucht, i1 81
82
85
86
87
86 ' 88
Regenfall
(Jahr 121 5)
II
34
58
53
1
11
14
3i
65
227 | 37 5 , 262
i
Ceylon.
Vertheilung der Regenmenge nach Procenten.
Ost-Ceylon ;( 12
West- Ceylon 4
Jan. j Febr. März 1 April | Mai l Juni I Juli I Aug. 1 Sept. ! Oct. ' Nov. Dec
2.5 I 6
2.7
3_
1A.
9
1 1
14 14
7
II. Die periodischen Erscheinungen der Vegetation in den Tropen.
Mitteltemperaturen in Celsius-Graden.
277
Jan. 1 März
April
Mai | Juli
Sept.
Oct.
Nov.
Jaffna (trocken) 25.6
28.6
29.9
29.7 1 28.4
28.2
27.8
26.6
Galle (feucht)
25-7
27.3
27.8
27.7
26.6
26.7
26.6
26.2
77 — Mai 49
— Oktober 20
Wie man sieht, darf hier, wie auf Java, der Einfluss der Temperatur
vernachlässigt werden.
Es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass in Trimen's Flora die „Blüthe-
zeiten" vielfach nur „Sammelzeiten" bedeuten. Nichts destoweniger weisen
sie, namentlich bei den Holzgewächsen, den fördernden Einfluss der Trocken-
zeit in schärfster Weise auf, und zwar entsprechen den beiden Trockenzeiten
zwei Maxima der Bltithezeiten , ein grosses im Frühjahr, ein kleineres im
Spätsommer.
Die Blüthezeiten, soweit sie nicht das ganze Jahr dauern, vertheilen sich
auf Ceylon in folgender Weise auf die Monate:
1. Feuchtes Gebiet Holzgewächse.
Januar 81 — Februar 126 — März 183 — April 159 — Mai 88 —
Juni 67 — Juli 74 — August 66 — September 104 — Oktober 36 —
November 38 — December 62.
2. Trockenes Gebiet. Holzgewächse.
Januar 57 — Februar 92 — März 97 — April
Juni 48 — Juli 83 — August 79 — September 61
November 25 — December 39.
3. Feuchtes Gebiet. Kräuter.
Januar 86 — Februar 109 — März 83 — April 50 — Mai 40 —
Juni 41 — Juli 52 — August 60 — September 67 — Oktober 49 —
November 51 — December 80.
4. Trockenes Gebiet Kräuter.
Januar 117 — Februar 147 — März 105 — April 45 — Mai 34 —
Juni 35 — Juli 59 — August 73 — September 57 — Oktober 37 —
November 48 — December 89.
Die drei bisher erschienenen Bände der Flora von Ceylon umfassen die
Dicotylen mit Ausnahme der Euphorbiaceae, Urticaceae und Cupuliferae. Es
sind 25 Holzpflanzen und 72 Kräuter als das ganze Jahr blühend aufgeführt,
doch sind diese Zahlen gewiss zu klein. Es ist nämlich in den Tropen keine
seltene Erscheinung, dass während die grosse Mehrzahl der Stöcke einer Pflanze
blüthenlos dastehen, eine kleine Anzahl in Blüthe sind. So genau werden
die Jahreszeiten nicht eingehalten. In den sorgfaltigen Aufzeichnungen
Koorder's finden wir denn eine relativ bedeutend grössere Zahl Arten, die das
ganze Jahre blühen, aber vielfach mit der Angabe, dass dieselben vorwiegend
in einer bestimmten Jahreszeit, — meist dem Ostmonsun — in Blüthe sind.
Von 107 Baumarten Java's der beiden ersten Lieferungen deren Blüthe-
278
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
zeit als ganz sicher bekannt angenommen werden kann, finde ich 22 als
das ganze Jahr blühend aufgeführt. Nach Schomburgk würden in Britisch
Guiana 172 Dicotylen und 36 Monocotylen das ganze Jahr blühen.
In Schomburgk's Catalog der Flora von Guiana wurden nur die Dico-
tylen des Waldgebiets berücksichtigt, weil die Monocotylen beinahe nur
Kräuter aufweisen. Die Beziehungen zwischen Klima (Georgetown) und Blüthe-
zeiten zeigen folgende Tabelle:
Tabelle IV.
Klima und Blüthezeiten in Britisch - Guiana.
Jan.
Temperatur || 25.8
Regenmenge! 1 174
Blüthezeiten 164
Febr.
148
*74
März
26.1
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Oct
Nov.
Dcc.
26.4
26.3
26.1
26.1
26.5
27.2
273
26.9
26.1
185
1 73
186
357
353
274
189
66
63
142
273
I9I
108
"5
79
170
184
168
81
58
Die wasserreichsten Monate Mai, Juni, Juli und December sind blüthen-
arm im Vergleich zu den massig feuchten Monaten Januar, Februar und April
und den trockenen Monaten September und Oktober. Die Blüthenarmuth des
März ist aus dem Klima nicht zu erklären.
4. Die Caesalpiniaceen im Garten zu Buitenzorg.
Als Beispiel der verwirrenden Erscheinungen, wie sie die Periodi-
cität in den Tropen aufweist, seien aus meinen Reisenotizen folgende,
die Abtheilung der Caesalpiniaceen im Botanischen Garten
zu Buitenzorg (Java) betreffende Stellen mitgetheilt:
11. November 1889. Obwohl die Familie zu denjenigen gehört,
die periodisch laubabwerfende Bäume in grosser Zahl besitzt, so
sind doch beinahe sämmtliche Bäume mehr oder weniger belaubt.
Die Section stellt sich in der Ferne, als eine Laubmasse in ver-
schiedenen Schattirungen von grün dar. Bei näherer Betrachtung
lernt man jedoch ein Bild kennen, wie es in keinem europäischen
Garten ein Analogon bieten könnte, — eine eigenartige Vermischung
aller Jahreszeiten.
Inmitten der von der Mehrzahl der Bäume gebildeten Laubmasse
erheben sich andere im unbelaubten Zustande. Zu diesen gehört eines
von zwei Exemplaren des aus Brasilien stammenden Schizolobium excel-
sum, welches allerdings einen beblätterten sterilen ganz jungen Zweig
trägt, während die anderen Zweige Blüthenstände besitzen und laublos
sind. Der andere Baum ist ganz belaubt und trägt einige alte Früchte.
In der Heimath ist der Baum während des Winters (Süd-Brasilien) kahl
und blüht am Ende desselben.
Auswahl der Literatur.
279
Wenige Bäume befinden sich in einem Zustande, den man mit
demjenigen unserer Bäume vergleichen könnte. Zu ihnen gehören
Phanera maculata und Ph. Richardiana, die mit ihrem ganz jungen Laube,
ihren grossen, rosenrothen Blüthen ein Bild des Frühjahrs darstellen.
In ihrer Nähe erheben sich mehrere mächtige Bäume, Hymenaea
Courbaril und H. verrucosa, deren Aussehen als herbstlich bezeichnet
werden kann; der Boden unter ihnen ist dicht mit trockenen Blättern
bedeckt, ihr Laub ist zum grössten Theile vergilbt oder kupferfarbig;
an der ganzen Oberfläche der Krone zeigen sich, an langen Stielen,
die rundlichen reifen Früchte. An vielen Stellen schimmert jedoch
schon, durch das vergilbte Laub, das frische Grün junger Triebe. Aehn-
lich verhält sich Poliostigma acidum. Maniltea gemmipara ist in dem
grösseren Theile ihrer Krone dunkelgrün, hat aber einzelne, weisse,
schlaffherabhängende junge Triebe. Ihr vergleichbar sind Jonesia
declinata, Cynometra sp. Amherstia nobilis zeigt alle möglichen Zu-
stände von der Ruheknospe bis zum schlaff herabhängenden, noch
rothen jungen Triebe und demjenigen, der sich versteift und grün
wird; auch Blüthenstände sind in allen Stadien vorhanden, dagegen
fehlen Früchte, die hier überhaupt nicht gebildet werden. Die Laub-
krone von Jonesia minor ist derjenigen von Amherstia ähnlich ; am
Stamme sieht man Inflorescenzen, von den ersten Anfängen bis zu den
fertigen, orangegelben Dolden und Früchte von dem Augenblicke, wo
sie aus der Corollen röhre eben hervorragen, bis zu der überreifen, auf-
gesprungenen Hülse.
Auswahl der Literatur.
Belt, Th. The naturalist in Nicaragua. 2d edition. London 1888.
Brandis, Sir D. I. The forest flora of North- West and Central India.
London 1874.
— II. Bambusen in Hackel, Gramineae. Die natürlichen Pflanzenfamilien,
H. Theil, 2te Abtheil. 1887.
— III. Die Familie der Dipterocarpaceen und ihre geographische Verbreitung.
Sitzb. d. niederrhein. Gesellschaft. 1896.
Crtiger, H. Westindische Fragmente. I. Ueber Periodicität in der Pflanze.
Botanische Zeitung 1854. ps. 8.
Ernst, A. Botanische Miscellaneen. Botan. Zeitung 1876. S. 38.
Haberlandt, G. Eine botanische Tropenreise. Leipzig 1893.
Johow, Fr. I. Zur Biologie der floralen und extrafloralen Schauapparate.
Jahrb. des Königl. botan. Gartens zu Berlin. Bd. III. 1884.
— II. Vegetationsbilder aus Westindien und Venezuela. III. Ein Ausflug
nach der Höhle del Guacharo. Kosmos. Bd. II. 1885.
280 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Koorders, S. H. en Valeton, Th. Bijdrage tot de kennis der boom-
soorten van Java. No. i 1894. No. 2 1895. No. 3 u. 4 1896 (Mede-
deeligen uit 's Lands Plantentuin). Batavia.
Müller, Fr. Bemerkungen zu Hildebrand's Abhandlung über die Lebens-
dauer und Vegetationsweise der Pflanzen. Engler's Botan. Jahrbücher.
Bd. II. S. 391. 1882.
Schomburgk, R. Versuch einer Fauna und Flora von Britisch - Guiana.
Leipzig 1848.
Schwein furth. Zeitschr. für Erdkunde. 1865.
Trimen, H. A Handbook to the flora of Ceylon. London. Erschienen
sind Bd. I bis IV.
Warming, E. Lagoa Santa. Et Bidrag til den biologiske PlantegeografL
Kjobenhavn 1892.
IQ. Gehölzklima und Grasflurklima
in den Tropen.
1. Tropische klimatische Formationsgruppen. 2. Klimatische Bedingungen
tropischer Hochwälder. Klima des malayischen Archipel nach Woeiko. Regen-
verhaltnisse anderer tropischen Hochwaldgebiete. Regenwald und Monsunwald in Vorder-
indien. Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Klimatische Tabellen aus tropischen Hochwald-
gebieten. 3. Domwaldklima in Vorderindien. 4. Gehölzklima und Savannenklima
in Brasilien. Küstengebirge und Campos von S. Paulo. Campos und Wälder in Minas
geraes. Xerophiles Gehölzklima des Sertäo. 6. Klima des nördlichen Süd- Amerika
und der Antillen. 6. Klima des tropischen Afrika. Westküste. Centralarrikanische
Hochlandsavannen. — Rückblick.
1. Tropische klimatische Formationsgruppen.
Die Gehölze der Tropen können, so weit ihr Charakter auf das
Klima und nicht auf bestimmte Bodeneinflüsse zurückzufuhren ist, in
drei Gruppen eingetheilt werden: Regenwälder, Monsunwälder,
Savannenwälder und Dornwälder. Geschlossene Gesträuch-
formationen sind bei günstigen physikalischen und chemischen Eigen-
schaften des Bodens selten; wo das Klima für den Wald zu trocken
ist, wird derselbe durch offene, halbwüsten- und wüstenartige Forma-
tionen ersetzt, in dem xerophile Sträucher die Hauptrolle spielen, aber
auch Bäume nicht immer fehlen.
Der Regenwald ist immergrün, von hygrophilem Charakter, wenig-
stens 30 m hoch, aber meist bedeutend höher, reich an dickstämmigen
Lianen und an holzigen, sowie krautigen Epiphyten.
Der Monsunwald ist während der Trockenzeiten, namentlich gegen
Ende derselben, mehr oder weniger unbelaubt, von tropophilem Charakter,
meist weniger hoch als der Regenwald, reich an Holzlianen, reich an
krautigen, aber arm an holzigen Epiphyten.
282 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Der Savannenwald ist während der Trockenzeiten mehr oder
weniger unbelaubt, selten immergrün, von xerophilem Charakter, meist
unter 20 m hoch, oft viel niedriger, parkartig, sehr arm an Unterholz,
Lianen und Epiphyten, reich an Bodenkräutern, namentlich an Gräsern.
Der Dornwald verhält sich in Bezug auf Belaubung und Ge-
sammthöhe wie der Savannenwald, er ist noch mehr xerophil als der
letztere, sehr reich an Unterholz und dünnstämmigen Lianen, arm an
Bodenkräutern, namentlich an Gräsern und meist ohne Epiphyten. Dornige
Gewächse sind in ihm stets reichlich vorhanden.
Die verschiedenen Waldtypen sind durch Uebergänge miteinander
verbunden, ausserdem zeigen sich solche namentlich zwischen Savannen-
wäldern und Savannen, sowie zwischen Dornwäldem und offenen Ge-
büschformationen, welche als Zwischenformen die Gehölz- und Wüsten-
formationen verbinden.
Die Gras flu r ist in den Tropen, da wo sie vom Menschen nicht
erheblich modificirt ist, vornehmlich als Savanne, weniger als Steppe
ausgebildet. Das Vorkommen von Wiesen, d. h. von hygrophilen oder
mesophilen Grasfluren in den Tropen ist selten und stets durch ganz
lokale Standortsfactoren bedingt.
Die Vegetation der tropischen Wüsten besteht aus Niederholz
(d. h. aus Zwergbäumen und Sträuchern oder nur aus letzteren), aus
Succulenten und Stauden. Die meisten tropischen Wüsten befinden
sich in der Nähe der Wendekreise und hängen mit den weit aus-
gedehnteren warmtemperirten Wüsten zusammen. Nur wenige Wüsten
und zwar bloss solche von geringer Ausdehnung sind ganz in den
Tropen eingeschlossen, so in Süd-Indien. Ueber das Klima dieser
letzteren Wüste liegen mir keine Daten vor, die anderen sind in einem
späteren Abschnitt mit den temperirten zusammen behandelt.
2. Klimatische Bedingungen des tropischen Hochwaldes.
Sir Dietrich Brandis, früher General-Forstinspektor der Wälder Eng-
lisch-Indiens und Begründer einer rationellen Forstwirtschaft in diesem
ungeheuren Gebiete, spricht sich dahin aus, dass wirklich gut
gedeihende Wälder nur da auftreten, wo der Regen fall
40 Zoll (ca. 1 m) beträgt und eine üppige, reiche Vegetation
auf diejenigen Gürtel beschränkt ist, wo die Regenmenge
eine weit grössere ist.
Die vorliegenden meteorologischen Tabellen für tropische Gebiete
weisen für die von Hochwald (Regenwald und hohen Monsunwald) be-
deckten oder bedeckt gewesenen Gegenden eine jährliche Regenmenge von
mindestens 180 cm auf, ausser in der Nähe grosser Wasserflächen, wo die
Fig. 124. Tropischer Regenwald: Urwald bei Pedro da Onza, Brasilien.
Etwas schematisch. Nach Martius.
284 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Bodenfeuchtigkeit den Regen ersetzt. Innerhalb des ausgedehntesten
Waldgebiets der Tropen, des indomalayischen, mit Einschluss Neu-
Guineas, ist eine jährliche Regenmenge von über 2 m die Regel; da
wo viel weniger als 2 m Regen fallen, besteht die ursprüngliche Vege-
tation, soweit bekannt, aus weniger hochstämmigen Gehölzen, so an
manchen Punkten Ostjavas, oder aus Savannen, wie auf Timor (Koepang
auf Timor 145 cm). Andererseits fallen an vielen Punkten mehr als
300 cm, an mehreren mehr als 400, in Buitenzorg sogar 499 cm.
Woeikof hat1) auf Grund der vorzüglichen Aufzeichnungen der zahl-
reichen meteorologischen Stationen Holländisch-Indiens, die Regenverhältnisse
einer grossen Zahl der dortigen Ortschaften zusammengestellt Für Java
werden für 62 Stationen die jährlichen Regenmengen aufgeführt; nur für 12
derselben betragen sie weniger als 200, für 5 weniger als 150, für keine
weniger als 100 cm (Minimum 113 cm, Probolingo). Mehrere der erwähnten
Ortschaften sind mir aus eigener Anschauung bekannt, so z. B. Probolingo,
die regenärmste derselben, die sich im Osten Javas befindet, entfernt von
jeder Waldung; in der Wildniss fand ich, abgesehen von der Mangrove nur
dorniges Niederholz von xerophilem Charakter. Ganz ähnlich wie bei Probo-
lingo ist die Vegetation in der Nähe des ebenfalls regenarmen Pasoeroean.
Wie die ursprüngliche Vegetation in diesen von Zuckerrohrfeldern bedeckten
Gegenden war, lässt sich zur Zeit nicht mehr erkennen. Bäume in Cultur
sind an beiden Orten häufig. Die Umgebung von Buitenzorg (499 cm Regen),
Malang (450 cm), Tjilatjap (463 cm) ist ebenfalls des Waldwuchses entblösst;
die dort angepflanzten Bäume zeigen aber grösste Ueppigkeit In der Nähe
von Depok (334 cm) ist etwas Wald, nicht gerade von grosser Ueppigkeit,
erhalten. Borneo und Sumatra Sind bekanntlich ganz bewaldet. Von
22 Stationen auf Sumatra weist nur eine, Kotta Badja, weniger als 200 cm
(175 cm) auf. Hingegen besitzen vier Stationen mehr als 400 cm. Die sieben
für Borneo aufgeführten weisen alle mehr als 200, zum Theil mehr als 300 cm auf.
Celebes, mit Ausnahme der Südküste (Kema 163 cm), die Molukken mit
Ausnahme von Timor (145 cm) und Soembawa (109 cm) sind ebenso regen-
reich, wie die grossen Inseln. Von Timor, sagt Forbes, dass der Pflanzen-
wuchs „sehr verschieden von dem war, was ich bis jetzt auf den reich be-
wachsenen westlichen Inseln und den feuchten Molukken gesehen hatte. Ich
kann kaum behaupten, dass es wirklichen Wald gab, denn die Baumkronen
berührten sich selten und der Boden war hinreichend mit dünnem Gras be-
wachsen, um ein parkartiges Ansehen zu zeigen." Diese Schilderung ent-
spricht dem Bilde eines typischen Savannenwaldes.
Neu-Guinea scheint, nach den allerdings spärlichen bisherigen Aufzeich-
nungen, in Bezug auf Regenreichthum den malayischen Inseln nicht nach-
zustehen. So wurden für Hatzfeldhafen 248, für Constantinhafen 296, für
Finschhafen 288 cm angegeben.2)
Aehnliche Regenmengen wird wohl auch die Halbinsel Malakka besitzen
*) Zeitschr. d. Ges. f. Meteor. 1885.
a) Met. Zeitschr. 1891. S. 277.
X
I.
2 PQ
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III. Gehölzklima und Grrasflurklima in den Tropen.
285
Singapore, auf einer kleinen, durch einen schmalen Meeresarm von der Halb-
insel getrennten Insel, besitzt 240 cm jährliche Regenmenge. Die Insel ist
entwaldet, mit Ausnahme einer Anhöhe, auf welcher die Regenmenge eine
noch grössere sein dürfte. Ueberall zeigen die auf der Insel angepflanzten
Bäume sehr üppigen Wuchs. Kwala Lumpur, im Staat Selangor, auf der
Halbinsel selbst, hat jährlich 243 cm.
Die Niederschläge im malayischen Waldgebiet sind nirgends gleich-
massig auf das Jahr vertheilt, sondern man unterscheidet eine feuchte
Jahreszeit (im Sommer) und eine trockene (im Winter), oder auch zwei
Regenzeiten. Der Unterschied in den Jahreszeiten ist bald grösser, bald
kleiner, doch niemals so stark ausgeprägt, wie in Vorderindien.
Tabelle I.
Vertheilung der Regenmenge in Procenten der Jahresmenge
im malayischen Archipel.
(Nach Woeikof.)
W,Java(Ge- g j
dehgruppe)
NO.-Ja^a
Sumatra
(Paday)
Dec. i Jan. Febr. \ März j April Mai i Juni Juli | Aug. Sept. 1 Oct.
7 j 6 | 6 i 5 ' 8 ! 8
3 14
Nov.
IO
16
12
W.-Borneo , 10
22 18 12
10 0 i 11
10
11
8
0.5
8
8
SW.-Celebes 23 1 25 16 i 12 • 5
2.4
4
9
9
12
1 1
2.2
0.8 I 0.7 0.26,
Die anderen tropischen Gebiete mit Hochwald weisen ähnliche
Regenmengen auf, wie das malayische Gebiet. So in Asien: Rangun
250 cm, Colombo 222, Kandy 212, Ratnapura (Ceylon) 384, Maha-
blesmar im Ghätgebirge 723 (nach Woeikof 657), Mangalore 338,
Saigon 211, Kelung aufFormosa 305. — In Afrika: Kamerun 388 cm,
Gabun 226, Sierra Leone 319. — In Amerika: NO. Jamaica 281 cm,
Haiti (Sanchez) 206, Colon 289, Georgetown (British-Guiana) 214,
Paramaribo 228, Bahia 229, Santos 250. — Australien: Kap York
(N.-Austr.) 220, Papete (Tahiti) 218, Samoa (Utumapu) 212. An
einzelnen Punkten der tropischen Hochwaldgebiete sehen wir die
Regenmenge bis gegen 150 cm, jedoch nicht tiefer fallen. Nur
am Amazonas bilden anscheinend Regenmengen von 200 und mehr
die Ausnahme; der dortige Wald verdankt dort seine grosse Ueppig-
keit dem Grundwasser und bildet daher nicht eine zusammenhängende
grosse Area, sondern ist auf die Uferlandschaften beschränkt.
Die Vertheilung der Niederschläge auf die Monate sei noch für einige
nicht malayische Stationen tropischer Hochwaldgebiete in mm erwähnt.
286
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Tabelle IL
1 Jan.
Febr. j März i April 1 Mai 1 Juni ' Juli ! Aug. 1 Sept. i Oct. 1
Xov. Dec.
Kandy
(Ceylon)
i
144
1 ! 1 ■ i l !
64 | 79 | 148 210 357 1 357 1 240| 228, 268 j
241 j 204
Kamerun
54
97 i 214 j 292 1 1641 407 II0501 473 j 473! 406
£75 l_?3
Colon
42 | 28 | 40 | 54 j 296j 444| 398 | 259 1 2i5| 354, 561 J96
In den tropischen Gebieten mit Niederschlägen zu
allen Jahreszeiten ist der Wald immergrün, als Regen-
wald entwickelt. In Gebieten mit ausgeprägter trockener
Jahreszeit zeigt er sich während derselben weniger reich
belaubt, wie z. B. in Ostjava, oder sogar unbelaubt, als
typischer Monsunwald, wie im grössten Theile Vorder-
indiens. Die mir vorliegenden meteorologischen Angaben gestatten
eine genauere Darstelhmg der Bedingungen, welche in Vorderindien
den Laubfall veranlassen, nicht. Ausser der Vertheilung der Regen
kommen jedenfalls noch andere Factoren in Betracht, wie Regenmenge,
Temperatur und Luftfeuchtigkeit.
Tabelle in.
Vorderindien.
Vertheilung der Regenmenge auf die Monate in mm.
1 Jan.
Febr.
März I April
Mai | Juni
Juli
839
Aug. | Sept.
Oct. 1 Nov. | Dec
86 20 8
Ratnagiri 1
(34 ü. M.) 1 27
0.2
O
4
36 | 795
1
32 J1802
5"
384
Mahablesh- |
war 'i 10
(1380 ü.M.)
li
I
IO
*3
2575
1742
860
1
137 | 28 10
j 1
Ratnagiri, an der Westküste Vorderindiens, am Fusse der Ghäts, befindet
sich in einem Gebiete, dessen Wälder in der Trockenzeit laublos sind. Die
Tabelle zeigt, dass die Trockenzeit weit mehr ausgeprägt ist, als im malayischen
Waldgebiet, sogar als in Ostjava; wirklich trockenkahle Wälder gehen dem
letzteren Gebiet denn auch ab. Mahableshwar ist von immergrünem Hoch-
wald umgeben. Auch hier ist eine lange, wohl ausgeprägte trockene Jahres-
zeit vorhanden, doch ist dieselbe immerhin weniger arm an Niederschlägen
als im Tiefland. Niedrigere Temperatur und grosse Bodenfeuchtigkeit dürften
ausserdem zur Erhaltung des Laubes wesentlich beitragen.
Ausser der grossen Regenmenge kommt den tropischen Hochwald-
gebieten grosse Luftfeuchtigkeit zu Gute, welche während der Nacht
sich der Sättigung nähert, aber auch während der Mittagsstunden, wenig-
stens in den Gegenden mit immergrünem Wald, kaum unterhalb 700 '0 fällt.
m. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
287
Die Bedeutung der Temperatur als Factor der Ausbildung und
Erhaltung tropischer Hochwälder ist eine weit geringere als diejenige
der Hydrometeore. Sie bewegt sich in Graden (25 — 30 C), die das
ganze Jahr hindurch, falls die nöthige Feuchtigkeit vorhanden ist,
sämmtliche vegetative Thätigkeiten begünstigt. Sie ist auch niemals hoch
genug, um, bei hinreichender Feuchtigkeitsmenge im Boden, ein Miss-
verhältniss zwischen Abgabe und Aufnahme des Wassers und hiermit
Vertrocknen oder Abwerfen des Laubes zu bedingen. Der Laubfall tritt
vielmehr nur da ein, wo bei grosser Hitze Wasserarmuth im Boden und
in der Luft herrscht.
In die Existenzbedingungen der Vegetation in tropischen Hoch-
waldgebieten werden folgende Tabellen eine Einsicht eröffnen.
Tabelle IV.
Batavia 6° 11 ' S. B., 106 ° 50' E., 7 m ü. M. 25 Jahre.
Temperatur
Mitt. | Tägl. Ampi.
Relat. 1
Mitti.
Feuchtigkeit
Tagt. Ampi.
24
Be-
wölk.
7-4
Re
Menge
"756 ~
?en
Tage
Januar
25-3
5-2
87
22.6
Februar
25-4
25.8
5-2
87
23
7-3
317
20.4
März
5-9
86
26
6.7
204
17.3
April
26.3
6.4
85
28
5.8
117
13.6
Mai
26.4
26.0
6.6
84
29
5-4
85
9.7
Juni
6.7
83
30
5.4
88
9.2
Juli
25-7
7.2
81
32
47
57
6.9
August
26.0
7.7
78
35
4.1
39
5.3
September
26 3
7.6
78
35
5-°
76
7.9
October
26.4
7.5
79
34
5.7
108
IO.I
November |
26.1
6.8
82
3i
6.8
122
13.4
December
25.6
6.0
85
27
7 2
233
18.9
,
1803
155-3
(Meteorol. Zeitschr. 1893 S. 353).
Tabelle V.
Nord-Indien. Sibsagar 260 59 N., 940 40' E, 101 m. ü. M.
(Vegetation in Upperassam: Dichter Wald.)
Mitti.
Temp.
Relat.
Feuchtigkeit.
Be-
wölkt.
Nieder-
schlag.
Januar . . .
M-3
16.1
89
84
6.1
30
Februar . .
55
März . . .
19.7
83
86
6.6
116
April . . .
22.9
7-7
249
288
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Tabelle V (Fortsetzung).
Mai . . . | 25.2
86
8.4
295
Juni . . . |l 27.7
87
9.0
37i
Juli . . . . ,| 28.3
86
92
396
August . . !| 28.1
86
8.7
394
September . || 27.1
88
8.2
301
Oktober . . I| 24.8
87
87
6.1
4.6
100
November
19.7
3i
December . |
15-5
88
42
M
Meteor. Zeitschrift 1894.
S. 411.
Jahr: 2
381.
Tabelle VI.
Manila. 140 35 N, 270 n'E. 14.2 ü. M. Jahr i8qo.
Jahr.
1 Temperatur
1 mittl. I max. I min.
Relat.
Feuchtigk.
78
Re
Menge
gen
Tage
Ver-
dunstung
Tage
heiter 1 trübe
Januar . . .
25.6
32.3
17.8
14
16
8
162
~~i~
Februar
1 25'9
32.8
18.2
74
5
179
257
6 l 2
März .
I, 27.3
34.8
20.5
69
16
5
16 | *5
April .
1 27.9
35-6
35-7
34.7
21.9
73
77
8
14
15
18
251
221
11 ' 6
Mai . .
jl 27.9
22.9
22.2
79
82
83
82
_7°_
255
502
2 24
Juni.
27.3
208
x5°
4 1 9
Juli . .
27-3
1 27.4
33-1
22.4
0 17
August .
333
22.3
131
13
27
25
163
0 '12
September
1 26.5
33.2
22.5
87
539
205
118
0 26
October
1 26.1
32.2
20.4
86
U5
2 ; 18
November
25.4
32.2 | 18.4
80
210
15
145
*59
9 15
December
1 25.2
32.1 1 17.8
79
45
8
20 2
35-7 I 17.8
2080 1 161 I 2157 1 77 1 147
I 1 I 1
Meteorol. Zeitschr. 1893. S. 73.
Tabelle VII.
Sandakan (Borneo) 6° N, n8°E. 1888.
i_9h'
Temper.
| 3 h.
j 27.8
l 28.5
9 h.
Mittl.
Max. | Min.
28.6 23.3
29.0 23.4
Rel. Feucht. | Regen- 1 Bewol-
3 h. 1 9 h. ■ menge 1 kung
Januar . .
• ,1 26.1
, 27-4
25.2
25-7
74 86 , 280 5.7
Februar
68 « 82 48 5.3
März
1 28.5
, 29.4
, 29-3
27.6
29.7
1 30.4
!_30.8
1 3i.5
26.3
27.9
27.1
26.4
3°-3 1 23.8
66 | 82 I 101 y^
April . .
32.2 1 24.6
33-Q IJM-7
31-8 , 23.9
63 , 84 1 47 2.7
Mai .
Juni . .
63 85 1 72 2.0
62 85 | 236 5.0
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
289
Tabelle VII (Fortsetzung).
Juli . . .
1 27.8
31.6
26.9
3i.9
243
62
81
81
5-°
August . .
28.3 1 31.4
26.5
324
23.8
60
83
300
3.3
September
28.0 ' 30.0
26.7
31-4
23-5
67
85
339
4.0
October
28.6 | 30.2
25-7
31-9
23-9
69
88
239
3-3
November
28.2
30.0
24.8
30.9
23.8
70
86
343
3-o
December
28.1
29-3
26.1
30.1
24.1
72
87
496
4.7
Jahr . .
|!
2582
3-9
(Meteorolog. Zeitschr. 1889, S. 316.)
Tabelle VIII.
Gabun, Ssibange-Farm. o°25'n. B., 9°35' ö. L. Seehöhe ca. 90 m.
Jahr 1880.
| Temp
7 U.
eratur
2 U.
Relat.
7 h.
Feucht
2 h.
Bwlk.
MitU.
Heitere
Tage
Regen-
Menge I Tage
Windst
2 h.
Januar
' 22.6
29.6
98
72
5-3
2
170
18
2.2
Februar
23.6
2 9.3
95
73
7.0
I
271
21
2.2
März .
| 23.8
28.4
96
77
7.9
0
490
28
1.9
April
; 24.1
28.9
95
77
7.5
0
331
25
2.3
Mai .
. ■■ 23.8
28.4
94
72
7.9
0
64
17
1.9
Juni .
1 20.9
26.3
94
73
7.6
2
30
3
1.9
Juli .
! 21.3
25.2
9i
75
9.2
0
I
10
1.7
August
. ,| 21.7
26.2
93
77
8.6
0
27
18
1.7
September
| 22.8
27.6
92
70
8.4
0
108
21
2.2
October .
i| 23.3
27.7
95
73
8.5
0
198
26
2.0
November
23.0
27-3
97
70
8.3
0
619
25
i-7
December
1 22.9
28.1
97
79
7.9
0
299
24
1.6
!
2608
236
Im Juli 14, im August 15 Nebeltage. — Reiche Thauftlle.
Vegetation: Urwald, einzelne Häuschen Zeitschrift d. Ges. etc. 1881
1000 — 8000 Schritt vom Urwald.
S. 424.
Tabelle IX.
Kamerun Seehöhe 12 m. Jahr 1890 — 1891.
] Temp.
II 2 Uhr
Absol.
Max.
Rel. mittl.
Feuchtigkeit
MitU.
Bewölk.
Re(
Menge
jen-
Tage
l6~~
April . . .
28.3
31.2
88
8.4
292
Mai ....
27.9
31-2
88
8.2
164 ; 19
Juni ....
26.2
21.4
• 88
9-4
407
24
Juli ....
25-3
27.7
92
9-3
1050
26
Schimper, Pflanxengeographie.
3
-3
ff
3
P
>
c
Hl. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
291
Tabelle IX
(Fortsetzung).
August . .
25.6
28.4
89
8.8
473
47 3
27
September .
1 26.3
29.0
92
9-i
25
October
26.1
294
94
8.8
406
*75
26
November .
| 27.6
30.8
96
8.2
22
December .
i' 282
30.0
90
7.8
73
12
Januar . .
28.6
30.8
89
5-5
54
14
Februar. .
ll 29'3
31.0
88
4-7
97
12
März . .
1 28.8
31.2
88
5-6
214
15
Zeitschr. 1893, p. 435.
Tabelle X.
Colon (Panama).
i
Temperatui
| 6a J 1 p.
r
tägl. Amp.
Relative
Feuchtigk. 1 Bewölk.
Regen
Menge 1 Tage
Decemb.
25.3 ' 28.3
6.8
82 4.1
196
15
Januar
! 25.7
28.0
5.5
78
5-o
42
11
Februar .
1 25.2
27.8
6.2
77
5-°
28
12
März.
l! 25-5
28.0
4-9
76
3.8
40
10
April
1 26.2
29.0
7.6
77
4.2
54
14
Mai .
25.0
28.7
8.1
84
5-9
296
21
Juni .
\
25.0
28.4
7.3
87
71
444
26
Juli . .
\
25-4
28.3
74
87
7.3
398
26
August
24.5
28.0
8.1
88
6.9
259
24
Septemb
24.4
28.2
8.5
88
6.3
215
21
October
24.2
28.1
9.1
88
6.2
6.6
354
56i"
25
Novemb
,
24.4
28.0
8.2
87
23
Jahr 28.2. Mittlere Temp. : Jahr 26.4. Regen: Jahr 2887. — Zeitschr. 1886, p. 367.
3. Dornwaldklima in Vorderindien.
Die vorderindische Halbinsel bietet nur an ihrer Westküste und
in einem kleinen Theil des Nordostens, im Monsungebiet des Ganges
und Brahmaputra, die für Hochwald (Regenwald und Monsunwald)
nöthige Regenmenge. Im mittleren Theile der Halbinsel fallen meist
760 — 1900 mm, nach Hann's Karte befindet sich da etwa zwischen
dem 80 und 88° ö. L., dem Wendekreis und dem 180 n. B. ein weites
Gebiet mit etwa 125 cm Regen. Der südliche und der nordwestliche
Theil der Halbinsel sind, im Grossen, weit regenärmer (380 — 760 mm);
letzterer grenzt an das westliche Gebiet des Indiens.
Alle diese Gebiete erhalten Sommer- und Hochsommerregen, mit
Ausnahme des Süd-Ostens (Madras), wo Herbstregen vorherrschen. Sie
292
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
21
o
5*
5
I
ES
p
e
i
s
et
3
2
I
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
293
sind von Dornwald, Halbwüsten, im Süden von Wüsten je nach der
Regenmenge, überzogen. Baumwuchs ist nirgends ganz ausgeschlossen
(Fig. 126).
Das Klima ist überall Gehölz-, nirgends Grasflurklima : während der
Vegetationszeit äusserst heiss, meist sehr trocken, letzteres namentlich
während der kühlen Winter- und Frühjahrsmonate.
Tropisches xerophiles Gehölzklima.
Tabelle XI.
Roorkee. Patna
29 ° 52' N., 770 56 E., 270 ü. M. 25037f N., 85 ° 14' E., 56 ü. M.
Mittlere j
Temper.
Januar
I3-6
Februar
15-4
März
21.6 1
April .
28.0
Mai .
29.0
Juni .
32.2
Juli .
. ! 288
August
28.2
Septembe
Öctober
r . ■ 27.7
. • 22.5
Novembe
r . 16.8
December
Amplit.
13.7
I Relat. 1 Regen-
• Feuchtig. I menge
12.9
14X
J5-7_
_L3;8_
70^
"62
12.8
6.0
ZÄC
_ ?d_
152
_L6-s_
14.4
52
36
54
80
5*
37
Mittlere . .. Relat. I Regen-
Temper. I P * I Feuchtig.1 menge
15-9
18.4
24
25-1
10.2
13.6
14.2
69
18
57
12
43
59
28
124
329
81
_63
7i
316
140
30.1
14.0
312
"•5
30.8
7.6
29.0
4.5
4o
7
55
46
72
181
83 i 280
28.7
4.2
28.6
15
26.2
21.0
16.9
_>3 I
1 1.7 i
12.0 1
84
258
81
201
72
70
65
5
69
4
(Meteorologische Zeitschrift 1894, S. 411.)
4. Gehölzklima und Savannenklima in Brasilien.
Der Unterschied zwischen Gehölzklima und Grasflurklima zeigt sich
sehr instructiv beim Ueberschreiten des südbrasilianischen Küstenge-
birges Serrä do Mär, welches von Nord nach Süd streichend, dem See-
wind einen so grossen Theil seiner Feuchtigkeit entzieht, dass es schon
erheblich trockenere Winde sind, welche über die brasilianische Hoch-
ebene bis nach den Anden hinüberwehen, deren mächtige Mauer, den
übrig gebliebenen Wasserdampf condensirt.
Oestlich der Serra do Mär dehnt sich der grossartige immergrüne
brasilische Küstenwald aus, meist nur solche Unterbrechungen, wie sie
die Cultur hervorgerufen hat, aufweisend ; westlich herrscht die Savanne
2 Q4 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
vor. Der Wald zieht sich auf die Ränder der Flüsse zurück (Gallerie-
wald) oder bekleidet häufig als lockerer, niedriger Savannenwald, auch
als Hochwald die östlichen, dem Seewind ausgesetzten Abhänge der
Gebirgszüge, oder auch muldenartige Bodenvertiefungen, in welchen
das Grundwasser sich ansammelt. Erst die Flanken der Anden sind
wieder von echten immergrünen hochstämmigen Regenwäldern bedeckt,
indem sie, dank ihrer mächtigen Höhe, dem Wind den Rest seiner
Feuchtigkeit entziehen.
Landet man z. B. in dem Küstenplatz Santos in der Provinz Säo
Paulo, so wird man an dem stattlichen Wuchs immergrüner Bäume, an
dem massenhaften Auftreten der Epiphyten, an stattlichen Lianen er-
kennen, dass man sich im Gebiet des Hochwalds befindet, wenn auch
letzterer in der Nähe der Stadt ausgerodet ist. Santos hat in der
That eine jährliche Regenmenge von 250 cm.
Raiz de la Serra, am Fuss$ der Serra (21 m. ü. M.) weist eine noch
grössere Regenmenge auf als der Küstenplatz Santos, nämlich 280 .cm
und Alto da Serra (800 M. ü. M.), auf dem Gebirge selbst gelegen, be-
sitzt sogar 336 cm. Ist aber der Kamm des Gebirges überschritten, so
fallt die Regenmenge unterhalb der für Hochwald nöthigen Höhe herab,
aber nicht Niederwald, sondern Savanne wird die herrschende Vege-
tation. Am Fusse der Serra liegt Säo Paulo (740 m. ü. M.) mit noch
120 — 150 cm Regen, aber die Regenmenge nimmt mit der Ent-
fernung vom Gebirge — natürlich abgesehen von den Gebirgszügen
des Inneren ab. Porto Ferreira (531 m ü. M.) hat z. B. 1042 mm.
Unter 100 cm scheint die Regenmenge in der Provinz Säo Paulo nicht
zu fallen.
Die nördlich von der Provinz Säo Paulo gelegene Provinz Minas
Geraes wird nach Saint-Hilaire , durch die Serra do Espinhago, in ein
östliches Gebiet des Hochwaldes und ein westliches der Savanne
(Campos) und der laubabwerfenden Savannenwälder gegliedert. Im
ersteren überschreitet die jährliche Regenmenge 200 cm, im letzteren
schwankt sie meist zwischen 100 — 150 cm, und erreicht, im Durch-
schnitt, nicht 170 cm.
Nach Süden erstreckt sich die Region der Savannen sammt den
sie auf feuchterem Boden ersetzenden Savannenwäldern über das Innere
der Provinzen Parana und Sta. Catarina (Araucaria-Savannen) nach Rio
Grande do Sul, wo sie, durch Verlust des Baumwuchses, in die reine
Grassteppe, die Pampa übergehen.
Im Norden hingegen, im Sertäo, tritt die Savanne allmählich gegen
Dornwald und Dorngebüsch mehr und mehr zurück. Woher
rührt der Unterschied in der Vegetationsdecke der südlichen und der
nördlichen inneren Provinzen, warum ist in ersteren die Grasflur, —
allerdings als Savanne nicht ganz ohne Baumwuchs und von Savannen-
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
295
Wäldern unterbrochen, — in letzteren aber das Gehölz vorwiegend ? Die
klimatischen Unterschiede geben eine bestimmte Antwort.
Das Camposgebiet besitzt ein ausgezeichnetes Grasflurklima: nament-
lich häufige Niederschläge und massige Wärme während der Vegetations-
zeit, dagegen enthält das Klima einen für das Gehölz ungünstigen
Factor in dem trockenen, kalten Winter. (Vgl. S. 188).
Tropisches Grasflurklima.
Brasilianische Campos.
Tabelle XII.
Säo Paulo. 230 36' s. B. 460 25 W. v. Gr., 745 m ü. M.
Januar.
! Mittel
Temperatur
Monatl. ; Extreme
Relative
Feuchtigk.
Regen
Menge Tage
Heitere
Tage
21.4
34-2
15-3
88
300
21
7
Februar
#
21.7
32.2
11.6
82
158
16
8
März .
.
19.8
3!-3 14.3
87
134
22
6
April .
. , 18.6
28.8 | 8.8
87
114
*9
13
9
Mai .
'5-4
26.7 ! 6.6
88
64
10
Juni
151
26.0
6.8
88
17 4
21
Juli. .
— L-
I4.0
13-9
25.0
5-4
86
23
10
14
August.
3°-4
6.3
74
6 1 6
20
September
173
30.2
8.8
93
177 i 22
7
October
18.5
33.o
5-7
86
137
16
13
November
. 1
19 O
32.8
8.5
80
79
15
15
December
. |
21.3
32.1
13.5
83
288
24
7
|
|
|
1497
188
Verdunstung: 1887 545.2 mm. 1888 454.0 mm.
Nach den 5 jährigen Beobachtungen von Joyner (Meteorol. Zeitschr. 1886,
S. 312) sind die mittleren tiefsten Temperaturen: Mai 2.7, Juni 1.7, Juli 2.1,
August 0.7.
Tabelle XIII.
Tatuhy. (Prov. S. Paulo).
230 20' s. B., 48(
10' w. v. Gr. 600 m ü. M. 1888.
Temperatur
Mittel I Extreme
Relative Regen
Feuchtigk.; Menge I Tage
Ganz heitere
Tage
Januar
. . 21.8
33^|^2^o
35-5:i4.5
75
103
7
18
Februar . .
• • 20.7
76
124
17
10
März . . .
. . 21.4
33-9 !3-9
81
105
12
13
April . . .
. • 16.3
309
7.0
90
8
4
16
Mai . . .
16.3
27j7_
25.6
2.2
4.0
90
S2
206
26
13
4
12
Juni . . .
14.8
19
296
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Tabelle XIII (Fortsetzung).
Juli . . .
• |i 14.2
25.0
4.0
83
18
4
26
August . .
• |l 16.1
27.7
5.3
10.7
82
135
8
19
September .
. . ,| 18.6
29.7
85
iS«
11
I I
October . .
. . ;i 21.8
34.0
7.8
85
211
*5
8
»November .
. . !| 21.4
34.3
16.0
85
285
17
9
December .
■ • ii 23.4
35-7
11.0
85
20
'5
9
II
1393
127
Verdunstung: 736 mm.
Tatuhy liegt weiter im Innern als S. Paulo.
Tabelle XIV.
Campos von Minas.
Hochwald in
|;Uberaba. I9°33S.
!48° 5W. 750 mü.
1 M. 3 Jahre
Congonhos de
Sabara. I9°47 S.
44°I9W. 695 ü.M.
25 Jahre
Queluz. 2o°4oS.
44°I7W. 982 Ü.M.
Minas.
Gongo Soco. io*
58 S. 43° 33 W.
2 Jahre. 1 090 m ü.M.
December
i 211.3
39°
339-1
369.6
Januar .
\ 3083
299
3oi-7
604.3
Februar
1 321.3
221
303.1
5377
März .
1 M2.3
I92
94-5
2 53.0
April
Ii io9-3
52
29.2
172.0
Mai . .
!i 31.3
36
312
57 9
Juni . .
i| • 25.0
15
12.0
55-1
Juli . .
Jl *3-7
I I
22.3
34.o
August .
29.3
13
19.5
20.3
September
1 59-7
53
109.0
93-2
October .
| 137-3
121
87-5
169.7
November .
172.0
234
104.0
573-5
Jahr mm
1
| 1560.8
1637
2939-3
Draenert in Meteorol. Zeitschr. 1886.
Das Klima ist jedoch dem Baumwuchs nicht so ungünstig, dass es
xerophilen Savannenbäumchen unmöglich machte, sich in der Prärie zu
behaupten und ihr dadurch den Charakter der Savanne zu verleihen.
An den Punkten, wo Bodenwasser reichlicher vorhanden ist, wo die
Winde, namentlich im Winter, schwächer wehen, wo die Luftfeuchtig-
keit grösser ist, siegt das Gehölz über die Grasflur, so dass das ganze
Gebiet die Abwechselung beider Formen in parkartiger Gliederung
aufweist.
Im Gegensatz zum südlichen besitzt der mittlere
Theil des centralen Brasilien, das sogenannte Sertäoge-
biet, ein xerophiles Gehölzklima.
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
297
Es ist dort das ganze Jahr hindurch heiss, zeitweise sehr heiss, die
dem Gehölz schädlichen trockenkalten Wintermonate fallen weg, da-
gegen enthält das Klima für die Grasflur wenige günstige Momente in
der grösseren Hitze und in der geringen Menge der Niederschläge im
grössten Theile des Gebiets mit Ausnahme der Küste. Endlich ist die
Vegetationszeit vielfach von trockenheissen Perioden unterbrochen.
Das Sertäogebiet, also namentlich das Innere Brasiliens zwischen
Minas geraes und dem Amazonasbecken ist denn auch weit reicher an
Gehölzen als das südliche, kühlere Camposgebiet. Der Baumwuchs ist*
in der Savanne reichlicher, weite Strecken sind von Savannenwald und
Dornwald überzogen, überhaupt herrscht das Gehölz über die Grasflur
weit vor. Im Einzelnen angeben, warum hier Gehölz, dort Savanne auftritt,
ist beim Fehlen genauerer meteorologischer und geognostischer Daten, —
denn der Boden spielt in solchen Mischgebieten eine grosse Rolle, —
zur Zeit nur theilweise möglich (Vgl. Kap. V).
Ein ganz schmaler Küstenstrich der Provinz Pernambuco besitzt eine sehr
grosse Regenmenge, geradezu Hochwaldklima (Pernambuco 297 cm). Der
Baumwuchs ist in den öffentlichen Anlagen der Hauptstadt äusserst üppig;
über die ursprüngliche Vegetation lässt sich nichts angeben.
Tropisches xerophiles Gehölzklima.
Tabelle XV.
Klima des Sertäo.
>
Colonia Isabel (Prov. Pernam-
buco) 229 ü. M. 80 Kil. v. d.
Küste.
Valledoalto
Parnahyba.
6° S. B.,
43° 30f W.
124 ü. M.
Forta-
leza,
Ceard-
Küste.
S. Anna d. Sobradinho
am unteren R. S. Francisco.
December .
Mittl.
Temp.
Relat.
Feucht.
Regen-
menge
Rel.
Feucht
Regen-
Menge | Tage
Regenmenge
Regen
26.3
65
259
80.8
58.6
67
22
2.3
Januar .
26.5
68
36.1
219.0
165.4
67
78
3-7
Februar
1
1
26.7
69
46.6
109.8
269.9
73
40
6.0
März .
26.1
74
77-7
234-4
294.4
77
148
7.0
April .
25.8
76 144.7
81.4
307-5
77
1 1
i.3
Mai
■ 24.9
79
193.0
55-4
256.4
84
5
1.0
Juni
i| 23.Q
81
144.8
154.7
0.0
133.9
77
7
1
i-7
Juli . .
23.0
81
0.0
82.9
78
0.5
August .
23.2
79
124.9
0.0
77-6
70
0
0.0
September
lj 236
75
49.9
0.0
52.3 64
12 1 0.2
Oktober
24.8 1 68
19.2
93-8
17.8
64
66
38 | 2.5
November
26.0 1 64
19.5
91.0
72.2
" i-5
Jahr
(Draenert i
Q
Meteorol. Zeitschi
mm
1037.0
r. 1887.)
111111965.6
Draenert.
mm
i49I-5
Drae-
nert.
mm 375.
Regenmenge: 1884 =
399, 1885 = 527,
1886 = 186 mm.
2Q8 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
5. Klima des nördlichen Südamerika.
Zwischen den waldreichen Gebieten des Amazonasbeckens und des
südlichen Theils des Orinokobeckens befindet sich das kleine guianische
Savannen gebiet, über dessen Klima keine Daten vorliegen. Nördlich
vom Orinoko bis zur waldigen Gebirgsküste am Antillenmeer, dehnt
sich das weite Präriengebiet der Llanos aus, — meist typische Savanne,
^ bald mit sehr zerstreuten, bald mit dichter gedrängten Bäumen. Hoch-
wald zeigt sich, nach meinen Beobachtungen als Galeriewald an den
Wasserläufen, Savannenwald am Fuss der Küstencordillere , also mit
zunehmender Regenmenge, — oder auch in feuchten Bodenvertiefungen,
wie in den Campos.
Ueber das Klima der Llanos ist man nur im Allgemeinen unter-
richtet; genaue meteorologische Daten fehlen. Doch lässt sich nach
dem vorliegenden Material das Klima als g e h ö 1 z f e i n d 1 i c h bezeichnen.
Das Jahr zerfällt in eine fünfmonatliche, völlig regenlose Trockenzeit,
die mit unserem Winter und Vorfrühling zeitlich zusammenfallt, und
eine Regenzeit, welche Ende April beginnt. Die Trockenzeit ist
es, welche im Llanosklima gehölz feindlich ist, indem
während des grössten Theils ihrer Dauer der trockene
Ostpassat bei grosser Hitze und grösster Lufttrockenheit
beinahe fortwährend und meist mit grösster Intensität
bläst.
Eine windige Trockenzeit ist aber dem Gehölze ungünstig,
während sie der völlig ausgedörrten Prärie, die nur in ihren unterirdischen
Theilen fortexistirt, keinen Schaden zufügt, — ausser wenn sie sich
übermässig ausdehnt. Derartige abnorm lange Dürreperioden sind nicht
selten, aber für die Gehölze noch verhängnissvoller als für den Graswuchs.
Während der Regenzeit regnet es, nach Humboldt, be-
ständig. Hierin liegt aber eine direkte Begünstigung
der Prärie, deren Bestehen, wie wir wissen, mehr von grosser
Häufigkeit, als von grosser Menge der Niederschläge während der
Vegetationszeit abhängt.
Zur Kennzeichnung des Llanosklimas seien aus Hann's Klimatologie
folgende Stellen wiedergegeben: „Unvergleichlich ist die Reinheit der Luft
vom December bis in den Februar. Der Himmel ist beständig wolkenlos,
und zieht je ein Gewölk auf, so ist dies ein Phänomen, das die ganze Ein-
wohnerschaft beschäftigt. Der Wind bläst stark aus E und NE." (Humboldt")
C. Sachs, der sich in der Trockenzeit (Dec. 1876 bis Febr. 1877) zu
Calabozo (90 N., 150 m ü. M.) aufhielt, fand eine Morgentemperatur von
22 — 25 ° vor Sonnenaufgang und 34 — 35 ° zwischen ih und 2 h Nachm.
Im Februar war das Mittel um diese Zeit 35.9 und die relative Feuchtigkeit
3o°/0, in einzelnen Fällen nur i6°/0. Der Ostpassat wehte constant, er setzte
Fig. 1 28. Tropischer Domwald. Mexico. S1*« Maria, tierra caliente, Staat Vera Cruz.
Mitte: Cereus polylophus, hinter demselben: Acacia cornigera.
Nach einer Photographie von Herrn Prof. Dr. E. Stahl.
In der
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
299
hier mit Sonnenaufgang ein und Hess gegen Mittag nach. Gänzliche Trocken-
heit herrscht durch fünf Monate, Thaubildung fehlt während derselben. Im
April beginnt die Regenzeit und das zur Wüste ausgedörrte Land bedeckt
sich wieder mit einem dichten Pflanzenwuchs (S. 365, 366).
Die kleinen westlichen Inseln des westindischen Archipels sind sämmtlich
von Gehölzen eingenommen , welchen die hohe Luftfeuchtigkeit zu Gute
kommt. Die Gehölze sind, bald als Dornwald (z. B. Saint Kitts), bald als
Regenwald (z. B. Dominica) ausgebildet, je nachdem die Regenmenge weniger
oder mehr als ca. 150 cm. beträgt. Die Vegetation der beiden Inseln, deren
Regenverhältnisse unten mitgetheilt sind, kenne ich aus eigener Anschauung.
Die Regenmenge beträgt, wie ich aus Erfahrung weiss, in Dominica auf den
Bergen, wo der Hochwald seine völlige Ueppigkeit entfaltet, beträchtlich
mehr, als in Roseau, oder überhaupt an der Küste. Saint-Kitts hat so hohe
Berge wie Dominica nicht.
Tabelle XVI.
Regen in den kleinen Antillen.
Regenfall in Roseau
Das Mittel von 21 Jahren
(1865 bis 1885) beträgt 1901; das
Minimum während dieses Zeitraumes
1309, das Maximum 2690. Monats-
mittel:
December 145
Januar 148
Februar 71
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September 223
October 176
November ....... 200
56
61
73
207
266
274
Regenfall in S. Kitt.
Das Mittel von 30 Jahren
(1856 — 1885) betrug 1292; das
Minimum 895, das Maximum 21 11,
200 cm nur ein Jahr überschritten.
Monatsmittel :
December 96
Januar 103
Februar 48
März 55
April 90
Mai 98
Juni . . 92
Juli 105
August 144
September 154
October 173
November 134
(Meteorol. Zeitschr. 1886, p. 462.)
Die grossen Antillen Jamaica, Haiti, Cuba besitzen theils Hochwald,
theils Dornwald oder vielleicht Savannen. Es ist nicht möglich, sich nach der
vorliegenden Litteratur ein irgendwie deutliches Bild der Vegetation dieser
Inseln zu machen.
6. Klima des tropischen Afrika.
Reiche Abwechselung von Wald und Savanne zeigt sich an der West-
küste des tropischen Afrika. Die echte Wüste hört wenig südlich vom
300 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Wendekreise auf und wird durch eine noch sehr dürftige offene Gehölzvegetation
mit Adansonia digitata und Borassus flabelliformis ersetzt (Saint Louis 42 cm,
Goree 53 cm Regen). Weiter nach Süden wird der Baumwuchs reichlicher
und üppiger. In der Umgebung von Sierra Leone (319 cm Regen) sind
Ebene und Berge von Hochwald bedeckt An der Zahnküste und Goldküste
(Elmira 72 cm, Christiansburg bei Akkra 58 cm Regen) ist die Vegetation
wieder ärmlicher. OestHch von Akkra, im Golf von Benin, herrscht echte
Savanne mit Fächerpalmen (Lagos 172 cm Regen, nach 2 jähr. Beob.), das Gebiet
an der Mündung des Niger, dasjenige von Kamerun (249 cm), Gabun (226 cm)
sind von Regenwald bedeckt, im Hochland von Gabun jedoch herrschen
baumreiche Savannen vor. Südlich von Ogowe nehmen letztere auch an der
Küste die Oberhand und Regenwald zeigt sich nur an Flüssen und Lagunen.
In Jumba tritt Wald (Regenwald?) von Savannen unterbrochen wieder auf, bis
zur Mündung des Kiulu, südlich von welcher Savanne mit Fächerpaimen und
Affenbrotbäumen vorherrschend sind (Chinchoxo 108 cm). Die letzten grossen
Wälder bekleiden, wohl mehr als Galeriewälder, die Niederungen der Congo-
mündung, während das Hochland am unteren Congo (San Salvador 988 mm)
von Savanne bedeckt ist. Südlich von der Congomündung zeigt sich zunächst
wiederum Savanne, mit riesigen Adansonien. In der Richtung südwärts zeigt
die Savanne allmähliche Verkümmerung, und bei Kinsembo tritt mit dem
Vorherrschen der Succulenten (Euphorbia, Aloe) Wüstencharakter auf. Nörd-
lich von Mossamedes zeigt sich zuerst Welwitschia mirabilis, der Graswuchs
wird immer spärlicher, und jenseits des Kunene, des Grenzflusses von Unter-
guinea, wachsen auf dem ausgedörrten und steinigen Land nur noch ver-
streute Grasbüschel und genügsame Dorngewächse.
In deutlichster WTeise zeigt sich, nach dem Vorhergehenden, die Ver-
theilung von Hochwald — wohl überall Regenwald — und Savanne von der
Regenmenge abhängig. Ersterer ist überall da Alleinherrscher, wo die Nieder-
schläge 200 cm im Jahre erreichen, er wird durch die Savanne gänzlich
verdrängt, wenn die Regenmenge 170 — 180 cm nicht übersteigt Endlich
verkümmert die letztere bei etwa 30 — 35 cm Regen zur Wüste.
Stellenweise, in fruchtbaren Gebieten, namentlich in solchen mit hoher
Luftfeuchtigkeit, wechselt die Savanne mit Savannenwäldern ab, die in anderen
Gebieten, z. B. auf der Hochebene am Congo und südlich von der Congo-
mündung, zu fehlen scheinen.
Fragt man sich, warum die für Hochwald zu trockenen Gebiete von der
Savanne, also der Grasflur und nicht von Niederholz behauptet sind, so wären
als für die Grasflur günstig die Häufigkeit der Niederschläge, die sich in der
grossen Zahl der Regentage ausdrückt, und die nicht sehr hohe Temperatur
zu erwähnen. Für die Congoküste erwähnt Pochuel-Loesche das nicht seltene
Vorkommen andauernder Dürreperioden, z. B. Jahre mit nur 20 cm Regen,
und solche sind, wie früher erläutert, dem Bestehen der Grasflur weit weniger
verhängnissvoll als demjenigen der Gehölze. Die reichliche Thaubildung der
normalen trockenen Jahreszeit wird wohl auch in solchen Dürreperioden die
oberflächliche Bodenschicht befeuchten, während sie für die Wurzeln der
Holzgewächse nicht in Betracht kommt. Unsere meteorologischen Tabellen für
IH Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen.
301
San Salvador auf dem Savannenhochland am unteren Congo zeigt, dass dort,
namentlich in der trockenen Jahreszeit, heftige Winde wehen. Auch dieser
Umstand kommt der Grasflur zu Gute, indem sie dem Gehölz ungünstig
ist Immerhin ist unsere derzeitige Kenntniss des afrikanischen Klimas
noch zu unvollkommen, um eine ganz befriedigende Antwort der Frage zu
ermöglichen.
Unsere Kenntnisse der Savannengebiete auf dem Hochplateau des inneren
tropischen Ost -Afrika sind meteorologisch noch sehr unvollkommen, doch
weisen die vorliegenden Daten, z. B. die unten mitgetheilte Tabelle, auf ein
typisches Savannenklima hin, mit massig warmer Vegetationszeit,
während welcher etwa 100 cm Regen in sehr häufigen Güssen
(siehe Zahl der Regentage) fallen.
Tropisches Grasflurklima.
Tabelle XVII.
Klima der westafrikanischen Savannen.
Chinchoxo (Loango). 5° 9' S., 120 4' E., 12 m ü. M. 2 Jahre.
Temperatur (1874)
6h
1
2h
Rel. Feuchtigk.
mittel (1874)
Tage (1875)
heiter1) ! trüb2)
Regen- (1875)
Tage8) I Menge
Januar
Februar
März
April
22.79
24.17
23-77
22.92
27.04
28.45
28.44
26.24
87
84
82
13
14
88
16
17
3ii
301
267
202
Mai
21.56
24.70
86
Juni
20.50
23-99
86
107
>^
Juli
19.06 22.84
84
August
19.37 j 22.01
88
13
?4)
September
October
21.79
23.26
November
23.88
23.91
83
I 18
11
25.94
84
10
27.69
85
177
December
23-49
27-75
85
25
Jahr
28
83
95
1419
Die Regenmenge ist ausserordentlich schwankend, soll in einzelnen
Jahren auf 200 mm gefallen sein ; doch liegen genaue Messungen nicht vor.
Starker Thau in der trockenen Jahreszeit, oft entsprechend einem Niederschlag
von 3 mm.
') Bewölkung = 2 und weniger.
*) Bewölkung = 8 oder mehr.
3) Mit messbarem Niederschlag.
4) Nicht messbar.
302
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Tabelle XVIU.
Westafrikanische Savannen.
San Salvador (Congo). 6017' S., 14.0 53' E. 579 ü. M. (Hochebene).
Temperatur Relat. Feucht.
9 h. a.
Januar
Februar
März
April
Mai ,
Juni
Juli .
August
September
Oktober
November
December
Jahr
23-4
24.0
I 24.3
24.0
3 h. p.
27.8
9h^l_Ah*
80 | 61
Bewölk.
28.9
28.4
28.2
22.5
19.9
27.7
26.6
80
79
84
88
9j^
7*[
59 7.5
60
7.3
67
87
18.7 25.5 I 84
19.2
7.8
25-9
1, 2°-3
"I 21.8
81
6A_
53
52 I 7-6
1-3
8-4
7-7
3 h. I Menge
Regen
Tage
6.9
5-6
7.2
_59
118
132
27 1
5-3
2.9
87
n.o
11.7
271 80 | 56 ; 8.5
27-5 I 84
59
66
22.8 I 27.0 ' 85 | 66
8.8
22.3 27.0
86
\_9±_
I 8.9
2.3
4.6
53
7.3
42
6.8
9.3
Wind- ' Verdun-
starke ' stung
5-4 I 147
5.8
6.0
4.4
5-4
5° I 51
*-5
3-5
3-°
10.1
8.3
129
100
88
59
110
13°
8.9 i 143
16.5
8^, 158
6.7 120
194
77 | 12.0 l 5.7 1 1 20
I ( 988 |ni.o] ( 1454
(Meteorol. Zeitschrift 1888, p. 395.)
Tabelle XIX.
Centralafrika, Hochlandsavanne.
Kakoma u. Igonda. 50 40' S. 32 ° 35' E, 1 120 m ü. M. 1881 —1882.
Temperatur
7 h. I 2 h. I Mittel
Relat. Feuchtigk.
7 h. | 2 h.
Bewöl-
kung
Regen
Menge ' Tage
März . . .
19.0
26.8
21.6
95
58
8.0
293
27
April . . .
1 18.6
27.3
21.4
94
55
43
5-7
114
17
Mai . .
1 16.7
29.0
20.8
91
90
2.6
13
4
Juni . . .
'r I 2.0
28.5
18.0
~i8.8~
28
1.1
0
0
Juli . . .
II.9
29-5
86
24
13
0
1
August . .
! J5-4
1 2°-4
21.6
1 22.3
| 20.3
,| 20.0
18.4
3o.5
21.7
72
23
23
2.4
0
0
September .
315
25-7
52
52
3-o
0
2
October . .
33-2
32.1
26.8
25-9
18
26
52
2.4
3-9
6.0
0
0
November .
60
73
9
December .
27. 7_
28.2
24.1
23.1
82
124
22
Januar . .
23.0
81
45
5-3
ii5
15
Februar . .
20.4
93
69
7.3
265
lS
Jahr . .
J
997
112
Die Monate Juni bis November (trockene Jahreszeit) sind sehr windig,
stark ist SO.- Wind vorherrschend. Die Savannenbrände beginnen im Mai.
Meteorol. Zeitschr. 1887, S. 421.
in. Gehölzklima und Grasflurklima in den Tropen. 303
Tropisches xerophiles Gehölzklima.
Tabelle XX.
Ladö am oberen Nil. 1878— 1884. 50 2' n. B. 310 44 E.
Seehöhe 465 m.
i Temperatur
1 7 Uhr | 2 Uhr
Relat. F
7 Uhr
euchtigk.
2 Uhr
Bewölk.
1 Mittlere
Re
Tage
*en-
Menge
Wind-
stärke
Januar . .
| 23.4
34-7
62
29
2.3
°-5
0
2.0
Februar
24.6
35-2
62
30
4.1
3.7
0.2
2.1
März
26.5
35-i
74
43
5-o
io.5
27.0
1.9
April . .
26.4
32.9
74
50
6.2
16.2
I35-6
2.1
Mai . . .
25.0
3o.9
85
9i
60
6.0
*s*
86.8
2.0
Juni . . .
1 23.6
29.5
60
6.3
19.0
i$i>4
2.0
Juli . . .
23.0
28.8
90
62
6.4
17.0
217.8
1.9
August . .
■ 23°
28.6
88
65
5.9
18.4
128.8
1.9
September .
23.0
29.1
88
56
6.0
15.8
122.8
1.9
October
22.6
30.2
79
57
5-7
14.0
56.5
1.9
November .
22.5
22.7
31.8
75
5i
4.5
8.7
20.0
2.6
Dezember .
33-7
55
24
3-2
2.7
1.6
2.0
1
141.7
948.5
(Meteorologische Zeitschrift 1890, p. 109).
Ueberblicken wir die Ergebnisse dieses Kapitels, so kommen wir
zu folgenden Sätzen:
1) Bei mindestens 180 cm Regen hat der Hochwald
Alleinherrschaft. Für die Regenmengen 150 — 180 cm
fehlt es an Daten.
2) Bei 90 — 150 cm Regen kämpfen xerophiles Ge-
hölz und Grasflur. Ersteres siegt bei grosser Hitze und
grösseren regenfreien Perioden in der Vegetationszeit,
letzteres bei milderer Temperatur, reicher Vertheilung
der Regen in der Vegetationszeit, windigen Trocken-
oder Frostzeiten.
3) Unter 90 cm Regen herrscht xerophiles Nieder-
holz, namentlich Dornwald und Dorngebüsch, beide bei
noch geringeren Niederschlägen in offene Niederholz-
formationen (Halbwüsten) und Wüsten übergehend.
304 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Auswahl der Literatur.
Die klimatischen Tabellen sind entnommen aus: Zeitschrift der
österreichischen Gesellschaft für Meteorologie 1866 — 1885
(I — XX) und: Meteorologische Zeitschrift derdeutschen und
österreichischen meteorologischen Gesellschaft 1884 — 1896.
— Benutzt wurde ausserdem ohne besondere Angaben: Hann. Atlas der
Meteorologie. Gotha 1887.
Brand is, D. On the distribution of forests in India. Ocean Highways.
1872.
— Influence of forests on rainfall. Indian forester. Vol. XIV.
— Regen und Wald in Indien. Meteorologische Zeitschr. 1887. p. 369.
van Bebber. Die Regenverhältnisse Indiens. Meteorolog. Zeitschrift. 1885.
Draenert, F. M. I. Die Vertheilung der Regenmengen in Brasilien.
Meteorol. Zeitschrift. 1886.
— II. Das Küstenklima der Provinz Pernambuco. Meteorolog. Zeitschrift.
Bd. IV. 1887.
Engler, A. Ueber die Flora der deutschen Schutzländer in Westafrika.
Gartenflora 1885.
F o r b e s , H. O. Wanderungen eines Naturforschers im Malayischen Archipel.
Deutsche Ausgabe. 2 Bde. Jena 1886.
G ardner, G. Reisen im Inneren Brasiliens. Deutsche Ausgabe. 2 Bde.
1848.
Kurz, S. Preliminary report on the forest and other Vegetation of Pegu.
Calcutta 1876.
Pechuel-Lösche. Die Vegetation am Kongo bis zum Stanley-Pool. Das
Ausland. 1886. No. 20, 21.
Sachs, C. Aus den Llanos.
Saint-Hilaire, A. de. Tableau de la vdg&ation primitive dans la pro-
vince de Minas geraes. Ann. des sciences naturelles. 1831.
Schwein furth, G. Allgemeine Betrachtungen über die Flora von Socotra.
Engler's Botan. Jahrb. Bd. 5. 1884.
Trimen, H. On the flora of Ceylon, especially as affected by climate.
Journal of botany. XXIV. 1886.
Woeikof, A. I. Die Regenverhältnisse des malayischen Archipels. Zeitschr.
der österr. Gesellschaft für Meteorologie. Bd. XX. 1885.
— II. Der tägliche Gang der Temperatur und der Hydrometeore in Nord-
indien. Meteorolog. Zeitschrift. Bd. XI. 1894. S. 403.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
L Verbreitung des tropischen Regenwaldes. 2. Allgemeiner Charakter
des tropischen Regenwaldes. § i. Das Aeussere des Waldes. Oberfläche und
Profil — § 2. Das Innere des Waldes. Ungleiche Dichtigkeit Häufige und ver-
breitete floristische Bestandteile. Holzgewächse. Kräuter. Lianen und Epiphyten. Der
Zug nach dem Lichte. Luftfeuchtigkeit. — § 3. Der tropische Regenwald in
Asien. Vegetation und Flora am Gedeh und Salak auf Java. Charakteristische Formen.
Vorkommen lebhaft gefärbter Blüthen. Regenwälder von Pegu nach F. Kurz. — § 4.
Der tropische Regenwald in Afrika. Der Wald der Loangoküste nach Pechuel-
Lösche. Der Regenwald in Usambara. — § 5. Der tropische Regenwald in Amerika.
— §6. Der tropische Regenwald in Australien und Mikronesien. 3« Oeko-
logische Eigen thümlichkeiten der Regenwaldgewächse. § 1. Bäume und
Sträucher des Regenwaldes. Die Stämme der Bäume. Plankengerüste. Borke.
Verzweigung. — § 2. Die Bodenkräuter. Farbiges Laub. Die Hymenophyllaceen. —
§ 3. Die Lianen. Palmlianen. Kletternde Bambusen. Wurzelkletterer. Cyclanthaceen
und Pandanaceen. Araceen. Ihre Nähr- und Haftwurzeln. Winder. Ranker. Bauhinia-
Arten mit bandförmigen, welligen Stämmen. — § 4. Die Epiphyten. Vorkommen. Ein-
theflung nach der Lebensweise in Protoepiphyten, Hemiepiphyten, Nestepiphyten und Cistern-
epiphyten. Charakteristik der Gruppen. Wasserspeicher. Velamen der Orchideen und
Araceen. Unbelaubte Orchideen. Der Banyan. Humussammelnde Orchideen. Farne mit
Sammeltrichtern und mit Nischenblättern. Bromeliaceen. Wasseraufnahme durch die Blätter.
Beleuchtung der Epiphyten. Epiphyllen. Vertheilung der Epiphyten auf demselben Baume.
— § 5. Die Knospen. Unbeschützte Knospen. Schutzmittel activer Knospen. Das Aus-
schütten des Laubes. Hängeblätter und Hängezweige. Blüthenknospen unter Wasser. Blüthen-
knospen mit Wasserkelchen. — §6. Cauliflorie. Stamm- und Astcauliflorie. Unbelaubte
fertile Zweige. — § 7. Saprophyten und Parasiten. Chlorophyllfreie Orchideen»
Burmanniaceen, Triuridaceen, Gentianaceen. Loranthaceen. Balanophoraceen. Rafflesia.
1. Verbreitung des tropischen Regenwaldes.
Auf seiner Karte der zeitlichen Vertheilung der Niederschläge theilt
Hann die tropische Zone in Gebiete mit Trockenzeit, bezw. mit
Monaten, deren normale Regenhäufigkeit unter 0.20 (= 6 Regentage im
Monat) sinkt und in solche ohne eigentliche Trockenzeit ein. Letztere
werden gewöhnlich als immerfeuchte bezeichnet. Doch sind auch in
ihnen die Niederschläge nicht gleichmässig auf das ganze Jahr, sondern
Schimper, Pflanzengeographie. 20
jOÖ Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
auf regenreichere und regenärmere Perioden vertheilt, deren Abwech-
selung nicht ohne Einfluss auf die Vegetation bleibt, sondern sich,
wie im vorhergehenden Capitel gezeigt wurde, namentlich in den Blüthe-
zeiten häufig bemerkbar macht. Im Grossen und Ganzen ist die Vege-
tation der immerfeuchten Gebiete vor derjenigen der periodisch trockenen
wohl gekennzeichnet: Die ersteren sind da, wo von derCultur
unberührt, beinahe stets von immergrünem Regenwalde,
letztere von laubabwerfenden Gehölzen und von Savannen
bedeckt. Sind die Niederschläge auch in der Regenzeit sehr spär-
lich, so wird der Charakter der Vegetation wüstenartig.
Hann's tropische Gebiete ohne Trockenzeit umfassen in ost-westlicher
Richtung, i. In Australien, Neu-Guinea mit den benachbarten Archi-
pelen (Bismarck- und Salomons-Inseln) und die meisten pacifischen Inseln.
2. In Asien, die Philippinen, die Molukken (zum grössten Theilei,
Westjava, Celebes, Borneo, Sumatra, die Süd-Spitze von Malakka. 3. In
Afrika, die Mascarenen, Ost-Madagascar , Zanzibar mit der benach-
barten Festlandküste, das Gebiet der grossen afrikanischen Seen. 4. In
Amerika, das brasilianische Küstenland südlich vom 15° S. B., der
nördliche Theil des Amazonasbeckens, Guiana, die kleinen Antillen (zum
grösseren Theile), die Ostküste von Central- Amerika.
Im allgemeinen fallen die Grenzen des eben bezeichneten Gebiets
mit denjenigen des tropischen Regenwalds zusammen. Derselbe über-
zieht, wo er nicht durch die Cultur ausgerodet ist, die Tiefländer, und
zieht sich in das Hochland soweit hinauf, als das tropische Klima
reicht. Stellenweise überschreitet der tropische Regenwald sowohl in
horizontaler als in verticaler Richtung um ein weniges die Grenzen
des eigentlichen Tropenklima. Ausserdem befindet er sich im Bereich der
Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten, meist in die Feuchtigkeit con-
densirenden Gebirgen, in engbegrenzten Gegenden, wo das Klima immer-
feucht ist und das Auftreten des Regenwalds bedingt, so am östlichen
Himalaya und in Birmah, an den westlichen Abhängen der Nilgherries
in West-Ceylon, in Kamerun, an der Ostküste des tropischen Australiens.
Ein ähnlicher, jedoch meist weniger üppiger, immergrüner Wald
tritt häufig, aber nicht überall, längs der Flüsse der periodisch trockenen
Gebiete auf. Solche „Galleriewälder" sind, wie früher gezeigt, von den
Hydrometeoren unabhängig und werden im Abschnitt über edaphische
Wirkungen Berücksichtigung finden.
2. Allgemeiner Charakter des tropischen Regenwaldes,
§ 1. Das Aeussere des Waldes. Betrachtet man den Regenwald
von Aussen, z. B. von einem an bewaldeter Küste fahrenden Schilfe
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Fig. 1 30. Eben gelichtete Waldpartie im Innern von Samoa, 300 m ü. M. Palmen. Auf dem
Aste rechts eine blühende epiphytische Astelia sp. Im Hintergrund der unveränderte Regenwald.
Nach einer Photographie.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
307
oder vom Gipfel einer in bewaldeter Gegend sich erhebenden Höhe,
so fallen schon manche Unterschiede gegenüber den Wäldern der
temperirten Zonen in die Augen. Die Oberfläche zeigt nie gleich-
massige Färbung, sondern stellt ein reich gegliedertes Mosaik dar, in
welchem die ganze Scala der grünen Schattirungen vertreten ist , unter
diesen am wenigsten das frische Grün etwa des Buchenwaldes im
Frühsommer, während gelbliche, bräunliche, graue, olivenähnliche Töne
ein etwas düsteres, unendlich nüancirtes Farbenbild zusammenstellen.
Hie und da leuchtet auf dem nüchteren Grunde der helle Fleck einer
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Fig. 131. Profil des tropischen Regenwaldes bei Blumenau, Brasilien. Die Palme ist Euterpe
edulis. Nach einer Photographie von Herrn Prof. Dr. H. Schenck.
blühenden Baumkrone auf. Als ich mich im Winter der Küste von
Trinidad näherte, glichen die blühenden Erythrinen einzelnen Feuern
im dunkelen Walde. In ähnlicher Weise konnte ich auf Java in weiter
Ferne den Puspabaum ' (Gordonia Wallichii) an seinem schneeweissen
Kleide erkennen. Der Eingeborene vermag aber schon am Farbentone
ihres Laubes werthvolle Bäume im reich gemusterten Teppich der
Waldoberfläche zu erkennen. So suchen die Cascarilleros der Anden
einen erhabenen Punkt aus, um die Standorte der im Walde zerstreuten
Chinabäume festzustellen.
Auch die Profilansicht des tropischen Regenwaldes weicht von
j08 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
derjenigen eines deutschen Laubwaldes wesentlich ab ; sie ist nicht, wie
hier, nach oben von einer nahezu ebenen Linie begrenzt, sondern un-
regelmässig zackig , gleichsam unruhig. Im natürlichen Zustande, z. B.
an den Ufern der Wasserläufe, sind solche Waldprofile mit dem reichen
Laube von Lianen und Epiphyten so behangen, dass die Stämme gar
nicht zum Vorschein kommen und auch die Kronen sich überschleiert
zeigen. An künstlichen Profilen, wie sie bei der Ausrodung des Waldes
entstehen, fällt die grosse Mannigfaltigkeit der Baumstämme, das regel-
lose Gewirr der Lianen, das Wechselnde in den Formen der Laub-
kronen drastisch in die Augen.
§ 2. Das Innere des Waldes. Das Bild, welches das Innere des
Regenwaldes bietet, ist je nach dem Einzelfalle sehr verschieden.
Manche Wälder stellen vom Boden bis zu den Gipfeln der Bäume eine
dichte Laubmasse dar, in welcher man sich nur mühsam mit dem Wald-
messer einen Weg bahnt; andere sind dunkele Säulenhallen, welche
nach allen Richtungen freie Bewegung und freien Ausblick gewähren,
wo nur einige Farngewächse auf dem Boden und den Baumstämmen
die Monotonie brauner Farben hie und da unterbrechen. Selbstverständ-
lich sind solche extreme Formen durch Uebergänge verbunden.
Der dichte Regenwald mit sehr reichem Unterholze scheint,
wenigstens nach meinen Beobachtungen, der häufigere zu sein; ich
habe ihn auf allen meinen tropischen Zügen weite Flächen einnehmen
sehen. Den lichten Säulenwald kenne ich namentlich aus den Ge-
birgen Dominicas, wo er hauptsächlich von einem Canarium gebildet
ist, in weniger reiner Form, mit vielen Baumfarnen, aus Trinidad.
Kurz beschreibt ähnliche offene Wälder für Pegu. Die Bäume in
denselben scheinen weniger mannigfaltig zu sein als in den geschlossenen
Wäldern.
Im Innern des Waldes wird der Botaniker zunächst versuchen,
sich über dessen systematische Zusammensetzung einige Aufklärung zu
verschaffen. In Bezug auf die grossen, das Oberholz bildenden Bäume
ist dieses in der Regel vergebliche Mühe. Nur das Fällen des Baumes
kann zum Ziele fuhren, und dieses ist mit noch weit grösseren
Schwierigkeiten verbunden als bei uns, da die Bäume durch das Lianen-
gewirr zusammenhängen. Es fuhrt auch nicht immer zu entscheidendem
Resultate, da nicht alle Bäume schon nach ihrem Laube hinreichend
charakterisirt sind, und viele nur selten oder nur auf kurze Zeit blühen.
Von dem Herunterreissen von Zweigen habe ich nur äusserst selten
ein brauchbares Ergebniss erzielen sehen.
Das Geschrei von Papageischaaren wird manchmal die Bäume mit
reifen Beeren, namentlich Feigenbäume kennzeichnen, und dann wird
Suchen auf dem Boden in der Regel zur Entdeckung einiger Früchte
fuhren. Gelegentlich ist das dem einzelnen Baum entsprechende
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
309
JIO Erster Abschnitt: Die tropischen .Zonen.
Bodenareal ziemlich reich mit herabgefallenen oder herabgeworfenen
Früchten bedeckt, z. B. mit den Beeren von Myrtaceen und Meliaceen, mit
den leicht kenntlichen Samen einer Myristica. In anderen Fällen findet
man Corollen oder Blumenblätter. Stets muss man jedoch der Möglich-
keit eingedenk bleiben, dass solche Früchte und Blüthen von Epiphyten
oder Lianen herrühren. Zweifel sind bei den caulifloren Arten aller-
dings nicht möglich; dieselben bilden aber die Ausnahme, namentlich
unter den grossen Bäumen.
Wohl zeigt die Rinde der meisten Bäume viel charakteristisches.
Hier ist sie glatt, dort rissig; bei vielen Myrtaceen löst sich die Borke
in dünnen Tafeln oder Blättern ab, bei gewissen Leguminosen ist die Ober-
fläche grün ; in anderen Fällen ist sie mit Dornen oder mit Korkwarzen
bewehrt, oder sie entlässt bei der Verwundung Milchsäfte oder Harze.
Genaue Untersuchung solcher Merkmale könnte sicher weit auf dem
Wege der Bestimmung fuhren. Das zeigt schon der Umstand, dass die
Eingeborenen vielfach die einzelnen Baumarten, nach ihren vom Wald-
boden aus erkennbaren Eigenthümlichkeiten, zu welchen ausser der Rinde,
noch die Dicke des Stammes, das etwaige, nachher zu besprechende
Plankengerüst, zuweilen die Verzweigung gehören, mit Sicherheit be-
stimmen. Bestimmungstabellen nach solchen, allerdings vielfach sehr
schwer zu schildernden Merkmalen würden von ungeheuerem Nutzen sein.
Auch die meisten Lianen, die holzigen Kletterpflanzen, welche in
jedem tropischen Urwalde meist massenhaft auftreten, entziehen ihre
Laubkrone dem Blicke des an den Boden gebundenen Forschers, und der
Versuch, sie herunterzuziehen, ist in der Regel ebenso vergeblich, wie
das Abhauen. Hier zeigt aber der anatomische Bau des Stammes so vie1
eigenthümliches, dass die Bestimmung wenigstens der Gattung, dank den
ausgezeichneten Arbeiten Radlkofer's, Bureau's, Schenck's,1) möglich ist.
Um sich eine Vorstellung von der systematischen Zusammensetzung
des Oberholzes zu bilden, ist der Botaniker, auch wenn er den Urwald
schon häufig durchstreift und durchsucht hat, auf die Florenwerke an-
gewiesen, welche, hauptsächlich auf Grund der Sammlungen von Ein-
geborenen bearbeitet, meist nur sehr unvollständiges Material bringen ;
weit brauchbarer sind die Aufzeichnungen der Forstbotaniker, welche
leider für das tropische Amerika und Afrika noch ganz fehlen. Quellen
für die systematische Zusammensetzung der vorder- und hinterindischen
Wälder sind namentlich die Werke von Brandis, Kurz, Koorders und
Valeton. Verhältnissmässig leicht ist es, sich von der systematischen
Zusammensetzung des Unterholzes, — zunächst abgesehen von den
Lianen und der Krautflora — die nöthigen Kenntnisse, ohne welche
Arbeiten über die Physiologie des Urwalds werthlos sind, zu verschaffen.
l) Vgl. S. 211.
Fig. 133. Aus dem südmexikanischen Regenwalde: Unterholz mit Baumfarnen.
Nach einer Photographie von Herrn Dr. G. Karsten.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
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7 i2 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Nicht bloss ist die Mannigfaltigkeit des Laubes viel grösser als bei uns,
sondern eine Menge von Arten tragen Monate, wenn nicht das ganze
Jahr hindurch, Blüthen und Früchte, allerdings häufig in nur geringer
Anzahl. Beim ersten Blicke werden in feuchten, kühlen Wäldern die
Baumfarne auffallen, welche, wie die Farne überhaupt, mit den vor-
liegenden Herbarien leicht bestimmt werden können. Kleine Palmen,
in Brasilien, z. B. Arten von Geonoma, in Java solche von Pinanga werden
selten fehlen. Hier und dort zeigen sich Dickichte von Bambusen, oder
von Kletterfarnen (Lygodium), oder von kletternden Selaginellen. Die
Hauptmasse des Unterholzes und Gesträuches ist jedoch von Dicotylen
gebildet. Selten werden im letzteren die Urticaceen vermisst, z. B.
Arten von Boehmeria, in Asien auch solche von Laportea, an der
Form ihrer Blätter, an ihrer Behaarung, auch im sterilen Zustande leicht
kenntlich. In ihrer Gesellschaft wird man strauchige Piperaceen finden,
namentlich Arten von Artanthe, Ottonia mit knotigen Stengeln und
aufrechten, weissen, kerzenartigen Blüthenkolben , sowie die mannig-
fachen unscheinbar blühenden Croton- Arten mit ihren unterwärts
schuppigen Blättern. Weniger massenhaft, aber äusserst charakteristisch
sind die Araliaceen, mit ihren Rosetten grosser Blätter auf einfachem
oder schwach verzweigtem Stamm.
Sind die erwähnten Strauch- und Zwergbaumtypen meist mit un-
scheinbaren Blüthen versehen, so prangt, namentlich im tropischen
Amerika, eine Fülle von Melastomaceen in unvergleichlicher Blüthenpracht.
Die verschiedenartigsten Rubiaceen (Pavetta, Psychotria- Arten u. s. w.)
tragen ihre schönen straussigen Blüthenstände corallenrother oder weisser
Blüthen vielfach an in der gleichen Farbe glänzenden Axentheilen.
Ist ein Kelchblatt gross oder blutroth gefärbt, so liegt eine Mussaenda
(Asien) oder Warszewiczia (Amerika) vor. Gewisse Rubiaceen der
javanischen Wälder haben einen höchst abstossenden , aber charak-
teristischen, excrementellen Geruch (Lysianthus purpureus etc.). Unter
den Sträuchern oder kleinen Bäumen wird man ferner, in Amerika,
leicht in blühenden Exemplaren Vochysiaceen , Malvaceen (Abutilon),
Samydaceen (Casearia), Mutisiaceen (Stifftia), Solanaceen, Mimosaceen
(Inga, Calliandra), die prächtigen Brownea-Arten (Caesalpiniaceen) mit ihren
hochrothen, caulifloren Blüthensträussen finden. Im tropischen Ostasien
wiederum werden, ausser den schon erwähnten Typen, namentlich
Anonaceen, Ternstroemiaceen (Saurauja etc.), Myrsineen (Ardisia etc.)
durch ihre Blüthen auffallen und mit Hülfe derselben leicht bestimmbar
sein. Beinahe stets treten allerdings solche reich und schön blühende
Arten gegenüber den spärlich oder unscheinbar (Urticaceen, Piperaceen,
Euphorbiaceen etc.) blühenden sehr zurück. Auch wird man, nament-
lich auf der Höhe der Regenzeit sehr viele Sträucher und kleine Bäume
ohne Blüthen und Früchte finden.
Fig. 135 u. 136. Bodenvegetation im südmexikanischen Regenwaldc. Oben: In
der Mitte eine Rubiacee mit bunten Sammetblättern. Rechts und links Scitamineen.
Unt en : In der Mitte, Begonia sp. n. Nach einer Photographie von Herrn Dr. G. Karsten.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. 3 1 3
Die krautige Vegetation ist in den dunkelsten Urwaldpartien sehr
schwach entwickelt, in den helleren dagegen manchmal von erstaunlicher
Ueppigkeit. Ihre hervorragendsten Vertreter, sowohl was die Dimensionen,
als die grossen, lebhaft gefärbten Blüthenstände und häufig das massen-
hafte Vorkommen betrifft, sind wohl die Scitamineen. Auf den
kleinen Antillen sah ich vielfach übermannshohe Heliconien (H. Bihai,
H. caribaea etc.) (Fig. 176), mit ihren langgestielten Blättern, zwischen
welchen die grossen Blüthenstände, mit zweizeilig geordneten rothen,
kahnförmigen Bracteen hervorragen, üppiche Dickichte bildend. Noch
auffallender und jedenfalls mannigfacher in ihrer Erscheinung sind, in
Ostindien, die in mehreren Gattungen (Elettaria, Hedychium, Zingiber,
Costus, Alpinia etc.) und zahlreichen Arten kleine Wälder im Hochwalde
bildenden Zingiberaceen. So sieht man in den Wäldern Java's häufig dichte,
weit übermannshohe Bestände solcher Zingiberaceen, deren steife, zweizeilig
beblätterte Sprosse keine andere Vegetation zwischen sich aufkommen
lassen, während gleich leuchtend rothen Kohlköpfen (z.B. Costus globosus,
Elettaria-Arten) oder als feuerfarbige Sterne (z. B. Elettaria coccinea) die
wunderbaren Blüthenstände dem nackten Boden mit breiter Basis aufsitzen.
Es ist, im tropischen Urwald, überhaupt eine häufige Erscheinung,
dass ein weites Terrain wesentlich von demselben krautartigen Gewächs,
bei Ausschluss eines jeden Anderen, eingenommen ist, so dass in der
krautigen Vegetation weit grössere Gleichförmigkeit herrscht, als in der
holzigen. So sah ich in den Wäldern Ceylon's und Java's gewisse
Arten der Acanthaceengattung Strobilanthus auf ungeheuren Strecken
die krautige Vegetation für sich allein bilden, und mit ihren saftigen
brüchigen Stengeln zartbelaubte Gebüsche bilden, welche den Menschen
weit überragen. Noch viele andere Kräuter sah ich gesellig auftreten,
wenn auch nicht in so grossen Beständen, so z. B. Arten von Impatiens,
Cyrtandra, Elatostema, Selaginella etc. Gräser treten im tropischen
Urwalde ganz zurück.
Unter den mehr vereinzelt auftretenden, jedoch selten fehlenden
Kräutern des Regenwalds seien noch die Begonien (Fig. 136) erwähnt,
die sowohl in Amerika, wie in Asien, theils niedrig und aufrecht, theils
an Baumstämmen und Felsen ziemlich hoch emporkletternd, grosse
Mannigfaltigkeit ihrer Formen aufweisen, ferner die Araceen des Bodens,
mit ihren oft an Schlangen erinnernden bunten Blattstielen, endlich,
als seltenere Erscheinungen, die parasitischen Balanophoren, die sapro-
phytischen Orchideen und Burmanniaceen etc.
Die Baumstämme sind von einem reichen Flor der verschieden-
artigsten Lianen und Epiphyten, auf welche nachher in's Einzelne zurück-
gekommen werden soll, bedeckt. Die verschiedensten Formen, oft
durch grosse Laubflächen oder prächtige Blüthen ausgezeichnet, bilden
diese oberirdischen Gärten.
\\A. Erster Abschnitt : Die tropischen Zonen.
Suchen wir in der Flucht der Urwaldbilder das gemeinsame fest-
zuhalten, so fällt in erster Linie das Streben nach Licht in die
Augen und die Möglichkeit, diesem Streben beinahe unbehindert zu folgen,
ist in der grossen, immerdauernden Feuchtigkeit gegeben.
Der Kampf ums Licht herrscht allerdings in den Wäldern aller
Zonen. Ueberall treibt er die Vegetation aus der schattigen Tiefe in
die Höhe, aber dieser Wettkampf ist nirgends so ausgeprägt als in den
immergrünen Wäldern tropischer Gebiete, mit ihren schlanken Stämmen,
deren aufrechte, schwach verzweigte Aeste so begehrlich nach dem
Lichte streben und gleichzeitig eine Fülle von Gästen mit an das Licht
fördern, wie Lianen, deren schwache Stämme sich am Baumgerüst fest-
klammern, Epiphyten, welche im Geäste keimen und sich so von Anfang
an im Besitze der ihnen zusagenden Beleuchtung befinden.
In der epiphytischen Vegetation ist das Streben nach Licht am
vollkommensten befriedigt, überzieht dieselbe doch, mit ihren oft statt-
lichen, sogar baumartigen Formen, das Geäst des Wirthsbaums bis zu
seinen äussersten Enden, sogar die Blätter nicht verschonend, auf welchen
nicht nur Moose und Algen wachsen, sondern gelegentlich sogar blühende
Orchideen gefunden werden.
In den Epiphyten zeigt sich aber auch der Kampf um's Licht am
meisten ausgeprägt, und verursacht grosse Verwüstungen. Häufig hört
man im Urwald den Baumast krachend brechen, unter der Last des zu
üppig gewordenen atmosphärischen Gartens, und vielen früher statt-
lichen Bäumen dienen die zum Hohlcylinder verwachsenen Wurzelgerüste
der epiphytischen Feigen oder Clusien als lebende Särge, in welches
sie allmählich vermodern.
Während das Bedürfniss nach Licht die Vegetation in die Höhe
treibt, zieht sie dasjenige nach Feuchtigkeit nach unten. Bei ab-
nehmender Feuchtigkeit werden die Gestalten der Holzgewächse massiv,
die Laubkronen dichter, die Laubblätter kleiner und sämmtliche Ge-
wächse, mit Ausnahme genügsamer Moose und Flechten, bleiben an
den Boden gebunden. Die grosse Feuchtigkeit ist der physio-
logische Factor alles Charakteristischen in der Plastik
des tropischen Regenwaldes.
Thatsächlich sind alle Regenwaldgebiete im Besitze nicht bloss von
Niederschlägen zu allen Jahreszeiten, sondern auch sehr grosser Regen-
mengen. Letztere betragen in den klimatischen Regenwaldgebieten
mindestens 200 cm jährlich, häufig aber bedeutend mehr. 300 — 400 cm
sind keineswegs selten. Die Feuchtigkeit der Luft ist entsprechend
gross. Sie fällt selten beträchtlich unter 8o°/0 und nähert sich in den
Nacht- und Frühmorgenstunden der vollkommenen Sättigung.
G. Haberlandt stellte einige Beobachtungen über die Luftfeuchtigkeit
am Rande des Urwaldes bei Tjibodas. Danach betrug dieselbe daselbst auch
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IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. * i e
in den hellen Vormittagsstunden 80 — 9o°/0, Morgens um 7 h. und in den
Nachmittagsstunden stets 97 — 99°/0- Die geringste relative Feuchtigkeit habe
ich am 12. Februar Mittags 12 h. bei heiterem Himmel beobachtet: sie be-
trug 79%. Im Walde selbst ist die Feuchtigkeit natürlich noch grösser; da
wird sie wohl wochenlang nicht unter 90 °/0 herabsinken. *)
§ 3. Der tropische Regenwald in Asien. Besser als allgemeine
Betrachtungen dürfte die Schilderung einer Excursion im tropischen
Urwalde eine Vorstellung von dem allgemeinen Charakter eines solchen
geben. Ich entnehme aus meinen Reisenotizen folgende an Ort und
Stelle entnommene Skizze eines Urwaldes am Gedeh, auf Java, gelegent-
lich unter Hinweis auf die Wälder des benachbarten Salak *) (Fig. 137).
Im Vergleich zum mitteleuropäischen Walde ist das Bild ein solches
erstaunlicher Ueppigkeit, aber auch wirrer Unordnung. Die Bäume haben
sehr ungleiche Stammdicke, die Stämme sind zumTheil an der Basis durch
Brettergerüste gestützt, Lianen, deren Stämme selten mehr als Faust-
dicke besitzen, durchziehen in wirren schlangenähnlichen Windungen
die Luft. Das Dickicht grossblätteriger, oft buntblühender Sträucher
zwischen den Bäumen ist manchmal durch Lücken unterbrochen, welche
von sehr saftigen, oft über manneshohen Kräutern behauptet sind. Was
beirn ersten Blicke die Physiognomie dieses Waldes von derjenigen eines
europäischen oder nordamerikanischen auszeichnet, ist die Ausfüllung des
Raumes mit Laub und das erdrückende Vorherrschen der grünen Farbe.
Die Oberfläche der Baumstämme ist beinahe ganz unter einer grünen
Pflanzenhülle verborgen. Solche wird stellenweise vornehmlich von
Freycinetia insignis gebildet, einer epheuartig kletternden Pandanacee,
deren in eleganten Festonen herabhängende, von schlaffen bandartigen
Blättern dicht besetzte Zweige bis in das Innere der Baumkrone hinein
reichen. Von den Baumästen hängen die zwei oder drei Meter langen
Schweife von Lycopodium Phlegmaria, Psilotum flaccidum, und anderen
Lycopodiaceen (Fig. 138) mit den kammartig zerschlitzten Bändern einer
Nephrolepis herab; ihnen gesellen sich eine Fülle kleinerer Farngewächse.
Die Oberseite der Aeste ist ein atmosphärischer Blumengarten, wo in-
mitten eines kurzen Rasens kleiner Orchideen, kriechender Peperomien
und Farne, scharlachroth blühender Aeschynanthus- Arten, strauchige
Medinilla-Arten mit rosenrothen Blüthenrispen sich erheben. Auf dem
Gipfel der höchsten Bäume prangt manchmal Rhododendron javanicum,
in der Ferne als feuerrother Blumenstrauss weit sichtbar, innerhalb des
Urwalds aber nur durch herabgefallene Corollen verrathen. In höheren
Regionen wird dieses prächtige Gewächs häufiger und ist dann weniger
an die Baumwipfel gebunden.
>) l. c. S. 792.
*) Der betreffende Gedehwald befindet sich bereits in kühlerer Region, bei ca. 1 500 m,
doch hat er noch sein tropisches Gepräge.
Fig. 1 38. Epiphytische, von Baumästen herabhängende Lycopodiaceen des tropischen Regenwaldes am
Gedeh. / Psilotum flaccidum. 2 Lycopodium nummulariaefolium. 3 Lycopod. Phlegmaria. a, 6, c nat Gr.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
317
Auf manchen Strecken ist es nicht Freycinetia, sondern das noch weit
auffallendere Asplenium nidus (Fig. 1 39), welches das innere Waldgepräge
in erster Linie bedingt. An allen Baumstämmen, den dicken wie den
dünnen, sogar an den Lianen sind seine Riesentrichter reihenweise über-
einander befestigt. Sie füllen alle Zwischenräume aus, sie beherrschen
die ganze Landschaft, sie sind die wahren Sieger im Kampfe ums
Dasein, und der übrigen Vegetation scheint keine andere Bedeutung
mehr zuzukommen, als den Trichtern als Träger zu dienen und sie mit
Fig- I39» Asplenium nidus im Botanischen Garten zu Buitenzorg. Stark verkleinert. Nach
einer Photographie des Herrn Dr. Treub.
todten Blättern auszufüllen, — bis die Baumstämme unter ihrem Ge-
wichte zusammenbrechen oder, was häufiger eintritt, an gestörtem Stoff-
wechsel zu Grunde gehen.
Noch viele andere Pflanzentypen siedeln sich auf der Baumrinde
an. Die Basis des Stammes ist von grösseren Epiphyten frei, dagegen
von einem Schleier zarter Hymenophyllaceen umhüllt. Vaccinium lucidum
entwickelt aus knolligem Stamme seine buchsähnlichen, kleinblüthigen
Zweige; Ficus diversifolia lockt den Blick durch ihre unterseits ocker-
3 18 * Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
gelben Blätter und ihre lebhaft gelben erbsengrossen Feigen. An vielen
anderen Punkten Java's, jedoch stets auf tieferem Niveau, sind den
Stämmen und dickeren Aesten vielfach die rübenartig angeschwollenen
Sprosse der berühmten Ameisenpflanzen, Myrmecodia und Hydnophytum,
(Fig. 85 u. 86) befestigt. Moose und Rechten sind in solchen tiefgelegenen
Wäldern als Epiphyten schwach entwickelt; ihre eigentliche Heimath
ist die höher gelegene kühle Region der Nebel.
Gegen das Grün treten die anderen Farben stark zurück. Der
tropische Regen wald ist jedoch keineswegs so arm an schön blühenden
Gewächsen , wie es gewöhnlich behauptet wird , wohl im Anschluss
an Wallace, welcher wahrscheinlich die englische Wiese im Auge hatte
und nicht den Wald mit dem Walde verglich. Der Tropenwald ist im
Allgemeinen eher farbenreicher als der europäische Wald, namentlich
in Amerika, wo die so mannigfachen und so massenhaft auftretenden
epiphytischen Bromeliaceen häufig mit lebhaft gefärbten Blüthen,
Früchten oder Hochblättern versehen sind.
Als schön blühende Gewächse des javanischen Waldes wurden
bereits Rhododendron javanicum und die Medinilla-Arten erwähnt
Manche Sträucher des Bodens verdienen dieselbe Bezeichnung, so
namentlich Pavetta-Arten, mit corallenrothen Doldenrispen, die stellen-
weise am Salak recht häufig sind. Allgemeiner sind die ebenfalls zu
den Rubiaceen gehörigen Mussaenda-Arten, bei welchen eines der Kelch-
blätter zu einem grossen blendendweissen Blatte sich entwickelt, während
die kleinen Corollen in sattem Orangengelb prangen. Schön blühend
ist in höchstem Grade Dichroa Cyanites, mit ihren herrlichen himmel-
blauen und schneeweissen Blüthenständen und die eher als kleine
Bäume, denn als Sträucher zu bezeichnenden Saurauja-Arten (Tern-
stroemiaceen) erinnern in ihrem zarten Blüthenflor an unsere Kirsch-
bäume. Die zahlreichen Melastomaceen fallen auf Java meist mehr
durch eigenartiges Laub als durch schöne Blüthen auf, welche mit
Ausnahme von Medinilla, in Farbenglanz und Grösse den tropisch-
amerikanischen Arten weit nachstehen. Ziemlich unscheinbar sind in
den tiefer gelegenen Wäldern auch die Ardisia-Arten (A. semidentata,
polyneura etc.), während die so richtig benannte Ardisia decus montis
eine Hauptzierde des höher liegenden temperirten Regenwalds bildet-
(Vgl. d. Abschnitt IV).
Die Rubus-Arten (R. glomeratus, chrysophyllus, alceaefolius) fallen
mehr durch die Schönheit des Laubes als der Blüthen auf; sie treten
übrigens erst in höher gelegenen Wäldern als wesentliche Bestandteile
der Vegetation auf. Die ganz unscheinbar blühenden Bäumchen und
Sträucher sind daneben, sowohl der Zahl der Arten, wie der Individuen
nach, sehr stark entwickelt. Dahin gehören Vertreter der Urticaceen,
mit lockeren, hängenden, grünlichen Blüthenständen (Boehmeria- und
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. 31g
Lasortea- Arten) , Piper- Arten , mit aufrechten , kerzenartigen Blüthen-
ständen, Euphorbiaceen (Croton-, Phyllanthus- Arten), Lasianthus pur-
pureus mit kleinen violetten Blüthen. Endlich seien als wesentliche
Bestandtheile der holzigen Schattenvegetation noch erwähnt, kleine
Palmen (Pinanga), Pandanus furcatus und zahlreiche Baumfarne.
Die krautige Vegetation zeigt einen erstaunlichen Formenreich thum.
Ihre vornehmsten Bestandtheile sind die gesellig wachsenden Zingi-
beraceen, deren Haine bereits erwähnt wurden. Vereinzelt zeigt sich
hier und dort eine stattliche, nicht blühende Musa. Weite Strecken
sind von einem dichtstehenden Strobilanthusgebüsch (Acanthaceae)
bedeckt, dessen durchsichtige Stengel beim Durchgehen . glasartig zer-
brechen und dessen zartes Laub von ziemlich grossen hellrothen Blüthen
geschmückt ist. Anderwärts ist die krautige Vegetation kaum kniehoch
und wesentlich von Cyrtandra nemorosa und Elatostema- Arten gebildet;
auf der sattgrünen ebenen Fläche erheben sich vereinzelte höhere
Kräuter, so die grossblätterige Begonia robusta, die mehr durch ihre
Kobaltblauen Beeren als durch ihre weissen Inflorescenzen auffallende
Pollia thyrsiflora, in der Blüthen- und seltenen Fruchtfarbe mit der
vorgenannten übereinstimmende Dianella montana , Disporum multi-
florum, mit hängenden , violetten Blüthenglocken , Polygala venenosa
mit grossen, gelben Blüthen etc.
Schiebt man mit der Hand die Blätter des Krautteppichs auseinander,
so erblickt man zwischen saftstrotzenden, zerbrechlichen Stengeln das
von verfaulenden, stets nassen Blättern bedeckte Substrat. Die Zwischen-
räume erscheinen sehr gross, obwohl vom Laubdache der Kräuter ganz
überwölbt und ernähren keine dem blossen Auge sichtbare Vegetation.
Hingegen ist man überrascht, einen Blüthenflor zu entdecken, von welchem
man oberhalb des Laubdachs nichts merkte, namentlich den Stengeln von
Cyrtandra nemorosa entspringend, aber auch am Stamme von Saurauja
cauliflora, der seine dichten rothen und weissen Blüthenbüschel nur an
seiner Basis, ganz unter Kräutern verborgen, zur Ausbildung bringt.
Die Bäume sind im Regenwalde die am wenigsten auffallenden
Bestandtheile; nur die Plankengerüste zeichnen viele derselben beim
ersten Blicke vor den Bäumen eines europäischen Waldes aus. Der
stattlichste Baum dieser Wälder ist Altingia excelsa (Hamamelidaceae),
die Rasamala der Eingeborenen, welcher bis gegen 60 m Höhe und
112 cm Stammdicke erreicht, meist jedoch 40 — 45 m hoch ist.1)
Zu voller Geltung kommt der Baum erst in der Ferne, bei Betrachtung
des Waldes von oben, da seine Krone die anderen weit überragt. Sehr häufig
ist ferner die Puspa (Gordonia Wallichii, eine Ternstroemiacee), welche
*) Koorders tu Valeton I, p. 204. Der höchste von diesen Autoren gemessene Baum
hatte 58 m Höhe und war erst oberhalb 40 m verzweigt.
J20 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
zur Blüthezeit in der Ferne als schneeweisse Masse erscheint und sich an
den zahlreichen abgefallenen Blumenblättern im Waldinnern verräth. Die
Feigenbäume, welche vornehmlich die am tiefsten gelegenen Wälder be-
wohnen, sind an ihren Luftwurzeln leicht kenntlich und manchmal cauliflor.
Nach Junghuhn gehören die höchsten Bäume dieser Wälder
namentlich zu den Gattungen Canarium (C. altissimum), Thespesia
(Th. altissima), Dipterocarpus (D. trinervis und D. retusa), Epicharis
(E. altissima und E. cauliflora). Die kleineren Baumarten sind weit
mannigfacher. Als besonders häufig erwähnt Junghuhn Vertreter aus
den Familien der Myristicaceen , Tiliaceen, Sapotaceen, Compositen
(Vernonia javanica), Rubiaceen, Euphorbiaceen, Büttneriaceen, Laura-
ceen (Cinnamomum), Mimosaceen etc.1)
Kurz unterscheidet in Pegu zwei Formen der Regenwälder, die ge-
schlossenen und die offenen, welche zwei Graden der Feuchtigkeit
entsprechen.
Der geschlossene Wald bildet eine 150 — 200' dicke Vegetationsmasse,
in welcher 4 bis 5 Stockwerke unterschieden werden können. Die höchsten,
das gemeinsame Laubdach überragenden Bäume werfen zum Theile ihre
Blätter während der trockenen Jahreszeit ab, so Arten von Sterculia, einzelne
Datiscaceen (Tetrameies), Leguminosen (Parkia, Albizzia, Aerocarpus, Ptero-
carpus, Xylia), Anonaceen (Guatteria), Anacardiaceen (Swintonia), Lythraceen
(Duabanga), Artocarpeen (Artocarpus) , Tiliaceen (Pentace) u. a. Immergrün
sind unter diesen Riesenarten Dipterocarpeen (Dipterocarpus, Parashorea,
Hopea, Anisoptera), Sapotaceen (Payena), Guttiferen (Garcinia), Urticaceen
(Antiaris). Die grossen Bäume des mittleren Stratum sind hauptsächlich immer-
grün. Es sind darunter namentlich vertreten einzelne Arten aus den Anona-
ceen (Mitrephora), Sterculiaceen (Pterospermum), Burseraceen (Bursera), Melia-
ceen (Amoora, Cedrela, Disoxylum, Sandoricum), Celastraceen (Kurrimia),
Cornaceen (Marlea), Bignoniaceen (Stereospermum) , Verbenaceen (Vitex»,
Leguminosen (Pithecolobium , Adenanthera, Dalbergia, Albizzia), Sapindaceen
(Sapindus), Lythraceen (Lagerstroemia), Anacardiaceen (Mangifera, Semecarpus»,
Guttiferen (Xanthochymus), Ficus-Arten, Diospyraceen (Diospyros), Lauraceen
(Litsea), Euphorbiaceen (Bischofia, Trewia), Malvaceen (Hibiscus), Sterculiaceen
(Sterculia, Pterospermum), Tiliaceen (Elaeocarpus), Podocarpus u. a. m.
Das dritte Stockwerk ist von immergrünen, höchstens 30' hohen Bäumchen
zusammengesetzt, und zeigt eine noch mehr verwirrende systematische Zu-
sammensetzung als die obersten Stockwerke. Da sind Violaceen (Alsodeia),
Lauraceen (Litsea, Phoebe, Cinnamomum), Bixaceen (Hydnocarpus) , Hippo-
crateaeeen (Siphonodon) , Euphorbiaceen (Cleistanthus , Ostodes, Baccaurea,
Aporosa, Excoecaria, Antidesma), Rutaceen ( Micromelum ) , Bignoniaceen
(Spathodea), Tiliaceen (Elaeocarpus), Sapindaceen (Erioglossum , Lepisanthes,
Cupania, Euphoria), Meliaceen (Aglaia, Heynea), Anacardiaceen (Drimycarpus,
Semecarpus), Myrsinaceen (Maesa, Ardisia) , Urticaceen (Celtis), Ficus-Arten,
») 1. c. I, p. 315-
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. 32 1
Leguminosen (Millettia, Erythrina, Dalbergia), Myrtaceen (Eugenia), Melastoma-
ceen (Memecylum), Anonaceen (Cyathocalyx , Goniothalamus, Saccopetalum),
Cupuliferen (Castanopsis) , Diospyraceen (Gunizanthus , Diospyros), Guttiferen
(Garcinia), Ternstroemiaceen (Eurya), Tiliaceen (Grewia), Rutaceen (Zantho-
xylum, Glycosmis, Murraya), Simarubaceen (Picrosma) , Ochnaceen (Ochna),
Dicineen (Ilex), Celastraceen (Evonymus), Verbenaceen (Vitex), Myristica, u. a. m.
Verschiedene Palmen, Bambusen und Pandanus fiircatus gehören auch zu diesem
Stockwerke.
Unter den Lianen sind vertreten Malvaceen (Hibiscus), Combretaceen
(Illigera, Calycopteris), Anonaceen (Artabotrys), Leguminosen (Dalbergia, Acacia,
Bauhinia), Rhamnaceen (Colubrina, Zizyphus, Gouania, Ventilago), Araceen
(Pothos, Scindapsus) , Ranunculaceen (Naravelia), Acanthaceen (Thunbergia),
Convolvulaceen (Porana), Vanilla, Jasminum, Menispermaceen (Tinospora),
Rubiaceen (Ancistrocladus, Uncaria), mehrere Vitis- Arten, 3 oder 4 Arten von
Calamus und viele Andere.
Unter den aufrechten Sträuchern zeigen sich z. B. Violaceen (Alsodeia),
Rubiaceen (Musssaenda, Morinda, Ixora), Urticaceen (Boehmeria), Verbenaceen
(Clerodendron), * Anonaceen (Unona), Capparidaceen (Capparis), Myrsinaceen
(Maesa, Ardisia), Diospyros, Connarus u. a. m.
Die Kräuter sind spärlich. In den dichten Theilen des Waldes ist der Boden
nur von faulenden Blättern, Baumstämmen u. s. w. bedeckt; an lichten Stellen
dagegen zeigen sich in zahlreichen Exemplaren Arten von Strobilanthus und
anderen Acanthaceen, einzelne Aristolochiaceen (Bragantia), Urticaceen (Elatos-
tema), Piper, Rubiaceen, Araceen, Liliaceen (Dracaena, Dianella), Commelina-
ceen (Pollia), wenige Cyperaceen und Gräser, viele Scitamineen und noch
mehr Farne. Die Bäume tragen auf ihren Stämmen und Aesten als Epiphyten
Orchideen, Cyrtandreen u. s. w., aber wenig Moose, die überhaupt sehr schwach
vertreten sind, ausser als Epiphyllen auf den Blättern, wo sie reichlich sind.
Flechten kommen auf Bambusen und den höchsten Baumästen vor.
Pilze sind zahlreich, namentlich während der Regen. Einige Algen
(Chroolepus, Scytonema) kommen als Epiphyten auf Stämmen und Blättern vor.
Die offenen immergrünen Wälder stimmen floristisch mit den geschlossenen
nahe überein, sind aber bedeutend formenärmer. Es sind nur drei oder vier
Stockwerke der Vegetation und wenige Lianen und Sträucher vorhanden, so dass
solche Wälder weniger undurchdringlich sind.
§ 4. Der tropische Regenwald in Afrika. Die durch Pechuel-Lösche
entworfene Schilderung des Regenwalds an derLoango-Küste (West-
Afrika) ist mehr malerisch als wissenschaftlich. Immerhin giebt sie eine an-
schauliche Vorstellung von der Physiognomie des westafrikanischen Waldes.
(Fig. 140). „In seiner mächtigsten Entfaltung beherrscht er Höhen, Hänge
und Thäler des Gebirges, sowie die Niederungen vieler Wasserläufe ; besonders
die aus sehr fruchtbarem Schwemmlande aufgebauten Uferleisten des Kuflu
schmückt er in unvergleichlicher Schönheit Er ist ebenbürtig den groß-
artigsten Waldungen, die ich in anderen Ländern bewundert habe. Doch
sind in ihm nicht, wie z. B. in den Wäldern Brasiliens, Guyana's, Westindiens,
grosse und kleine Pflanzengestalten in reicher Abwechselung mit der denkbar
Schimper, Pflansengeographie. 21
322
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
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IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. 323
äussersten Benutzung des Raumes zusammengedrängt, in ihm wiederholen sich
vielmehr gewisse zu riesigen Formen entwickelte Typen in Menge und ver-
leihen ihm eine imponirende Gleichförmigkeit.
„Wie eine weite, grün überwölbte Halle empfangt er den Eintretenden.
Das Laubdach ist durch unzählige, oft wunderlich geformte Säulen an 20 m
über den Boden emporgelüftet. Ungeheure Stämme, astlos, schnurgerade und
walzenrund, dazwischen schwächere, knorrig, verbogen, vielgetheilt, verlieren
sich nach oben in den lockeren Blättermassen, welche an vielen Stellen von
üppig belaubten Lianen durchzogen sind. Eine gedämpfte geheimnissvolle
Beleuchtung umwebt die hellrindigen silbergrauen oder bräunlichen Schäfte,
während vereinzelte wie in eine Kirche einfallende Sonnenstrahlen in zitternden
goldigen Lichtern spielen. Immergrüne Bäume, an Höhe denen unserer
schönsten deutschen Forsten gleichend, bilden die Hauptmasse des Waldes
und drängen ihre Wipfel eng in einander. Ueber dieses dichte, von Schling-
gewächsen übersponnene Laubdach ragen gewaltige unserer Buche gleichende
Bäume mit periodischem Laubwurfe hinaus und entfalten erst in 30 und 50 Meter
Höhe ihre feinverzweigten Kronen. Die meisten Stämme zeigen an ihrem
Wurzelende in auffallender Weise die Neigung zur Pfeilerbildung . . ."
Nach einer eingehenden Besprechung der Pfeiler und der Lianen fahrt Ver-
fasser fort, „Epiphyten haften nirgends an den hellen glatten Stämmen, selbst Moose
sind verhältnissmässig nicht häufig. Das Unterholz ist spärlich vertheilt, und
nur dichte Bestände einer Blattpflanze mit geraden, weithin rankenden Stengeln
beleben einzelne Strecken. Eine Schicht trocknen Laubes lagert auf dem
Boden; eingebettet in sie modern die niedergebrochenen Hölzer. Wo einer
der hochragenden Riesenstämme in gewaltigem Sturze den ganzen Wald unter
sich niedergeschmettert hat, da strömt durch die weite Lücke im Laubdache
das Tageslicht herein, niedere Pflanzenformen haben sich angesiedelt, während
junge Bäume im Wettwuchse nach oben streben.
. . . Wenn auch die Menge des hochübereinander geschichteten Laub-
wuchses dem Untenstehenden vielfach eine völlig geschlossene Wölbung zu
bilden scheint, so ist er doch locker angeordnet; die Blätter sind vorwiegend
büschelförmig an die Spitzen der Zweige gerückt, und letztere sind nicht so
vielfach getheilt wie an deutschen Waldbäumen. Daher können allenthalben
Lichtstrahlen durch das Laubdach dringen und, wenn auch mannigfach ge-
brochen, den Boden erreichen ..." S. 142. 145.
Der ostafrikanische Regenwald ist sowohl, was die Ausdehnung, als die
Ueppigkeit der Vegetation betrifft, schwächer entwickelt als in West- Afrika;
er zeigt sich wesentlich auf Bergschluchten beschränkt. Die Regenwaldflora
von Usambara ist durch Engler in Bearbeitung genommen worden. Unter
den bisher erkannten Bäumen desselben zeichnen sich durch Höhe aus u. a.
Mesogyne insignis; Paxiodendron usambarense (Lauracee); Albizzia fastigiata;
Sorindeia usambarensis (Anacardiacee); Stearodendron Stuhlmannii; Chryso-
phyllum Msolo (Sapotacee). Diese Bäume sind 30 bis 60 m hoch. Kleinere
Bäume sind u. a. Ficus Volkensii (15 m); Myrianthus arborea (10 m hohe
Urticacee); Dasylepis integra (bis 10 m hohe Bixacee); Oxyanthus speciosus
(bis 10 m hohe Rubiacee) u. a. Als Sträucher und Zweigbäume des Unterholzes
21*
J2A Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
zeigen sich Arten von Piper, Cassia, Brucea (Simarubacee); Pycnocoma (Eu-
phorbiacee), Allophyllus (Sapindacee), Alsodeiopsis (Olacacee), Haronga (Hy-
pericacee), Oncoba (Bixacee), Clerodendron (Verbenacee), Whitfieldia (Acantha-
cee), Pavetta, Chasalia und Psychotria (Rubiaceen), Vernonia (Composite) und
ein niedriger Baumfarn (Alsophila Holstii) u. a. Die krautige Vegetation ist
hauptsächlich von Farnen gebildet, dazu treten einige Scitamineen, Urticeen,
Euphorbiaceen etc. Lianen kommen wenig im dichten Walde vor, Epiphyten
sind vornehmlich Farne, untergeordnet Orchideen und Peperomien. (S. 82.)
§ 5. Der tropische Regenwald in Amerika. Die grösste Berühmt-
heit haben die tropischen Urwälder Amerikas erlangt und wohl mit
Recht. Auf sie beziehen sich in erster Linie die gewöhnlichen Vor-
stellungen und diese sind den Schilderungen Humboldt 's, Martius\
Schomburgk's , Saint-Hilaire's entnommen. Ich habe an verschiedenen
Stellen des tropischen Amerika, auf den Antillen, in Venezuela, in
Brasilien den Urwald betreten. Vielfach fand ich denselben noch weit
majestätischer als auf Java, dank der grösseren Mächtigkeit der Bäume,
der grösseren Dicke der Lianenstämme, dem noch viel massenhafteren
Auftreten der Epiphyten. Die wesentlichen Züge der Physiognomie
sind aber nahezu dieselben hier und dort, entsprechend der Aehnlichheit
der Existenzbedingungen. Doch tritt sowohl in Westindien wie in Bra-
silien und Süd -Mexiko, — wohl auch anderwärts in Amerika — , ein
Merkmal hinzu , welches ich auf Java nicht fand und welches für die
vorderindischen Wälder nicht erwähnt wird, nämlich der ausserordent-
liche Reichthum an unverzweigten senkrecht durch die Luft ziehenden
Luftwurzeln, den „cipös" der Brasilianer, die als stramm gespannte Drähte
die auf demGeäste der Bäume befindlichen kletternden und epiphytischen
Araceen und Clusiaceen mit dem nährenden Boden verbinden (Fig. 352).
Unter den floristischen Merkmalen des tropisch-amerikanischen Regen-
waldes fällt wohl zunächst sein Besitz an Bromeliaceen in die Augen,
die beinahe stets epiphytisch lebend, meist einen wesentlichen und durch
eigenartige Formen wie durch Farbenpracht ausgezeichneten Bestand-
teil der Vegetation bilden. Auch die epiphytischen Cacteen, nament-
lich Rhipsalis- Arten, fehlen selten und sind leicht kenntlich.
Einem weit verbreiteten Irrthum gegenüber muss betont werden, dass
baumartige Palmen keineswegs nothwendig zu den vorherrschenden Bestand-
theilen des tropischen Regenwaldes gehören, weder in der neuen, noch in der
alten Welt. Wohl sind Vertreter der Familie meist vorhanden. Es sind aber
vorwiegend kleine Formen, oder stachelige Palmlianen. Hochstämmige, auf-
rechte Palmen treten im Walde häufig ganz zurück, so z. B. auf Java; da-
gegen sah ich auf Dominica Euterpe oleracea, in Süd-Brasilien Euterpe edulis
häufig im Urwald wachsen. Einen an Palmen reichen Wald zeigt auch Fig. 1 30
für Samoa.
§ 6. Der tropische Regenwald in Australien und Mikronesien.
Eine Schilderung des tropischen Waldes, der sich von der Nordküste
Fig. 141. Aus dem tropisch-amerikanischen Regenwalde. Blumenau, Brasilien.
Links: Schizolobium excelsum, entblättert. Euterpe edulis. In der Mitte ein Farnbaum.
Nach einer Photographie von Herrn Prof. Dr. II. Schenck.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
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1 26 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Australiens nach Südosten, längs der Küstengebirge von Queensland
(Fig. 142) bis über den Wendekreis hinausdehnt, ist von Tenison- Woods
gegeben worden. Dieselbe ist mir leider unzugänglich und nur durch
den Auszug in Drude's Pflanzengeographie *) bekannt. Von der Ueppig-
keit des Regenwaldes auf Samoa geben die Fig. 130, 150, nach Photo-
graphien, die unter Leitung des Weltreisenden Herrn Küppers - Loosen
ausgeführt wurden, eine prägnante Vorstellung.
3. Oekologische Eigentümlichkeiten der Regenwald-
gewächse.
Die Gewächse des immergrünen tropischen Regenwaldes sind aus-
gesprochen hygrophil und besitzen, mit Ausnahme eines Theils der
Epiphyten, bei welchen ganz eigenartige Existenzbedingungen vorliegen,
entsprechende Structur. Alle Eigenthümlichkeiten , die wir in einem
früheren Kapitel als charakteristisch für die Vegetation in sehr feuchtem
Klima kennen lernten, wie schwache Ausbildung des Korks und der
Fasern in den Axen, Ombrophilie des Laubes, Hydathoden, Träufel-
spitzen an den Blättern sind bei ihnen stark ausgeprägt. Die zuletzt
erwähnten Eigenthümlichkeiten hygrophiler Pflanzen scheinen in den
Tropen stärker entwickelt zu sein als in den temperirten Zonen und
sind auch dort vornehmlich nachgewiesen worden.
Im Folgenden sollen einige Eigenthümlichkeiten der tropischen
Regenwaldgewächse geschildert werden, welche, ohne in anderen Zonen
ganz zu fehlen, doch nur in den tropischen zu hervorragender Be-
deutung gelangen und das ökologische Vegetationsbild beherrschen.
§ 1. Die Bäume und Sträucher des Regenwaldes. Die Stämme
der Bäume, deren Kronen das von unten meist unsichtbare Laubdach
bilden, sind sehr ungleich dick und im Durchschnitt dünner als in weniger
dichten und feuchten Urwäldern. Manche derselben sind an ihrer Basis
von Strebepfeilern gestützt, welche zuweilen aus cylindrischen
Wurzeln bestehen, die in einiger Entfernung vom Boden aus dem
Stamme entspringen (Cecropia-, Myristica- Arten), weit häufiger jedoch
brettartige Auswüchse der Stammbasis und der obersten Wur-
zeln darstellen (Fig. 143). Diese von der Basis vieler Baumstämme bis
zu einer Höhe von meist 1 bis 2 m über dem Boden ausstrahlenden
Planken bilden tiefe Nischen, in welchen nicht selten zwei oder drei
Menschen bequem Platz haben. Die Dicke der Planken ist vielfach so
gering, dass dieselben ohne weiteres zur Herstellung von Tischen Ver-
wendung finden können. Solche Gerüste kommen übrigens keines-
') S. 495.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
327
wegs allen Bäumen des Regenwaldes, sondern nur der Minderzahl
derselben zu; man sieht sie vornehmlich an sehr hohen, oberwärts
relativ dünnen Stämmen, aber auch an den massiven Stämmen von
Feigenbäumen.
Wie für so viele andere Erscheinungen der tropischen Vegetation, bietet
der botanische Garten zu Buitenzorg reiche Gelegenheit die Plankengerüste
in verschiedener Ausbildung kennen zu lernen und zwar, was im Walde in
der Regel nicht der Fall, an Bäumen bekannter systematischer Stellung. Die
auffallendsten dieser Bildungen zeigen sich dort, wie es Haberlandt bereits
mitgetheilt hat, bei Bäumen aus der Familie der Sterculiaceen. In meinen
Fig. 143. Stammbasis mit Plankengerüst einer Sterculia-Art im Botanischen Garten zu
Buitenzorg. Nach Haberlandt.
Notizen finde ich Sterculia spectabilis Miq. , Firmiana colorata R. Br. und
Pterygota Roxburghii als besonders ausgezeichnet angeführt. Ferner habe ich
als bemerkenswerth bezeichnet: Dysoxylum mollissimum und D. Kadoya
(Meliaceae); Urostigma altissimum und Cecropia cyrtostachya (Artocarpeae) ;
Spathodea campanulata (Bignoniaceae) ; Vitex timorensis, V. cofassus, V. leu-
coxylon (Verbenaceae); die meisten Terminalia- Arten (Combretaceae). Keine
Plankengerüste haben unter anderen die hohen Bäume aus den Familien der
Sapindaceae, Apocynaceae, Sapotaceae, die Myristica- Arten. Mehrere Arten
der letzten Gattung haben Stützwurzeln. Brandis erwähnt Brettergerüste u. a.
für Bombax malabaricum , Vitex- , Antiaris- , Lagerstroemia- , Hymenodyction-,
Nuclea- Arten.
328
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Das Plankengerüst ist eine Eigenthümlichkeit der
Bäume regenreicher tropischer Klimate, ohne auf den
immergrünen Regenwald be-
schränkt zu sein, denn es
zeigt sich auch im laub-
abwerfenden Monsunwald
(Fig. 189); dagegen fehlt
es in weniger feuchten Ge-
bieten. Die für sein Auf-
treten nöthige Regenmenge
ist nicht ermittelt. Die phy-
siologischen Ursachen der
Erscheinung und ihre Bedeu-
tung für das Leben des Bau-
mes sind zur Zeit noch unklar.
An den meisten Baum-
stämmen des Regenwaldes
ist in Folge der Beein-
trächtigung der Korkbildung
durch die Feuchtigkeit, die
Borke nur schwach
entwickelt. Die Stämme
im Regenwald zeigen nie
solche Borkenschuppen, wie
sie in den trockenen tro-
pischen Gebieten in so auf-
fallender Dicke sich zeigen.
Vielmehr sind sie oft ganz
glatt, oder mit wenig tiefen
Längs- und Querrissen ver-
sehen. Ja, die Korkbildung
ist manchmal so schwach,
dass mitteldicke Stämme von
durchschimmerndem Chloro-
phyll grün sind. Möglicher-
weise hängt die nachher zu
besprechende Erscheinung
der Cauliflorie mit der
schwachen Ausbildung der
Borke zusammen.
Selten hat man im Walde Gelegenheit, in die Verhältnisse der
Verzweigung einen Einblick zu gewinnen, da dazu der Baum gefallt
werden müsste. Dafür liefert wiederum der Garten zu Buitenzorg reichen
Fig. 144. Schizolobium excelsum.
Nach einer Photographie von Herrn Dr. Treub.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
329
Ersatz, wobei allerdings in Betracht gezogen werden muss, dass er so-
wohl Bäume des Regenwalds, als solche laubabwerfender Wälder, der
Strandwälder und sogar der Savannen enthält. Die besonders in die
Augen fallenden Gestalten der Schirmbäume treten im immergrünen
Urwalde nur ausnahmsweise auf — und dann sind es gewöhnlich Wald-
riesen , deren Kronen
sich über das allgemeine
Laubdach erheben —
während die noch auf-
fallenderen Formen der
Etagenbäume ihnen ganz
fehlen dürften. Solche
Baumformen sind viel
mehr für lichte, laub-
abwerfende, mehr oder
weniger xerophile Wäl-
der, für die Savannen
und die höchsten Wald-
regionen der Gebirge,
überhaupt für ein trocke-
nes Klima charakteri-
stisch. Die Kronen der
Urwaldbäume sind in
der Regel länglich, von
mehr oder weniger ei-
förmiger Gestalt oder
sehr unregelmässig.
In den sorgfaltigen
Aufzeichnungen von Koor-
ders und Valeton1) ist für
die grosse Mehrzahl der
Fälle die Gestalt der Krone
angegeben. Beinahe für
alle Bäume des immer-
grünen Urwalds Java's ist
dieselbe als eiförmig oder
unregelmässig bezeichnet.
Schirmbäume oder Bäume mit abgeplatteten bis halbkugeligen Kronen sind
nur Parkia biglobosa (häufiger in dünnen, laubabwerfenden Wäldern), Tarrietia
javanica (seltener Waldriese mit etwas abgeplatteter Krone), Dysoxylum mollis-
simum (bis 58 m hoher, seltener Waldriese mit unregelmässig schirmförmiger
Fig. 145. Averrhoa Bilimbi L. Eine baumartige Oxali-
dacee (ca. 8 m h.) im Botanischen Garten zu Buitenzorg.
Aus natürl. Pflanzenfam. Nach einer Photographie.
*) 1. c. Lief. 1—3.
330 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Krone), Cedrela febrifuga (Waldriese mit halbkugelförmiger Krone, auch in
dünnen, laubabwerfenden Wäldern).
Die Bäume des tropischen Regenwaldes sind weit
weniger verzweigt, als diejenigen der Wälder der tempe-
rirten Zonen. Viele der Tropenbäume bleiben ganz unverzweigt,
wie die Baumfarne, Cycadeen, Palmen und manche kleinere Dicotylen
(Carica Papaya, Theophrasta, Araliaceen etc.). Manche verzweigen sich
erst, nachdem sie 2 m oder darüber hoch sind und einen faustdicken
Stamm besitzen, wie Albizzia-, Schizolobium-Arten und andere Legu-
minosen , Cecropia etc. Die später auftretenden Aeste bleiben theil-
weise unverzweigt oder erzeugen nur wenige einfache Seitenäste (Fig. 144
und 145). Häufig werden sogar bei sehr hohen Bäumen nur drei
Zweigordnungen ausgebildet (z. B. Strombosa-, Cinchona-, Jagera-, Hopea-
Arten). Bei unseren Holzgewächsen sind hingegen höhere Zweig-
ordnungen, meist 5 — 8, vorherrschend (Wiesner).
„Selbst bei den grössten von mir in den Tropen beobachteten Bäumen
ging die Ordnungszahl über 5 nicht heraus (Ficus elastica, mit oft nur
2 — 4 Zweigordnungen, F. religiosa, Pterocarpus indica, Altingia excelsa, Gre-
villea robusta). Die zahlreichen Beobachtungen des Herrn Koorders führen
zu demselben Resultat; ausnahmsweise kommen auch noch höhere Zweig-
ordnungen vor. Die Complication der Verzweigung betrifft aber nur die
unmittelbar das Laub tragenden Zweige. Die blattlos gewordenen Stammtheile
sind durchweg nur spärlich verzweigt"1)
Die Blätter der Regenwaldbäume sind sehr mannigfach, oft von
derber lederartiger Beschaffenheit und stark glänzend, ziemlich selten
zart gefiedert oder filzig behaart. Sie sind, wie bereits des näheren
auseinandergesetzt1), meist schief zum Zenith gestellt, oft schopfartig
am Ende langer, nackter Axen angehäuft (Fig. 145).
Die Sträucher des Regenwaldes sind, wie die Bäume, im Ver-
gleich zu den Sträuchern unserer Wälder meist schwach verzweigt.
Ihre Blätter sind meist gross und zart krautig, selten lederartig.
§ 2. Die Bodenkräuter (Fig. 135 u. 136). Die Bodenkräuter sind
theils aufrecht, theils kriechend, schwach verzweigt und beinahe stets mit
gestreckten Axen versehen ; dichte Rosetten kommen, entsprechend der
grossen Feuchtigkeit, nicht vor. Bei grösserer Beschattung trägt der Boden
nur zarte Kräuter, die in der schwachen Bewurzelung, den grossen über-
zarten Blättern, der spärlichen Entwicklung von Fasern und von Ge-
lassen in ihren safttrotzenden, zerbrechlichen Stengeln den Einfluss der
Feuchtigkeit in Boden und Luft aufs deutlichste zu erkennen geben
(z. B. verschiedene Rubiaceen, Urticeen).
Manche Kräuter des Urwaldbodens sind auf ihrem Laube mit
l) Wiesner, S. 73—74.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
331
wunderbaren Zeichnungen, wie weissen, silbernen, goldenen, rothen
Flecken und Streifen versehen, welche manche derselben zu gesuchten
Zierpflanzen erhoben haben (Begonien, Marantaceen, Orchideen).
Stahl erblickt in derartigen farbigen Flecken Vorrichtungen zur Be-
förderung der Transpiration. Seine diesbezüglichen Erörterungen sind scharf-
sinnig und anregend, aber bei dem Fehlen ganz beweiskräftiger Experimente
noch zu hypothetisch, um eingehende Berücksichtigung finden zu können.
Nicht selten, namentlich an sehr feuchten und schattigen Stand-
orten, zeigt das Laub der Kräuter die sammetige Oberfläche (Fig. 24),
deren Zusammenhang mit der Lichtconcentration und der Beförde-
rung der Transpiration frü-
her dargestellt wurde.1) An
ähnlichen Orten schimmert
das Laub vieler Gewächse,
vornehmlich Selaginella- und
Trichomanes-Arten in metal-
lischem blauem Glänze.
Eine eigene Vegetations-
form bilden die im tiefsten
Waldschatten niemals fehlen-
den Hymenophyllaceen (Fig.
146), welche zwar vielfach
als Epiphyten die Basis der
Baumstämme bekleiden, aber
auch auf dem Boden und auf
Felsen vorkommen und über-
haupt die Eigenart epiphy-
tischer Gewächse nicht auf-
weisen. Die Hymenophylla-
ceen (Hymenophyllum und
Trichomanes) veranschau-
lichen besser als irgend welche
andere Gewächse des Ur-
walds dessen grosse Feuchtigkeit, indem sie manche Merkmale mit
den Wasserpflanzen theilen. Ihre zarten und, ausgenommen an den
Nerven, meist einschichtigen Blätter saugen an ihrer ganzen Oberfläche
das Wasser auf und schrumpfen rasch zusammen, sobald die Atmo-
sphäre nicht nahezu mit Wasserdampf gesättigt ist. Wie bei Wasser-
pflanzen spielen die stark reducirten Wurzeln nur eine untergeordnete
Rolle als Organe der Befestigung oder fehlen sogar gänzlich.2)
Fig. 147. HymenophyUaceen des tropischen Regen-
waldes Amerika's. / Trichomanes angustatum Carm.
2 Trichomanes sinuosum Rieh. Epiphyten auf Farn-
bäumen. Blumenau, Süd-Brasilien.
») S. 22.
2) Vgl. namentlich die citirten Arbeiten von Prantl und Mettenius.
332
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
§ 3. Die Lianen. Die eigenartigsten Bestandteile des Regen-
waldes, diejenigen, welche den Reisenden zuerst auffallen und von
ihnen am häufigsten erwähnt werden, sind die Epiphyten und die
Lianen. Beide Vegetationsformen finden sich zwar auch in anderen
Wäldern und sind nicht auf die Tropen beschränkt, der tropische
Regenwald ist aber, wie bereits gezeigt wurde, die Urheimath beinahe
sämmtlicher höheren Epiphyten, auch solcher, die in offenen, trockenen
Landschaften vorkommen, während die Holzlianen in demselben aller-
dings nicht ihren ausschliesslichen Bildungsherd, wohl aber die Statte
ihrer üppigsten Entwickelung
■ ^ '^M|^: und ihres bei weitem gröss-
ten Formenreichthums besitzen.
Beide Formen zeigen insofern
einen Zusammenhang, als ein
an Holzlianen reicher Wald,
auch reich an Epiphyten zu sein
pflegt und dass die Vertreter
beider Genossenschaften vielfach
denselben Familien angehören.
Die Entstehung beider Formen ist
auf die gleichen Factoren zurück-
zufuhren, das Streben nach Licht
unterstützt durch grosse Feuch-
tigkeit, beide sind durch Ueber-
gänge verbunden und manche
Epiphyten sind augenscheinlich
aus Lianen hervorgegangen.
Die ökologischen Eigen-
tümlichkeiten der Lianen sind
in einem früheren Kapitel in
ihren allgemeinen Zügen dar-
gestellt worden, aber die wenigen
dort auf Grund des Klettermo-
dus unterschiedenen Typen geben von der reichen Mannigfaltigkeit der
tropischen Lianenformen keine Vorstellung und die diesbezüglichen Merk-
male pflegen, ausser bei den Wurzelkletterern, im Walde dem Blicke
entzogen zu sein. Viele der zu verschiedenen ökologischen Typen
gehörenden Lianen sehen in ihren unteren allein sichtbaren Theilen
einander sehr ähnlich, während andere an ihrer Wachsthumsweise, nament-
lich aber an der Form ihrer Stämme leicht erkannt werden.2)
Fig. 148. Gnetum scandens auf Cocospalmen.
Nach einer Photographie v. Herrn Dr. G. Karsten.
l) S. 209.
*) Vgl. darüber und das Folgende namentlich Schenck I u. IT.
Kig. 147. Eine Liane im botanischen Garten zu Peradenyia. Nach einer Photographie.
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Fig. 149. Palmlianen im botanischen Garten zu Buitcnzorg.
Nach einer Photographie des Herrn Dr. M. Treub.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
333
Zu den charakteristischsten und häufigsten Erscheinungen unter
den Lianen der Tropenwälder gehören die kletternden P a 1 m e n , Arten
von Calamus und einigen verwandten kleinen Gattungen im tropischen
Asien und Australien, solche von Oncocalamus und anderen Raphieen
im tropischen Afrika und von Desmoncus im tropischen Amerika. Die
dünnen und zähen , als „Rotang" wohl bekannten , oft stacheligen
Stämme bilden zwischen den Stämmen in vielen Tropenwäldern weit
ausgedehnte Gewirre, welche das Waldmesser nur mit grösster
Mühe durchschneidet, und liegen in ungeheuren Schlingen auf dem
Fig. 150. Waldrand in Amboina mit einer Palmliane. Nach einer Photographie
von Herrn Dr. G. Karsten.
Boden. Ein von Treub gemessener herabgerutschter Stammtheil hatte
240 m Länge.
Noch mehr als der Wachsthummodus ist für die Palmlianen die
Art ihres Kletterns charakteristisch. Bei Calamus und den Raphieen
setzt sich die Rhachis des Blatts in ein langes, biegsames, mit haken-
förmigen Stacheln versehenes Flagellum fort, welches als rankenähnliches,
aber nicht reizbares Organ die Befestigung der belaubten Sprossgipfel
am Geäst des Stützbaums in wirksamster Weise bewirkt. Ist der Gipfel
des letzteren erreicht und hiermit das fernere Emporwachsen der Liane
ausgeschlossen, so rutschen die blattlos gewordenen älteren Axentheile,
334
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
ihrem Gewichte folgend, herab und liegen schliesslich in Form der
erwähnten, auf Fig. 149 wohl sichtbaren Schlingen auf demselben.
Fig. 151. Eine Palme, deren Stamm unterwärts von einem wurzelkletternden Farn, ober-
wärts von Freycinetia sp. umrankt ist Samoa. 300 m ü. M. Nach einet Photographie.
Noch eigenartiger sind die Klettervorrichtungen bei den amerika-
nischen Desmoncus-Arten, mit welchen ich namentlich in den Wäldern
lg. 152. Wurzelkletternde Lianen an einem Baumstamm im süd-mexikanischen Regenwalde (Chiapas).
nten : Sarcinanthus utilis, mit zweispaltigen Blattern. Weiter oben : Araceen. Zu oberst sind neben Araceen-
üLttern epiphytische Sträucher sichtbar. Rings um den Stamm die drahtartigen Luftwurzeln der im Geäst be-
findlichen Araceen. Nach einer Photographie des Herrn Dr. G. Karsten.
Verlag von Qattav Fitefctr, Jena.
Reprodukt. von J. B. Obernetter, München.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
335
•auf Trinidad nähere Bekanntschaft machte. Hier sind die obersten
Fiederpaare in lange und starke, nach rückwärts gekrümmte Dornen
umgewandelt, so dass die verlängerte Rhachis einer Harpune gleicht.
Die kletternden Palmen sind ökologisch als höchste Stufe des
Spreizklimmertypus zu betrachten, zu welchem noch viele an-
dere Lianen des Regenwalds, unter anderen Bambusen gehören.
Manche Arten der Bambusen klettern hoch an den Bäumen empor;
häufiger jedoch verbleiben sie im Bereich des Unterholzes und ver-
ankern sich an dem Geäst der kleineren Bäume und Sträucher mit
Hülfe ihrer nach unten gekrümmten, langen und dornähnlichen Laub-
Fig. 153. Sarcmanthus utilis (Cyclanthaceae) an Baumstämmen des süd-mexikanischen Regen-
waldes (Prov. Chiapas) emporkletternd. Nach einer Photographie des Herrn Dr. G. Karsten.
knospen. Besondere Kletterorgane sind also hier nicht vorhanden, doch
dürften einige Eigenthümlichkeiten der Knospen, namentlich deren
Krümmung, als Anpassung an das Klettern entstanden sein.
Die mit den Palmen verwandten Cyclanthaceen und Pandanaceen
haben ebenfalls lianenartige Vertreter, erstere in Arten der Gat-
tungen Carludovica und Sarcinanthus (tropisches Amerika), letztere in
zahlreichen Freycinetia- Arten des malayischen Archipels und Mikro-
nesiens. Alle drei Gattungen bestehen ganz oder zum Theil aus Wurzel-
kletterern, und gehören in ihren Verbreitungsgebieten zu den ver-
breiteten und augenfälligen Bestandtheilen des Regenwalds. Die
336 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Freycinetien (Fig. 151) sind hohe Kletterer, welche bis an das Geäst
der höchsten Bäume gelangen und die Stämme in üppigster Weise
mit langbeblätterten Sprossen umhüllen (z. B. auf Java). Die Carludovica-
Arten sind weniger hohe und weniger üppige Kletterer. Doch sah ich
in den Wäldern der kleinen Antillen Carludovica Plumieri eine Haupt-
rolle spielen, indem sie als ausgeprägte Schattenpflanze an allen Stämmen
dunkeler Wälder ihre palmähnlichen Blätter ausbreitete, zwischen welchen
die höchst eigenartigen, cr£meweissen, von langen fädigen Staminodien
bedeckten Blüthenkolben sich erhoben. Sarcinanthus ist mit nur einer
Art, S. utilis, auf die Wälder des centralen Amerika und südlichen
Mexiko * beschränkt. Er ist auf unseren Figuren 129, 152 und 153 an
den zweispaltigen Blättern leicht erkennbar.
Den ersten Rang nehmen unter den monocotylen Lianen, neben
den Palmen, die Araceen ein, welche in den grossen Gattungen Philo-
dendron, Monstera, Pothos und einigen anderen kleineren eine Reihe
hochemporwachsender grossblätterigfcr Wurzelkletterer besitzen, die zu
den auffallendsten Erscheinungen der tropischen Regenwälder, nament-
lich derjenigen Amerika's gehören. (Fig. 129 u. 152.)
Die Stämme dieser Lianen — auch diejenigen von Carludovica —
erzeugen ihrer ganzen Länge nach zahlreiche Adventivwurzeln von
ganz ungleichen morphologischen und physiologischen Eigenschaften.
(Fig. 154.) Die einen sind als Haft wurzeln ausgebildet und sind
verhältnissmässig kurz (oft 2 — 3 dem oder auch weniger); sie sind
ausgesprochen negativ heliotropisch, so dass sie sich der Stütze direkt
andrücken ; sie wachsen, sei es in Folge von Diageotropismus oder von
Rectipetalität, ungefähr horizontal. Im histologischen Bau der Haft-
wurzeln herrschen die mechanischen Elemente, namentlich zähe Fasern
vor, während die leitenden Elemente sehr zurücktreten (Fig. 155 £).
Die Nährwurzeln sind ausgesprochen positiv geotropisch und
wachsen, ohne sich zu verzweigen, nach abwärts, bis sie den Boden
erreichen ; dort angelangt, pflegt das Spitzenwachsthum bald aufzuhören,
während aus dem Gipfeltheil zahlreiche Nebenwurzeln entspringen und
senkrecht in den Boden dringen. Aehnliches geschieht im Wasser.
Bei manchen Arten kriechen die Nährwurzeln an der Oberfläche der
Rinde, in der Nähe der Stämme, bei anderen hingegen, namentlich
solchen, die hoch in das Geäst emporklettern und die ich nur im tropischen
Amerika, dort aber überall beobachtete, wachsen die Nährwurzeln frei
durch die Luft herab und stellen, nach Erzeugung der Bodenwurzeln,
straff gespannte Drähte von oft ungeheurer Länge, aber nur etwa Blei-
stiftdicke dar, welche in den Heimathländern als Stricke (cipö der
Brasilianer) ausgedehnte Verwendung finden (Fig. 152 u. 159).
In den Nährwurzeln sind, im Gegensatz zu den Haftwurzeln, die leiten-
den Elemente stark und die mechanischen schwach entwickelt (Fig. 1550).
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
337
Ausser den erwähnten giebt es in den Regenwäldern noch zahl-
reiche andere Wurzelkletterer, z. B. Piper-, Ficus- Arten etc. unter den
holzigen, Vanilla-, Begonia- Arten unter den krautigen. Im tropischen
Amerika sind die ebenfalls durch Haftwurzeln kletternden Marcgravia-
Arten namentlich wegen des stark ausgeprägten Dimorphismus der
Blätter an den dem Stützstamm aufliegenden und den frei wachsen-
Fig. 154. Stengel von Philodendron mela-
nochrysum mit vertikalen Nähr- und horizon-
talen Haftwurzeln. 1L nat. Gr. Nach Went.
Fig. 155. Anthurium sp. Epiph. Liane aus
Trinidad. Wurzelquerschnitte, a Nährwurzel.
b Haftwurzel. Vergr. 10.
den Aestcn sowie wegen der eigenartigen Blüthenstände , ebenso auf-
fallende wie allgemein verbreitete Erscheinungen.
Hin und wieder zeigen sich Baumstämme des Regenwaldes, doch
nur solche von massigem Durchmesser, von Lianen umwunden. Doch
ist dies nicht gerade häufig. Die meisten W i n d e r unter den Lianen
erheben sich völlig frei und oft pfeilgerade zwischen den Baumstämmen,
sei es dass sie sich an einem dünnen , seitdem abgestorbenen Stamm
Schimper, Pflanzengeographie. 22
338 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
bis zum Lichte emporgehoben hatten, sei es dass sie zunächst ohne
Stütze in die Höhe gewachsen sind.1)
Die Mehrzahl der stattlichen Holzlianen-Arten des tropischen Regen-
waldes, namentlich derjenigen mit bis schenkeldickem gelapptem oder
zerklüftetem Stamme, gehören zur höchsten Stufe der Kletterpflanzen,
derjenigen der Ranker.
Davon kann man sich in der Regel jedoch erst überzeugen, wenn
man die im Geäste des Laubdaches verborgenen oberen Theile zu Ge-
sicht bekommt. An den unteren Stammtheilen ist ebenso wenig wie
an den Schifftauen, denen sie gleichen, die Art der Befestigung der
oberen Theile erkennbar.
Unter den verbreitesten und auffallendsten Rankenkletterern befinden
sich in der alten wie in der neuen Welt mehrere, wegen fehlender
Blüthen theilweise noch unbeschrieben gebliebene Arten der grossen
Gattung Bauhinia, deren Axen durch bandartige Abplattung und
mehr oder weniger starke wellenartige Krümmungen ausgezeichnet sind
(Fig. 156). Solche Bauhinien gehören zu den gemeinsten und zu den
grössten Lianen des tropischen Amerika. Ich habe sie massenhaft
in Brasilien und auf den Antillen gesehen , am meisten auf Trinidad,
wo die zickzackigen Schlingen der weniger alten Aeste in jedem Wald-
theile vom Laubdach herabhängen.
Die Wellung ist an jungen Axen noch nicht vorhanden und geht
von einem früheren oder späteren Altersstadium ab wieder verloren,
indem gerade Holzschichten den verbogenen aufgelagert werden (Fig. 157).
Der ursprüngliche wellige Axentheil stellt sich dann wie eine schmale
Leiter zwischen zwei mächtigen Leiterbäumen dar.
Die ökologische Bedeutung der Wellung kommt zum Vorschein,
sobald der Versuch gemacht wird, die Liane herab zu ziehen. Die
Aeste des Stützbaumes bleiben in den Schnallen, welche durch die
nach unten gekrümmten hakenförmigen Ueberreste von Seitenästen
eine Verstärkung erhalten , derart festgeklemmt , dass solches Unter-
nehmen wenn überhaupt, nur unter Zerbrechen vieler Zweige gelingt.
Der gerade gewordene Stamm hingegen findet kein Hinderniss mehr
und gleitet allmählich, seinem Gewicht folgend, auf den Boden. Dass
in Folge des Absterbens des stützenden Gezweiges und des bedeuten-
den Eigengewichts auch noch wellige Axen heruntergleiten, zeigt ihr
häufiges Herabhängen vom Laubdach herunter.
Zu den hohen Rankern des tropischen Regenwaldes gehören ausser-
dem eine Anzahl durch auffallende Stammbildung ausgezeichnete Arten,
*) Zu den hohen Windern des tropischen Regenwaldes gehören namentlich Menis*
perraaceen, Malpighiaceen, Euphorbiaceen (Tragia, Dalechampia), Combretaceen (Combretnm,
Quisqualis), Asclepiadaceen, Corapositen (Mikania), Magnoliaceen (Schizandra, Kadsura).
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
339
%
Hg, 156. ItiiuhmiH. sp, aus 4tan Rc£enwald
bei Hlumcnau, / St tick einer jüngeren Axe.
3 Stock einer ganz jungen noch geraden Axe.
'j Lungere« Stück der Axe 1 , verkleinert.
340 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
z. B. Sapindaceen (Uhrfederranker), mit kabelartig aus Strängen zu-
sammengesetztem Stamme, blattrankende Bignoniaceen, mit im Quer-
schnitt kreuzförmigem Holzkörper etc.1)
§ 4. Die Epiphyten.2) Noch mehr als die Lianen tragen die Epi-
phyten zur charakteristischen Physiognomie des tropischen Urwalds
wesentlich bei, sitzen doch auf den Stämmen und aufwärts bis zu den
äussersten Astspitzen der Bäume eine Fülle von Phanerogamen und
Farnen, und zwar nicht bloss Kräuter, sondern Sträucher und sogar
Bäume, während bei uns nur Moose, Flechten, kleine Algen an solchen
Standorten wachsen können. Im Regenwald sind solche kleine Formen
meist auf die Blätter zurückgedrängt, die sie vielfach als Epiphyllen
dicht überziehen.
Die Standorte der Epiphyten scheinen im Allgemeinen zur Er-
nährung grosser Pflanzen wenig geeignet. Zwar wachsen dieselben
manchmal auf sehr rissiger Rinde, in Gabelungen des Geästes, wo sich
Humus angesammelt hat, in den persistirenden nischenartigen Blattstiel-
basen von Palmen, etc. Doch kommen viele ihrer Arten vornehm-
lich auf ganz glatter Rinde vor, z. B. auf den mastähnlichen glatten
Stämmen vieler Palmen, auf den noch glatteren, gleichsam gefirnissten
der Bambusen, auch auf glatten Blättern. Die einige Meter langen
Schweife der Tillandsia usneoides liegen wurzellos und ohne jeden
Zusammenhang, gleichsam hingeworfen auf den Astspitzen und Asple-
nium nidus hängt häufig seine über meterhohen Trichter an dünnen
Lianenstämmen reihenweise auf.
Nach ihrer Lebensweise können die Epiphyten in vier Gruppen ein-
getheilt werden. Die erste, diejenige der Protoepiphyten ist sehr
wenig homogen und fasst alle Arten zusammen, die für ihre Er-
nährung auf die Rinde und die direkte Zufuhr seitens
der Atmosphärilien angewiesen sind. Zu der zweiten
Gruppe, derjenigen der Hemiepiphyten gehören solche Epiphyten,
die zwar auf den Bäumen ihre Keimung und erste Ent-
wickelung durchmachen, nachträglich aber durch ihre
Wurzeln mit dem Boden in Verbindung treten, so dasssie
in Bezug auf ihre Ernährung den gleichen Bedingungen
unterstehen wie Bodenpflanzen, namentlich wie wurzel-
kletternde Lianen. Die dritte Gruppe, diejenige der Nest-
epiphyten, ist von denjenigen Arten gebildet, welche durch ge-
eignete Vorrichtungen grosse Mengen von Humus und
Wasser sammeln. Die epiphytischen Bromeliaceen sind wenigstens
l) Zu den hohen Zweigklimmern gehören Securidaca- Arten, die Hippocratea- Arten
der neuen und alten Welt, diejenigen von Dalbergia und Machaeriuni in Brasilien, Anonaceen
im tropischen Asien, zu den Fadenrankern die Cissus- Arten etc. — *) Schiniper I u. IL
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
341
in den Tropen, — die neuseeländische Lianen -Gattung Astelia scheint
sich ihnen anzuschliessen — die einzigen Vertreter der vierten Gruppe
derjenigen der Cisternepiphyten, bei welchen dasWurzelsystem
nur als Haftapparat entwickelt oder ganz unterdrückt
ist, so dass die ganze Ernährung durch die Thätigkeit
des Laubes stattfindet.
Die Protoepiphyten entbehren vielfach ausgeprägter An-
passungen. So unterscheiden sich z. B. kleine Farne, die auf feuchter
rissiger Rinde wachsen, in
keiner Weise von denjenigen
des Bodens. Im Allgemeinen
jedoch zeichnen sich auch
die Farne dieser-Gruppe vor
den verwandten Gewächsen
des immergrünen Regen-
walds durch ihren ausge-
prägten xerophilen Charak-
ter aus, welchen die un-
regelmässige und spärliche
Zufuhr des Wassers durch
das Substrat zur Genüge er-
klärt. Die Epiphyten des
feuchten Waldes zeigen
ähnliche Schutzvorrichtungen
gegen Wasserverlust durch
Transpiration, wie die Be-
wohner physiologisch trocke-
ner Standorte überhaupt.
Solcher Schutz wird in die-
sem Falle sehr selten durch
Behaarung gewährt , viel
öfter durch eine sehr dicke
Cuticula und durch trichter-
förmige Einsenkung der Spaltöffnungen, am häufigsten jedoch durch Vor-
richtungen zur Speicherung des Wassers, welches die Regen zeitweise in
übergrosser Menge zufuhren, während es in anderen Zeiten sehr spärlich
ist. Solche Wasserspeicher sind vielfach als mächtiges Wassergewebe in
den Blättern entwickelt, welche dann auffallend dick und saftig erscheinen
(Peperomia, Aeschynanthus-Arten und andere Gesneraceen, viele Ascle-
piadaceen etc.) (Fig. 16 a), oder es sind zahlreiche Wassertracheiden
vorhanden, wie im Laube vieler Orchideen (Fig. 16), oder bestimmte
Glieder der Pflanze sind in Wasserspeicher umgewandelt. So versehen
die knollenartigen Gebilde, welche so vielen Epiphyten zukommen,
^^T^i5^v
Fig. 157. Bauhinia sp. Pernambuco. Der welligen
jungen Axe sind gerade Zuwachsschichten aufgelagert
worden.
342
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
z. B. zahlreichen aber nicht allen Orchideen, manchen Ericaceen, Utri-
cularien, den jungen Feigenbäumen (Fig. 160), auch die spindelförmigen
angeschwollenen Blattstiele von Philodendron cannifolium und die altern-
den, vergilbten, stark verdickten Blätter von Peperomien und Gesnera-
ceen, wie experimentell nachgewiesen wurde, die zugehörige Pflanze
mit Wasser, so dass sie bis zur Erschöpfung dieser Vorräthe, ohne Zu-
Fig. 158. Schiefgewachsener Baumstamm mit Epiphyten. Von rechts nach links: Oben
Philodendron cannifolium, unten hängende Codonanthe Devosii; oben Ficus sp. (baumartig}.
Vriesea; unten: Anthurium sp. , Rhipsalis 2 spec. Nach einer Photographie von Herrn
Prof. Dr. H. Schenck.
fuhr von Aussen weiter gedeiht, bei Entfernung derselben aber rasch
vertrocknet.
Während die Wurzeln vieler Protoepiphyten sich nicht wesent-
lich von denjenigen terrestrischer Gewächse unterscheiden, sind andere
mit Vorrichtungen versehen, durch welche jeder Tropfen herab-
fallenden Wassers sofort aufgenommen wird. Dieses geschieht durch
Vermittelung des Velamen, eines Gewebes, welches die Wurzeln
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*ig- *57- Baumstamm mit Epiphyten. Blumenau, Brasilien. Unten: Vriesea; oben:
Khipsalis sp. Rechts, drahtartige Luftwurzeln (Nährwurzel n) von Philodendron sp. ; links
ein schief aufstrebender Lianenstamm.
Nach einer Photographie von Herrn Prof. Dr. H. Schenck.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
343
beinahe aller epiphytischen Orchideen und gewisser Araceen überzieht.
(Fig. 161). Die Zellen dieses Gewebes, welches mehrschichtig zu sein
pflegt, sind tracheidenähnlich, mit Spiralfasern versehen, bei trockenem
Wetter lufthaltig. Sie grenzen nach innen an eine Endodermis, deren
Zellen zum Theil als Durchlasstellen ausgebildet sind. Wird der Wurzel
Wasser zugeführt, so wird dasselbe durch das Velamen, wie durch
Löschpapier, aufgesogen und füllt die Zellräume aus. Von dort
gelangt es langsamer , durch die Durchlassstellen , in das Innere der
Wurzel hinein.
Die Wurzeln der Epiphyten dieser Gruppe sind meistens dem
Lichte ausgesetzt, und in Folge dessen häufig chlorophyllhaltig. Dieser
Umstand hat eine der eigenthümlichsten An-
passungen unter den Epiphyten zur Folge
gehabt, nämlich die Ausbildung des Wurzel-
systems, unter gleichzeitiger Unterdrückung
des Laubes, zum alleinigen Organ der As-
similation. Solche assimilirende Wurzeln
kriechen entweder auf der Rinde oder
hängen frei in der Luft herab, sind in man-
chen Fällen dorsiventral und stets mit Durch-
lassstellen für den Gasaustausch versehen,
welche den schwach assimilirenden Wurzeln
anderer Orchideen fehlen (Fig. 114).
Zu den Hemiepiphyten gehören
meist sehr stattliche, zum Theil baum-
artige Formen, wie die epiphytischen Feigen-
bäume, Clusia - Arten , grosse Araceen aus
den Gattungen Philodendron und Anthu-
rium, Carludovica etc. Der Epiphyt ver-
hält sich anfangs wie ein solcher der ersten
Gruppe und entwickelt ähnliche Wasser-
speicher. Seine Wurzeln sind gleichartig ausgebildet und dienen zugleich
zur Befestigung und zur Nahrungsaufnahme. Später zeigt sich, wie bei den
vorherbeschriebenen wurzelkletternden Araceen, eine scharfe Differen-
zirung in kurze Haftwurzeln und in lange zum Boden herabwachsende
Nährwurzeln derart, dass der Epiphyt zwar hoch oben auf dem Baume
sitzt, aber bezüglich der Nahrungsaufnahme einer Bodenpflanze gleicht.
Viele Epiphyten dieser Gruppe sind gleichzeitig Lianen, wie die schon
im Zusammenhang mit letzteren erwähnte Carludovica Plumieri und ver-
schiedene Araceen, andererseits fehlt es nicht an auf dem Boden keimen-
den Lianen , deren Stamm allmählich von unten nach oben abstirbt, so
dass sich dieselben auf späteren Stadien ganz wie Hemiepiphyten
unterhalten. Sie sind als Pseudoepiphyten bezeichnet worden.
Fig. 160. Ficus sp. Epiphyt.
Junge Pflanze mit Knollen , in
nat. Gr. Nach Went.
344
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Die stattlichsten unter den Hemiepiphyten sind in den Tropen
beider Welttheile Arten der Gattung Ficus. Allgemein bekannt ist der
riesige Banyanbaum Ostindiens, (Ficus bengalensis) (Fig. 162) eine
lebende ungeheure Säulenhalle, bestehend aus flachem, weit ausgebreite-
tem Laubdach und zahlreichen von den Aesten herabwachsenden, stamm-
ähnlichen Stützwurzeln. Wie alle Hemiepiphyten, keimt der Banyan
auf einem Baumaste und hat anfangs nur solche Nährstoffe zur Ver-
fügung, wie sie auf der Rinde des Tragastes sich befinden. Hat derselbe
aber seine Nährwurzeln entwickelt, so geht der stützende Baum im
Fig. 161. Querschnitt durch die Luftwurzel von Dendrobium nobile, vi Velamen, cc Exo-
dermis, / Durchgangszellen derselben, c Kinde, ei Endodermis, / Pericykel, s GeßLsstheile,
v Siebtheile, m Mark. Vergr. 28. Nach Strasburger.
Schatten des sich nun rasch vergrössernden Gastes bald zu Grunde, so
dass ohne die Entwickelungsgeschichte die einstige Anwesenheit eines
solchen nicht mehr vermuthet werden würde.
Wie viele andere baumartige Formen dieser Gruppe ist derselbe eigentlich
ein Epiphyt nur in der Jugend. Hat derselbe seine Nährwurzeln entwickelt,
die hier säulenartig ausgebildet sind und sehr dick werden, und ist der ur-
sprüngliche Wirtsbaum zu Grunde gegangen, so stellt der Banyan ein ganz
selbständiges Gewächs dar. Immer neue Nährwurzeln, — die hier gleich-
zeitig Stützwurzeln sind, — werden von der in horizontaler Richtung wach-
senden Krone ausgebildet, wodurch die erwähnte Säulenhalle zu Stande
kommt. Bei den meisten hierhergehörigen Epiphyten , deren Nährwurzeln
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
345
&
W
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fr
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B
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346
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
keine mechanischen Functionen zu verrichten haben, bleiben letztere weich und
biegsam.
Das Sammeln von Humus, das das Charakteristische der Nest-
epiphyten bildet, geschieht auf verschiedene Art. Bald sind es die
Wurzeln, welche zu einem mächtigen schwammartigen Gerüst ver-
flochten, die herabfallenden Blätter und dgl. auch nach ihrer Zersetzung
festhalten, so bei manchen Orchideen (Fig. 163), bald schliessen die
rosettenartig gebildeten Blätter unterwärts zu einem Trichter zusammen,
wie bei Asplenium nidus (Fig. 139), wo letzterer ungeheure Dimension
erreicht, bei vielen anderen Farnen und bei dem habituell sehr ähnlichen
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Fig. 163. Grammatophjllum speciosum (Orchidee). Nest-Epiphyt mit negativ geotrop.
Wurzeln. Nach einer Photographie von Herrn Dr. G. Karsten (Hort. Bogor).
Anthurium Hügelii Westindiens. Auch hier pflegt, namentlich bei dem
erwähnten Anthurium und bei den Orchideen, eine Differenzirung des
Wurzelsystems vorhanden zu sein, indem die einen Glieder desselben,
des Geotropismus entbehrend und sehr fest gebaut, wesentlich gerüst-
bildend sind oder als Haftwurzeln wirken, während zahlreiche dünne
Seitenwtrrzeln zenithwärts wachsen, derart, dass die Oberfläche des
Wurzelnestes wie von zahllosen Nadeln gespickt erscheint (Fig. 163).
Diese letzteren Wurzeln sind, im Gegensatz zu beinahe allen übrigen
Wurzelgebilden, negativ geotropisch, eine ökologische Folge des Um-
standes, dass die Nährstoffe, namentlich das Wasser, nicht von unten,
sondern von oben kommen.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
347
In anderen Fällen sind entweder sämmtliche Blätter oder ein Theil
derselben als „Nischen" ausgebildet, indem sie eine derartige Stellung
gegen den Stamm annehmen, dass sie mit demselben eine Höhlung
bilden, in welcher Humus sich ansammeln kann. Entweder bildet jedes
Blatt eine Nische für sich oder es nehmen mehrere Blätter an der
Bildung einer Gesammtnische theil. Bei manchen Arten ist eine
Fig. 164. Platycerium grande, Nest-Epiphyt mit Nischenblättern. Pasoeroean, Ost -Java.
Nach einer Photographie von Herrn J. Kobus.
Differenzirung eingetreten in Nischenblätter, welche die Function der
Assimilation nur untergeordnet und kurze Zeit verrichten und assi-
milirende, mit ganz anderen Eigenschaften ausgerüstete Laubblätter.
Die merkwürdigsten Beispiele von Nischenblättern zeigen sich bei
der Farngattung Platycerium (Fig. 164), wo die Nischenblätter, ungestielt
und breit, der Baumrinde unterwärts dicht anliegen, oberwärts aber
348
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
eine Nische bilden, während die gestielten, schmalen, gabelig ver-
zweigten Laubblätter schlaff herabhängen.
Fig. 165. Nidularium Innocentii. Ein Cisternepiphyt aus Brasilien. *U nat. Gr.
Die epiphytischen Bromeliaceen, die namentlich zu den Gattungen
Tillandsia, Vriesea, Aechmea und Nidularium gehören, besitzen in der
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. *aq
Mehrzahl der Fälle rosettenartige Laubsprosse, deren steife Blätter
unterwärts löffelartig erbreit ert sind und derart zusammenschliessen,
dass sie als wasserdichte Cisternen das Regenwasser aufsammeln, von
welchem bei grösseren Formen manchmal ein ganzes Liter sich über
den unvorsichtigen Sammler ergiesst; ausserdem enthalten sie, ähnlich
wie die weniger dichten Blatttrichter der dritten Gruppe, allerhand
Detritus mineralischen, vegetabilischen und thierischen Ursprungs, der
wie das üppige Wachsthum der Pflanzen zeigt, ein kräftiges Nährsubstrat
darstellt. Die Laubrosetten entspringen einem knorrigen, kurzen Axen-
system, welches durch dünne und kurze, aber drahtzähe Wurzeln dem
Substrat befestigt ist (Fig. 165).
Die Wurzeln bestehen beinahe ausschliesslich aus dickwandigen
Fasern, und spielen bei der Ernährung, wie experimentell nachweis-
bar, keine Rolle. Die Aufnahme der Nährstoffe geschieht vielmehr
lediglich durch die Blätter und zwar durch Vermittelung schildför-
Fig. 166. Haarschuppen von Fig. 167. Tillandsia usneoides. Schuppenhaar.
Vriesea. Vergr. 340. Vergr. 375.
miger Schuppenhaare (Fig. 166), die namentlich an der erbreiterten,
gewöhnlich unter Wasser befindlichen Basis des Blattes vorhanden sind.
Bei Fehlen von Wasser an der Blattoberfläche fuhren diese Haarbildungen
nur Luft; jeder Wassertropfen wird aber sofort von ihnen aufgesogen,
ähnlich wie vom Velamen der Orchideen und gelangt, wie bei diesem,
durch die Thätigkeit plasmareicher Durchlassstellen in das Innere des
Blattes (Fig. 167).
Von diesem Typus, der sich namentlich rein bei Arten von Vriesea,
Aechmea, Nidularium zeigt, weichen manche Tillandsia-Arten nicht un-
wesentlich ab, namentlich Tillandsia usneoides (Fig. 168, 169). Dieser
merkwürdigste aller Epiphyten, welcher im tropischen und subtro-
pischen Amerika die Bäume oft ganz umschleiert, besteht aus oft weit
über meterlangen, fadendünnen Sprossen, mit schmalen, grasartigen
Blättern, die nur in der ersten Jugend durch früh vertrocknende
schwache Wurzeln an der Rinde befestigt sind. Ihren Halt verdanken
sie dem Umstand, dass die Basaltheile der Axen die Stammzweige
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
umwinden. Ueber und über sind die Sprosse von
Schuppenhaaren bedeckt, die in Bau und Verrichtungen
mit denjenigen anderer Bromeliaceen übereinstimmen. Die
Verbreitung der Pflanze geschieht weniger durch Samen
als vegetativ dadurch, dass abgerissene Sprosse durch
den Wind oder durch Vögel, die sich derselben gerne
als Material zum Nestbau bedienen, fortgetragen werden.
Fig. 169. Fragment eines Sprosses von Tillandsia usneoides
in natürlicher Grösse.
Wiesner hat im Orchideenquartier des botanischen Gartens
zu Buitenzorg Lichtbestimmungen vorgenommen. Die daselbst
cultivirten Orchideen befinden sich auf Stämmen von Plumiera-
Arten, im Schatten hochstämmiger Bäume von Evia acida D. C
Die Helligkeit im Orchideenquartier betrug durchschnitt-
lich 1/10.8 des gesammten Tageslichtes, das
diffuse Vorderlicht an den Stämmen der Plumiera
Zwei 1? von Til- Bäume durchschnittlich 1/60 — 1/65 des ge-
landsia usneoi- sammten Tageslichtes (I max. = 0.02 5—0.023).
des. >/Ä nat. Gr. Bei Sonnenbeleuchtung stieg die Intensität des
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
351
Oberlichtes auf 1/4.7 — 1/7«7
des gesammten Tageslichtes
(I max = 0.319— 0.194).
Folgende Orchideen be-
fanden sich in guter Entwicke-
lung : Agrostophyllum javani-
cum BL, Eria ornata Lindl.,
Spathoglossis plicata BL, The-
lasis carinata BL Andere da-
gegen schienen unter dem
Mangel einer hinreichenden
Lichtintensität zu leiden (The-
lasis elongata BL, Dendrobium
acuminatissimum Lindl., Coe-
logyne Rochussenii T et B.,
C. Lowii Pont., C. macro-
phylla Pont, Vanda tricolor
Lindl. , Oncidium ampliatum
Lindl).
Diese Orchideen sind
nach der Art der Ausbreitung
ihrer Organe vor Allem auf
Oberlicht angewiesen.
Das gleiche gilt von
mehreren epiphytischen Far-
nen. Das weit verbreitete
und sehr häufige Asplenium
nidus kommt bei sehr ver-
schiedenen Intensitäten der
Beleuchtung vor. Wiesner con-
statirte für dasselbe : L = 1 /4
bis 1/38 (I max = 0.4 — 0.042).
Diejenigen Epiphyten,
deren vegetative Organe der
Rinde flach aufliegen, sind
auf Vorderlicht angewiesen.
So kommt das in dem Garten
von Buitenzorg sonst überaus
häufige Taeniophyllum Zol-
lingeri Reichb. fil., eine kleine
laublose Orchidee mit assimi-
lirenden der Rinde angedrück-
ten Wurzeln, in Folge zu
schwachen Vorderlichts , im
Orchideenquartier nicht vor.
Wiesner hat über das Licht-
Fig. 170. Blatt von Kibessia azurea mit zahlreichen
epiphyllen Flechten übersäet. Nat. Gr. Nach Stahl.
352
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
bedürfniss dieser Pflanze zahlreiche Beobachtungen angestellt und in folgender
Tabelle mitgetheilt:
Grenzen der Entwickelung . .
Ueppigste Entwickelung . . .
Verkümmerung in Folge zu ge-
ringer Lichtintensität . . .
Verkümmerung in Folge zu hoher
Lichtintensität
Blüthen wurden beobachtet . .
L.
I max.
I med.
l/3— 1/32
°-533 — °-°5°
0.166 — O.Ol 5
l/7 — 1/9
0.228 — 0.177
0.071 — 0.055
l/32
0.050
0.015
l/2— W3
0.811 — 0.533
0.251 — 0.166
I/5-I/8
0.320 — 0.205
0.101 — 0.062
Fig. 171. Tillandsia stricta var. Schlumbergeri , ein ausgesprochener xerophiler und licht-
bedürftiger Epiphyt Südbrasiliens. */2 nat. Gr.
Ausser den im Vorhergehenden ausschliesslich behandelten phanero-
gamischen und farnartigen Epiphyten besitzt der tropische Urwald auch
solche unter den Algen, Pilzen, Flechten und Moosen und manche
dieser Gewächse, namentlich unter den Lebermoosen, zeigen ebenfalls
eine hochgradige Anpassung an das Substrat. Während das Auftreten
solcher niederen Kryptogamen auf der Baumrinde auch in temperirten
Wäldern und zwar in weit grösserem Umfange als in den tropischen
sich zeigt , ist das Vorkommen derselben als E p i p h y 1 1 e n , also
epiphytisch auf Laubblättern (Fig. 170), anscheinend auf die letzteren
beschränkt. Epiphyllen sind namentlich auf alternden Laubblättern in
sehr feuchten Regenwäldern ganz gewöhnliche Erscheinungen.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
353
Die epiphystischen Gewächse eines Urwaldbaumes sind von der
Basis bis zu den Gipfelästen nicht gleichartig, sondern weisen eine wohl
ausgeprägte Differenzirung auf. Unten am Stamme sind manche Arten
noch mit dem Boden gemeinschaftlich (Hymenophyllaceen , kletternde
Araceen, Carludovica u. a.); mit steigender Höhe schwinden solche indiffe-
renten Formen und der dem Regenwald sonst fremde xerophile Charakter
nimmt mit der wachsenden Anpassung an epiphytische Lebensweise
Fig< 170. Laubknospen tropischer Holzgewächse (alle aus dem Botanischen Garten zu
Buitenzorg). / Alstonia verticillata. 2 Tectona Hamiltonii. 9 Garcinia ferrea. 4 Dillenia
ochreata. 5 Wormia triquetra. Nat. Gr. R. Anheisser del.
zu (Fig. 171), sodass diejenigen Arten, welche gelegentlich auf dem
Boden vorkommen, an sehr trockene Standorte und zum Theile an
starke Beleuchtung gebunden erscheinen. Die Epiphyten der höchsten und
daher am stärksten bestrahlten Aeste sind mit denjenigen identisch, die
die atmosphärische Flora der lichten Gehölze und der Savannen trockener
offener Gebiete bilden. Desgleichen gehen nach der partiellen Aus-
rodung des Waldes die Epiphyten der unteren Theile der stehen-
Schtmper, Pflanzengeographie. 23
354
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
gebliebenen Bäume zu Grunde, während diejenigen der Wipfel sich all-
mählich nach unten ausbreiten und den ganzen Baum in Beschlag nehmen.
Verschiedene Baumarten zeigen manchmal Unterschiede ihrer epiphytischen
Flora. So werden die Farnbäume und der im tropischen Amerika sehr ver-
breitete Calebassenbaum (Crescentia Cujete) in auffallender Weise bevorzugt;
ja, gewisse Arten, wie Trichomanes sinuosum im tropischen Amerika, kommen
anscheinend nur auf den ersteren vor.
§ 5. Die Knospen. Die Laubknospen der Holzgewächse im
Regenwalde weisen einen scharfen Unterschied, je nachdem sie sich
im activen oder im ruhenden Zustande
befinden, nicht auf. Der Typus der
Winterknospen, mit ihrer mächtigen,
trockenen Schuppenhülle und reichen
Gliederung ist dem immerfeuchten Walde
fremd, während er in trockenen Wäl-
dern und Savannen wieder auftritt.
Die Ruheknospen sind im Regen-
walde in der Regel sehr klein, häufig
ohne jede Bedeckung durch Schuppen
und ohne Schutz durch andere Pflanzen-
glieder ; sie sind dann allerdings oft von
dichter brauner Behaarung oder von
einer Art Firniss überzogen. Ihre Um-
wandlung in active Knospen beschränkt
sich für das Auge darauf, dass ihre Theile
zu wachsen beginnen.
In anderen Fällen sind sowohl die
activen, wie die ruhenden Knospen be-
hüllt. Solche Hülle ist beinahe stets
krautig-saftig und wird von Nebenblättern
oder von den Stielen der nächst älteren
Blätter gebildet.
Kleine behaarte, aber sonst unbe-
deckte Knospen habe ich im Botanischen
Garten zu Buitenzorg bei folgenden Holz-
pflanzen beobachtet: Calophyllum tomentosum, Viburnum sundaicum,
Rottlera tinctoria, Chrysophyllum Cainito, Sideroxylon firmum, Ardisia
fuliginosa, Diospyros subtruncata, Maba Ebenus, Pterospermum Heynea-
num, Sterculia-Arten, Schima Noronhae, Thea cochinchinensis, Flacourtia
Ramentschi, Capparis Heyneana, Nothopegia colebrookiana Bl., Cinnamo-
mum sericeum, Ryparia caesia, Cluytia oblongifolia, Coelodepas banta-
mensis, Tetranthera chrysantha, Tectona Hamiltoniana. Viele dieser
Pflanzen haben im ausgewachsenen Zustande unbehaarte Blätter.
Fig. 173. / Gipfelknospe vonTaber-
naemontana dichotoma. 2 Junger
Zweig von Clusia grandiflora (?). Nach
P. Groom.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. 355
Unbedeckte Knospen mit Firnissüberzug sind weit weniger häufig. Ich
fand sie im Garten zu Buitenzorg bei: Tabernaemontana pentasticha,
Achras Sapota. Schutz durch Nebenblätter sah ich ausser bei den
Artocarpeen, Urticaceen. Piperaceen, Rubiaceen noch bei Wormia
ochreata, Tabernaemontana sp., Phyllanthus ceylanicus. — Treub und
Potter haben mehrere derartige Fälle beschrieben, letzterer hat auch
Abbildungen geliefert. Entfernung der schützenden dütenförmigen
Stipulae bedingt nach dem letzteren bei Artocarpus incisa Verkümmerung
der eingeschlossenen Blätter. Bei Canarium zeylanicum Bl. entwickeln
sich die schuppenformigen Stipulae schneller als die Spreite und
umhüllen die Knospe. Bei mehreren Wormia -Arten ist die Knospe
von flügelartigen Auswüchsen des Blattstiels eingeschlossen (Fig. 1 70, 5).
Sehr eigenartig sind die bei einigen Holzgewächsen vorkommenden
Kammern zwischen den Blattstielen der nächst älteren in solchen Fällen
stets in zwei- oder mehrgliedrigen Quirlen stehenden Blättern. Sie
Fig. 1 74. Wormia Burbidgei. Blatt mit in der Scheide verborgener Knospe. Nach P. Groom.
entstehen durch Verkleben der unteren Blattstielränder und sind ober-
wärts mit einem Spalt versehen, aus welchem das zunächst ganz ver-
borgene Sprossende nach einiger Zeit hervorragt.
P. Groom hat derartige Bildungen beschrieben und abgebildet
(Fig. 173 und 174). Ich habe einen ähnlichen Modus des Knospenschutzes
beobachtet (Hort. Bogor.) bei Calpicarpum Roxburghii (Fig. 173, j),
Alstonia verticillata (Fig. 172, /), Garcinia Livingstonii und G. ferrea
(Fig. 170, j). Am auffallendsten ist die Erscheinung bei Alstonia:
Die Kammer ist hier von den Blattstielbasen der vier Blätter des Quirls
gebildet und ihre Oeffnung durch einen kugeligen Harztropfen verdeckt.
Die Stipulae- und Blattstielkammern enthalten im Innern eine
aus harzigen oder schleimigen Stoffen oder einem Gemenge beider
bestehende, von Colleteren ausgeschiedene Flüssigkeit, die als Schutz-
mittel aufgefasst wird. Näheres darüber hat Groom mitgetheilt.
Merkwürdiger als die Structur der Laubknospen selbst ist in
vielen Fällen die Art ihrer Entfaltung. Treub hat mit vollem Rechte
23*
356
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
sagen können: Die Bäume schütten die Blätter aus. Es gehört zu
den überraschendsten Erscheinungen der tropischen Vegetation, dass
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F*g- x75- Brownea hybrida mit hängenden jungen Zweigen. Botan. Garten zu Buitenxorg.
Nach einer Photographie von Herrn Dr. M. Treub.
bei vielen Bäumen die jungen Blätter (z. B. Theobroma Cacao, Mangi-
fera indica Fig. 177), oder ganze junge Sprosse (z. B. Brownea hybrida
Fig. 175, Amherstia nobilis Fig. 176 und andere Caesalpiniaceen) noch
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
357
nachdem sie ihre definitive Grösse erreicht haben,
quastenartig schlaff herabhängen und dabei meist noch
des Chlorophylls entbehren, so dass sie durch weisse oder
rosenrothe Färbung vom grünen Laube abstechen. Die
Vertikalstellung ist bei den Hängesprossen lediglich durch fehlenden
Turgor, bei den Hängeblättern gleichzeitig durch active Krümmung der
Blattpolster bedingt.
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Fig. 176. Zweig von Armherstia nobilis mit hängenden jungen Seitenzweigen. Botanischer
Garten zu Buitenzorg. Nach einer Photographie des Herrn Dr. Treub.
Die herabhängenden Blätter erhalten ihre definitive Differenzirung
erst, nachdem sie ihr Flächenwachsthum abgeschlossen haben. Dann
tritt das Chlorophyll in den bisher farblosen und kleinen Chroma-
tophoren auf, während sich das anfangs homogene Mesophyll in Palis-
saden- und Schwammparenchym differenzirt und seine zarten Wände
verstärkt. Diese Vorgänge sind vom allmählichen Eintritt der Tur-
gescenz und Gewebespannung begleitet.
Sämmtliche Autoren, die die eben geschilderte Erscheinung be-
handelt haben, haben dieselbe, wohl mit Recht, zu den Schutzmitteln
358
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
gerechnet. Ueber die Natur der abzuwehrenden Gefahr gehen jedoch
die Ansichten auseinander, indem dieselbe in zu starker Beleuchtung
(Wiesner), in zu grosser Erhitzung (Potter), in mechanischer Be-
schädigung durch heftigen Regen (Stahl) oder gleichzeitig in verschie-
denen Factoren (Haberlandt) erblickt wird. Entscheidende Versuche
wurden noch nicht angestellt.
Stahl, der sich mit den Hängeblättern und Hängezweigen besonders ein-
gehend beschäftigt hat, erwähnt sie u. a. für Monstera deliciosa, Mangifera
indica, Theobroma Cacao, Durio zibethinus, Quercus glaberrima, Acer lauri-
folium u. a., demnach für Bäume aus
sehr verschiedenen Verwandtschaftskrei-
sen. Dagegen sind Stahl, ebenso wie
mir, die Hängezweige nur für Caesal-
^k piniaceen bekannt (Amherstia nobilis,
Arten von Brownea, Jonesia, Maniltoa,
*^2^ Humboldtia, Cynometra).
Hängeblätter und Hängezweige
kommen keineswegs bei der Mehr-
zahl der Holzgewächse des Urwalds
vor, sondern wohl nur bei einer
Minderzahl von Arten, zu welchen
allerdings eine Anzahl Nutz- und
Zierbäume gehören, so dass die Er-
scheinung allgemein auffallt.
In vielen Fällen unterscheidet
sich die Art der Sprossenentwicke-
lung in nichts wesentlichem von
derjenigen der Holzgewächse tem-
perirter Zonen. Doch ist wohl
häufiger als bei uns ein Schutz der
jungen Glieder erkennbar, sei es
durch reiche Behaarung, oder durch
Verticalstellung der Blätter oder
auch dadurch, dass sie sich unterhalb des älteren Laubes ausbilden.
Viele diesbezügliche Angaben befinden sich in den citirten Arbeiten
von Potter, Stahl, Wiesner.
Die vortrefflichen Untersuchungen Raciborski's über die Structur
der Blüthenknospen wurden zum Theile an tropischen Gewächsen
angestellt; charakteristische, auf das Klima zurückzuführende Unter-
schiede derselben den Blüthenknospen in anderen Zonen gegenüber
werden nur in geringer Zahl erwähnt. Doch scheint die eigenthüm-
liche Erscheinung, dass Blüthenknospen sich bis kurz vor der
Anthese in Wasser befinden oder in ihrem Kelche Wasser
Fig. 177. Zweigspitze von Mangifera in-
dica. Die jungen Blätter schlaff herab-
hängend. V2 nat- Gr- Nach Stahl-
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
359
enthalten, auf die feuchten tropischen Gebiete beschränkt zu sein. So
fand ich die kahnförmigen Deckblätter der Inflorescenzen von Heliconia
Bihai (Fig. 178) und Heliconia caribaea in Westindien stets voll Regen-
wasser; die Blüthenknospen befanden sich unter dem Wasserniveau, er-
hoben sich aber kurz vor dem Oeffnen unter scharfer Krümmung über
Fig- 179. Blüthenknospen
von Mendozia Vellosiana
von dem verklebten und mit
Wasser gefüllten Bracteen-
paar umhüllt. Blumenau,
Süd-Brasilien.
Fig. 1 78. Heliconia Bihai, mit kahnförmigen wasserhaltigen
Bracteen. 1jq nat. Grösse. Nach Flora Brasiliensis.
Fig. 1 80. Wasserkelch einer
Frucht von Clerodendron
Minahassae. Nat. Grösse.
Nach Koorders.
dasselbe. In ähnlicher Weise sah ich den zwischen den Hochblättern
nistenden kurzen Blüthenstand von Nidularium-Arten (Fig. 165) stets
untergetaucht in einer vom Regen und Thau gespeisten Cisterne, aus
welcher die offenen Blüthen einzeln hervorragten. Die kahnförmigen
Bracteen der langen, zweizeiligen Blüthenstände von Vriesea-Arten (z. B.
Vriesea incurvata) enthalten eine schleimige Flüssigkeit, welche die
360 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Knospe vollkommen umgiebt und wahrscheinlich von der Pflanze
secernirt wird. Letzteres gilt unzweifelhaft von der ebenfalls schleim-
haltigen Flüssigkeit, die sich in dem sackartig verwachsenen, die Blüthen-
knospen gewisser Acanthaceen umhüllenden Bracteenpaare ansammelt
und so prall ausfüllt, dass sie beim Durchstechen mit Gewalt hervor-
spritzt (Fig. 179). Die Blüthenknospen mit wasserhaltigem Kelche
wurden zuerst von Treub für Spathodea campanulata beschrieben und
haben durch Koorders eine ausführliche und abschliessende mono-
graphische Bearbeitung erfahren, die eine Fülle interessanter Einzel-
heiten, namentlich über die secernirenden Hydathoden ans Licht brachte.
Die Zahl der Arten mit Wasserkelchen ist eine geringe und, soweit
bekannt, beschränkt auf Vertreter der Familien der Bignoniaceen, Sola-
naceen, Verbenaceen, Scrophulariaceen und Zingiberaceen, zusammen
13 Arten, während wasserhaltige Bracteen sehr häufig sind.
§ 6. Cauliflorie. Während in den temperirten Zonen Blüthen nur
an diesjährigen, seltener an vorjährigen Zweigen, an den älteren Aesten
und Stämmen von Holzgewächsen aber nur bei wenigen Arten, wie
Cercis siliquastrum, erscheinen, ist Cauliflorie, d. h. Blüthenbildung
am alten Holze in den immerfeuchten tropischen Wäldern nicht selten.
Sie kommt dadurch zu Stande, dass ruhende axilläre Knospen sich nach
mehreren bis vielen Jahren weiter entwickeln und die Rinde durch-
brechend, ihre Blüthen frei entfalten (Fig. 181 u. 182).
Cauliflore Blüthen zeigen sich bald nur am Stamme, bald nur an
den Aesten, bald, und dieses ist der häufigere Fall, an Stamm und
Aesten zugleich. Eine und dieselbe Art ist entweder stets oder nur
theilweise cauliflor.
Ausschliessliche Stammcauliflorie beobachtete ich z. B. auf Java, *) bei
Aristolochia barbata H. B., Saurauja cauliflora, Parmentiera cereifera, Kadsura-
Arten, Cynometra cauliflora, Diospyros stricta etc. Nur an den Aesten be-
obachtete ich die Erscheinung bei Jonesia minor, Epicharis sericea, Flacourtia
inermis, Evodia Batjan, Actinodaphne sp. , Kibara coriacea, Saurauja
nudiflora.
Natürlich ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die Arten der ersten
Reihe gelegentlich auch an alten Aesten Blüthen erzeugen und umgekehrt
Constant halte ich das bezügliche Verhalten nur für die beiden Saurauja«
Arten, die ich in zahlreichen Exemplaren untersuchte.
An Stamm und Aesten zugleich fand ich das Durchbrechen der Rinde
durch Blüthen bei Theobroma Cacao, Crescentia Cujete, Artocarpus integri-
folia, Covellia lepicarpa, Sterculia rubiginosa, Oreocnide major, Diospyros sp.,
Averrhoa Bilimbi etc. Sehr eigenartig ist die Cauliflorie bei Stelechocarpus
Burahol, einem Bäumchen aus der Familie der Anonaceen, wo die weiblichen
*) Wo keine Autoren erwähnt sind, handelt es sich um die Namen auf den Etiketten
des Botanischen Gartens zu Buitenzorg.
Fig. 181. Ein cauliflorer Baum, Parmentiera cereifera, in Frucht.
Nach einer Photographie.
Cult. auf Ceylon.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete.
361
Blüthen büschelförmig aus dicken Warzen des Stammes entspringen, während
die kleineren männlichen aus den Achseln kürzlich abgeworfener Blätter der
Zweige hervorspriessen. Bei Taxotrophis javanica hingegen fand ich die
männlichen Blüthen entschieden cauliflor, die weiblichen dagegen an jungen
Zweigen, in Blattachseln.
Die Cauliflorie schliesst entweder die Bildung von Blüthen an jungen
Zweigen aus, — wie in den vorhin zusammengestellten Fällen, — oder
\h&V-
Fig. 182. Kadsura cauliflora. Javanische Liane in Frucht. Nat. Gr. R. Anheisser del.
die Blüthen können sowohl auf der alten Rinde wie an jungen Zweigen
auftreten. Manchmal stellt die Cauliflorie sogar nur eine gelegentliche
Erscheinung dar.
Solche nicht ausschliesslichen oder gelegentlichen Caulifloren sind z. B. :
Saurauja pendula, Ficus cuspidata, Capura alata, Medinilla laurifolia, Drimy-
spermum longifolium, Oreocnide major, Sterculia rubiginosa, Brownea coccinea etc.
Alle möglichen Uebergänge verbinden die typische Cauliflorie mit
der Erzeugung von Blüthen an jungen Zweigen. So sind eine Anzahl
362
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Arten nur an relativ noch jungen Aesten cauliflor, z. B. Flacourtia
inermis, Evodia Batjan. In anderen Fällen zeigen sich die Blüthen an
der entblätterten Basis von Laubtrieben, deren oberer Theil Blätter
trägt, z. B. bei Lasianthus-Arten, Goniothalamus Tapis, Gonocaryum
myrospermum. Bei verschiedenen krautigen Gewächsen zeigen sich die
Blüthen nur in den Achseln abgeworfener Blätter, so bei Campelia
Fig. 183. Ficus „Minahassae." Cauliflor. Botanischer Garten zu Buitenzorg.
Nach einer Photographie des Herrn Dr. Treub.
marginata, Agalmyla staminea, Cyrtandra nemorosa. Nach Johow treten
die Blüthen bei verschiedenen Sapotaceen nur an zweijährigen, ent-
blätterten Zweigtheilen auf.
Die räumliche Trennung der vegetativen und reproduktiven
Functionen — denn um eine solche handelt es sich hier — zeigt sich
noch auffallender, als in der eigentlichen Cauliflorie, da wo besondere,
unbelaubte oder sehr schwach belaubte aus dem Stamme
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. 363
und den dicksten Aesten entspringende Zweige allein
fertil sind, während die Krone rein vegetativ bleibt. Solche Zweige
umhüllen z. B. lianenartig den hohen Stamm von Couroupita guianensis
und tragen die kopfgrossen kugeligen Früchte.
Bei Ficus „sp. Minahassae", (Fig. 183) entspringen aus dem
Stamm und den dicksten Aesten dünne, ruthenartige schuppenblätterige
Zweige, an welchen kleine Feigen köpfchenartig gruppirt sind. Bei
Ficus rhizocarpa entspringen solche Zweige nur dicht am Boden.1) Bei
der von Eichler näher untersuchten Anona rhizantha sind die fertilen
Zweige an ihrer Basis unterirdisch und ragen nur mit den blühenden
Spitzen aus dem Boden hervor.
Warum die Cauliflorie so viel häufiger in den Tropen als in den
temperirten Zonen auftritt, ist häufig erörtert und gewöhnlich mit den
Bedingungen der Bestäubung in Zusammenhang gebracht worden. Mir
erscheint es am wahrscheinlichsten, dass sie auf die schwächere Ent-
wickelung oder geringere Zähigkeit der Rinde zurückzufuhren ist. Dafür
spricht auch der Umstand, dass sie in trockenen Gebieten, wo die
Rinde eine beträchtliche Entwicklung und grossen Faserreichthum
erhält, sehr selten ist.
§ 7. Saprophyten und Parasiten. Saprophytische Pilze scheinen
im Humus tropischer Regenwälder, wenn Alf. Möller's Beobachtungen
in Süd-Brasilien allgemeine Geltung beanspruchen dürfen, noch reich-
licher als in unseren Wäldern zur Entwicklung zu gelangen. „Nie-
mals", sagt der genannte Forscher, „drängt sich uns das Wirken des
zwischen Thier- und Pflanzenreichs mitten innen stehenden Pilzreichs
so unmittelbar auf, wie hier im tropischen Walde, wo die dauernde
Feuchtigkeit und Wärme fortwährend jene Organismen in einem Grade
zur äusseren Erscheinung ruft, wie er bei uns nur ausnahmsweise,
nach warmen Regentagen erreicht wird."2)
Dennoch tritt, wie früher erwähnt wurde, die saprophytische Pilz-
vegetation der Tropenwälder weit weniger in die Augen, als in den
kühlen Wäldern höherer Breiten, indem sie sich ganz vorwiegend aus
kleinen bis mikroskopischen Formen zusammensetzt und wenige grosse
Hutpilze aufweist. Dass es aber an sehr auffallenden und grossen
Pilzgestalten unter den tropischen Humusbewohnern nicht fehlt, hat
Alf. Möller in seinen mycologischen Beiträgen aus Süd - Brasilien 8)
nachgewiesen.
Die phanerogamischen Saprophyten sind der Artenzahl nach weit
zahlreicher zwischen den Wendekreisen als ausserhalb derselben und
*) Beide Arten beobachtete ich in Buitenzorg.
«) I. S. 3.
*) n— iv.
364 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
ganz vorwiegend Bewohner der feuchtesten und schattigsten Regen-
wälder. Jedoch spielen sie auch dort für das Auge niemals eine hervor-
tretende Rolle, was allerdings theilweise damit zusammenhängt, dass die
häufigsten Arten meist sehr klein und zart sind, so dass sie auch bei
grosser Anzahl wenig in die Erscheinung treten. Die wenigen
grösseren Formen — solche von der Grösse unserer Neottia und sogar
von Monotropa sind dazu zu rechnen — kommen, soweit meine Be-
obachtungen reichen, nur vereinzelt vor, während manche der kleinen
gesellig wachsen und strichweise reichlich auftreten, wie die Orchidee
Wullschlägelia aphylla und die Burmanniacee Apteria setacea auf
Dominica, die Gentianacee Voyria trinitatis auf Trinidad, die nicht ganz
chlorphyllfreie Lecanorchis javanica und Burmannia (Gonyanthes) Candida
auf Java. Doch sind das vereinzelte Vorkommnisse. Ich bin oft stunden-
lang durch den tropischen Regenwald in Amerika und Java gestreift,
ohne einen einzigen phanerogamischen Saprophyten zu erblicken.
Die Saprophyten des tropischen Regenwaldes kommen sowohl auf
festem, vorwiegend mineralischem, aber von Humuslösungen durch-
tränktem Mineralboden als auf lockerem wenig zersetztem Mull vor und
auf noch zusammenhängenden, wenn auch faulenden Stämmen und Aesten.
So fanden wir auf Dominica Burmannia capitata auf verwesenden Stämmen
und Aesten und mein einziger Fundort des Epipogon nutans auf Java war
ein faulender Baumstrunk, der in Deutschland bei mir die Vorstellung
von Buxbaumia indusiata, aber niemals diejenige einer saprophytischen
Orchidee geweckt haben würde. Ich fand aber in diesem Baumstrunk,
dicht bei einander wie in einem Neste, an zwanzig Exemplare des
merkwürdigen Epipogon in den verschiedensten Entwickelungsstadien.
Mit den Holoparasiten verhält es sich, was das für das unbewaffnete
Auge sichtbare Auftreten betrifft, nicht viel anders als mit den Sapro-
phyten, doch sind es häufiger stattliche Formen. So begegnete ich
viel mehr grossen parasitischen Polyporeen auf Bäumen als grossen
Humuspilzen. Unter den phanerogamischen Parasiten sind, wie unter
den Saprophyten, gesellig wachsende Arten häufig. Dieses gilt z. B.
im hohem Maasse von der javanischen Balanophora elongata, doch
kenne ich dieselbe nur aus den hohen Gebirgsregionen , oberhalb des
tropischen Klima. Dicht gedrängten Himbeeren gleich sahen wir in
den dunkelen Regenwäldern des Inneren von Trinidad die braunrothen
Blüthenstände der Helosis guyanensis dem sonst nackten Boden ent-
springen.
Die wunderbarsten aller Parasiten sind bekanntlich die malayischen
Rafflesia- Arten, in erster Linie Rafflesia Arnoldi auf Sumatra), deren
') Auch das scharfe Auge des ausgezeichneten Kenners des javanischen Waldes Pa-
ldang, wusste in solchen Fällen „weisse Orchideen" nicht zu entdecken.
IV. Immerfeuchte tropische Gebiete. 365
Einzelblüthen bis 1 m im Durchmesser besitzen. Selber habe ich nur die
etwas kleinere R.Patma an natürlichem Standorte beobachtet und zwar auf
der kleinen südjavanischen Insel NoesaKambangan, wo sie in einem aller-
dings nicht jungfräulichen, jedoch seit vielen Jahren sich selbst überlassenen
Walde gesellig wächst. Ueber Standort und Vorkommen habe ich an Ort
und Stelle folgende Notiz geschrieben: „Ist der schmale Gürtel des
Strandwalds überschritten, so gelangt man in einen dünnen, mittelhohen
Wald, der die steinigen Südabhänge ununterbrochen überzieht. Beinahe
ganz ist der Boden von einer krautigen Aracee von ungefähr Meter-
höhe bedeckt. An den Bäumen hängen die ungeheuer langen Seile
eines Cissus, die, nach Art der meisten Lianen, mit ihrer Basis auf
lange Strecken auf dem Boden kriechen. Diese oft viele Meter langen
liegenden Theile der Liane sind, wie Junghuhn bereits richtig angiebt,
die Träger der Parasiten. Reihenartig tragen sie die bis kopfgrossen
Knospen in allen Entwickelungsstadien , abwechselnd mit verfaulten,
schwarzen Blüthenresten und den leeren becherartigen Wucherungen,
welche jetzt verschwundenen Blüthen als Matrix dienten. Die einzige voll-
kommene Blüthe, die anscheinend erst seit kurzem geöffnet ist, besitzt
eine helle tabakbraune Färbung und verbreitet einen aasartigen Ge-
ruch. Insekten sind trotzdem in oder an der Blüthe nicht sichtbar."
(Februar 1890.)
Nicht innerhalb des Regenwaldes, sondern an offeneren, helleren
Standorten sind mir die auffallendsten Erscheinungen tropischen Parasiten-
wachsthums begegnet. Besonders merkwürdig war eine Landschaft auf
der westindischen Insel Grenada, welche durch Cuscuta americana ganz
beherrscht war; die meisten Bäume waren vollständig von einem
leuchtend gelben Schleier überzogen, der ringsum bis zum Boden herunter-
hing und Sträucher und Kräuter bis zu den nächsten Bäumen ver-
deckte. Massenhaft treten auch an vielen Stellen , z. B. auf Java und
besonders auf den benachbarten Tausend -Inseln, Cassytha- Arten als
rother bis gelbgrüner Filzüberzug von Holzgewächsen und Kräutern auf.
Cuscuta enthält ein wenig Chlorophyll, Cassytha bedeutend mehr.
Die Reihenfolge fuhrt zu den belaubten Hemiparasiten , die in den
Tropen nur durch Loranthaceen, aber durch zahlreiche Arten in mehreren
Gattungen vertreten sind. Den Epiphyten untermischt, von welcher
sie sich nur in den Wurzeln unterscheiden, tragen sie zu der Ueppig-
keit der das Geäst der Bäume bedeckenden Vegetation bei und manche
von ihnen entfalten eine grossartige Blüthenpracht.
366 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Auswahl der Literatur.
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Schi m per, Pflanzengeographie. 24
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten
Trockenzeiten.
1. Allgemeine Eigentümlichkeiten der Vegetation periodisch trockener
Tropengebiete. Formationen. Xerophile Bäume. Xerophile Sträucher. Lianen. Epiphyten.
2. Die Gehölzformationen der periodisch trockenen Tropengebiete. § i. All-
gemeines. Veränderung der Gehölzvegetation beim allmählichen Uebergang aus immer-
feuchten in periodisch trockene Gebiete. Haupttypen der Gehölze: Monsunwald, Savannen-
wald, Dornwald. — § 2. Die tropophilen und xerophilen Gehölze Indiens,
Die Waldvegetation in Pegu nach F. Kurz. Die Wälder von Tectona grandis in Ost- Java. —
§3. Die Gehölze des tropischen Ost-Afrika. Engler's Darstellung der Formationen.
— §4. Tropophile und xerophile Gehölze im tropischen Amerika. Savannen-
wälder in Venezuela. Die Dorngebüsche (Caatingas) Brasiliens. Dorngebüsch auf Kalk-
hügeln in Minas geraes. 3. Die tropischen Grasflurformationen. § I.Allgemeiner
Charakter der Savannen. — •§ 2. Afrikanische Savannen. Die Savannen an
der Loango- Küste nach Pechuel - Lösche. Der Baobab. Ostafrikanische Savannen nach
H. Meyer und nach Engler. — § 3. Amerikanische Savannen. Die Llanos. Die
Campos Brasiliens, nach Warm in g.
1. Allgemeine Eigentümlichkeiten der Vegetation periodisch
trockener Tropengebiete.
Die Tropengebiete mit mehrmonatlicher ausgeprägter, einfacher
oder doppelter Trockenzeit nehmen namentlich das Innere der Con-
tinente ein und bedecken weit grössere Areale, als diejenigen mit
immerfeuchtem Klima. Ihre Vegetation erreicht nirgends die Ueppig-
keit des Regenwalds und trägt überhaupt den Stempel minder günstiger
Bedingungen. Die trockenen Perioden bringen ökologisch die Vege-
tation der Tropen derjenigen der winterkalten Zonen näher, indem
sowohl Kälte wie Mangel an Niederschlägen physiologische Trockenheit
des Bodens bedingt.
Während die immerfeuchten Gebiete vom immergrünen Regen-
walde gleichmässig überzogen sind, bieten die periodisch trockenen ein
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. 371
viel bunteres Vegetationsbild, indem kleine Unterschiede des Klimas
einen raschen Wechsel des Formationstypus bedingen und edaphische
Einflüsse weit mehr zur Geltung kommen, als wo der Boden immer
feucht ist.
Die in der nassen Jahreszeit sehr regenreichen Gebiete sind, auch
bei sehr ausgeprägten mit grosser Hitze verbundenen Trockenzeiten,
von üppigen Wäldern bedeckt, deren Bäume ihr hygrophiles Laub
während der Trockenzeit verlieren und bei Beginn oder unmittelbar
vor Beginn der Monsunregen erneuern, während sie im Uebrigen nur
xerophile, gegen Trockenheit wohl geschützte Organe besitzen. Wir
haben solche tropophile Wälder, deren abwechselnd hygrophiler und
xerophiler Charakter durch die Monsune regulirt wird, Monsunwälder
genannt.1) Die weniger regenreichen Gebiete sind, je nach dem Charakter
ihres Klimas, von xerophilen Gehölzen (Savannenwälder, Dornwälder,
Dorngebüsche) oder von Grasfluren, meist des Savannentypus, einge-
nommen. Noch grössere Trockenheit bringt Wüstencharakter. Die
tropischen Wüsten sollen im Zusammenhang mit den temperirten be-
sprochen werden. 2)
Die ökologische Physiognomie der Vegetation ist in den periodisch
trockenen Gebieten eine ganz andere als in den immerfeuchten, nament-
lich wenn wir den letzteren die überhaupt niederschlagsarmen Gebiete
mit zu jeder Zeit xerophiler Vegetation gegenüberstellen. Hier hat
die namentlich hoch wachsende Gewächse bedrohende Gefahr des Ver-
trocknens zur Entstehung hochgradig xerophiler Bäume geführt,
eines höchst eigenartigen Baumtypus, der sich namentlich in Savannen
und in Dornwäldern in charakteristischer Ausbildung zeigt.
Structur und Lebensbedingungen der tropischen xerophilen Bäume,
deren Analoga bei uns gänzlich fehlen und sich erst im Mittelmeergebiet
in schwacher Ausbildung zeigen, sind näherer Untersuchung sehr be-
dürftig.
Pechuel-Lösche entwirft von den Bäumen der westafrikanischen
Savanne folgendes anschauliche Bild:
„Viele dieser Charaktergewächse entwickeln sich bloss als knorrige
und verkrüppelte Sträucher oder Zwergbäumchen , manche aber auch
als stattliche Bäume, einige Arten gehören sogar zu den Riesen des
Pflanzenreichs. Allen aber ist das gemeinsam, dass sie nur in der
offenen Landschaft, in der sonnenhellen, wohldurchlüftetf n und trockenen
Grasflur gedeihen; dass sie wohl stellenweise sich zu lichten Hainen
vereinigen und den räumen Beständen von Eichen auf unseren Hutungen
gleichen können, aber dennoch niemals waldbildend auftreten. Sie
») Vgl. s. 281.
*) Vgl. im zweiten Abschnitt das Kapitel über die Wüsten.
24*
372
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
ersticken vielmehr rettungslos im Schlüsse des vollwüchsigen Waldes
und finden sich darum weder in den Galeriewäldern noch in den
Regen Wäldern. Wohl aber trifft man sie nicht selten an den Rändern
der Savanne an, da, wo die Grasflur beginnt.*'
Der Mehrzahl nach sind die Bäume der xerophilen Gehölze und
der Savannen niedrig, mit relativ dickem Stamme, der von einer äusserst
mächtigen, rissigen Borke bedeckt zu sein pflegt, manchmal ist die
Krone stockwerkartig
■ gegliedert (Fig. 184),
viel häufiger aber
schirmartig , sogar
nahezu scheibenartig
abgeplattet (Fig. 185).
Schirmbäume tre-
ten in allen Be-
schreibungen der
Savannen und lich-
ten Waldforma-
tionen derTropen
auf. Ich habe sie in
den Savannen Vene-
zuela^ die Physiogno-
mie der Vegetation
beherrschen und in
den später zu schildern-
den alpinen Savannen
Java's wieder auftreten
sehen, Warnung bildet
sie für die Campos
Brasiliens, — allerdings
in weniger regelmäs-
sigen Formen , ab.
Hans Meyer sagt von
den ostafrikanischen
Savannen:'4 Mag der
Baum einen Einzel-
1 stamm haben oder sich
strauchartig unmittelbar über dem Boden verzweigen, in jedem Falle
strebt er zunächst möglichst in die Höhe, um sich dann wagerecht,
wie ein Pilz oder Schirm, auszubreiten. Oben ist er immer flach, wie
abgeschnitten. Tausende und abertausende dieser meist graubraunen
Baumschirme, zerstreut über die vom rothen Boden durchleuchteten,
während der längsten Jahreszeit braunen Grasflur verleihen der Land-
Fig. 184. Bombax malabaricum , in der trockenen Jahres-
zeit, Früchte tragend. Ceylon. Nach einer Photographie.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
373
schaft eine eigenartige Physiognomie". *) Brandis erwähnt als charak-
teristisch für die offenen, trockenen Gebüschformationen Süd -Indiens
„Acacia planifrons, genannt umbrella-thorn, (Fig. 126), weil ihre Krone
aus einer Masse verschlungener, knotiger Aeste, Dornen und zart-
gefiederter Blättern bestehend, sich auf dem Gipfel des Stammes in
Form eines Regenschirmes ausbreitet." Dass die Schirmform eine An-
Fig. 185. Aus der ostafrikanischen Savanne. Schirmakazie. Nach Engler.
passung an das Klima darstellt, geht daraus hervor, dass sie sich unter
gleichen äusseren Bedingungen zeigt, bei Vertretern sehr verschiedener
Familien, so bei Mimosaceen, Caesalpiniaceen (Cassia), Burseraceen,
Myrtaceen etc. Als Schutzmittel gegen übermässige Transpiration,
l) Engler, S. 58.
374 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
wie man es in einer offenen xerophilen Formation erwarten würde,
erscheint solches Ausbreiten des Laubes höchst ungeeignet. Als Schutz-
mittel gegen die mechanischen und trocknenden Eigenschaften des
Windes ist sie im Gegentheil zweckentsprechend, indem sie den Angriffen
des letzteren die schmale Kante bietet. Dass ein solcher Schutz aber
in den offenen Gefilden der Savannen wie auf dem Hochgebirge von
Nöthen ist, liegt auf der Hand. Aehnliches gilt von den Etagenbäumen,
(Terminalia Katappa, Bombax malabaricum u. a.), die ich ebenfalls nur
an offenen Standorten und in ganz lichten Gebüschen gesehen habe.
Vieles spricht dafür, und bereits Reiche hat es ausgesprochen, dass
solche Schirmgestalten im Kampf gegen den Wind als Schutzmittel
entstanden sind, doch können allein Experimente zur Entscheidung fuhren.
Die xerophilen Bäume der Tropen sind meist trockenkahl ; ihr Laub
ist, trotzdem nur in der Regenzeit vorhanden, meist derb und mit
ausgeprägten Schutzmitteln gegen Transpiration versehen. Gefiederte
Blätter sind besonders häufig und durch ihre Beweglichkeit, welche
Fig. 1S6. Aus den brasilianischen Campos. Xerophile Laubknospen. Links: Myrcia longipes ;
Mitte: Eugen ia Jaboticaba; Rechts: Eugenia dysenterica. Nach Wanning.
ihnen die jemalige vortheilhafteste Lage ermöglicht, den klima-
tischen Bedingungen besonders entsprechend. Immergrüne Bäume
hingegen haben gewöhnlich einfache, oft stark behaarte Blätter, welche
in manchen Fällen derart verkieseln, dass sie blechartige Consistenz
annehmen und im Winde metallisch rasseln, (z. B. die Proteacee
Rhopala complicata, ein Charakterbaum der Llanos). Die Laubknospen
sind mit einer ebenso starken oder noch stärkeren schützenden Schuppen-
hülle versehen, als bei den Bäumen der temperirten Zonen. Nur die
Blüthen scheinen eines entsprechenden Schutzes zu entbehren, und be-
sitzen sogar oft grosse , zarte Kronen, obwohl sie sehr häufig auf der
Höhe der Trockenzeit zur Entfaltung kommen und dafür sowie zur
Transpiration beträchtliche Wassermengen beanspruchen.
Die Masse des Holzes ist im Vergleich zu derjenigen des Laubes
eine stärkere, als bei den hygrophilen Bäumen und die Rinde ist
häufig von einer mächtigen, schuppigen Borke überzogen (Fig. 187).
Ausser den eben besprochenen Schutzvorrichtungen gegen Trocken-
heit, welche in ähnlicher Ausbildung auch bei Xerophyten hoher Breiten
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
375
vorkommen, giebt es unter den tropischen Holzgewächsen Fälle be-
sonderer und sehr eigenartiger Anpassung. So verdanken manche
Bäume der Tropen die Fähigkeit, in sehr trockenen Ge-
bieten nicht nur fortzukommen, sondern stattliche bis
riesige Dimensionen zu erreichen, dem Umstände, dass
sie für die Trockenzeit grosse Wasservorräthe an-
sammeln. Zu diesen Bäumen gehört der mächtige Baobab der
Savannen Afrika's (Adansonia digitata), der nachher besprochen werden
soll, ferner die wunderbaren Fassbäume (Cavanillesia arborea (W.)
K. Schum. u. a. Bombaceen) der lockeren Dorngebüsche des Inneren
Brasiliens, deren bis 5 m dicker tonnenartig angeschwollener
Stamm (Fig. 193) als Wasserbehälter dient, ferner Spondias tuberosa
(Anacardiacee) derselben Wälder, bei welcher knollenartige Wurzel-
anschwellungen sich mit Wasser füllen.
Endlich kommen, im Gegensatz zu den
Regenwäldern und zu den Monsun-
wäldern, baumartige Succulenten in den
xerophilen Gehölzen, namentlich in den
Dornwäldern, häufig vor, vornehm-
lich Arten von Cereus im tropischen
Amerika (Fig. 128) und solche von
Euphorbia (Fig. 198) in Afrika.
Die Sträucher der Savan-
nen sind nicht weniger xerophil als
die Bäume. Ihre unterirdischen Theile
sind im Vergleich zu den oberirdischen
mächtig entwickelt und bilden manch-
mal ein so mächtiges Gerüst dicker ver-
holzter Axen, dass man einige derselben,
wie Andira laurifolia und Anacardium humile der Campos, mit Lund und
Liais als unterirdische Bäume bezeichnen möchte. Bei der Andira z. B.
(Fig. 188) nimmt das aus armsdicken Aesten bestehende Rhizomsystem
manchmal ein Areal von zehn Metern im Durchmesser ein , während
die oberirdischen Laubäste dünn und höchstens ein Meter hoch sind.
Solche unterirdische Axen scheinen als Wasserbehälter zu dienen, ebenso
wie die knolligen holzigen Rhizome, welche zahlreichen kleinen Sträuchern
und Halbsträu ehern der Campos zukommen (Fig. 203, 204).
Dünne Holzlianen kommen in den xerophilen Gehölzen, namentlich
in den Dornwäldern vor, dagegen gehen sie den Savannen ab ; man findet
in den letzteren vielmehr, z. B. in den Campos Brasiliens, aufrechte
Sträucher aus Familien und Gattungen, die sonst nur kletternde Formen
aufzuweisen haben. Schenck hält es für wahrscheinlich, dass manche
dieser Sträucher sich von Lianen abgeleitet haben und als Rückkehr
Fig. 187. Aus den brasilianischen Cam-
pos. Querschnitt durch den Stamm von
Sweetia dasycarpa. Nach Warming.
376
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
zum aufrechten Wuchs aufzufassen sind.1) Ebenso gehen sie den niederen
Gesträuchformationen des nördlichen Brasiliens ab. In den Savannen-
wäldern und Dornwäldern, in welche die Savannen, bezw. die Ge-
sträuche bei zunehmender Feuchtigkeit übergehen, finden sie sich zu-
weilen in geringer Anzahl und schwacher Entwickelung.
Phanerogamische und farnartige Epiphyten sind auf den Bäumen
lichter xerophiler Gehölze der Savannen äusserst spärlich vertreten oder
fehlen ganz. Sie werden reichlicher, sobald die Bäume näher zusammen-
rücken, und mancher Savannenwald hat keinen geringen Schmuck an
Bromeliaceen , Orchideen, Cactaceen , Farnen aufzuweisen. Auch epi*
Fig. 188. Aus den brasilianischen Campos: Andira laurifolia. Nach Warming.
phytische Ficus- und vielleicht Clusia-Arten kommen in der Savanne
vor, wo sie an die Palmen gebunden zu sein scheinen, deren persistirende
Blattstielbasen den jungen Pflanzen als Behälter dienen (Fig. 200).
Allen Epiphyten solcher trockenen Formationen ist der xerophile
Typus im höchsten Grade aufgeprägt ; alle Schutzmittel gegen Wasser-
verlust, alle Mittel zum Auffangen und Aufbewahren des Regenwassers,
die wir früher kennen lernten, sind bei ihnen besonders stark ent-
wickelt. Dabei sind es doch, mit Ausnahme der Feigen, nur kleine
Formen.
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Fig. 187. Im Monsunwalde, Birniah. Thonye Reserve, Thawawaddy.
a Cephalostachyum pergracile, b Sterculia sp.
Nach einer Photographie von Herrn J. W. Oliver, Conservator of forests.
a b c
ig. 188. Tcctona grandis, a erwachsener Baum, b jung, c Doani, d Acacia Catechu, e Blühende
Bambusa. Buet Reserve, Thawawaddy, Birmah.
Nach einer Photographie von Herrn J. W. Oliver, Conservat. of forests.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. $jj
So charakteristisch diese Epiphytenflora der xerophilen Tropen-
gebiete, so vollkommen sie den klimatischen Bedingungen der letzteren
angepasst erscheint, so setzt sie sich doch ausschliesslich aus Arten
des Regenwaldes zusammen. Die höchsten Zweige der Urwaldbäume,
diejenigen, welche das Sonnenlicht beinahe unbehindert erhalten, sind
die Heimath derSavannenepiphyten. Von da aus haben sie die trockenen
Ländereien bevölkert. ')
2. Die Gehölzformationen der periodisch trockenen
Tropengebiete.
§ I. Allgemeines. Der Unterschied der Vegetation beim Ueber-
gang aus einem immerfeuchten tropischen Gebiet in ein zwar regen-
reiches, aber periodisch trockenes erscheint während der nassen Jahres-
zeit nur gering, während er sich in der trockenen namentlich durch die
grosse Zahl entlaubter Bäume kundgiebt.
Zeitweise kahle Bäume treten in den Regenwäldern sehr zurück
und werden meist gar nicht bemerkt, um so mehr als ihre Entlaubung
und Neubelaubung häufig in keinem Zusammenhang mit den Jahres-
zeiten steht. Geht man hingegen in der Trockenzeit z. B. vom immer-
feuchten Westjava nach dem während des Ostmonsuns sehr regenarmen
Ost-Java, so zeigt sich das Laub stark verdünnt, indem dasselbe von
manchen Bäumen ganz, von anderen zum Theil abgeworfen worden
ist. Zudem genügen kleine Einflüsse des Bodens, um den beinahe ganz
trockenkahlen Tectona-Wald hervorzurufen. Das Bild ist ein ganz
anderes, als während der sogenannten Trockenzeit in Westjava, wo der
Unterschied der Vegetation zwischen Westmonsun und Ostmonsun im
Tiefland, z. B. bei Buitenzorg, zwar wohl sichtbar, aber wenig ausgeprägt
ist und im Gebirge beinahe ganz schwindet.
Nördlich von der Küstencordillere in Venezuela sowie innerhalb
derselben, im feuchten Thale von Caripe, befand ich mich während
der Trockenzeit (Februar) von immergrünem, dichtem Regenwald um-
geben, während südlich von der Cordillere, auf der Llanosseite, der
beinahe nur von entlaubten Bäumen zusammengesetzte lockere Savannen-
wald ein winterliches Bild geboten hätte, wenn nicht viele Bäume und
Epiphyten in voller Blüthe gewesen wären.
Die periodisch laubabwerfenden tropischen Wälder und die niedrigen
xerophilen Gehölze der Tropen sind bisher weit weniger untersucht
worden als die Regenwälder. Doch steht es fest, dass sie grosse
Mannigfaltigkeit bieten. Sie bilden meist, ähnlich wie die Regenwälder,
!) Vgl. s. 217.
378 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
gemischte Bestände, in welchen kaum eine Baumart als vorherrschend
bezeichnet werden kann ; zuweilen jedoch nimmt eine Art die Oberhand
und kann sogar nahezu reine Bestände bilden, wie beispielsweise
Tectona grandis in Ost- Java. In Bezug auf Höhe und Wuchsart der
Bäume, sowie auf Unterholz und krautige Boden Vegetation giebt es zahl-
reiche Modificationen , welche seitens der indischen Forstmänner zur
Aufstellung zahlreicher Typen und Untertypen benutzt worden sind.
Alle lassen sich jedoch zwanglos auf die von uns unterschiedenen Haupt-
typen der Monsunwälder, Savannenwälder und Dornwälder,
oder auf Zwischenformen derselben, zurückführen.1)
§ 2. Die tropischen und xerophilen Gehölze Indiens. Kurz hat
die periodisch kahlen Wälder in Pegu, wo dieselben allerdings ihre
wechselnden Eigenthümlichkeiten nicht bloss dem Klima, sondern auch
im hohen Maasse Einflüssen des Bodens verdanken, eingehend ge-
schildert. Den immergrünen Regenwäldern kommen diejenigen laub-
abwerfenden Bestände physiognomisch am nächsten, welche Kurz als
gemischte Wälder (mixed forests) bezeichnet, die nach unserer Termino-
logie zu den Monsunwäldern gehören und in Birmah die eigentliche
Heimath des werth vollen Teakbaums (Tectona grandis) darstellen. Hier
sind die Bäume im Durchschnitt 70 — 80 ', in manchen Gegenden aber
auch 120' hoch (upper mixed forests). Sie besitzen geraden Wuchs
und sind vielfach mit Lianen verbunden. Ihre Epiphyten sind wesentlich
auf die Wipfel beschränkt. Manchmal sind die Zwischenräume von hohem
Bambusdickicht ausgefüllt, aber die strauchige und krautige Vegetation,
namentlich der Graswuchs, tritt stark zurück (Fig. 125 und 189).
Andere Wälder Pegu's, namentlich diejenigen, welche Kurz „offene4*
(open forests) nennt, vielleicht auch seine „trockenen Wälder" (dry
forests) sind xerophile Nieder- oder höchstens Mittelwälder (30' — 6or
hoch), die zu unserem Typus der Savannenwälder gehören. Hier ist
der Baumstand locker; Stämme und Aeste sind plump und knorrig,
von einer reichen Epiphytenflora bedeckt. Lianen und Sträucher treten
stark zurück; dagegen ist der Boden von einem aus Gräsern und Stauden
oder von ersteren allein bestehenden Rasen überzogen.
Kurz unterscheidet zwei Formen seiner „mixed forests", „upper" und
„lower mixed forests". In ersteren ist der Baumwuchs höher als in den
letzteren, aber weniger mannigfach. Grosse Bambusen spielen in den „upper
mixed forests" eine wichtige Rolle (Fig. 189); Teak ist in der Regel vorhanden;
Sterculia villosa und urens, Milletia Brandisiana, Grewia elastica, Duabanga
grandiflora, Erythrina stricta und suberosa sind die charakteristischen Bäume;
es sind aber noch viele andere Arten vertreten. Sträucher sind spärlich und
schlecht entwickelt (Helicteres plebeja, Thespesia lampas, Grewia hirsuta etc.).
l) Vgl. S. 281.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. 379
Lianen sind ebenfalls wenig zahlreich (Combretum, Calycopteris, Abrus preca-
torius etc.), das Waldinnere dementsprechend sehr frei. Grasüberzug des
Bodens ist nur ausnahmsweise vorhanden und besteht dann aus dem so-
genannten Teakgrase, einer Pollinia-Art. Farne sind auf dem Boden spärlich
und nur in solchen Arten vertreten, die viel Trockenheit ertragen. Zahlreiche
Kräuter entspringen dem Boden, ohne denselben zu bedecken. Moose sind
sehr spärlich und auf feuchte Sandsteinfelsen beschränkt (Hypnum, Fissidens, Mar-
chantia). Die Epiphyten sind wenig zahlreich und nur auf Baumwipfeln vorhanden.
Die „lower mixed forests" sind im Durchschnitt 70 — 8o', zuweilen bis
ioor hoch, reicher an Lianen und auch an Sträuchern und daher dichter als
die „upper mixed forests". Kurz erwähnt gegen 50 Baumarten als Haupt-
bestandtheile dieser Wälder, und ungefähr ebensoviele als von mehr lokalem
Auftreten. Wir finden unter den ersteren die verschiedeasten Familien ver-
treten: Sterculiaceen , Malvaceen, Bombaceen, Dilleniaceen , Sapindaceen
(Schleichera) , Anacardiaceen (Odina, Mangifera, Spondias), Combretaceen
(Terminalia sp. div., Anogeissus), Lythraceen (Lagerstroemia sp. div.), Samyda-
ceen (Homalium), Diospyraceen , Bignoniaceen (Spathodea, Heterophragma,
Stereospermum, Calosanthus), Euphorbiaceen (Antidesma, Emblica), Mimosaceen
(Albizzia), Rubiaceen (Nauclea sp. div., Gardenia, Randia), Artocarpeen (Ficus
sp. div.), Myrtaceen (Barringtonia , Careya), Strychnos nux vomica u. a. m.
Unter den Sträuchern zeigen sich namentlich Thespedia lampas (Malva-
cea), Grewia hirsuta (Tiliacea), Verbenaceen (Premna, Clerodendron), Euphor-
biaceen (Ceratogynum, Phyllanthus, Baliospermum), Papilionaceen (Desmodium,
Flemmingia), 2 Calami u. a. m.
Die Lianen sind äusserst verschiedenartig. Kurz erwähnt namentlich über
50 Arten, darunter zahlreiche Leguminosen (Butea, Spatholobus, Entada,
Caesalpinia sp. div., Acacia, Dalbergia, Phaseolus, Pueraria, Mucuna, Dolichos,
Mezoneurum, Abrus precatorius) , Menispermaceen (Stephania), Rhamnaceen
(Ziyphus, Gouania, Colubrina), Celastraceen (Celastrus), Sapindaceen (Stephania),
Vitaceen (Vitis sp. div.), Rubiaceen (Paederia), Euphorbiaceen (Rottlera, Bri-
delia), Verbenaceen (Symphorema, Congea), Combretaceen (Combretum sp. div.,
Calycopteris), Cucurbitaceen (Zehneria, Luffa), Convolvulaceen (Argyreia sp.
div., Ipomoea), u. a. m., auch einige Monocotylen (Smilax, Scindapsus), Gne-
tum scandens, Lygodium etc.
Unter den Kräutern, die den Boden nirgends bedecken, zeichnen sich
namentlich Scitamineen aus. Daneben kommen eine Anzahl Gräser, Araceen,
Compositen, Malvaceen u. s. w.
Die Bäume tragen als Epiphyten Moose (Neckera, Meteorium), ver-
schiedene gemeine Orchideen, Farne und Asclepiadeen , ausserdem aufTallend
viele und verschiedenartige parasitische Loranthaceen.
Die Savannenwälder in Pegu zeigen sich unter verschiedenen Formen,
die Kurz als „Eng forests" oder „Latente forests", „low forests" und „savannah
forests" bezeichnet. „Eng" ist die einheimische Bezeichnung für Diptero-
carpus tuberculatus, der für die erstere Waidform charakteristisch ist.
Die Engwälder befinden sich hauptsächlich auf Laterit, aber auch, allerdings
in weniger entwickelter Form, auf verschiedenen Diluvialböden. Das Niveau
380 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
des Laubdaches liegt auf reinem Lateritboden bei etwa 30 — 40', auf mehr
thonigem oder lehmigem Boden bei etwa 70 — 80'. Die meisten Stämme
haben eine dicke, rissige, schuppige Borke und auffallend plumpe, knotige,
krumme Aeste. Vorherrschend auf reinem Lateritboden ist Dipterocarpus
tuberculatus ; auf anderen Bodenarten tritt er zurück oder fehlt Mehr als
vierzig andere Baumarten pflegen ausserdem reichlich aufzutreten. Es sind
Dipterocarpaceen (Shorea, Pentacme), Meliaceen (Walsura), Dilleniaceen
(Dillenia), Celastraceen (Lophopetalum), Rhamnaceen (Zizyphus), Anacardiaceen
(Buchanania, Melanorrhoea), Styracaceen (Symplocos), Diospyraceen (Diospyros),
Myrsinaceen (Myrsine), Euphorbiaceen (Phyllanthus , Aporosa), Papilionaceen
(Dalbergia, Xylia), Rubiaceen (Wendlandia , Nauclea, Randia, Gardenia, Com-
bretaceen (Terminalia), Myrtaceen (Careya, Eugenia), Lythraceen (Lager-
stroemia), Strychnos nux vomica u. a. m. in buntester Abwechselung. Zwischen
den Bäumen wachsen Bambusen (B. tulda und B. stricta). eine stammlose
Palme (Phoenix acaulis), niedriges, sehr spärliches Gesträuch, zu welchem Verf.
merkwürdigerweise auch grössere Kräuter, sogar einjährige rechnet und wenige,
kaum kletternde Lianen. Der Graswuchs auf dem Boden pflegt sehr reich
entwickelt zu sein (Andropogoneen, Paniceen, Cyperaceen) und ist von zahl-
reichen kleineren Kräutern untermischt (Malvaceen, Acanthaceen, Rubiaceen,
Campanulaceen , Gentianaceen , Scrophulariaceen , Labiaten, Papilionaceen,
Compositen, Scitamineen, Amaryllidaceen , Orchideen, Commelinaceen , Erio-
caulaceen etc.).
Eine Fülle epiphytischer Orchideen, Hoyae, Farne (Platycerium etc.)
wachsen in grosser Menge auf den Baumästen.
Die „low forests" sind in Wuchs den Engwäldern ähnlich, und systematisch
als Uebergang der letzteren zu den „lower mixed forests" (v. oben) zu be-
trachten. Ihr Boden ist von Andropogoneen oder von Imperata cylindrica
reich bewachsen.
Kurz, „Savannah forests" haben dieselbe Höhe wie die Engforests. Sie
wachsen auf tiefem Alluvialboden, namentlich in der Nähe der Flüsse. Die
Stämme in ihnen sind sehr kurz, oft kaum höher als das den Boden be-
deckende sogenannte Elephantengras (Arten von Andropogon, Coix, Sac-
charum, Phragmites) ; die Kronen sind auffallend stark entwickelt und oft flach
ausgebreitet Die Baumarten sind zum Theil die gleichen wie in den
„lower mixed forests". Es sind typische Savannenwälder.
Der grösste Theil des Waldes in Ostjava kann als eine Zwischen-
form von Regenwald und Monsunwald bezeichnet werden, aber edaphische
Einflüsse machen sich hier, wie überhaupt in klimatischen Uebergangs-
gebieten sehr geltend und bedingen eine reichere Gliederung der
Vegetationsdecke als in Westjava, wo dieselbe sich wesentlich nur vom
Klima abhängig zeigt. Namentlich tritt in Ostjava auf leicht trocknendem,
bezw. schwer durchlässigem Boden die Formation des Djatiwalds, ein
typischer, tropophiler laubabwerfender Wald auf.
Der Djatiwald verdankt seinen Namen dem technisch werthvollen
Djatibaum, Tectona grandis, — dem Teak der Engländer (Fig. 1901,
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. 38 1
welcher auch in Continentalindien sehr verbreitet ist, jedoch nur auf
Java selbstständige Wälder bildet, in welchen andere Bäume nur als
Nebenbestandtheile auftreten. Der Tiekbaum gehört keineswegs zu
den Riesen, weder was seine Höhe noch seine Stammdicke betrifft.
Er wird höchstens 25 m hoch. Seine herzförmigen an diejenigen der
Catalpa erinnernden Blätter sind sehr gross und die violetten, mitten
in der Regenzeit sich öffnenden Blüthen sind in pyramidenförmige
Rispen vereinigt. Der Stamm besitzt eine helle Rinde und entbehrt
der Epiphyten; dagegen siedeln sich Feigen (Urostigma- Arten) häufig
im Geäste an. Zur Trockenzeit ist der Tiek ganz unbelaubt (Juni bis
October) und entfaltet seine neuen Blätter mit dem Auftreten des
West-Monsuns im November.
Cordes hat die natürlichen Tiekwälder Ost-Java's — Waldculturen
sind auch in West-Java sowie in Englisch-Indien vorhanden — nach
ökologischen und floristischen Gesichtspunkten eingehend dargestellt.
Im Gegensatz zum Regenwalde West-Java's ist das Aussehen des
Tiekwalds in den verschiedenen Jahreszeiten ein sehr ungleiches. Im
August und September, auf der Höhe der Trockenzeit, ist das von ihm
dargebotene Bild ein beinahe winterliches. Die überwiegende Mehrzahl
der Bäume, darunter namentlich alle Tiekbäume sind ganz laublos und
der Boden ist von einer knisternden Lage ihrer trockenen, erst in der
Regenzeit verwesenden Blätter bedeckt. Die den Tiekbaum begleitenden
Bäume sind in der Trockenzeit leichter als in der Regenzeit erkennbar.
An der schirmförmigen Krone erkennt man Acacia leucophloea, an der
weissen, derjenigen der Birke ähnlichen Borke Albizzia procera. Einige
Baumarten sind grün geblieben, darunter der häufigste Begleiter der
Djati, Butea frondosa, welche im Gegensatz zum letzteren sich auf der
Höhe der Trockenzeit mit ihren grossen feuerfarbigen Schmetterlings-
blüthen schmückt. Immergrün sind ferner die Sapindacee Schleichera
trijuga, die Mimosee Albizzia stipulata, mit regelmässiger schirmförmiger
Krone und die auf dem Geäst anderer Bäume angesiedelten Feigenbäume.
Zwischen den hohen Bäumen wachsen zahlreiche kleinere, nament-
lich Emblica officinalis Gaertn., eine Euphorbiacee, ferner Dillenia
aurea etc. Palmen sind sehr selten, Bambusen kommen hier und da
vor. Reich entwickelt und mannigfach ist die Strauchvegetation. Be-
sonders zahlreich sind die Leguminosen, z. B. Acacia tomentosa Wild.,
Cassia- Arten, Papilionaceen, aber auch Hibiscus lampas zeigt häufig
seine grossen gelben Blüthen. Die Lianen sind alle dünnstämmig und
vorwiegend Papilionaceen, wie Abrus precatorius, Mucuna- Arten etc.
Die Kräuter sind nach der Bodenbeschaffenheit sehr wechselnd. Ist
dieselbe feucht und humös, so zeigen sich Dickichte stattlicher
Zingiberaceen (Curcuma-, Kaempferia-, Elettaria-Arten etc.), die in der
zweiten Hälfte der Trockenzeit (September bis October), ihre prächtigen
2 82 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Blüthen entfalten. Besonders trockene Böden sind vornehmlich von
hohen Gräsern bewachsen, wie Alang -Alang (Imperata arundinacea)
und Glagah (Saccharum spontaneum L.). Unter den zahlreichen, meist
unscheinbaren Stauden sind namentlich Malvaceen (Urena, Sida\
Compositen (Conyza lacera Burm., Wollastonia, Adenostemma vis-
cosum etc.), einige Araceen, sehr kleine Acanthaceen und Comme-
linaceen, endlich verschiedene in der Trockenzeit blühende Amaryl-
lidaceen (Eurycles ambonensis, Pancratium zeylanicum, Crinum asiaticum )
zu erwähnen.
Ausser den schon berücksichtigten Feigen sind Epiphyten im
Djati-Wald sehr spärlich und auf wenige kleine Orchideen, Asclepiadeen,
Aeschynanthus beschränkt. Das Vorkommen epiphytischer Farne ist
ein Zeichen, dass im Geäst Höhlungen vorhanden sind und Moose sind
auf gesunden Bäumen nur ausnahmsweise vorhanden. Dagegen sind
parasitische Loranthaceen sehr häufig.
Die meisten der erwähnten Kräuter sind in der Trockenzeit sehr
reducirt oder, soweit sie annuell sind, gar nicht vorhanden. Mit der
Butea, im Juli und August, blühen die Amaryllideen, später, im Sep-
tember und October treten sehr viele andere Gewächse hinzu, wie die
ebenfalls schon erwähnten Zingiberaceen, namentlich aber die meisten
Bäume, mit Ausnahme der Tectona. Noch grösser ist der Blumenflor
beim ersten Beginn der Monsunregen, im November ; namentlich blühen
dann die meisten Sträucher, während die Kräuter, deren Blüthen-
entwickelung in engster Abhängigkeit von der Ernährungsthätigkeit steht,
meist in der Regenzeit blühen. Im Ganzen ist der Blüthenflor im
Djatiwald, entsprechend der grösseren Trockenheit und stärkeren Be-
leuchtung, weit grösser als im Regenwald.
November ist die Zeit, wo das Laubdach sich neubildet. Der
Djatibaum bedeckt sich mit anfangs rothen Blättern, die bald dichte
Laubmassen bilden. April, Mai und Juni sind die blüthenärmsten Monate.
§ 3. Die Gehölze des tropischen Ostafrika. Es ist zur Zeit noch
nicht möglich, eine befriedigende Darstellung der Vegetationsverhältnisse
des tropischen Ost-Afrika südlich vom Aequator zu geben. Meteoro-
logische Aufzeichnungen liegen nur wenige, auf kurze Zeit sich er-
streckende vor, und, mit Ausnahme von Volkens, der sich ganz
wesentlich im Hochland von Kilimandscharo aufhielt, haben bis jetzt
Botaniker das Gebiet nicht bereist. Aus den Aufzeichnungen der
Sammler und anderer nicht wissenschaftlich gebildeter Reisenden
ergiebt sich für die Küstenlandschaften bis zum Zambesi das Bild einer
reich diflferenzirten Vegetationsdecke mit verschiedenartigen Gehölz-
Grasflur- und Wüstenformationen. Welcher Antheil bei dieser Gliederung
den klimatischen und welcher den edaphischen Einflüssen, in wieweit
der Charakter ursprünglich oder vom Menschen modificirt ist, lässt sich
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. 383
gegenwärtig nicht angeben. Die Gehölze des Küstengebiets Ost-
Afrika 's sind zum grösseren Theile xerophil und sind theils als Savannen-
wälder, theils als Dornwälder und Dorngebüsche ausgebildet, natürlich
mit verschiedenen Zwischenformen. Die wenig ausgedehnten hoch-
stämmigen Waldparcellen (Fig. 191 u. 192) werden wohl, entsprechend
Fig. 191. Waldpartie im Küstenland von Deutsch -Ost -Afrika. Nach einer Photographie.
der schart ausgeprägten Gliederung des Jahres in Regenzeit- und
Trockenzeit, den Monsunwäldern anzugliedern sein, doch fehlt es an
genaueren Darstellungen, wie auch an Angaben über das Verhalten der
Belaubung in den verschiedenen Jahreszeiten.
„Kein Formations-Typus", sagt Engler, „ist in Afrika so reich entwickelt,
wie der der Buschgehölze11. Nach seiner Schilderung gehören diese Gehölze
384
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
zu unseren Dornwäldern, mit häufigem Vorherrschen der Sträucher und bei
abnehmender Feuchtigkeit, allmählichem Uebergang zur Wüste.
Zu den afrikanischen Dornwäldern gehören namentlich Engler's „dichter
Buschbestand" des unteren Buschlandes und sein „Steppenbuschdickicht" im
Inlande.
Engler betont die systematische Aehnlichkeit der „Buschwälder" des tro-
pischen Afrika unter sich und mit denjenigen Vorderindiens und ihre physio-
gnomische Aehnlichkeit mit denjenigen Central- und Südamerikas (Mexico,
Argentinien, Chile). In systematischer Hinsicht ist für sie charakteristisch
das reichliche Vorkommen der Acacien in verschiedenen Arten Neben ihnen
sind auch die ebenfalls mit doppeltgefiederten Blättern versehenen Gattungen
Dichrostachys und Albizzia an Individuen reich vertreten. Holzgewächse mit
•**. *•
v'-
fefr&H'
Fig. 192. Waldpartie im Küstenland von Deutsch -Ost -Afrika. Nach einer Photographie.
einfach gefiederten Blättern sind selten gleich dominirend (Bignoniaceen , die
Anacardiacee Odina, die Simarubacee Harrisonia, einige Rutaceen, Burseraceen,
Connaraceen, Caesaipiniaceen). Gewächse mit gedreiten Blättern sind häufig
(z. B. Commiphora, Rhus, Jasminum, Vitex etc). Die meisten Gewächse des
Dornwaldes haben einfache Blätter, die in der Mehrzahl der Arten persistirend
sind und eine sehr dicke Cuticula besitzen (Euphorbia ceen, Celastraceen,
Rhamnaceen, Rubiaceen, Sterculiaceen , Verbenaceen, Compositen u. s. w.,
häufig mit unscheinbaren, weisslichen Blüthen). In den dichten Gehölzen treten
nur wenige Kräuter auf, während solche sich in den Lichtungen zahlreich
zeigen. Schling- und Kletterpflanzen, wohl nur dünnstämmig, sind artenreich;
Peperomia und Angraecum treten als Epiphyten auf.
Der zweite Typus des xerophilen Niederwalds, der Savannenwald,
ist anscheinend in Afrika weit weniger entwickelt als der Dornwald. Typischer
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. 385
Savannenwald in unserem Sinne ist Engler's „Steppenwald", der namentlich in
Unyamwesi auftritt. „7 — 12 m hohe geradstämmige Bäume, mit 3 — 4 cm dicken
Stämmen bilden den Hauptbestand; vorherrschend, bisweilen alleinherrschend
sind Leguminosen mit einfach gefiederten Blättern, die als Myombo bezeichnet
werden, so in Unyamwesi Berlinia Eminii, aber auch Acacia-, Sterculia-, Termi-
nalia- und Kigelia- Arten kommen vor. Unterholz ist wenig vorhanden, die
Sträucher und kleinen Bäumchen von Anona, Combretum und Anderen sind so
zerstreut, dass der Marsch durch solche Myombowälder in keiner Weise behindert
wird. Succulente Pflanzen sind selten, nur hier und da tritt eine Aloe oder eine
Kandelaber- Euphorbie auf; aber zahlreiche Kräuter bedecken den Boden." (S. 62.)
§ 4. Tropophile und xerophile Gehölze im tropischen Amerika.
Die Hochwälder des Innern Südamerikas, namentlich Brasiliens südlich
vom Amazonas, dürften zum Theil tropophil und zu den Monsunwäldern
zu rechnen sein. Die von Warming geschilderten Wälder von Minas
geraes werfen ihr Laub periodisch ab, allerdings ohne jemals kahl zu
werden, indem die Entlaubung der meisten Bäume der Neubelaubung
unmittelbar vorausgeht.
Die ausgeprägt xerophilen Typen der Savannenwälder und Dorn-
wälder (bezw. Dorngebüsche) sind im ganzen tropischen Amerika reich
vertreten und wechseln häufig mit den Savannen ab. Nimmt die
Feuchtigkeit zu, so geht die Savanne zunächst in Savannenwald über.
So wenigstens habe ich es in Venezuela beobachtet, wo bei der Be-
steigung der Küstencordillere vom Süden her die bisher zerstreuten
Bäume sich zum nahezu geschlossenen Walde näherten, während der
Boden seinen Graswuchs behielt. Der niedrige, einem dichten Obst-
garten vergleichbare Wald bestand vorwiegend aus Leguminosen mit
schirmförmiger Krone, namentlich aus Cassia-Arten , deren vollständig
entlaubte Zweige von gelben Blüthen bedeckt waren. Zerstreut zwischen
den entlaubten Bäumen zeigten sich zwei immergrüne, sehr derbblätterige
Baumarten, die Proteacee Rhopala complicata und der Cajü, Anacardium
occidentale. Alle Aeste, namentlich aber diejenigen der entlaubten Bäume,
trugen kleine hartblätterige oder dichtbehaarte Tillandsien (darunter
sehr reichlich T. recurvata) und einige ebenfalls ausgesprochen xero-
phile Orchideen, namentlich eine schön blühende Jonopsis. Eine säulen-
förmige Cereus-Art von gleicher Höhe wie die Bäume zeigte sich häufig
zwischen den letzteren. Der Boden war von reichem und hohem, aber
völlig vertrocknetem Graswuchs bedeckt.
Savannenwälder sind gewiss noch anderwärts im tropischen Amerika
vorhanden. So scheinen die „Capoes", die Waldparcellen, die die Vege-
tation der Savannen (Campos) in Centralbrasilien auf feuchterem Boden
ersetzen, zu diesem Typus gehören (Vgl. Fig. 127).
Die Dorngehölze, als Wälder, Gebüsche oder Gesträuche, sind
im tropischen Amerika sehr entwickelt. So bilden sie einen wesent-
Schimper, Pflansengtographie. 25
ßgg Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
liehen Theil der Küstenvegetation im östlichen mittleren Mexiko (Fig. 128).
Namentlich aber überziehen sie, unter dem Namen „Caatingas" bekannt
und gefürchtet , ausgedehnte regenarme Landschaften in Brasilien,
zwischen den Savannen (campos) des Südens und den Regenwäldern
des Amazonas und seiner Nebenflüsse. Sie wechseln vielfach mit den
Savannen ab und zwar sind, wie in allen trockenen Gebieten, eda-
phische Einflüsse für den Wechsel des Vegetationscharakters in erster
Linie maasgebend, indem sich die Savanne auf dem festeren, bei Regen
oberflächlich benetzten, das Gehölz aber auf sandhaltigem, für Wasser
sehr durchlässigem Boden behauptet. Die Caatingas stellen dornige,
vorwiegend von Mimoseen gebildete Gebüsche dar, in welchem mehr
oder weniger zahlreiche Bäume sich erheben, darunter die wunder-
baren, früher schon erwähnten Barrigudos und Säulencacteen. Dünne
Lianen klettern zwischen dem Gesträuch, Epiphyten fehlen oder sind
äusserst spärlich. Die krautige Vegetation ist auf stachelige Bromelia-
ceen beschränkt (Fig. 193).
Die Caatingas Brasiliens sind häufig geschildert worden, namentlich durch
Martius, St. Hilaire, Liais, in neuester Zeit durch Detmer. Martius entwirft
von ihnen folgendes anschauliche Bild:
„Ganz anders (d. h. im Vergleich zu den Regenwäldern) verhält sich
dieses mit denjenigen Wäldern, welche, vom Brasilianer mit dem Namen der
Catingas oder der lichten Wälder bezeichnet, während der Dürre ihre
Blätter verlieren, und erst, wenn sich mit der nassen Jahreszeit ein anhalten-
der Regen eingestellt hat, wieder ausschlagen. Sie bestehen aus Bäumen von
bedeutend niedrigerem Wuchs und erneuern, wenn sie entblättert sind, dem
europäischen Reisenden das Bild seiner vaterländischen Laubwälder im Be-
ginne des Winters. Sie gehören hauptsächlich den nördlichen Provinzen von
Cearä, Rio Grande do N'orte, Pernambuco, Piauhi, Goyaz und Bahia an, wo
sie den sandigen, ur-granitischen oder jura-kalkigen Boden in ungeheueren
Strecken einnehmen. Dürre, quellenarme Gegenden, deren Flüsse während
des Sommers versiegen, hügeliges Land oder Ebenen, sind das Vaterland
dieser sonderbaren Wälder. Nur mit Furcht und Grauen durchzieht sie der
Reisende in den trocknen Monaten. So weit er blickt, umstarren ihn regungs-
los, von keinem Lüftchen gefächelt, die entblätterten Stämme; kein grünes
Blatt, keine saftige Frucht, kein frischer Grashalm auf dem glühenden nackten
Boden; nur sonderbar gebildete Cereus - Stämme , welche sich hier wie un-
geheuere Candelaber erheben, dort, in geschlossene Reihen zusammengedrängt,
mit ihren giftigen Stacheln drohen, scheinen noch eine Spur des flüchtigen
Lebens in sich erhalten zu haben . . . Löst aber hier ein plötzlicher Regen die
Banden des Pflanzenreichs ... so ersteht, wie im Zauberschlage, eine neue Welt.
Auf den vieiverzweigten Stämmen spriessen Blätter von mildem Grün hervor, un-
zählige der seltsamsten Blumenformen entfalten sich, die Gerippe der drohen-
den Dornhecken und Schlingpflanzen umkleiden sich mit frischem Laube . . ."r»
l) 1. c. S. 16—17.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. 387
Als Charakterpflanzen der Caatingas werden von Martius erwähnt: Spondias
tuberosa Arr., Anona obtusifolia Mart, Caesalpinia pubescens, glandulosa
Mart. , Capparis lineata, Ico, longifolia, laevigata Mart., Pourretia ventricosa
Mart und Chorisia ventricosa N. M.; Thryallis brasiliensis , mehrere kleine
Arten von Bombax, viele Acaciae und Mimosae, Jatrophae, „eine eckige
gabiige Euphorbia, die einzige Art dieser afrikanischen Form, welche uns
in Brasilien vorgekommen.' ' Die Palme auf Fig 193 ist Cocos coronata.
Liais' Schilderung fügt derjenigen Martius keine wesentlichen Züge hinzu.
Doch betont er das Vorkommen vielgestaltiger Cacteen und die grosse Menge
stachlicher Bromeliaceen als Bodenkräuter.
Detmer, der die Caatingas der Prov. Bahia im September (Uebergangs-
monat von Trocken- zu Regenzeit) sah, spricht sich darüber folgendermaassen aus:
„Der dürre Boden besteht aus grauweissem, lockerem Sande. Auf ihm
wachsen überall, zu dichtem, zum Theil undurchdringlichem Gestrüpp ver-
einigte, meist völlig laublose, dornige Sträucher, die nur hier und dort von
einzelnen Bäumen wenig überragt werden. Zwischen den Sträuchern erheben
sich oft in grosser Anzahl ca. 20 Fuss hohe Mandacarus, d. h. Cereusbäume,
deren mächtiger, an seiner Basis holziger Stamm sich weiter nach oben in
einzelne dicke, 4 — 5 kantige, verzweigte, mit langen Dornen besetzte Aeste
auflöst Den Boden zwischen den Sträuchern bedecken sehr grosse Gravattas,
erdbewohnende Bromeliaceen mit halb verdorrten scharfrandigen, rosettenartig
gruppirten Blättern, über welche die vertrockneten Blüthenstände emporragen,
und nur wenige andere Pflanzen, die zum Theil graugrüne, stark behaarte
Blätter tragen. Auch niedrige Fächer- und Fiederpalmen sind reichlich
vertreten."
Den Caatingas ähnliche Dorngebüsche zeigen sich auch im süd-
lichen Theile Brasiliens, in Minas geraes. Da sind sie nach Liais
und Warming an felsige Kalkhügel gebunden, und unterscheiden sich
von den benachbarten Wäldern durch viel vollständigere Entlaubung,
durch grösseren Reichthum des Gesträuchs zwischen den mehr ge-
trennten Bäumen, durch mehr ausgeprägten xerophilen Charakter und,
im Einklang mit letzterem, durch grösseren Reichthum an Dorngewächsen
und Succulenten.
Dorngehölze sind auf den Antillen reich entwickelt. Sie zeigen sich
beispielsweise in grosser Ausdehnung an der Ostküste Jamaika's, wo sie
namentlich aus Mimoseen und Cereus- Arten bestehen und, wie in Minas, an
Kalkboden gebunden zu sein scheinen. Mehrere der kleinsten Inseln sind
von ihnen fast ganz überzogen, z. B. die von Eggers geschilderten dänischen
Inseln.
3. Die tropischen Grasflurformationen.
§ 1. Allgemeines. Während in den Gebieten mit Regen zu allen
Jahreszeiten die Grasflur eine ganz untergeordnete Rolle spielt und ihr
l) 1. c S. 77.
25*
388
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
*ig- *93- Tropisches Dorngehölz: Caatingawald im unbelaubten Zustande.
Prov. Bahia , Brasilien. Nach Martius.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
389
beschränktes Auftreten standortlichen Einflüssen verdankt, nimmt sie in
den Gebieten mit markirten Trockenzeiten, namentlich in Afrika und
in Süd-Amerika, gewöhnlich in Form der Savanne, weniger häufig
als Steppe ausgedehnte Areale ein.
Das Bild der tropischen Savanne bleibt überall wesentlich das
gleiche, wenigstens in den Niederungen (Fig. 127 und 195). Hohe, in
manchen Gebieten über manneshohe Gräser entspringen in dichten,
durch nackte Zwischenräume getrennten Büscheln dem physikalisch
Fig. 194. Dorngebüsch auf Kalkboden in Minas geraes. Uvaria macrocarpa, Cereus
coerulescens. Nach Warming.
und chemisch sehr verschiedenartigen, häufig durch Eisenoxyd roth-
gefarbten Boden. Auf den Hochebenen wird der Graswuchs niedriger,
manchmal nicht höher als auf unseren Wiesen und mehr von Stauden
und Halbsträuchern durchsetzt. In grösseren oder kleineren Abständen
erheben sich Bäume, meist krüppelhafte, knorrige, an unsere Aepfel-
bäume erinnernde Zwergbäume, zuweilen jedoch hochstämmige Bäume,
welche gewöhnlich charakteristischen, dem Wald fehlenden Arten an-
gehören. Ausser dicotylen Laubbäumen kommen auch Palmen in der
Savanne vor.
390
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Durch dichteres Zusammentreten der Bäume geht die Savanne
allmählich in den Savannenwald, durch Verschwinden der Bäume
in die Steppe über. Solche Uebergänge sind häufig und werden
zuweilen durch klimatische Ursachen, häufiger jedoch durch Wechsel
der Bodenbeschaffenheit bewirkt.
§ 2. Afrikanische Savannen. Eine anschauliche Schilderung hat
Pechuel- Lösche von den Savannen an der Loangoküste gegeben, die
für die Physiognomie der Savannen in Niederungen überhaupt als
typisch gelten können. Allerdings fehlen in dem Bilde der Baobab
Fig. 195. Landschaft bei Lagoa Santa in Minas geraes. Auf den Rücken Savanne ^CaniposJ,
in den Thälern Wald. Nach Warniing.
(Adansonia digitata) und die derbblätterigen Zwergbäume, die vereinzelt
aus dem Grase hervorwachsen und die der Verfasser anderwärts be-
schreibt. Zwei Formen der Savannen werden von ihm unterschieden,
die offene und die geschlossene: „Die ersteren bestehen aus minder
voll bestockten und locker vertheilten schmiegsamen Gräsern unter
Manneshöhe, welche das Durchstreifen und eine genügende Umschau
gestatten: die letzteren aus enggedrängten, steifen und kräftiger auf-
schiessenden, welche den Eingeborenen fest umschliessen und ein Ab-
weichen vom gebahnten Pfade theils sehr erschweren, theils gänzlich
verhindern. " „Räumlich waltet die offene Grasflur vor. Die Haupt-
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
391
masse derselben liefern durchschnittlich einen Meter hohe Gramineen.
In vielen Gegenden finden sich allenthalben zwischen diesen verstreut
graciös im Winde schwankende, sehr lockere Garben eines schönen
drei Meter hohen Andropogon und Cympogon und ein niedriges
Ctenium. Die geschlossene Grasflur, auch wo sie zum niederen
Dschungel umgewandelt ist, wird fast ausschliesslich durch Paniceen
gebildet, deren starre Halme vier und fünf Meter hoch aufschiessen.
Letztere Grösse ist indessen schon eine verhältnissmässig bedeutende
und ungewöhnliche, nach zahlreichen Messungen ist eine Länge von
Fig. 196. Aus der westafrikanischen Savanne. Anona senegalensis , Gräser und Termiten-
nester. Loango. Nach Pechuel - Lösche.
fünf und einem halben Meter als die äusserste Grenze des Wachsthums
zu betrachten."
. . . „Die Vegetationszeit aller Campinengräser l) fällt in die gewitter-
reiche Zeit; bevor diese zu Ende gegangen, haben sie ihre Samen
gereift und beginnen abzusterben wie das Getreide unserer Felder.
Selbst während ihrer kräftigsten Entwickelung zeigen sie nicht das
saftige, erfrischende Colorit unserer Wiesen, weil die aufschiessenden
Halme stets mit vertrockneten, niedergebrochenen oder ruthengleich
emporschauenden untermischt sind, welche dem ohnehin matten Grün
l) Campine = Savanne.
392 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
einen fahlen gelblichen oder bräunlichen Farbenton verleihen. Diese
verdorrten Reste liefern auch mitten in der Regenzeit dem Feuer hin-
reichende Nahrung und ermöglichen ein theilweises Niederbrennen oder
doch Absengen der Bestände. Bis auf den Grund von den Flammen
gereinigte Strecken erinnern, von fern betrachtet, in den ersten Tagen
des Wachsthums, wenn die unzähligen jungen Schösslinge und Blatt-
spitzen hervorkommen, zuweilen lebhaft an die auf unseren Feldern
spriessenden Saaten."
„Der reiche Blüthenschmuck mannigfaltiger Staudengewächse,
welcher die Weideländer anderer Erdtheile ziert, die vergängliche Pracht
der Zwiebelgewächse vieler Steppengebiete ist den Campinen fremd.
Nur in den offenen finden sich verstreut einige Kinder Floras : mattroth
oder gelb blühende Indigo-Stauden, eine niedliche Striga lutea Louret
mit brennend rothen, die zierliche Cassia mimosoides L. mit goldgelben,
stellenweis auch ein Clerodendron mit lebhaft scharlachrothen Blüthen.
Seltener gedeihen zwischen den Gräsern Vernonieen, die violette V.
cinerea Less. und die weiss oder leicht rosa blühende V. senegalensis
Desf.; die letztere ist eine der verbreitetsten . . . .ul)
Die afrikanischen Savannen besitzen nicht bloss Zwergbäume,
sondern auch grosse, ja riesenhafte Bäume. Der berühmteste dieser
Riesen der Savannen ist der Affenbrotbaum oder Baobab, Adansonia
digitata, „ein verschiedenartig entwickelter, in der Regel aber wohl-
gewachsener Baum von gigantischer Gestalt, dessen Stamm und
Geäst von übermässiger, man könnte sagen, ungeschlachter Dicke er-
scheinen."2) Der Baobab ist durchaus auf offene Landschaften, nament-
lich Savannen beschränkt und beherrscht auf weiten Strecken die
letzteren vollständig.
„Im Allgemeinen ähnelt die Gestalt des Affenbrotbaumes der unserer
riesigen, auf Hutungen wachsenden Eichen. Wie diese besitzt er mannig-
faltige individuelle Verschiedenheiten, zeigt jedoch in der Regel ein weniger
knorriges und nicht in so scharfen Biegungen verlaufendes Astgerüst Man
könnte behufs schärferer Eintheilung einen dreifachen Habitus der Adansonia
aufstellen. Ihr massiger, astloser Stamm ist entweder walzenrund, fast gleich-
massig dick und trägt säulenähnlich in grosser Höhe den Wipfel; oder ist
kurz, auffallend gedrungen und gewulstet und zertheilt sich unfern vom Boden
in eine Anzahl gleichwertiger Aeste; oder er sendet schon von geringer
Höhe an riesiges Astwerk aus, bleibt aber bis mindestens ca. zwei Drittel
Entfernung vom Boden, als Haupttheil des Baumes deutlich erkennbar."8)
Eine zu Landäna stehende Adansonia der ersten Form maass nach Pechuel-
Lösche bis zu den ersten Aesten an 17 m, bei einem Umfange von S m.
*) 1. c. S. 130 — 132.
*) 1. c S. 178.
3) 1. c. S. 177.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
393
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394 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Der Umfang des Stammes eines bei Ambrisette stehenden Baumes der zweiten
Form betrug 27 m.
„Eine besondere Wichtigkeit gewinnt die Adansonia, da sie ein Wahr-
zeichen der offenen Landschaft ist. Sie braucht Raum, Luft und Licht;
werden ihr diese Bedingungen des Gedeihens beschränkt, so verkümmert sie
und geht zu Grunde. Die freie Grasflur ist ihre Heimath; im Hochwalde
habe ich sie niemals gefunden. Im Uebrigen ist es ihr aber gleichgültig, ob
sie hart am Wasser oder auf trockenen Hügelkuppen wächst ; einige habe ich
sogar auf vollständig versumpften Stellen gefunden. Sobald sich jedoch Busch-
wald um sie ansiedelt und Bäume sie einzuschliessen beginnen, zeigt sie
bedenkliche Spuren des Verfalles: sie wird erdrückt, verliert ihr Geäst und
bricht endlich ganz und gar zusammen."1)
Das Holz des Baobab ist schwammig weich, saftig und stellt ein
mächtiges Wasserreservoir dar, dem derselbe sein Bestehen und seine
mächtige Entwickelung in der Savanne verdankt. Während der trockenen
Jahreszeit ist er übrigens unbelaubt.
Kürzer aber ebenfalls sehr anschaulich wird von Hans Meyer die
östliche tropisch -afrikanische Savanne geschildert. Sie besteht vor-
wiegend aus Gras und kleinen Stauden, wenigen Dornsträuchern ; alle
100 — 200 Schritt erhebt sich ein Baum oder Busch von der Mimosen-
form, d. h. mit doppeltgefiederten Blättern. Das Gras bildet keine
geschlossene Narbe , sondern wächst in getrennten Büscheln , deren
Zwischenräume von nacktem, rothem Lateritboden eingenommen sind.
Meist stehen die Bäume so weit auseinander, dass man nach allen
Richtungen kilometerweit zwischen ihnen hindurchsehen kann, seltener
rücken sie zusammen und geben der Landschaft ein parkähnliches Aussehen.
Als Beispiel der systematischen Zusammensetzung der inneren
ostafrikanischen Grasflur möge hier einiges aus den Ausführungen
Engler's über die von ihm Hochgrassteppe, Buschgrassteppe und Baumgras-
steppe genannten Formationen entnommen werden.
Die Hochgrassteppe, die auch nach unserer Terminologie zu den Steppen
gehört, besteht hauptsächlich aus Andropogoneen mit 1 — 2 m hohen Halm-
büschen; es treten aber noch zahlreiche andere, meist weniger hohe Gras-
formen hinzu, Paniceen (Tricholaena, Setaria, Pennisetum), Agrostideen (Sporo-
bolus, Aristida gracillima), Chlorideen (Enteropogon , Chloris, Leptochloa,
Lepidopironia) , Aveneen (Tristachya, Trichopteryx) , Festuceen (Eragrostisl
Die untergeordnet zwischen den Gräsern wachsenden Kräuter sind „theils
Zwiebelgewächse oder Rhizompflanzen mit einzelnen blühenden Sprossen, theils
Stauden, welche aus kurzem, niedrigem Grundstock ein Büschel von blühenden
Sprossen emporsenden." Die krautigen Monocotylen sind nicht zahlreich
Engler erwähnt namentlich Aneilema Johnstonii, Commelina bracteosa, Chloro-
phytum macrophyllum und Chi. tuberosum, Gloriosa virescens, ferner einige
Scilla-Arten, Asparagi, einzelne Amaryllidaceen (Haemanthus, Hypoxis), lridaceen
x) 1. c S. 181.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
395
( Acidanthera) , Orchidaceen (Lissochilus , Habenaria). Unter den Dicotylen
nehmen grau-grüne, nicht selten i — 2 m hohe Amarantaceen eine hervor-
itiMHuiku«,
Fig. 198. Baumartige Euphorbia in der Savanne. Deutsch-Ost- Afrika. Nach einer Photographie.
ragende Stellung ein; sie gehören namentlich zu Celosia, Digera, Serico-
comopsis, Pupalia, Aerua, Achyranthes, Nothosaerua. Die Nyctaginaceen sind
396 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
durch das häufige Unkraut Boerhaavia diffusa, die Aizoaceen ziemlich schwach
mit Trianthema pentandrum und Glinus lotoides, die Phytolacaceen mit zwei
einjährigen fleischigen Kräutern, Limeum viscosum und Giesekia pharnaceoides
vertreten. Talinum patens, ein succulentes Unkraut aus der Familie der
Portulacaceen ist gemein. Die Cruciferen treten ganz zurück (2 Farsetia-
Arten). Ein Hauptcontingent liefern die Papilionaceen, namentlich Arten von
Indigofera und Tephrosia, ausserdem verschiedene Hedysareen (Zornia, Stylo-
santhes, Desmodium, Pseudarthria), Phaseoleen (Rhynchosia, Eriosema) u. a. m.
Die Caesalpiniaceen sind schwach mit einigen Cassien vertretend Ziemlich
zahlreich sind die Polygala- Arten, die Malvaceen und Sterculiaceen. Die
Euphorbiaceen treten zurück, die Umbelliferen fehlen.
Unter den Sympetalen spielen Asclepiadaceen (Gomphocarpus, Stathmos-
telma, Schizoglossum) und Convolvulaceen (Convolvulus, Ipomoea, namentlich
Astrochlaena) durch massenhaftes Auftreten und durch grosse Blüthen eine
auffallende Rolle. Zahlreich sind auch die Labiaten ( namentlich Leucas-
Arten), am zahlreichsten aber unter allen Dicotylen die Acanthaceen (nament-
lich Arten von Justicia , Barleria , Blepharis capensis , Neuracanthus scaber).
Die in der südamerikanischen Prärie so reich entwickelte Familie der Compo-
siten ist in der afrikanischen formenarm und auf einige namentlich zu den
Vernonieen und Inuleen gehörige Arten beschränkt. Endlich liefern auch
die Gentianaceen (Enicostemma verticillatum), die Boraginaceen (Heliotropium-
Arten), die Verbenaceen (Leptostachya), die Scrophulariaceen (Striga, Scoparia\
die Solanaceen (Solanum), die Cucurbitaceen (Corallocarpus , Cucumis), die
Passifloraceen (Tryphostemma, Adenia) und die Rubiaceen (Oldenlandia) unter-
geordnete Bestandtheile.
Engler's Buschgrassteppe, nach unserer Terminologie eine Strauchsavanne,
trägt einzeln oder in kleinen Gruppen, verschiedenartige Sträucher. Vertreten
sind Anonaceen (Anona senegalensis) , Capparidaceen (Capparis, Courbonia,
Cadaba, Maerua, Tylachium), Leguminosen (Acacia, Diphaca), Malpighiaceen
(Diaspis albida, Triaspis auriculata), Euphorbiaceen (Phyllanthus-, Bridelia-,
Acalypha-, Flueggea- Arten) , Anacardiaceen (Rhus villosa, Rh. glaucescensi,
Celastraceen (Gymnosporia senegalensis), Sapindaceen (Deinbollia borbonicai,
Rhamnaceen (Zizyphus Jujuba), Thymelaeaceen (Gnidia), Verbenaceen (Bouchea
pterygocarpa), Acanthaceen (Blechum hamatum, Hygrophila Volkensii), Rubia-
ceen (Crossopteryx africana, Gardenia Thunbergii).
Die Bäume in Engler's Baumgrassteppe, nach unserer Terminologie eine
ächte Savanne, sind vorwiegend Acacien (A. subulata, A. Seyal, A. spiro-
carpa, A. Senegal u. a. m.). Hervorragende Bestandtheile sind ferner Adan-
sonia digitata, der Baobab, und Kigelia aethiopica, ein Baum der bis 25 m
hoch wird bei einem Stammumfang von 8 m. Auch Dumpalmen (Hyphaene-
Arten) treten in manchen Savannen massenhaft auf. Andere Bäume der ost-
afrikanischen Savanne sind: Dalbergia melanoxylon (Papilion. -Dalbergieaei,
Poinciana elata (Caesalpiniaceae) ; Zizyphus mucronata und Berchemia discolor
(Rhamnaceae) , Sterculia- Arten ; Odina tomentosa und Heeria insignis (Ana-
cardiaceae); Combretum und Terminalia (Combretaceae) ; Spathodea nilotica
(Bignoniaceae) ; Strychnos- Arten.
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V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
397
§ 3. Amerikanische Savannen. Humboldt, der in seinen Ansichten
der Natur die erste Schilderung der tropischen Grasflur für die LIanos
Venezuela's gegeben, hat letztere als unermessliche, baumlose Gras-
fläche gesehen. Nicht nur ich selbst, der bloss einen sehr kleinen
Theil der LIanos gesehen hat, sondern auch Carl Sachs, der dieselben
nach verschiedenen Richtungen durchstreifte und vielfach dieselben
Gebiete, wie Humboldt, bereiste, haben von den LIanos andere Ein-
drücke mitgebracht. Nicht die von Humboldt beschriebene uferlose
Fig. 200. Llanoslandschaft mit Copernicia tectorum, letztere zum Theil von
epiphytischein Ficus befallen. Venezuela. Nach C. Sachs.
Grasflur hat sich unseren Augen gezeigt, sondern eine parkartige
Landschaft, in welcher Gehölze Oasen und Streifen in der Grasflur
bilden und in welcher letztere meist auch nicht als baumlose Steppe,
sondern gewöhnlich als spärlich von Einzelbäumen besäete Savanne
sich vorstellt.
Ein ähnliches parkähnliches Aussehen, eine ähnliche Ausbildung der Gras-
flur als Savanne ist nach den Schilderungen Schomburgk's dem guianischen
Savannengebiete eigen: „. . ." Waldungen, ich habe sie mit dem Namen
Oasen belegt, hier von meilenweiter, dort von geringerer Ausdehnung, am
Fig. 20 1. Camposflora von Minas geraes. Compositen. / Baccharis sermlata rar. Pingraea.
2 B. rufescens. g Riencourtia oblongifolia. 4 Veraonia elegans. 5 Micania officinalis.
6 Brickellia pinifolia. 7 Eupatorium horminoides. Nat. Gr. Nach Flora brasiliensis.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten.
399
häufigsten von kreisförmigem Umfang, steigen, wie Inseln aus dem Meere,
aus der Savanne auf. . . Ein meist ioo bis 200 Fuss, oft noch breiterer
Vegetationssaum , weniger üppiger, aber sehr dicht verwachsener Bäume und
Sträucher begleitet die Savannenflüsse. . . Die Gräser (der Savanne) mit ihren
gelben Halmen sind rauhhaarig, sparrig, bestehen grösstentheils aus Cyperaceen
und werden durch eine Menge stachliger, holziger, krautiger Pflanzen aus der
Familie der Malpighiaceen, Leguminosen, Rubiaceen, Myrtaceen, Malvaceen,
Convolvulaceen , Menisperraaceen , Apocynaceen u. a. m. durchsetzt. Der
Wuchs der hier und da, besonders auf Erhebungen auftretenden, isolirt stehen-
den Bäume, als Curatella, Bowdichia, Psidium, Rhopala u. a. m. ist ein krüppel-
Fig. 202. Aus den brasilianischen Campos (Minas geraes). Das Bäumchen : Andira i dermis (?).
Links: Bromelia bracteata. Ausserdem Eremanthus sphaerocephalus und Ipomocea sp.
Nach Warming.
hafter; nie findet man diese in den Waldungen. Die sumpfigen Niederungen
der Savanne werden grösstentheils von der Mauritia flexuosa, hier vereinzelt,
dort förmliche Wälder bildend, eingenommen." (Reisen III. S. 798).
Aehnlich wie die Llanos und das Savannenland Guiana's stellen
die Campos Brasiliens nicht eine gleichmässig über ein weites Areal
ausgebreitete Formation, sondern eine reich gegliederte, wellige Park-
landschaft dar, an welcher verschiedene Formen der Gehölze und
der Grasflur, allerdings unter Vorherrschaft der letzteren, theilnehmen.
Auch de Saint-Hilaire schildert die Campos von Minas geraes als
ein hügeliches Gebiet, dessen Niederungen echte Savanne mit Krüppel-
400
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
bäumen tragen, während die Höhen von reiner Steppe bedeckt sind.
Doch ist das Camposgebiet keineswegs waldlos: „Wo inmitten der freien
und nur welligen Oberfläche dieses ungeheuren Gebiets ein feuchtes
und tiefes Thal sich zeigt, wo am Abhang eines Hügels eine Vertiefung
vorhanden ist, da kann man sicher sein, eine Baumgruppe zu finden.*4 f)
Die krautige Vegetation
der Savannen hat höchst wahr-
scheinlich überall xerophile Struc-
tur; doch liegen darüber nur wenige
Untersuchungen , diejenigen War-
ming's, für die Camposvegetation
vor. Nach demselben haben viele
Kräuter, Dicotylen wie Monocotylen,
Knollen, welche als Haupt- oder
Nebenfunction diejenige von Was-
serspeichern besitzen (Fig. 203 u.
204). Die Grasblätter sind schmal
und steif, die Blätter der Dico-
tylen sind meist klein und hart,
oft bis zu vollkommener Aphyllie
reducirt.
Warming hat die systematische
Zusammensetzung (Fig. 201 bis 204;
der Campos von Lagoa santa in Minas
geraes genau untersucht An krau-
tigen Arten fand er 554. Der Menge
der Individuen nach wiegen die
Gräser vor, deren ca. 60 Arten na-
mentlich zu den Paniceen (Paspalum,
Panicum) und Andropogoneen (Andro-
pogon u. a.) gehören. Der Zahl der
Arten nach überwiegen die Compo-
siten, vornehmlich Vernonieen (Ver-
nonia) und Eupatorieen (Eupatorium),
auch Asteroideen, Inuloideen, Helian-
thoideen, Helenioideen, Mutisieen. Die
Ligulaten sind nur durch ein Hieracium vertreten. Sehr zahlreich sind auch die
Papilionaceen (60 — 70 Arten), während die Caesalpiniaceen und Mimosaceen
nur wenige Arten aufzuweisen haben. Zu den stark vertretenen Familien
gehören auch die Orchideen (35 — 40 Arten), und mit 20 — 25 Arten die
Cyperaceen, Labiaten, Asclepiadaceen, ConvolvulaGeen, Euphorbiaceen, Rubia-
ceen. Die Polygalaceen haben 10 — 15 Vertreter, 5 — 10 die Iridaceen,
Fig. 203. Aus den brasilianischen Campos
(Minas geraes). Vernonia desertorum. Nat. Gr.
Nach Warming.
l) 1. c. S. 9.
V. Tropische Gebiete mit ausgeprägten Trockenzeiten. 40 1
Apocynaceen , Melastomaceen , Verbenaceen, Acanthaceen, Gentianaceen,
Scrophulariaceen , Caesalpiniaceen, Mimosaceen, Amarantaceen , Malvaceen;
3 — 4 Arten die Malpighiaceen , Cucurbitaceen, Ampelidaceen , Umbelliferen,
Polypodiaceen , Sterculiaceen ; 1 — 2 Arten die Oxalidaceen, Gesneraceen,
Turneraceen, Passifloraceen, Bromeliaceen , Menispermaceen , Commelinaceen,
Lobeliaceen, Anonaceen, Aristolochiaceen, Rhamnaceen, Boraginaceen, Hypo-
xydaeeen, Eriocaulaceen, Cordiaceen, Moraceen, Lauraceen, Droseraceen.
Fig. 204. Brasilianische Camposflora. Gomphrena jubata. Nat. Gr. Nach Flora Brasiliensis.
Sträucher hat Verf. an 170 — 180 Arten gefunden. Besonders zahlreich
sind unter ihnen die Myrtaceen und Malpighiaceen; dann kommen die
Melastomaceen und Compositen. 5 — 10 Arten haben die Euphorbiaceen,
Lythraceen, Rubiaceen, Anonaceen, Papilionaceen, Caesalpiniaceen, Mimosa-
ceen aufzuweisen. Durch 3 — 4 Arten vertreten sind die Apocynaceen, Bixa-
ceen, Ternstroemiaceen , Loranthaceen. Auf 1 Art, höchstens 2 Arten be-
schränkt sind die Erythroxylaceen , Connaraceen, Sapindaceen, Dilleniaceen,
Schimper, Pflanzengeographie. 26
Fig. 205. Brasilianische Camposflora (Minas Geraes). / Sida linifolia. 2 Lippia rotundifolia.
3 Eryngium ebracteatum. 4 Tibouchina frigidula. 5 Croton antisiphyliticus. 6 Cromenarii
erecta. 7 Hyptis virgata. 8 Borreria eryngioides. Nat. Gr. Nach Flora brasiliensis.
Auswahl der Literatur. 403
Myrsinaceen, Solanaceen, Loganiaceen, Bombaceen, Cordiaceen, Artocarpeen,
Bignoniaceen, Simarubaceen, Ochnaceen, Anacardiaceen, Symplocaceen.
Die Zahl der Baumarten schätzt Warming auf 76 oder, mit Einschluss
der zweifelhaften Arten, 80. Mehr als eine Art haben die Vochysiaceen 8,
Papilionaceen, Myrtaceen und Compositen, je 5 ', Bombaceen , Malpighiaceen,
Nyctaginiaceen, je 4 ; Caesalpiniaceen, Mimosaceen, Bignoniaceen, Proteaceen,
Myrsinaceen, Rubiaceen, Melastomaceen je 3; Sapotaceen, Combretaceen,
Apocynaceen, Erythroxylaceen , Sapindaceen, Palmen je 2. Nur eine Art
haben die Anonaceen, Araliaceen, Connaraceen, Rhizoboleen, Ternstroemia-
ceen, Loganiaceen, Chrysobalanaceen , Solanaceen, Verbenaceer, Lythraceen,
Euphorbiaceen, Labiaten, Bixaceen, Styraceen, Ebenaceen, Celastraceen, Olaca-
ceen, Dilleniaceen.
Auswahl der Literatur.
Die Literatur zu 1. Allgemeine Eigentümlichkeiten etc. fällt
mit derjenigen von 2 und 3 zusammen.
2. Die Gehölaformationen der periodisch trockenen Tropengebiete.
Berg, A. Physiognomy of tropical Vegetation in South- America etc. 14 plates.
London 1854.
Börgesen, F. og Paulsen, O. Om Vegetationen paa de dansk-vestindiske
öer. Kjöbenhavn 1898.
Brand is, J. I. Forest flora of Northwest and Central-India. London 1874.
— II. Report on the Attaran forests for the year 1860. Selection from the
records of the Government of India. Calcutta 1861.
Cordes, J. W. H. De Djati-Bosschen op Java; hunne natuur, verspreiding,
geschiedenis en exploitatie. Batavia 1881.
Detmer, W. Botanische Wanderungen in Brasilien. Leipzig 1897.
Engler, A. Die Pflanzenwelt Ost-Afrikas und der Nachbargebiete. Theil A.
Berlin 1895.
Falconer, H. Reports on the teak forests of the Tenasserim provinces.
With other papers on the teak forests of India. Selections from the
records of the Bengal government. Calcutta 1852.
Hooker and Thomson. Flora indica. Vol. I. 1854.
Kurz, S. Preliminary report on the forest and other Vegetation of Pegu.
Calcutta 1875.
Liais, E. Climats, gdologie, faune et gdographie botanique du Brasil.
Paris 1872.
M a r t i u s , C. F. P. v o n. I. Die Physiognomie des Pflanzenreichs in Brasilien.
München 1824.
— II. Tabulae physiognomicae. Flora brasil. Fase. I — IX. 1840 — 1847.
Saint-Hilaire, Aug. de. Tableau de la vdgdtation primitive dans la
province de Minas Geraes. Annales des sciences naturelles. 1831.
26*
404 Erster Abschnitt : - Die tropischen Zonen.
Schenck, H. Beiträge zur Biologie und Anatomie der Lianen. I. Theil.
Jena 1892.
Schimper, A. F. W. Die epiphytische Vegetation Amerikas. Jena 1888.
Volkens, Z. Der Kilimandscharo. Berlin 1897.
Warming, E. I. Une excursion aux montagnes du Br&il. La Belgique
horticole. 1883.
— IL Lagoa Santa. Kjöbenhavn 1892.
8« Die tropischen Grasflurformationen.
Man vergleiche die unter 2 citirten Arbeiten von Engler, Liais, Martius
St. Hilaire, Schenck, Schimper, Volkens, Warming.
Ausserdem :
Humboldt, A. v. Ansichten der Natur.
Jenman, G. S. Aspect and flora of the Kaieteur Savannah. Demerara
1882.
Johow, Fr. Vegetationsbilder aus West -Indien und Venezuela, III. Ein
Ausflug nach der Höhle del Guacharo. Kosmos 1885.
Pechuel-Lösche, E. Die Loango - Expedition. Abtheil. III. ilc Hälfte.
Leipzig 1882.
Sachs, Carl. Aus den Llanos. Leipzig 1879.
Schomburgk, R. I. Reise in Britisch-Guiana. Theil IIL 1848.
— II. Fauna und Flora von Britisch-Guiana. 1848.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
1. Edaphische Wirkungen in tropischen Binnenländern« § i. Der Laterit.
Physikalische und chemische Eigenschaften. Wirkungen auf die Vegetation. Eng -Wälder
in Birmah. — §2. Der Kalk. Ungünstiger Einfluss auf die Vegetation in den Tropen.
Vorkommen der Dornwälder auf Kalkhoden. — §3. Der Humus. Seine relativ schwache
Entwickelung in den Tropen. Fehlen der Torf bildung. Der Regur in Süd-Indien. — § 4.
Kiesböden. Die Sal -Wälder Vorder -Indiens. Bambusenwälder. — §5. Sumpfboden.
Palmenbestände. Die Sumpfwälder in Pegu. Nicht bewaldete Sümpfe. — §6. Die Fu-
marolen auf Java. Xerophile Vegetation. 2. Die Formationen des tropischen
Meereestrandes. § 1. Eintheilung. — § 2. Offene Formationen des san-
digen Strandes. Pescaprae - Formation. Strandsträucher. Pandanus. — § 3. Strand-
gehölze oberhalb der Fluthlinie. Vorkommen derselben im malayischen Archipel,
in Pegu, in Ost -Afrika. Oekologische Eigenthümlichkeiten. Casuarina -Wälder. — § 4.
Die Gehölzformationen im Bereich der Fluth. Mangrove oder Fluthgehölze.
Die östliche Mangrove. Charakterpflanzen. Oekologische Eigenthümlichkeiten. Rhizophora
mucronata. Viviparie und Keimung bei Rhizophoraceen , Avicennia und Aegiceras.
Habitus der Mangrovegewächse. Stelzwurzeln. Pneumatophoren. Physiognomie des Man-
grovewaldes in Süd -Java. Nipaformation. Uebergang in die Festlandformationen. Die
westliche Mangrove. — §5. Geographische Verbreitung der tropischen Strand-
formationen.
1. Edaphische Wirkungen in tropischen Binnenländern.
Die durch Unterschiede in der Beschaffenheit des Bodens bedingte
floristische und ökologische Gliederung der Pflanzendecke zeigt sich
weit schärfer ausgeprägt in den periodisch trockenen als in den immer-
feuchten Gebieten, wo die Regenwälder sich, anscheinend ohne wesent-
liche Unterschiede aufzuweisen, auf die verschiedensten Bodenarten
ausdehnen und nur an sumpfigen oder sehr salzreichen Standorten eine
abweichende Physiognomie erhalten.
Das Auseinanderhalten physikalischer und chemischer Einflüsse des
Bodens ist für die tropischen Gebiete, mangels diesbezüglicher Unter-
suchungen, zur Zeit noch unmöglich und das ganze Gebiet der eda-
phischen Wirkungen ist noch, ausser für die Strandformationen, sehr
406 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
wenig bebaut, so dass man sich zur Zeit mit der Aufführung einzelner
Bodenarten und der Eigenart ihrer Vegetation begnügen muss, ohne
auf die Ursachen näher einzugehen.
§ i. Der Latent.1) Die tropischen Zonen besitzen eine charakte-
ristische und weit verbreitete Bodenart in demLaterit, einem durch
Eisenoxyd und Eisenoxydhydrat imprägnirten röthen oder dunkelgelben
Lehm, der durch Verwitterung aller Thonerde und Eisen enthaltenden
Gesteine hervorgeht und entsprechend seinem verschiedenen Ursprung,
sowohl in seinen chemischen wie in seinen physikalischen Eigenschaften
manche Unterschiede aufweist. Wohltmann trennt vom eigentlichen
Laterit, der harte glasige oder zellige, aus Eisenoxyd oder Eisenoxyd-
hydrat bestehende Concretionen enthält und auf die Tropen beschränkt
ist, die Rotherde, welcher solche Concretionen fehlen und die nament-
lich im extratropischen Südamerika, jedoch auch in den Mittelmeer-
ländern eine wichtige Rolle spielt.
Bei aller chemischen Verschiedenheit der Latente sind einige
negative und für die Vegetation wichtige Merkmale ihnen gemein,
nämlich grosse Armuth an Alkalien und Kalk, bezw. gänzliches Fehlen
derselben und geringer Gehalt an Phosphor, Magnesia und Schwefel.
Die Hauptbestandtheile sind Kieselsäure, Thonerde und Eisenoxyd in
sehr wechselnden Verhältnissen.
Von der grossen Ungleichheit der chemischen Zusammensetzung der
Latente giebt folgende, von Wohltmann zusammengestellte Tabelle eine
Vorstellung :
Malaiisch (Inner-Afrika)
Tafelberg
Gabun.
Ragoon (ungef.)
SiO2
8o.5 °/o
53-5 °/o
'»•4°/.
37.o°'0
AlsO»
I I.I
26.8 —
17.8-
6.0 —
Fe*08
4.0 —
9.8-
58.0 —
47.0 —
Physikalisch ist der Laterit durch sehr geringe, wasserhaltende
Kraft charakterisirt ; namentlich sind alte, ausgelaugte, schlackenreiche
Laterite sehr durchlässig. Als nährstoffarme, schnell trock-
nende Bodenart stellt der Laterit, namentlich nach dem
Auswaschen seiner feinkörnigen Bestandtheile, ein für
das Pflanzenleben sehr ungünstiges Substrat dar. Inwie-
fern der grosse Eisengehalt die charakteristischen Eigentümlichkeiten
der Vegetation mitbedingt, ist zur Zeit noch unbekannt.
Laterit, vornehmlich in seinen steinigen, porösen Formen bedingt
eine sowohl ökologisch wie floristisch charakteristische Physiognomie
des Waldes, welche von Brandis und Kurz für Birmah geschildert
worden ist.
l) Wohltmann 1. c. S. 145.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen. 407
Bezeichnend ist für die dortigen Lateritgegenden der Engbaum,
Dipterocarpus tuberculatus , welcher den Wald durch sein geselliges
Auftreten beherrscht und sich dadurch wesentlich von den anderen
Bäumen des letzteren unterscheidet, dass er normalen hohen Wuchs
zeigt, während andere Bäume auf knorrige, mehr oder weniger zwerg-
hafte Gestalten reducirt sind. Solche Wälder wurden von Brandis und
Kurz „Engforests" genannt.1)
§ 2. Der Kalk. Der Kalk scheint in warmen Klimaten eine wesent-
lich andere Wirkung auf das Pflanzenleben auszuüben als in tempe-
rirten und kalten. Die Verwitterungsböden von reinem Kalkgestein
bieten weniger günstige Bedingungen für den Pflanzenbau und die
Zahl der Gewächse, deren Entwickelung durch Kalkdüngung günstig
gefordert wird, ist kleiner in den niederen als in den hohen Breiten.2)
Ueber den Einfluss der chemischen Eigenschaften des Kalks auf
die Gliederung der Pflanzendecke ist für die Tropen ganz sicheres nicht
bekannt, obwohl mehrere Arten an Kalkboden gebunden zu sein scheinen.
Die bis jetzt nachgewiesenen Wirkungen des Kalkbodens sind auf steinige,
humusarme Standorte in periodisch trockenen Gebieten beschränkt und
wohl in erster Linie auf die geringe wasseraufsaugende Kraft des Kalks,
also auf eine rein physikalische Eigenschaft zurückzuführen.
Im Klima des Monsunwaldes bedingt Kalkboden der erwähnten
Beschaffenheit das Auftreten des am meisten xerophilen unter den tro-
pischen Waldtypen, nämlich des Dornwaldes, bezw. der noch grössere
Trockenheit anzeigenden Dorngebüsche und Dorngesträuche. Das Vor-
kommen des Dornwaldes auf Kalkboden im Inneren Brasiliens wurde
bereits früher erwähnt. Aehnliches gilt von den periodisch trockenen
Gebieten in Pegu, wo der von Kurz als „dry forest" (trockener Wald)
bezeichnete, unserem Dornwald vollkommen entsprechende Waldtypus
für trockenen steinigen Kalkboden charakteristisch ist. Es ist ein ge-
büschartiger, regengrüner Wald, „wenig einladend wegen des Vor-
wiegens dorniger Bäume und Sträucher." Der Baumwuchs ist hier
mittelhoch (50 — 70', ausnahmsweise bis 100'). Acacia Catechu (Sha)
ist in solchen Wäldern oft die herrschende Baumart (Sha -Wälder).
Endlich wurden von Warburg Wälder und Gebüsche ähnlichen öko-
logischen Charakters für Kalkboden auf Ceram-Laut beschrieben.
Warburg beobachtete auf fast humusfreien Kalkfelsen, wenn dieselben
nur hinreichend zerklüftet waren, eine mannigfaltige primäre Waldvegetation,
die hauptsächlich aus zum Theil mit Stacheln ausgerüsteten Büschen bestand.
Eine oder zwei endemische Arten wurden nur dort gefunden. Vorwiegend
waren folgende Arten: Trema virgata BL, Dalbergia densa Benth., Eugenia
Reinwardtiana D. C, Zanthoxylum diversifolium Warb., Atalantia paniculata
*) Vgl s. 379.
*) Wohltmann 1. c. S. 134—135-
408 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Warb., Breynia cernua Müll.-Arg., Acalypha grandis Müll-Arg., Flagellaria
indica L., Citrus Hystrix D. C. Stellenweise zeigten sich Bestände einer
kleinen Bambusee, Schizostachyum Zollingeri.
§ 3. Der Humus.1) Humusreiche Böden nehmen in den Tropen
weniger grosse Areale als in den temperirten Zonen ein und reine tief-
gründige Humusböden sind sehr selten. Die Armuth an Humus ist
eine Folge der Förderung der Entwicklung der Mikroorganismen
durch die wenigstens zeitweise mit grosser Feuchtigkeit verbundene
tropische Hitze. Zudem werden die organischen Zersetzungsprodukte,
namentlich die löslichen, in regenreichen tropischen Gebieten, ent-
sprechend der grossen Menge und Intensität der Niederschläge in so
grossem Maassstabe fortgespült, dass viele tropische Flüsse, namentlich
in der Regenzeit, eine kaffeebraune Farbe annehmen.
Humusreicher Boden mit 8— 9°/0 organischer Substanz zeigt sich
zwischen den Wendekreisen namentlich in Süd-Indien, welches zu un-
gefähr einem Drittel von der auch weiter nördlich vorkommenden
sehr fruchtbaren, Regur genannten Schwarzerde bedeckt ist, ferner in
flachen, dicht bewaldeten Gegenden, wo der Abfluss der Gewässer
langsamer vor sich geht und die Beschattung den Zersetzungsprozess
beeinträchtigt. Zur Torfbildung kommt es, ausser im Ge-
birge oberhalb 1200 m., nirgends.
§ 4. Kiesboden. Ein kies- und geröllreicher sehr durchlässiger
Boden ist für den Baumwuchs ein ungünstiges Substrat und Standorte
von solcher Bodenbeschaffenheit zeigen daher stets ein charakteristisches
Vegetationsbild. Einige Pflanzen-Arten ertragen solche ungünstige Be-
dingungen besser als andere und bilden oft mehr oder weniger reine
Bestände. Letzteres ist in Vorderindien in grossem Maassstabe der Fall
für den Sal-Baum, Shorea robusta,2) welcher Wälder von grosser Aus-
dehnung in den Längsthälern (Dun) zwischen den äusseren Ketten des
Himalaya- Gebirges (Fig. 206), sodann in einem südlichen, sehr aus-
gedehnten tropischen Verbreitungsbezirke, der von dem nördlichen
durch die Ganges -Ebene getrennt ist, bildet. Stets zeigen sich die Sal-
Wälder an einen lockeren, für Wasser sehr durchlässigen Boden gebunden
und fehlen, wo der Boden bindige Beschaffenheit annimmt. Maassgebend
für ihr Auftreten ist überhaupt nicht das Klima, sondern nur der Boden.
So fehlt der Sal-Baum in der westlichen Hälfte Vorderindiens, wo die
herrschende Bodenart Trapp ist, während er in der klimatisch ganz
ähnlichen östlichen Hälfte ausgedehnte Waldungen bildet.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Auftreten selbständiger Bambus-
bestände (Fig. 207) ebenfalls mit Eigenschaften des Bodens verknüpft, die an-
deren baumartigen Gewächsen weniger günstig sind, da dieselben, ausser in den
1) Wohltmann 1. c. S. 173.
2) Brandis 1. c.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
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Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Gebirgen Birmah's, wo sie stellenweise grosse Ausdehnung besitzen, rein lokal
aufzutreten pflegen. Kurz bezeichnet als Substrat der Bambusbestände in
Fig. 207. Aussenseite eines Bambusenbestands. Links: Areca Catechu. Java.
Nach einer Photographie.
Pegu felsigen Boden oder untiefen Alluvialboden für gewisse Arten, tiefen
Alluvialboden für andere.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen. a\ \
Die Bambusbestände verdienen mehr als irgend welche andere die Be-
zeichnung rein, denn sie bestehen nur . aus einer Art oder zwei Arten von
Bambusen und entbehren aller anderen- Gewächse. Nur in den sehr dichten
Wäldern bestimmter Bambusarten sollen, nach Kurz, einige Moose (Hypnum,
Fissidens) und Flechten fleckenweise auf dem Boden und den Stammbasen
auftreten.
Die Bambusbestände verdanken ihren Ursprung sehr häufig der Cultur.
Da sie im letzten Falle von den natürlich entstandenen oft nicht mit
Sicherheit unterschieden werden können, so wird das Dunkel, welches über
die Bedingungen ihres Auftretens herrscht, voraussichtlich nicht leicht ge-
lichtet werden.
§ 5. Sumpfboden. Andauernde grosse Nässe des Bodens ist nach
den noch sehr unvollständigen Beobachtungen für die Oekologie der
tropischen Vegetation von hervorragender Bedeutung. Durch Infiltration
des Wassers der Flüsse und Seen werden in Grasflurgebieten die Be-
dingungen des Waldwuchses geschaffen und der tropophile oder xerophile
laubabwerfende Wald periodisch trockener Waldgebiete wird in hygro-
philen immergrünen umgewandelt. Stagnirendes Wasser bedingt noch
tiefergreifende floristische und ökologische Abweichungen vom klimatischen
Typus. Sumpfiger Boden ist vielfach von reinen Beständen bestimmter
Palmenarten eingenommen. So sah ich Mauritia setigera auf Trinidad
die einzige Vegetation sumpfiger Partien in der Savanne von Aripo
bilden, andere Mauritia-Arten (M. vinifera, flexxuosa) vereinigen sich in
Venezuela und Brasilien an solchen Standorten ebenfalls zu reinen Be-
ständen, Phönix paludosa wächst gesellig in den Sümpfen des Ganges-
Delta u. s. w. Es fehlt zwar nicht an gemischten Waldbeständen auf
Sumpfboden, doch sind dieselben meist viel weniger artenreich, nament-
lich was die höheren Bäume betrifft, als diejenigen weniger nassen
Bodens. Am bekanntesten sind unter ihnen die Mangroven des
tropischen Strandes im Bereich der Flut; dieselben verdanken ihre
Eigenthümlichkeiten theilweise dem Salzgehalt des Substrats und sollen
erst später im Zusammenhang mit den übrigen Littoralformationen be-
sprochen werden. Im Gegensatz zu den Mangroven sind die gemischten
Waldbestände der Süsswassersümpfe im Innern von Birmah, Sumatra
und Borneo (Fig. 208), bisher nur sehr wenig untersucht worden, ob-
wohl sie sowohl floristisch wie ökologisch viel eigenartiges zu bieten
scheinen.
Kurz bezeichnet1) die Sumpfwälder als „die merkwürdigsten Wälder in
Birmah und von grossem Interesse für den Botaniker. Ihre Bestandteile sind
von denjenigen der benachbarten Wälder so abweichend, dass man sich un-
willkürlich fragt, wie alle diese Bäume hierher gekommen sind? Die grosse
Mehrzahl derselben kommt ausschliesslich in Sumpf oder an ähnlichen wasser-
') 1. c. S. 29.
412
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
reichen Standorten vor und sie überspringen weite Landstrecken, um an
anderen, ihrem Gedeihen entsprechenden Orten wieder aufzutreten. Sie
könnten die Mangroven (s. u.) der Süsswasser genannt werden, denn der
Boden, auf welchem sie wachsen, ist beinahe ebenso sumpfig wie in Mangroven".
Nach einer Mittheilung von Capt Seaton an Kurz sollen diese merkwürdigen
Wälder auf der Höhe der Regenzeit vollkommen kahl werden. Sumpfwälder
zeigen sich in Birmah vornehmlich auf hohem Alluvialboden des Irawaddithals,
aber auch längs des Sittang und am Fusse des Yomah. In typischer Form
kommen sie in Lokalitäten, welche in der Regenzeit von bis 4 — 5' (zuweil bis i4)
Wasser bedeckt sind. Sie bestehen, wie die Regenwälder, aus mehreren Stock-
werken: Hohe Bäume von 60 — 70' Höhe, kleine Bäume, Sträucher und Bodenflor.
Fig. 208. Ein Sumpfwald auf Borneo. Nach einer Photographie des Herrn Prof. Dr. Kükenthal.
Die hohen Bäume bestehen, wie in den meisten Formationen mit sehr
eigenartigem Substrat, aus wenigen Baumarten: Anogeissus acuminatus, Mangi-
fera longipes und Xanthophyllum glaucum sind bei weitem vorherrschend. Die
kleineren Bäume sind mannigfacher; vornehmlich sieht man Memecylon Hel-
fen, Elaeocarpus photiniaefolia (?), Pavetta parviflora und nigricans, Gonocarvum
Lobbianum, Symplocos leucantha, Glochidion sp., Hemicylia sumatrana,
Flacourtia sp., Cassia Fistula, Randia sp., zwei Eugenia sp., zwei Aporosa sp.,
Garcinia succifolia, Barringtonia acutangula, Dalbergia flexuosa etc. Sträucher
sind namentlich Glycosmis pentaphylla, Capparis disticha, Hymenocardia Wal-
lichii, Grewia sinuata, Psilobium sp., Crataeva hygrophila , Combretum
trifoliatum, Gardenia sp. Die Lianen sind zahlreich und viele sehr eigenartig,
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen. a\*
indem sie einen kurzen, nur bis zum Niveau des Wassers zur Regenzeit sich
erhebenden Stamm besitzen, aus welchem unverhältnissmässig lange und ver-
bogene Zweige sich erheben, welche ein undurchdringliches Dickicht bilden.
(Jasminum sp., Gmelina asiatica, Pachygone odorifera, Sphenodesma eryciboides,
Tetracera sp., Acacia pennata?, Ancistrocladus Griffithii, Combretum tetrogono-
carpum, Roydsia obtusifolia, Derris scandens, D. elegans, D. uliginosa etc.).
Die Bodenkräuter sind spärlich und gehören hauptsächlich Carex Wallich ii
an, ferner Cyperus sp., Fimbristylis sp., Arten von Polygonum, Maranta etc.
Orchideen treten massenhaft als Epiphyten auf, namentlich in der Nähe kleiner
Seen. In ihrer Gesellschaft wachsen grosse Farne wie Asplenium nidus etc.,
ferner zahlreiche Laub- und Lebermoose. Das Wasser der Tümpel und
Sümpfe ist gewöhnlich sehr schmutzig und pflanzenarm; klares, reines Wasser
ernährt nirgends eine sehr reiche Flora gewöhnlicher Stisswassergewächse.
Ausser den bewaldeten Sümpfen giebt es solche, die Grasfluroasen mitten
im Walde darstellen. So schildert Junghuhn *) Sümpfe, die in Ostjava während
der Regenzeit von Wasser bedeckt sind, in der Trockenzeit aber mehr oder
weniger austrocknen und von rohrartigem Gras bedeckt werden. Ganz ähnliche
Formationen hat Kurz in Birmah kennen gelernt. Dieselben sind während
der Trockenzeit theilweise wasserlos und von weichen saftigen Grasarten be-
deckt (Hymenachne myurus und interrupta, Panicum crus galli und P. antidotale,
Isachne sp. , Leersia hexandra neben einigen Kräutern, wie Jussiaea-, Xyris-
Arten etc.), welche in der Regenzeit flutende Wiesen bilden. Sümpfe, welche
auch in der Trockenzeit sehr nass bleiben, tragen entweder eine ganz ähn-
liche Flora wie die periodisch trockenen oder sind von Schilf (Phragmites
Roxburghii und Phragmites sp.) überzogen.
§ 6. Fumarolen. Auf Java wurde zuerst von Zollinger,2) später
von Junghuhn8) die eigenartige Erscheinung beobachtet, dass die Vege-
tation in der nächsten Nähe der Fumarolen wesentlich von alpinen
Arten zusammengesetzt ist, auch wenn sich dieselben iooo — 1500 m
unterhalb der alpinen Region befinden. Ausser den rein alpinen Arten
treten an denselben Standorten auf Java Pflanzen auf, die im be-
nachbarten Walde als Epiphyten wachsen, aber als Bodenpflanzen sonst
ganz unbekannt sind.
Die von mir näher untersuchten Fumarolen Java's stellten bald
trockene, von auskrystallisirtem Schwefel überzogene Spalten, bald
kesselformige Wasserpfutzen dar, deren heisses, vielfach dem Siede-
punkt sich näherndes Wasser (nach Junghuhn bis 1970 F = 92 ° C)
durch Gase in heftigster brodelnder Bewegung unterhalten wird. Der
Boden, auf weichem solche Pfützen meist in grosser Anzahl und ver-
schiedener Grösse zusammen vereinigt sind, stellt einen nassen, weissen
Thon dar, dessen Ursprung von Junghuhn auf die Einwirkung von Schwefel-
») l. c. S. 208.
«) 1. c S. 43.
*) 1. c. S. 453; ferner Schimper I.
414 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
säure auf Trachyt zurückgeführt wird; er ist meist von einem gelben
Schwefelauftrag überzogen. Vielfach ist der Boden so heiss, dass das
Verweilen auf demselben ganz unmöglich ist. Aus allen Spalten und
Pfützen entweichen heisse Dämpfe von erstickendem Gerüche bald nach
Schwefelwasserstoff, bald nach schwefliger Säure. Das Wasser schmeckt
sauer und stumpft die Zähne ab.
Inmitten solcher eigenartigen Bedingungen, häufig bis hart an die
brodelnden Pfützen, in heissem, saurem Boden wurzelnd, das Laub in
heissen schwefelhaltigen Dämpfen gebadet, gedeihen üppige Gebüsche,
die keine andere Wirkung ihrer Umgebung aufweisen, als, an besonders
dampfreichen Stellen, einen weissen, mehligen Ueberzug auf Rinde und
Blättern.
Die Gebüsche der Solfataren sind viel niedriger als der umgebende
Wald und äusserst scharf gegen denselben abgegrenzt. Keine der
kleinen Bäume und Sträucher, die den Hochwald im Unterholz bilden,
treten in ihnen auf und die Waldkräuter nur in wenigen Arten und
vereinzelten Individuen; auch solche Gewächse, die sonst in derselben
Region an offenen Standorten auftreten, fehlen durchaus. Trotz der
Feuchtigkeit der Atmosphäre und des Bodens setzt sich
die Flora der Solfataren aus xerophilen Arten zusam-
men, — ja, beinahe alle Xerophilen der Umgebung finden sich da
vereinigt. Stets zeigt sich in zahlreichen Exemplaren Vaccinium varin-
giaefolium, welches sonst nur die trockene alpine Region oberhalb
2600 m bewohnt, zusammen mit Rhododendron javanicum, welches
auf den höchsten Wipfeln des benachbarten Waldes gedeiht, mit Ficus
diversifolia, der sonst nur als Epiphyt und, auf dem Strande bei Singa-
pore, als Halophyt vorkommt. In den Solfataren der tieferen Regionen
treten noch andere sonst epiphytische Arten hinzu, wie Medinilla java-
nica und Rhododendron tubiflorum, während mit Zunahme des Niveau
über dem Meere die alpinen Arten in den Solfataren immer zahl-
reicher werden (Rhododendron retusum, Gaultheria leucocarpa, Myrsine
avenis etc.). Ausserdem sind einzelne nicht näher bestimmte Farne
mit lederartigen Blättern und Lycopodien stets an solchen Orten vor-
handen. Bemerkenswerth ist, dass, wie es Junghuhn bereits erwähnt, die
Stämme der Solfatarengebüsche jeder epiphytischen Vegetation, auch
der Moose und Flechten, ganz entbehren ; diese sind, wie der genannte
Autor sich ausdrückt, gleichsam weggefegt, — eine Erscheinung, die
sich auch auf dem Meeresstrande zeigt.
Die physiologische Ursache des Auftretens einer ganz xerophilen
Vegetation auf nassem Boden, in sehr regenreichem Klima, mitten im
üppigsten Regenwalde, ist, wie an früherer Stelle nachgewiesen, in dem
Reichthum der Solfataren an leicht löslichen Salzen, namentlich an Alaun
und anderen Sulfaten, gegeben.
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416 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
2. Die Formationen des tropischen Meeresstrandes.
§ i. Eintheilung der tropischen Strandformationen. Unter den
edaphischen Formationen der Tropen sind bis jetzt nur diejenigen des
Strandes genauer untersucht worden. Dieselben verdanken ihre aus-
geprägten Eigenthümlichkeiten theils physikalischen, theils chemischen
Einflüssen und bieten, da letztere sehr wechselnd sind, eine oft schon
in kurzen Abständen wechselnde Physiognomie.
Die tropischen Strandformationen können in vier Gruppen ein-
geteilt werden:
i) Offene Formationen auf steinigem und felsigem Boden.
2) Offene Formationen auf sandigem Boden.
3) Gehölzformationen auf sandigem oder steinigsandigem Boden.
4) Gehölzformationen auf schlammigem Boden im Bereich der Fluth.
Die Formationen des felsigen und steinigen Bodens sollen, da es
darüber an Untersuchungen fehlt, unberücksichtigt bleiben. Nach meinen
gelegentlichen Beobachtungen scheinen dieselben nur wenig charakte-
ristisches zu bieten.
§ 2. Offene Formationen des sandigen Strandes. Der flache,
sandige Strand an offenen, dem Winde ausgesetzten Küsten ist nur
dürftig bewachsen. Das gleiche gilt von der äussersten Dünenreihe,
während vom Meere entferntere Dünen und noch mehr die zwischen
ihnen befindlichen Thälchen eine landeinwärts an Dichtigkeit zunehmende
Pflanzendecke aufweisen. Die eigentümlichsten Gewächse zeigen sich,
den ungünstigen äusseren Bedingungen entsprechend, auf dem lockeren
beweglichen Sande der dem vollen Anprall des Seewindes ausgesetzten
Standorte. Der ökologische Charakter der Vegetation auf beweglichem
Sande am Meer ist an früherer Stelle (S. 195) bereits in seinen all-
gemeinen Zügen dargestellt worden. Es wurde gezeigt, dass die ersten
Ansiedler vornehmlich kriechende Gewächse sind, welche sich durch
Adventivwurzeln festankern. Die verbreitetste dieser Pflanzen ist Ipomoea
pes caprae (I. biloba), welche in der neuen wie in der alten Welt auf
sandigem Strande selten fehlt und deren rasch wachsende, oft mehrere
Meter lange Sprosse meist am weitesten nach dem Meere hinaus ge-
langen. Die Fig. 210 zeigt die Pescaprae- Formation in ganz typischer
Ausbildung. In anderen Gegenden sind andere Gewächse von ähnlicher
Lebensweise maassgebend, so dass man z. B. eine Canavalia-Formation,
nach einer in mehreren Arten auf dem ostasiatischen Strande ver-
breiteten Papilionaceengattung , eine Spinifex - Formation etc. unter-
scheiden kann. Unsere Fig. 211 zeigt, wie die Pescapraeformation
sich an geschützteren Standorten entwickelt. Die kriechenden Sprosse
bedecken den Boden mit einem Netze, welches nur hier und da von
Fig. 210. Sandiger Strand in West-Java mit Ipomoea pes caprae. Strauch in der Mitte:
Scaevola Koenigii. Rechts: Croton sp. Nach einer Photographie.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
417
grösseren Lücken durchbrochen ist. Einige andere Gewächse haben sich
auf dem befestigten Boden angesiedelt , namentlich sind einige Gräser
und zwei strauchige Arten, Scaevola Koenigii und Croton sp. erkennbar.
Fig. an. Sandiger Strand mit Gesträuch und Pandanus sp. in Deutsch - Ost - Afrika.
Nach einer Photographie.
Schimper, Pflanzengeographie. 27
4i8
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
In noch mehr geschützten Lagen aber auf weniger beweglichem,
grobem oder kiesigem Sandboden werden die Sträucher zahlreicher
und kleine Bäume, in der alten Welt Pandanus - Arten , treten hinzu
(Fig. 212, 213).
In Ostasien sieht man besonders häufig an solchen Standorten Pemphis
acidula, eine buschige strauchige Lythracee, mit kleinen, fleischigen, silber-
grau beschuppten Blättern, Clerodendron inerme, einen etwas dornigen Strauch,
dessen lange, von tiefgrünen succulenten Blättern bedeckte Aeste herabhängen
und, nach Art der Brombeeren und anderer wenig entwickelten Spreizklimmer
Fig. 212. Gesträuchformation auf dem Meeresstrande, dicht an der Fluthlinie, bei Singapore.
Pandanus sp. vorherrschend, dazwischen Scaevola Koenigii und Thespesia populnea. Nach
einer Photographie von Herrn P. Groom.
wirre Dickichte bilden , wenn sie nicht eine Stütze gefunden haben , ferner
Scaevola Koenigii (Fig. 213), der tropische Kosmopolit in der sonst beinahe
auf Australien beschränkten Familie der Goodeniaceen, eine der merkwürdigsten
Erscheinungen der Strandvegetation, dank ihren langen, vielfach gekrümmten,
wirr durcheinander wachsenden Sprossen, ihren grossen fleischigen Blättern und
grossen Rispen sonderbarer weisser Blüthen, aus welchen weisse gerippte Stein-
früchte hervorgehpn.
Im malayischen Archipel, und wahrscheinlich anderwärts in Ostasien, sind
an solchen Standorten Sträucher und Kräuter häufig durch ein dichtes Gewirr
der grünen und rothen Fäden der Cassytha filiformis verbunden und überzogen.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
419
Die am äusseren Rande zunächst nur zerstreuten Sträucher und
Bäumchen treten in grösserer Entfernung der Fluthlinie — an ruhigen
Buchten jedoch schon in deren nächster Nähe — zu mehr oder weniger
geschlossenen Gehölzformationen von Wald-, Gebüsch- oder Gesträuch-
charakter zusammen.
§ 3. Die Strandgehölze oberhalb der Fluthlinie. Gehölzformationen
auf dem sandigen und sandigsteinigen Strande wurden zuerst von Jung-
huhn für Java und von Kurz für Pegu geschildert. Aus dem Vorkommen
vieler ihrer charakteristischen Arten in einem grossen Theile der alten
Welt ist mit Wahrscheinlichkeit auf weite Verbreitung derartiger
Formationen zu schliessen; doch ist darüber nur weniges bekannt.
Fig. 213. Strandformationen.
Lagune junge Rhizophoren.
Im Hintergrund: Strandwald (Barrington iaformation). In der
Java. Nach einer Photographie von Herrn Dr. Warburg.
Engler erwähnt die Strandgehölze für Ostafrika, wo sie jedoch grössere
Bestände nicht zu bilden scheinen. Ueber ihr etwaiges Vorkommen
in Westafrika ist nichts bekannt und ich kann mich nicht erinnern,
etwas ihnen ähnliches im tropischen Amerika gesehen zu haben, ob-
wohl es an Bäumen auf dem Strande auch ausserhalb der Mangrove
(z. B. Coccoloba uvifera) nicht fehlt. Die in Brasilien „Restinga"
genannten Gebüsche sandiger Küsten scheinen des halophilen Charakters
zu entbehren.
Als niedrige bis mittelhöhe, hie und da durch Gestrüpp oder spär-
lich bewachsene Sandflächen unterbrochene Wälder habe ich die Strand-
gehölze namentlich an der Nordküste Java's, auf den kleinen Korallen-
27*
420
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
inseln des Java -Meers und auf der Insel Singapore kennen gelernt.
Folgende Schilderung wurde an Ort und Stelle, in einem Walde un-
weit Priok (Java) geschrieben; sie könnte sich aber ebenso gut auf
die anderen mir bekannten Strand wälder beziehen (Fig. 213 u. 214).
„Haben wir das dichte Geflecht von Zweigen, welche durch die
rothen und grünen Fäden der Cassytha häufig gleichsam zusammen-
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Fig. 214. Das Innere eines Strandwaldes. Pandanus als Unterholz. Insel Singapore.
Nach einer Photographie des Herrn P. Groom.
genäht sind, durchbrochen und sind in das Innere einer Waldpartie ein-
gedrungen (Fig. 214), so tritt uns ein Bild entgegen, das ganz und gar
nicht an dasjenige der meisten Tropenwälder, wenigstens derjenigen
feuchter Gebiete, erinnert. Auf dem sandigen oder steinigen, nackten
oder doch nur von spärlichen todten Blättern bedeckten Boden erheben
sich ebenfalls nackte oder einige wenige dickblätterige Epiphyten
(Hoja, Dischidia- Arten) und kleine Krustenflechten tragende Stämme,
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen. 42 1
die vielfach durch ein Gewirr dünner Schlinggewächse verbunden sind.
Stehen die Bäume weniger dicht, so sind die Zwischenräume von
struppigem Unterholz eingenommen, in welchem junge Exemplare der
Baumarten mit echten Sträuchern und kleinen Pandani um den Raum
streiten, oder Crinum asiaticum bildet zwischen den Stämmen mannes-
hohe Dickichte.
„Die Blätter dieser Gewächse sind manchmal recht gross, sie zeigen
aber nichts desto weniger in ihrer Structur das Gepräge ungünstiger
Transpirationsbedingungen, namentlich am äusseren Rande der Formation,
wo der Boden am salzreichsten ist. Das Laub der grösseren Bäume
ist entweder sehr dicht, oder, wie bei so vielen Bewohnern trockener
Gebiete, schirmförmig bezw. in Etagen gegliedert ; die Blätter sind dick
lederartig (Calophyllum inophyllum, Terminalia Katappa, Barringtonia
speciosa) oder fleischig saftig (Scaevola Koenigii, Pemphis acidula,
Morinda citrifolia, Clerodendron inerme, Tournefortia argentea, Ximenia
americana), manchmal, an jüngeren Teilen, dicht behaart (Pemphis,
Sophora tomentosa, Tournefortia, Thespesia populnea, Heritiera litto-
ralis), selten mit Firnissüberzug versehen (Dodonaea viscosa). Casuarina
equisetifolia erinnert, in grösserem Maasstab, an die Tamarix- Arten
der Mediterranregion, die leicht gefiederten Albizzien und Acacien,
die Zwiebelgewächse, das schmal- und hartblätterige Gras an trockene
Savannen und Steppen.
Mit der Entfernung vom Meere werden die Schutzmittel gegen
Transpiration weniger ausgeprägt; die dicken, saftigen Blätter von
Gerodendron inerme, Ximenia americana, Wollastonia etc. werden gewöhn-
lichen Blättern gleich, manche ausgeprägt halophytische Arten, wie Barring-
tonia speciosa, Scaevola, Wollastonia, Tournefortia, nehmen mehr und mehr
ab, während umgekehrt Binnenlandformen etwas zahlreicher auftreten.
Ich habe in den Strandgehölzen Java's und der benachbarten kleinen
Koralleninseln folgende Baumarten beobachtet: Cycas circinalis; Pandanus,
sp. div.; Casuarina equisetifolia; Calophyllum inophyllum (Guttif.); Cerbera
Odollam (Apocyn.); Hibiscus tiliaceus und Thespesia populnea (Malvac);
Terminalia katappa (Combret); Hernandia peltata (Hernand.); Heritiera litto-
ralis (Stercul.); verschiedene Leguminosen (Inocarpus edulis; Albizzia-, Cyno-
metra-, Erythrina- Arten; Pongamia glabra; Sophora tomentosa etc.). Die Zahl
der Straucharten ist eine weit grössere, z. B. Pandani sp. d., Scaevola Koenigii,
Cordia subcordata, Clerodendron inerme, Vitex trifolia, Premna integrifolia,
Pemphis acidula, Ximenia americana, Dodonaea viscosa, Allophyllus sundanus,
Climacandra obovata, Colubrina asiatica, Suriana maritima, Morinda citrifolia,
Guettarda speciosa, Excoecaria Agallocha.
Die sehr zahlreichen Schlinggewächse sind, mit Ausnahme von Entada
scandens, sämmtlich dünnstämmig, und vorwiegend Leguminosen, wie Guilan-
dina Bonducella, Derris uliginosa, Canavalia- Arten, ferner Cassytha filiformis
und Arten von Ipomoea. Die kleinen sandigen Lichtungen sind vornehmlich
422 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
von Gräsern bewachsen ; andere Bestandteile sind verschiedene Papilionaceen
(Vigna-, Crotalaria-Arten etc.), einige unscheinbare Compositen (Conyza indica,
Wollastonia glabra und biflora), krautige Euphorbiaceen (Euphorbia Atoto,
Phyllanthus - Arten , Acalypha indica), Portulaca oleracea und P. quadrifida,
und stattliche, grossblüthige Zwiebelgewächse (Tacca pinnatifida, Crinum
asiaticum, Pancratium zeylanicum).
Kurz erwähnt als Bestandtheile der Strandgehölze in Birmah: Pongamia
glabra, Erythrina indica, Bombax malabaricum , Hibiscus tiliaceus , Cynometra
bijuga, Guettarda speciosa, Cycas Rumphii, Thespesia populnea, Scaevola
Koenigii, Colubrina asiatica, Derris sinuata, Breynia rhamnoides, Caesalpinia
Bondhuc, Ipomoea pes caprae, Ischaemum muticum. Epiphyten sind Poly-
podium quercifolium , Arten von Hoya, Dischidia und einige Orchideen. In
Tenasserim kommt Casuarina equisetifolia hinzu.
Verschiedene Bäume und Sträucher der Strandgehölze gehören zu den
bekanntesten und häufig cultivirten, wie Cycas circinalis und Rumphii, ver-
schiedene grosse Pandani, Casuarina equisetifolia, Calophyllum inophyllum,
Terminalia Katappa, Morinda citrifolia. Die Strandgehölze sind unzweifel-
haft auch die Heimath der Cocospalme.
Eine ähnliche floristische und ökologische Physiognomie wird wahr-
scheinlich noch an anderen Punkten der ostasiatischen und australischen
Küsten dem Strandwalde zukommen. Es giebt jedoch nicht unwesent-
liche Abweichungen von derselben. So gehört er in Birmah, nach
Kurz, zu den periodisch völlig kahlen Gehölzen und reine Bestände von
Casuarina equisetifolia ersetzen am Golf von Bengalen stellenweise den
gemischten Wald.
Die Nähe des Meeres macht sich in den Strandgehölzen nicht bloss
in der trotz Feuchtigkeit des Klimas und Wasserreichthum des Bodens
ausgeprägt xerophilen Structur geltend, sondern auch in den Früchten,
bezw. in den Samen, welche in der Regel mit Schwimmvorrichtungen
versehen sind. Die meisten der an früherer Stelle (S. 32 u. f.) er-
wähnten charakteristischen Früchte und Samen der Driftauswürfe
stammen von Bäumen und Sträuchern der Strandgehölze. So ist z. B.
Barringtonia speciosa nicht bloss durch grosse Blätter und prachtvolle
Blüthen ausgezeichnet, sondern ökologisch weit mehr durch die über-
faustgrossen pyramidenförmigen Früchte, welche leicht sind wie Flaschen-
kork und deren Perikarp aus einer mächtigen Lage Schwimmgewebe
besteht. Ein ähnliches Schwimmgewebe verbirgt sich unter grüner
Schale in der grossen eiförmigen Frucht von Cerbera Odollam, in der
kleineren, mandelähnlichen Frucht von Terminalia Katappa, unter dem
dicken saftigen Mesokarp von Scaevola Koenigii, in der Samenschale
von Cycas circinalis und Calophyllum inophyllum etc. Heritiera littoralis
besitzt bootförmige, gekielte, hartschalige Nüsse, welche, dank einer
grossen inneren Höhlung zu den besten Schwimmern gehören und die
Einzelfrüchte der riesigen Fruchtstände von Pandanus sind, trotz ihrer
Fig. 215 u. 216. Mangrovelandschaft auf den Seychellen. Rhizophora mucronata.
Oben: Fluth. Unten: Ebbe.
Nach einer Photographie des Herrn Dr. A. Brauer.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen. 423
schönen, anscheinend zum Anlocken der Thiere erworbenen rothen
Farbe, hart und beinahe saftlos, und werden vornehmlich, wie ihre
Häufigkeit in den Driftauswürfen zeigen, durch die Meeresströmungen
verbreitet.
Die Schwimmfähigkeit der Samen hat die ungeheure Verbreitung
der meisten Gewächse der Strandgehölze, welcher sich in dieser Hin-
sicht die zum Theil identischen Arten der offenen Formationen an-
schliessen, bedingt. Auch die Arten der nachher zu besprechenden
Mangrove sind mit Schwimm fruchten oder Schwimmsamen versehen.
Doch zeigen sich die letzteren in keiner Formation in solcher Voll-
kommenheit und Mannigfaltigkeit wie in den Strandgehölzen oberhalb
der Flut
§ 4. Die Gehölzformationen im Bereich der Fluth. Während in
den tropischen wie in höheren Breiten der im Bereich der Fluth be-
findliche Strandgürtel, die „Schorre", an den dem Winde und starken
Wellenschlage ausgesetzten sandigen oder thonigen Küsten ganz
vegetationslos ist und an felsigen Küsten nur Algen trägt, ist derselbe
an Buchten und Lagunen, wo die Bewegungen des Meeres und der
Luft schwächer sind, von dichten, bald mehr gesträuch- oder gebüsch-
artigen, bald waldartigen Gehölzen bedeckt, welche Mangroven oder
Fluthgehölze genannt werden und welche, sowohl ökologisch wie
floristisch, von allen Binnenlandformationen abweichen.
Aehnlich wie die Strandgehölze oberhalb der Fluth bestehen auch
die Mangroven zum grösseren Theile aus Arten weitester Verbreitung.
Doch lassen sich sehr scharf zwei grosse Areale unterscheiden, ein
östliahes, welches sich von Ost-Afrika über Asien nach Australien
und Mikronesien erstreckt und ein westliches, welches die west-
afrikanische Küste und die amerikanischen Küsten umfasst.
Die östliche Mangrove.
Die östliche Mangrove, welche ihren grössten Formenreichthum in
Hinterindien und im malayischen Archipel aufweist und da seine Ur-
sprungsstätte haben dürfte, besteht, abgesehen von wenigen seltenen
Arten, deren Zugehörigkeit zur Mangrove noch zweifelhaft ist, aus
folgenden Formen:
Charakterpflanzen der östlichen Mangroven.
Rhizophoraceae: Rhizophora mucronata Lam., conjugata L. Ceriops
Candolleana Arn., Roxburghiana Arn., Kandelia Rhedii W. et A., Bruguiera
gymnorhiza Lamk. , eriopetala W. et A., caryophylloides Bl., parviflora W.
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VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
425
etA. — Combretaceae: Lumnitzera racemosa Willd., coccinea W. et A. —
Lythraceae: Sonneratia apetala Harn., acida L., alba Smith. — Melia-
*v
Fig. 218. Kandelia Rheedii, Keimlinge in 3/4 nat. Gr. / Jung und noch in der Frucht
steckend. 2 Abgelöst, oben mit der Plumula. ß Nach der Bewurzelung ; vom mehrblätterigen
Sprosse nur die Basis. (N. d. Nat. gez. v. R. Anheisser.)
ceae: Carapa moluccensis Lam., obovata Bl. — Myrsinaceae: Aegiceras
majus Gaertn. — Rubiaceae: Scyphiphora hydrophyllacea Gärtn. — Ver-
426 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
benaceae: Avicennia officinalis L., und var. alba Bl. sp. — Acantha-
ceae: Acanthus ilicifolius L. — Palmae: Nipa fruticans Wurmb.
Manche Arten der Strandgehölze kommen gelegentlich an trockenen
Stellen der Mangroven vor, aber nur selten auf dem Schlamm (Heritiera litto-
ralis auf Ceylon, nach Karsten).
Zur Fluthzeit sieht man vom Meere aus lebhaftgrüne, bald dicht
aneinander schliessende, bald gleichsam als Vorposten einzeln sich
erhebende Laubkronen diesseits der Strandlinie aus dem Meere hervor-
ragen (Fig. 215). Zur Ebbezeit ist der Boden, soweit die Mangrove
reicht, vom Meere entblösst und stellt einen blauschwarzen Schlamm
dar, aus welchem die Bäume auf kurzen, aber von hohen Stelzwurzeln
getragenen Stämmen sich erheben (Fig. 216). Diejenige Baumart,
welche in den östlichen Mangroven die Aussenseite der Mangrove nach
dem Meere hin einnimmt und durch langsames Fortschreiten eine
allmähliche Hebung der Küste bedingt, ist Rhizophora mucronata
(Fig. 215 — 217 und 227). Kein Baum der Mangrove ist besser aus-
gerüstet, um im weichen Schlamme der Flutbewegung zu widerstehen,
sich unter solchen schwierigen Bedingungen fortzupflanzen und aus dem
häufig ganz unverdünnten salzigen1) Meereswasser den Transpirations-
verlust zu decken. Das den Stamm tragende Gestell bogenförmiger
Stelzwurzeln stellt ein vollkommenes Ankersystem dar, welches durch
neue, von den Zweigen herabwachsende Wurzeln, dem Zuwachs der
Krone entsprechend, verstärkt wird. Die Blätter (Fig. 17) besitzen aus-
geprägte xerophile Structur, mit dicker Cuticula, grossen Schleimzellen,
geschützten Spaltöffnungen und namentlich einem grosszelligen und
dünnwandigen Wassergewebe, dessen Mächtigkeit mit dem wachsenden
Alter des Blattes und dem correspondirenden steigenden Salzreichthum
zunimmt. Alte Blätter dienen wesentlich nur noch als Wasserspeicher
für jüngere Blätter.
Am merkwürdigsten ist bei Rhizophora mucronata, welcher sich
in dieser Hinsicht die übrigen Rhizophoraceen der Mangrove in der
Hauptsache anschliessen (Fig. 218), die Fortpflanzung. Die Frucht, eine
lederartige Schliessfrucht, etwa von der Grösse einer Haselnuss, wird
bald nach Abschluss ihres Wachsthums vom grünen Hypocotyl am
Gipfel durchbrochen, indem der Keim eine Ruhperiode nicht durch-
macht, sondern sich ununterbrochen weiter entwickelt. Das Hypocotyl
hat bei Rhizophora mucronata keulenförmige Gestalt und erreicht
60 cm, zuweilen sogar noch beträchtlichere Länge, bevor es unter
Hinterlassung der verwachsenen und als Saugorgan dienenden Coty-
*) Die in der Literatur häufig wiederkehrende Angabe, dass Rhizophora im reinen
Meereswasser nicht vorkommt, ist unrichtig. Ich habe Rh. mucronata auf felsigem Boden
der Koralleninseln des Javameeres, wo Süsswasser ganz fehlt, gedeihen sehen.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
427
Fig. 219. Bruguiera parviflora. Früchte mit Keimlingen in verschiedenen Stadien der
Entwickelang, doch keine noch ganz ausgewachsen. Süd -javanische Mangrove. Nat. Gr.
428
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
ledonen herausfallt. Entsprechend der grösseren Dicke des unteren
Endes fällt der Keim senkrecht mit der Wurzelspitze nach unten in
den Schlamm und erzeugt schon nach wenigen Stunden Wurzeln,
welche ihn festankern; doch wird er an weniger geschützten Stellen
von der sich zurückziehenden Fluth, wie das Vorkommen der Keimlinge
in den Driftauswürfen zeigt, nicht selten mitgenommen. Die aus-
geworfenen Keimlinge vermögen an geeigneten Standorten sich eben-
falls weiter zu entwickeln, indem der untere Theil positiven, der obere
negativen Geotropismus be-
sitzt. Auf Fig. 214 sind in
einem seichten , offenbar
erst kürzlich entstandenen
Strandtümpel zahlreiche
junge Exemplare von Rhi-
zophora mucronata in ver-
schiedenen Stadien der
Entwickelung sichtbar.
Bei den anderen Rhizo-
phoraceen der Mangrove
sind die Keimlinge kleiner
als bei Rh. mucronata und
nicht immer ausgeprägt
keulenförmig (Fig. 218
und 219).
Viviparie zeigt sich
ausserdem bei Aegiceras
majus und bei Avicennia
officinalis. Die Keimlinge
von Aegiceras sind horn-
artig gekrümmt und klei-
ner als diejenigen derRhizo-
phoraceen; sie bleiben in
der dünnen Fruchtschale
eingeschlossen. Diejenigen
von Avicennia, die bald
von der erst später aufspringenden lederartigen Fruchtschale umhüllt,
bald ohne dieselbe herabfallen, sind mit krummem, dicht behaartem
Hypocotyl und zwei grossen Cotyledonen versehen. Die Haare sind
steif und nach oben gekrümmt und befestigen den Keimling im Schlamm.
Bei den anderen Pflanzen der Mangrove ist Viviparie nicht vorhanden,
doch sind die Keimlinge einiger Arten, namentlich diejenigen von
Acanthus und, in Amerika, von Laguncularia immerhin viel weiter ent-
wickelt, als es bei Binnenlandpflanzen der Fall zu sein pflegt.
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Fig. 220. Javanische Mangrove. Bruguiera gymnorhiza.
Nach einer Photographie des Herrn Dr. G. Karsten.
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
429
Fig. 221. Sonneratia acida in der javanischen
Mangrove. Nach einer Photographie von Herrn
Dr. G. Karsten.
Gelangt man in das Innere der Mangrove, so treten der Rhizophora
mucronata andere Holzarten hinzu und werden mit der Entfernung vom
Meere vorherrschend. Als stattlicher Baum überragt Bruguiera gym-
norhiza alle anderen Mangrove-
bäume (Fig. 220). Die übrigen
Bruguiera - Arten , Rhizophora
conjugata, Ceriops Candolleana
und Kandelia Rheedii sind klei-
nere Bäume oder Sträucher. Die
oft Bestände für sich allein bil-
dende Sonneratia acida (Fig. 221)
ist ebenfalls ein kleiner Baum;
die verwandte und ähnliche
Sonneratia alba liebt mehr stei-
nige Standorte und wächst häufig
ganz vereinzelt an offenen Stellen,
ausserhalb der eigentlichen Man-
grove. Auch Avicennia officinalis
bildet oft ausgedehnte buschige
Bestände (Fig. 222), in welchem
das graue, häufig von den hoch-
gelben Blüthenständen bedeckte
Laub nahezu bis zum Boden reicht.
Aegiceras majus ist ein massig
hoher Strauch und Acanthus ilici-
folius ein distelähnliches Kraut.
Die Stelzwurzeln , welche
der Rhizophora mucronata einen
so eigenartigen Habitus verleihen,
zeigen sich nur noch bei dem
krautigen Acanthus in relativ
starker Entwicklung. Sie sind
bei der weniger weit als Rh.
mucronata in das Meer hin-
austretenden Rh. conjugata
schwächer als bei letzterer ent-
wickelt und bei den übrigen
Bäumen der Mangrove gar nicht
oder nur wenig ausgeprägt (Fig.
225); namentlich fehlen der
letzteren die nachträglich aus Fig 222 Javanische Mangrove: Avicennia 0fn-
den Aesten herabwachsenden cinalis zur Ebbezeit. Nach einer Photographie
Ankerwurzeln. des Herrn Dr. G. Karsten.
Fig. 223. Pneumatophoren von Mangrove-Bäumen, Java. / Bruguiera caryophyllata. 2 Bing*
gymnorhiza. ß Carapa obovata, junger Wurzelast Sämmtlich verkleinert
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
431
Hingegen sind die Wurzeln der meisten Mangrovebäume durch
den Besitz höchst eigenartiger Pneumatophoren ausgezeichnet (Fig. 223,
224, 225). In einfachster Gestalt zeigen sich dieselben bei Carapa
obovata (Fig. 223, j), wo die schlangenartig kriechenden Wurzeln mit
ihrer oberen, der Klinge eines dicken Messers ähnlichen, aber von
Lenticellen übersäeten Kante aus dem Schlamm hervorragen. Bei
Carapa moluccensis ist das secundäre Dickenwachsthum im oberen
Theile ungleichmässig , derart dass derselbe sich in fingerartige Aus-
wüchse auflöst. Bei den Arten von Bruguiera (Fig. 223 und 225 / u. 2)
biegen sich die horizontalen
Wurzeln stellenweise zu knie-
artigen, über den Schlamm
hervorragenden Gebilden , die
bei Bruguiera gymnorhiza grosse
Lenticellen tragen, bei Bruguiera
caryophyllata aber ihre Rinde
allmählich abwerfen. Avicennia
officinalis (Fig. 221, 223), wel-
cher sich die beiden amerika-
nischen Arten anschliessen, Son-
neratia acida (Fig. 2234, 221)
und alba, Ceriops Candolleana
und die amerikanische Combre-
tacee Laguncularia racemosa
erzeugen negativ geotropische,
spargelähnlich aus dem Boden
hervorragende finger-, bei Son-
neratia armlange negativ-geotro-
pis che Neben wurzeln. DieRhizo-
phora-Arten besitzen besondere
Pneumatophoren nicht , jedoch
übernehmen die oberen, aus
dem Schlamm ragenden Theile
ihrer Stelzwurzeln deren Function.
Dass die Pneumatophoren zur Sauerstoffversorgung der unter-
irdischen Theile dienen, wurde, wie auf Seite 84 des Näheren dargestellt,
von G. Karsten und Greshoff nachgewiesen. Alle diese Bildungen sind
dementsprechend mit Vorrichtungen zur Aufnahme des Sauerstoffs
(Lenticellen, Spalten, dünner Kork) und zu dessen Transport (Inter-
cellulargänge in der primären Rinde oder Bast) versehen.
In der folgenden, an Ort und Stelle geschriebenen Skizze habe ich den
Versuch gemacht, eine Vorstellung von der Physiognomie der Mangrove auf
Java zu geben.
Fig. 224. Pneumatophoren von Avicennia offici-
nalis. Mangrove, Java. */* nat- Gr.
432
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Die unter dem Namen Kindersee bekannte lagunenartige Bucht in Süd-
Java ist nach Süden durch die hügelige Insel Noesa-Kambangan vom Indischen
Ocean getrennt, im Uebrigen zwischen den hier ganz flachen Ufern der
Hauptinsel eingeschlossen. Mehrere Flüsse ergiessen in dieselbe ihre träge
fliessenden Gewässer und sind, ihrem niederen Niveau entsprechend, noch in
grosser Entfernung ihrer Mündung dem Einflüsse der Fluthbewegungen aus-
gesetzt. Der Mehrzahl nach spalten sie sich in mehrere Arme. Diese Delta-
bildungen liegen zur Fluthzeit unter Wasser, zur Ebbezeit ein wenig über
dem Niveau desselben. Ein besseres Substrat für die Entwicklung der
Mangrove könnte kaum existiren und letztere ist denn auch mit seltener
Ueppigkeit entwickelt.
Fährt man iit
einem Canoe längs
der Ufer der Bucht
oder in einem der
zahlreichen Flussaxmc,
so erblickt man nicht
immer das gleiche
Bild. Weit mehr als
an freien , schiefen
Küsten, wo betnahe
allein Rhizophora
nmeronata dem An-
prall der Wellen
Widerstand zu leisten
oder sich im bewegten
Wasser fortzupflanzen
im Stande ist, «iml
auT diesen seichten
Ufern, wo derWellcD-
schlag unbekannt jm
die Ex iste uz \ *ed m -
gütigen für verschie-
dene Arten ungefähr
Raum bald die eine,
Fig. 225. Aus der Mangrove: Bruguiera gymnorhiza mit Knie-
wurzeln. Ebbe. Süd-Liukiu. Nach einer Photographie von
Herrn Dr. O. Warburg.
gleich günstig, so dass in dem Kampfe um den
bald die andere Art den Sieg davon trägt. Bald ist das Ufer von einen*
dichten Gürtel von Rhizophoreen eingenommen, bald fahrt man lang*
eines Wäldchens der silbergrauen, weidenartigen Avicennia offidnalis var. alba
an anderen Stellen noch ist das matte Grün der Sonneratia aeida vorherrschend,
oder endlich die Vorposten sind von einer schmalen Hecke der Nipa fruticans
behauptet. Hin und wieder fällt die sonderbare Erscheinung einer Carapa
obovata auf, deren kopfgrosse braungelbe Früchte aus der kleinen Krone
hervorschimmern, oder ein von schneeweissen Blüthen und hornartigen Fruchten
bedeckter Busch des Aegiceras majus. Die beiden hier vorkommenden
Bruguiera- Arten (B. gymnorhiza und B. parviflora) sind am Rande mehr
vereinzelte Erscheinungen ; um so häufiger sind sie im Inneren der Mangrove,
Fig. 226. Cocos nucifera, Nipa fruticans, Hibiscus tiliaceus (rechts) an einer Meereslagune
bei Singapore. Nach einer Photographie.
Schimper, Pflanzengeographie. 28
434
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
wo die Kronen der Br. gymnorhiza die übrigen Bäume weit überragen,
während die bedeutend kleinere und unscheinbar blühende Br. parviflora sich
den Blicken mehr entzieht.
Zur Ebbezeit blickt man in das Gewirr der Rhizophorastelzen oder in
den Rasen der Spargelwurzeln von Avicennia und Sonneratia, mit seiner Be-
völkerung von Fischen und Krabben. Nirgends habe ich die Kniewurzeln
von Bruguiera gymnorhiza in solcher Menge und Grösse gesehen. An anderen
^teilen kriechen die scharfgekielten Wurzeln der Carapa obovata mit allerlei
Windungen an der Oberfläche des Schlammes.
Zur Fluthzeit ist das ganze Wurzelwerk unsichtbar, sogar die untersten
Blätter der Rhizophoreen und der Sonneratia bleiben eine Zeitlang unter dem
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Fig. 227. Aus der javanischen Mangrove: Im Vordergrund Rhizophora mucronata, Keim-
pflanzen tragend ; im Hintergrund Nipa fruticans (Nipa- Formation). Nach einer Photographie
von Herrn Dr. G. Karsten.
Wasserspiegel. Jüngere Exemplare der Rhizophora mucronata konnte ich,
vom Canoe aus, in der Tiefe des Wassers erblicken.
Epiphyten sind in der Mangrove meist sehr spärlich und fehlen am
äusseren Rande, auf Rhizophora mucronata, gänzlich. Offenbar entspricht ihnek
die salzige Oberfläche nicht, durch welche das schon wasserarme Substrat physio»
logisch noch trockener wird. Nur an tiefen Buchten und im Inneren aus-
gedehnter Mangroven, wo der Wind salzigen Wasserstaub auf die Aeste nicht
bläst, treten epiphytische Arten reichlicher auf, z. B. Platycerium grande,
PI. alcicorne, am Kindersee auch Hydnophytum montanum. Daneben sind
kleine Flechten stets vorhanden, dagegen keine Moose; letztere gehören zu
Vi. Edaphische Wirkungen in den Tropen.
435
den besonders salzscheuen Gewächsen. Ueber die Algen, welche die Wurzeln
bedecken, wird im Abschnitt über die Wasserpflanzen berichtet werden.
Die vom Meere entfernteren Lagunen, wo der Boden zwar noch
dem Einfluss der Gezeiten unterworfen, aber bereits weniger salzig ist,
pflegen im tropischen Ostasien und Australien vornehmlich von den
Beständen einer kurzstämmigen Palme, Nipa fruticans, (Fig. 226 u. 227)
umgürtet zu sein, welche stellenweise, z. B. auf Sumatra, für sich allein
ungeheure Flächen bedeckt. Diese Abart der Mangrove wird am besten
Fig. 228. Mangrove auf Samoa. Innenrand auf weniger salzigem und weniger nassem
Boden. An beiden Ufern Chrysodium aureum. Rechts: Hibiscus tiliaceus (?). Im
Hintergrund Cocos nucifera. Nach einer Photographie.
als Nipaformation von der eigentlichen Mangroveformation getrennt.
Rhizophoraceen kommen mitten in der Nipa-Formation kaum vor, wohl
jedoch einige andere Mangrovebäume wie Avicennia officinalis, Sonne-
ratia acida und sehr häufig der Farn Chrysodium aureum.
Der allmählich wasserärmer werdende, der regelmässigen Ueber-
schwemmung durch die Fluth entzogene Boden jenseits der Mangrove
und der Nipaformation zeigt eine zunehmende Zahl von Pflanzenarten
des trockeneren salzigen Bodens, besonders zahlreich Hibiscus tiliaceus
und dazwischen Chrysodium aureum (Fig. 228).
28*
436
Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
Die westliche Mangrove.
Die westliche Mangrove ist in ihrem ökologischen Charakter der
östlichen sehr ähnlich, aber viel artenärmer und viel weniger reich
gegliedert. Sie besteht aus nur vier Arten, Rhizophora Mangle L., der
Combretacee Laguncularia racemosa, Avicennia tomentosa und A. nitida.
Der westafrikanischen Mangrove scheint Avicennia tomentosa zu fehlen.
Rhizophora Mangle
(Fig. 229, 230)
nimmt, wie in der
östlichen Mangrove
Rh. mucronata, den
äusseren Rand der
Formation ein, wäh-
rend Laguncularia
racemosa nament-
lich am Innenrand
auftritt und dort oft
reine Bestände bil-
det. Die Avicennien
zeigen ein mittleres
Verhalten. Aehnlich
wie in der östlichen
Mangrove treten
auch in der west-
lichen, auf trocke-
neren Inselchen ei-
nige andere Arten
hinzu, welche beim
Uebergang in ' die
Binnenland formatio-
nen vorherrschend
werden , darunter
tropisch - kosmopoli-
tische Arten nie Hi-
biscus tiliaceus und
Chrysodium aureum,
aber auch rein west-
liche Arten , wie die Combretacee Conocarpus erectus etc. Epiphyten
* sind in der westlichen, ebenso wie in der östlichen Mangrove spärlich
und meist auf einige Bromeliaceen und Flechten beschränkt.
§ 5. Verbreitung der tropischen Strandformationen. Offene
Strandformationen sind in der ganzen Ausdehnung der tropischen
Zonen, in regenarmen Gebieten sogar meist allein vorhanden. Die
Fig. 229. Mangrove in Florida. Aussenansicht. Rhizophora
Mangle. Nach „Garden and Forest".
VI. Edaphische Wirkungen in den Tropen. 437
zusammenhängenden Gehölze oberhalb der Fluthlinie und die im Be-
reich der Fluth befindlichen Mangroven sind in üppiger Entwicklung
und gemischter floristischer Zusammensetzung nur in regenreichen
Gebieten vertreten und werden bei Abnahme der Niederschläge
niedriger, weniger zusammenhängend und artenärmer. Zudem sind
die Strandgehölze ausschliesslich tropisch, bezw. in den temperirten
Zonen nur durch einige tropische Flüchtlinge in verkümmerter Form
vertreten, während die offenen Formationen mit denjenigen höherer
Breiten ökologisch übereinstimmen.
Fig- 230. Mangrove in Florida. Innere Ansicht. Rhizophora Mangle. Aus „Garden
and Forest".
Genauer wurde bis jetzt nur die Verbreitung der Mangroven
untersucht. Dieselbe zeigt innerhalb der Wendekreise nahe Ueber-
einstimmung mit derjenigen der Regenwälder. Sie fehlt oder sie
ist ärmlich entwickelt an den Küsten, deren Festlandvegetation
xerophilen Charakter besitzt, ausser wo, wie an der Mündung
des Indus und anderer grosser Flüsse, eine beträchtliche Aus-
süssung des Meereswassers stattfindet. Diese Abhängigkeit ist trotz
der fortwährenden grossen Nässe des Substrates auf Grund des
Unterschiedes zwischen physikalischer und physiologischer Trocken-
heit vollkommen verständlich. Das Meeres wasser ist physiologisch
438 Erster Abschnitt: Die tropischen Zonen.
trocken1) sodass Gewächse, die ihren Wasserbedarf aus demselben
decken, der Gefahr zu grossen Transpirationsverlustes ausgesetzt sind und
die diesem entgegenwirkenden klimatischen Factoren müssen Entwicke-
lung und Verbreitung der Mangroven günstig beeinflussen. Die Luft
ist allerdings auch in den regenarmen Gebieten über dem Meere wahr-
scheinlich ebenso feucht als in den regenreichen, dagegen ist die Be-
wölkung, welche die Erwärmung des Laubs durch die Sonnenstrahlen
und die dadurch bedingte Transpiration herabsetzt, in den letzteren
weit stärker und regelmässiger als in den ersteren.
Starke und häufig wiederkehrende Bewölkung dürfte die wesent-
lichste klimatische Bedingung des Vorkommens der Mangrove in den
Tropen darstellen.
Jenseits der Tropen sind die Grenzen der Formation im ganzen
und diejenigen ihrer einzelnen floristischen Glieder vornehmlich durch die
Temperatur bedingt. Die Nord - Ost - Grenze der östlichen Mangrove
als geschlossene Formation dürfte, nach Warburg's Beobachtungen, in
Süd-Liukiu (Iriomotte 25 ° N.) liegen; hochwüchsige Mangrove hat
der genannte Forscher weiter nördlich nicht mehr gesehen. Sie ist
auch dort bereits verarmt und besteht nur noch aus vier Arten (Brag-
uiera gymnorhiza, Rhizophora mucronata, Sonneratia acida, ? Avicennia
officinalis); in vereinzelten Exemplaren zeigt sich, als nördlichster Ver-
treter der östlichen Mangrovenflora, Rhizophora mucronata noch in
Süd- Japan (Kagoshima 32 °). In südöstlicher Richtung setzt sich die
Mangrove bis zum Wendekreis in unverminderter Ueppigkeit fort, wird
aber an der Küste von Neu-Süd- Wales niedriger und formenärmer
(Avicennia officinalis, Aegiceras). Gebüsche der Avicennia zeigen sich
noch in Neu-Seeland und sogar auf der Chatham-lnsel, bei 44° s. B.
Die nordwestliche Grenze der gemischten Mangrove liegt an der
Mündung des Indus, jenseits derselben zeigt sich nur noch, an einzelnen
Punkten bis zum Sinai, Avicennia officinalis. In südwestlicher Richtung
setzt sie sich als gemischte Formation bis ca. 30 ° s. B., in Natal fort.
Die westliche Mangrove reicht in nordöstlicher Richtung bis Ber-
muda (32 ° N.), auf dem Continent aber nur bis Süd-Florida (27— 280).
Südöstlich habe ich sie noch auf der Insel St. Catharina (27 ° s. B.)
in üppigen gemischten Gebüschen beobachtet. Die nordwestliche
Grenze befindet sich, nach Drude's Atlas, in Süd-Kalifornien, die süd-
westliche bereits bei 40 s. B., da die Trockenheit des Klimas ihrem
weiteren Fortschreiten nach Süden ein Ende setzt.
a) Vgl. s. 6.
Auswahl der Literatur. A2Q
Auswahl der Literatur.
1. Edaphische Wirkungen im Binnenlande.
Brand is, D. Die Familie der Dipterocarpaceen und ihre geographische
Verbreitung. Sitzungsber. d. niederrhein. Gesellsch. für Natur- und Heil-
kunde zu Bonn. 1896.
Junghuhn, Fr. Java, seine Gestalt, Pflanzendecke und innere Bauart. Ueber-
setzt von Hasskarl. Bd. I. 1852.
Kurz, S. Preliminary report on the forest and other Vegetation of Pegu.
Calcutta 1875.
Warming, C. Lagoa Santa. Et Bidrag til den biologiske Plantegeografi.
Kjöbenhavn 1892.
Wohltmann, F. Die natürlichen Faktoren der tropischen Agrikultur und
die Merkmale ihrer Beurtheilung. Leipzig 1892.
Zollinger, H. Ueber Pflanzenphysiognomie im Allgemeinen und diejenige
der Insel Java insbesondere. Zürich 1855.
2. Die tropischen Strandformationen.
Börgesen, F. og Ove Paulsen. Om Vegetationen paa de dansk-
vestindiske oer. Kjöbenhavn 1898. (Die reich illustrierte Arbeit konnte,
da ausschliesslich dänisch geschrieben, keine Verwendung finden.)
Cleghorn. On the sandbinding plants of the Madras beach. Joura. of
botany. VIII. 1858.
Engler, A. Die Pflanzenwelt Ost- Afrikas und der Nachbargebiete. Theil A.
Berlin 1895.
Goebel, K. Die Luftwurzeln von Sonneratia. Ber. d. deutsch, botan.
Gesellsch. 1886.
— Pflanzenbiol. Schilderungen. I.
Haberlandt, G. I. Eine botanische Tropenreise 1893.
— IL Ueber die Ernährung der Keimlinge bei viviparen Mangrovenpflanzen.
Ann. du jard. de Buitenzorg. 1893.
Johow, Fr. Die Mangrovensümpfe. Kosmos 1884.
Junghuhn, Fr. Java, seine Gestalt, Pflanzendecke und innere Bauart.
Uebersetzt von Hasskarl. Bd. I. 1852.
Karsten, G. Ueber die Mangrovenvegetation im malayischen Archipel.
Bibliotheca botanica. Heft 22. 1891.
Kurz, S. Preliminary» report on the forest and other Vegetation of Pegu.
Calcutta 1875.
Pechuel-Lösche. Die Loango-Expedition. 3 Abth. Leipzig 1882.
Schenck, H., Ueber die Luftwurzeln von Avicennia tomentosa und Lagun-
cularia racemosa. Flora 1889.
Seh im per, A. F. W. I. Ueber Schutzmittel des Laubes gegen Transpira-
tion. Monatsber. d. kgl. Akademie zu Berlin. Juli 1890.
— IL Die indomalayische Strandflora. Botan. Mitth. a. d. Trop. Heft 3. 1891.
Schwein furth, G. Pflanzengeographische Skizze des gesammten Nil-Gebietes
und der Uferländer des Rothen Meeres. Petermann's Mittheil. 1868.
Warburg, O. Vegetationsschilderungen aus Süd-Ost- Asien. Engler's Botan.
Jahrbücher. Bd. XVII.
Warming, E. Rhizophora Mangle. Engler's Botan. Jahrb. Bd. IV. 1883.
Zweiter Abschnitt:
Die temperirten Zonen.
I. Allgemeine Charakteristik
der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen
auf Vegetation und Flora.
1. Allgemeine Eigentümlichkeiten der temperirten Klimate. § i. Die
Wärme. Grosse Unterschiede der Temperatur. Seeklima und Conti nenialklima. Isothermen
des Januar und Juli. Tägliche Oscillationen. — § 2. Das Licht. Zonenartige Gliederung
der Beleuchtung. Absorption und Diffusion des Lichtes in verschiedenen Breiten. — § 3.
Die Hydrometeore. Periodicität und Menge der Niederschläge. Bedeutung för den
Boden. 2. Einige allgemeine Wirkungen der temperirten Klimate auf das
Pflanzenleben. § 1. Wärmewirkungen. Ueberwiegende Bedeutung derselben. Tem-
peraturen unter dem Gefrierpunkt. Gürtel der milden und Gürtel der kalten Winter. Ver-
breitung der Arten. Mesotherme Pflanzen. Ungleichheit des ökologischen Temperatur-
optimum. — § 2. Lichtwirkungen. Lichtmenge und Lichtintensität Schattenlicht in
den temperirten Zonen. Fixe Lichtlage des Laubes. — § 3. Wirkungen der Hydro-
meteore. Geringere Bedeutung im Vergleich zu den Tropen. 3. Floriatischer Cha-
rakter der temperirten Zonen. Uebersicht der mesothermen Formenkreise.
1. Allgemeine Eigentümlichkeiten der temperirten Klimate.
§ 1. Die Wärme. Die zwischen den Wende- und Polarkreisen
befindlichen Zonen verdienen nur bezüglich der mittleren Temperaturen
die Bezeichnung der temperirten. Auf Grund der Unterschiede zwischen
Winter- und Sommertemperaturen müsste man sie vielmehr die excessiven
nennen. Namentlich gilt dieses von der nördlichen Zone: „Zwischen
dem nördlichen Wendekreis und dem Polarkreis ist fast die ganze
Wärmescala vertreten, innerhalb welcher die Lufttemperatur an der
Erdoberfläche sich überhaupt bewegt. Im mittleren Ostasien sinkt die
mittlere Januartemperatur fast Jahr für Jahr auf 40 ° C. und noch tiefer
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. aa i
herab, während die Julitemperatur im Pandschab, Mesopotamien, wahr-
scheinlich auch in Arabien, dann in Nordafrika und in Arizona und
Südkalifornien sich bis 35 ° C. erhebt. Gleichzeitig liegen die absoluten
Wärmeextreme dieser Gegenden zwischen — 60 und + 50 ° und
darüber. Auch was Temperaturwechsel anbelangt, die Veränderlichkeit
des Wärmezustandes von einem Tage zum anderen, leistet die nörd-
liche temperirte Zone das Höchste, in ihr finden sich die Gebiete der
grössten Veränderlichkeit der Temperatur.** (Hann.)
Die Nähe der See wirkt im Allgemeinen mässigend auf das Klima.
Ein mildes Klima wird dementsprechend oft als Seeklima, ein ex-
cessives als Continentalklima bezeichnet. Neben der Eigenschaft
der Wassermassen sich langsamer zu erwärmen und zu erkalten als
das Festland, spielen bei den Wirkungen der Oceane auf das Klima
der Küstengebiete und Inseln die Strömungen eine wichtige Rolle.
Der westliche Theil des Britischen Archipels und die Westküste Nor-
wegens verdanken ihre für die Breite auffallend hohen Wintertem-
peraturen dem Einfluss des Golfstroms und die Ostküste Nordamerikas
ist aus ähnlichem Grunde wärmer als die Westküste. Die folgende
Tabelle giebt, nach Peschel, die mittleren Temperaturen für eine Reihe
massiger (1 — 6), halbmässiger (7 — 8) und extremer (9—12) Klimate.
Mittlere Temperaturen (Celsius).
r
Ort: Breite
See-
höhe
Jahr
Januar
Juli
Diffe-
renz
1) Hokitika (Neu-Seeland)
420 42'S.
3m
11.60
iS-7°(a)
7-2°
8.5°
2) Falkland - Inseln . .
■5i°4if"
—
6.10
9-8°(a)
2.50
7-3°
3) Hobarton (Tasmanien)
,42° 52'
10m
48 m
13.1°
17-3°
8.8°
8.50
4) Dublin .
53° 22'-
9-5°
4-7°
15-4°
10.7»
5) Sitcha .
!i57° 3'-
—
5-7°
- I.O°
12.5» (b)i3.S°
6) Reykjavik
640 8'-
—
33°
- *-5°(a)
12.1°
14.60
7) Dresden
5*° 3'-
128 m
9.20
- 0.30
I9.20
19-5°
8) Ofen .
47° 3°' ~i53m
10.70
- 1-4°
22.3°
23-7°
9) Astrachan
460 21'-
-20m
9-4°
- 7-i°
*5-5°
32.6°
10) Irkutsk
52° 17'-
460 nr - o.i°
-20.5°
18.8« 139.3°
11) Jakutsk
620 1'-
160 m
-11.2°
-42.80
18.80
6 r6°
12) Werchojans
>k
67° 34'-
50m
-l6.7°
-49.00
15-4°
64.40
(a) Februar (b) August. (Nach O. Peschel.)
Die jährlichen Temperaturschwankungen sind in der südlichen
temperirten Zone weit geringer als in der nördlichen ; nur die täglichen
Oscillationen erweisen sich hier stellenweise (im Innern Südafrikas und
Australiens) ebenso gross oder gar grösser.
442 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Im Grossen und Ganzen nimmt die Lufttemperatur mit steigender
Entfernung von den Wendekreisen ab, jedoch in höchst unregel-
mässiger Weise, so dass die Isothermen in den temperirten Zonen viel
stärkere Krümmungen als in den Tropen aufweisen.
Die Januarisotherme von o° z. B. hat nördlich von Sitcha, etwa bei 5 8°,
ihren nördlichsten amerikanischen Punkt, sie fällt ostwärts schnell herunter
bis Saint-Louis, ihren südlichsten nordamerikanischen Punkt (381/,0), verläuft
unter schwacher Steigerung über Washington (39 °) nach Philadelphia (40 °),
steigt beträchtlich in dem Atlantischen Ocean, erreicht die Stidküste Irlands
(ca. 6 3*1 z° n. Br.), überschreitet an der Westküste Norwegen's den 70 ° und
erreicht hiermit ihren absolut nördlichsten Punkt, fällt dann senkrecht nach
Süden, der Westküste Dänemarks entlang quer durch Centraleuropa (Wilhelms-
haven, Bamberg, München), biegt sich dann nach Osten, erreicht südlich von
Sofia, ungefähr bei 42 °, ihren südlichsten europäischen Punkt, verläuft dann,
unter schwächeren Undulationen , in östlicher Richtung, erreicht in Central-
china bei ca. 32 ° (also ca. 38 ° südlich vom nördlichsten) ihren südlichsten
Punkt, steigt dann allmählich, durchzieht das südliche Korea und erreicht im
nördlichen Theile von Nippon, bei etwa 3 8°, ihren nördlichsten asiatischen
Punkt, der demnach nur etwa 6° nördlich vom südlichsten und bedeutend
südlicher liegt, als an den Westküsten Amerika's und Europa's.
In der südlichen Hemisphäre haben diesseits vom Polarkreis nur ein
Theil von Feuerland und einige unbedeutende Inselgruppen (z. B. Süd-
Georgien) eine Julitemperatur von o° oder darunter.
Die Juliisotherme von 20 ° ist in der nördlichen Hemisphäre die bewegeste,
ohne so scharfe Krümmungen auszuführen, als die Isotherme von o°. Sie
erreicht ihren absolut südlichsten festländischen Punkt in Californien bei
31 ° n. B. (im Ocean geht sie beträchtlich südlicher), erhebt sich beinahe
senkrecht nach Norden bis ungefähr zum 55 ° im Nordwesten, geht dann
westlich unter nochmaligen Undulationen durch Canada (Winnipeg 500,
Quebec), durch Boston (ca. 421/8°), durchzieht den Atlantischen Ocean etwas
nördlich vom 40 °, läuft längs der Nordküste Spaniens (ca. 44 °), längs der
Westküste Frankreichs (Bordeaux), krümmt sich östlich über Paris nach
Moskau, dann quer durch Sibirien, erhebt sich in Ostsibirien bis Jakutsk
(ca. 6 20), ihren absolut nördlichsten Punkt (etwa 31 ° nördlich vom süd-
lichsten), fällt dann an der Küste China's bis südlich vom 40. °, ihrem
südlichsten asiatischen Punkte, und erreicht die Südspitze der Insel Jesso.
In der südlichen Hemisphäre erreicht die Januarisotherme von 200 die
Westküste Amerika's bei etwa 200 s. B., also noch diesseits des Wende-
kreises, ihren nördlichsten Punkt, fällt längs der Anden nach dem südlichen
Argentinien, verläuft längs der Westküste Afrika's südlich vom Wendekreise
bis zum Kap der guten Hoffnung, dann östlich, ohne Natal zu erreichen,
nach der Südküste Australiens, welche ihr beinahe ganz angehört, und durch-
zieht das nördliche Neu-Seeland.
Die täglichen Oscillationen der Lufttemperatur sind meist grösser
in den temperirten Zonen als in den Tropen. Sie erreichen ihre
höchsten Grade in den Wüstengebieten. So las G. Rohlfs am
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. 443
25. December 1878 morgens zu Bir Milrha, südlich von Tripolis,
— 0,5° an seinem Thermometer ab, am Nachmittag dagegen + 37°,2.1)
Die täglichen Schwankungen sind in erster Linie auf die Wärme-
strahlung — diejenige der Sonne bei Tag, diejenige der Erde bei
Nacht — zurückzufuhren und sind dementsprechend viel erheblicher
bei klarem als bei bewölktem Himmel. Im ersteren Falle, also nament-
lich in trockenen Gebieten, dürften sie für die Vegetationsvorgänge
erhebliche Bedeutung haben; diesbezügliche Beobachtungen sind in-
dessen nicht vorhanden.
§ 2. Das Licht. Da die nicht wärmenden Elemente der Sonnen-
energie ausschliesslich durch Strahlung auf die Vegetation wirken
können, so sind die Zonen des Lichtklimas, — die ultravioletten Strahlen
mögen, soweit sie auf die Pflanze wirksam sind, zum Lichte gezogen
werden, — im Gegensatz zu denjenigen des Wärmeklimas, dem Aequator
parallel. Die Gesammtintensität des Lichtes nimmt polwärts gleich-
massig ab, aber die Länge der Tage nimmt während des grössten
Theiles der Vegetationszeit, — während des Winterschlafs ist die Be-
leuchtung bedeutungslos — in gleicher Richtung zu.
D
auer
Breite
des längsten Tages
des kürzesten Tages
30°
13 St. 56 Min.
10 St. 4 Min.
40°
14 „ 51 »
9 » 9 »
5O0
16 „ 9 „
7 »51 n
60O
18 „ 30 „
5 m3<> »
6«1/.0
24 » — »
0 „ 0 „
Dank der grösseren Tageslänge wäre die Bestrahlung eines Punktes
in der temperirten Zone während eines Sommertages viel stärker als
diejenige eines Punktes während eines Tages am Aequator, wenn die
Absorption durch die Atmosphäre nicht gleichfalls polwärts stiege. Bei
Zenithstand der Sonne lässt die Atmosphäre von den leuchtenden
Strahlen 8i°/0, von den Wärmestrahlen 75°/0, von den chemischen
Strahlen 4O°/0 durch; bei zunehmender Entfernung vom Zenith wird
die Absorption natürlich entsprechend grösser.
Die wachsende Absorption der Sonnenstrahlen mit der Entfernung
vom Aequator wird allerdings durch die in gleicher Richtung statt-
findende Zunahme des diffusen Lichtes, bis zu einem gewissen Grade
aufgehoben, so dass die Summe leuchtender Energie an einem
Punkte der temperirten Sonne im Sommer grösser bleibt als gleich-
zeitig am Aequator. Die chemische Strahlung dagegen bleibt in
Folge ihrer stärkeren Absorption beträchtlich abgeschwächt. Dem-
!) Peschel loc. cit. II. S. 174.
444 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
nach erhält bei gleicher Oberfläche eine Pflanze der
temperirten Zone während der Vegetationszeit mehr
leuchtende, aber weniger chemische Energie als eine
solche der Tropen.
§ 3. Die Hydrometeore. Die zwischen den Wendekreisen nahezu
allgemeine, wenn auch nicht überall gleich ausgeprägte Abwechselung
von trockenen und feuchten Jahreszeiten setzt sich jenseits derselben
ungefähr bis zum 40. ° n. und s. Breite fort. In höheren Breiten über-
wiegen die Gebiete mit Niederschlägen zu allen Jahreszeiten (z. B. im
grössten Theile Europa's, in Westsibirien, im östlichen Nordamerika,
Süd-Chile, Japan, Kamtschatka, Neu-Seeland) ; doch giebt es in denselben
Breiten auch ausgedehnte Gebiete mit ausgesprochener Periodicität der
Niederschläge (Central- und Ost-Asien, westliches Nordamerika).
Die Menge der Niederschläge kommt in den temperirten Zonen
nur an wenigen Stellen derjenigen der regenreichsten tropischen Punkte
gleich ; mehr als 2 m jährlich haben, von einigermaassen ausgedehnten
Gebieten, Assam, ein» kleiner Theil der Nordwestküste Amerika's, Süd-
Chile, ein Theil des westlichen Neu-Seelands, im Uebrigen bloss ein-
zelne Punkte namentlich im Himalaya, ferner in den Alpen, in Nor-
wegen, Grossbritannien. Gleiche Regenmengen bedingen jedoch in
den temperirten Zonen eine vollkommenere Durchfeuchtung des Bodens
als in den Tropen, indem sie im Durchschnitt auf weit grössere Zeit-
räume vertheilt sind und daher in geringerem Grade abfliessen. Von
grosser Bedeutung ist für die kalttemperirten Zonen der winterliche
Schnee, dessen Schmelzwasser zum grössten Theile dem Boden zu
Gute kommt.
Die Thaubildung ist in den temperirten Zonen im Allgemeinen
schwächer als in den Tropen, Nebel sind für die feuchten und kühlen
Gebiete namentlich in der Nähe des Meeres charakteristisch.
2. Einige allgemeine Wirkungen der temperirten Klimate
auf das Pflanzenleben.
§ I. Wärmewirkungen. Während in den Tropen die Wärme zwar
überall Bedingung des Pflanzenlebens ist, aber wegen ihrer Gleich-
mässigkeit gleichsam verborgen bleibt und die räumlichen wie zeidichen
Unterschiede der Vegetationsdecke neben den Hydrometeoren nicht
wesentlich beeinflusst, nehmen in den temperirten Zonen die Wärme-
unterschiede, sowohl räumlich als zeitlich eine beträchüiche, polwärts
rasch wachsende und schliesslich diejenige der Hydrometeore weit über-
treffende Bedeutung in Anspruch.
Von besonderer Bedeutung sind für das Pflanzenleben die etwas
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. 445
unterhalb des Nullpunkts gelegenen Temperaturen, solche nämlich, die
dem Gefrierpunkt der Pflanzensäfte, welcher, je nach deren Con-
centration, von dem Bruchtheil eines Grades bis zu 2 — 30 C. tiefer
liegt als derjenige reinen Wassers, entsprechen. Für viele Pflanzen ist
das Gefrieren gleichzeitig Erfrieren; andere werden zwar nicht durch
Erfrieren, wohl aber durch die Hemmung der Wasserabsorption in
Folge der Erkaltung des Bodens, schon wenig unter dem Nullpunkt
beschädigt oder getödtet. Wie verwüstend die ersten Fröste aus beiden
Ursachen bei uns wirken, ist zur Genüge bekannt ; sie sind aber weniger
verheerend als ausnahmsweise auftretende Frosttemperatur in Gebieten
niederer Breiten, wo ein leichter Nachtfrost für die Vegetation ver-
hängnissvoller wird als lange und strenge winterliche Kälteperioden in
Gebieten, wo tiefe Temperaturen alljährlich wiederkehren. Es giebt
unverhältnissmässig mehr Pflanzenarten, die durch eine Lufttemperatur
von o° bis — 30 getödtet oder doch schwer beschädigt werden, als
solche, die wohl noch — 30, aber nicht die tieferen der in der Natur
vorkommenden Temperaturen ertragen.
Man darf wohl annehmen, dass in der Nähe der Tropen die
Wintertemperaturen, in grösserer Entfernung derselben hingegen die
Sommertemperaturen für das Pflanzenleben der temperirten Zonen vor-
wiegend wichtig sind, so dass z. B. der Unterschied zwischen Süd- und
Mitteleuropa vorwiegend auf den ersten, derjenige zwischen Mittel- und
Nordeuropa vorwiegend auf den zweiten Factor zurückgeführt werden
müsste. Diese Auffassung hat uns dazu geführt, die temperirten
Zonen in je zwei Gürtel zu spalten, einen der milden
Winter oder warmtemperirten und einen der kalten
Winter oder kalttemperirten, ersterer ist durch immergrüne
oder regengrüne, letzterer durch winterkahle, sommergrüne Laubhölzer,
ersterer durch einen nur partiellen, letzterer durch einen allgemeinen
Winterschlaf der Holzgewächse charakterisiert. Die Grenze zwischen bei-
den Gürteln entspricht ungefähr der Isotherme +6° des kältesten Monats.
Ein genaueres Zusammenfallen der Grenzen der Vegetationsgürtel mit
Isothermen wäre vielleicht erreichbar, wenn auch die Isothermen des wärmsten
Monats mit berücksichtigt werden würden, indem man in der nördlichen
Hemisphäre die Gebiete nördlich von der 200 Juli-Isotherme, in der südlichen,
wo die Erwärmung durch Strahlung stärker ist, die Gebiete südlich von der
-f-140 Januar-Isotherme von den wintermilden Gürteln ausschliessen würde,
um sie den winterkalten anzuschliessen. Grosses Gewicht ist indessen auf
solche Versuche nicht zu legen, da ein vollkommenes Zusammenfallen von
Wärme- und Vegetationszonen, wenigstens bei der üblichen Art der Bestimmung
klimatischer Elemente, ausgeschlossen erscheint
Die allgemeinen Wirkungen der Temperatur auf die Vegetation
kommen in den temperirten Zonen namentlich in den Erscheinungen
AAf% Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
der Periodicität zum Vorschein. Indirekt, durch ihre Beeinflussung der
Aufnahme und Abgabe des Wassers, kommt die Wärme auch bei der
Vertheilung von Gehölz und Grasflur zur Geltung. Beiden Gruppen
von Erscheinungen sind besondere Kapitel gewidmet.
Die Temperatur spielt bei der Vertheilung der Florenelemente in
den temperirten Zonen eine viel wichtigere Rolle als in den Tropen,
wo sie in dieser Hinsicht gegen die Wirkungen der Hydrometeore
ganz zurücktritt. Die Areale vieler europäischer, nordasiatischer und
nordamerikanischer Pflanzenarten sind, gewiss mit Recht, als Functionen
der Temperatur aufgefasst worden.
Die Flora der temperirten Zonen wird in ihrer Gesammtheit als
mesotherm bezeichnet, obwohl ihre Sippen, in Bezug auf ihre
Temperaturansprüche, grosse Unterschiede zeigen, welche in keiner
Weise durch die allerdings gemässigte mittlere Temperatur, noch durch
Summirung der Wärmegrade zum Ausdruck kommen. Das ökologische
Temperaturoptimum stellt bald eine nahezu ebenso flache Curve dar,
wie diejenige tropischer Gewächse, bald weist dieselbe eine steile
Steigerung von tiefen zu hohen Graden und einen ebenso steilen Ab-
fall. Sehr ungleich ist ferner nachgewiessenermaassen das absolute
Minimum des Pflanzenlebens, während über das wahrscheinlich ebenfalls
ungleich hohe Maximum Daten bis jetzt nicht vorliegen.
Während ungleiche Ansprüche an die Hydrometeore meist auf
Gruppen niederen Ranges, von den Gattungen abwärts, beschränkt zu
sein pflegen, ist das Verhalten gegen die Temperatur häufig für Gruppen
höheren Ranges charakteristisch) so dass, abgesehen von den historischen
Einflüssen, die Unterschiede der Flora innerhalb einer jeden der beiden
temperirten Zonen grösser sind, als innerhalb der tropischen, wo wesentlich
nur die Hydrometeore in Betracht kommen. Floristisch sind in erster Linie
die Gürtel mit milden Wintern von denjenigen mit kalten, in zweiter Linie
die Gebiete mit Seeklima von denjenigen mitContinentalklima ausgezeichnet.
Von allgemeinen Betrachtungen über die Wirkungen der Wanne
auf Wachsthum, Transpiration u. s. w. in den temperirten Zonen muss
abgesehen werden, da die grossen Temperaturunterschiede der letzteren
entsprechende Unterschiede der vegetativen Functionen bedingen.
§ 2. Lichtwirkungen. Der Unterschied für das Pflanzenleben
zwischen Lichtmenge und Lichtintensität kommt beim Vergleich der
tropischen und temperirten Zonen in augenfälliger Weise zum Vorschein.
Unter einer gleich dichten Laubkrone nimmt die Summe leuchtender
Energie polwärts zu, aber die Fähigkeit der Pflanzen unter derselben
zu existiren ab. Die Schattenvegetation ist dementsprechend in den
Tropen weit stärker entwickelt als in den temperirten Zonen.1) Die
«) Vgl. S. 242.
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. 447
ungleiche Lichtintensität bedingt ausserdem eine ungleiche fixe Licht-
lage des Laubes in den temperirten Zonen und in den tropischen.
In den letzteren ist die direkte Sonnenstrahlung maassgebend; das
Laub stellt sich schief oder parallel zu derselben, während es in den
temperirten Zonen, ohne Rücksicht auf die direkte Strahlung, seine
Flächen senkrecht zur Richtung des stärksten diffusen Lichtes aus-
breitet. Trotz der exponirten Stellung sind die zerstörenden Wirkungen
auf das Chlorophyll weit weniger ausgeprägt in den temperirten Zonen
als in den Tropen. Das Laub der skandinavischen Vegetation gilt
sogar für intensiver und reiner grün als dasjenige Mitteleuropa^, ob-
wohl es während des Sommers beinahe ununterbrochen beleuchtet wird.
Manche, an weniger hohe Intensitäten gebundene Lichtwirkungen
werden natürlich bei zunehmender Dauer des Tageslichtes stärker aus-
geprägt. So wird, wahrscheinlich mit Recht, die Zunahme der Pigment-
bildung in Blüthen und Früchten sowie diejenige der ätherischen Oele
in der Nähe des Nordpolarkreises auf die längere Dauer der Beleuchtung
zurückgeführt. *)
§ 3. Wirkungen der Hydrometeore. Die Hydrometeore bestimmen
in erster Linie die Vertheilung von Gehölz, Grasflur und Wüste und
den vegetativen Charakter ihrer Einzelformationen in den temperirten
Zonen; ihre Bedeutung ist jedoch etwas geringer als in den Tropen,
indem sie sich von der zur Zeit der Niederschläge herrschenden Tempe-
ratur abhängig zeigt, so dass, in beiden temperirten Zonen, Gebiete mit
Sommerregen und trockenen Wintern sich vegetativ aufs schärfste von
Gebieten mit Winterregen und trockenen Sommern unterscheiden (vgl.
Kap. III bis V).
Niederschlagsmengen, die in den Tropen die üppigste Entfaltung der
Vegetation bedingen würden, haben in den temperirten Zonen eine
so fördernde Wirkung auf das Pflanzenleben nicht. Dieser Unterschied
rührt namentlich daher, dass die Winterkälte pflanzenphysiologisch einer
ausgesprochenen Trockenzeit entspricht und, wie jede solche, der Flächen-
bildung der Pflanzenglieder bestimmte Schranken setzt.
Die periodischen Erscheinungen des Pflanzenlebens, welche in den
Tropen ausschliesslich durch die Abwechselung der feuchten und
trockenen Jahreszeiten geregelt werden, sind auch in den wintermilden
Gebieten der temperirten Zonen theilweise von diesen abhängig, ob-
wohl sich dort auch bereits der Wechsel der Temperatur geltend
macht. Letzterer überwiegt oder kommt allein zur Geltung in den winter-
kalten Gebieten, je nachdem diese einen trockenen oder einen feuchten
Sommer besitzen.
In ähnlicher Weise tritt für die Abgrenzung der Areale der meso-
l) Schübeler 1. c. S. 83.
aaR Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
thermen Pflanzenarten die Bedeutung der Feuchtigkeit gegen diejenige
der Temperatur zurück. Nur in ausgesprochen wintermilden Klimaten
dürfte es Pflanzensippen geben, für deren Verbreitung, wie in den
Tropen, die Hydrometeore allein maassgebend sind.
3. Floristischer Charakter der temperirten Zonen.
Aehnlich wie für die tropischen Zonen und unter Hinweis auf die
S. 245 mitgetheilten Gesichtspunkte, sollen im Folgenden die meso-
thermen Formenkreise in gedrängter Uebersicht zusammengestellt werden.
Thallophyten.
Die Algen sind in den temperirten Landfloren noch schwächer
entwickelt als in den tropischen, ausser in Verbindung mit Pilzen in
den Flechten, die an Arten und Individuen mit der Abkühlung des
Klimas rasch zunehmen und die in den Wäldern namentlich der kalt-
temperirten Gürtel, sowie auf Felsen und Steinen, mit Moosen zu-
sammen, als Epiphyten und Lithophyten die Hauptrolle spielen. Dass
die Pilze in den temperirten Zonen vielmehr grosse Formen aus den
Unterklassen der Ascomyceten und Basidiomyceten als in den Tropen
aufweisen und daher, trotz anscheinend schwächerer Entwicklung,
mehr augenfällig sind, wurde bereits früher (S. 246) erwähnt.
Bryophyten.
Die Moose, namentlich die Laubmoose, bilden in den temperirten
Zonen einen weit wesentlicheren Bestandteil der Vegetationsdecke als
in den tropischen Tiefländern. Namentlich sind feuchte, kühle Gebiete
mit Seeklima, z. B. das westliche Neu -Seeland, die atlantische Küste
Europa's, die nordpacifische Küste Amerika's, Feuerland etc. sehr
moosreich.
Pteridophyten.
Die Farne sind an ähnliche Existenzbedingungen gebunden wie
die Moose, jedoch mehr wärmebedürftig und daher vornehmlich in den
feuchten warmtemperirten Gebieten entwickelt. Durch massenhaftes
Auftreten der Farne ist Neu -Seeland vor allen anderen Gebieten der
Erde ausgezeichnet. Systematisch sind die temperirten Farnfloren
weniger reich als die tropischen , insofern sie mehrere in den letzteren
2
e
16
e 3
S *
a s
SP
c
•c
v
cu
a
ex
E
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. 449
vertretenen Ordnungen nahezu oder ganz entbehren und keine eigene
Ordnung aufweisen. Die Cyatheaceen weisen nur wenige temperirte
Arten auf, welche vornehmlich den südlichen warmtemperirten Gürtel
bewohnen; ihre baumartigen Formen bilden, allerdings in nur wenigen
Arten, einen Hauptbestandtheil der Flora Tasmaniens (Fig. 231) und
Neu-Seelands, weniger derjenigen Süd-Afrika's. Die Hymenophyllaceen
zeigen eine ähnliche Reduction und ähnliche Verbreitung. Noch viel
mehr als in den Tropen sind in den temperirten Zonen die Polypodia-
ceen vorherrschend.
f'.»,
W 4''
Fig. 232. Zamia integrifolia in Florida. Nach einer Photographie des Herrn H. G. Webber.
Die Rolle der Lycopodiaceen und Equisetaceen ist in den tem-
perirten Zonen stets eine untergeordnete.
Gymnospermen.
Der Reichthum an Gymnospermen und deren grosse Verbreitung
als gesellig wachsende Waldbäume kennzeichnet die temperirten Floren
beim ersten Blick von den tropischen. Diese wichtige Rolle kommt
ausschliesslich den Coniferen1) zu, die Cycadaceen (Fig. 232) sind noch
') Vgl. die Verbreitung der Coniferen in Drude's Atlas No. II.
Schimper, Pflanzengeographie. 29
450
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
weit artenärmer und seltener als in den Tropen und die kleine Familie
der Gnetaceen nur durch einige Ephedra-Arten vertreten. Die aus-
gedehntesten Coniferenwälder sind diejenigen des kalten Gürtels der
nördlichen temperirten Zone ; . dieselben bestehen beinahe ausschliess-
Fig- 233- Waldlandschaft in Natal mit Aloe. Nach einer Photographie.
lieh aus Pinaceen (Pinus, Abies, Picea, Larix, in Nord- Amerika auch
Taxodium, Sequoia etc., in Japan auch Cryptomeria etc.), die Taxaceen
(Taxus, Ginkgo) sind unwesentlich. Die Coniferen der südlichen tempe-
rirten Zone sind ebenfalls vorwiegend Pinaceen, aber nicht aus den
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. ac\
Unterfamilien der Abietoideen und Taxodioideen wie in der nördlichen,
sondern vorzugsweise Araucaroideen (Araucaria, Agathis). Die Taxa-
ceen (Podocarpus, Dacrydium etc.) sind hier, namentlich in der öst-
lichen Hemisphäre, wichtigere Waldbestandtheile als im Norden.
Fig. 234. Yucca arborescens in der Mohave -Wüste, Kalifornien. Nach Coville.
Monocotylen.
Die Monocotylen sind in den warmtemperirten Gürteln ähnlich
wie in den Tropen, ausser durch Gräser und andere Kräuter auch
durch auffallende und stattliche Formen vertreten, welche nur zum
29*
452
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
kleinsten Theile den in den Tropen durch Grösse besonders hervor-
ragenden Formenkreisen der Palmen und Bambuseen, und gar nicht
zu den Pandanaceen und Scitamineen, sondern vornehmlich zu den
Liliaceen und Amaryllidaceen gehören. So sind die Arten von
Aloe namentlich für Süd- Afrika (Fig. 233), diejenigen von Yucca
(Fig. 234), Dasy Urion, Agave für das warme Nordamerika, die-
jenigen von Xanthorrhoea für Australien (Fig. 235), die bis 10 m
hohe Cordyline australis (Fig. 236) für Neu -Seeland und der
riesige Drachenbaum , Dra-
caena Draco für die Canarien
charakteristisch.
Die mesothermen Pal-
men sind wenig zahlreich
und auf einige warme Striche
beschränkt, wo sie, wenig-
stens im wilden Zustande,
selten hervortreten. Ihr be-
kanntester und verbreitester
Vertreter, Phoenix dactylifera,
ist im wilden Zustande nicht
bekannt, die häufig als Zier-
baum angepflanzte Pritchardia
filifera ist auf einige Thäler
Süd-Kaliforniens beschränkt.
Von hochstämmigen Palmen
ist wohl Sabal Palmetto
(Florida bis Nord - Carolina)
(Fig. 242) die einzige, welche
in ihrem Verbreitungsgebiet
häufig ist. In Gesellschaft der
letzteren zeigen sich zwei
oder drei Zwergpalmen (Sabal
serrulata Adansonii), die oft
ein dichtes Gestrüpp bilden,
ähnlich wie Chamaerops humilis an den Küsten des Mittelmeers.
Baumartige Bambuseen zeigen sich in den temperirten Zonen
nur in Japan. Die übrigen mesothermen Monocotyledonen sind bei-
nahe ausnahmslos Kräuter und theilweise ganz wesentliche Bestand-
teile der Grasfluren, der Wüsten und des krautigen Bodenflors der
Gehölze. Die Bedeutung der Gräser ist allgemein bekannt, Cy-
peraeeen und Juncaceen sind weit verbreitet, Liliaceen,
Amaryllidaceen und Iridaceen, weniger die Orchideen sind
wichtige Bestandtheile der trockenen Gebiete in den warmtemperirten
Fig. 235. Flussufer bei Sydney mit Xanthorrhoea sp.
Nach einer Photographie.
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. 453
Gürteln, die Bromeliaceen haben im wärmeren extratropischen
Amerika einige sehr häufige Arten (Tillandsia usneoides, in Chile
Puya -Arten).
Dicotylen.
Die Dicotylen der temperirten Zonen haben eine viel geringere Zahl
Baumarten aufzuweisen als diejenigen der Tropen und die von ihnen
gebildeten Wälder bieten weniger reiche Mischungen ; namentlich ist letz-
teres in den kalttemperirten Gürteln der Fall, wo die Laubwälder meist
nahezu reine Bestände bestimmter Amentaceen darstellen, während mit
Fig. 236. Cordyline australis am See Wakatipu, Neu-Seeland, S. Insel. Nach einer Photographie.
der Annäherung an die Wendekreise die Zahl der Baumarten grösser
und ihre Mischung gleichmässiger wird. Dicotyle Sträucher sind in
den warmtemperirten Gürteln sehr formenreich, dagegen treten die
Holzlianen stark zurück. Die Betheiligung krautiger Dicotylen an den
Grasfluren und an der Schattenflora der Gehölze ist ungefähr die
gleiche wie in den Tropen.
Nächst den Coniferen sind Amentaceen, namentlich Arten von
Fagus und Quercus, in der südlichen Zone solche von Nothofagus, we-
niger einige andere Gattungen (Castanea, Carpinus, Betula, Juglans etc.)
die wichtigsten Waldbildner der temperirten Zonen. Auf Standorten, wo
454 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
edaphische Einflüsse bestimmend hervortreten, zeigen sich Bestände
anderer Amentaceen, namentlich solche von Salix- und Alnus-Arten
auf nassem Boden, solche von Betula auf Sandboden und Hoch-
. mooren etc.
Die Urticineen haben, im Vergleich zu den Tropen, als Bäume
untergeordnete Bedeutung (Ulmus, Celtis, Morus); häufiger sind die
krautigen Formen (Urtica, Parietaria, Humulus etc.).
Von den beiden Familien der Polygoninen fehlen die
Piperaceen fast gänzlich, während die Polygonaceen weit zahlreicher
sind als in den Tropen und namentlich in Grasfluren und an offenen
Standorten auftreten.
Centrospermen: Die Chenopodiaceen sind als unscheinbare
Sträucher und Kräuter, sehr selten als kleine Bäume, auf salzreichem
Boden, namentlich solchem der Steppen und Wüsten, aber auch an
gedüngten Standorten ungemein häufig und sehr formenreich. Die
Caryophyllaceen liefern in beiden Zonen, in der südlichen nur als
Alsinoideen, wichtige Bestandtheile der Grasfluren und des krautigen
Bodenflors der Gehölze. Die Nyctaginaceen sind in den warm-
temperirten Gürteln Amerika's vertreten und die Aizoaceen sind
namentlich wichtige Bestandtheile der südafrikanischen Flora.
Unter den Polycarpiern nehmen die rein mesothermen Ranun-
culaceen in den temperirten Zonen, vornehmlich in der nördlichen, den
ersten Rang ein. Die Magnoliaceen sind durch einige Waldbäume in
Japan und Nord-Amerika vertreten, nur die verbreitete Drimys Winteri
erreicht das australe Amerika. Die Lauraceen überschreiten beide
Wendekreise und bilden wichtige Bestandtheile der warmtemperirten
Gehölze, dagegen sind sie in den kalttemperirten nur durch ein paar
Arten vertreten (Laurus Sassafras in Nord- Amerika).
Die Rhoeadinen sind, mit Ausnahme der Capparidaceen, in
überwiegender Mehrzahl mesotherm und namentlich durch Cruciferen
in beiden temperirten Zonen reich vertreten. Die Papaveraceen und
Fumariaceen sind beinahe ausschliesslich nordtemperirt , die Cappa-
ridaceen auf die trockenen Gebiete der warmen Gürtel beschränkt und
die wenigen Resedaceen vorwiegend mediterran.
Von den Familien der Cistifloren sind die Cistaceen mesotherm
und vorwiegend Bewohner der Mediterranländer, die Violaceen in
beiden temperirten Zonen vertreten, die vorwiegend tropischen Tern-
stroemiaceen erreichen ihre Nordgrenze in China und Japan (Cameilia),
die Tamaricaceen 'bewohnen hauptsächlich die Mediterranländer und
centralasiatischen Wüsten.
Die für sich allein die Ordnung der Opuntinen bildende
amerikanische Familie der Cactaceen ist nicht bloss zwischen den
Wendekreisen, sondern auch in den warmtemperirten Gürteln reich
I. Allgemeine Charakteristik der temperirten Klimate und ihrer Wirkungen. 455
vertreten und für die Wüstenfloren namentlich Nord-Amerika's von
hervorragender physiognomischer Bedeutung.
Die temperirten Columniferen gehören vornehmlich zu den
Malvaceen, welche in strauchigen und krautigen Formen sowohl austral
wie boreal vorkommen. Die einzige grössere Tiliaceen-Gattung ausser-
halb der Tropen ist Tilia; ihre Arten sind Waldbäume der nord-
temperirten Zone. Die ganz vorwiegend tropischen Sterculiaceen sind
durch die Lasiopetaleen im temperirten Australien vertreten.
Die Gruinalen besitzen, obwohl der Mehrzahl nach mesotherm,
für die Zusammensetzung der Pflanzendecke nur untergeordnete Be-
deutung, mit Ausnahme der Geraniaceen, die in beiden Hemisphären,
ganz besonders aber am Kap (Pelargonium) zahlreiche Arten aufweisen.
Die übrigen temperirten Gruinalen gehören zu den Linaceen, Oxalida-
ceen, Balsaminaceen und den auf das Kapland beschränkten Treman-
draceen.
Die Terebinthinen sind mit wenigen Ausnahmen wärme-
bedürftig und daher, in ihren mesothermen Formen, auf die Gürtel der
milden Winter beschränkt, wo sie trockene Gebiete in grosser Zahl
bewohnen. Die Zygophyllaceen sind vornehmlich Halophyten der
Wüstengebiete beider Hemisphären, die Rutaceen sind, namentlich als
Sträucher, Hauptbestandtheile xerophiler Gehölze, namentlich in Süd-
Afrika und Australien. Die vorwiegend tropischen Anacardiaceen
spielen eine ähnliche Rolle wie die Rutaceen, sie sind aber namentlich
für die Mediterranflora wichtig (Pistacia, Rhus, letztere Gattung auch
nordamerikanisch und ostasiatisch).
Die Aesculinen sind durch baumartige Acer- Arten in den nord-
temperirten Wäldern, namentlich denjenigen Nord-Amerika's, China's
und Japan's vertreten. Die Hippocastanaceen sind ebenfalls vor-
wiegend nordamerikanisch, Aesculus Hippocastanum ist jedoch von
Griechenland bis nach Nordindien verbreitet. Sapindaceen sind nur
wenige vorhanden.
Die Frangulinen steuern namentlich zu der Strauchvegetation
beider temperirten Zonen zahlreiche Arten bei, z. B. hauptsächlich in
Amerika, Hex -Arten (Aquifoliaceen) , ferner verschiedene Celastraceen,
wie Evonymus -Arten in der nördlichen Zone, Gymnosporia- Arten in
Süd-Afrika, endlich zahlreiche, namentlich zu den Gattungen Rhamnus
(Europa, Nord- Asien), Phylica (Kapland), Ceanothus (Kalifornien) ge-
hörende Rhamnaceen. Die vorwiegend tropischen Vitaceen sind meist
als Lianen, aber auch in abweichenden Formen in den warmen tem-
perirten Gürteln vertreten. Vitis vinifera ist in den Mittelmeerländern,
die meisten anderen Vitis-Arten sind in Nord-Amerika heimisch.
Trikokken: Die Euphorbiaceen haben für die temperirten Floren
nicht eine gleich hohe Bedeutung wie für die tropischen; doch haben
456 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
einige ihrer Arten, namentlich solche der Gattung Euphorbia, grosse
Verbreitung in den verschiedensten Formationen. Buxus sempervirens
(Mediterranländer, atlant. Europa) und Empetrum nigrum (nördl. temp.
und polare Zone) sind die hauptsächlichen Vertreter der Buxaceen
und Empetraceen.
Die Thymela einen (Thymelaeaceen , Penaeaceen, Proteaceen)
sind ganz vorwiegend mesotherm, aber ihrer Hauptmasse nach an die
wärmeren Gürtel gebunden. Ihre Hauptverbreitung haben sie in den
trockenen Gebieten des Kaplands und Australiens.
Umbellifloren: Die Umbelliferen sind beinahe ausschliesslich
mesotherm und liefern einen Hauptbestandtheil der Flora in der nörd-
lichen und der südlichen temperirten Zone, namentlich in den Grasflur-
formationen. Von den drei Unterfamilien, in welche Drude die Um-
belliferen eingetheilt hat, sind nach ihm die Hydrocotyloideae austrat,
die Saniculoideae austral und boreal vermischt, die Apioideae in der
Hauptmasse ihrer Gattungen boreal. Die Araliaceen sind zum grossen
Theile makrotherm, jedoch noch in den wärmeren Gebieten jenseits
der Wendekreise reich vertreten. Europa besitzt nur eine Art, Hedera
Helix. Die kleine Familie der Cornaceen ist beinahe ausschliesslich
nordtemperirt.
Unter den Saxi fraginen sind die Crassulaceen vorwiegend Be-
wohner trockener, warmer Gebiete und im Kapland am stärksten ent-
wickelt. Die wenig homogenen Saxifragaceen sind durch ungleiche
Formenkreise in beiden temperirten Zonen vertreten, ebenso die
Hamamelidaceen. Einige verwandte Familien (Cunoniaceen, Bruniaceen,
Pittosporaceen) sind vornehmlich in der südlichen Zone heimisch.
Rosifloren: Die Rosaceen sind beinahe ausschliesslich meso-
therm und ein wichtiger Bestandtheil namentlich der nordtemperirten
Flora; die südliche temperirte Zone besitzt nur wenige, allerdings
theilweise artenreiche Gattungen (Acaena in Süd- Amerika, Cliffortia am
Kap). Die Rosen, die Prunoideen und Pomoideen sind ausschliesslich
boreal.
Von den drei Familien der Leguminosen haben die Papiliona-
ceen bei weitem die grösste Bedeutung für die temperirten Zonen ; sie
sind in denselben überall und in den verschiedensten Formationen
reich vertreten. Die Mimosaceen sind auf die warmtemperirten Gürtel
beschränkt und für die xerophilen Gehölze namentlich Süd-Afrika's,
Australiens (Acacia) und Argentiniens (Mimosa) von hervorragender
Bedeutung. Nur wenige Caesalpiniaceen überschreiten die Wendekreise
(Cercis, Ceratonia Siliqua, Gleditschia).
Unter den Myrtifloren nehmen die Myrtaceen in den tem-
perirten Zonen wie in den tropischen den ersten Rang ein; sie sind
auf die wintermilden Gürtel beschränkt und spielen nur in Australien
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458 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
eine hervorragende Rolle (z. B. Eucalyptus). Die Onagraceen sind
namentlich westamerikanisch (z. B. Fuchsia) und die Lythraceen, ob-
wohl überall vertreten, nirgends maassgebend. Punica bewohnt das
westliche warmtemperirte Asien.
Die Hysterophyten sind für die temperirten Floren noch un-
wichtiger als für die tropischen. Sie sind auf wenige Aristolochiaceen,
Santalaceen und Loranthaceen und ganz vereinzelte Rafflesiaceen und
Balanophoraceen beschränkt.
Die Ericaceen besitzen in Calluna vulgaris und verschiedenen
Eriken gesellig wachsende Arten, welche die namentlich im nördlichen
kalttemperirten Gürtel ausgedehnten , Heiden genannten Gesträuch-
formationen bilden. Die meisten Arten von Erica sind jedoch kap-
ländisch. Auch Nordamerika ist sehr reich an Ericaceen. Die Epacri-
daceen sind charakteristische Bestandtheile der südlichen temperirten
Zone, namentlich Australiens und fehlen in der nördlichen durchaus.
Von den drei Familien der Primulinen fehlen die Myrsinaceen
in den temperirten Zonen vollständig, während die rein mesotherme
Familie der Primulaceen zahlreiche Arten aufweist und diejenige der
Plumbaginaceen eine Hauptrolle in Steppen und Wüsten mit salzreichem
Boden, ausserdem auch auf dem Meeresstrande spielt. Beide Familien
sind vorwiegend boreal.
Die Contorten besitzen einen beinahe rein mesothermen Formen-
kreis in den Gentianaceen, welche, durch Arten von Gentiana vertreten,
beide temperirte Zonen bewohnen und einen vorwiegend mesothermen
in den Oleaceen, deren Heimath vorwiegend die ostasiatischen und
nordamerikanischen Waldgebiete sind. Die in den Tropen formen-
reichen Familien der Asclepiadaceen und Apocynaceen treten in den
temperirten Zonen sehr zurück, die Loganiaceen fehlen beinahe gänzlich.
Die Tubifloren sind in ihren Familien der Boraginaceen (mit
Ausschluss der Cordiaceen), der Polemoniaceen und Hydrophyllaceen
ganz vorwiegend Bewohner der temperirten Breiten, die beiden letzten
vorwiegend in Amerika. Die Convolvulaceen sind weniger zahlreich
als in den Tropen.
Die Scrophulariaceen stellen den vorwiegend mesothermen Formen-
kreis unter den Personaten dar und sind in beiden temperirten
Zonen reich vertreten, während die Solanaceen viel weniger zahl-
reich sind als in den Tropen. Die kleineren Familien der Orobancha-
ceen, Utriculariaceen , Plantaginaceen kommen wenig, die beinahe rein
makrothermen , grossen Formenkreise der Bignoniaceen, Gesneraceen,
Acanthaceen noch weniger in Betracht.
Von den beiden Familien der Labiatifloren ist diejenige der Ver-
benaceen vorwiegend makrotherm und nur für die warmtemperirten
Gürtel von einiger Bedeutung, während die Labiaten hauptsächlich
Literatur. 450
mesotherm sind und in zahlreichen, theilweise sehr häufigen Arten auf-
treten. Besonders weisen sie in den Mediterranländern eine reiche
Entwicklung auf.
Rubiinen: Die in den Tropen mächtig entwickelte Familie der
Rubiaceen tritt in den temperirten Zonen ganz zurück und ihre Formen
sind ganz vorwiegend krautig. Die viel kleineren Familien der Caprifolia-
ceen und Valerianaceen sind zwar beinahe rein boreal-mesotherm, aber
nirgends wichtige Bestandtheile der Pflanzendecke.
Die Compositen spielen in den temperirten Floren eine mindestens
ebenso grosse Rolle wie in den Tropen; auch hier bevorzugen sie die
Grasflurgebiete. Ihre Unterfamilien bewohnen theilweise beide Zonen,
theilweise ausschliesslich oder hauptsächlich die eine. So sind die
Ligulifloren und die Cynareen vorwiegend boreal, die Labiatifloren
austral, letztere nahezu auf Amerika beschränkt. Die beiden anderen
Familien der Aggregaten sind mesotherm und zwar die Dipsacaceen
vorwiegend nordtemperirt, die Calyceraceen südamerikanisch.
Literatur.
Die klimatischen Angaben stützen sich vornehmlich auf Hann's Hand-
buch der Meteorologie, 2. Aufl. 1897, und dessen Atlas der Meteorologie,
1887, auch auf Woeikof, Die Klimate der Erde, Jena 1887. Die Angaben
über geographische Verbreitung der mesothermen Formenkreise sind den
Natürlichen Pflanzenfamilien von Eng ler und Prantl entnommen.
IL Die periodischen Erscheinungen in den
temperirten Zonen.
Einleitung. — 1. Stoff- und Kraftweohsel der mesothermen PfLansen in
verschiedenen Jahreszeiten« § i. Die Periodicität beim Kirschbaum. Aeusser-
lich sichtbare Vorgange. Entwickelung der Blüthenknospen beim Kirschbaum. Grosse
Periode und Temperatur. Ruhezeit und Temperatur. Die Kohlehydrate in den activen und
in den ruhenden Perioden. Wirkungen der Temperatur auf Lösung und Regeneration der Stärke.
— § 2. Stärkebäume und Fettbäume. Ursachen von Entstehung und Verschwinden
des Fettes. — § 3. Theorie des Forcirens. Die beiden Zustände des Protoplasma.
Der ruhende Zustand durch niedere Temperaturen verlängert Unterdrückung der Ver-
längerung. Ökologisches Temperaturoptimum in der activen Periode mit den natürlichen
Temperaturen im Einklang. — § 4. Periodicität krautiger Gewächse. Das Sass-
werden der Kartoffel. — § 5. Kälte und Trockenheit. Aehnliche Wirkungen von
Winter und Trockenzeit. 2. Periodische Vegetationsbüder. § 1. Allgemeines.
Winterliche Erscheinungen. Winterblüthler in Japan. Kälte und Blüthenentwickelung. —
§ 2. Periodische Erscheinungen in den südlichen temperirten Zonen.
Chile. Kapland. Südaustralien.
Schon in geringer Entfernung der Wendekreise, ja, stellenweise,
z. B. in Süd -China, noch innerhalb derselben, macht der periodische
Wechsel der Temperatur seinen Einfluss auf denjenigen der Vegetation
geltend. Bei sonst gleich günstigen Verhältnissen der Feuchtigkeit ist
eine Verlangsamung in den Erscheinungen des Pflanzenlebens unver-
kennbar und die Blüthezeiten zeigen einen unzertrennbaren Zusammen-
hang mit der Abwechselung kalter und warmer Jahreszeiten. Besonders
deutlich zeigt sich solche Abhängigkeit bei Pflanzen, die aus höheren
in niedrigere Zonen verpflanzt worden sind. So verhalten sich die
periodischen Erscheinungen unserer Laubbäume in Madeira, wo die
Mitteltemperatur des kältesten Monats (Januar) 150, die des wärmsten
(August) 22,2° beträgt, in Bezug auf ihre periodischen Erscheinungen
ähnlich wie in der Heimath und Viola odorata erzeugt in St. Catharina
(Süd-Brasilien) ihre Insektenblüthen von März bis December, im Hoch-
sommer aber meist nur kleistogamische Blüthen (Fr. Müller).
IL Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen. 46 1
Je niedriger die Wintertemperaturen werden, desto grösser wird
natürlich der Unterschied der Vegetation in der kalten und der heissen
Jahreszeit, namentlich bei feuchtem Sommerklima. In Gebieten mit
trockenem Sommer, z. B. in den Steppen, noch mehr aber in den
Wüsten, kommt neben dem Unterschied der Temperatur derjenige der
Feuchtigkeit wesentlich zur Geltung.
Die nachfolgenden Erörterungen beziehen sich hauptsächlich auf
den kühlen Gürtel der nördlichen temperirten Zone, da es für den war-
men oder subtropischen Gürtel derselben bis jetzt an genaueren physio-
logischen Untersuchungen fehlt; übrigens handelt es sich gewiss auch
dort um die gleichen Erscheinungen wie weiter nördlich, nur in weniger
ausgeprägter Form.
1. Stoff- und Kraftwechsel der mesothermen Pflanzen
in verschiedenen Jahreszeiten.
§ 1. Die Periodicitat beim Kirschbaum. Von einer Schilderung
der auch ohne genauere Untersuchung wohl sichtbaren periodischen
Erscheinungen, wie Belaubung und Entlaubung, Blüthenentfaltung und
Fruchtreife soll hier, da es sich um allgemein bekanntes handelt, ab-
gesehen werden. Hingegen hat man erst in neuester Zeit, durch An-
wendung des physiologischen Experiments und des Mikroskops be-
gonnen, eine tiefere Einsicht in diese Vorgänge zu gewinnen und
damit den Weg zu einer Erklärung derselben anzubahnen. Eine ein-
gehendere Berücksichtigung dieser Untersuchungen an dieser Stelle
wird hoffentlich zur Veranstaltung ähnlicher Beobachtungen und Ex-
perimente in anderen Klimaten die Anregung geben.
Die periodischen Erscheinungen im kühltemperirten Klima scheinen
in der ganzen Pflanzenwelt, abgesehen von den Annuellen und den
wenigen immerblühenden Gewächsen, im Ganzen einen ähnlichen Ver-
lauf zu nehmen. Doch zeigen sich in Einzelheiten mannigfache Unter-
schiede, so dass es sich empfiehlt, zunächst ein bestimmtes Beispiel
ins Auge zu fassen. Die Süsskirsche, Prunus avium, erscheint dazu
besonders geeignet, indem sie von verschiedenen Autoren, namentlich
von Askenasy und A. Fischer, eingehend untersucht, von anderen
wenigstens berücksichtigt wurde und ausserdem als Typus für die
Mehrzahl unserer Laubbäume gelten kann.
Die active und die ruhende Jahresperiode des Kirschbaums um-
fassen, bei oberflächlicher Betrachtung, in Süd- und Mitteldeutschland
je etwa 6 Monate, indem die erstere ungefähr von Mitte April bis
Mitte October, letztere während des Restes des Jahres dauert. Während
der Ruheperiode sind die Zweige entlaubt und tragen nur beschuppte
J.Ö2 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Knospen, welche, wie nachher gezeigt werden soll, beinahe stets in
Wachsthum begriffen sind. Allerdings ist letzteres meist ein äusserst
langsames und wird erst gegen Ende der Ruheperiode ohne genaue
Messung als Schwellung bemerkbar.
Die auffalligsten Zeitpunkte während der activen Periode sind,
für die reproductive Sphäre, die Blüthezeit im April oder Mai und die
Fruchtreife im Juni oder Juli. Die äusserlich sichtbaren vegetativen
Erscheinungen *) zerfallen in eine Periode des Wachsthums der Laub-
knospen (April — Mai), eine solche der Assimilation, während welcher Axen
und Wurzeln in die Dicke wachsen *) und die Winterknospen ausgebildet
werden (Mai — September), endlich in eine Periode der Verlangsamung und
des Verfalls, die in dem herbstlichen Laubfalle ihren Abschluss findet
Unter allen diesen Erscheinungen hat sich die Entwickelung der
Knospen, speciell diejenige der Blüthenknospen, als am besten geeignet
erwiesen, die periodischen Erscheinungen in ihren einzelnen Momenten
kennen zu lernen.
Nach Askenasy, welcher die erste gründliche Untersuchung dieser
Verhältnisse ausführte, zerfallt die Entwickelung der Blüthenknospen
des Kirschbaums in zwei Perioden, die durch eine Periode der Ruhe
oder besser des äusserst schwachen Wachsthums getrennt sind. Die
Ruheperiode dauert in Heidelberg etwa von Ende October bis Anfang
Februar, also ungefähr ixf% Monate; sie ist demnach bedeutend kürzer
als die durch die auffallenderen Erscheinungen des Laubfalls und der
Knospenentfaltung begrenzte Periode, die gewöhnlich als Ruheperiode
bezeichnet wird.
Die nächstjährigen Knospen werden bereits zur Blüthezeit, die
Blüthen im Laufe des Juli angelegt. Die Zunahme der Knospen in
der ersten Wachsthumsperiode, d. h. während des Sommers und Früh-
herbstes bis zum Eintritt in die Ruheperiode, wo sie beinahe null
wird, ist eine sehr langsame und gleichmässige.
Zu Beginn der zweiten oder frühjährlichen Wachsthumsperiode ist
die Zunahme anfangs noch langsam, sie wird aber allmählich schneller,
schliesslich so schnell, dass die Blüthenknospen, gegen das Ende ihrer
Entwickelung, in 6 — 10 Tagen um das Doppelte bis Dreifache ihres
Frischgewichtes zunehmen. Das Wachsthum wird bis kurz vor Er-
reichung des fertigen Zustandes ununterbrochen beschleunigt, unmittelbar
vor dem Schlüsse jedoch verlangsamt. Die ganze Entwickelung stellt
demnach ein ausgezeichnetes Beispiel der Sachs'schen grossen Wachs-
thumsperiode dar.
l) Askenasy, 1. c.
*) Die Wurzeln setzen nach Mohl ihr Dickenwachsthum, wenn auch sehr abgeschwicht
im Winter fort.
II. Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen. 463
Wasser ist an der Zunahme der Knospen natürlich mehr betheiligt
als Trockensubstanz. Vom Gesammtgewicht frisch aufgeblühter Knospen
kommen 7/8 auf Rechnung des frühjährlichen , 1/8 auf Rechnung der
sommerlichen Wachsthumsperiode. Die Trockengewichte hingegen
verhalten sich wie 8/4 und 1/4. Einhundert Knospen nehmen während
der Frühjahrsperiode um 6 Gr. Trockengewicht zu. Besitzt der Baum
200000 Blüthenknospen — eine meist zu niedrig gegriffene Schätzung
— so ist zu deren Ausbildung 12 Kilogramm Trockensubstanz noth-
wendig.
Die durch ihre plötzliche scharfe Steigerung ausgezeichnete Wachs-
thumscurve der Kirschenblüthe ist nur zeitweise und dann auch nur
bis zu einem gewissen Grade von der Temperatur abhängig. Ein Ein-
fluss der letzteren ist während der Sommerperiode nicht nachweisbar,
aber auch während der Frühjahrsperiode vermögen Schwan-
kungen der Temperatur den Verlauf der Wachsthumscurve
nicht zu ändern. In anderen Worten, wenn die Februartemperatur
höher ist, als die des März, so wird das Wachsthum im März doch
energischer sein als im Februar und mit zunehmender Schnelligkeit
vor sich gehen. Vergleicht man jedoch mehrere Jahrgänge mit einander,
so kommt der Einfluss der Temperatur sehr deutlich zum Vorschein,
indem die Curve in einem nassen Frühjahr steiler ist und früher zur
Blüthezeit fuhrt, als in einem kalten. Allerdings hat Askenasy mit sehr
niedrigen Temperaturen, wie sie im März nicht selten sind, nicht ge-
rechnet; welchen Verlauf die grosse Periode annimmt, wenn im Früh-
jahr leichtes Frostwetter auftritt — starker Frost tödtet bekanntlich die
wachsenden Knospen — bleibt zu untersuchen.
Noch auffallender als in den Erscheinungen der grossen
Periode zeigt sich das Ueberwiegen innerer Eigenschaften
über die Wirkungen der Temperatur in dem Umstände, dass
eine Erhöhung der letzteren im Oktober die Ruheknospen
nicht zur Wiederentwicklung veranlasst, während sie es von
Ende November an thut und sich um so wirksamer zeigt, als
bei Beginn des Versuchs das Ende der normalen Ruhezeit
näher war. Die Erscheinung lässt sich nicht auf inzwischen statt-
gehabtes Wachsthum zurückfuhren, denn die Gewichtszunahme der
Knospen von Anfang Oktober bis Ende November ist kaum merklich
und die Stiele der Knospen verbleiben anscheinend auf der gleichen
Stufe der Entwickelung.
Zur Illustrirung des eben Gesagten sei nach Askenasy folgende
kleine Tabelle über das Treiben von Kirschbaumzweigen mitgetheilt,
in welcher allerdings, weil der Versuch erst im December begonnen
wurde, frühe Daten fehlen.
464 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Datum des
Erste
Anzahl
Einsteilens im Warmhause
geöffnete Bltithe
der verflossenen Tage
14. December
10. Januar
27
10. Januar
28. Januar
18
2. Februar
19. Februar
17
2. März
14. März
12
11. März
21. — 22. März
«V.
23. März
31. März
8
3. April
8. April
5
Der äusseren, in den Wachsthumserscheinungen zum Vorschein treten-
den Periodicität entspricht im Innern eine solche der Stoffwechsel Vorgänge.1)
Vom Augenblicke an, wo die Laubblätter ausgewachsen sind bis zum
herbstlichen Laubfalle, fliesst ein ununterbrochener Strom von Assimi-
laten aus den grünen Zellen in die Aeste und den Stamm herab. Die
stickstofffreien Assimilate, die wir allein berücksichtigen, weil die stick-
stoffhaltigen zu wenig bekannt sind, wandern in Form der leicht dif-
fundirbaren Glycose; unterwegs wird dieselbe allerdings zeitweise in
Stärke (transitorische Stärke) umgewandelt.
Die Bahn dieses Glycosestroms ist überall die gleiche. Sie ist in
den Blättern durch die langgestreckten Parenchymzellen der Nerven
und des Stiels (Leitscheide) gekennzeichnet und ist in den Axen auf
das Parenchym der Rinde beschränkt. Aus der Rinde dringt der Strom
in horizontaler Richtung in das Holz hinein, wo die Parenchymzellen
sich allmählich mit Stärke füllen, während die Gefässe die von ihnen
aufgenommene Glycose als solche bewahren. Eine Abwärtsbewegung
der Assimilate im Holze findet nicht statt.
Der Beginn des Laubfalls bezeichnet für den Baum den
Zeitpunkt, in welchem er die grösste Menge Assimilate ent-
hält (Herbstmaximum). Von nun an, bis zum Beginn der nächsten
Vegetationszeit wird eine fortdauernde, zunächst langsame, schliesslich
sehr schnelle Abnahme derselben stattfinden.
Gleich nach Erreichen ihres Herbstmaximum, welches speciell auch
dasjenige der Stärke ist (herbstliches Stärkemaximum) zeigen die
Assimilate der Axen folgende Vertheilung: Das Parenchym der Rinde,
namentlich in den Markstrahlen, ist reich an Stärke und Glycose. Das
Cambium entbehrt beider. Das Holz enthält viel Stärke, aber keine
Glycose in seinen lebenden Zellen, viel Glycose, aber keine Stärke in
den Gefässen. Die Markgrenze ist reich an beiden Stoffen, dagegen
befinden sich solche im Mark nur stellenweise.
Kurz nach dem Laubfalle verschwindet die Stärke in der Rinde
gänzlich, indem sie theils in Glycose und etwas Fett, theils in noch
unbekannte Körper (Zuckerarten) umgewandelt wird. Das Holz ist
*) Alf. Fischer 1. c.
II. Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen. 465
etwas weniger reich an Glycose als im Sommer, zeigt aber keine merk-
liche Abnahme seines Stärkegehalts.
Die Knospen enthalten zur Zeit des Stärkemaximum keine Glycose,
dagegen in den Schuppen und noch mehr im Mark reichlich Stärke.
Die embryonalen Organe sind frei von Stärke und Glycose.
Gegen Schluss des Winters, noch bevor äusserlich sichtbare Ver-
änderungen den Beginn der Vegetationszeit anzeigen, beginnt es sich
im Innern des Baumes zu regen. Die stärkefreie Rinde füllt sich wieder
mit Stärke an und zwar natürlich auf Kosten der Glycose und der im Herbst
entstandenen unbekannten Körper (frühjährliches Stärkemaximum).
Dieser Zustand ist von kurzer Dauer. Die Stärke wird wieder theil-
weise in Glycose umgewandelt und diese fliesst den Gefässen zu. In
den letzteren setzt sich der Saftstrom jetzt in Bewegung und versieht
die wasser- und nährstoffarmen Knospen mit Wasser und Glycose.
Auch in den Knospen haben während des Winterschlafs Bewegungen
der Reservestoffe stattgefunden. Die Stärke hat das Mark, wo sie an-
fangs so reichlich vorhanden gewesen , verlassen und ist nun in den
embryonalen Blättern und Blüthen, wo sie bisher fehlte, angehäuft. Sie
stellt einen Reservestoff dar und reicht für die ersten Stadien der
Knospenentfaltung, nämlich bis zum Schluss der Schwellungsperiode
eben aus. Das später stattfindende rasche und ergiebige Wachs-
thum geschieht, bis zur Erreichung des fertigen Zustandes, auf Kosten
der durch die Gefässe aus den Aesten und dem Stamme zugeführten
Glycose.
Die Entfaltung der Knospen beansprucht einen beträchtlichen Theil
der in den Axen aufgespeicherten Kohlehydrate. Namentlich weist die
Stärke, welche unmittelbar vorher so reichlich vorhanden war, eine ge-
waltige Abnahme, welche allerdings zum Theile auf die Umwandlung
in nicht verbrauchte Glycose zurückzuführen ist. Dieses Frühjahrs-
minimum der Kohlehydrate, speciell der Stärke, ist von kurzer Dauer,
indem recht bald neue Mengen von Assimilaten durch die Thätigkeit
der jungen Blätter erzeugt und den Reservespeichern zugeführt werden.
Damit beginnt die Ansammlung, welche im Herbstmaximum gipfeln wird.
Es sind im Vorhergehenden Vorgänge des Stoffwechsels geschildert
worden, die sich zumTheile in der Ruheperiode, während
der kühlen und kalten Jahreszeiten abspielen. Es fragt
sich in wiefern dieselben von der Temperatur1) direkt abhängig oder
durch innere erbliche Eigenschaften bedingt sind. Das Experiment
zeigt, dass beide Ursachen dabei mitwirken.
Das Schwinden der Stärke in der Rinde am Anfang des Winters
ist eine unmittelbare Wirkung niederer Temperaturen, denn es unter-
l) Vgl. S. 54.
Seh im per, Pflanzengeographie. 30
466 Zweiter Abschnitt: Die temperirteo Zonen.
bleibt in Baumzweigen, die während der betreffenden Zeit höheren
Temperaturen, im Zimmer oder im Gewächshaus ausgesetzt sind. Die
Regeneration der Stärke ist ebenfalls eine Function der Temperatur,
denn sie stellt sich bei hinreichender Höhe derselben (Minimum 4- 5 ° C,
Optimum 25 — 30 °) schon nach wenigen Stunden ein und zwar sogar
in den kleinsten Rindenstücken, soweit dieselben nur unversehrte Zellen
besitzen. Abkühlung solcher Aeste, in welchen die Regeneration der
Stärke stattgefunden hat, bis auf -f- 2° C. herab, bedingt abermaliges
Schwinden der Stärke.
Der Zusammenhang zwischen den eben geschilderten
Erscheinungen und der Temperatur ist einleuchtend,
doch ist letztere nicht allein maassgebend, denn die
Stärke müsste sonst auch im Sommer bei künstlicher
Herabsetzung der Temperatur aufgelöst werden. Dieses
ist aber nicht der Fall.
§ 2. Stärkebäume und Fettbäume. Die Holzgewächse der kühlen
temperirten Zonen verhalten sich sämmtlich, soweit bekannt, in den
Hauptzügen dem Kirschbaume ähnlich. Im Einzelnen jedoch zeigen
sich manche Abweichungen. Abgesehen von allgemein bekannten
äusseren Unterschieden der Periodicität, ist auf Grund des winterlichen
Zustandes, seit den Untersuchungen Russow's, eine Gruppe der Stärke-
bäume und eine solche der Fettbäume aufgestellt worden. In der
ersten, zu welcher vornehmlich hartholzige Bäume, u. a. auch der
Kirschbaum gehören, wird am Beginn des Winters nur sehr wenig Fett
auf Kosten der Stärke erzeugt, die sich in der Rinde in Glycose und
unbekannte Körper umwandelt, im Holze aber unverändert bleibt In
der Gruppe der Fettbäume, die namentlich weichholzige Arten, wie
Nadelhölzer, Birken und Linden umfasst, wird die gesammte
Stärke der Rinde und des Holzes in Fett umgewandelt
und dieser Zustand dauert bis zum Frühjahr, wo Regeneration der
Stärke aus dem Fette stattfindet.
Die Fettbildung aus Stärke und die Stärkebildung aus Fett sind,
ebenso wie die eben geschilderten Metamorphosen in der Rinde des
Kirschbaums, einerseits an innere, nur während der Ruhezeit vorhandene
Eigenschaften gebunden, andererseits von der Temperatur abhängig.
Fettbildung bleibt in der Wärme aus und etwa vorhandenes Fett wird
in Stärke umgewandelt.
§ 3. Theorie des Forcirens. Das Plasma der Gewächse
temperirter Zonen besitzt zwei Zustände, einen activen
und einen ruhenden, deren regelmässige periodische
Abwechselung, wie in den Tropen, durch innere, erb-
liche Eigenschaften bedingt ist und die sich unter
Anderem durch ungleiches Verhalten der Temperatur
II. Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen. 467
gegenüber unterscheiden. Durch höhere Temperatur
werden im activen Plasma Reize ausgelöst, die zu
Wachsthumsvorgängen führen, während niedere Wärme-
grade einen allgemeinen Stillstand des Wachsthums zur
Folge haben. Der ruhende Zustand wird auch nicht durch
Optimaltemperaturen zu Wachsthumserscheinungen an-
geregt, dagegen reagirt er auf Tempera turwechsel durch
Stoffmetamorphosen, die zum Theil durch niedere, zum
Theil durch höhere Wärmegrade ausgelöst werden.
Der ruhende Zustand des Plasma ist von viel kürzerer Dauer als
der active und erstreckt sich keineswegs auf die ganze normale Ruhe-
periode, welche vielmehr, in ihrem zweiten und grösseren Theil, eine
direkte Folge der niederen Temperatur darstellt und dementsprechend
durch Temperaturerhöhung um diesen Theil abgekürzt werden kann.
Das Treiben oder Forciren der Gewächse beruht auf diesem Um-
stände. Der erste Theil der Ruheperiode dagegen, der beim Kirsch-
baum von Mitte October bis Ende November, bei anderen Holz-
gewächsen aber manchmal kürzer ist (z. B. Forsythia viridissima) oder
länger (Fagus silvatica etc.) dauert, ist ausschliesslich durch innere
Eigenschaften bedingt und weicht keiner Erhöhung der Temperatur.
Es ist vollkommen nutzlos und sogar schädlich, das Treiben vor dem
Ende dieser nothwendigen Ruheperiode beginnen zu wollen; die
Knospen verharren auch bei günstigster Temperatur im winterlichen
Stadium. Der Uebergang aus dem einen Zustande in den anderen ist
ein langsamer und das Treiben geht dementsprechend um so schneller
vor sich, als die Umwandlung des ruhenden Plasma in actives der
Vollendung näher war. Letztere wird durch niedere Temperaturen be-
schleunigt.
Die durch die Gärtnerei zu rein praktischen Zwecken ausgeführten,
aber desswegen nicht minder verwerthbaren Experimente über be-
schleunigte Entwickelung (Forciren) namentlich der obsttragenden
Hölzer erweisen aufs Klarste das Vorhandensein einer von äusseren
Einflüssen unabhängigen Ruheperiode. Sie haben aber ausserdem die
Optimaltemperaturen für die Entwickelung der Blüthen und Früchte
temperirter Bäume festgestellt und damit, allerdings ohne die verdiente
Berücksichtigung zu finden, einem Wust falscher Vorstellungen über den
Zusammenhang zwischen Temperatur und Periodicität den Garaus gemacht.
Die meisten Obstbäume sind erst nach einigen, den Uebergang
zum activen Zustand beschleunigenden, Frösten zum Treiben geeignet,
so dass letzteres z. B. für den Pfirsichbaum erst im Januar in Angriff
genommen werden kann, während es in Belgien von November an ge-
lingt. Dagegen wird der Weinstock schon durch Temperaturen etwas
oberhalb des Nullpunkts in den treibfähigen Zustand versetzt.
30*
468 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Die Temperatur darf zu Anfang des Forcirens keineswegs eine
hohe sein, sondern zunächst + 6° bis 8° C. nicht überschreiten. Sie
wird allmählich erhöht, jedoch niemals wesentlich über die in der Natur
während der entsprechenden Entwickelungsstadien herrschenden Grade.
Höhere Temperaturen bedingen abnorme Erscheinungen, wie Ueber-
verlängerung, mangelhafte Holzbildung, Verkümmerung der Blüthen etc.
Namentlich müssen während der Blüthezeit und, bei den Steinfrüchten,
während der Ausbildung des Steins die Temperaturen niedrig gehalten
werden, da sonst Ablösen der Blüthen, bezw. der jungen Früchte statt-
findet. Das Heranwachsen der Früchte beansprucht im Uebrigen
höhere Temperaturen als die Entwickelung der Blüthenknospen , doch
sind bei den Spätherbstfrüchten (Weintrauben) massige Temperaturen
zuletzt wieder erforderlich.
Die Nachttemperaturen sind um 2 — 40 niedriger als die Tages-
temperaturen zu halten, da Vergeilungserscheinungen sonst eintreten.
Es geht aus den eben erwähnten und aus anderen Erscheinungen
hervor, dass die Optimaltemperaturen der Vorgänge des Längenwachs-
thums oberhalb derjenigen anderer Vorgänge (Blüthenbildung , Holz-
entwickelung etc.) liegen, sodass höhere Temperaturen die ersteren auf
Kosten der letzteren begünstigen. Dem entsprechen die Erfahrungen bei
den Culturen temperirter Holzgewächse in wärmeren Zonen vollständig;
auch hier wird das Wachsthum stark beschleunigt.1) Das Licht wirkt ver-
langsamend auf das Wachsthum und es ist wohl diesem Umstände zu-
zuschreiben, dass die getriebenen Pflanzen am Tage und bei Sonnen-
schein höhere Temperaturen ertragen als in der Nacht oder bei
bewölktem Himmel.
Die Gesammtheit der Erfahrungen der Praktiker läuft darauf hinaus,
dass die in der Natur während der Vegetationszeit herrschenden Tempe-
raturgrade für unsere Obstbäume ungefähr dem Optimum der Blüthen-
und Fruchtbildung sowie der Holzbildung entsprechen, aber unterhalb
desjenigen der Wachsthumsvorgänge der Laubsprosse. In Folge dessen
beschränkt sich das Forciren im Allgemeinen auf die Aufhebung der
durch die niederen Temperaturen bedingten Theile der Ruheperiode
und einer möglichst genauen Nachahmung der während der verschie-
denen Stufen der normalen Vegetationsperiode herrschenden Tem-
peraturen. Nur bei der Pflaume sind etwas höhere Temperaturen als
die im mitteleuropäischen Frühjahr und Sommer herrschenden der
Blüthen- und Frucht entwickelung günstig, so dass, im Gegensatz zu an-
deren Obstbäumen, die Zeit von der Knospenentfaltung bis zur Frucht-
reife erheblich abgekürzt werden kann.
Die schon an früherer Stelle mitgetheilte Tabelle der zum Treiben des
*) Vgl. S. 56 u. f.
II. Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen. 469
Pfirsichbaums geeigneten Temperaturen (nach Pynaert) möge, ihrer Wichtig-
keit und Uebersichtlichkeit wegen, hier nochmals reproducirt werden.
Periode Tagestemperatur Nachttemperatur
C.
C.
Erste Woche
9— IO°
5-7°
Zweite Woche
IO— 12°
7~ 9°
Dritte Woche
12— 150
9—110
Bis zur Blüthe
15— 18°
11— 140
Blüthe
8—12°
6— io°
Nach der Blüthe
15-18°
11— 140
Bildung des Steines
12— 150
9—110
Nach der Bildung der Steine
16— 190
12-150
Reife
20 22°
15— 17°
Pynaert, S. 129
Was für unsere Obstbäume gilt, gilt gewiss auch von der grossen
Mehrzahl unserer Holzgewächse, sowie von der einheimischen Flora.
In anderen Worten, die Flora der temperirten Zonen befindet
sich während der Vegetationszeit im ökologischen Temperatur-
Optimum, sodass sämmtliche Functionen harmonisch neben-
einander verlaufen. Dementsprechend bedingt, wie bereits an
früherer Stelle gezeigt wurde, das Versetzen in Klimate mit höherer
oder tieferen Temperaturen wenigstens im Anfang unharmonische Stö-
rungen. Später findet bei gewissen Arten Akklimatisation durch
Anpassung an die neuen Temperaturbedingungen statt,1) wenn letztere
von denjenigen der Heimath nicht zu sehr abweichen.
§ 4. Periodicität bei krautigen Gewächsen. Dass die für die
Holzgewächse festgestellten Thatsachen auch für die perennirenden
Kräuter gelten, geht aus allen über dieselben bereits gewonnenen Er-
fahrungen hervor, aus welchen namentlich das Auftreten einer durch
innere Ursachen bedingten Ruheperiode und ähnliche Stoffmetamor-
phosen, wie in Holzpflanzen, sich ergeben.
In sehr wichtigen Arbeiten hat H. Müller-Thurgau die Periodicität der
Kartoffel näher beleuchtet Der bekannte süsse Geschmack gefrorener Kar-
toffeln ist nicht, wie es gewöhnlich angenommen wird, eine Folge des Frostes,
sondern stellt sich bei Temperaturen zwischen o° und +6°C. in Folge der
Umwandlung eines Theils der Stärke in Zucker (Glycose, In vertose) ein.
Müller glaubt die Erscheinung dahin deuten zu dürfen, dass in der Kartoffel
fortwährend Stärkelösung und Stärkebildung vor sich gehen und dass der
letztere Vorgang an höhere Temperaturen gebunden ist als der erstere, so dass
es in der Nähe des Gefrierpunktes zu einer Anhäufung des Zuckers kommt,
der bei höherer Temperatur in Stärke umgewandelt worden wäre. Gegen
diese Deutung spricht der Umstand, dass die Zuckerbildung wesentlich an
*) Ueber Akklimatisation S. 56 u. f.
470 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
die winterliche Periode gebunden ist; in September und October tritt dieselbe
nicht oder doch weit weniger intensiv auf, als später.
Wir haben es vielmehr offenbar mit ganz ähnlichen Erscheinungen zu
thun, wie bei den Holzgewächsen. Auch hier wechseln im Plasma, in Folge
innerer Ursachen, der winterliche und der sommerliche Zustand periodisch mit
einander ab. Während des ersten rufen tiefe Temperaturen zwischen o° und
-j- 6° eine intensive Umwandlung der Stärke in Zucker hervor, während sie in der
letzten nur schwach und erstarrend wirken. Aehnlich wie bei den Holzgewächsen,
wird in hoher Temperatur die Stärke aus ihrem Umwandlungsprodukt, hier
Zucker, regenerirt Die winterliche Zuckerbildung ist für die Weiterentwicke-
lung der Kartoffel nicht nothwendig, wirkt aber auf dieselbe beschleunigend.
Dass die Knospen der Kartoffel sich im Herbste nicht weiter entwickeln,
muss auf anderen Ursachen beruhen. Sachs hat die anziehende Hypothese
aufgestellt, dass es sich dabei und in anderen ähnlichen Fällen um die all-
mähliche Entstehung von Fermenten handeln dürfte; eine experimentelle Prüfung
dieser Vermuthung ist noch nicht versucht wordea1)
§ 5. Kälte und Trockenheit* Kalte Perioden zeigen in ihren
Wirkungen auf die Vegetation unverkennbare Aehnlichkeit
mit trockenen. Dass die Aehnlichkeit nicht scheinbar, sondern in
der Organisation der Pflanze begründet ist, dafür spricht der Umstand
dass beide Factoren die Periodicität oft in ganz ähnlicher Weise be-
einflussen und einander ersetzen können. So wird das Forciren be-
schleunigt, wenn vor Eintritt der Winterkälte das Wasser eine Zeit
lang entzogen wird; die winterliche Ruheperiode tritt dann früher ein
und kommt früher zum Abschluss.9) Andauernde Trockenheit be-
schleunigt den Laubfall unserer winterkahlen Bäume. Die Knospen
der Holzgewächse und Stauden werden während der Trockenzeit eben-
sowenig durch Befeuchtung zur Entfaltung veranlasst, als die Winter-
knospen durch höhere Temperaturen, solange ein bestimmter, durch
innere Ursachen bedingter Zeitpunkt nicht erreicht ist. Die mit Reserve-
stoffen reichlich versehenen Gewächse blühen in den Tropen vornehm-
lich in der Trockenzeit und unmittelbar nach den letzteren, in den
temperirten Zonen vornehmlich im Frühling. Viele Bäume, die normal
nach der kalten Jahreszeit blühen, haben, nach einem trockenen Sommer,
eine zweite schwächere Blüthe etc. Nähere Untersuchungen über den
Stoffwechsel während der durch Trockenheit verursachten Ruheperioden
der Vegetation werden zeigen, in wieweit diesen äusseren Analogieen
solche in den Metamorphosen und Bewegungen der Reservestoffe ent-
sprechen.
J) Vgl. namentlich auch Lidforss, 1. c.
*) Müller -Thurgau II, S. 901. Pynaert S. 263. Nach letzterem ist allerdings das
Resultat nicht ganz sicher.
II. Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen. 471
2. Periodische Vegetationsbilder.
§ 1. Allgemeines. Die mit jeder Jahreszeit wechselnde Buntheit
der Vegetationsbilder ist zum grossen Theil auf die periodischen Er-
scheinungen zurückzufuhren. Die meist in die Augen fallenden Ver-
änderungen in der vegetativen Region zeigen sich bei den Holzgewächsen
mit herbstlichem Laubfalle. Jedoch ist auch das winterliche Gepräge
immergrüner Gewächse in manchen Fällen von dem sommerlichen
nicht unwesentlich verschieden, indem viele Coniferen eine braungelbe,
andere, sowie einige Laubhölzer eine braunrothe Färbung annehmen.
Solcher Farbenwechsel tritt erst in Folge des Frostes ein und ist auf
die dem direkten Sonnenlichte ausgesetzten Blätter beschränkt. Die
Vergilbung beruht auf partieller Zerstörung des Chlorophyllfarbstoffs,
die Rothfärbung wird entweder durch ein rothes Pigment in den Chloro-
phyllkörnern (Thuja, Buxus) oder durch Anthokyan im Zellsafte (Hex,
Hedera, Mahonia etc.) bedingt.1) Manche Pinus-Arten erhalten dadurch
ein characteristisches winterliches Aussehen, dass ihre Nadelbüschel sich,
in Folge nicht näher bekannter physiologischer Ursache, den Zweigen
andrücken.
Im Gegensatz zur holzigen Vegetation herrschen in den krautigen
die immergrünen Arten vor, so dass die Wiesen in milden Wintern ihr
frisches grünes Ansehen bewahren und nur durch anhaltende starke
Fröste gelbe Farbentöne erhalten. Viele Kräuter entwickeln allerdings
während des Winters Anthokyan, doch kommt solche Verfärbung, da
sie den Gräsern meist fehlt, weit weniger als bei Holzpflanzen zur Gel-
tung. Viele Stauden sind nur vorübergehend grün; das Absterben der
oberirdischen Sprosse pflegt aber schon während des Sommers statt-
zufinden und ist daher wohl auf innere Ursachen zurückzufuhren.
Blüthen fehlen bekanntlich zu keiner Jahreszeit gänzlich, indem
bei milder Witterung manche Arten, wie Bellis perennis, Senecio vul-
garis, Veronica hederaefolia etc. auch im Winter blühen. Wirkliche
Winterblüthler fehlen allerdings in den ausgesprochen kalten Gürteln der
temperirten Zonen, denn die eben erwähnten Arten sind Alljahrblüthler
und in den wärmeren Jahreszeiten noch viel produktiver. Dagegen haben
die wärmeren Gürtel eine Anzahl Gewächse, deren Blüthezeit in die
Monate November bis Februar fallen. So berichtet z. B. Rein über die
Winterflora Japan 's:
„Gegen Ende Oktober ist das sommergrüne Gehölz kahl, wie bei
uns, und es gibt nur noch wenige Gewächse, die nicht ihre Winterruhe
angetreten haben. Es sind dies vor allem wintergrüne Sträucher und
») Schimper 1. c. S. 166 u. f.
47 2 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Bäume . . . deren Florescenz in die ersten Wintermonate fallt. Hierher
gehören Olea Aquifolium S. et Z., Aralia japonica Thbg. und einige
andere Araliaceen, welche im November blühen, Thea chinensis Sims,
und Camellia Sasanqua Thbg., deren Blüthezeit in den November und
December fallt und bei denen schliesslich Nachtfröste die letzten Knos-
pen zerstören, einige Arten Daphne, welche im Januar und Februar
zur Blüthe kommen, und vor allem auch Camellia japonica, die in dieser
Jahreszeit zuweilen den überraschenden Anblick gewährt, Blüthen und
Schnee zugleich zu tragen, deren Blüthezeit sich aber bis in den April
verlängert."
„Unter den Kräutern finden wir noch weniger Arten, deren Blüthe-
zeit in den Spätherbst fällt oder gar in den eigentlichen Winter hinein-
ragt, wie bei einigen Compositen, insbesondere bei Pyrethrum und
Aster." *)
Auch in den wärmeren Gürteln treten die Winterblüthler zurück.
Der Beginn der eigentlichen Blüthenperiode fällt gewöhnlich mit dem-
jenigen der Vegetationszeit im Frühjahr zusammen und das Ende mit
deren Ende im Herbste. Anfang und Ende sind in hohem Grade von
der Temperatur abhängig und daher nicht nur an verschiedenen Orten
im selben Jahre, sondern auch am selben Orte in verschiedenen Jahren
ungleichzeitig. Doch erweist sich die innere Periode überall als starker
als die äusseren Einflüsse, sodass das Erwachen der Vegetation sehr
häufig bei tieferer Temperatur als ihr Einschlummern stattfindet.
Es ist bereits gezeigt worden,2) dass tiefe Temperaturen in den
temperirten Zonen gewöhnlich die Entstehung der Reproduktionsorgane
begünstigen und dass das Wachsthum der letzteren sich in sehr vielen
Fällen innerhalb tieferer Wärmegrenzen vollzieht oder doch ein
tiefer gelegenes Optimum besitzt, als dasjenige der Laubsprosse. Die
experimentell festgestellten ungleichen Temperaturwirkungen auf die
geschlechtliche und die vegetative Sphäre kommen auch in der Natur
zum Vorschein, namentlich bei niederen Kryptogamen und Moosen,
deren Geschlechtsleben sehr häufig mit dem Winter zusammenfallt,
während die vegetative Thätigkeit in den warmen Monaten stattfindet.
Bei den Phanerogamen ist der Zusammenhang in Folge einer Anzahl
entgegenwirkender Umstände weniger klar. So vermögen viele
krautige Pflanzen erst dann zur Blüthenbildung überzugehen, nachdem
sie das nöthige Material assimilirt haben ; die Bildung der Assimilations-
organe, ist aber, wie die Assimilation selbst, an höhere Temperaturen
gebunden. Andere Gewächse wiederum sind an bestimmte Bestäuber
angepasst und blühen zur Zeit, wo dieselben ihre Thätigkeit entfalten.
*) Rein 1. c. Bd. I, S. 155—156.
a) S. 54 u. f.
II. Die periodischen Erscheinungen in den temperirten Zonen. 473
Trotz derartiger Einschränkungen, lässt sich der günstige Einfluss
tiefer Temperaturen auf die Geschlechtsorgane auch in der Periodicität
der Phanerogamen nicht verkennen, wenn nur solche Pflanzen, die die
Bildungsstoflfe der Blüthen bereits in der vorhergehenden Vegetations-
zeit erzeugen, in Betracht gezogen werden.
Dass die Mehrzahl der Stauden aus den Familien der Liliaceen,
Amaryllidaceen, Iridaceen in den temperirten Zonen FrühblüthJer sind,
ist zur Genüge bekannt; in den Mittelmeerländern gehören auch die
Orchideen und Araceen zu den ersten Frühlingsgewächsen. Aehnlich
verhalten sich viele Dicotylen mit nährstoffreichen Rhizomen oder
Wurzeln, wie Anemone, Helleborus, Eranthis, Corydalis, Ficaria etc.
Einige Knollenpflanzen blühen im Herbste, wie Colchicum autumnale,
Spiranthes autumnalis, Crocus sativus, Cyclamen europaeum. Auch
die Bäume sind der grossen Mehrzahl nach Frühblüthler und entfalten
vielfach ihre Blüthen früher, also bei tieferen Temperaturen als ihr Laub.
Die einheimischen Beispiele, zu welchen der Epheu als Nachblüthler sich
gesellt, sind hinreichend bekannt. Ich hatte in der so viel reicheren
Baumflora Nord -Amerika 's dieselbe Erscheinung bemerkt und eine
Zusammenstellung der Blüthezeiten der Bäume in Asa Gray's Flora der
nördlichen amerikanischen Staaten hat meine Erfahrungen bestätigt.
Von 141 Arten, von welchen es in der erwähnten Flora heisst, dass
sie baumartig oder Strauch- bis baumartig sind — die eigentlichen
Sträucher habe ich nicht berücksichtigt — haben 110 den Beginn ihrer
Blüthezeit von März bis Mai, 25 in Juni, 6 im Juli; im August findet
nur noch der Schluss der Blüthezeit einzelner Julibäume statt. Der
Zusammenhang zwischen der Entfaltung der Blüthen und den kühleren
Temperaturen erscheint namentlich auffallend, wenn man bedenkt, dass
das Frühjahr in den Nordstaaten Amerika's kälter ist, als in Süd- und
Mitteldeutschland, so dass der Mai in Boston kaum dem April am
Mittelrhein vergleichbar ist.
§ 2. Periodische Erscheinungen in der südlichen temperirten
Zone. Die mir zugängliche Literatur enthält nur wenige Daten über die
periodischen Erscheinungen in der südlichen temperirten Zone. Ein Aufsatz
Hann's über das Klima Mittelchile's bringt folgende Angaben: Im Juni
(unserem December entsprechend) blühen die Mandelbäume, die wilden
Veilchen, Hyacinthen, Ranunkeln, Acacia cavenia. Im Juli und August:
Datura arborea, Richardia aethiopica, Heliotropium (peruvianum ?). Im August
blühen Kirschen, Pfirsiche, Pflaumen, Acacia lophanta, eine Fumaria und eine
Anzahl einheimischer Amaryllideen und Anemonen. Birnen und Apfelbäume
stehen in der ersten Septemberhälfte in Blüthe; die Feigenbäume, die lom-
bardische Pappel sind voll belaubt zu Ende dieses Monats. Lilac, Gladiolus
byzantinus, Nelken und eine Menge anderer Gartenpflanzen entfalten ihre
Blüthen. Mitte November gelangen die ersten Erdbeeren zur Reife; die
Olivenbäume blühen in diesem Monate. Weizen und Gerste werden im
474
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
December geerntet; Erdbeeren, Feigen, Kirschen, Melonen, Aprikosen reifen.
Im März und April erntet man Bohnen, Capsicum, Kartoffeln; die Trauben
werden reif zur Lese zwischen dem 10. und 20. April.
Temperatur und Regen in Santiago.
|Dec.
Jan.
Febr.
März
April
Mai
Juni
Juli | Aug. | Sept. | Oct ' Nov.
Temp. Cels.
18.2
18.9
18.4
16.4
131
9.6
7.8
7-3
8.3
10.7
1 3.0 1 15.8
Regen (mm)
6.4
O.O
1-3
2.5
13-7
51.6
IOQ.2
105.8
70.4
41.8
17.9,14.9
Reiche berichtet über die Vegetation am Rio Maule (ca. 35 ° s. Br.):
„Der Beginn des Vegetationscyclus kann zweckmässig mit dem Aufblühen der
Oxalis lobata gerechnet werden; es erfolgt im April, nach Beendigung der
sommerlichen Dürre, und erreicht im Mai seinen Höhepunkt In dieser Zeit
hat sich unter dem Einfluss der ersten Regen die bisher gelbbraune oder
rothbraune, kahle oder mit verdorrten Resten der Vegetation bedeckte Steppe
mit einem grünen Anfluge bedeckt ; er besteht aus Keimpflanzen von Erodium
cicutarium, Lupinus microcarpus, Medicago dentulata sowie Blättern von Scilla,
Achyrophorus , Soliva, Briza und anderen Gräsern. Während der Regenzeit
selbst behält der Campo seine grüne, wenig von Blüthen unterbrochene Farbe
bei ; hier und da tritt Stenandrium dulce (rosa) oder vom August ab Anemone
decapetala (weiss oder blau) auf. Vom September ab bereichert sich das
Bild mit jedem Tage ; zunächst fallen die zahlreichen feuerrothen Kronen des
Habranthus phycelloides auf, zumal an den Bergabhängen; dann dominirt
Triteleia porrifolia und im October und Anfang November, der Hauptblüthezeit
des Jahres, ist es unmöglich, einzelne besonders hervorstechende Gewächse
namhaft zu machen. Aber schon um dieselbe Zeit geben sich die ersten
Anzeichen des Vertrocknens und Absterbens der Vegetation auf besonders
exponirten Punkten kund, zumal durch das Verschwinden der Tillaea- Arten
und der Poa annua. In derselben Zeit, von Ende September oder Anfang
October ab, haben sich die blattwechselnden Bäume (Fagus obliqua, Pappeln,
Obstbäume) mit neuen Blättern und eventuell Blüthen geschmückt Von
Ende October an nimmt der Blüthenreichthum stetig ab; Alstroemeria Liglu
und Habranthus chilensis, local mit den Compositen Triptilion spinosum und
Cephalophora plantaginea, geben ihm nochmals bis in den December hinein
dauernden Blüthenschmuck. Schliesslich bleiben Noticastrum Haplopappus,
Madia sativa, Wahlenbergia linarioides, Cephalophora aromatica, Boisduvalia
concinna mit gelegentlichen Nachzüglern anderer Art die letzten blühenden
Kräuter in dem sonst braungelb gewordenen Gebiet Das Wiederauftreten
der Oxalis lobata bezeichnet endlich den Eintritt der neuen Vegetationsperiode.
In den mit zahlreichem Strauchwerk bestandenen Schluchten und in den
Wäldern spielt sich dieser Wechsel weniger ausgeprägt ab ; doch ist er sowohl
in der Staudenvegetation als auch in der Lebensthätigkeit der Holzpflanzen
(Austreiben, Blühen, Reife) deutlich nachweisbar." (S. 26.)
Ebenso wie im mittleren Chile giebt es auch bei Kapstadt Blüthen xn
allen Jahreszeiten, aber vornehmlich im Frühjahr; September ist der blüthen-
Auswahl der Literatur.
475
reichste Monat, der Herbst ist blüthenarm. Nach Thode ist der Winter
(Mai — Juli) durch die Blüthe der Oxaliden, der Frühling (August — October)
namentlich durch diejenige der Compositen, Iridaceen, Ficoideen, Proteaceen,
der Sommer (November — Januar) durch diejenige der Geraniaceen und Cras-
sulaceen und der Herbst (Februar — April) durch diejenige der Amaryllidaceen
gekennzeichnet Auch das östliche Kapland hat hauptsächlich Frühjahrsblüthen.
Nach Behr blühen die krautigen Gewächse in Südaustralien kurz nach
Schluss der Regenzeit, im Frühjahr die Eucalypten, Acacia retinodes, die
Loranthen mitten in der Trockenzeit. Der Scrub blüht vornehmlich zu Beginn
der Trockenzeit, im September, October und November, aber auch während
der ganzen Dauer derselben; dagegen ist die Regenzeit sehr blüthenarm
(Astroloma u. a.). Das Grasland entfaltet seinen ganzen Blüthenschmuck auf
einmal, zu Anfang des Sommers.1)
In den im Vorhergehenden aufgezählten Gebieten, die theils Sommer-
regen, theils Winterregen besitzen, macht sich überall ein nachträglicher
günstiger Einfluss der kühlen Temperaturen auf die Blüthenentwickelung
geltend. Im Uebrigen lassen sich nach so spärlichen Daten Rückschlüsse auf
die wirksamen Factoren nicht ziehen.
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Ho ff mann, H. I. Phänologische Untersuchungen. Giessener Universitäts-
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— EL. Witterung und Wachsthum oder Grundzüge der Pflanzenklimatologie.
Giessen 1857.
*) 1. c. S. 552.
476 Zweiter Abschnitt: Die temperirtcn Zonen.
Jacob. Untersuchungen über zweites oder wiederholtes Blühen. Diss.
Giessen 1889.
K i e n i t z. Vergleichende Keimversuche mit Waldbaum-Samen Mitteleuropa's.
Botan. Unters, v. N. J. C. Müller. Bd. II. 1879.
Lidforss, Bengt. Zur Physiologie und Biologie der wintergrünen Flora.
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Ludwig, Fr. Lehrbuch der Biologie der Pflanzen. Stuttgart 1895.
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Müller-Thurgau, Herrn. I. Ueber Zuckeranhäufung in Pflanzentheilen
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— II. Beitrag zur Erklärung der Ruheperioden der Pflanzen. Ibid. Bd. XIV.
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Pynaert, Ed. Les serres-vergers. Traitd complet de la culture forcde et
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— IL Die Vegetationsverhältnisse am Unterlaufe des Rio Maule (Chile).
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Schimper, A. F. W. Untersuchungen über die Chlorophyllkörner und die
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Thode, J. Die vier Jahreszeiten am Cap. Naturwiss. Wochenschrift 1892.
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Wiesner, J. Untersuchungen über die herbstliche Entlaubung der Holx-
gewächse. Sitzber. der Wiener Akad. 187 1.
m. Gehölzklima und Grasflurklima in den
warmtemperirten Gürteln.
§ I. Allgemeines. — § 2. Die subtropischen Gebiete. Florida. Süd-
brasUien. Paraguay. — § 3. Warmtemperirte Gebiete ohne Trockenzeit Klima
des temperirten Regenwaldes. Süd -Japan. Neu -Seeland. Süd -Chile. Grasflurklima der
Falklands- Inseln. — §4. Das temperirte Südafrika. Regenprovinzen und Vegetations-
provinzen. Die Südwestküste mit Winterregen. Klima der immergrünen Hartlaubgehölze.
Die Süd- und Ostküste mit Frühjahr- und Sommerregen. Klima der Savannen. Das innere
östliche Südafrika (Transvaal und O ran je) mit Sommerregen. Klima der Steppen. — § 5.
Sommerfeuchte warmtemperirte Gebiete. Uebergangsklima in Nord -Argentinien.
Parklandschaften. Klima der Pampas. Klima der westargentinischen Dorngehölze (Espinal).
— § 6. Winterfeuchte warmtemperirte Gebiete. Klima der immergrünen Hart-
laubgehölze. West- und Süd - Australien. Mittleres Chile. Mittelmeerländer. Kalifornien.
— Schluss.
§ 1. Allgemeines. Diejenigen Striche der temperirten Zonen,
welche an die Wendekreise grenzen und allein die Bezeichnung sub-
tropisch verdienen, zeigen wenig ausgeprägte Eigentümlichkeiten und
schliessen sich, bei grosser Feuchtigkeit den tropischen, bei trockenem
Klima den eigentlich temperirten Gebieten an. Mit fortschreitender
Entfernung von den Wendekreisen tritt in der winterlichen Abkühlung
ein neuer Factor hinzu, welcher, wenn auch mehr indirekt als die
Hydrometeore und diesen untergeordnet, die Gliederung der Vegetations-
decke in ökologische Gebiete mitbedingt. Ob die Regenzeit in den
Sommer oder in den Winter fallt, ist nicht mehr, wie in den Tropen,
gleichgültig, sondern bedingt einen wesentlichen Unterschied der öko-
logischen Bedingungen der Vegetation.
Ausser den wenig charakteristischen subtropischen Gebieten können
die warmtemperirten Gebiete in drei Gruppen eingetheilt werden, nämlich
die Gebiete ohne Trockenzeit, die sommerfeuchten und die winter-
feuchten Gebiete. Die meist wenig ausgedehnten Uebergangsgebiete
mit Frühjahrs- und Herbstregen schliessen sich bald mehr den winter-
feuchten, bald mehr den sommerfeuchten Gebiete an.
478
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
§ 2. Die subtropischen Gebiete. Die an die Wendekreise gren-
zenden temperirten Gebiete, ungefähr bis zum 30. Breitegrade, sind
vorwiegend von Wüsten eingenommen. Hochwaldgebiete haben in
denselben nur geringe Ausdehnung. Die klimatischen Bedingungen
der letzteren lassen sich aus der mir vorliegenden Litteratur nicht zu
einem befriedigendem Bilde zusammenstellen; eine Regenmenge von
130 — 150 cm. scheint bei entsprechender Luftfeuchtigkeit, schon ziem-
lich reichen Waldwuchs zu ermöglichen. Doch stehen die Gegenden
mit wirklichem Hochwald, — abgesehen natürlich von% den Gallerie-
wäldern, — in ihren Regenmengen den tropischen nicht nach.
Das von ausgedehnten, jedoch nicht sehr hohen und üppigen
Wäldern bedeckte Florida scheint eine Regenmenge von 130 — 140 cm
zu besitzen (Fort Brook 136 cm); die Golfküste östlich vom Mississipi
hat 147 cm, während die nur Buschwald und Gesträuch aufweisenden
Bahamainseln auch nur etwa 120 cm (Nassau 118 cm) erhalten. Alle
diese Gebiete haben vorwiegend Sommerregen; jedoch ist auch der
Winter sehr feucht.
Tropische Regenmengen und tropischer Waldwuchs zeigen sich
südlich vom Wendekreise, in Süd-Amerika, an der brasilianischen Küste
ungefähr bis 30 ° z. B. (vgl. in Tabelle I: Joinville, Blumenau) und, im
Inneren, in Paraguay und längs der Anden, bis etwa zum 25 ° s. B.
(vgl. in Tabelle I: Asuncion).
Im nördlichen Argentinien bedingt, wie nachher gezeigt werden
soll, Sinken der Regenmenge unter 120 cm, bei grosser Häufigkeit der
Niederabläge die Herrschaft der Grasflur (Savanne), mit, wo der
Boden etwas feuchter ist, zerstreuten Parcellen Savannenwald.
Klima des subtropischen Hochwalds: Südamerika.
Tabelle I.
Joinville.
|26°i9' S., 49°43'W.
Blumenau (1889).
260 55' s. Br.f 49° 9' W.
Asuncion (Paraguay i.
25°i6's.B., 57*40' W., 98 ü.JL
1
1 Temp
! 6 h.
eratur Regen-
1 menge
2 h. | (1890)
Temp
Mittel
eratur
Amplit.
Re|
Menge
jen-
Tage
(7 Jahre)
IO.3
Temperatur Regen-
mittl. ! max. ! min.
Januar
22.1
273
362
27.6
4.5
195
26.7
j8^3|_i9.4 68
38.9 ! 16.7 1 Q9
7^6_l"i8.6 1" 91
Febr. .
22.1
27.4
227
26.1
4-5
154
189
235
12.7
10.4
27.5
März .
1 21.4
26.5 224
25.0
3-7
5-3
6.4
8.0
April .
|I8.7
23.8
217
22.1
23.1
20.0
33.8 14.2 . 175
Mai .
1 15-5 1 20.7
142
18.6
191
x5
8.3
28.9 . 9.7 168
Juni .
14.8 19.5
156
152
6.7
15-6
26.1 69 201
Juli .
14.5 ' J9 3 | 9°
17.6
5-9
57 , 6.7
21. 1
30.0 ' 10.6 | Q^
333 l3-3 2'
August
i 144
19.8
121
16.2
7.7
118
71
23.3
HI. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
479
Tabelle I (Fortsetzung).
Septbr. 16.1
20.5
189
17.8
7-7
l6l
9.4
25.6
36.7
I5.°
132
Octbr. 17.4
22.6
184
20.7
8.4
137
7.2
28.1
38.8
16.1
307
Novbr.'j 19.6
24.3
147
22.7
9.8
127
10.0
27.8
39-°
20.0
250
Decbr. 1 20.6
26.0
186
26.4
7-9
247
8.2
27.2
37-8
17.8
467
1
li
2245
1826
109.3
2083
Die Regenmenge ist in Blumenau sehr schwankend. Sie betrug im
Durchschnitt 1868 — 74 1406 mm, 1875 — 80 1676 mm, im Jahre 1888
2149 mm, in 1890 1333 mm.
Meteorol. Zeitschr. 1891. S. 272 u. Zeitschr. d. Ges. f. Meteorologie
Bd. 12, 1877, S. 333.
§ 3. Warmtemperirte Gebiete ohne Trockenzeit. Unter den
warmtemperirten Regengebieten stimmen diejenigen, wo Regen zu allen
Jahreszeiten — wenn auch meist in ungleicher Menge — fallen, am
meisten mit der tropischen überein. Sie sind, bei hinreichender Regen-
menge, von Wäldern bedeckt, welche den tropischen Regen Wäldern
ähneln, aber weniger formenreich und weniger üppig sind und als
temperirte Regenwälder bezeichnet werden sollen. Dieselben
nehmen, im Gegensatz zu den tropischen nur kleine Areale ein. Sie sind
in den Tiefländern beschränkt auf das südliche Japan, Tasmanien, das
westliche Neu-Seeland und Süd-Chile. Ihr Vorkommen in Hochländern
ist im 4. Abschnitt des näheren geschildert.
Die südlichsten Inseln Japan's, sowie der südöstliche Theil von
Nippon, nordwärts bis Tokio, haben sehr milde Wintertemperaturen
und reichliche Regen zu allen Jahreszeiten, mit Maximum in den war-
men Monaten. Die Luftfeuchtigkeit ist stets sehr beträchtlich.
Klima des temperirten Regenwaldes : südl. Japan.
Tabelle IL
Tokio. 350 40' N, 1390 44' E. 24 ü. M. 1 (1876) bis 4 Jahre (1873—76).
j Temperatur jRel.Feuch-
1 Mittel (1 J.)| Mittel jExtreme (4 J.)'tigkeit(4 J.)
Bewölkung
(iJO
Regenmenge (1 J.)
1876 | 1873
Januar .
4.0
16.9
-3.8
70
3-5
5-5
68
93
Februar
1.6
12.2
13.2
-6.9
— 5.3
68
llS 65
März .
33
63
5.7
1 16
50
80
April .
8.1
20.2
— 3-7
70
5-8
141
Mai . .
12.2
22.4
0.6 ! 71
6.0
122
63
Juni. .
17.0
27.0
5-4
75
6.5
I52
46
Juli . .
18.5
28.8
12.0
82
7.5
276
256
7i
210
August .
_2 4^_
26.7
32.0
333
l6-5
83
5-4
15°
65
359
September
18.3
80
5-3
7-7
October
22.6
29.9
13.8
84
486
480
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle II (Fortsetzung).
November. 14.7
24.1
4-3
78
5-2
158
202
December. 1 9.1
20.0
— 1-5
72
3-2
38
6;
Jahr. . . jj
33-9
— 7.2
....
1760
t f%r\n
I69O
(Zeitschr. der österr. Gesellsch. für Meteorologie.
1878, S. 26—27.)
Tabelle m.
1875: 1742
Niigata (Japan). 370 55' N., 1390 ior E., 6.5 m ti. M. 10 Jahre.
|
Mittel
Temperatur
Mittlere
Extreme
Niede
Menge
rschlag
Tage
10.2
December
1 5-2
12.9
— 0.6
178
Januar . .
. || 2.2
9.0
— 2.6
HO
II.4
Februar .
i 2.9
10.2
— 3-2
77 1 8.6
März . .
5-8
16.4
— 1.1
105 | 8.9
April . .
IO.7
22.9
3.1
99 | 6.8
Mai
i I6.I
27.4
8.0
106 | 5.7
Juni . .
| 2I.O
29.4
12.5
126 1 5.8
Juli. . . .
| 26.0
34.0
19.0
204 | 7.1
August . .
I 27.2
34-8
21.0
103 | 6.2
September
II Z2,9
31-4
14.6
167 8.2
Oktober . ,
| 15-5
24.6
74
197
8-9
November
.1 9-8
19-3
2.9
216
i°-3
Jahr . .
i
35-o
— 4.3
1688mm
98.8
(Zeitschr. der österr. Gesellsch. für Meteorologie 1883, S. 71.)
Tabelle IV.
Ancud (West-Chile).
410 59r S. B., 740 W., 15 m ü. M. 3 Jahre, Temp. 1 J.
j| Tem-
| peratur
Rej
Menge
149.7
jen-
Tage
12.3
Heitere
Tage
December .
• ,1 12-8
12.3
Januar . .
■ Jl 13-4
i55.o
11.7
14.O
Februar
. 1
" "1
*3-9
147.3
73
I4.0
März . .
9.9
216.0
18.0
8.0
April . .
1
10.2
303.5
20.0
35
Mai . . .
9.7
466.5
22.0
2.0
Juni . .
1
7.0
8.1
6I95
24.0
2-5
Juli . . . .
1
366.0
19.0
4.5
August . .
7-9
8.0
474.o
21.0 3.7
September
196.7
11. 7 | 12.0
October .
| I0.4
107.3
9.o 1 9-7
November .
', 12.6
196.9
177 1 77
!| 3397.5 | | |
(Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteor. 1872, S. 11.)
HI. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
481
Temperatur und Regen im westl. Neu-Seeland.
Tabelle V.
1 Tara
; (Nord
< Temper.
naki
insel)
Regen
Hokitika
(Südinsel)
Temper. Regen
December .
j i7-i
125.0
14.8
309.1
Januar . .
18.7
81.8
15-0
226.1
Februar
. ! 18.6
101.8
IS.5
250.7
März . .
16.9
65.5
13.6
171.5
April . .
15-2
894
12.0
218.7
Mai . . .
12.6
196. 1
9.6
161.8
Juni . .
11. 0
150.2
7.8
209.3
Juli . . .
10.4
160.0
7.3
244.8
August . .
1 10. 0
I3I.5
7-5
231.9
September
11.8
133.4
9.6
149.3
October .
13.2
151.6
10.8
340.4
November .
;
15 -o
123.4
12.3
322.3
Jahr . .
i5°9-7
2835-9
Ein immerfeuchtes warmtemperirtes Gebiet mit unzureichendem Regen
für Waldwuchs zeigt sich nur in den Falkland-Inseln. Dieselben besitzen, da
die Regen ausserordentlich häufig sind, ein vortreffliches Grasflurklima und
sind ia der That zum grössten Theile von Grasfluren bedeckt.
Warmtemperirtes Grasflurklima.
Falkland-Inseln.
Tabelle VL
Falklan
Stanley-Hafen 5 1 ° 4 1 r s. Br
11 Temperatur
i^JjExtr.! Mittel
d-Insel
.. 57° 51'
:Rel.Feucht.
(9 a)
n.
w. L. 1
Bewölk.
(9 a)
875-
Re,
Menge
-1877.
*en-
Tage
Neu-
Ostseite
Chris
Regen
Seeland
d. Südinsel.
>tchurch.
Temperatur
Januar . 1 1.7 | 4.7 | 8.2
7-4
5°
2I.O
41.2
15-9
Februar . 13.4 6.2
9.8
72
7.2
69
21.3
58.7
16.6
März . . 1 12.81 5.6
9.2
76
7.2
55
19-3
60.2
16.6
April . . ' 12.4, 6.0
9.2
81
6.6
43
18.3
44.5
14.4
Mai . . | 9.5
3-6
6.6
84
6.4
5i
22.3
46.0
12.6
Juni . . 7.0
2.2
4.6
90
6.9
43
19.3
579
8.9
Juü . • 5.3
1.2
3-3
91
7.6
37
20.6
81.0
6.3
August . 4.8) 0.2
2-5
91
7-2 1 47
20.3
62.2
6.2
September 5.6
Schimper, Pflan
0.6
zcngeof
3-i
jraphie.
88
6.7 |
30
22.O
58-9
31
6.6
482
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle VI (Fortsetzung).
October
73 1-5 44
November J 8.0 2.0
5.o
81
82
6.2
7.7
29 15.7
34
21.3
29-5
9.8
54-4 [
11.7
December 10.3
3-9
7-1
76
7-9
29 ! i5«3
54.*
14.0
Jahr: || | 517 I236.1
Zeitschr. d. Gesellsch. für Meteorologie. Bd. 16. 1881
Seite 299.
648.6 Mittl. Jahres-
minimum :
; -3-8
Hann in Zeitschr. d. Ge-
sellsch. f. Meteor. 1871.
§ 4. Das temperirte Südafrika. Länder, in welchen das Regenklima
schon in geringen Entfernungen wechselt, sind natürlich für die Erkennt-
niss des Zusammenhangs zwischen dem letzteren und dem Vegetations-
charakter instructiver als solche von grösserer Ausdehnung, wo noch
andere klimatische Bedingungen wechseln. Eine hervorragende Be-
deutung kommt in dieser Hinsicht dem extratropischen Süd -Afrika zu,
dessen Regen Verhältnisse dank den Untersuchungen Dove's sehr genau
bekannt sind und dessen Flora ihren ursprünglichen Charakter im
Wesentlichen beibehalten hat. Es zeigt sich, dass die von Dove
unterschiedenen Regenprovinzen gleichzeitig ökologische
Vegetationsprovinzen sind.
Südlich vom Küstenstreifen der Karroo wüste, ungefähr von 32 ° s. B.
an, nehmen die bisher (vgl. Wüsten) sehr geringen Niederschläge rasch
zu. Die Südwestküste der Kapcolonie erhält 60 — 75 cm
Regen, vornehmlich als Winterregen, der Sommer ist
trocken. Die relative Luftfeuchtigkeit ist eine hohe. Die Vege-
tation besteht aus niederen xerophilen immergrünen
Gehölzen mit kleinen, lederartigen Laubflächen. Solche
Pflanzen sollen als Sklerophyllen1) oder Hartlaub-
pflanzen bezeichnet werden und sind, wenn auch ander-
wärts als zerstreute Bestandtheile der Vegetation nicht
fehlend, für regenarme warmtemperirte Gebiete mit
nassen Wintern und trockenen Sommern charakteristisch.
Nur da bilden sie die Grundmasse der Vegetation.
Klima der warmtemperirten Hartlaubgehölze: Südwest- Afrika.
Tabelle VII.
Wellington. 330 8' S., 190 or E., 120m ü.M.
Temperatur (4l/2 J.)
Januar .
Februar.
Mittel
Schwank.
22.9
12. 1
22.7
11.4
I Rel. Feuchtig-
| keiMÖ'^JO
I 6l
i 65
Regen- ( Bewölkung
^enge (8 J.) , (3 P
11.9 2.6
19-3 I *T
»)S. 11.
ITT. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
483
Tabelle VII (Fortsetzung).
März . .
i| 21.3
T2.4
67 24.4
3-°
April . .
18.1
11.9
75
46.0
3.7
Mai . . .
. 13.9
9.2
81
io5-7
5-3
Juni . . .
. ' n. 9
94
82
88.1
4.9
Juli . . .
• |l "-5
9.2
84
93-o
4.6
August . .
1, »•«
9.8
83
76.5
4-4
September .
jl
I4.I
10,7
77
77.2
4.2
October
|| 16.8
11.4
72
59-4
4.0
November .
li I0,4
H.8
66
21.3
31
December . . 1 20.9
12.4
63
30-7
2.9
i!
653-5
Nach Dove.
Tabelle VIII.
ii K
apstadt
Clanwilliam
Worcester
Temp
|> Mittel
~|l 20.8
eratur
Schwank.
Regen-
menge
Temp
Mittel
236
eratur
Schwank.
I9.8
Regen-
menge
Temperatur
Mittel | Schwank.
Regen-
menge
Januar
131
16.8
8.9
22.2 ! 16.3
5-1
Februar
20.8
12.8
15-7
2 3.7
20.I
5-6
21.9
151
19.8
März .
j! 19.3
13.0
24.1
2 1.6
I9.6
7-9
20.8
14.7
10.7
April .
' 17.3
9-7
46.7
17.9
l8.2
12.7
17.7
14.9
23-4
Mai .
14.6
7.8
98.8
14.5
13-7
42.2
13.4
131
48.0
Juni .
13.1
8.3
112. 5
11.4
15-2
36.1
11.8
12.2
53-3
Juli .
1 12.6
9.8
88.6
10.8
15-4
41.9
10.8
11.9
54.4
August
. 1 13-2
9-5
83.6
11.9
i5-5
23.9
12.8
11.8
32.0
Septembe
r,i I4-2
10. 1
55.i
15. 1
18.8
16.5
14.3
12.7
30.7
October
. ,1 16.1
11.7
41.1
18.4
19.1
19-3
16.7
13.2
38.4
Novembe
r1 18.0
11.9
28.5
20.4
18.7
10.2
18.7
14.4
14.7
Decembe
r ' 19.8
12.3
20.0
22.3
19.1
6.4
20.1
15-4
7 1
1
63I-5
231.6
337.6
I1 Relati
Jahr:
ve Feuch
74 (67
tigkeit :
—81).
Relati
Jahr:
^e Feuch
73 (61
tigkeit :
—84).
Relafc
Jahr:
ive Feucl
68 (S,
1 tigkeit :
?-78).
Dove, S. 30 f.
Tabelle IX.
Südktiste: Mosselbai. 340 11' S., 220 9' E., 30m ü.M.
Januar .
Februar
1
Temperatur (9*/4 J.)
Mittel Schwank.
20.9
2-8_
6.9
Rel. Feuchtig-
keit (53/«J-)
~76~
78
Regen-
Menge (9 J.)
52-8
Bewölkung
(5 J-)
±2
4.9
484
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle IX (Fortsetzung).
März
1 19.3
6.9
83
48.5 5-6
April
Ü x7-5
7.0
83
27.2 | 4.1
Mai . .
1 15.8
7-5
82
38.1 i 4.6
Juni . .
P 14.4
8.3
79
22.9 1 3.4
Juli . .
i1 13-3
7.7
82
42.4 1 3-6
August .
!l J3-7
7.8
82
40.4 1 3-7
September
1 14.9
7.8
80
40.1 ' 4.8
October
1 l6-5
7.4
78 | 38.9 1 4.3
November
i 17.7
7-5
78 | 20.8 | 4.6
December
ll 20-1
7-5
73
18.5 | 4.1
Nach Dove.
Oestlich von dem regenarmen westlichen Gebiete nähert sich das Gebirge
an die Küste derart, dass nur ein schmaler flacher Strich dasselbe vom Meere
trennt. Auf kurzer Strecke, in der Knysnagegend, beträgt die
jährliche Regenmenge 100 — 110 cm. Hier ist die Küste von
immergrünem Hochwald bedeckt. Doch ist derselbe auf die feuchten
Thäler beschränkt, während die trockeneren Hügelrücken nur von Gesträuch
bedeckt sind. Es ist hier also die untere Regengrenze des Hochwaldes wohl
kaum erreicht und dessen Existenz durch Grundwasser mitbedingt.
Oestlich vom Knysnawald sinkt die jährliche Regenmenge wiederum auf
die Höhe, die sie an der Westküste besitzt, mit 50 — 70 cm. Der Regen
ist aber nicht mehr Winterregen, sondern vornehmlich Früh-
jahrs- und Herbstregen, und fehlt zu keiner Jahreszeit Mit
der Vegetation vollzieht sich ebenfalls eine Wandlung. Die
Hartlaubgehölze schwinden, und werden von Grassavannen
mit kleinen Akazien ersetzt Wald ist auf die Flussufer beschränkt
Warmtemperirtes Grasflurklima.
Oestliche kapländische Küstensavanne.
Tabelle X.
P
Temp
1 Mittel
ort-El
eratur
Schwank.
7.8
isabet
Regen-
Menge
h.
Relative
Feucht
74
East-L
Temperatur 1
Mittel (Schwank.!
21.4 j 7.1
ondon.
Regen- 'Relative
Menge | Feucht
Januar
| 21. 1
20.8
66.5 1 79
Februar .
1 2°9
7.6
35-8
77
81
21.3 j 6.7
45-5 *4
März . .
' 19.7
7.3
54-6
20.4 ' 7.1 '
92.5 &2
April . .
1 17.7
7-7
47.2
78
19.0 1 8.8 1
17.6 | 9.3
64.8 80
Mai . .
1 l6.2
8.0
60.5
47.5
77
66.8 79
Juni . .
14.7
9.1
72
15.6 1 10.3 »
14.8 ! 11.4 j
37.1 74
Juli . .
I3.6
8.8
533
74
36.8 , 12
August
I1 14-3
8-3
52.3
77
15.6 1 IO.I
54.4 ! 74
m. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
Tabelle X (Fortsetzung).
485
September .
J5.2
6.7
53-8
78
17.2
8.0
53.3
79
October . .
16.5
7.8
59-2
76
l8.0
7-4
69.1
81
November .
18.4
8.1
52-3
74
19.4
7.6
81.0
83
December .
1 20.1
8.2
38.9
74
20.9
8.1
2 3.9
78
Jahr: ,
576.2
76
691.7
79
Tabelle XI.
King-Williamstown.. 320 51' S., 270 22' E. 400 m ü. M.
! Temp
j Mittlere
eratur
Schwankungen
Relative
Feucht. (6*/4J.)
Regen-
Menge (16 J.)
Bewölkung
(5J.)
Januar .
| 21.2
137
75
58.8
4.9
Februar
| 21.2
13.2
75
90.2
4.9
März
1 I9.I
12.4
^
86.1
6.2
April
16.6
13-9
79
49.8
3.6
Mai . .
I4.O
14.6
76
43.2
3.o
Juni . .
11.6
156
73
13-7
2.1
Juli . .
"•3
16.4
73
37-3
2.2
August .
12.4
15-3
74
28.7
2.7
September .
14.7
14.9
75
34.o
4.6
October
16.6
13.9
75
63.0
4.9
November
18.1
13.2
72
62.7
5-o
December
2°-3
14.7
70
693
4.8
||
75
638.8
East- London gehört bereits zur Ostküste der Kapcolonie. Indem
wir uns in nordöstlicher Richtung weiter bewegen, gelangen wir nach
Natal und hiermit in ein Gebiet von Sommerregen, welche
jedoch schon im Frühjahr reichlich sind. Der Winter ist sehr regenarm.
Die Regenmenge steigt an der Küste von Natal bis über 100 cm
(Durban 1036 mm); sie beträgt dagegen im Binnenland, schon in
geringer Entfernung des Meeres, nur etwa 60 — 75 cm, wie an der
Süd-Küste des Kaplands.
Möglicherweise war früher, wie es Thode vermuthet, der regen-
reichere Küstenstrich von Wald bedeckt. Derselbe dürfte dann den
Charakter eines wenig üppigen Regenwalds getragen haben. Das
regenärmere Innere hingegen ist echte Savanne mit Akazien und
einigen anderen Bäumen, ausser auf den an dieser Stelle nicht zu
berücksichtigenden Gebirgen, wo reichere Niederschläge stellenweise
Waldwuchs hervorrufen.
486
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Warmtemperirtes Grasflurklima.
Tabelle XII.
Pietermaritzburg (Natal).
, 1
Temperatur
Mittel I Schwank.
Relative
Feuchtigkeit
Regen
Januar
.
i
22.0
7.8
74
106.7
Februar
.
1
22.1
7-5
76
II3-7
März .
.
1
20.9
8.8
75
87.1
April
\ 18.3
8.9
73
37-3
Mai .
.
|l 14.9
11.7 •
69
22.6
Juni .
| 12.8
13.2
66
6.6
Juli .
1 13.2
'3-5
63
5-3
August
*5-7
12.3
63
6.6
September . .
jl 18.2
10.4
67
36.6
October . .
1 l8-9
8.7
74
83.8
November .
| 20.8
8-3
75
11 2.3
December .
1 21-3
7-8
76
124.7
Jahr .
• •
'
7i
743-1
Während die westliche Hälfte des Innern Süd- Afrikas Wüsten-
charakter aufweist, ist die östliche Hälfte (Orange-Freistaat und Trans-
vaal) von Grasfluren und zwar, entsprechend der baumschädlichen
trockenenen Winterkälte, nicht von Savannen, sondern von Steppen
bedeckt. ') Hier ist der Winter sehr regenarm und November bis März
erhalten den grössten Theil der Niederschläge, wie folgende procentige
Zahlen (nach Hann) zeigen.
1
Tan.
Febr.
März
April
Mai
4.8
Juni
2.7
Juli
2-5
Aug.
*2.I
Sept.
4.2
Oct.
Oberer Oranje.
360 m ü. M. |
Jahres - Regen :
53 cm !
16.7
*i8.i
16.9
6.3
5-5
Transvaal. !
850 m ü. M.
Jahres - Regen :
64 cm.
♦26.3
17-3
12.6
4.4
3.o
2.0
*o.8
X-S
1.4
49
IO.I IO.I
I2.I 13-7
Sehen wir von den später zu besprechenden Wüsten und von den
für Südafrika nicht hinreichend bekannten und unbedeutenden Regen-
wäldern ab, so gelangen wir zu folgenden für die warmtemperirten
Gürtel allgemein gültigen Sätzen:
1) Die westliche Küste des temperirten Süd-Afrika hat
*) Vgl. S. 188.
III. Gehölzklima und Grasnurklima in den warmtemperirten Gürteln.
487
einen nassen Winter und einen trockenen Sommer; die
Vegetation besteht aus xerophilen immergrünen Hart-
laubgehölzen.
2) Die südliche und östliche Küste und das östliche
Innere haben einen relativ trockenen Winter und feuchte
warme Jahreszeiten (Frühjahr bis Herbst); die Vegetation
besteht aus Grasfluren (Savannen bezw. Steppen).
§. 5. Sommerfeucht warmtemperirte Gebiete. Das östliche
Südamerika südlich vom 3O0S.B., also namentlich Rio Grande do Sul,
Uruguay und Argentinien, ist klimatisch von den meisten der im Vor-
hergehenden besprochenen warm temperirten Gebiete durch das Vorherr-
schen der Sommerregen ausgezeichnet; es ist hierin Natal vergleichbar.
Im Küstengebiet und im unteren Theile des La Platabeckens ist eine
ausgesprochen trockene Jahreszeit nicht vorhanden, dagegen zeigt sich
eine solche, während des Winters, im grössten Theile des Inneren.
Im nördlichen Argentinien, sowohl am Fusse der Anden, wie in
den mehr östlichen Provinzen Entrerios und Corrientes, besitzen weite
Landschaften eine zwischen 100 und 120 cm schwankende Regenmenge.
Da kämpfen Hochwald, Savannenwald, Savanne und Steppe um die
Herrschaft; locale Einflüsse sind maassgebend und führen zu reich ge-
gliederten Parklandschaften.
Klima der östlichen argentinischen Parklandschaft.
Tabelle XIII.
Corrientes ca. 270 30' S. (9 Jahre.)
Temperatur Rel. Feucht.
7 a. | 2 p.J 7 a. | 2 p.
Bewö
7 a.
3^~
lkung
2 p.
6.0
Reg
Menge
183
en-
Tage
Kalmen
in -
Januar
. ! 24.8
28.9
78
76
61
~6<r
5-8
O
Februar .
24.1
28.6
3-7
5-5
5-6
1 10
~o8~
35
0
März .
2 3-4
_2719_
23-4
80 j 65
~8cT:~68~
3-8
4.9
April .
19-5
4.4
5-o
118
4.7
Mai . .
16.2
19.9
81
_7_2_
74
4-3
4.8
95
39
Juni .
IS-»
13.8
17.5
82
4.4
5-°
48
2-4
Juli . .
18.2
83
73
5-o
_ 4-9_
4.0
_ 43
20
1.0
August
x5-5
20.2
79 1 65
3-5
O
September
17.0 21.7 1 78 ' 64
4.1
4.7
73
4.6
O
October . .
19.5
22.3
24.1 i 77
63
63
63
4.9
in
4.2
O
November
26.2
76
76"
4.1
5-1
113
5-6
I
December .
24.3 j 28.4
3.6
I51
5-°
I
ii73 47-5
Zeitschr. f. Meteorologie 1894, S. 356.
488
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle XIV.
T u c u m a n.
260 5vV s. B., 430 m ü. M.
Salta.
240 51' s. B., 1500 m ü. M.
|| Regen
Regen
Januar .
. 1 267.0
Winter . . . | 0.0
Februar
! 217.0
Frühjahr . . . ( 199.3
März . .
|' 209.0
Sommer ... 763.4
April .
39.0
Herbst . . .
179.6
Mai
. 1 27.0
1
Juni
. |l 0.0
1
Juli. .
1 9.0
August .
. 1 0.0
September
I| 0.0
1
October .
I1 37.0
November
1 56.0
December
1 197.0 •
1
Jahr .
i, 1060.0
11
Jahr ....
1142.3
1
Weiter südlich sinkt die jährliche Regenmenge — mit Ausnahme
vereinzelter Stellen — unter 100 cm. Die östliche Hälfte Argentiniens
besitzt meist 70 — 100 cm Regen; im Westen werden die Niederschläge
geringer; sie fallen auf 20 und weniger cm und die Gegend nimmt
Wüstencharakter an (Lorentz's Westliche Monte).
Der östliche, der atlantischen Küste näher liegende Theil Uruguays
und Argentiniens besitzt Niederschläge in einer Höhe von meist 70 — 100 cm
und ist von reiner Steppe (Pampa) bedeckt. Westlich von der Pampa
dehnt sich bis zur Cordillere ein weites Gebiet von Dorngehölzen mit
in westlicher Richtung abnehmenden Niederschlägen, Lorentz's Monte-
formation, Hieronymus's Espin alformation. Dieses Gehölzgebiet gliedert
sich in einen relativ niederschlagsreichen, Lorentz östliche Monte, mit
etwa 40 — 70 cm und einen niederschlagsarmen Theil, der zum grossen
Theil als Wüste zu bezeichnen ist. Die Menge der Niederschläge
schwankt zwischen weniger als 20 cm am Fusse der Anden (Pilciao
13 cm, San Juan 7 cm) und etwa 40 cm, an der Grenze der östlichen
Monte.
Viele Forscher haben sich darüber gewundert, dass das östliche
feuchtere Gebiet nur Gras, das westliche trockenere dagegen Gehölze
erzeugt. Denselben war der Unterschied zwischen Grasflurklima und
Gehölzklima unbekannt, unbekannt auch, wie die Grasflur in einem ihr
zusagenden Klima den Raum gegen das Gehölz zu behaupten vermag.
Nur da wird sie im Pampagebiet verdrängt, wo das Grundwasser sehr
reichlich ist, so am Rande der Wasserläufe. In der That ist das
HI. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
489
Pampasklima, wie die Tabellen zeigen, ein vollkommenes
Grasflurklima, mit seinen nicht übermässigen, aber reich vertheilten
Regen und seiner feuchten, mildwarmen Vegetationszeit. Ausserdem
stellen die heftigen Winde der Pampa, bei massiger Luftfeuchtigkeit
einen dem Gehölz feindlichen, der Grasflur hingegen unschädlichen
klimatischen Factor dar.
Dem Vordringen der Grasflur nach Osten setzt sich die abneh-
mende Regenmenge und wie aus der bedeutenden Zahl der Stunden
Sonnenschein hervorgeht, ihre weniger reiche Verth eilung entgegen;
letztere geht auch aus den Angaben der Reisenden hervor, die das
Klima als ein im Gegensatz zu demjenigen der Pampa trockenes be-
zeichnen. Dass das Klima in der Espinalformation der Grasflur direkt
ungünstig ist, geht aus den Beobachtungen Lorentz's hervor, nach
welchen Gräser nur selten in grösserer Menge freie Räume ausfüllen,
ja manchmal aus dem einer Tenne an Kahlheit vergleichbaren Boden
nur im Schatten der Bäume hervorspriessen.
Dass Gehölze unter solchen Umständen gedeihen, ist eine Folge
der Genügsamkeit der xerophilen Dorngehölze. Es kommt ihnen ausser-
dem der Umstand zu Gute, dass im Gegensatz zur Pampa, die Kalmen
über die Winde vorherrschen.
Das nördliche Patagonien schliesst sich klimatisch dem westlichen
Argentinien an, und besitzt eine ähnliche, vornehmlich von Gesträuch
gebildete Vegetation, die in dem wüstenartigen Inneren sehr spärlich wird.
Warmtemperirtes Grasflurklima.
Pampas.
Tabelle XV.
San Jörg
e
(Central-Uruguay).
32° 43
'S. 122 m
ü.M. 1881— 1
884.
j Mittlere
Max.
Temper.
Min.
TägL
Ampi.
Relat.
97* a.
Feucht.
3l/*P.
Wind-
stärke
Sonnensch.
Stunden
Rei
Menge
gen-
Tage
December . .
34-2
5.6
15-5 ' 6o
46
2.2
308
88
8.2
Januar .
373
7.8
15.8
64
50
*-5
336
9i
7-2
Februar
35-6
8.2
16.2
63
45
i-5
319
26
3-o
März
35.3
6.1
14.3
74
57
1.7
267
96
7-5
April
1; 294
2.1
12.6
78
68
1.6
224
131
8.2
Mai .
23.8
— 1-3
II. I
82
70
1.2
188
83
7.0
Juni .
21.8
— 2.8
10.2
90
77
i-7
142
125
1 1.0
Juli . .
! 23.4
—3-1
10.2
88
73
2.1
I71
82
9-7
August .
, 26.9
°-3
10.8
83
73
2.1
200
87
8.8
September
29.2
07
II. 2
79 66
2.5
204
126
9.2
October
293
2.3
12.6
76 ; 67 i 2.1
252
71, 9.0
November
31.9
4.7
13.4 69 | 57 | 1.9
294
101 j 6.8
J*
ihr.
i
1 107
95-°
490
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Der Februar 1884 hatte eine mittlere tägliche Amplitude von 17.8°,
war aber auch sehr trocken (mittlere Feuchtigkeit bloss 33%), mit 1.3 mittlerer
Bewölkung und 338 Stunden Sonnenschein. Häufiger Wechsel zwischen
extremen Feuchtigkeitsgraden gehört zur Charakteristik von San Jorge. Der
Regen fällt meist in einzelnen heftigen Güssen. Die Zahl der Regenstunden
ist in Central-Uruguay sehr klein.
(Meteorolog. Zeitschrift 1886, S. 324.)
Tabelle XVI.
Matanzas. 340 49' S., 580 37' W. (12 Jahre.)
1
7 a.
Tempei
2 p.
ratur
Mittl. Extr.
Rel. Fei
7 a.
ichtigkeit
2 p.
Regen-
menge
| Kalmen
1 in°o
Januar
. . . I
234
30-9
38.4— 16.1
68
60
92
1 5
Februar
21.3
19.6
30.0
36.5— 14.1
69
60
58
1 7
März .
• • 1
27.5
34.0—12.3
70
60
97
1 9
April .
• 1
13.6
10.1
21.4
27-4— 5-7
67
59
83
1 2
Mai .
• • i
18.0
23-4— 3.1
20.6 — 1.6
64
61
73
i 0
Juni .
• •
8.5
151
62
61
73
0
Juli .
• • • ;
8-3
^•o
21.2 — 1.7
61
64
55
0
August
• • :
9.8
17-3
25.1 — 2.6
66
66
64
0
September . .
"•3
18.6
26.9— 4.5
67
67
^3
0
October . . . i
x5-4
19.6
22.2
28.9— 8.3
70
68
7i
0
Novembe
Decembe
r • ■
26.4
33.5 — II-7
69
65
69
0
r . .
22.1
29.3
36.6-13.8
70
65
110
0
Jahr: j
1
928
(Meteor. Zeitschr. 1894, S. 356.}
Tabelle XVII.
iß. Antonio de Areco
|| (2 Jahre)-
l'34°i2'S.,59°3o,W.,
|l 43 m ü. M.
Januar .
Februar
März
April
Mai .
Juni
Juli .
August
September
' Temperatur | Regen
1 22.6 114
1 16.0
il 12.4
I 10. o
~ 9-5~
I *JS_
i 12.7
32
9i
3i
72
26
S a 1 a d o.
35°44'S., 59° 5' W.,
15 m ü. M.
Temperatur
21.7
22.0
^9-3_
14.2
8.8
10.6
12.2
Regen
39
_4Q_
_4i_
60
HL
47
_47_
"56
Dolores.
36°i9'S.>58°2orW.
10 m ü. M.
Temperatur Regen
21.2 1 121
21.6
19 I
!5-2
12.2
8-9
IO.6
12. 1
122
37
36
J_-$ 1 73
41
60
~45~
Andere
Pampas-
ortschaften
Jährl. Re-
genmenge
Az-
acucho.
37° r *•
6356
mm.
Bahia
blanca.
450 mm.
m. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln. aq\
Tabelle XVII (Fortsetzung).
October .
16.1
81
15-7
58
15.2
88
November . t
20.4
58
19.2
105
18.9
73
December. j
23.8
139
22.2
94
21.4
64
Jahr . . '
796
773
805
Zeitschr. der Gesellsch. für Meteorologie 1884, S. 382 u. 592.
Warmtemperirtes Dornholzklima.
Tabelle XVHI.
Oestliche argentinische Espinalgehölze.
I C 0 r d 0 b a.
310 25' S., 640 12' W., 437 m ü. M.
La Rioja. 290 20' S.,
670 15' W., 540 m ü. M.
|, Mittlere
Temperatur
Relat.
Feuchtigk.
~65
Regen-
menge
115
Sonnen-
schein (Std.)
Mittlere
Temperatur
Regen-
menge
Januar . . 23.0
306
25.7
33
Februar . 22.4
63
89
244
24.9
41
März . . 20 3
72
96
227
24.9
57
April . . 15.9
69
33
190
20.9
144
Mai. . . 12.9
67
16
229
17. 1
24
Juni . . 9.9
67
5
153
131
i5
Juli ... 10.0
60
2
191
9.8
2
August . . 12.7
55
9
229
9-7
7
September 15.0
55
25
187
12.8
17
October . 17.6
61
56
252
J5.3
24
November. 20.2
64
113
300
19.0
49
December. 22.3
63
107
277
23-5
44
Jahr . . 1
666 mm
457 mna
Tabelle XIX.
Westliche argentinische Espinalgehölze: Catamarca.
Temperatur
7 a. 2 p.
Rel. Keuch. Bewöl-
7 a. | 2 p. ! kung
Regen-
menge 1 Heiter
Wind- Kai-
Trüb Geschwind, men
Januar .
li 25.4^ 32.5
57
38
4.0
67
1 4
2
2.0
Februar
23-3
3°-7
61
~66~
39
__44_
46
3.7
27
! 4
2
1.9
März .
. '1 21.7
29-5
3-4
29
1 8
_ 3
7
i.9
April .
lS>* 1 234
7i
74
2.8
21
1 IO
i-5
Mai
10.9
21.2
3-1
1 1
1 20
1 J4
1
15
1.2
Juni
• 1, 6-7
14.1
81
59
5-o
6
1.0
"16
20
29
37_
35
492
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle
XIX
(Fortsetzung).
Juli . . .
! 7.5
17.4
68
38
3.1 0 18 I
2i-
I :
4!
4
1
1
i-5
1.6
1.8
23
2.8
2.8
: 33
August . .
1 10.9
15.6
i 18.6
21.8 62
39
2.7 | 4 | 27 |
35
September
24.9
27.6
55
32
3-3 | 2 23
1 20
October .
56
35
3-5 i 24 14 !
8
November
21.8
30.2
55 | 34
3-8 47 ' 19 '
14
December .
24.9
3"
54
37 i 3.9 i 32 i 8 1
18
Jahr . .
1
1 27° 1 !
1
!
Zeitschr. fiir Meteorologie 1884. S. 357.
Das extratropische östliche und südöstliche Australien
hat Regen zu allen Jahreszeiten, jedoch mit einem relativ
trockenen Winter (namentlich August); die Maxima sind an der
Küste im Spätsommer, im Inland im Frühjahr und Herbst. Die Regen-
menge ist, ausser an Gebirgshängen , für Regen wald zu gering. Das
Fehlen trockener Perioden in den Frühjahrsmonaten und deren günstige
Temperaturverhältnisse geben dem Klima das Gepräge eines guten Gras-
flurklima und die Milde des Winters ermöglicht, trotz seiner relativen
Trockenheit, den Baumwuchs. Dementsprechend ist der Vegetations-
typus derjenige der Savanne und geht an der Küste, ent-
sprechend der Zunahme der Niederschläge, in Savannenwald, im Innern
hingegen, mit der Abnahme der Niederschläge, in Steppe über, welche
ihrerseits, mit zunehmender Trockenheit, durch Wüste ersetzt wird.
Tabelle XX.
Warmtemperirtes Grasflurklima.
Extratropisches Südost- und Ostaustralien.
Höhe
Neusüdwales. Küste :
Lismore 2 8° 50' S.
Sydney 330 51' S. .
Neusüdwales. Innere :
Narrabi 300 20' S.
Dubbo 3 20 18' S.
Deniliquin 350 32' S. .
Victoria. Küste:
Gabo Island 370 35' S.
Portland 3 8° 2ir S.
Victoria. Innere :
Sandhurst 360 47' S.
Echuca 3 6° 5' S.
*5
45
230
260
Temperaturmittel
Januar April j Juli , October
25.4
21.4
28.6
25.0
95
*5
10
24.0
18.1
17.2
230
100
22.3
23.8"
20.9
14.1
21.9
27.6
10.9
16.9
19.8
9.8
20.8
17.2
8.2
16.8
16.3
7.8
15.7
16.0
10.4
13.4
14.6
10.0
_I4_ll
_L5^_
7.7
14.2
*S-1
8.7 | i5-°
Regen-
menge
Jahr
257
128
59
44
96
82
57_
47
DI. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
493
Tabelle XX
(Fortsetzung).
Regenverhältnisse: Neusüdwales
Victoria
Ort
i Küste Bergland
Inland
Inland
Küste
S. Br.
i. 30.3 35-1 ' 34.5
31.3
31.6
34-4
36.9
38.5
E. L.
152.5 150.6
149.5
148.3
144.2
144.6
I45-I
I45-0
Januar
. ' 10.3 I 7.9
8.4
9.4.
9.9
7.3
6.3
9.0
5.9*
6.4
7.3
5-6
Februar .
12.8*
1 12.4
10.6
10.2
9-5*
8.1
7.2
8.1
~~9.6~
11.3*
10.0
5-4*
März . .
io-5
8.2
9.0
12.7
6.1
April .
| 9.6 1 11.7*
7.8 9.9
7.5 IO-2
io.3_
9.2
9-1
8.7
8.1
Mai . .
10.4 *
.10.5*
7.2
9-3
9.6*
7.9*
10.7
Juni .
8.1
8.5
10.9*
Juli . .
6.9
1 5.4*
1 6.0
"'-6.8
7.7
7.4
7.0*
9.0*
5.9*
6.6
5.6*
9-9
August
5-1*
6.7
7.2*
7.0
5.6*
7.8 '
8.9*
7-4
8.5
8.9
8.6
95
10.9*
74
9.8
September
7.6
7-5
9-9
October .
93*
8.0
5-5
9-3
November
9.1
7-9
8.0
7.8
December
I 8.7 ■ 5.8*
7.8
5.1*
6.5
Jahr . cm
1 | 127
in
90
61
35
42
58
85
Hann, Handb. Hl, S. 399.
§ 6. Winterfeuchte warmtemperirte Gebiete. Mehrere Klima-
gebiete der nördlichen und südlichen warmtemperirten
Gürtel besitzen ein ähnliches Klima wie Südwestafrika
und diesem Klima entspricht stets ein ganz ähnliches
ökologisches Gepräge der Vegetation. Das immergrüne
Hartlaubgehölz ist für sie charakteristisch.
Zu den erwähnten Gebieten gehört das südwestliche und
südliche Australien.
Klima der warmtemperirten Hartlaubgehölze.
Südwestliches Australien.
Tabelle XXI.
Perth. 14.3 m ü. M. Jahr 1880.
1 Tempe
I Mittel 1
Max.
. . j 36.1
ratur S.
tägliches
Min.
18.9
17.2
Relative
Feuchtig-
keit
Re
Menge
gen-
Tage
Be-
wölkung
Januar . . .
64
7
5
3-9
Februar
• • 32.8
67
18
4
6.3
März . . .
. . 26.7 ; 15.0
73
29
6
4-7
April . . .
. . 25.0
12.2
68
84
12
13
5-5
Mai ....
. . 21. 1
9-4
82
80
85
4.2
Juni . . .
. . 18.3
6.7
182 16
3-4
494
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle XXI (Fortsetzung).
Juli . . .
•
i 18.3
6.7
74
95
10
3.2
August ...
| i8.9
8.3
75
159
17
6.1
September . . .
22.2
1
9-4
66
65
14
4-2
October .
1
22.2
8.9
7i
26
9
4.0
November.
.
1 26.7
12.8
64
54
7
3-4
December. . . .
I 30-0
13-9
69
2
3
2.3
Jahr:
!
7i
806
116
Nach 5 jähriger Beobachtung ist zu Perth die mittlere jährliche Regen-
menge 822.
10 Stationen in 1879: Fremantle 655, Albany 770, Vaste 604, Bun-
bury 785, Geraldton 472, Guilford 891, Newcastle 312, Northam 211,
York 317, Sinjarrah 754. Zeitschr. d. österr. meteorol. Gesellschaft 1883, S. 285.
Grosse klimatische und pflanzenökologische Ana-
logie zeigt sich zwischen den eben geschilderten Ge-
bieten und dem mittleren Chile. Der Karroowüste entspricht
die Wüste Atakama. Südlich von der letzteren werden die Nieder-
schläge reichlicher und nehmen mit der Entfernung vom Wendekreise
fortdauernd zu. Santiago hat 33 cm, das etwas südlicher gelegene
Talka 53 cm. Diese Regen fallen vorwiegend im Winter, der Sommer
ist regenlos.
Klima der warmtemperirten Hartlaubgehölze.
Mittleres Chile.
Tabelle XXII.
Santiago de Chile.
1 Temperatur
1' Mittleres
|! Max. | Min.
Rel. Feu
Mittel
"~6t~
chtigkeit
Mittleres
Min.
34
Re
Menge
5
igen-
Tage
0.9
Heitere
Tage
December
., 29.7
8.8
21.2
Januar . .
• !' 30.4
10.4
69
39
1
1.0
23.3
Februar
• i; 29.4
9.1
72
41
3
0.9
2 1.0
März .
. | 286
6.8
75
38
5
1.1
20.4
April .
.!' 2Y.3
3-3
80
83
42
24
3-2
I5-1
Mai
. I1 21.8
1.1
4i
47
5-7
"•3
Juni
. 1; 18.3
0.6
87
45
67
6.1
8.5
Juli . .
. , 18.4
or8
87
49
81
8.6
9-3
August
. . 11 20.3
0.7
85
5°
37
6.1
10.6
Septembei
. |i 22.5
2.0
84
40
38
6.3
11.6
October
. . , 24.8
4.2
79
42
14
3-7
12.2
November
. 28.3
6.7
73
38
6
i-3
17.7
F
1
1
327
44-9
1 182.2
und noch 73.1 halb-
heitere Tage.
HL Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
495
In der nördlichen Hemisphäre befindet sich das ausgedehnteste
der Winterregengebiete, dasjenige der Mittel meerl an der. Im nörd-
lichen Theile sind allerdings vorwiegend Spätherbst und Frühjahr
feucht, doch ist das, bei der schon niedrigeren Temperatur, ökologisch
ohne Bedeutung.
Die Regenmenge ist sehr ungleich. Sie beträgt meist zwischen
60 und 90 cm, erhebt sich jedoch stellenweise etwas über 100 cm,
während sie im östlichen Theil des afrikanischen Küstengebiets so tief
sinkt, dass die Wüste sich bis an das Meer erstreckt.
Die Vegetation besteht wiederum aus Hartlaub-
gehölzen.
Klima der warmtemperirten Hartlaubgehölze.
Mittelmeergebiet.
Tabelle XXIII.
Nikosia, im Innern von Cypern.
Januar
-=■-
!: Temper.
Mittel
Mitt
Max.
leres
Min.
Relative
Feuchtigk.
Be-
wölkung
Regen-
Menge | Tage
i 10. 0
23.0
0.2
84
4.6
IOI
11.8
Februar
9.8
21-5
— 0.1
84
5-i
94
11.8
März.
1 12.8
24.7
2.4
81
4.0
31
7-4
April
1 16.7
29.2
3-8
78
3-7
29
4.5
Mai .
20.9
32-4
7.9
74
2.5
16
4-3
Juni .
25.0
37.8
H.3
67
1.1
10
1.4
Juli .
Il 2<5*8
38.3
131
68
0.8
3
o-3
August
' 27.8
39-4
14.0
66
o.7
2
°-5
September .
26.0
38.1
12.3
73
1.0
1
0.6
October . .
' 22.0
34.2
8.7
76
i-9_
3-4
3.7
9
2.3
November .
16.2
29.0
41
82
5°
6-5
December .
12.3
25-3
1.1
85
59
7.8
J
ahr
h
405
Meteorolog. Zeitschr. 1889, p. 427.
Tabelle XXIV.
Athen. (1859 — 1882.)
December .
Januar .
Februar
Temperatur
Mittleres
Mittel
~9.8~7~
Maximum
8.20
8.89
12.81
10.87
12.63
Minimum
7.66
Mittlere
Regenmenge
69.4
3-97
5-°9
526
37-9
Regen-
tage1)
Trübe
Tage
10.9
"9.8'
8.0
J'3
_5'°
4.0
l) Mit messbarem Niederschlag.
496
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle XXIV (Fortsetzung).
März
• • {! 11.33
14.19
6.64
36.7
8.2 1
4-3
April .
• 1 i5-°4
17.80
10.69
19.1
6-3
i.9
Mai. .
• IO-95
22.24
17.53
24.5
1
5-i
1.0
Juni . .
24.45
26.65
22.75
10.8
23
°-5
Juli . .
. j! 27.00
28.19
2536
7-4
1.6 !
0 1
August .
. 26.75
28.91
25.68
10.7
1.9 ,
0 1
September.
. 23.42
25.67
20.19
'5-4
2.6 '
0.4
October
• 1 iß-75
20.74
16.63
53.i
7.i 1
2.1
November .
. I 14.02
12.67
8.74
70.4
8.9
3-8
Ja
hr: ||
408.0
72.8 |
Tabelle XXV.
Rom.
,1 T
'1 Mittel
emperat
M. Min.
ur
M.Max.
Regen-
Menge | Tage
Bewöl-
kung
Relat Wind-
Feuchtig.l^^
December . | 7.4
— i-3
16.0
82
"•5
5-2
7 5 204
74 | 200
Januar
.
6.7
— 1.8
15-3
74
11.8
5.0
Februar .
t
8.1
— o.5
16.7
60
IO-5
4.9
73 , 180
März . .
10.3
i-3
19.0
64
"•5
5-5
68 226
April . .
H
13.9
4-7
231
60
10.6
4.6
_65 iSg_
_6J i_95__
61 1 197
Mai . .
1
17.9
8-5
28.5
55
9-7
43
Juni . .
1
21.9
12.8
~^5^~
31-3
38
7-5
3-5
Juli . .
24.6
34.o
17
3.6
1.8
56 210
August .
1 24.3
14.9
34-2
30.6
29
5.o
2.1
_5^_ J_I99_
64_ ' _*77
71 181
74 : 201
September ,
1
21.3
11.8
70
8.6
3-4 1
4.6 1
October .
1 16.6
6.6
26.0
106
11. 1
November
li 10.9
1.2
20.0 | 114
12.8
5-4
Jahr . .
1
769
1
Meteorol. Zeitschrift Bd. in, S. 409.
Tabelle XXVI.
Malaga. 360 43' n. B., 40 27' w. L., Seehöhe 23 m
Relative
Temperatur
Mittlere | Monatl.
Extreme Feuchtigk.
Januar 21.2
Februar .... 23.9
März 24.6
April ! 27.8
I
3^5_
6.4.
8.6
70
_6o
68
TT
Regen-
Menge I Tage
~76~~
_J°_
68
Wind-
starke
Tage ' T*&
4.9
J7_
__4J_
2.2
7.1
2.2
7.1
2.3
Heitere
J.2.S
1 1.0
10.0
III. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln.
497
Tabelle XXVI (Fortsetzung).
Mai . .
i 31. i
11. 0
61
28
4.3
1.2
16.3
Juni . .
35-2
15-3
60
13
1.9
O.8
22.2
Juli. . .
38.0
18.3
62
3
0.8
0^8
0.3
25-5
August. .
38.7
18.1
62
5
O.6
23.8
September
34-3
15.0 ,
62
27
1.8
1.8
26.O
October .
29 0
10.2 |
65
64
4-6
3.8
13-8
November
. 25-5
6.6 |
3.o 1
68
87
4-6
2.2
I4.0
December
21.6
70
I02
5.8
2-3
I4.0
Jahr . .
I
|
607
46.2
20.8
173.9
Tabelle XXVII.
Lissabon.
Mittlere
Temperatur
Relative
Feuchtigk.
Bewölkung
(0— 10)
Verdun-
stung
Reg
Menge
'en-
Tage
December .
! 10.2
79
5-°
57
91
12.6
Januar .
10.3
81
5.7
55
98
J5-4
Februar
10.9
76
5-o
69
94
I2-5
März . .
12.4
70
4-7
118
88
12.0
April . .
14.6
70
5.o
141
48
97
Mai . . .
16.6
69
4.6
172
56
10.0
Juni . .
i9-5
64
33
244
14
4.7
Juli . . .
21.2
62
2.0
263
3
1.8
August . .
21.7
61
1.9
270
9
2.0
September
19.9
67
36
189
34
87
7.2
October .
16.9
73
4.8
121
1 1.0
November
i3.5
78
5.4
74
109
13.0
Jahr . .
|;
73i
Tabelle XXVIII.
Tanger.
Temperatur
7 h. I 12 h. I 9 h.
Tage
heiter I trüb
Regen-
Menge I Tage
Stürme
December
11. 2
14.5
.12.3
11
11
1 10
10. 0
3
Januar
. 11.6
152
12.6
9
13
118
11.7
6
Februar .
. 12.5
16.1
132
9
10
90
12.0
4
März . .
. 13.5
17.0
13.9
10
1 1
128
15-2
6
April . .
. 15.0
18.1
l5-1
9
9
119
13.2
4
Mai . .
- 179
21. 1
17.6
14
7
63
8.2
5
Schimper, Pflanzengeographie.
32
498
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle XXVIII (Fortsetzung).
Juni . . .
2I.O
24.O
20.2
17
3
7
2-5 3
Juli . . .
23.O
26.3
22J
21
4
3
1.7 1 4
August . .
231
27.2
2 3.4
21
4
9
0.8 , 4
September .
2O.4
24.4
2I.O
18
3
10
2.2 1 3
Oktober . . [
17.3
2I.O
I8.I
12 '
9
85
9-3 1 3
November . 1
14.3
18.2
15.4
II
9
73
7-5 2
Jahr:|
l62
93
815
1
(Meteorolog. Zeitschr. Bd. IV, 1887, S. 27.)
Die nördliche temperirte Zone besitzt im Küstenland Kaliforniens
ein zweites Gebiet der Winterregen und trockenen Sommer,
welchen wiederum eine xerophile Vegetation von Hartlaub-
hölzern entspricht.
Die jährliche Regenmenge beträgt in San Francisco 55 cm, in
Monterey 40 cm, die procentige Vertheilung desselben auf die Monate
ist nach Woeikof für ganz Kalifornien:
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli ' Aug. Sept Oct. Nov. Dec.
20 14 16 84 0.3 0.1 0.1 0.5 2 11 24
Vollständige klimatische Tabellen wie die im Vorhergehenden mit-
getheilten scheinen für Kalifornien nicht zu existiren. Die mittlere
Temperatur des Winters ist in San Francisco 10,5, diejenige des Som-
mers 14,8.
§ 7. Schlussfolgerungen. Die drei in diesem Kapitel unterschie-
denen Formen des Regenklimas in den warmtemperirten Gürteln können
in Bezug auf die Existenzbedingung der Vegetation auf zwei Typen
zurückgeführt werden. Der erste Typus setzt sich, meteorologisch be-
trachtet, allerdings aus sehr heterogenen Elementen zusammen, indem
er Gebiete mit ungefähr gleichmässiger Feuchtigkeit mit solchen, die
vorwiegend Winter- und Frühsommerregen, aber trockene Spätsommer
und solchen, die trockene Winter und nasse Sommer besitzen, zu-
sammenfasse Der gemeinsame Zug besteht darin, dass hohe, der Vege-
tation günstige Temperaturen mit reichen Niederschlägen, wenn auch
nur im Frühsommer, zusammenfallen. Das Klima ist demnach
während der warmen Monate tropenähnlich und verleiht
der Vegetation tropenähnlichen Charakter.
Wir finden hier der tropischen ganz ähnliche Vegetationstypen
und an ähnliche Verhältnisse der Hydrometeore gebunden. Sehr
reiche Niederschläge bedingen das Auftreten des temperirten
Regenwalds, weniger reiche, aber während der Vegetationszeit,
namentlich des Frühsommers häufige Regen dasjenige der Grasflur
und zwar, wegen der milden Wintertemperatur in der tropischen Form
der Savanne, welche, bei zunehmender Regenmenge, zunächst in
IQ. Gehölzklima und Grasflurklima in den warmtemperirten Gürteln. aqq
Savannenwald übergeht. Unregelmässige durch Trockenzeiten
unterbrochene Niederschläge in der Vegetationszeit schliessen die
Grasflur aus und bedingen das Auftreten des genügsamsten aller
Gehölztypen, des Dorngehölzes, als Wald, Gebüsch oder Gesträuch.
Noch grössere Trockenheit fuhrt zur Wüste.
In den zum zweiten Typus gehörigen Gebieten fallt die Regen-
zeit mit den kühlen Wintertemperaturen zusammen. Letztere liegen
aber für eine Anzahl vegetativer Processe, namentlich für das Wachs-
thum, unterhalb des Optimum, in einigen der hierher gehörigen Gebiete
sogar zeitweise unterhalb des Minimum. Der Sommer ist sehr trocken.
Solche klimatische Bedingungen sind auf die betreffenden
Klimagebiete der warmtemperirten Gürtel beschränkt
und dementsprechend ist der ökologische Charakter
ihrer Vegetation, nämlich die Herrschaft der immer-
grünen xerophilen Gehölze, ohne Analogon in den
tropischen Zonen und den winterkalten Gürteln der
temperirten.
Literatur,
Die meteorologischen Tabellen sind aus: Zeitschrift der öster-
reichischen Gesellschaft für Meteorologie 1866 — 1885 (I — XX)
und: Meteorologische Zeitschrift der deutschen und meteoro-
logischen Gesellschaft 1882 — 1896. —
Die allgemeinen Darstellungen stützen sich namentlich auf: Hann,
Handbuch der Meteorologie. Zweite Auflage. 1897. Drei Bände, und des-
selben Verfassers Atlas der Meteorologie. Gotha 1887. Für Südafrika wurde
benutzt: K. Dove, Das Klima des aussertropischen Südafrika. Göttingen
1888.
32*
IV. Die immerfeuchten und die sommer-
feuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel.
1. Die subtropischen und die temperirten Begenwälder. § i. Die sub-
tropischen Regenwälder. Charakter. Verbreitung. Süd -Brasilien. Nord -Argentinien.
Golfktiste und Florida. — § 2. Der temperirte Regenwald im Allgemeinen.
Oekologischer und floristischer Charakter. Verbreitung. — § 3. Der neuseeländische
Regenwald. Darstellung Hochstetter's. Oekologische Merkmale nach Diels. — § 4.
Der australische temperirte Regenwald. — § 5. Der temperirte Regen-
wald in Süd-Japan. — § 6. Der temperirte Regenwald in Süd-Chile. Val-
divien nach PhilippL Juan Fernandez nach Johow. 2. Die xerophilen Gehölftforma-
tionen der warmen temperirten Gürtel. § 1. Dorngehölze. Charakter und
Verbreitung. „Espinalformation" in Argentinien. — § 2. Savannen wälder. Cebilwalder
in Nord -Argentinien. Eucalyptus -Wälder in Australien. 3. Die Grasflurformationen
der warmtemperirten Gürtel. § 1. Verbreitung. Nördlicher Gürtel. Savannen
in Texas und Neu-Mexico. — § 2. Südafrikanische Grasfluren. Thode über
Britisch -KafTrarien. Transvaal. — § 3. Die Pampas. Schilderung durch Lorentz. —
§ 4. Die australischen Grasfluren. Die südaustralischen Savannen nach SchomburgL
1. Die subtropischen und die temperirten Regenwälder.
Die Gebiete mit reichlichem Regen zu allen Jahreszeiten (mindestens
120 cm) sind in den wintermilden Gürteln der temperirten Zonen,
ähnlich wie in den Tropen, von Regen Wäldern, d. h. von immer-
grünen, hygrophilen Wäldern, auf sandigem Boden oder in Sümpfen
jedoch von Nadelwäldern eingenommen.
§ 1. Der subtropische Regenwald. Der tropische Regen wald
überschreitet* stellenweise die Wendekreise, zunächst ohne seine
charakteristischen Eigenschaften einzubüssen, dann unter allmählicher
Verarmung des Formenreichthums und Abnahme der specifisch tropischen
Eigenthümlichkeiten, wie Grossblätterigkeit, Plankengerüste, Holzlianen
und Holzepiphyten, Epiphyllen, Cauliflorie, Wasserkelche. Das Auftreten
einiger temperirter Formen verleiht diesen Schlussabschnitten der
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VM ' :
Fig. 238. Subtropischer nord mexikanischer Regenwald der Niederung, in Misantla.
Platanus sp. mit kletternden Araceen. Nach einer Photographie von Herrn Dr. G. Karsten.
Verlag von QutUv Fltoher, Jena.
Reproduktion von J. B. Obernetter, München.
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 50 1
tropischen Regenwälder, die man als subtropische bezeichnen
kann, ein auch nach der positiven Richtung hin etwas abweichendes
Gepräge. Zu den subtropischen, d. h. abgeschwächten tropischen
Regenwäldern gehören diejenigen Nord-Mexiko's (Fig. 238), der Südspitze
Florida's und der benachbarten Key Inseln, vom südlichsten Brasilien
(Rio Grande do Sul), des Ostabhangs der Cordillere in Nordargentinien
(Oran, Tucuman), die spärlichen Regenwälder Natal's, wohl auch die
etwas abweichenden Wälder in Queensland und Neu-Süd-Wales. Die
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TL
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1
Fig. 239. Ficus aurea im subtropischen Regenwalde Florida's. Aus „Garden and Forest."
Grenze ist namentlich gegen die nachher zu besprechenden viel eigen-
artigeren temperirten Regenwälder schwer zu ziehen ; manchmal stellen
solche subtropische Regenwälder das Bindeglied zwischen letzteren und
den tropischen Regenwäldern dar.
Der tropische Regenwald der brasilianischen Küste in St. Catarina bei
etwa 27 ° s. B. erschien mir nicht weniger üppig und formenreich, durch die
charakteristischen ökologischen Elemente des Tropenwaldes nicht minder aus-
gezeichnet, als die Wälder von Rio de Janeiro, oder diejenigen von Trinidad
S02
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
(n°n. B.). Erst in Rio Grande do Sul tritt nach Ihering eine starke Verarmung
an tropischen Formen, verbunden mit dem Auftreten neuer, nicht tropischer
ein, während gleichzeitig das tropische Gepräge durch Abnahme der Lianen
und Epiphyten sich verwischt Sein südliches Ende erreicht dieser Wald
zwischen dem 310 und 320 s. B., an den letzten Abhängen der Serra dos Taypes.
Wie der brasilianische, setzt sich auch der bolivianische Tropenwald
unter allmählicher Verarmung und Hinzutreten temperirter Formen über den
Wendekreis hinaus fort, hört aber bereits zwischen dem 27 ° und 28° s. B. in
Tucuman auf. Die auch hier eintretende Verarmung des Typus zeigt sich
Fig. 241. Subtropischer Regenwald (Eichenwald) in Louisiana. Quercus vircns.
Arundinaria macrosperma (Cane). Nach einer Photographie.
Links:
namentlich in der Abnahme der Mannigfaltigkeit und Stattlichkeit der Holz-
lianen und der phanerogamischen epiphytischen Flora, welch' letztere in
Tucuman nur noch wenige Orchideen (Oncidium) , neben einigen Rhipsalis-
und Peperomia - Arten und den herrschenden Bromeliaceen aufzuweisen hat
Die Bäume wachsen, in höherem Maasse als in den eigentlichen, nachher zu
besprechenden temperirten Regenwäldern, in bunter Mischung und erreichen
stattliche Dimensionen. Ein reiches, theils kleinblätteriges, theils grossblätte-
riges Unterholz aus Dicotylen — Baumfarne und Bambusen fehlen — füllt die
Zwischenräume mehr oder weniger aus.
Die stattlichsten Bäume im Regenwalde von Tucuman sind nach Lorentz
namentlich: Machaerium fertile (wird bis gegen 150' hoch), Nectandra por-
£-3 V
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IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 503
phyria, Juglans nigra L. var boliviana D. C. , Cupania uruguensis u. C. ver-
nalis, Cedrela brasiliensis v. australis, Acacia -Arten, Eugenia Mato und Eu.
uniflora, Myrsine floribunda und M. marginata, Chorisia insignis (eine Bom-
bacee mit angeschwollenem, stacheligem Stamme), Pentapanax sp. , kleine
Bäume sind u. a. Terminalia sp. (Lanza amarilla), Ruprechtia excelsa, Schmi-
delia edulis, Achatocarpus nigricans, Erythroxylum ovatum, Candia pubes-
cens, Kageneckia amygdalifolia, verschiedene Solanaceen wie Jochrona arbo-
reum, Solanum verbascifolium und pulchrum etc.
Unter den noch nie-
drigeren, mehr oder weniger
strauchigen Holzgewächsen un-
terscheidet Lorentz hartholzige,
die zuweilen baumartig werden,
und festere, kleinere Blätter
haben (Celtis Tola, C. acumi-
nata, Acacia tucumanensis, diese
drei stachelig und mehr lianen-
artig; Enkea Sieberi; Pisonia
hirtella, Abutilon niveum etc.),
von solchen, die bei niederem
Wuchs wenig holzig und breit-
blätterig sind (Phytolacca bogo-
tensis, Celosia major, Chamissoa
celosioides , Acalypha cordi-
folia, Phenax urticifolius, Boeh-
meria caudata, einige Sola-
neen etc.).
Die grössten Lianen sind
Bignoniaceen. Ausserdem klet-
tern im Walde verschiedene
Leguminosen , wie Canavalia
gladiata , Desmodium adscen-
dens, Colagonia australis, Rhyn-
chosia melanosticha ; Euphor-
biaceen (Tragia volubilis und
dodecandra) ; Malpighiaceen
(Heteropteris glabra , Janusia
guaranitica) ; Sapindaceen (Serjania fulta und foveolata) ; Cucurbitaceen (Cyclan-
thera tamnifolia, Prasopepon cucumifolius, Sicyos montanus). Die krautige Flora
des Bodens ist arm ; sie setzt sich zusammen aus einigen Farnen, breitblätterigen
Gräsern, der Phytolaccacee Petiveria alliacea und anderen meist unscheinbar
blühenden Dicotylen.
Auch die nördliche Fortsetzung des tropischen Regenwalds an der
amerikanischen Ostküste, in Mexiko, Louisiana, Florida zeigt noch rein
tropische, dem nachher zu schildernden autochthonen temperirten Regen-
wald fremde Erscheinungen, wie kletternde Araceen — die sich auf
Fig. 242. Subtropischer Regenwald in Mittelflorida.
Sabal Palmetto. Nach einer Photographie.
5<H
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
unserer Fig. 238 an Platanen, also einer temperirten Baumform kletternd
zeigen, baumartige epiphytische Feigen vom Banyantypus aber
von weniger mächtigen Dimensionen (Fig. 239) etc. An der Küste von
Louisiana und im mittleren und nördlichen Florida sind die tropischen
Anklage in Flora und Oekologie viel schwächer, immergrüne Eichen
(Quercus virens) (Fig. 241) werden vorherrschend, die Palmen gehören
temperirten Sabal- Arten an und nur eine, S. Palmetto erreicht Mittel-
höhe (Fig. 242), die Epiphyten bestehen nur noch aus wenigen krautigen
Formen, von welchen eine allerdings die Landschaften oft beherrscht,
die auch in den Tropen
und den nördlichen tem-
perirten Zonen Amerikas
allgemein verbreitete Til-
landsia usneoides (Fig. 240).
Der Laubwald tritt übrigens
in den feuchtwarmen tem-
perirten Gebieten Nord-
amerika^ sehr zurück, in-
dem edaphische Einflüsse
das Auftreten von Nadel-
wäldern bedingen (Pinus-
Wälder (Fig. 244) auf Sand-
boden, Taxodium distichum
(Fig. 48) in Sümpfen).1)
Ich fand den subtropi-
schen Regenwald in Nord«
und Mittelflorida hauptsäch-
lich charakterisirt durch
die immergrüne Lebenseiche,
Quercus virens, zu welcher
die höchsten Bäume gehören,
durch Magnolia grandiflora,
die mit ihren grossen, glan-
zenden Blättern an manche
tropischen Feigenbäume er-
innert, im April aber von riesigen, weissen Bltithen geschmückt ist; ferner
durch Sabal Palmetto R. et S. , eine kleine, aber schlanke Fächerpalme,
endlich nicht am wenigsten durch Tillandsia usneoides, die auf dem Walde
einen grauen Schleier ausbreitet. Das reich entwickelte Unterholz be-
steht oft nur aus Zwergpalmen (Sabal Adansonii, serrulata), sonst aus sehr
verschiedenartigen Sträuchern, die zuweilen in ihrer Blattgrösse nicht weniger
als in ihrer systematischen Stellung an Sträucher des tropischen Regenwaldes
erinnern (z. B. Styrax grandifolium Ait.). Die holzigen Lianen sind wenig
Fig. 243. Aus dem subtropischen Regenwald in
Mittelflorida. Nach einer Photographie.
») Vgl. Kapitel VIII.
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IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 505
verschiedenartig; am meisten fällt im ersten Frühling durch ihre grossen,
gelben, duftenden Blüthenglocken Gelsemium sempervirens (Loganiaceen) in
die Augen, in allen Lichtungen, namentlich am Ufer der Flüsse. Epiphyten
sind ausser Tillandsia usneoides noch einige andere Tillandsien, theils die
schmalblätterige T. recurvata, theils Arten vom gewöhnlichen rosettenfbrmigen
Habitus (T. utriculata See. etc.), eine kleine Orchidee, die nördlich bis Süd-
Carolina verbreitet ist (Epidendrum conopseum Ait), das noch weiter nach
Norden dringende, massenhaft auftretende Polypodium incanum, Polypodium
aureum, dessen grosse Wedel meist die beschuppten Stämme des Palmetto
schmücken, und die zierliche Vittaria lineata, die mit Vorliebe zwischen den
weissen Moospolstern des ebenfalls tropischen Octoblepharum albidum ihre
schmalen Blätter erhebt.
Die Kiefernwälder bestehen ganz vorwiegend aus Pinus australis Michx.
(Pinus palustris L.). Sie sind sehr licht und besitzen ein gestrüppartiges
Unterholz, in welchem namentlich kleine Sabal- Arten (S. Adansonii und
serrulata) massenhaft aufzutreten pflegen.
§ 2. Der temperirte Regehwald. Während die eben geschil-
derten verarmten und bald aufhörenden subtropischen Fortsätze der
tropischen Regenwälder relativ wenig eigenartiges bieten, tritt in
grösserer Entfernung der Wendekreise, theil weise ebenfalls mit dem
Tropenwalde zusammenhängend und mit ihm durch Uebergänge ver-
bunden, theilweise in geographischer Isolirung, aber stets als ganz
selbständige Bildung innerhalb des Typus, der temperirte Regen-
wald auf.
Wie der tropische, ist auch der temperirte Regenwald wesentlich
von immergrünen hygrophilen Bäumen gebildet, denn darin liegt gerade
das wesentlichste Merkmal des Regenwaldes. Meistens jedoch treten
auch hier periodisch belaubte Bäume als untergeordnete Bestandtheile
auf, doch sind diese nicht mehr regengrüne, sondern sommergrüne
Bäume, wie z. B. Fagus obliqua in Süd-Chile etc.
Die Grossblätterigkeit der tropischen Holzgewächse ist im tem-
perirten Regenwalde selten. Meist sind vielmehr die Blätter klein
(Fig. 245), dabei von festerer, mehr lederartiger Beschaffenheit. Sie
sind unbehaart , oberseits gewöhnlich glänzend, ganzrandig oder wenig
zertheilt, zuweilen jedoch gefiedert, ohne „Träufelspitze" und enthalten
oft Wasserspeicher in Form von Wassergewebe, mehrschichtiger Epi-
dermis oder Schleimzellen; ihre Cuticula ist meist ziemlich dick. Solche
schwach ausgebildete Schutzmittel gegen Transpiration zeigen sich be-
kanntlich auch bei den Bäumen des tropischen Regenwalds. Der ganze
Charakter des Laubes weist jedoch im temperirten Regenwalde auf
etwas ungünstigere Bedingungen der Wasserversorgung hin, welchen
weniger sommerliche Trockenheit als die Erkaltung des Bodens im
Winter zu Grunde liegen dürfte.
Fig. 245. Blätter einiger der wichtigeren Laubbäume des neuseeländischen Regenwaldes.
/ Alseusosmia macrophylla. 2 Olea montana. 9 Nesodaphne Jawa. 4 Knightia excelsa.
5 Pittosporum Colensoi. 6 Pittosporum tenuifolium. 7 Metrosideros lucida. 8 Fagus fusca.
9 Hedycarya dentata. 10 Myrtus bullata. // Kleinmannia silvicola. 12 MjTsine Urvülei.
79 Coprosma foetidissima. 14 Phebalium nuduni. 75 Fagus Solandri. Nat. Gr.
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 507
Die bei tropischen Bäumen so häufigen Brettergerüste kommen im
temperirten Regenwalde nur ausnahmsweise vor. Epiphyllie, Cauliflorie,
Wasserkelche sind hier unbekannt.
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Das Unterholz zeigt oft ebenso dichten Wuchs als in den Tropen ;
dagegen entbehrt es der reichen Frondosität bei schwacher Ver-
zweigung, welcher namentlich die tropisch -amerikanischen und die
malayischen Regenwälder ihre unvergleiche Ueppigkeit zum grossen
508
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Theile verdanken. Aehnliches gilt von den Lianen. Auch sie sind
im temperirten Regenwalde beinahe stets reichlich vorhanden, aber nie
in der Mannigfaltigkeit und mit den mächtigen Dimensionen derjenigen
wärmerer Gebiete. Ein solches Bild der Abschwächung innerhalb des
gleichen Typus zeigt endlich ebenfalls die epiphytische Vegetation
(Fig. 246 und 248). Farne und Phanerogamen schmücken, wie im
tropischen, auch im temperirten Regenwalde stets Stämme und Aeste
der Bäume; aber ihre Armuth an Formen, ihre meist geringe Grösse,
welche Baumdimensionen nie erreicht (mit einer Ausnahme in Juan
Fig. 247. Astelia Banksii, blühend, ca. 1 m hoch. Neu -Seeland. Kew Gardens
Photographie durch Herrn J. Gregory, Plant photographer.
Fernandez), das Vorherrschen unter ihnen der genügsamen Farne
weisen auf weniger günstige Bedingungen hin.
Seiner floristischen Zusammensetzung nach stimmt der temperirte
Regenwald in der grossen Mannigfaltigkeit seiner Baumarten mit dem
tropischen überein; doch ist weit häufiger als in letzterem eine Art
oder eine Gruppe verwandter Arten vorherrschend. So wachsen in
demselben Quercus- oder Fagus- Arten gerne gesellig. Temperirte
Formen sind tropischen beigemischt ; letztere sind natürlich in Wäldern,
die mit denjenigen der Tropen zusammenhängen, zahlreicher als
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 509
etwa in den ganz isolirten Regenwaldgebieten Valdivia's und Neu-
seelands.
Die in ihrer Lebensweise am meisten an das tropische Klima
gebundenen Elemente des Regenwaldes, die farnartigen und phanero-
gamischen Epiphyten sind, innerhalb des temperirten Regenwalds, ganz
vornehmlich tropischen Ursprungs, weit mehr als die Bodenpflanzen;
ja, die Wälder Neuseelands und Valdiviens haben allein,
neben tropischen, einige wirklich autochthone Epiphyten
entwickelt, während die weniger feuchten Wälder Japans,
Australiens, Argentiniens und Nordamerikas nur tropische
Auswanderer oder aus. solchen hervorgegangene Arten
besitzen. Unter diesen befinden sich sogar die letzten Auswanderer
der tropischen Flora, wie Tillandsia usneoides (Fig. 240) und Poly-
podium incanum in Nordamerika.
Nur an wenigen Stellen ausserhalb der Wendekreise haben sich
die Bedingungen, welche das Gedeihen der Phanerogamen des
Bodens auf rissiger Baumrinde, diese erste Stufe bei der Entstehung
von Epiphyten , vereinigt gefunden — denn von dem gelegentlichen
Vorkommen von solchen in Höhlungen und dgl. ist natürlich abzusehen.
Namentlich setzte der epiphy tischen Lebensweise die Winterkälte ein
unüberwindliches Hinderniss entgegen, denn während derselben ver-
mögen die Wurzeln auf die Baumrinde fallende Niederschläge nicht zu
verwenden. Daher konnten nur solche Phanerogamen, die sich in den
Tropen an grösste Trockenheit angepasst hatten, Gebiete mit Winter-
kälte als Epiphyten besiedeln, vorausgesetzt dass sie, wie die oben
erwähnten tropischen Auswanderer in Nordamerika, tiefere Temperaturen
als solche vertrugen.1)
Ueber Structur und Lebensweise der Gewächse in den temperirten
Regenwäldern, namentlich in den interessantesten, weil isolirtesten der-
selben, denjenigen von Neu-Seeland und Valdivia, liegen bis jetzt nur
wenige an Ort und Stelle gemachte Beobachtungen vor.
Hochstetter entwirft folgende populär gehaltene Schilderung des
temperirten Regenwalds auf Neu-Seeland : „Betritt man den Wald, so
sind es abermals Farne, welche vor allem in die Augen fallen, herrliche
Farnbäume mit schuppenartig gezeichneten Stämmen und zierlichen
Kronen (Dicksonia und Cyathea), Hymenophyllen und Folypodien in
den mannigfaltigsten Varietäten, welche üppig den Stamm der Wald-
bäume bedecken, die seltsame Form des Nierenfarn (Trichomanes
reniforme), dessen runde nierenförmige Blätter am Rande ringsum auf
*) Solche erste Anfänge des Epiphytismus, nämlich das gelegentliche Vorkommen von
Bodenpflanzen auf Bäumen sind, nach Johow, in den Regenwäldern von Juan Fernandez
häufig, L c. S. 250.
5io
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
die zierlichste Weise mit Samenkapseln besetzt sind, Farnkräuter in
den Aesten und Zweigen der Bäume, Farnkräuter am Boden, lebendig
gebärende Asplenien (Asplenium bulbiferum), zarte Goniopteris- und
Leptopteris -Arten, kurz Farnkräuter in jeder Art und Zahl.
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Aber auch im Wald fast nirgends bunte Blüthen und Blumen, wenig
krautartige Gewächse, nichts als Sträucher und Bäume, Sträucher mit
unscheinbaren grünen Blüthen .... Nur wenige Bäume wachsen ge-
sellschaftlich, und nur in der Kauri-Fichte (Dammara australis), der
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 511
Kahikatea-Fichte (Podocarpus dacrydioides) und der Schwarzbirke (Fagus
fusca) haben wir einzelne Arten, die durch massenhaftes Vorkommen
oder durch besondere Gruppirung physiognomisch in der Landschaft
hervortreten. Ausser den Kauri-Wäldern des Nordens, den Kahikatea-
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Wäldern an sumpfigen Flussufern und dem Schwarzbirkenwald auf der
Südinsel lässt sie sichl daher nicht vergleichen mit dem individuellen Cha-
rakter unserer Fichten-, Buchen- oder Eichenwälder ....
„Zu den Hauptzierden des gemischten Waldes gehören die ver-
c 1 2 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
schiedenen Arten von Coniferen. Totara (Podocarpus totara) und Matai
(Podocarpus spicata) sind grosse, schöne Waldbäume, die man in je-
dem Walde antrifft, Rimu (Dacrydium cupressinum) zeichnet sich durch
hängende Blätter und Zweige, Tanekata (Phyllocladus trichomanoides)
durch seine petersilienartigen Blätter aus. Neben ihnen erhebt sich
die pappelähnliche Rewarewa (Knightia excelsa), zu den Proteaceen
gehörig, der Hinau-Baum (Elaeocarpus hinau), dessen Früchte das Lieb-
lingsfutter der Papageien sind .... Auch der Kowai (Edwardsia mi-
crophylla) mit seinen herrlichen gelben Schmetterlingsblüthen erreicht
in manchen Gegenden eine ansehnliche Grösse. Zu den grössten Wald-
bäumen gehören ferner mehrere Repräsentanten aus der Familie der
Myrtaceen und Laurineen, vor allem der Rata-Baum (Metrosideros ro-
busta), dessen oft 40 Fuss im Umfang messender Stamm stets mit
Schmarotzern aller Art bedeckt ist, und dessen Krone scharlachrothe
Blüthenbüschel trägt, ferner Kahikatoa (Leptospermum), Tawa (Laurus*,
Pukatea (Laurelia), Karaka (Corinocarpus) und viele andere. Das Unter-
holz bilden Gebüsche und Sträuchfcr der mannigfaltigsten Art, nament-
lich Panax- und Aralia- Arten , über welche die zierliche Nikau-Palme
(Areca sapida), die einzige Repräsentantin ihres Geschlechtes in Neu-
seeland, malerisch ihre saftig grüne Krone erhebt.4*
„Während diese Palme und die oben erwähnten Farnbäume durch
ihre Formen an tropischen Wald erinnern, verdankt der neusee-
ländische Wald seine tropenartige Fülle den zahllosen Schmarotzer-
gewächsen, Farnen, Pandanen (Freycinetia , Banksia) und Orchideen,
welche Stämme und Aeste bedecken, und den Schlingpflanzen (Rhipo-
gonum, Rubus, Metrosideros, Clematis, Passiflora, Sicyos etc.), welche
den Boden verstricken und namentlich sich in die höchsten Bäume
schlingen. Dadurch wird der Urwald zu einem undurchdringlichen
Dickicht, das mit dem Messer oder Schwert durchgehauen werden
muss für jeden Schritt, den man auf ungebahntem Wege darin machen
will. Auf den schmalen Pfaden der Eingeborenen arbeitet man sich
nur mühsam durch über das knorrige Wurzelwerk der Bäume und
durch die immer wieder nach kurzer Zeit den Durchgang versperrenden
Schlinggewächse . . . ."*) Reiche Mischung der floristischen Bestand-
teile verbunden mit grosser Ueppigkeit zeigt sich in Neu-Seeland vor-
nehmlich auf der Nord-Insel und nimmt im südlichen Theil der Sud-
Insel ab, indem Buchen immer mehr vorherrschen (Fig. 251).
Im Folgenden sollen einige Charakterzüge, hauptsächlich nach Diels' Unter-
suchungen, etwas genauer ins Auge gefasst werden. Die Coniferen nehmen
unter den Bäumen den ersten Rang, was die Individuenzahl betrifft, ein.
Eigentliche Nadelblätter kommen bei ihnen nicht vor, sondern theils dicht-
>) 1. c. S. 418.
IV. Die ininierfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 513
dach ige Schuppenblätter (Libocedrus Demiana Endl., Podocarpus dacrydioides
A. Rieh., Dacrydium-Arten), theils grössere breitere Blätter (Agathis australis
Salisb. , Podocarpus- und Phyllocladus- Arten). Die systematische Mannich-
faltigkeit der dicotylen Holzpflanzen ist eine erstaunliche (110 Arten aus
Fig. 251. Waldbäume des neuseeländischen Regenwaldes: Coniferen. / Phyllocladus glaueus
Cass. 2 Dammara australis. 3 Dacrydium cupressinum Soland. 4 Podocarpus ferruginea
Don. 5 Podocarpus Totara A. Cunn. Nat. Gr.
61 Gattungen und 39 Familien, aber noch erstaunlicher ihre habituelle Aehn-
lichkeit. Beinahe sämmtlich besitzen sie lederartige, eiförmige, ganzrandige,
oberseits glänzende Blätter, welche, an höheren Bäumen, Vorrichtungen zur
Wasserspeicherung (Wassergewebe, Schleimzellen u. dergl.) zu besitzen pflegen.
Schimper, PBanzengeographie. 33
t\A Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Das dichte Unterholz ist reich an Baumfamen. Kleinere Farne bilden den
wesentlichen Bestandteil der krautigen Bodenflora, deren Lücken von Moosen
eingenommen sind. Die Stammbasen sind von Hymenophyllaceen überzogen,
höher hinauf werden sie von anderen epiphytischen Farnen (Arten von Poly-
podium, Asplenium etc.) ersetzt; auf den Baumästen prangen die grossen
Rosetten der endemischen Astelien (A. Cunninghamii Hook, fil., A. Solandri
Cunn., A. spicata Col. u. a.) (Fig. 124 u. 249), welche, wie die ihnen ähnlichen
epiphytischen Bromeliaceen, zwischen ihren dichtschliessenden Blättern Wasser
sammeln, das sie wahrscheinlich in ähnlicher Weise benutzen. Andere
autochthone Epiphyten sind strauchig entwickelt (Pittosporum cornifolium A.
Cunn. und P. Kirkii Hook, f., Metrosideros robusta A. Cunn. und M. Colensoi
Hook, f., Griselinia lucida Forst, Gaultheria epiphytica Col.)* die Luzuriagee
Enargea marginata B. et S. erinnert, wie die epiphytische Griselinia, an den
Regenwald Süd-Chiles, einige Orchideen und eine Peperornia deuten auf
theils alte, theils recentere Einwanderungen aus den Tropen. Wie die Epi-
phyten treten auch die Lianen im Vergleich /um tropischen Regenwalde m
Bezug auf Formenreichthum stark zurück; sie bilden aber doch, dank des
massenhaften Auftretens der Individuen, einen wesentlichen Bestandthoil
derselben. Es sind theils Ranker (namentlich Clematis- Arten), theils Winder
(Arten von Lygodium, Rhipogonum, Mühlenhei kia. , Parsonsia, Ipomoea, Se-
necio), theils Wurzelkletterer (namentlich M^trosideros-Arten), theils Spreiz-
klimmer (Rubus australis). Charakteristisch für diese Lianenflora sind die
anderswo nicht kletternden Myrtaceen.
§ 4. Der australische Regenwald. Ganz eigenartige Physiognomie
zeichnet die „Fern gullies" in Victoria aus, eine Waldfarm, die allerdings ihre
Ueppigkeit mehr dem Grundwasser als dem Regen verdankt. Auf weiten
Strecken besteht hier der Wald aus zwei scharf begrenzten Stockwerken* einem
unteren aus Baumfarnen, das sich bis 40 — 50' engl erhebt und einem oberen
aus Eucalypten, dessen durchschnittliche Höhe 300—400' engl betragen
dürfte. Die Eucalypten gehören zu mehreren Arten, namentlich zu E. amygda-
lina und E. obliqua; sie stehen bald dichter zusammen, bald in grösseren
Entfernungen von einander. Unter den Baumfarnen herrschen Alsophila austräte
R. Br. und Dicksonia antaretica Labill. (Fig. 232) vor. Auch die Vegetation
des Bodens ist oft meilenweit beinahe nur von Famen in den verschiedensten
Formen gebildet (z. B. Pteris aquilina, Pt. incisa Thunb. , Asplenium bulbt-
ferum Forst, A.aculeatum Sw., Lomaria -Arten, Davallia dubia Gaud., Gleichenia
flabellata R. Br. und Gl. circinata Sw. u. a. m.), und krautige Farne über-
ziehen die Baumfarnstämme als Epiphyten (z. B. Polypodium grammitidis
R. Br., P. australe Mett., Aspidium capense Willd., Hymenophyllum tunbrid-
gense Sm.).
Andere Bezirke des Waldes bieten ein anderes, mehr an dasjenige ty-
pischer Regenwälder erinnerndes Bild dar. Unterholz aus dicotylen Bäumen
und Sträuchern bildet, mit Farnbäumen zusammen, zwischen den auch hier
hochthürmenden Eucalypten die Ausfüllung der Zwischenräume; höchst eigenartig
ist dieses untere Gehölz durch den Reichthum an baumartigen Compositen,
wie Atherospermum moschatum, Helichrysum ferrugineum, Senecio Bedfordi etc.;
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. t\t
auch mehrere Acacien (z. B. A. decurrens in zwei Var., A. retinodes. A. leprosa,
A. penninervis) kommen in demselben vor, neben verschiedenen Holzgewächsen
aus anderen Familien. Die vorwiegend dünnstämmigen, meist krautigen
Lianen sind namentlich durch Rubus macropodus und durch ein, einzelne
Partieen des Waldes undurchdringlich machendes Gras, Tetrarena tenacissima,
Fig. 252. Natürliche Waldpartie im Park von Sydney. Nach einer Photographie.
vertreten, das zu den eigenartigsten Erzeugnissen dieser merkwürdigen Wälder
gehört und an tropische Ueppigkeit erinnert. „Die rankende Tetrarena,"
sagt Krone, „bildet hier und da hohe, dicht verfilzte grüne Wände von
Eucalyptenstämmen oder aus den Laubkronen anderer Bäume und Gesträuche
herab oder zwischen hohen Baumfarnen, deren alte abgestorbene Wedel, die an
33*
5 1 6 Zweiter Abschnitt : Die temperirten Zonen.
den Stämmen herunterhängen, immer mit hineingesponnen werden. Oft hat
das Gras ganze Wegstrecken überkleidet und dabei zugleich alte, in das
Waldlabyrinth hineingefallene querliegende Riesenstämme von Eucalypten und
die aus diesen wieder hervorwachsende üppige Vegetation mannigfacher Art
oder umgestürzte Farnstämme mit ihren dürr gewordenen, aber dessenungeachtet
noch an ihrem Platze befindlichen Wedelkronen derart überstrickt und über-
wuchert, dass man wie auf einem, freilich nicht ganz regelrecht gepolsterten
Kissen darauf geht und dieser Grasfilz eine Art von unzerreisslicher Hänge-
brücke von Stamm zu Stamm und über breite Einsenkungen bildet, in denen
unten der Waldbach dahinbraust . . ." (S. 167 — 168).
Zu den tropenähnlichen Vegetationsformen gehört auch eine halbepiphy-
tische Farnliane, Polypodium scandens var. Billardieri, welche sich, in Vic-
toria, merkwürdigerweise streng an die hie und da im Walde auftretende
immergrüne australische Buche, Fagus Cunninghami, gebunden zeigt „Am
Myrtle-Creek finden wir nachbarlich gruppirte Buchen beisammen, meist
Prachtexemplare von hohem Alter und dabei strotzender Gesundheit, deren
imponirende Stämme fast bis zur Laubkrone hinauf von dem Polypodium
scandens in üppiger Fülle umstrickt sind, das zugleich hier und da von Buche
zu Buche in mehrfachen Lianengewinden, die, um sich selbst zurückkehrend,
sich wieder vielfach umwuchern, und dann und wann noch hoch hinaufzieht
in die Laubkronen der Buchen."1)
Aehnliche Waldformationen, in welchen das Laubdach hauptsächlich von
Eucalypten, das Unterholz von Baumfarnen (Dicksonia antarctica) gebildet ist,
kommen auch in Tasmanien vor.2) (Fig. 232.)
§ 5. Der temperirte Regenwald in Süd -Japan. Grossartig und
eigenartig ist, nach Rein's Beschreibung, der temperirte Regenwald in
Südjapan, oder er ist es vielmehr früher gewesen, denn er hat beinahe
überall der Cultur weichen müssen und ist wesentlich nur in den hei-
ligen Tempelhainen8) ganz verschont geblieben.
Hochstämmige immergrüne Eichen (Quercus cuspidata, glabra, thalasiana,
phylliraeoides, acuta, sessilifolia, glauca, gilva) bilden die Hauptbestandteile
dieser Wälder und setzen dieselben streckenweise sogar allein zusammen. In
der Regel treten jedoch noch andere ebenfalls immergrüne Bäume hinzu, wie
der Kampherbaum (Cinnamonum Camphora) und andere Lauraceen, Iücium
anisatum und andere Magnoliaceen. Die ebenfalls allgemein verbreitete
Camellie bildet in diesen Wäldern einen dickstämmigen, bis 10 m hohen
Baum. Gesträuch aus Ternstroemia japonica, Eurya japonica, Pittosporum
Tobira und vielen anderen Arten liefert ein dichtes Unterholz* Dickstämmige
holzige Lianen, anscheinend zu den gleichen laubwerfenden Arten gehörig,
wie in dem später zu besprechenden winterkahlen Walde, durchziehen mit
gewundenen Stämmen die Luft, und die Aeste der Bäume tragen einige
1) Krone S. 175—176.
2) Die diesbezügliche Arbeit Tenison -Woods' ist mir nicht zugänglich. Vgl. Drude,
Pflanzengeographie S. 501.
8) Nach Mayr.
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel, J 1 7
Jl8 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
epiphytische Orchideen (Luisia teres, Dendrobium moniliferum, Malaxis japo-
nica, Sarcochilus japonicus), epiphytische Farne, verschiedene parasitische
Loranthaceen (Viscum articulatum Burm., Loranthus Yadoriki S. et Z.). In
diesen Wäldern finden viele tropische, indo - malayische Familien ihre Nord-
grenze, so z. B. die Sterculiaceen, Simarubaceen, Meliaceen, Melastomaceen,
Begoniaceen, Ebenaceen, Piperaceen, Scitamineen, Commelinaceen etc.
§ 6. Der temperirte Regenwald in Süd -Chile. Folgende Schilde-
rung der Regenwälder in Valdivia, die wir einem Reiseberichte von
R. A. Philippi, dem besten Kenner der chilenischen Flora, entnehmen,
giebt einige Vorstellung von ihrem ökologischen und floristischen
Charakter :
In Europa, in Nordamerika kann man fast überall in einem Walde zwischen
den Bäumen hindurchgehen, hier aber ist es nur in höchst seltenen Fällen
möglich wegen des zahlreichen Unterholzes, unter welchem die Quila unstreitig
das schlimmste ist Dies ist eigentlich ein Gras, aber ein strauchartiges, un-
gemein verästeltes, mit immergrünen Blättern versehenes, welches oft bis 30 Fuss
hoch in die Bäume rankt, und solide, elastische, sehr harte Stengel hat, die
gar nicht zu zerbrechen sind. Sie gehört zu dem Südamerika eigentüm-
lichen Geschlecht Chusquea Kth., und kommen in Valdivia drei Arten vor:
Ch. quila Kth., Ch. valdiviensis Desv., Ch. tenuiflora Ph. Die Stämme sänimt-
licher Bäume sind nicht nur überreichlich mit Moosen, Lebermoosen, zahl-
reichen Arten Hymenophyllum , von denen H. pectinatum Can., sowie das
ungetheilte H. cruentum Can. besonders zierlich ist, kleineren Farnen, wie
Asplenium magellanicum , Aspl. trapezoideum , Grammitis repanda bedeckt,
sondern auch mit phanerogamischen Schmarotzern und Schlingpflanzen. Be-
sonders häufig sind hier die beiden Arten von Luzuriaga, L. scandens R. et P.
und L. reeta Kth., gleich reizend, wenn sie ihre weissen Sternblumen im
Frühling entfalten, oder im Herbst mit ihren scharlachrothen, mehr als erbsen-
grossen Beeren prangen. In Chiloe benutzt man allgemein ihre drahtdicken,
zwischen dem Moos an den Stämmen in die Höhe laufenden Würzelchen, um
daraus Körbe und Stricke zu machen. . . . Nächst der Luzuriaga sind fast an
allen Bäumen zwei Pflanzen aus der Familie der Gesneriaceen zu finden, beide
mit prächtigen scharlachrothen Blumen, die niedrige, kriechende Sarmienta
repens R. et P., und die Mitraria coccinea Cav., welche einen 2 — 3 Fuss
hohen Strauch bildet. Unter den zahllosen Schlingpflanzen der Wälder Val-
divia's werden unstreitig die Cornidia integerrima und C. serrata, Saxifrageen,
am dicksten. Es ist nicht selten, armsdicke Stämme derselben zu sehen,
welche 40 Fuss hoch von den unteren Aesten herabzuhängen scheinen. So
lange sie jung sind, liegen sie dicht an den Baumstämmen an, an welchen
sie sich mit Luftwurzeln wie der Epheu befestigen ; wenn sie aber älter werden,
vertrocknen - und verfaulen diese Wurzeln , und der Stamm der Liane trennt
sich vom Baumstamme, um frei in der Luft zu schweben, getragen von seinen
in der Krone des Baumes befindlichen Aesten. . . . Nächstdem ist Cissus striata
besonders häufig, dessen biegsame Stämme vielfach anstatt der Seile dienen,
wenn man die vorzüglicheren der Lardizabala biternata nicht haben kann.
Zu den Schlingpflanzen, welche in den Wäldern um Puerto Montt ferner
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 519
häufig sind, gehören Aralia valdiviensis apud Gay, Boquila (Lardizabala)
trifoliata, Ericilla volubilis Juss., welche bis -P^ru hin vorkommt, Echites
Fig. 254. Temperirter Regenwald auf Juan Fernandez. Nach Fr. Johow.
chilensis Dev. und ein oder zwei Arten Cynoctonum. Die schöne Lapageria
rosea R. et P., unstreitig mit ihren rosenrothen, lilienartigen Glocken die
jj20 Zweiter Abschnitt: Die teoiperirten Zonen.
schönste Zierde der Wälder, und überaus häufig von Osorno bis Concepcion
ist auch eine Schlingpflanze, deren zähe, drahtartige Stengel nicht wenig lästig
sind , wenn man vom Pfade abbiegend in den Wald eindringen will. ... Die
häufigsten Waldbäume sind hier der Vauvan, Laurelia serrata Ph., der Coigne,
auch wohl Roble genannt, Fagus Dombeyi , ein prachtvoller Baum, mit hori-
zontal ausgebreiteten Aesten und kleinem, immergrünem Laube. Er liefert in
dieser Gegend das dauerhafteste, der Feuchtigkeit am besten widerstrebende
Bauholz, ist aber bei weitem nicht so häufig als weiter im Norden, wo man
Riesenbäume sieht, deren ausgehöhlter Stamm Canoes liefert, in denen 7 bis
9 Personen Platz haben. Häufig ist der Canelo, Drimys chilensis D. G, der
Tineo oder Tenui , Weinmannia trichosperma Cav. , mit den zierlichen , ge-
fiederten Blättern, die Tiaca, Caldcluvia paniculata Don., der Tique oder Palo
muerto, Aegotoxicum punctatum P. et P., der Sahuco falco, Aralia laete-virens
bei Gay, die Luma, Myrtus Luma Mob, mit sehr hartem, zähem Holz, ein
Baum mittlerer Grösse, endlich von Nadelhölzern die Saxegothea conspicua
Lindl., welche ich mit unserem Eibenbaum vergleichen möchte, was den
Wuchs und die Blätter betrifft, und Podocarpus nubigena Lindl., welche fast
genau die Nadeln unserer Weisstanne hat. . . . Der werthvolle Lingue, Persea
Lingue, kommt hier noch nicht vor. Unterholz sind besonders Berberis Dar-
winii Hook, und B. buxifolia Lawk., Azarea lanceolata Hook., deren zahllose
goldene Blüthen die Luft mit Wohlgeruch erfüllen, Cytharexylum cyanocarpum
Hook., Eugenia apiculata und Eug. planipes, sowie Myrtus Uni MdL, endlich der
Tepu, Tepualia stipularis Griseb. Er bildet am Ufer von Bächen und sonstigen
feuchten Stellen ein vollkommen undurchdringliches Buschwerk, sog. Tepuales."1)
Die Insel Masatierra, die grösste des Juan Fernandez- Archipels , besitzt,
obwohl ungefähr in der Breite von Santiago in Chile gelegen (ca. 36 °S. B.),
ein viel regenreicheres Klima und ist zum Theil von Regen wäldern bedeckt,
die, entsprechend ihrer insularen Natur, weniger formenreich sind als diejenigen
des Continents (Figur 254). Drei Bäume bilden sie hauptsächlich, von welchen
die Myrtacee Myrceugenia fernandeziana die erste Stelle einnimmt, ein bis
25 m Höhe und 80 cm Stammdicke erreichender Baum mit dichter, schirm-
förmiger Krone und mittelgrossen, pergamentartigen Blättern ; die zweite Stelle
nach der Zahl der Individuen, aber die erste nach den Dimensionen, nimmt
Xanthoxylum Mayu ein, ein 30 m hoch werdender Baum mit gefiederten,
lederartigen Blättern; diesen beiden Arten tritt stets noch eine endemische
Varietät der Drimys Winteri hinzu (var. confertifolia) , welche, nur etwa
10 m hoch werdend, einen überaus dicken, massiven Stamm besitzt und ihre
lorbeerartigen Blätter, ähnlich wie die meisten endemischen Pflanzen des
Archipels, am Gipfel der Achsen angehäuft zeigt. Diesen vorherrschenden
Bäumen treten untergeordnet andere hinzu, wie Psychotria pyrifolia (Figur 255),
Boehmeria excelsa, Sophorä tetraptera, die ebenfalls nur 10 m hoch werden
und wie die vorhergehenden, saftloses Laub besitzen. Auffallende Neben-
bestandtheile des Waldes sind ferner die endemische, in kleinen Gruppen
wachsende Juania australis und einige massivstämmige Baumfarne (Dicksonia
berteroana, Thyrsopteris elegans). Von dem ehemals häufigen Santalum
l) Mit Abkürzungen. Philippi 1. c. S. 266—268.
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 52 1
femandezianum ist nur ein einziges lebendes Exemplar noch bekannt. Die
Holzlianen fehlen auf Masatierra gänzlich, denn die stellenweise massenhafte
und anscheinend wilde Lardizabala biternata scheint vom Festlande herzurühren;
immerhin zeigt das üppige Gedeihen dieser Form, wie das Vorkommen einer
Fig. 255. Aus dem temperirten Regenwalde auf Juan Fernandez: Psychotria pyrifolia.
Nach Fr. Johow.
holzigen Convolvulaceenliane auf Masatierra, dass die insulare Lage und nicht
das Klima die Ursache des Fehlens von Holzlianen ist. Sodann sind im
Walde von Masatierra zwei stattliche wurzelkletternde Farne vorhanden,
Nephrolepis altescandens und Lomaria attenuata. Sehr reichlich sind die
522
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Epiphyten vorhanden, namentlich unter den Farnen (Hymenophyllaceen, Poly-
podiaceen etc.). Von phanerogamischen Epiphyten ist nur eine, allerdings
baumartige Art vorhanden, die Composite Rhetinodendron Berterii, ein Baum-
würger nach Art der Clusien und Feigen. Doch ist dieselbe nicht ein aus-
schliesslicher Epiphyt und viele Baum- und Straucharten, die sonst als Boden-
pflanzen wachsen, treten an besonders feuchten Standorten als accidentellc
Epiphyten auf.
Die Bodenvegetation ist ganz vornehmlich von Farnen und Zellenkrypto-
gamen gebildet; Phanerogamen, nur in etwa einem Dutzend Arten vertreten,
spielen in derselben nur eine unwesentliche Rolle.
Fig. 256. Prosopis albaGriseb. Ein Baum des argentinischen Dornwaldes (Espinal-Formarion).
ll2 nat. Gr. Nach Hieronymus.
Trotz der grossen Regenmenge ist auch hier die Träufelspitze nirgends
ausgebildet. Auch fehlen andere Merkmale des tropischen Regenwaldes, wie
Plankengerüste, Cauliflorie, Wasserkelche etc.
2. Die xerophilen Gehölzformationen der warmen
temperirten Gürtel.
Wie in den Tropen, können die xerophilen Gehölze der wannen
Gürtel der temperirten Zonen, soweit sie das S. 498 gekennzeich-
nete tropenähnliche Klima besitzen, auf die beiden Typen des Sa-
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 523
vannenwalds und des Dornwalds zurückgeführt werden. Auch hier
schliesst sich der erstere den Grasflurformationen nahe an und geht oft
in dieselben über, während der Dornwald, mit den für die Grasflur
ungünstigen Bedingungen unregelmässiger, durch Trockenzeiten unter-
brochener Niederschläge vorlieb nimmt und durch zunehmende klima-
tische Trockenheit in Dorngesträuch, schliesslich in die offenen For-
mationen der Wüste übergeht.
§ I. Dorngehölze. Dorngehölze zeigen sich als edaphische For-
mationen in Regenwald- und namentlich in Grasflurgebieten auf sehr
durchlässigem, trockenem, sandigem Boden, sie nehmen aber auch als
Fig. 257. Flora des argentinischen Dornwaldes (Espinalformation). Gourliea decorticans Gill.
Nach Taubert in: Natürliche Pflanzenfamilien.
klimatische Formationen ausgedehnte Areale ein, namentlich im Inneren
Argentiniens, westlich von den Pampas, wo sie, nach Lorentz, die
verschiedensten Bodenarten bewachsen : Pampaslehm, Geröll- und Sand-
dünen, Granit und Kalk. Die ausgedehnten Dorngehölze Argentiniens,
Hieronymus' Espinalformation, verdienen nur streckenweise, namentlich
im östlichen Theile, die Bezeichnung Wälder; nach Westen hin werden sie
gebüsch- und gesträuchartig und gehen gegen Westen und Süden hin
allmählich in Wüstenformationen über. Die Bäume sind sehr verschieden-
artig, jedoch mit wenigen Ausnahmen (z. B. Aspidosperma Quebracho)
durch krüppelhaften Wuchs, struppige Verästelung, lichte Kronen und
reiche Dornbildung charakterisirt. Aehnliche Eigenschaften wiederholen
524
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
sich bei den Sträuchern. Leguminosen sind unter ihnen viel vertreten,
in erster Linie Arten von Prosopis (Fig. 256), Acacia, Mimosa, weniger
Gourliea decorticans, der „Chanar"-Baum, nach welchem Grisebach die
ganze Formation bezeichnete1 (Fig. 257). Auch das schon erwähnte
Aspidosperma Quebracho, Celtis- Arten, Anacardiaceen (Fig. 285), Zygo-
phyllaceen sind häufig. Wie in den Dorngehölzen der Tropen sind
auch hier Fiederblätter (Leguminosen, Zygophyllaceen, Anacardiaceen)
vorherrschend. Aphyllen sind unter den Sträuchern verbreitet. Reich-
thum an ätherischen
Oelen ist vielen Arten,
namentlich Terebinthi-
nen eigen.
Eine Fülle von meist
krautigen Schlingpflan-
zen (Bignoniaceen, As-
clepiadaceen, Convolvu-
laceen , Cucurbitaceen),
viele Opuntien, in den
mehr wüstenartigen Ge-
bieten auch säulen-
hohe Cereus-Arten, aus-
gesprochen xerophile,
grosse Tillandsien nebst
bunten Loranthaceen auf
den Baumästen und eine
ganz dürftige, aus dem
vorwiegend nackten har-
ten Boden entspringende
Vegetation aus einzel-
nen harten Gräsern und
kleinblätterigen Com-
positen vervollständigen
das Bild eines noch ganz
tropenähnlichen Dorn-
waldes.2)
Aehnliche Dorngebüsche sollen am mexikanischen Meerbusen auf-
treten und scheinen auch in Südafrika ausgebildet zu sein.
§ 2. Savannenwälder. Ein wesentlich anderes weit freundlicheres
Bild als die Dornwälder bieten die Savannenwälder, welche in Argen-
tinien z. B. in der Provinz Tucuman, ausserdem wohl auch im Nord-
Fig. 258. Aus dem argentinischen Dornwalde (Espinal-
formation: Schinopsis Lorentzii [Griseb] engl., eine baum-
artige Anacardiacee). */t nat. Gr. Nach Engler in: Nat.
Pflanzenfamilien.
J) Lorentz bezeichnet die Formation als Monte, d. h. Wald.
*) Vgl. über diese Wälder: Lorentz 1. c. S. 20 u. f., Tschudi 1. c. S. 14.
IV. Die ininierfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 525
Osten, auftreten. In Tucuman gehören zu denselben die Cebilwälder,
die beinahe ausschliesslich von Acacia Cebil gebildet sind; unter-
geordnet tritt höchstens noch Caesalpinia melanocarpa auf. Der
Boden ist von einem aus schmalblätterigen Arten gebildeten Gras-
teppich überzogen, in dessen Lücken verschiedene dicotyle Stauden,
namentlich Solidago -Arten und Plantago scandens nebst einigen
Sträuchern sich angesiedelt haben.
Fig. 259. Eucalyptus globulus. 2/5 nat. Gr. Nach einer Photographie.
Die ausgedehntesten und eigenartigsten aller Savannenwälder sind
die Eucalyptus- Wälder, die die Küstengebiete Australiens von Süd-
Australien bis Queensland zum grossen Theile bedecken und auch in
Tasmanien vorkommen. Diese Wälder weichen in einiger Hinsicht von
gewöhnlichen Savannenwäldern ab, z. B. häufig, aber nicht immer, durch
die grössere Höhe der Bäume, ferner durch das immergrüne Laub, jedoch
nicht in wesentlichen Merkmalen z. B. dem reichen Graswuchs zwischen
den in ganz lockerem Bestand sich erhebenden Stämmen, bei fehlendem
oder ganz zurücktretendem Unterholz. Wie andere Savannenwälder geht
auch der Eucalyptus- Wald allmählich in Savanne über (Fig. 260 — 262).
526
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Eine der charakteristischsten Eigenthümlichkeiten der Eucalypten
(Fig. 259) wurde bereits von R. Brown meisterlich geschildert. Er
erwähnt, dass „ihre Blätter, oder diejenigen Theile, welche Blattfunction
verrichten, den Rand gegen den Zweig richten, wodurch alfeo beide
Oberflächen dasselbe Verhältniss zum Lichte erhalten ; diese Einrichtung,
welche bei den Acacien durchweg stattfindet, ist hier Folge der ver-
tikalen Erweiterung des blattförmigen Blattstiels, während sie bei
Eucalyptus, wo sie zwar sehr allgemein, aber nicht ohne Ausnahme
eintritt, von einer Drehung des Blattstiels abhängt/4') In Folge
Fig. 26 i< Blick auf den Eucalyptus -Wald in den Bluc Mountains, Neu-Süd-Wald
Nach einer Photographie.
der erwähnten Drehung der Blattstiele wirft die Krone der Eucalypten
nur einen schwachen Schatten. Der Zusammenhang zwischen solcher
Lage der Blätter und den klimatischen Bedingungen ist einleuchtend
und fehlt bei den Eucalypten — wie auch bei den australischen
Phyllodien-Acacien — den jungen Pflanzen, deren Blätter vielmehr ihre
von den älteren auch abweichend gestalteten Spreiten senkrecht zum
stärksten diffusen Lichte stellen. Die Blätter der Eucalypten sind auch
*) 1. C. S. 122.
1
Fig. 260. Eucalyptus -Wald und Savanne in den Blue Mountains, New - Süd -Wales.
Nach einer Photographie.
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 527
in ihrer Structur ausgesprochen xerophil und mit dicker Cuticula, ein-
gesenkten Spaltöffnungen und Wachsüberzug versehen.
Behr entwirft von den Eucalyptuswäldern des südaustralischen
Gebirgslandes folgende in ihren Hauptzügen für die Formation über-
haupt geltende Schilderung:
„Ein in der Regel ziemlich dichter Wiesenteppich, wozu sich in
den meisten Fällen ein lichter, parkartiger Wald von riesigen
Eucalypten gesellt, dessen Kronen sich jedoch nie untereinander be-
rühren. Die glatten, der äusseren Rindenschicht beraubten Stämme
Fig. 262. Das Innere des Eucalyptus- Waldes in Queensland. Nach einer Photographie
von Herrn Prof. Dr. Semon.
stehen in abgemessenen und oft sehr regelmässigen Entfernungen. . . .
Wo der Boden magerer ist, treten hin und wieder Casuarinen auf,
deren braungrüne Kronen im Frühjahr sonderbar mit dem saftigen
Grün des Rasens contrastiren. Sie erreichen die Höhe von 20',
höchstens 30' und stehen wie Zwerge neben den Eucalypten. Die
gummiliefernden Acacien, A. retinodes und pyenantha, gehören eben-
falls zu dieser Vegetation. . . .ul)
Schomburgk entwirft, ebenfalls für Süd - Australien , folgendes Bild des
Eucalyptus -Waldes : „Das Waldland Süd -Australiens nimmt vornehmlich die
>) 1. c S. 546.
528 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
bergigen Bezirke ein und erstreckt sich auch längs der Basen der Gebirge.
Die Wälder haben nicht den dichten Wuchs und die Baumhöhe anderer
Gegenden, ihre Ausdehnung ist geringer und sie sind oft von Grasflächen
unterbrochen. Ihr Unterholz ist offener und leichter zu durchdringen, Euca-
lypten sind die hauptsächlichen Waldbäume . . . namentlich sind : E. paniculata
Sw., viminalis Labill, rostrata Schlecht, odorata Behr. häufige Arten.
„Die Waldbäume sind nicht gehäuft und die Zweige eines Baumes be-
rühren selten diejenigen eines benachbarten. Die Abhänge sind zum grössten
Theile ähnlich bewaldet, und die Bäume gehen oft bis zu den Gipfeln,
während die übrigen Theile zur Hälfte oder zu Zweidritteln von Grasflächen
bedeckt sind, mit welchen hier und da Gebüsche aus niederen Sträuchem
und mit verzweigten Zwergbäumen abwechseln; oft sind jedoch die Abhänge
ganz begrast, ohne einen einzigen Baum oder Strauch.
. . . Das ebene Tafelland ist im Allgemeinen von Gras bedeckt und
entbehrt der Sträucher. Hier sieht man, zerstreut wachsend, die majestätischsten
Eudalypten; solche Tafelländer sind mehr parkähnlich, da die Bäume in an-
scheinend abgemessenen Entfernungen von einander stehen, frei oder in
kleinen Gruppen, wie von einem Kunstgärtner angepflanzt Der Boden solchen
Tafellandes ist im Allgemeinen sehr fruchtbar ... Im Unterholz der Wälder
sind vornehmlich folgende Gattungen vertreten: Correa (Rutaa), Alyxia
(Apocyn.), Prostanthera (Labiat.), Grevillea (Proteac), Hakea (id.), Isopogon
(id.), Exocarpus (Santal.), Acacia, Banksia (Thymel.), Cassia (Caesalpin»\
Calytrix (Myrtac), Pomaderris (Rhamnac), Leucopogon (Epacrid.)» Leptosper-
mum (Myrtac), Daviesia (Papilion.), Dillwynia (id.), Eutaxia (id.), Platylobram
(id.), Pultenaea (id.) und strauchige Eucalypten." *)
3. Die Grasflurformationen der warmtemperirten Gürtel.
§ i. Verbreitung. Die Grasflurformationen der warmen Gürtel
der temperirten Zonen sind den tropischen oft ähnlich und stellen dann
Savannen mit freistehenden meist kleinen Bäumen und Sträuchern dar;
so hohe Baumgestalten, wie in manchen tropischen Savannen kommen
nicht vor. In anderen Fällen stellen die Grasfluren echte baumlose
Steppen dar.
Die Grasfluren haben im nördlichen warmtemperirten Gürtel geringe
Ausdehnung. Sie sind meist sehr trocken und eher als Halbwüsten
zu bezeichnen. In Neu -Mexiko und Texas sind dürre $avannen sehr
ausgedehnt; charakteristisch ist für sie in erster Linie der Mezqirite,
Prosopis juliflora, der je nach Klima und Boden, bald als kleiner Baum
(Fig. 263), bald als Strauch zerstreut in der Savanne wächst oder auch
zu lockeren Savannenwäldern zusammentritt. Mit ihm zusammen
!) 1. c. S. 7 — 8. Die Familiennamen habe ich hinzugefügt, ebenso die Orthographie
einiger Namen geändert.
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 529
wächst oft der Riesencactus, Cereus giganteus. Die sogenannten Steppen
Spaniens dürften wohl eher zu den Wüsten und Halbwüsten zu rechnen sein.
Im Gegensatz zur nordtemperirten , ist die südtemperirte Zone in
ihrem warmen Gürtel reich an Grasfluren. Namentlich sind solche
in den südöstlichen Theilen der australen Continente sehr ausgedehnt.
Alle diese Grasflurgebiete dürften, ihrer floristischen Zusammen-
setzung nach, in allen wesentlichen Punkten genügsam bekannt sein.
Fig. 263. Prosopis juliflora D. C, der „Mezquite". Texas, am unteren Rio Grande.
Nach einer Photographie des Herrn C. G. Pringle. (Mitgeth. von Herrn Prof. Sargent.)
Aber wie sich die Bestandtheile den klimatischen Bedingungen gegen-
über verhalten, in welcher Weise ihre Abhängigkeit von diesen in ihren
Formen aufgeprägt ist, wie sich die verschiedenen Glieder der Gemein-
schaft gegenseitig beeinflussen, welcher Antheil den zahllosen pflanzen-
fressenden und samenschleppenden Säugethieren und Vögeln, den be-
stäubenden Insekten, den wühlenden Thierchen aller Art an der^Ge-
staltung und Verbreitung der einzelnen Formen zukommt, das alles
harrt noch der Forschung. In den meisten Fällen liegen keine an
Schimper, Pflaniengeographie. 34
5JO Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Ort und Stelle gemachten Beobachtungen vor, sondern die ganze
Naturkunde der Grasflur ist wesentlich auf die Specimina der Herbarien
und die darauf gegründeten Verzeichnisse beschränkt.
§ 2. Südafrikanische Grasfluren. Thode giebt folgende anschauliche
Schilderung der Savanne in Britisch -Kaffrarien:
„Die Monate Mai bis Juli bezeichnen die trockenste Jahreszeit und sind
daher auch die blüthenärmsten *) : wolkenlos wölbt sich über der winterlich
dürren Landschaft der Himmel, klar und durchsichtig lässt die reine, trockene
Luft die Umrisse entfernter Gegenstände, die tiefe Bläue des Oceans aufs
schärfste hervortreten. Dann zeigen die ausgedehnten Grasflächen ein fahles,
einförmiges Aussehen, die Sträucher und Bäume mit periodischer Belaubung
verlieren ihre Blätter, nur die saftreichen Crassulaceen und dornengewehrten
Celastrineensträucher, die kletternden Senecionen und Asparagus -Arten machen
sich durch zahlreiche weisse oder gelbe Blüthen bemerkbar. Kaum sind
jedoch im Frühjahr die ersten Niederschläge gefallen, so beginnt der miss-
farbige Grasrasen mit wunderbarer Schnelligkeit zu grünen, Orchideen (Habe-
naria), Zwiebelgewächse und Stauden der verschiedensten Familien entspringen
dem durchfeuchteten Boden . . ."
Die gesellig wachsenden Gramineen (vorzüglich Arten von Danthonia,
Panicum und Eragrostis) „erreichen weder die Höhe tropischer Savannengräser,
noch die Weichheit ihrer die Wiesen Mitteleuropas bildenden Verwandten". . .
„Der bunte Blumenteppich, in welchem indessen doch die gelben und weissen
Farben vorherrschen, gewährt, an die Physiognomie der Prärieen Nord-Ameri-
kas erinnernd, einen erfreulichen Anblick, der nur in der trockenen Periode
für einige Wochen vermisst wird. Die verschiedensten Familien sind hier
vertreten und nach der Jahreszeit einem gewissen Wechsel unterworfen. So
können für den Frühling die Zwiebelgewächse (besonders Liliaceen und Iri-
deen) und Orchideen (Disa cornuta, Satyrium), für den Sommer die Sero-
phularineen (Cycnium, Graderia) und Asclepiadeen (Gomphocarpus) , sowie
unter den Compositen die Gnaphalieen (Leontonyx, Helichrysum) , ja sogar
eine gesellig wachsende Umbellifere (Peucedanum Cynorrhiza), für den Herbst
die Malvaceen (Sida, Hibiscus), Oxalideen (Oxalis) und Campanulaceen (Lo-
belia, Wahlenbergia) als charakteristisch gelten, wogegen die Leguminosen
und Compositen im Allgemeinen zu jeder Zeit die Hauptrolle spielen . . .
„Noch merkwürdiger aber als durch die niedrigen Bestandteile wird das
Grasfeld durch die einzeln oder gruppenweise darüber vertheilten Holz-
gewächse, deren dunkele Belaubung gegen das hellere Grün oder fahle Stroh-
gelb der Rasendecke lebhaft contrastirt; man könnte sie mit den Mezquite-
Gebüschen der südlichen Prärieen vergleichen, insofern wie dort als
charakteristisches Erzeugniss die Mimosenform bei weitem vorherrscht, während
die übrigen Arten fast ausnahmslos als Flüchtlinge aus den Uferdickichten
zu betrachten sind. Der gesellige Karroodorn (Acacia horrida), eine durch
die ganze Kolonie verbreitete Akazie mit starren, elfenbeinweissen Dornen
und gelben, wohlriechenden Blüthenköpfchen , erhebt sich hier wie in den
!) Diese Schlussfolgerung ist nicht richtig.
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel. 531
trockenen Flussbetten der Karroo zuweilen zu baumartigem Wüchse und
gleicht dann mit seiner schirmförmig ausgebreiteten Krone den Pinien. Kein
Gewächs ist für die Grasflächen bezeichnender als dieses : wohin es sich auch
wenden mag, begegnet das Auge des Wanderers dem feinzertheilten Fieder-
blatte der Akazien. — Oft sind die nur wenig schattenden Laubkronen von
Schlinggewächsen der Convolvulusform durchrankt oder von holzigen Parasiten
(Loranthus Dregei) bedeckt . . . Auch andere Sträucher, wie die allgegenwärtige
Grewia occidentalis aus der Familie der Tiliaceen, der periodisch seine Blätter
abwerfende Büffeldorn (Zizyphus mucronata), einige Arten von Royena, eine
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Fig. 264. Savanne im nördlichsten Natal. Nach einer Photographie.
stark aromatische Verbenacee (Lippia asperifolia) u. a. m. finden sich häufig
in Gesellschaft der Dornbüsche."1)
Nach Norden hin, mit der Annäherung an den Wendekreis, werden die
Bäume der Savanne stattlicher, der Charakter derselben ganz entschieden
tropisch (Figur 264). Hingegen ist die westlich von Natal sich ausdehnende
Hochebene der südafrikanischen Republiken beinahe reine Grasflur (Figur 265),
ausser in der Nähe der Wasserläufe. In westlicher Richtung werden Zwerg-
bäume und Sträucher häufiger (Vaalboschsteppe) (Figur 266), die Grasvege-
tation niedriger und dürrer, der Gesammtcharakter halbwüstenartig.
>) 1. c. S. 597—599-
34*
532 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
§ 3. Die südamerikanischen Grasfluren. Die Pampas der argenti-
nischen Provinz Santa Fe* werden von Lorentz folgendermaassen geschildert:
„Die Vorstellungen, die wir in unserer Gegend von den Pampas einzusaugen
gewöhnt sind, und in denen sie sich in unserer Phantasie als absolute Ebenen
mit meeresgleichem Horizonte darstellen, in welchen auf Hunderte von Meilen
nicht die geringste Erhöhung des Bodens zu bemerken ist, ist für die nörd-
lichen Pampas unrichtig; mehr soll sie auf die Pampas im Norden der Provinz
Buenos Aires passen. Das Terrain der erstgenannten ist flachwellig und
wenn auch dem Auge die Erhöhungen und Vertiefungen nicht imponirend
entgegentreten, so bemerkt man sie doch gleich an der verschiedenen Ve-
getation, und den Pampasbewohnern sind sie aus Tausenden praktischen
Gründen von der höchsten Bedeutung. Vor Allem dem europäischen Ein-
wanderer, der mehr sein Augenmerk auf Ackerbau als auf Viehzucht richtet
. . . Die Ansiedelungen des Ackerbauers sind stellenweise an die Canadas,
die flachen Vertiefungen gebunden, in deren Grunde dann oft Lagunen Vieh
und Menschen den nöthigen Wasserbedarf liefern, oder doch Wasser in ge-
ringerer Tiefe zu ersenken ist; wo schon die Natur durch einen dichten
mehr mit Blättern untermischten weichen Rasen besonders günstige Vegetations-
bedingungen andeutet und wo die Culturpflanzen einen reicheren und sicheren
Wasserzufluss und in dem fetten, jungfräulichen, an löslichen mineralischen
Nahrungsmitteln reichen Boden ein üppiges Gedeihen finden. In den dichteren
Grasrasen mischen sich dann noch allerlei andere Pflanzen aus verschiedenen
Familien; eine je nach dem Salzgehalte und dem Feuchtigkeitszuflusse ver-
änderliche Vegetation von Gewächsen, die oft mit fleischigen Blättern versehen
und dem Boden anliegend, zuweilen auch dem Menschen eine gesunde und
angenehme Nahrung darbieten (wie verschiedene Portulac-Arten), zuweilen sein
Auge durch reichen Schmuck in brennendsten Farben prangender Blüthen
erfreuen (Portulac-Arten, Verbenen, besonders die herrliche Scharlach verbene,
Korbblütler, Schmetterlingsblüthler, Euphorbien) und fast durchweg dem Vieh
eine rasch fettmachende Nahrung gewähren".
„Trockener sind die flachen Anschwellungen der unendlichen Pampa und
ihre Vegetation trägt hauptsächlich jene Eigentümlichkeiten an sich, die
dem Europäer, besonders dem Deutschen, durch den Gegensatz zu seiner
Heimath auffallen".
„Nicht der schwellende, dichte, üppige Grasrasen ist es, von Blumen
durchwebt, welcher unsere Wiesen schafft, sondern zerstreute dichte Büschel
harter Gräser (vorwiegend Stipa- und Melica-Arten), die sich inselartig über
den gelbbraunen Lehmboden erheben. WTo die Formation am ausgeprägtesten
ist, befindet sich zwischen diesen isolirten Grasbüscheln nackter Lehmboden,
oft ausgewaschen und durch Regen fortgeführt, so dass die einzelnen Gras-
büschel auf wirklichen Erhöhungen aufsitzen ; oft aber auch, besonders in der
günstigen Jahreszeit, ist er mit allerlei zarteren Gräsern und Stauden bedeckt,
wenigen Arten, aber zum Theil mit prächtigen Farben. Zwischen die wenigen
Grasarten der oben erwähnten Gattungen, welche ohne Zweifel den Hauptton
in der Grasvegetation angeben , mischen sich noch eine Anzahl anderer . . .
Für das Auge stellen diese Gräser eine geschlossene Grasdecke dar und
IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten GürteL 533
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534 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
die Pampa bietet den Anblick grosser Rasenfluren von sehr verschiedener
Färbung je nach den Jahreszeiten: Kohlschwarz im Frühjahre, wenn die alten
Grasreste weggebrannt sind ; lebhaft blaugrün, wenn die jungen Blätter hervor-
kommen; später braungrün, die Farbe des erwachsenen Grases; endlich —
zur Blüthezeit — wenn die silberweissen Blüthenähren die Rasen überragen,
gewährt sie auf weiten Strecken den Anblick eines wallenden, wogenden
Meeres von flüssigem Silber . . .
Die Pflanzenfamilie, die nach den Gramineen durch die grasste Anzahl
Individuen in den Pampas vertreten ist, ist die der Compositen ; meist struppige
Halbsträucher mit unansehnlichen Blüthen, nur eine lebhaft gelbe Solidago
leuchtet aus den arideren hervor.
Sonst sind es hauptsächlich Verbenen, Portulac- Arten, Malven und einige
Schmetterlingsblüthler, die den ärmlichen Blüthenschmuck der Pampa bilden
. . . Schilfgräser und eine hohe Mannstreu (Eryngium) wachsen häufig am
Rande von Gewässern."1)
§ 4. Die australischen Grasfluren. Von den ausgedehnten
Savannen und Steppen des Inneren von New -South -Wales (Fig. 266)
und Victoria liegen Schilderungen nicht vor. Die vielfach von niederen
Hartlaubgehölzen (Scrub) und von Wüsten unterbrochenen, in ihren
mehr fertilen Theilen meist in Getreidefelder umgewandelten Grasfluren
Süd -Australiens werden von Schomburgk folgendermaassen beschrieben:
„Das sogenannte Grasland2) nimmt den grösseren Theil der Oberfläche
Süd -Australiens ein und besteht aus endlosen welligen Ebenen, die
sich von der Küste nach Norden und Osten ausdehnen. Längs der
Küste und Hunderte von Meilen im Inneren sind die Grasebenen
grösstentheils verschwunden und bilden nur landwirtschaftliche Bezirke,
wo das beste aller bekannten Getreide gezogen wird; der Boden ist
bald von bester, bald von massig guter Qualität."
Die Ebenen des Innern sind zum grössten Theil wüstenartig und ihr
Boden oft sehr salzreich. „Die Ebenen in der Nähe der Küste haben anderen
Charakter, ihr Boden ist meist fruchtbar . . . Die Gräser gehören mehr
nahrhaften Arten an als im Innern, nämlich : Poa, Panicum, Festuca, Agrostis,
Aira, Andropogon, Cynodon, Stipa, Pennisetum, Bromus, Eriachne, Anthistiria,
Hordeum etc. Hier erscheinen auch zahlreiche niedrige Sträucher, wie
Bursera und Grevillea, sowie kleine, starkverzweigte Bäume von „Peppermint"
(Eucalyptus odorata), Myoporum, Pittosporum, Casuarina und Acacia, die
bald einzeln wachsen, theils zu Hainen ohne Unterholz, ähnlich Oasen in
der Wüste, vereint sind.8) Die Ufer der Flüsse und ihrer Mündungen sind
von majestätischen Eukalypten, oft riesenhafter Dimensionen, und von Sträuchern
eingefasst. Diese Ufervegetation stellt gleichsam grüne Bänder dar . . . Das
Grasland, thatsächlich die ganze Oberflächenbildung der Ebenen, hat grosse
*) Lorentz, S. 17—19.
2) Schomburgk rechnet zu demselben auch die Wüste.
3) Kleine Savannenwälder, offenbar in feuchten Depressionen, ähnlich wie in den
Campos Brasilien^.
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IV. Die immerfeuchten und sommerfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel, jic
Aehnlichkeit mit den Savannen von Britisch-Guiana — natürlich bei grossem
Unterschied beider Floren; die Savannen haben meistens ebenfalls den
welligen Boden, die zerstreuten reich verzweigten Bäume, die Oasen, die
Baumgürtel längs der Wasserläufe, und die Gräser- und Kräuterdecke zeigt,
während der Trockenzeit, das gleiche vertrocknete vergilbte Aussehen. Nach
Beginn der Regenzeit kommt das gleiche zauberartige Erscheinen von Gräsern
und Kräutern zum Vorschein."
„Die Regenzeit beginnt gewöhnlich im Mai und hat auf die Kräuterdecke
der Ebene eine zauberartige Wirkung; einige starke Regenschauer wandeln
die strohähnliche Decke in einen schönen grünen Teppich um."
„Die Schnelligkeit, mit welcher namentlich die einjährigen Gräser auf-
gehen, ist so gross, dass die Ebene nach wenigen Tagen in einem saftigen
Grün erscheint, welches sonst nur in nördlichen Zonen gesehen wird. Gleich-
zeitig mit dem Gras kommen viele Blüthen zum Vorschein, die gelben von
Ranunculus lappaceus Sm., rivularis Banks; Oxalis cognata Steud; Hypoxis
glabella R. Br., die weissen von Drosera rosulata Lehm; die blauen von
Wahlenbergia gracilis Dec; Anguillaria biglandulosa R. Br.; Stackhousia ob-
tusa Lindl. Jede Woche fügt neue Farben hinzu : Die scharlachrothen Blüthen
von Kennedya prostrata, die violetten von Swainsonia procumbens F. Muell.,
die zarten Blüthen des an trockenen Grashalmen emporkletternden oder nie-
deres Gesträuch überziehenden Thysanotus Patersoni. Die Blüthen der frei-
stehenden und der in Haine vereinigten Bäume glänzen bald in gelbem
Kleid. Loranthus Exocarpi Behr. und Miqueli Lehm., welche auf Casuarina
und Eucalyptus odorata schmarotzen, hängen bedeckt von rothen Blüthen, frei
in die Luft Die kleinen Sträucher von Bursera spinosa sind von weissen
Blüthchen besäet, mitten unter roth blühenden strauchigen Grevillea -Arten;
Compositenblüthen sind überall in den verschiedensten Farben sichtbar . . .
Gegen Ende November wird die Zahl der blühenden Pflanzen bereits viel
kleiner, die einjährigen Gräser und andere krautige Gewächse vertrocknen
und verschwinden, das Grasland gleicht im Januar einem reifen, dürren Korn-
feld und nur wenige vereinzelte Sträucher und Kräuter, wie Convolvulus
erubescens, Lobelia gibbosa Labill., mit fleischigen Stielen und Blättern, Mesem-
bryanthemum australe Soland. In einigen Gegenden erscheint diese Periode
früher oder auch später. Die Samen der einjährigen Gewächse sind gefallen,
die Stauden sind in Schlaf versunken, um bei Beginn der nächsten Regen-
zeit zu neuem Leben zu erwachen, und die Ebenen haben während des
Sommers ein düsteres, vertrocknetes Aussehen."1)
*) L c. S. ii— 12.
536 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Auswahl der Literatur.
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Di eis, L. Vegetations - Biologie von Neu -Seeland. Engler's Botan. Jahrb.
Bd. XXII. 1896.
Hochstetter, F. v. Neu -Seeland. Zwei Bände.
Ihering, H. v. Zur Kenntniss der Vegetation der südbrasilianischen Sub-
region. Ausland. Bd. LX. 1887. S. 801.
Johow, F. Estudios sobre la flora de las islas de Juan Fernandez. San-
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Lorentz, P. G. Vegetationsverhältnisse der argentinischen Republik.
Buenos -Aires 1876.
Mayr, H. I. Die Waldungen von Nordamerika. München 1890.
— IL Aus den Waldungen Japans. München 1891.
P h i 1 i p p i , R. A. Botanische Reise nach der Provinz Valdivia. Botanische
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Rein, J. J. Japan nach Reisen und Studien. Bd. I. Leipzig 1881.
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theilungen 1886.
Tenison-Woods. On the forests of Tasmania. Nature. Bd. XXI.
s. 573.
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B e h r , H. Ueber die Verhältnisse der südaustralischen Flora im Allgemeinen.
Linnaea. 1847. S. 543.
Brown, R. Bemerkungen über die Flora Australiens. Vermischte Schriften.
Bd. I.
Hieronymus, G. Ueber die klimatischen Verhältnisse der südlichen
Theile von Süd -Amerika und ihre Flora. Jahresber. der schlesischen
Gesellschaft für vaterl. Cultur. 1884. S. 306.
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Buenos-Aires. 1876.
— IL La Vegetacion del Nordeste de la provincion de Entre-Rios. Buenos-
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Schomburgk, R. The flora of Southaustralia. Adelaide 1875.
Tschudi, J. J. v. Reisen durch Südamerika. Bd. IV. (Südbrasilien, Argen-
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8. Die Grasflurformationen.
Bolus, H. Grundzüge der Flora von Südafrika. Aus dem Englischen von
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Hieronymus s. u. 2.
Kurtz, F. Dos viajes botanicos al Rio Salado superior. Bolet de la
Academia nac. de Cordoba. T. XIII. 1893.
Lorentz s. u. 2.
Auswahl der Literatur.
537
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Bd. Vni. 1887. Beiblatt No. 18.
Niederlein. I. Südöstliche Pampa bis Rio Salado. Zeitschr. der Gesell-
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— IL Einige wissenschaftliche Resultate einer Reise in die südöstliche Pampa
bis zum Rio Salado. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde. Bd. XVIII.
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Scott Elliot, G. F. Notes on the regional distribution of the Cape Flora.
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Thode, J. Die Küstenvegetation von British -KatTrarien und ihr Verhältniss
zu den Nachbarfloren. Engler's Botan. Jahrb. Bd. XII. 1890. S. 589.
— Die botanischen Höhenregionen Natal's. Engler's Botan. Jahrb. Bd. XVIII.
1894. Beibl. No. 43.
V. Die winterfeuchten Gebiete der warm-
temperirten Gürtel.
§ i. Die Hartlaubgehölze im Allgemeinen. Verbreitung und ökologischer
Charakter der Formationen. Blattstructur. Nebenbestandtheile. Existenzbedingungen. — § 2.
Die Hartlaubgehölze der Mittelmeerländer. Maquis. Physiognomie. Systema-
tische Zusammensetzung. Charakter-Gewachse. — § 3. Die kapländi sehen Hartlaub-
gehölze. Niedrige Gebüsche. Seltenheit der Bäume. Vorwiegen kleiner linealiscber
Blätter. — § 4. Süd- und westaustralische Hartlaubgehölze. Oekologische
Aehnlichkeit mit anderen Hartlaubgehölzen. Vorherrschen schmal elliptischer Blätter. Der
südwestliche „Scrub" nach Schomburgk und nach Behr. — § 5. Die kalifornischen
Hartlaubgehölze. Oekologischer und systematischer Charakter. Gesträuche. Hoch-
wälder von Sequoia sempervirens. Die „Chaparrals". — § 6. Die chilenischen Hart-
lau bgehölze. Oekologie und systematische Bestandteile.
§ 1. Die Hartlaubgehölze im Allgemeinen. Während die im Vor-
hergehenden besprochenen Gebiete in dem Zusammenfallen der Regen-
zeit mit hohen Temperaturen klimatisch den Tropen ähnlich sind und
dementsprechend eine tropenähnliche Vegetation besitzen, hört die
Aehnlichkeit in den Strecken vollkommen auf, wo die Niederschläge
mit den niederen Temperaturen zusammenfallen , während die wannen
Jahreszeiten ganz oder nahezu regenlos sind. Dem scharfen Unter-
schied der klimatischen Bedingungen entspricht hier ein völlig ver-
ändertes Vegetationsbild, welches eines Analogon zwischen den Wende-
kreisen durchaus entbehrt. Die mildtemperirten Gebiete mit
Winterregen und langer Sommerdürre sind die Heimath
der immergrünen xerophilen Holzpflanzen, die wir wegen
der Härte ihrer dicken, lederartigen Blätter als Sklerophyllen oder
Hartlaubhölzer bezeichnet haben.
Die in diese Gruppe gehörigen klimatischen Gebiete sind die
Küstenländer des Mittelmeeres, die Südwestecke Afrika's, Südwest-
australien und der grössere Theil von Südaustralien, das mittlere Chile
und der grössere Theil des Küstenlands von Californien. In allen diesen
V. Die winterfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel.
539
weit von einander entfernten Ländern, trägt die Vegetation, trotz aller
tiefgreifenden Unterschiede der floristischen Zusammensetzung, wesent-
lich das gleiche Gepräge. Sie ist von den Sklerophyllen und, in
untergeordneter Weise aber regelmässig , von Knollen- und Zwiebel-
pflanzen beherrscht. Formationen immergrüner xerophiler Laubhölzer
zeigen sich, ausserhalb der erwähnten Gebiete, beinahe nur im Bereich
des Höhenklimas. So bilden sie z. B., wie in einem spätem Kapitel
gezeigt werden soll, auf den Berggipfeln des malayischen Archipels
ausgedehnte Gebüsche. Wesentlich abweichende anatomische Anpas-
sungen der Blätter zeichnen jedoch diese Gewächse vor den Hartlaub-
Fig. 268. Oelbäume bei Nizza. Nach einer Photographie.
gehölzen der winterfeuchten temperirten Niederungen aus. Hingegen kön-
nen edaphische Einflüsse das Colonisiren benachbarter Gebiete von ab-
weichendem Klima durch die Hartlaubgehölze bedingen. So treten sie
in den Savannengebieten des östlichen Kaplands als Bekleidung san-
diger Dünen auf. Ausserdem haben sich vereinzelte Arten neuen kli-
matischen Bedingungen angepasst und treten als Nebenbestandtheile in
den klimatischen Formationen anderer Gebiete auf, wie Lorbeer und
Buchs. Es handelt sich jedoch in solchen Fällen um untergeordnete
Erscheinungen, ausser in Australien, wo die Hartlaubgehölze eine sehr
grosse Verbreitung haben. Viele Erscheinungen machen es wahrschein-
lich, dass das winterfeuchte und sommertrockene Westaustralien, wo die
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Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
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V. Die winterfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel.
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Hartlaubflora bei weitem ihren grössten Reichthum zeigt, der Heerd
ist, aus welchem dieselbe andere Gebiete Australiens colonisirt hat.
Innerhalb der Hartlaubgebiete zeigen sich an zwei Stellen Grasfluren,
nämlich im Sacramento-Thal in Californien und in einem Theil Süd -Austra-
liens. Hohe Temperaturen erlauben hier die Entwickelung der Gräser wäh-
rend des Winters, ausserdem dürften edaphische Einflüsse dieselbe begünstigen.
Der Boden ist, wie die Getreide-Culturen zeigen, für das Gedeihen der Gräser
in ganz hervorragender Weise geeignet.
Fig. 270. Kapländische Hartlaubflora: Proteaceenvegetation auf dem Tafelberg.
Nach einer Photographie.
Die Hartlaubhölzer der winterfeuchten Gebiete sind, da wo der Mensch
die ursprünglichen Verhältnisse nicht zerstört hat, stets zu zusammen-
hängenden und dichten Gehölzen vereinigt, welche in der Mehrzahl der
Fälle vorwiegend oder ausschliesslich aus Sträuchern bestehen, stellen-
weise aber echte, wenn auch nur niedere bis mittelhohe Wälder bilden.
Die Bäume sind meist niedrig, ihr Stamm ist gewöhnlich massiv, ihre
Aeste sind knorrig. Die Blätter sind (Fig. 271 — 278) höchstens mittel-
gross, etwa von der Grösse von Lorbeer- oder von Oleanderblättern,
meistens kleiner bis sehr klein; sie sind beinahe niemals zusammen-
gesetzt, in der Regel schmal lanzettlich oder linealisch bis nadeiförmig,
542
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
meist ganzrandig. Sie stellen sich gewöhnlich nicht mit ihrer breiten
Fläche senkrecht zur Richtung des stärksten Lichtes, sondern pflegen
dem letzteren durch schiefe oder gar durch parallele Stellung auszuweichen.
Reiche lufthaltige Haarüberzüge gehen den Blättern ab oder sind auf
die Unterseite beschränkt, dagegen sind Drüsenhaare auf beiden Blatt-
seiten nicht selten. Auch bei Fehlen der Behaarung sind die Blätter
Fig. 271. Kapländische Hart-
laubflora. Breites lorbeerähn-
liches Blatt von Olea capensis.
Nat. Gr.
Fig. 272. Kapl&ndische Hartlaubflora.
Olinia acuminata L. IC (Oliniaceae).
Nat. Grösse.
relativ selten glänzend, sondern häufiger, auch bei glatter Oberfläche,
vielleicht durch Harzausscheidungen, matt, oft bläulich. In histologischer
Hinsicht ist das Laub charakterisirt durch Dickwandigkeit sämmtlicher
auch der parenchymatischen Zellen, Reichthum an Sklerenchym, starke
Ausbildung der Cuticula, Zurücktreten der Intercellularen ; alle diese
Eigenschaften zusammen verleihen ihm seine charakteristische, hart
lederartige Beschaffenheit.
V. Die winterfeuchten Gebiete der warmtemperirten Gürtel.
543
Knoblauch hat die Blätter der kapländischen Hartlaubgehölze näher
untersucht Dieselben gehören vorwiegend dem e r i k o i d e n Typus an. Die-
selben besitzen auf einer Blattseite eine oder zwei Längsfurchen, in welchen
die Spaltöffnungen sich ausschliesslich oder fast ausschliesslich befinden:
Ericaceen, Verbenaceen, Rubiaceen, Rhamnaceen (Phylica), Thymelaeaceen,
Rosaceen (Cliffortia falcata), Anacardiaceen (Rhus rosmarinifolia).
Im pinoiden Blatttypus ist das Chlorophyllgewebe centrisch gelegen.
Derselbe zeigt sich bei verschiedenen Leguminosen, Bruniaceen, Diosmeen,
Proteaceen, Polygalaceen, Thymelaeaceen, Ericaceen.
Die flachen Blätter treten in der Capflora zurück, namentlich solche
grosser Dimensionen (Leucadendron argenteum. Protea macrophylla, Pr. coc-
cinea). Ihre Epidermis besitzt stets sehr
dicke Aussenwände.
Vergleicht man die Sklerophyllen
mit anderen xerophilen Holzpflanzen,
so fällt, nächst dem immergrünem
Laube, namentlich das Fehlen eines
der gewöhnlichsten Schutzmittel
gegen die Gefahr des Vertrocknens,
dasjenige der Wasserspeicher, auf,
welche sich weder im Laube, noch
in den Wurzeln zeigen. Bereits
wurde auf das gewöhnliche Fehlen
schützender Haarbekleidung an der
Blattoberseite sowie auf die Selten-
heit der in anderen xerophilen Ver-
einen so häufigen Fiederblätter hin-
gewiesen. Die bei anderen xerophilen
Gewächsen ebenfalls häufige Dorn-
bildung ist bei den Sklerophyllen bei-
nahe unbekannt und die Laubknospen
entbehren in der Mehrzahl der Fälle
einer schützenden Schuppenhülle.
Wenn auch die Sklerophyllen die Vegetation in den durch sie
charakterisirten Gebieten vollkommen beherrschen, so sind sie doch
stets von Gewächsen abweichender Structur und Lebensweise be-
gleitet. Unter diesen nehmen Zwiebel- und Knollenpflanzen
einen hervorragenden Platz ein; man findet sie stets in nächster Nähe
der Hartlaubgebüsche und meist in grösster Formenmannigfaltigkeit.
Der Reichthum der Mediterranländer, des Caplandes, Chiles und Cali-
forniens an solchen Gewächsen ist allgemein bekannt und auch für
Süd- und Südwestaustralien wird dieselbe betont. Nirgends in an-
deren Gebieten bilden sie einen so wesentlichen Bestandtheil der Vege-
tation. Zwischen den Sklerophyllen sieht man einzelne aphylle Holz-
Fig. 273. Kapländische Hartlaubflora.
Grubbia stricta A. DC. (Grubbiaceae). Nat. Gr.
Nach Hieronymus in: Nat. Pflanzenfam.
544
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
gewächse, einige Succulenten, z. B. Cacteen in Amerika, Mesembryan-
themum am Cap ; doch sind diese Gewächse keineswegs formenreich und
sind stets Colonisten aus andern Gebieten, namentlich aus den Wüsten.
Die Holzlianen sind spärlich und sehr dünnstämmig; dagegen sind krautige
Schlingpflanzen manchmal häufig. Sonstige Kräuter bieten ausser den
schon erwähnten Succulenten, nichts charakteristisches. Moose undFlech-
Fig. 274. Californische Hartlaubflora: Umbellularia californica (Laurac). Nat Gr.
(Herb. Dudley.)
ten sind auf der Rinde der Bäume sehr spärlich oder fehlen ganz; höhere
Epiphyten sind nie vorhanden, auch da, wo sie in benachbarten Gebieten
mit ähnlichen oder niedrigeren Temperaturen vorkommen (Kapland, Chilel
Es wäre verfrüht, die eben erwähnten Eigentümlichkeiten
der Sklerophyllen und der von ihnen gebildeten Vereine, nament-
lich in Bezug auf ihre Unterschiede anderen Xerophilen gegenüber,
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
545
auf Grund der vorhandenen klimatischen Daten deuten zu wollen. Da
bleibt vielmehr für exakte physiologische Forschung ein weites Feld
offen. Doch lässt sich der Nutzen der auffallendsten Eigenthümlichkeit
der Sklerophyllen, das immergrüne Laub, schon jetzt mit Wahrschein-
lichkeit nachweisen. Die Vegetation in den Hartlaubgebieten ist
nämlich nur kurzen, aber häufigen und unregelmässigen Perioden des
Stillstandes unterworfen, die theils durch Winterkälte, theils durch
sommerliche Trockenheit bedingt sind ; anderseits bieten nur kurze Pe-
rioden in Bezug auf Temperatur und Feuchtigkeit Optimalbedingungen.
Vielmehr zeigen diese
beiden wichtigsten kli-
matischen Factoren des
Pflanzenlebens meist eine
sehr ungünstige Trennung
voneinander. Die Winter-
temperaturen sind an vie-
len Tagen hoch genug,
um die an wenig Wärme
gebundene Arbeit der
Assimilation zu ermög-
lichen *) und während die-
ser Zeit der grössten
Bodenfeuchtigkeit ist der
Zufluss von Rohsaft, so-
wie dessen Verarbeitung
gewiss weit ergiebiger
als während der sommer-
lichen Trockenheit.
Während der letz-
teren ist die Temperatur
für die Assimilation zwar
andauernd günstig ; da-
gegen wirkt ihr die
Trockenheit, indem sie
Verengung oder Verschluss der Spaltöffnungen bedingt, entgegen. Es
wäre von grossem Interesse, die Ergiebigkeit der Assimilation bei den
Sklerophyllen während der verschiedenen Jahreszeiten und bei möglichst
verschiedener Witterung, natürlich nur an natürlichen Standorten, zu
untersuchen, und festzustellen, ob die niedrigen Temperaturen des
Winters oder die Trockenheit des Sommers ihr mehr entgegenwirken.
Höchst wahrscheinlich ist die jährliche Assimilation der Sklerophyllen
4AJU-*«
Fig. 275. Californische Sklerophyllen : Quercns chrysolepis.
Nat. Gr. Nach Sargent.
J) Ueber winterliche Assimilation bei chilenischen Sklerophyllen s. Meigen, II. S. 101.
Schimper, Pflanzengeographie. 35
546
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
^ K
Fig. 276. Mediterrane Hartlaubflora. Cneo-
rum tricoccum. Nat. Gr.
Fig. 277. Kapländische Hartlaubflora. Poh-
gala myrtifolia. Nat Gr.
Fig. 278. Westaustralische Hartlaubflora.
Amphithalea ericifolia E. et Z. Nat. Gr.
Nach Taubert in: Nat. Pflanzenfam.
Fig. 279. Kapländische Hartlaubflon :
Phylica ericoides. Nat. Gr.
0H
rt
y.
S
•1-1
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
547
nicht grösser als die der periodisch grünen Holzpflanzen, indem letztere
nicht nur ein zarteres Laub mit weniger geschützten Spaltöffnungen
besitzen, sondern dasselbe ausserdem unter viel günstigeren Bedingungen
functioniren lassen.
Der grosse Nutzen des immergrünen Laubes in einem Klima mit
winterlichen Regen und sommerlicher Trockenheit ist nach dem Vor-
hergehenden einleuchtend. Von den übrigen Eigentümlichkeiten der
Fig. 281. Mediterrane Hartlaubflora: Quercus Ilex. Nach Flahault.
Sklerophyllen erscheint auch die grosse Häufigkeit unbeschuppter Knos-
pen wohl begreiflich, indem letztere während des Winters keines
Schutzes gegen Trockenheit bedürfen, im Sommer aber ausgebildet
werden und daher eine starre Hülle entbehren müssen; der nöthige
Schutz wird durch Behaarung, Harzüberzüge etc. geliefert.
§ 2. Die Hartlaubgehölze der Mittelmeerländer. Das bekannteste
der von Sklerophyllgehölzen bewohnten Gebiete ist das Küstenland
35*
548
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
des Mittelmeers;1) dasselbe bietet jedoch kaum irgendwo noch
ein unverändertes Bild der ursprünglichen Vegetation dar. Weite
Strecken erscheinen in der Ferne beinahe pflanzenleer, indem das
fahle, staubige Gestrüpp, das den Boden dürftig bedeckt, sich in der
Farbe nur wenig von demselben unterscheidet. Solche öde Strecken,
die in Südfrankreich „garigues" genannt werden, kommen meist nur
auf Kalkboden vor und stellen die Ueberreste früherer Wälder, in
welchen Steineiche (Quercus Hex L. Fig. 281) und Aleppokiefer
(Pinus ha] epensts) herrsch-
ten, dar; nur selten sind
diese Bäume noch zu
niedrigen lichten Wäl-
dern gruppirt AuflGeseU
boden ist die Vegetation
üppiger ; das Gesträuch
wird dichter, höher und
stellt den sogenannten
„Maquis" dar (Fig. 280),
der namentlich in Corsika
zu reicher, typischer Au*
bildung gelangt ist. Auch
der Maquis ist vielfach
als das allein erhallen 1
Unterholz ursprünglicht*:
Wälder zu betrachten
deren Bäume, bis auf
einige Exemplare, der Axt
verfallen sind. Auf Kiesel-
boden sind diese Bäumt
in Südfrankreich , vor-
nehmlich Pinus mannen.
und Quercus Subcr, wih~
rend Steineiche und Alep
pokiefer nur noch unter
geordnet auftreten. Die
auf den meisten Landschaftsbildern aus den Mittelmeerländern vertretene
Pinie (Pinus Pinea Fig. 283) bildet hie und da, auf Sandboden, lockere
Bestände, ohne einen wesentlichen und allgemeinen Bestandtheil der
Vegetation zu bilden, wie die eben genannten weniger schön ge-
Fig. 282. Quercus Dex. 2/3 nat. Gr.
!) Die genauesten diesbezüglichen Arbeiten sind diejenigen von Flahanlt. (VgL das
Literaturverzeichniss.) Eine sehr anziehende Schilderung hat Grisebach in der Vegetariern
der Erde Bd. I, S. 240 u. f. auf Grund eigener Beobachtungen gegeben.
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
549
stalteten Kiefern. Noch mehr tritt die allbekannte Cypresse (Fig. 284)
im wildwachsenden Zustande zurück.
Fig. 283. Pinus Pinea am Mittelmeer. Nach einer Photographie.
Die Maquis besitzen manchmal auf weiten Strecken eine sehr
monotone Zusammensetzung; so sind sie in Spanien meilenweit
55o
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
ganz vorwiegend von Cistus-Arten (Fig. 285), im Osten nicht selten
hauptsächlich von Pistacia Lentiscus (Fig. 286), gebildet. Auch in
diesen Fällen jedoch sind den vorherrschenden andere Typen bei-
gemengt und ein buntes Formengemisch bildet wohl die Regel.
Die systematische Zusammensetzung der Hartlaubgehölze zeigt je
nach der Gegend, der Höhe über dem Meere, der physikalischen und
chemischen Beschaffenheit des Bodens mannigfache Unterschiede;
überall jedoch ist ihr ökologischer Charakter bewahrt. Niedrig und locker
in den Garigues, höher und mehr verschlungen in den Maquis, zeigen
Sträucher und Bäume stets
aufrechte, steife, mattgrüne
Blätter. Man möchte diesel-
ben für Glieder einer grossen
Familie betrachten , wenn
die Blüthen, die in keiner
erkennbaren Weise den Ein-
fluss des Klimas erlitten
haben, nicht sofort eines
anderen belehrten.
Die Zahl der häufigen
Sklerophyllen ist in den
Mittelmeerländern eine so
grosse, dass eine Auswahl
besonders wichtiger Formen
stets willkürlich erscheinen
wird. Doch wird man immer
den Oelbaum, Olea euro-
paea L. (Fig. 268), erwähnen,
welcher stellenweise in den
Maquis des Orients und der
mediterranen Inseln noch als
Strauch wild wächst und
als Culturbaum das ganze
Culturland des Gebiets beherrscht. Er stellt einen typischen Vertreter
des Sklerophylltypus dar, mit seinem massiven, schon in geringer Höhe
verzweigten Stamme, seinen knorrigen Aesten, seiner tiefrissigen, dicken
Borke, namentlich aber mit seinen kleinen, schmalen, harten Blättern,
die oberwärts spärlich behaart und mattgrün, unterwärts aber durch
schuppige Behaarung, silberglänzend erscheinen.
An die Olive schliesst sich habituell Quercus Hex L. (Fig. 281
u. 282) nahe an. Diese Art vertritt in den Mediterranländern, mit einigen
anderen, wie Q. coccifera (Fig. 288) und Q. Suber den Sklerophylltypus
in der Gattung Quercus, während andere häufige Arten des Gebiets
Fig. 284. Cupressus sempervirens, die Cypresse. Oben
ein Ast von Olea europaea. Ravenna, Corner See.
Nach einer Photographie des Herrn Fr. Sönnecken.
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
551
wie Q. lusitanica, sommergrün geblieben sind. Die Hartlaubeichen
haben kleine, harte, bei Q. Hex meist ganzrandige, bei anderen Arten
spitz gezähnte Blätter.
Einige durch die Cultur auch nach Deutschland gelangte Sträucher
und kleine Bäume der Mediterranländer tragen das Sklerophyllgepräge
nicht weniger zur Schau. Allerdings sind zwei der bekanntesten der-
selben, Oleander und Lor-
beer, kaum als typische
Vertreter des Maquis zu be-
trachten. Nerium Oleander
wächst am Rande und auf
den Inselchen des steinigen
Bettes wasserarmer Ströme
und der Lorbeer (Laurus
nobilis), dessen Verbreitung
sich über Westfrankreich er-
streckt, ist im Maquis eine
seltene Erscheinung und,
wie der Oleander, mehr
grossblätterig als dessen
gewöhnliche Bestandtheile.
Recht typische und häufige
Mäquissträucher sind hin-
gegen die Myrte (Myrtus
communis) mit ihren kleinen,
steifen Blättern und die aro-
matischen Labiaten wie Ros-
marin (Rosmarinus officina-
lis) , Lavendel (Lavandula
latifolia) und Thymian (Thy-
mus vulgaris), während die
Salbei (Salvia officinalis) mit
ihren breiten , filzig be-
haarten, weicheren Blättern
wiederum aus dem Typus
ausschlägt.
Alle diese Culturge-
wächse zusammen vermögen jedoch keineswegs ein Bild der natür-
lichen Mediterrangehölze, sei es des Waldes, des Maquis oder der
Garigue zu geben, da so viele ihrer Bestandtheile nur im wilden
Zustande vorkommen. Letzteres gilt z. B. von den zahlreichen,
namentlich auf Kieselboden sehr häufigen Cistus -Arten, welche durch
ihre grossen weissen oder carminrothen Blüthen zu den schönsten
Fig. 285.
Mediterrane Hartlaubflora. Cistus crispus.
Nat. Gr. Nach Reichenbach.
552
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
natürlichen Zierpflanzen der Mediterranländer gehören; ihre Blätter
sind bald lederartig und glänzend, bald von harzigen Ausscheidungen
klebrig, bald stark behaart und in diesem Falle von weicherer Beschaffen-
heit. Bei keinem Bestandtheile der Maquis jedoch ist der Sklerophyll-
typus mehr ausgeprägt als bei solchen unscheinbaren und sehr häufigen
Arten, wie Daphne gnidium (Fig. 287, /), Phillyrea media (Fig. 287,^),
Cneorum tricoccum (Fig. 276), Globularia alypum (Fig. 287,6) mit
Fig. 286. Mediterrane Hartlaubflora: Pistacia Lentiscus. Xat Gr.
ihren starren, schmalen Blättern, die sich schief oder nahezu parallel zur
Richtung der Lichtstrahlen stellen. Zur Nadelform wird das immergrüne
Blatt (bezw. Cladodium) bei dem selten fehlenden Asparagus acutifolius,
bei den zum Theil an Kieselboden gebundenen Erica-Arten, unter
welchen Erica arborea (Fig. 287, 5) durch ihren nahezu baumartigen
Wuchs besonders hervorragt. Dazwischen zeigen sich einige Gewächse
von etwas abweichendem Aussehen, wie Pistacia Lentiscus (Fig. 286,
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
553
Fig. 287. Mediterrane Hartlaubflora. / Daphne gnidium. 2 Passerina hirsuta. 3 Lavandula
Stoechas. 4 Phillyrea media. 5 Erica multinora. 6 Globularia Alypum. Nat. Grösse.
(Nach Reichenbach.)
554
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
der einzigen immergrünen Holzpflanze mit gefiederten Blättern, in den
Mediterranländern, wie ihre laubabwerfende, ebenfalls fiederblätterige
Verwandte, Pistacia Terebinthus, wie das aphylle Spartium junceum oder
auch noch als häufigster Vertreter der wenigen Kletterpflanzen, Smilax
aspera, die in ihren harten, persistirenden Blättern allerdings dem
Sklerophylltypus sich nähert.
An freien oder doch weniger von Gesträuch bestandenen Stellen
entwickeln sich in zahlreichen Formen Knollen- und Zwiebelpflanzen,
die gewöhnlichen Begleiter der Sklerophyllen. Es sind hier namentlich
Tulpen, Narcissen, Asphodelen, Arten von Muscari, Orchis, Ophrys,
Gladiolus, Arum etc. ; auch die Anemonen kann man ihnen anschliessen.
In ihrer Gesellschaft zeigen sich schmalblätterige, xerophile Gräser,
perennirende Kräuter mit
persistirenden harten Blät-
tern , kurzlebige Frühlings-
annuellen in grosser Mannig-
faltigkeit.
Um die mediterranen Hart-
laubformationen genauer zu
charakterisiren , sei hier her-
vorgehoben, dass die Quercus
Hex- Formation in Frankreich
stets folgende Gewächse auf-
weist1): Cistus monspeliensis
und albidus, Lavandula lati-
folia, Thymus vulgaris, Genista
scorpius , Daphne Gnidium,
Brachypodium ramosum, Smi-
lax aspera, Quercus coccifera,
Phillyrea angustifolia , Pistacia
Terebinthus , Dorycnium suf-
fruticosum, Juniperus Oxycedrus. Meist, aber nicht immer treten noch
folgende Arten hinzu: Pistacia Lentiscus, Rosmarinus officinalis, Cneorum
tricoccum, Spartium junceum, Rhamnus alaternus, Cercis siliquastrum , Erica
multiflora.
In den wärmsten Theilen Südfrankreichs, an der Küste der Provence,
treten diesen allgemein verbreiteten Gewächsen noch folgende hinzu *) : Myrtus
communis, Cneorum tricoccum, Calycotome spinosa, Anthyllis cytisoides,
Anth. barba jovis, Hyoseris radiata, Convolvulus althaeoides, Teucrium fruti-
cans, Orchis longebracteata, Anagyris foetida, Erica arborea, Thapsia villosa,
Ferula nodiflora, Cistus ladaniferus, C. crispus, C. populifolius, Vitex Agnus
Castus, Thelygonum Cynocrambe.
Fig. 288. Mediterrane Hartlaubflora : Quercus conifera.
*/. nat. Gr.
1) Flahault, Carte, S. 66.
2) Ibid. S. 69.
o
o
£
o
0£
1
E
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete. ccc
In der Nähe ihrer klimatischen Grenze sind die Gehölze wieder ab-
weichender Zusammensetzung:
Genista scorpius, Psoralea bituminosa, Sedum altissimum, Rubia peregrina,
Carlina corymbosa, Lavandula latifolia, Thymus vulgaris, Euphorbia Characia
Jasminum fruticans, Aegilops ovata, Brachypodium ramosum, Asparagus acuti-
folius, Dorycnium suffruticosum, Rhamnus Alaternus, Spartium junceum, Ononis
minutissima, Scabiosa maritima, Catananche coerulea.
Meist nur in vereinzelten, zu wenigen Arten gehörigen Individuen,
zeigen sich in den Hartlaubgehölzen sommergrüne Holzgewächse. Im
westlichen Theile des Mediterranlandes ist unter ihnen nur Pistacia
Terebinthus sehr häufig; Vitex Agnus Castus, Cercis siliquastrum sind
es nur stellenweise. Pappeln, Eschen und andere laubabwerfende
Bäume nordischer Verwandtschaft, die im Littoral häufig sind, kommen
nicht in den Sklerophyllgehölzen, sondern in der Nähe der Gewässer
auf immer feuchtem Boden, vor; Wälder laubabwerfender Bäume, zu-
nächst von Kastanien, fehlen dem Küstenlande und zeigen sich erst
in den klimatisch abweichenden Gebirgsgegenden, oberhalb der Oliven.
§ 3. Die kapländischen Hartlaubgehölze. Alle in Bezug auf zeit-
liche Vertheilung der Regen- und Trockenzeit mit der Mediterranküste
übereinstimmende Gebiete wiederholen in ihrer Vegetation die wesent-
lichen ökologischen Züge der Mediterranvegetation. So könnten z. B.
die Schilderungen, welche Bolus und Scott-Elliot von der südwestlichen
Kapflora entworfen haben, soweit sie sich auf die vegetativen Organe
beziehen, auf die Mediterranflora ohne weiteres übertragen werden und
passen, wie wir nachher sehen werden, nicht weniger gut zu den an-
deren Hartlaubgebieten.
Nach Bolus ist die Südwestecke Afrika's von immergrünem „nied-
rigem Gebüsch von dunkler oder bläulichgrüner Farbe" überzogen.
Seine Bestandtheile haben gewöhnlich sehr kleine Blätter und sind
von einer graugrünen oder stumpfen Farbe, so dass sie von der
Ferne einen sehr düstern Eindruck machen. An der Küste sind die
Büsche übrigens grösser, zumeist 4 — 8 Fuss hoch. Bäume, namentlich
Proteaceen, sind auf die feuchteren Abhänge und Schluchten des Tafel-
bergs beschränkt.
Im Vergleich zu den Blättern der Mediterrangehölze sind hier
sehr kleine Blätter noch häufiger, obwohl relativ grosse Blätter (z. B.
bei Leucadendron argenteum Fig. 294) an etwas feuchteren Standorten nicht
fehlen. Hier scheint ausserdem das Klima auch die Blüthen beeinflusst
zu haben, welche meist sehr klein, aber dicht gedrängt sind und oft
eine Reduction der Corolle zu Gunsten der Staubfäden aufweisen.
Annuellen scheinen zu fehlen. Diese geringen ökologischen Unterschiede
zwischen Capland und Mediterrangelände hängen mit der noch grösseren
Trockenheit des ersteren zusammen und sind gegenüber den schwer-
556
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
wiegenden Uebereinstimmungen bedeutungslos. Letztere erstrecken sich
auch auf die Begleitpflanzen, zu welchen Zwiebel- und Knollenpflanzen
Fig. 290. Kapländische Hartlaubvegetation: Leucadendron argenteum am Tafelberg.
Nach einer Photographie.
in erster Linie gehören. Auch hier sind die Dorngewächse, die Aphyllen
die Succulenten, die Holzpflanzen mit Fiederblättern nur schwach ent-
Fig. 29 1 . Kapländische Hartlaubflora. / Gnidia pinifolia L. (Thymelaeaceae). 2 Leucadendron
Levisancus R. Br. (Proteaceae). 3 Berzelia abrotanoides Brongt. (Bruniaceae). 4 Diosma
sncculentum (Rutaceae-Diosmeae). 5 Phylica paniculata (Rhamnacea). 6 Coleonema album
(Rutaccae). 7 Agathosma capitatum L. (Rutaceae). Nat. Gr. (R. Anheisser n. d. Nat.)
558
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
wickelt, während sie in den benachbarten, nicht weniger oder noch
mehr regenarmen, aber in der Zeit ihrer Niederschläge abweichenden
Gebieten eine wesentliche Rolle spielen.
Sammlungen von Pflanzen auf dem reichen Abhang etwa des Tafelbergs,
des Lion's Head, des Devil's Peak, des Minzenbergs, der Houwhoek-Gebirges
gemacht, zeigen, nach Scott -Elliot, eine bemerkenswerthe Aehnlichkeit der
Lebensweise und des Aussehens. Es sind sämmtlich strauchige Perennen.
Anscheinend giebt es nicht eine einzige unzweifelhafte Annuelle in der süd-
westlichen Flora. Die Blätter sind klein, hart und häufig am Rande eingerollt,
die Blüthen sind ebenfalls klein; jedoch zahlreich und dicht gehäuft. „Dieser
Typus ist in den verschiedensten Ordnungen vertreten,
z. B. bei zahlreichen Arten von Heliophila unter den
Cruciferen ; bei vielen Arten von Polygala und Muraltia,
von Polycarpon, Hermannia und Maternia, bei der
ganzen Gruppe der Diosmeen unter den Rutaceen,
bei Phylica und Noltea unter den Rhamnaceen ; unter
den Leguminosen bei Amphithalea, Borbonia, Rafhia,
Listia, Lebeckia und anderen, und höchst vollkommen
in der grossen Gattung Aspalathus; unter den Rosa-
ceen finden wir Cliffortia; die Ordnung der Brunia-
ceen besteht ebenfalls aus solchen Gewächsen."
§ 4. Süd- und westaustralische Hartlaub-
gehölze. Der west- und südaustralische Scrub
nähert sich in seinem ökologischen Gepräge den
anderen Sklerophyllformationen so vollkommen,
dass eine Schilderung desselben einer Wieder-
holung gleichen muss : Immergrüne, vornehmlich
strauchige Gewächse, mit steifen, saftarmen,
einfachen, ganzrandigen Blättern, die sich schief
oder sogar parallel zum Lichte stellen, eine
matte, hier oft durch Harz- oder Wachskörnchen
bläuliche Oberfläche besitzen und Behaarung,
wenn überhaupt, nur an der Unterseite auf-
zuweisen pflegen. Auch die Nebenvegetation
stimmt überein mit ihrem Reichthum an Zwiebel- und Knollenpflanzen
(Liliaceen, Haemodoraceen, Orchideen), ihrer Armuth an Dorngewächsen
und Fiederblättern. Wiederum würde man nach den vegetativen Organen
die Glieder eines Verwandtschaftskreises vermuthen und denselben zu
demjenigen der Mediterranküste und des Kaplandes in Beziehung
stellen, und doch handelt es sich im australischen Scrub um ein äusserst
formenreiches Gemisch meist ganz eigentümlicher Typen aus den
Familien der Mimosaceen , Myrtaceen , Proteaceen , Thymelaeaceen,
Epacridaceen, Myoporaceen etc.
Schmal elliptische, denjenigen der Olive und des Oleander ähnliche
^A,J***A*r
Fig. 292. Kapländische
Hartlaubflora. Cliffortia
ilicifolia (Rosaceae). Nat.
Grösse.
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
559
Blätter herrschen vor (Fig. 297), doch kommen auch linealische und
breitere Formen vor.
Leider sind wir über die formenreichen und oft waldartigen Hart-
laubgehölze West -Australiens nur ganz im Allgemeinen unterrichtet.
Genauere Schilderungen liegen nur für den Scrub Süd-Australiens vor.
Schomburgk spricht sich darüber folgendermaasen aus:
„Die Gebiete des sogenannten „Scrublands" erscheinen auf der ganzen
Oberfläche Süd-Australiens in den verschiedensten Bezirken, doch dehnen sie
Fig« 293- Kapländische Hartlaubflora. Cunonia capensis L. (Cunoniaceae).
sich vornehmlich nach Norden und Osten aus und nehmen ungefähr den achten
Theil der Colonie ein. Sie stellen weite trostlose, dürre Flächen dar, deren
Boden von schlechtester Beschaffenheit und für die Cultur ungeeignet ist;
derselbe besteht bald aus lehmigem Thon, bald aus reinem Sande und seine
Oberfläche ist von Kieseln, Eisenstein und Eisensand bedeckt; Wasser ist in
diesen Gegenden nicht sichtbar. Die Vegetation ist von zwerghaftem Wuchs
und der Scrub beinahe frei von Gräsern und anderen Kräutern. Die wenigen
Genera der ersteren sind vorwiegend Neurachne, Stipa, Isolepis, Spinifex, das
wohlbekannte Kanguroogras, Anthistiria ciliaris und einige Juncaceen, nämlich
Xerotes glauca R. Br. und filiformis R. Br. ; alle wachsen nur in vereinzelten,
weit von einander stehenden Büscheln. Das Fehlen anderer Kräuter ist
JÖO Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
während des Sommers ebenso gross; aber ihre Abwesenheit ist durch die
endlose Mannigfaltigkeit der Genera und Arten der Sträucher aufgewogen.
Der allgemeine Eindruck, den der Scrub hervorruft, ist düster, obwohl die
grosse Mannigfaltigkeit der hier zusammenwachsenden Sträucher den Botaniker
interessirt. Diese Sträucher werden gewöhnlich 4 bis 6' hoch und sind
untermischt von Zwergbäumen aus den Genera Eucalyptus, Casuarina, Santalum,
Melaleuca, Exocarpus1), Camphoromyrtus2), Dodonaea3), Frenela4), Banksia
Fig- 294. Kapländische Hartlaubflora: Leucadendron argentenm. */9 nat. Gr.
(R. Anheisser n. d. Nat.)
(Fig. 297, /)5) etc. Kleinere Sträucher aus den Genera Pimelea (Fig. 295, j)\
Leucopogon (Fig. 298,7)®), Dillwynia7), Acrotriche6), Calythrix (Fig. 295, <?}*)
bedecken den Boden und sind überragt von solchen höheren Wuchses, wie
Hakea (Fig. 298, ^)8), Logania, Alyxia9), Myoporum (Fig. 295,6), Stenochilus 10),
Euphrasia, Thomasia11), Bursaria12), Pomaderris18), Haloragis, Melaleuca
(Fig. 295, z)8), Leptospermum (Fig. 298,3*)2), Eutaxia7), Acacia (Fig. 296), Iso-
pogon8), Correa14), Rhagodia15) etc., welche zuweilen undurchdringliche
») Santalac. «) Myrtac. *) Sapindac. 4) Callitris Vent. Conif. a) Thymel. 6) Epacrid.
*) Papilion. 8) Proteac. 9) Apocyn. 10) Myopor. n) Stercul. ia) Pittospor. ,g) Rhunnac
u) Rutac. ,B) Chenopod.
Fig. 295. Westaustralische Hartlaubflora.
/ Melaleuca densa R. Br. (Myrtac). 2 Brachysema undulatum R. Br. (Papilion). 3 Pimelea spectabilis Lindl.
(Thymelaeac). 4 Chorizema triangularis (Papil.). s Styphelia (Leucopogon) squarrosa Benth. (Epacrid.).
6 Myoporum tuberculatum R. Br. (Myoporac.) 7 Styphelia verticillata Spreng. (Epacrid.). S Calythrix
glabra Br. (Myrtac). 9 Boronia crenulata Smith (Rutac.) Nat. Gr.
Schimper, Pflanzengeographie. 36
562
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Dickichte bilden; an anderen Orten besteht der Scrub ausschliesslich aus
Eucalyptus dumosa A. Cunn. oder aus anderen buschigen Eucalypten, wie
E. uncinata Turcz., bicolor A. Cunn. und incrassata Labil., welche nur 6
bis 8' hoch werden und über Hunderte von Meilen sich ausdehnen."
„Die bei weitem vorherrschende Farbe im Scrub ist ein bläuliches Grün,
hier und da gesprenkelt durch die weisslichen Blätter der Rhagodia und die
röthlich braunen anderer Sträucher. Die meisten Blätter sind eiförmig, ganz-
randig, lederartig und scharfspitzig; Sträucher mit gefiederten Blättern sind selten.
Fig. 296. Westaustralische Hartlaubflora. Acacia- Arten. / A. armata. 2 A. marginata.
2 A. decipiens R. Br. 4 A. alata R. Br. Nat. Gr.
„Das einförmige und düstere Aussehen eines ausgedehnten Scrub ist er-
drückend, namentlich bei der Betrachtung von einer Erhöhung. Die gleich-
massige Höhe der Gewächse, die mattbläuliche Laubfarbe sehen in der Ferne
wie ein bis an den Horizont sich ausdehnendes Meer aus; wenigstens machte
mir der erste Blick auf den über Hunderte von Meilen sich erstreckenden
Murray Scrub diesen Eindruck. Jeder vermeidet den Scrub so viel als
möglich. Viele haben in demselben ihren Weg verloren und sind an Wasser-
mangel zu Grunde gegangen."
„Die Scrubgehölze der verschiedenen Bezirke machen alle den gleichen
gesammten Eindruck, doch gehören die dieselben zusammensetzenden Pflanzen
Fig. 297. Westaustralische Hartlaubflora: Proteaceae. / Banksia marginata Cav. 2 Banksia
serrata L. fil. 3 Dryandra mucronulata R. Br. 4 Banksia ericaefolia L. fil. 5 Banksia
spinulosa Sra.
36» .
Fig. 298. Australische Hartlaubflora. Wiederholung ähnlicher Blattformen.
/ Pittosporum phillyraeoides D. C. (Pittosporac). •? Acacia linearis. J Ac floribunda. 4 Hakea salif»a
Schrad. (Proteac). S Leptospermum resiniferum (Myrtac). 6 Metrosideros vimtnalis Girtn. (Myrtac -
7 Leucopogon Cunninghami (Epacridac). Nat. Grosse.
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ß
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O
jC
P«.
h
s
»2
U
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete. eße
nicht zu den gleichen Genera und Arten, da Bodenqualität und Standort den
floristischen Charakter beeinflussen.1)
Stets findet man die eine oder die andere Strauchart in Blüthe. Die
meisten Arten entfalten ihre Blüthen im September oder October und die
Regenzeit ist von geringem Einfluss auf dieselbe; doch weckt sie zahlreiche
terrestrische Orchideen zu neuem Leben, nämlich Arten von Erochilus, Ca-
ladenia, Diuris, Prassophyllum, Dipodium, Microtis, Cyrtostylis etc. In ihrer
Gesellschaft erscheinen einige Stauden und Annuellen, Arten von Helichrysum,
Drosera, Helipterum, Scaevola, Brunonia, Thysonanthus, Euphrasia, Goodenia,
Hypoxis, Senecio etc. und einjährige Gräser. Aber ihre Dauer ist kurz, da
sie beim Eintritt der Trockenzeit ebenso rasch verschwinden, als sie erschienen
waren.1) „Heideartiges Laub oder vertical gestellte Blätter," sagt Behr,
„drängen sich um moosartig in einander gewachsene kugelförmige Sträucher
oder verdecken nur spärlich die Blossen der langen Ruthen, die sich aus
hässlich sparrigem Gestrüpp herausstrecken. Die herrschende Farbe des
Laubes ist ein todtes Blaugrün •, doch legt sich die Natur in dieser Beziehung
wenig Zwang an; die Rhagodia trägt weisses Laub, anderes Gesträuch braun-
rothes; am unheimlichsten, weil in solcher Umgebung am unnatürlichsten,
ist das lebhafte Maigrtin der Cassia und des Santalum. Gefiedertes oder
sonst zusammengesetztes Laub ist selten; ich erinnere mich nur als einzigen
Beispiels einer Art von Cassia. Sonst findet sich bei dem rigiden Laube
möglichste Mannigfaltigkeit, vom Eirund durch die Lanzettform bis zur blossen
Borste, von der dichtesten Gedrängtheit durch alle möglichen Nuancen zum
kahlen, blattlosen Zweige. Bei alledem treten oft Pflanzen aus sehr ver-
schiedenen Familien im Habitus so zusammen, dass nur Blüthe oder Frucht
ein sicheres Criterium geben können. Die Gesträuche und Bäume der Scrub-
gegenden sind von sehr verschiedener Höhe, manche Eucalyptus- Arten wett-
eifern mit denen des fruchtbaren Landes . . ." 2) Schomburgk's Schilderung
stimmt mit der vorhergehenden wesentlich überein.
§ 5. Die califomischen Hartlaubgehölze. Das califo mische
Küstenland ist vornehmlich von immergrünem Gesträuch bedeckt, aus
welchem Bäume sich meist nur vereinzelt erheben. Die wichtigsten
dieser letzteren, welche an trockenen Standorten auch als Sträucher
auftreten, sind Quercus agrifolia N6e, Q. chrysolepis Liebm. (Fig. 275
und 299), Q. dumosa (Fig. 300, 6), Q. oblongifolia Torr. u. a. m.,
sammtlich immergrüne Arten mit kleinen, lederartigen, ganzrandigen
oder mit Stachelzähnen versehenen Blättern; ihnen gesellen sich zwei
immergrüne Bäume anderer Verwandtschaft, der kalifornische Lorbeer,
Umbellularia californica Nutt (Fig. 274) und der Chinquapin, Castanopsis
chrysophylla A. D. C. zu. Das den Hauptbestandtheil der Vegetations-
decke bildende, auf Vorbergen und Hügeln schwer durchdringliche
Dickichte bildende Gesträuch (Fig. 302), setzt sich, wie die ent-
sprechenden Formationen anderer Sklerophyllgebiete , aus Vertretern
*) 1. c. S. 9—10.
Uc.s. 548—549.
Fig. 300. Aus der californischen Hartlaubflora: Chaparralvegetation des Küstengebirges
/ Arctostaphylos tomentosa. 2 Adenostoma fasciculatum H. v. A. 3 Ceanothus cuneatus Nutt. 4 C papil-
losus Torr, j Pickeringia montana Nutt. 6 Quercus dumosa. Nutt. Ex herb. Prof. Dudley.
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
567
der verschiedensten Familien zusammen, wie Eichen (Fig. 300, 6), Compo-
siten, Rosaceen, (Adenostoma fasciculatum, Prunus ilicifolia (Fig. 300,2),
Zygophyllaceen, Anacardiaceen (Rhus -Arten), Rhamnaceen (mehrere Cea-
nothus-Arten) (Fig. 300 j,4\ Leguminosen, Hydrophyllaceen, Ericaceen
(Arctostaphylos) (Fig. 300,/), Labiaten etc. Succulenten sind häufiger
Fig. 301. Californische Hartlaubflora: Dendromecon rigidum (Papav.). Nat. Gr.
(Herb. Dudley.)
als in anderen Hartlaubgebieten und durch verschiedene Cacteen vertreten.
Zwiebel- und Knollenpflanzen sind hier wiederum als Begleiter der Hart-
laubhölzer massenhaft vorhanden.
Der Fuss des Küstengebirges (Coast ränge) ist in Nordcalifornien,
*) Mayr, N.-Amerika, S. 261 u. f.
Fig. 30a. Am drr calttbrnU>chcn i
Louu Torr, f
Ü
■M
569
eher und flo-
grossen Theile
ud Häufigkeit
immergrüne
Neide baumartig,
1 strauchig bleibt
We (Coast- Range) Califomiens ; Sequoia sempervirens.
fctncr Photographie.
Itckichte bildet. Die charakteristischen Sträucher
I Uosacee AdeDostoma fasciculatum (Fig.500,2), ein
Bat Spiraeabltithen versehener Strauch, der oft für
deichte bildet Häutig und charakteristisch ist auch
t (Fig. 300,^), ein buschiger, bis 2 m hoher, weiss
Strauch, der ebenfalls die Neigung hat gesellig zu
568
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
dank den reicheren Niederschlägen, von Hochwäldern bedeckt, die vor-
nehmlich von Sequoia sempervirens gebildet sind (Fig. 304). Das Unter-
holz jedoch ist von typischen Hartlaubsträuchern gebildet. Weiter südlich
sind sowohl auf dem Küstengebirge als an der unteren Region der Sierra
Nevada immergrüne Gebüsche und Gesträuche, in welchen Eichen auf
weiten Strecken beinahe allein herrschen. Dicht am Meere erhebt
Fig. 303. Californische Hartlaubflora: Prunus ilicifolia. Nat. Gr. Nach Sargent,
sich manchmal, freistehend oder in lichten Beständen, Juniperus
macrocarpa (Fig. 305.).
Schilderungen des Vegetationscharakters an der Küste Kaliforniens sind
äusserst spärlich. Nach C. A. Purpus nimmt an der südwestlichen Sierra Nevada
Quercus Douglasii die unteren Abhänge ein; bei etwa 2000' beginnt eine
Baum- und Strauchvegetation von wesentlich anderer Zusammensetzung ; es sind
V. Die winterfeuchten und warmtemperirten Gebiete.
569
die sogenannten Chaparrals, die in ähnlicher physiognomischer und flo-
ristischer Zusammensetzung durch das Küstengebirge zum grossen Theile
bedecken. Unter den Bäumen zeichnet sich durch Grösse und Häufigkeit
aus Quercus chrysolepis. Mit ihr zeigen sich die ebenfalls immergrüne
Q. Wislizeni D. C. und die laubabwerfende Q. Kellogi Newb., beide baumartig,
während die nicht weniger charakteristische Q. Breweri Engelm. strauchig bleibt
Fig. 304. Aus dem pacifischen Küstenwalde (Coast-Range) Californiens : Sequoia sempervirens.
Nach einer Photographie.
und schwer durchdringliche Dickichte bildet. Die charakteristischen Sträucher
sind aber in erster Linie die Rosacee Adenostoma fasciculatum (Fig. 5 00, 2), ein
immergrüner erikenartiger, mit Spiraeablüthen versehener Strauch, der oft für
sich allein ausgedehnte Dickichte bildet. Häufig und charakteristisch ist auch
Ceanothus cuneatus Hook (Fig. 300, j), ein buschiger, bis 2 m hoher, weiss
oder hellblau blühender Strauch, der ebenfalls die Neigung hat gesellig zu
S70
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
wachsen und dichtes Gestrüpp zu bilden. Ferner erwähnt Purpus namentlich
die gross blühende Sterculiacee Fremontia californica, die sommergrüne Aesculus
californica, die Rosacee Cercocarpus parvifolius Nutt., Arctostaphylos- Arten,
namentlich A. Manzanita, Arten von Rhamnus (Rh. tomentella Benth., Rh. crocea,
Nutt., beide immergrün), Rhus diversiloba Torr, et Gray., Pentstemon diver-
sifolius Ldl., Diplacus glutinosus Benth. (Scrophul.), Eriodictyon glutinosum
Hook, et Arn. (Hydrophyll.) , Bigelowia arborescens Gray. (Compos) , Um-
bellularia californica Nutt. (eine weiter nördlich, in feuchteren Gegenden
baumartige Lauracee.
Fig. 274) und einige
Schlingsträucher : Lo-
nicerahispidula DougL
und Clematis lasiantha
Nutt. Das in der
Coast Range häufige
Dendromecon rigidum
Benth. (Fig. 30 1), eine
strauchige Papavera-
cee mit grossen Blü-
then, die habituell an
die mediterranen Cist-
rosen erinnert, ist in
den Chaparrals der
Sierra Nevada seltener.
§ 6. Die chile-
nischen Hartlaub-
gehölze. Die mit-
telchilenischen
Hartlaubgehölze zei-
gen sich nament-
lich in der Berg-
region , in Höhen
zwischen 1000 und
2000 m; da bilden
sie schwer durch-
dringliche, immer-
grüne Gestrauche,
die an besonders
günstigen Stellen von Bäumen überragt erscheinen. Ihr häufigster Be-
standteil, als Strauch wie als Baum, ist Quillaja Saponaria. Constante
Begleiter der letzteren sind Kageneckia oblonga und Litsaea caustica;
es treten aber noch zahlreiche andere Sträucher hinzu (Fig. 304). Alle
diese Holzgewächse haben kleine, bis höchstens mittelgrosse, saftarme,
sklerenchymreiche Blätter mit dicker Cuticula. Halbstrauchige und krau-
tige Schlingpflanzen sind in diesen Gehölzen häufig, Knollen- und
Fig. 305. Cupressus macrocarpa, die Monterey-Cypresse an der
Meeresküste bei San Francisco. Nach einer Photographie.
Fig. 306. Chilenische Hartlaubflora.
/ Quillaja Saponaria Mol. 2 Escallonia arguta Presl. 3 Kageneckia oblong». 4 Kageneckia angustifolia
Don. 5 Colliguaya odorifera. 6 Col. intcgerrima Gill. et Hook. 7 Rhu» caustica Hook. 8 Satureja
virgata. g Baccharis rosmarinifolia. 10 Aristotelia maqui L'He>. Nat. Gr.
C72 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Zwiebelpflanzen (Liliaceen, Amaryllidaceen, Iridaceen bes. Sisyrinchium,
Oxalis-Arten etc.) wachsen in ihrer Nähe. Abweichende häufige Formen
sind die mächtige Bromeliacee, Puya coarctata sowie Cereus Quisco.
Auswahl der Literatur.
Bolus, H. Grundzüge der Flora von Südafrika. Uebersetzung von
G. Kersten. 1888.
Flahault, Ch. I. La distribution gdographique des vdg^taux dans un coin
du Languedoe. Montpellier 1893.
— II. Les herborisations aux environs de Montpellier. Journal de botanique.
Tomes I und II.
— III. Projet de carte botanique, forestifcre et agricole de la France. Bulle-
tin de le Soctetd botanique de France. Tome LI. 1894. S. LVI.
— IV. La garigue. Journal de botanique. 1888.
Jönsson, Bengt. Bidrag tili Kännedomen om bladetsanatomista byggnad
hos Proteacerna. In.-Diss. Lund 1880.
Knoblauch, E. Oekologische Anatomie der Holzpflanzen der südafrika-
nischen immergrünen Buschregion. Habilitationsschrift 1897.
Mayr, H. Die Waldungen von Nordamerika. München 1890.
M eigen, Fr. I. Skizze der Vegetationsverhältnisse von Santiago in Chile.
Engler's Jahrbücher. Bd. 17.
— II. Biologische Beobachtungen aus der Flora Santiagos in Chile. Trocken-
schutzeinrichtungen. Ibid. Bd. 18.
Neger, F. W. Zur Biologie der Holzgewächse im südlichen Chile. Engler's
Jahrbücher. Bd. XXHI. 1896.
— Die Vegetationsverhältnisse im nördlichen Araucanien (Flussgebiet des
Rio Biobio). Engler's Jahrb. Bd. XXIII. 1896.
Purp us, C. A. T. I. Die Chaparralregion der südwestlichen Sierra Nevada
von Californien. Mittheil. d. deutschen dendrolog. Gesellsch. No. 6.
1897.
— II. Bericht über meine Tour in die südliche Sierra Nevada und die Argus
und Madurango Ranges. Ibid.
Reiche, K. Die Vegetationsverhältnisse am Unterlaufe des Rio Maule
Engler's Jahrbücher. Bd. 21.
Sargent. Die Wälder von Nordamerika. (Auszug.) Petermann's Mit-
theilungen 1886.
Schomburgk. Flora of South- Australia. Adelaide 1875.
Scott-Elliot Regional distribution of the Cape Flora. Transact of the
botanical Society. Vol. XVIII. Edinburgh 1891.
Willkomm, M. Grundzüge der Pflanzenverbreitung auf der iberischen
Halbinsel. Die Vegetation der Erde. I. Theil. Leipzig 1896.
VI. Gehölzklima und Grasflurklima in den
kalttemperirten Gürteln.
§ i. Allgemeines. — §2. Wald und Prärie in den Vereinigten Staaten.
Vier Klima- und Vegetationsgebiete. Mittlerer Regenfall in den vier Gebieten. Die Winde.
— § 3. Klima und Vegetation in Russland. Das Klima der Steppen. Ungleiche
Windverhältnisse in Nord- und Südrussland. Klimatische Verhältnisse im mittel- und nord-
russischen Walde. — § 4. Das ungarische Tiefland. Hunfalvy über das ungarische
Steppenklima. — § 5. Das kalttemperirte Ostasien. Niederschlagsverhältnisse. Ver-
theilung von Wald- und Grasflur.
§ 1. Allgemeines. Mit der Entfernung vom Wendekreise werden
die Formationen, soweit sie vom Klima abhängig sind, immer weniger
mannigfach. Xerophile Gehölze fehlen, wenigstens als klimatische For-
mationen, der Unterschied zwischen Hochwald und Niederwald lässt
sich kaum durchfuhren, die Gesträuchformationen, die in den Heiden
ihren verbreitetsten Typus besitzen, sind in erster Linie von edaphischen
Einflüssen abhängig. Die Grasflur ist meist als Steppe, seltener als
Wiese, niemals aber als Savanne ausgebildet.
In einem grossen Theile der winterkalten temperirten Zonen ist
die Vegetationsdecke durch die transformirende oder verheerende
Thätigkeit des Menschen und seiner Hausthiere derart verändert wor-
den, dass man nur noch in den seltensten Fällen von natürlichen For-
mationen sprechen kann, z. B. in Mitteleuropa, im grössten Theile von
China und Japan, in einem beträchtlichen Theile von Russland und
Nordamerika. Etwas weniger verändert ist die ursprüngliche Vege-
tationsdecke im östlichen und südlichen Russland, im temperirten
Sibirien, und in manchen, namentlich westlichen Landschaften Nord-
amerika^. Auch sind, in den zuletzt erwähnten Ländern, die Zerstö-
rungen verhältnissmässig neuen Ursprungs und der Naturcharakter lässt
sich aus den Schilderungen von Augenzeugen wiederherstellen. Russ-
land und Nordamerika sind diejenigen Länder des nördlichen kalttempe-
rirten Gürtels, in welchen die klimatischen Bedingungen der Gehölze,
Grasfluren und Wüsten am ehesten noch erkannt werden können. Der
kalttemperirte Gürtel der südlichen temperirten Zone ist auf dem Lande
so schwach entwickelt, dass er kaum in Betracht kommt.
tjA Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
§ 2. Wald und Prärie in den Vereinigten Staaten. Die Vereinigten
Staaten von Nordamerika zeigen, bezüglich derHydrometeore, eine östlich-
westliche Gliederung in vier Hauptgebiete.1} (Vergl. die Tabelle I u. II.)
Das atlantische Gebiet ist ohne Trockenzeit; Regen fallen reich-
lich zu allen Jahreszeiten, mit einem erkennbaren Maximum im
Sommer. Die Niederschläge betragen im Küstenlande ca. iooo mm
jährlich, im Süden und am Golf 1200 mm, nach Osten fallen sie auf
800—900 herunter. Die östliche Grenze des Gebiets ist ungefähr durch
den Mississippi bezeichnet.
Westlich vom Mississippi erstreckt sich bis zum Fuss der Felsen-
gebirge ein Gebiet mit trockenen Wintern und feuchten Früh-
sommern; die Niederschläge sind geringer als im atlantischen Gebiet
und betragen 500 — 600 mm; sie nehmen von Osten nach Westen ab.
Das zwischen Felsengebirge und Sierra Nevada gelegene Plateau
hat beinahe überall sehr spärliche Niederschläge (30 cm oder
weniger), die entweder zu allen Jahreszeiten fallen oder im Hochsommer
beinahe ganz fehlen.
Die pacifische Küste westlich von der Sierra Nevada (Washington,
Oregon, Californien) ist ein Gebiet der Winterregen. Im Norden sind
die Niederschläge sehr reichlich und auch der Sommer ist feucht, obwohl
viel weniger als der Winter. Nach Süden werden die Niederschläge
geringer (ca. 500 mm) und der Sommer wird regenlos, der südlichste
Theil von Californien erhält nur sehr spärliche Niederschläge (ca. 250 mm).
Aus der Menge und namentlich der jahreszeitlichen
Vertheilung der Niederschläge Hesse sich der Vege-
tationscharakter aller vier Gebiete schon imVoraus mit
Sicherheit angeben. Das östliche Gebiet mit seinen vielen auch
während des Winters fallenden Niederschlägen hat ein echtes Wald-
klima und ist in der That von Wäldern bedeckt, welche im Nord-
westen, entsprechend der Abnahme der Regenmenge, an Höhe und
Ueppigkeit abnehmen. Im südlichen wintermilden Theil sind die
Wälder hygrophil (subtropischer Regen wald), im Norden sind sie, der
Winterkälte entsprechend, tropophil. Das Gebiet zwischen Mis-
sissippi und Felsengebirge besitzt in erster Linie durch seine
trockenen Winter und gleichmässig feuchten Frühsommer, in zweiter
Linie durch die massige Menge seiner Niederschläge, ein ganz typisches
Grasflurklima. Es mag gleich hinzugefugt werden, dass der baum-
feindliche Charakter des kalten Winters durch häufige Nordwinde bei
scharfem Frost noch erhöht wird. Dieses Gebiet ist dasjenige der
P r ä r i e e n genannten baumlosen Steppen. Das Plateau zwischen Felsen-
!) Die Meteorologen unterscheiden nach Greely dreizehn Typen. Für die hier in Be-
tracht kommenden Fragen ist eine so weitgehende Gliederung überflüssig.
VI. Gehölzklima und Grasflurklima in den kalttemperirten Gürteln.
575
gebirge und Sierra hat zum grössten Theile Wüstenküma und dem ent-
spricht sein Vegetationscharakter vollkommen. Das paci fische Ge-
biet endlich besitzt, mit Ausnahme des südlichen wüstenartigen Theils,
ausgeprägtes Gehölzklima; den massigen Niederschlägen im mittleren
Californien entsprechen xerophile Gehölze, den reichen des winterkalten
Nordens tropophile Hochwälder.
Folgende Tabelle bringt nach Hann Procente der Jahressumme des
Regens für das mittlere atlantische Waldgebiet und das in gleicher
Breite (ca. 400 N) gelegene Grasflurgebiet der Prärie (Nebraska,
Kansas).
Tabelle I.
Jan. | Febr.
März
April Mai
Juni Juli
Aug. 1 Sept.
Oct. | Nov.
Dec.
Atlantisches ~
Waldgebiet || *4
7.8
8.8
7.1*
7-5
8-5
9.8
9.6
8.2
8.4
8.1
7.8
Grasflur
(Prärie)
' 2.7*
2.8
5-o
10.6
M.5
17.2
14.4
12.0
7.9
6.4
3.2
3.3
Die Tabelle II bringt, ebenfalls nach Hann, für eine grössere An-
zahl Landschaften die wirklichen Regenmengen.
Tabelle II.
Mittlerer Regenfall in den Vereinigten Staaten.
1
i Atlantisches Gebiet
il
1 Wald
l|
Prärien-
Gebiet
Ueppige
Grasflur
Hl
Plateau des
Felsen-
gebirges
Wüste
Pacil
Ki
Sä
Ssche
iste
Q-2.S
j
Neu-
1 England
1
3*3
3 3
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il
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Jan. 96
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130
24*
16*
21
36*
136
90*
Febr.i 91
87
91
120
103
64
45
14
29
12*
28
31
126
73
März, 97
97
110*
165*
101
68
58
23
41
18
22
25
117
56
April 81
79
98
137
95
55*
68
42
74
36
14
24
68
47
Mai 7 9*
78*
95
103
90
71
95
68 |io4
70*
IO*
19
49
14
Juni 88
93
130
125
118*
83
116*
72*jl22*
65
13
10
34
6
Juli 1 102*
107 1 147
120
109
91*
98
54
103
41
49
5
5*
15*
1
Aug. 102
113*
161*
n6 1 91
73
90
60
81
36
60*
15
0*
Sept. 77
88
133
96
70
72
98
3i
31
25
7
38
4
Oct 94
80
104
67*
68*| 75
67
35
16
T8
65
22
14
15
72
22
Nov. 95 | 80
79*! 105
86 | 72
5°
_33
30
14
16
20
119 , 48
Dec. 84 84
103 j 123
91 ' 69
47
16
29 1 31
146* 84
Jahr: 1086
1080
US»
1407
1 126
860
877
446
784
377
301
227
935
445
576
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle IE.
Winde im nordamerikanischen Waldgebiet.
Winter: I
N
NE
E
SE
s
SW i W NW
Gebiete des Ohio u. Tennessee i
8
7
5
9
12
28 , 16 16
Südatlantische Staaten . . . . '
13
J3
7
6
II
18 j 14 , 17
Mittelatlantische Staaten . . . 1
9
12
5
6
7
14 19 28
Neu-England |
9
II
4
7
7
M ' 15 33
Sommer :
1
Gebiete des Ohio u. Tennessee ,
7
II
7
9
ii
31 | 12 11
Südatlantische Staaten . . . . I
7
12
8
12
17
26 11 8
Mittelatlantische Staaten . . . j
8
IO
6
II
14
19 16 15
Neu-England
5
IO
8
IO
12
24 , 14 16
Woeikof H, 35.
Tabelle IV.
Winde in der nordamerikanischen Prärie.
Winter :
N NE
SE
SW ' W . NW
Gebiet d. mittl. Missouri (Kansas
und Nebraska)
22
8
6
9
15
12 1 18 20
Gebiet des Mississippi zw. 38 °
bis 430 NB. |
9
8
5
15
12
13 1 U j 24
Gebiet des oberen Mississippi .
7
9
5
16
1 1
15 10 ' 26
Indianerterritorium mittleres Texas
20
11
14
15
12 | 9 | 6 13
Sommer :
! !
Gebiet des mittleren Missouri .
10
10
13
18
26
13 1 10 10
Gebiet des Mississippi zw. 38 °
bis 43° NB ,
9
10
9
22
16
12 11 11
Gebiet des oberen Mississippi . |
Indianerterritorium
Mittleres Texas
6 f 11
7
21
13
21 10 12
6
8
14
22 | 27
12 5 6
3
6
11
54
17
6:2.1
Woeikof ü, S. 33
§ 3. Klima und Vegetation in Russland. Das südliche Russland
ist von baumlosen Steppen eingenommen, welche im Norden und
Westen durch immer zahlreicher werdende Baumgruppen und Gebüsche
unter gleichzeitiger Annahme von Wiesencharakter allmählich durch
Waldgebiete ersetzt werden, östlich und südöstlich hingegen dürftiger
bewachsen werden und in die Kaspische Wüste übergehen. Südlich ist
die Steppe durch das Schwarze Meer begrenzt.
Vielfach wurde die Frage erörtert, warum dieses ungeheure und
fertile Steppengebiet des Baumwuchses entbehrt und das Fehlen des
VI. Gehölzkliraa und Grasflurklima in den kalttemperirten Gürteln. 577
letzteren in der Regel mehr auf geologische und geognostische als auf
klimatische Ursachen zurückgeführt, obwohl Woeikof dieselben bereits
ganz richtig betont hatte. Die russische Steppe besitzt nicht
bloss ein typisches Grasflurklima, sondern dasselbe ent-
hält baumfeindliche Elemente.1)
Die Niederschläge in der russischen Steppe sind massig. Sie sind
dank ihrer Vertheilung, wie nachher gezeigt werden soll, für die Grasflur
genügend, für kräftigen Waldwuchs aber unzureichend. Ihre Menge
schwankt zwischen 37 und 47 cm jährlich, z. B. Pensa 46 cm, Ssimbirsk
44 cm, Ssamara 39 cm, Orenburg 43 cm, Kursk 43 cm, Lugan 37 cm,
Margaritowka am Asowschen Meer 47 cm , Odessa 40 cm , Nikolaew
37 cm , Sewastopol 40 cm , Ssimferopol 44 cm. In den benachbarten,
jetzt zum grössten Theil der Cultur anheimgefallenen ursprünglichen
Waldgebieten, ist die jährliche Menge der Niederschläge stets, und
meist beträchtlich, grösser, z. B. nicht weit von der Nordgrenze der
Steppe: Kosmodenjansk 57 cm, Pinsk 61 cm. Die westlich von der
Steppe gelegenen Waldgebiete sind noch regenreicher, z. B. beträgt
die durchschnittliche jährliche Menge der Niederschläge in Oesterreich-
Ungarn, nach Hann, 74 cm. Allerdings fehlt es nicht an einzelnen Punkten
Mitteleuropa^ an Orten, wo die Regenmenge 40 cm wenig übersteigt.
Solche Gehölze, wie sie in der winterkalten Zone vorkommen, sind
alle tropophil und scheinen zu normalem Wuchs einerMinimalhöhe
der Niederschläge von etwa 50 cm zu bedürfen. Bei ge-
ringen Mengen wird der Waldwuchs sehr dürftig. Wir haben allerdings
in den warmen Zonen xerophile Wälder, trotz der viel höheren Tempe-
ratur, bei noch geringeren Niederschlägen wachsen sehen; xerophile
Wälder haben sich aber in den winterkalten Zonen nicht ausgebildet,
da es eines dazu geeigneten Klima's, nämlich eines ausgeprägt trockenen
Sommers bei feuchtem Winter bedarf.
Ein anderes dem Baumwuchs noch viel ungünstigeres Element im
Klima des Steppengebiets ist in den heftigen, trockenen Ost-
winden gegeben.
Der auffallendste klimatische Unterschied zwischen
Süd- und Nordrussland besteht nach Woeikof darin, dass
ersteres während des Winters, sowie imHerbst undFrüh-
jahr vorwiegend Ostwinde besitzt (NO, O); während das
russische Waldgebiet, wie Mitteleuropa, das ganze Jahr
hindurch ein Vorherrschen der Westwinde aufweist.* Die
Ostwinde sind aber trocken und wehen zu einer Zeit, wo
der gefrorene Boden denVerlust derPflanzen an Wasser
nicht ersetzen kann.
*) Vgl. s. 188.
Schimper, Pflanzengeographie. 37
578
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Dass trockene Winde zur Zeit, wo der Boden gefroren ist, den
Bäumen weit mehr schaden als den niedrigen Gewächsen, geht aus
unseren früheren Darlegungen (vgl. S. 183) zur Genüge hervor.
Während der Süd- und Westwinde ist die Luftfeuchtigkeit im Winter
beträchtlich, so dass der Mittelwerth der letzteren für den ganzen Winter
nicht gering ist.
Auch im Sommer ist zu grosse Lufttrockenheit ein dem Baum-
wuchs ungünstiges klimatisches Element. Trotz Vorherrschen der
Westwinde ist in der Steppe bei klarem Wetter, nach überein-
stimmenden Angaben die Luft im Sommer äusserst
trocken. Während dieser Zeit herrschen aber hohe,
starke Transpiration bedingende Temperaturen.
Nach dem Gesagten trägt das russische Steppengebiet
durchaus nicht den Charakter eines Waldklimas. Um so
mehr ist sein Charakter als Grasflurklima ausgeprägt:
Trockener Winter, feuchter Frühling und namentlich
Frühsommer (Juni), milde Temperatur und Häufigkeit der
Niederschläge während der Vegetationszeit.
Die Dürre im Spätsommer und Herbst tritt am Schluss der Vege-
tationszeit auf und ist daher ohne schädliche Wirkung.
Das mittlere und nördliche Russland hat ein weniger ausgeprägtes
Waldklima als z. B. das atlantische Nordamerika und besitzt dem-
entsprechend einen viel weniger üppigen Waldwuchs. Die Niederschläge
sind weit weniger reichlich, namentlich während des Winters, die un-
günstige Wirkung des letzteren Umstandes wird aber dadurch aufgehoben,
dass im russischen Waldgebiet im Gegensatz zur Steppe, die West-
winde vorherrschen und, auch während des Winters, nicht die ver-
heerende trocknende Wirkung besitzen, welche den Ostwinden zukommt.
Dem russischen Waldgebiet kommt es auch zu Gute, dass sein Klima
der Grasflur ungünstig ist, indem der Frühsommer relativ regenarm ist
und die Niederschläge vornehmlich im Spätsommer und Herbst fallen.
Tabelle V.
Windrichtung in den Steppen Mittel- und Südrusslands
zwischen dem 530 und dem Schwarzen Meere.
9
_
NE
13
*'
SE
s
s\v
w
X\V
Januar 1
21
15
9
10
11
Februar bis April
8
11
10
20
17
11
12
II
12
10
Mai 1
9
12
1 1
17
12
Juni bis Juli ...
1 1
10
14
19
10
13
10
II
20
15
August bis September ,
1 2
9
I
I 2
9
I I
8
10
13
12
October
14
12
11
II
*3
_I4_
13
11
Novemb. bis Decerab. .(
9
18 1 iS
10
(Woeikof Klimate, n, 159-)
VI. Gehölzklima und Grasflurklima in den kalttemperirten Gürteln.
579
Tabelle VI.
Windstärke in der südrussischen Steppe.
a: i p. m., ungef. Zeit grösster Winstärke; b: 7 a. m. 9 p. m.,
Zeit geringster Windstärke.
"
'"
| Nov. bis Febr. 1 März bis April
Mai bis August Sept. u. Octob.
' a | b ] a
b
a 1 b ' a | b
Nikolajew
.
5-3
4.4
7.1
4.8 I 5-3 3-5
4.8 ; 2.6
Seuastopol .
4-6
3-7
5-6
3-3
4.9 1.4
4.7
1.9
Lug an
5-9
4.4
6.4
4-3
6.5 2.5
7.1
27
Astrachan
.
i 5.2
3-9
6.2
4.0
5-3 | 3-o
5.6 | 2.9
(Woeikof, Klimate II, 165.)
Winter:
Sommer:
N JNE
E
SEJ S |S\V| W NW
N ,N E| E 1 SE S |SWi W |NW
Simferopol .
7 I15
31
17 1 6
6 iO| 8
7 j 15,31 j 17 ' 6 1 6 10 8
Jekatarinoslaw
5 |'o
20
16 ; 21
131 io| s
5 | IO|20| l61 21 1 13' IO, 5
Lugan . .
7 1 14
23
9
8 12 21 ( 5
7 | Ml 23
9 8 12
21 1 5
Taganrog
9 14
25
10
10 J 9 16
7
9 | 14 1 25
10 1 10 1 9
16 t 7
Charkow . . |
j 1
I
1
1
Poltawa . . J
5 I I2
22
8
9 x4
18 12
8 j 10
15
7
6
15 24 16
Woltschansk )
1
1 1
Odessa . .
17 1 14
10
9
1S | IO
13 1 12
25 5
7
10 j 25 1 5 | 10 | 13
Nikolajew
J3 I 24
7
10
iJ
*
13
5
13
i8| 1
7
2
7
14
|io
1 1»
(Woeikof, Klimate II, 16 1.]
Tabelle VII.
Mitteltemperatur in der südrussischen Steppe.
Lugan
Januar März
"—8 3 | -1.8
Zaryzin .
Jekaterinoslaw I — 2.2
Odessa . . — 3.9
— 10.4 — 3^2
2.0
April Mai
8.6 | 16.7
17.0
^•5
9.2
16.2
Juli |Septemb. I October Novemb.
22.8
23-7
_24.7_
23.0
15-8 |
^5-7
18.0
8.2
7.2
12.8
17.0 | 10.6
_L*4
0.4
"6-9
4.5
Julitemperaturen in denselben Breiten (45 ° — 50°) Mitteleuropa^: Laibach
19,7; Graz 19,9; Wien (Land) 19,6; Genf 19,3; Stuttgart 18,8; Strassburg 19.2.
Die Julitemperaturen der russischen Steppen zeigen sich nur in der ungarischen
Tiefebene, also ebenfalls in einem Steppengebiet: Budapest 22,3; Debreczin
22,4; Szegedin 22,8; Pancsova 23,0. (Woeikof.)
37*
58o
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle VIII.
Vertheilung der Niederschläge in der russischen Steppe
verglichen mit Mitteleuropa (Zwischenklima) (in Procenten).
Jan.
Feb.
März
Apr.
Mai
Juni
Juli |Aug.|Sept.l Oct
Nov.
Dcc.
Centralruss. Wald-
i
~
r
"
~ ■
' "\
gebiet ....
6
4
5
6
IO
8
14 1
12 11
7
9
8
Uebergangssteppe:
.
Ssamara ....
5
4
4
6
IO
12
14
12 1 1
9
8
6
Orenburg . . .
7
6
6
8
9
*3
ii
9 1 IO,
8
8
8
Kiew . . .
5
5
6
8
9
11
«51
io, 9 I
8
6
7
Südruss. Steppe:
1
i 1
Westlicher Theil .
5
4
7
7
9
13
12
»1 9,
8
10
8
Oestlicher Theil .
5
5
6
7
12
15
13
9, »I
6
9
6
Südl. Uebergangs-
1 1
steppe (Bessarabien)
4
5
6
7
II
16
14
11 1 7 l
5
6
5
Gebiet der
■ 1
Balkanhalbinsel:
1 '
Belgrad u. Umgegend .
7
6
8
6
9
12
8
" l 7 :
6
13
6
Ungarische Steppe
7
5
7
7
ii
13
11
10 6
8
8
8
Mähren . .
5
5
7
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n
12
12
'3| ?'
7
7
7
Süddeutschland
1 j
(Württemberg, Nord-
1 !
!
Bayern) ....
6
6
7
7
9
12
10 i
11 i 7 |
8
9
7
(Nach
Woeikof.
Tabelle IX.
Dauer der Dürreperioden in der russischen Steppe.
a mittlere Dauer des Zwischenraumes zwischen zwei Regen, b mittlere Dauer
der aufeinander folgenden Regentage.
Wladimir
Charkow
Ssamara
Orange
' a. | b.
a. ' b.
a. j b.
a. b.
April . .
4:5 1 2-l
J-5 2-o
_5±j__n__
3.0 2.0
Mai . .
4.6 , 1.8
3.0 2.2
A-2_ \ —_
__3j_4_ J-8_
Juni . .
2.8 j 2.3
2.5 , 2.0
3-5 ! —
_419_ J'6
Juli . .
August
September
October .
3.o | i.8_
4^1 1 1.9
4-6 1 1.5
4.0 ; 1.8
3-9 | 2-°
4.1 1 2.1
4.6 2.0
— 1- "-
4.7 —
_5l2__ _l;3
1-3 _12-
4.4 i.j
3.6 1.9
Orange, im Mittelmeer- Gesträuchklima, wurde vergleichsweise heran-
gezogen, um die schwächere Vertheilung der sommerlichen Niederschläge zu zeigen.
(Woeikof, Klimate, IV, S. 25 f. <
VL Gehölzklima und Grasflurklima in den kalttemperirten Gürteln.
58l
§ 4. Das ungarische Tiefland. Die Steppe des ungarischen Tief-
lands zeigt grosse klimatische Aehnlichkeit mit derjenigen Südrusslands.
Hann erwähnt als charakteristisch für dieselbe dem umgebenden Wald-
gebiet gegenüber: Grössere Temperaturextreme, Einschränkung der
frostfreien Zeit auf die eigentlichen Sommermonate, ein dürrer Sommer
(d. h. Spätsommer) und Herbst und austrocknende Winde.
Genauere Daten über das ungarische Steppenklima bringt die
Monographie Hunfalvy's:
In den beiden Becken (des Tieflandes) ist der Jänner der kälteste Monat,
und die mittlere Temperatur sinkt überall unter o° R Die mittlere Tem-
peratur des Februars ist in den einzelnen Stationen um 1 — 3 Grad höher,
steht aber an einzelnen Orten noch unter o°. Die mittlere Temperatur des
März steht um 3 — 4 Grad höher als die des Februars; im April, Mai und
Juni steigt die Temperatur noch höher und erreicht im Juli (an einigen
Orten im Juni oder August) das Maximum. Im September und October
fällt die mittlere Temperatur nur massig, desto rascher im November und
December. In dem westlichen und südlichen Randgebiet ist der Jänner ver-
hältnissmässig milder als im Tieflande, aber auch die Sommermonate sind
weniger heiss, und die Temperatur des wärmsten und kältesten Monats beträgt
bloss 16 — 190, während sie im Tiefland 17 — 210 erreicht.
Im Durchschnitt beträgt die mittlere relative Luftfeuchtigkeit nach den
einzelnen Jahreszeiten:
Tabelle X.
1
Frühling
67.7
Sommer
63.1
Herbst
Winter
82.8
Jahr
Tiefland (Steppe)
72.1
71.5
Randgebiet . . !
71.2
69.2
81.0
84.1
76.8
Oberland . . .
74.5
7 5.7
83.2
86.7
81.5
Siebenbürgen . . j|
69.9
72.6
76.5
87.3
76.6
Man sieht, dass die relative Luftfeuchtigkeit im Tiefland am geringsten,
im Oberland am grössten ist. Im Tieflande sind aber besonders
die durchschnittlichen Minima der Luftfeuchtigkeit sehr
gering, wie folgende Uebersicht zeigt :
Tabelle XI.
l_J»-_
Pressburg . 54.8
Febr.
53.o
März April 1 Mai | Juni
37.8 1 22.2 | 27.2 29.8
JuliJ Aug.
30.2 24.8
34.0131.0
35-I<32.5
28.0, 28.2
Sept. Oct. | Nov.
32.5 3 9 j! 53-4
39.0145.0153.0
37. 6141. 2 51.0
29.7 1 33.7 43.7
Dec.
56-9
Fünfkirchen 51.0
63.0
53.0
41.8
30.7
39.0 1 39.0 (36.0
41.0
Pest. . . i! 59-3
Ofen . .158.3
13±
44-3
35°
33.o
2s:5
32.8I35.1
28.5 29^
34.0 37.0
58.8
62.1
Szegedin . !;66.o
46.O
30.0
34.0 36.0
2 1.0 , 22.0
33-° 5°-°
64.0
75-°
Panscova . J54.0
42.0
2 0.0
28.0
20.0 26.0
23.01 32.0
40.0
46.0
582
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Nach den an der Ofener Realschule angestellten Beobachtungen betrug
die Verdunstung einer freien Wasserfläche im Jahre 1863 vom 26. Mai bis
31. December 699.55' Par. Linien.
Die absolute und procentige Menge der Niederschläge in den einzelnen
Monaten beträgt nach Hunfalvy (Monate in Linien, Jahr in Zöllen):
Tabelle XII.
Früh
i abs.
ling
/o
Sommer
Herbst
abs. J_ «/0
Winter
abs. ' o/0
Jahr
abs.
Tiefland. . 54.72
25.1 1 63.80 29.6 | 56.59
26.4
T8.r
20.7
41.46 18.8 '
17.96
Randgebiet . ! 96.60
24.5 , 107.42
27.2
IIO.87
59-40
79.891 20.2
54.15! l8-4
35-22
Oberland . 6 1 .7 2
21.3
II I.69
39.5
23-99
Siebenbürgen ' 77.91
27.9
113.84
39-8
55.49
18.2 1 39.27 j 14.1
23.87
Also sind die Niederschläge im Tieflande bei weitem
am geringsten.
Tabelle XIII.
Monatliche Regenmengen.
Jan. 1 Febr. | März
April
Mai
25.49
39.66
Juni
JuU
Aug.
Sept.
Oct. Nov. 1 Dec.
1
Tiefland 13.7 8' 10.01 13.64
Rand- f \ * \
gebirge'21-"26-97!19'47
16.43
44.10
15-23
24-5°
37-47
20-77
30.00
43.02
l8 Ol I7.O5! 17.64 2 2.58^ l6.0I
36.7 4J32.74 42.69 46.03 44.26
Ober- ; ! J
land i7.ori4.38|i7-23
29.26
38.72
29.95
18.0532.32 18.13 22.16
Sieben- j I 0
bürgen; II'3°iI3,2T33
23.6l
35-88
43-33
39.65
2O.85
21.53
16.4518.26 14.68
1 i
Die grössten Regen fallen demnach im Tieflande wäh-
rend des Frühsommers (Mai, Juni), der Hauptvegetationszeit der Gras-
flur. Regenwind ist vornehmlich der südwestliche.
Durchschnittliche Anzahl der Regentage im Tiefland:
Jan.
Febr.
März
April
Mai
Juni
JuU
Aug.
Sept.
Oct Nov.
Dec.
8.5
7-9
8.8
9.1
10.3
9.1
8.5
7.3
6.3
6.6 8.9
Jahr:
9-2
101.4.
Aus den allgemeinen klimatischen Angaben sei aus derselben
Arbeit, theilweise wörtlich, folgendes entnommen: Der Gang der Tempe-
ratur ist, wie er in einem dem oceanischen Einfluss entrückten Binnen-
lande zu sein pflegt : sehr schwankend, schnell veränderlich und extrem.
Der Winter ist im Allgemeinen strenge, doch sehr veränder-
lich. Bis Mitte Mai wechseln gewöhnlich warme Tage mit windigen
und rauhen ab; Nachtfröste dauern bis April und Mai. Im Ganzen
VI. Gehölzklima und Grasflurklima in den kalttemperirten Gürteln. 583
genommen sind die trockenen und heissen Sommer häu-
figer als die feuchten und kühlen. In solchen heissen Som-
mern bleibt nun das Thermometer oft wochenlang auf 22 — 300 im
Schatten stehen. Dann beginnt die schwüle Hitze schon des Morgens
um 7 — 8 Uhr und dauert bis Abends 6 — 7 Uhr. Die Luft ist ausser-
ordentlich trocken; kein Thautropfen labt die Vegetation.
Fast jeden Morgen erhebt sich ein Wind, der bis zum
Abend gleichmässig weht. So vergehen Tage und Wochen.
Die Blätter der Bäume und Gesträuche welken in Folge
der grossen Hitze, Dürre und Ausdünstung ab, die Saaten
vergilben, die Grasnarbe der Wiesen vertrocknet gänzlich . . . Die Winde
sind im Tieflande häufig, und wehen oft andauernd und stark. Im
Sommer steigern sie die Dürre, indem sie die Aus-
dünstung befördern. Besonders gilt dies von den östlichen, nord-
östlichen und südöstlichen Winden.
Diese Schilderung, in welcher ich die wichtigsten Stellen durch
gesperrten Druck hervorgehoben habe, gibt das Bild eines echten Gras-
flurklimas und gleichzeitig eines dem Baumwuchs ungünstigen Klima.
Als Grasflurklima ist dasselbe gekennzeichnet wie in
Südrussland und Nordamerika, durch den trockenen
Winter, feuchten Frühsommer, massige Regenmenge,
Häufigkeit der Niederschläge sowie milde Temperatur
während der Vegetationszeit der Gräser. Dem Baum-
wuchs ungünstig sind wiederum die massigen Nieder-
schläge, der trockene kalte Winter, der trockenheisse
Spätsommer, die heftigen Winde und die herrschende
grosse Lufttrockenheit.
§ 5. Das kalttemperirte Ostasien. Das nordtemperirte Japan hat
reichliche, zu allen Jahreszeiten, namentlich aber im Herbst und Frühwinter
fallende Niederschläge. Das Klima ist ein Waldklima und dem entspricht der
Vegetationscharakter; ähnlich wie Nord-Japan verhält sich Sachalin, wo das
Niederschlagsmaximum jedoch entschieden herbstlich ist Das nordöstliche
China und das Amurland haben trockene Winter und niederschlagreiche Sommer ;
das Klima trägt den Charakter eines Grasflurklimas und thatsächlich sind natür-
liche Steppen und Wiesen in grosser Ausdehnung vorhanden. Das besonders
baumfeindliche Element in Steppengebieten, das Wehen starker, trockener Winde
im Winter, fehlt hier, denn der Winter ist sehr luftstill. Der Baumwuchs ist
dementsprechend reichlicher, im überaus niederschlagarmen Ostsibirien in Form
dürrer lockerer Coniferenwälder vorherrschend, während am Amur Grasfluren und
Waldparceilen miteinander abwechseln. Welche klimatische oder edaphische
Einflüsse im letzeren Falle für das Auftreten des einen oder des anderen
Vegetationstypus maasgebend sind, ist zur Zeit eine ungelöste Frage.
584
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Tabelle XIV.
Jährliche Periode des Regenfalls im aussertropischen
Ostasien. 2)
1 Ost-Sibirien
| 55° N, in L
1A>
1 2
Oo
1*"
Jesso u. Nippon
8 =
4
7
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J3
1 M
1
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5
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Februar . .
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2
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Juni . .
14
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IO
7
6
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17
14
Juli . .
—
-
23
23
12
8
7
10
10
20
33
August .
21
24
21
13
9
10
9
17
24
September
! 1 1
i3
16
16
11
*5
1 1
14
11
October .
, 6
4
2
2
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12
12
1 1
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44
gebnii
49
>se die
1 54
jses K
137
apitels
130 175
lassen sich
i IIQ
in fol
53
gende
Sätze zusammenstellen:
1) Die Gliederung der Vegetationsdecke ist im winterkalten Gürtel
einfacher als in wärmeren Gürteln, indem ein Unterschied zwischen
hygrophilen und xerophilen Wäldern kaum noch besteht und klimatische
Gesträuchformationen — ausser im Hochgebirge — fehlen. Es stehen
demnach nur Wald und Grasflur (letztere als Wiese oder Steppe, nie
als Savanne) einander gegenüber.
2) Die zur Existenz des Waldes nöthige Höhe der Niederschläge
ist jedenfalls nach Temperatur nnd Trockenheit des Sommers
schwankend; in einem grossen Theile Europas dürfte sie ihre untere
Grenze bei 50 cm, im sommerheissen Nordamerika wohl etwas höher
besitzen. Elemente des guten Baumklimas sind ausserdem ein nieder-
schlagreicher, windstiller Winter, in welchem namentlich bei starkem
Frost trockene Winde nicht wehen, und das Fehlen trockenheisser
Winde im Sommer.
3) Der Grasflur als Steppe scheint bei der Kürze der Vegetations-
zeit eine Regenmenge von 30 — 40 cm jährlich zu genügen, falls dieselbe
vornehmlich im Frühjahr und Frühsommer in möglichst reicher Ver-
•) Hann 1. c. Bd. III. S. 223.
Auswahl der Literatur.
585
theilung fallt. Die baumwidrigen klimatischen Faktoren sind auf die
Grasflur ohne Einfluss.
4) Unter 30 cm Regen, oder bei vornehmlich winterlichen oder
auch gleichmässigen Niederschlägen, schon bei grösserer Höhe derselben
wird der Vegetationscharakter wüstenartig.
Auswahl der Literatur.
Die allgemeinen klimatischen Charakteristiker stützen sich auf Hann's
Handbuch der Meteorologie, 3. Aufl. Bd. III, sowie desselben Verfassers Atlas
der Meteorologie, Gotha 1887, ferner, namentlich für Russland: Woeikof,
Die Klimate der Erde. Jena 1887.
Hann, J. I. Handbuch der Klimatologie. 2. Aufl. 3 Bde. 1897.
— II. Die Vorschläge zur Milderung der Sommerdürre in Ungarn. Zeitschr.
d. österr. Geseilsch. für Meteorologie. Bd. IL 1867.
Hunfalvy, J. Die klimatischen Verhältnisse des ungarischen Länder-
complexes. Ibid. id.
Peschel, O. Physische Erdkunde. 2. Aufl. 1883.
Woeikof. Die Klimate der Erde. Jena 1887.
VII. Die Waldformationen der kalt-
temperirten Gürtel.
1. Allgemeine Oekologie des Sommerwaldes. § i . Einleitung. Tropophilcr
Charakter des Waldes in den kalttemperirten Gürteln. Nadelwald und Laubwald. — § 2.
Der winterkahle Laubwald. Vergleich mit dem Regenwald. Ueppige Entwickelung
an Gewässern. Lichtwirkungen. Unterholz. Lianen. Fehlen oder Seltenheit höherer Epiphyten.
Optimale Beleuchtung der Schattenflora. Lichtbedürfniss von Hepatica triloba und anderen
Schattenpflanzen. Structur der Bäume. Ihre Zweigordnung, ihre Blätter. Vergleich der
Bäume mit denjenigen xerophiler tropischer Gehölze. Structur der Sträucher. — § 3. Der
Nadelwald. Beleuchtung. Xerophile Structur der Bäume. Tropophile Lebensweise.
Immergrüne Laubhölzer. 2. Specielle Darstellungen. §1. Nordamerika. Gliederung
des nordamerikanischen Waldes nach Sargent. Der subpolare oder nördliche Waldgürtel.
Der atlantische und der pacifische nördliche Wald. Die paciflschen Wälder sind Nadel-
wälder. Der pacifische Küstenwald. Nördlicher Theil desselben. Wald der Sierra Nevada.
Sequoia gigantea. Der pacifische Binnenwald. Dürftiger Charakter. Atlantische Walder.
Provinz der Weymouthkiefer. Oekologischer und floristischer Charakter. Der sommergrüne
Laubwald des Mississipi und der atlantischen Ebene. Die Waldungen von Nord-Carolina
nach W. W. Ashe. — § 2. Europa, Urwälder in Böhmen nach Göppert Wald an den
Östlichen Gestaden des Schwarzen Meeres. — § 3. Sibirien und Ostasien. Vergleich
des sibirischen Waldes und des subpolaren nordamerikanischen Waldes. Physiognomie des
sibirischen Waldes nach Middendorff. Ostasiatische Wälder in Kamtschatka, am Amur, auf
Sachalin. Die Sommerwälder Japan's nach Rein und Mayr. — §4. Die Wälder Feuer-
lands. Ihr Charakter nach Düsen.
1. Allgemeine Oekologie des Sommerwaldes.
§ 1. Einleitung. Im Gegensatz zu den Wäldern der warmtempe-
rirten Gürtel stellt in den kalttemperirten Gürteln die Winterkälte einen
ganz wesentlichen Factor in der Oekologie des Waldes dar. Die Kälte-
perioden sind, ähnlich wie regenlose Perioden, Zeiten des Wasser-
mangels für die Vegetation, während die Wärmeperioden, im Gegensatz
zu denjenigen des grössten Theils der warmtemperirten Gürtel, nament-
lich in Anbetracht der massigen Temperatur und der während des
Winters im Boden angesammelten Wasservorräthe , durch grosse
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. 587
Feuchtigkeit ausgezeichnet sind. Der Abwechselung physiologisch
trockener und feuchter Perioden entspricht, ähnlich wie in tropischen
Gebieten mit trockenen und nassen Perioden, ein abwechselnd xero-
philer und hygrophiler Charakter des Waldes; letzterer ist typisch
tropophil. Wegen der hervorragenden ökologischen Bedeutung der
Sommerwärme soll der kalttemperirte tropophile Wald Sommerwald
genannt werden.
Die Wälder der winterkalten Gürtel sind allgemeiner als diejenigen
wärmerer Zonen in Nadelwälder und Laubwälder differenzirt ; doch fehlt
es, namentlich in Nord-Amerika, nicht an Mischwäldern und die gegen-
wärtige scharfe Trennung ist manchmal, namentlich in Europa, auf be-
wusste Eingriffe des Menschen zurückzufuhren. Im Grossen und Ganzen
nehmen die Nadelwälder die kälteren, die Laubwälder die mittleren
Gebiete ein; letztere sind demnach vornehmlich im Süden sowie im
Bereich des Seeklimas, erstere im Norden sowie in höheren vertikalen
Regionen vertreten, doch giebt es von dieser Regel viele Ausnahmen, die
theils durch die Beschaffen heit des Bodens, theils durch Eigentümlich-
keiten bestimmter Arten bedingt sind. So findet man in den Laub-
holzgebieten Kiefernwälder auf Sand- und Torfboden, während Birken-
gehölze den Nadelwald sowohl in horizontaler wie in vertikaler Richtung
überschreiten können.
§ 2. Der winterkalte Laubwald. Auch auf der Höhe der Vege-
tationszeit ist das vom sommergrünen Laubwalde gebotene Bild
von demjenigen des immergrünen, namentlich des Regenwaldes, sehr
schieden. Von oben betrachtet, breitet er sich als beinahe gleichmässige
rein grüne Fläche aus, im scharfen Gegensatz zum reich nüancirten,
vorwiegend düstern Dache des Tropenwaldes. Das Profil ist niedriger,
ruhiger, regelmässiger, indem die Bäume des Oberholzes in Höhe und
Verzweigung weniger ungleich sind.
Herrscht im Innern des Regenwaldes meist Ueberfiillung, so bietet
häufiger dasjenige des sommergrünen Waldes ein Bild der Leere. Das
Unterholz fehlt bei dichtem Bestände der Bäume oft ganz und zeigt
nur in lockeren Beständen oder am Waldrande einige Ueppigkeit ; doch
gestattet es stets freien Einblick in das Innere. Anstatt der fünf Stock-
werke des tropischen Regenwalds sind hier deren höchstens drei vor-
handen, zwischen den Stämmen etwas Gesträuch, zwischen diesem
einige Bodenkräuter und Moose. Die üppigsten, hochstämmigsten
Wälder jedoch bestehen meist wesentlich nur aus Bäumen. Unterholz
fehlt oder ist dünn gesät und der vom verwesenden Abfall des Laub-
dachs bedeckte Boden ernährt, wenigstens während des Sommers, nur
spärlich Kräuter, Farne und Moose, welchen, beim Herannahen des
Herbstes, die Schaar der Hutpilze sich zugesellt. Das Frühjahr ist aller-
dings durch einen reicheren, aber vergänglichen Blütenflor ausgezeichnet.
c 88 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Die Lianen, diese nie fehlenden Bestandteile aller Regenwälder,
sind, mit Ausnahme von Japan, im winterkalten Walde selten, zudem
klein und wenig verschiedenartig. Noch mehr tritt die epiphytische
Vegetation zurück. Die Baumrinde trägt nur einzelne kleine Moose und
Flechten, im tiefsten Schatten aber höchstens einen zarten Anflug von
Soredien.
In lockeren Beständen oder am Waldsaum, überall da, wo das Licht
mehr Zutritt erhält, werden die Lücken auch mehr ausgefüllt. Vor-
nehmlich ist dieses der Fall am Rande der Gewässer, wo dem beleben-
den Einflüsse des Lichtes derjenige grosser Feuchtigkeit hinzukommt.
Hier bildet das strauchige Unterholz Dickichte; Epheu, Giftsumach
und andere, allerdings meist dünnstämmige Holzlianen wachsen an
Baumstämmen empor, andere durchziehen das Gesträuch und die
Baumrinde bedeckt sich mit Moospolstern. Doch wird auch bei grosser
Feuchtigkeit und rasches Wachsthum begünstigender Sommerwärme
die Ueppigkeit der Regenwälder nicht erreicht, wenn auch die in beider
Hinsicht begünstigten Sommerwälder Japans denselben näher treten.
Die Kürze der warmen Perioden, die Winterkälte mit ihren trocknenden
Wirkungen, setzen der Entfaltung der Vegetation engere Schranken
als im immerfeuchten Regenwalde.
Die Bedeutung der Waldbeleuchtung geht schon aus der Zunahme
der Schattenvegetation bei abnehmender Dichtigkeit des Oberholzes
hervor ; zum gleichen Ergebniss führt auch der Vergleich zwischen der
kargen Schattenflora des Sommers und dem relativ üppigen Frühlings-
flor oder zwischen dem zeitweise lichten Laubwald und dem immer
dunkelen Nadelwalde. Der viel grössere Reichthum der Schattenvege-
tation in warmen Zonen ist theils direkt auf ihre höheren Lichtintensi-
täten, theils aber auf die von Wiesner festgestellte Thatsache zurück-
zufuhren, dass das Lichtbedürfniss der Pflanzen mit abnehmender
Wärme steigt, so dass ein und dieselbe Art im warmen Klima noch
in tiefem Schatten, im temperirten Klima nur an hellen Standorten
gedeiht.
Wiesner hat die besonders wichtige geringste Lichtintensität für ver-
schiedene sommergrüne Laubbäume zu Wien, Mitte Mai bis Mitte Juli, fest-
gestellt und u. a. folgende Zahlen für geschlossene Bestände gefunden:
L (min.) I (max.)
Fagus silvatica 1/60 0.021.
Asculus Hippocastanum ljhl 0.023.
Quercus pedunculata */26 0.050.
Fraxinus excelsior 1/R.8 0.224.
So steht, wie im Regenwalde, auch im Sommerwalde die Vege-
tation im Banne der Beleuchtung. Doch besteht hier der Kampf ums
Licht meist nicht, wie dort, in einem Wettbewerb kräftiger Organismen
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. 589
unter sich, in welchem sogar die Hochbäume durch kleine Gewächse
besiegt werden, sondern nur in Anpassungen an das ungünstige Licht-
klima. An besonders begünstigten, hellen Stellen allein machen
sich Concurrenten den Raum streitig. Der grössere Theil des Wald-
bodens gehört demjenigen, der sich auf demselben überhaupt ent-
wickeln kann.
Zur Entfaltung eines reichen Unterholzes ist in den Wäldern der
hohen Zonen das Licht zu schwach, zum Erklettern der Bäume nach
dem Lichte hin ist die Feuchtigkeit zu gering. Nur in den sehr
feuchten Sommerwäldern Japan 's, wo der Winter milder ist, erreichen
einige Lianen ähnliche Dimensionen wie in Regenwäldern; den
sommergrünen Wäldern fehlt sonst die Vereinigung grosser Wärme
und grosser Feuchtigkeit, welche der jungen Liane das schnelle Empor-
schiessen bis zum Laubdache ermöglicht und die trocknende Wirkung
des Winters würde den zarten und langen Stengel rasch vernichten.
Lianen zeigen sich daher in Europa und Nordamerika nur in lichten
Gehölzen oder am Waldsaume.
Noch weniger als die Lianen sind in den winterkalten Wäldern
jene vollkommensten Erzeugnisse des Kampfes ums Licht, die Epi-
phyten entwickelt. Man findet wohl hie und da in den Höhlungen
alter Stämme, an den Ufern der Gewässer, Kräuter und kleine Sträucher,
deren Samen durch den Wind oder durch Vögel dorthin getragen
worden sind.1) Epiphyten aber, d. h. an die Lebensweise auf anderen
Pflanzen angepasste Gewächse entwickeln sich daraus nicht. Die Tiefe
des von ihnen beanspruchten Substrats, ihre Beschränkung auf die
Nähe der Gewässer zeigen, dass es ihnen, um Epiphyten zu werden,
an der immer von Dampf gesättigten Luft, die sich Nachts als Thau
niederschlägt und an den beständig hohen Temperaturen gebricht,
welche zu jeder Zeit die Verwerthung des spärlichen, aber häufig er-
neuerten Wasservorraths des Substrats ermöglicht. Nur wenige Epi-
phyten haben sich aus den tropischen Regenwäldern bis in die Sommer-
wälder der winterkalten Gebiete hinausgewagt, nämlich Malaxis japonica
in den feuchten Wäldern Japans, Polypodium incanum und Tillandsia
usneoides in Nord -Amerika, sämmtlich Formen, die sich in der Heimath
an lange Perioden der Trockenheit angepasst hatten, und daher auch
die trocknenden Wirkungen des Winters zu ertragen vermögen. Meist
nur Moose und Flechten haben auf der Rinde von Stamm und Aesten
der Bäume eine Heimath gefunden, Organismen, die Monate lang im
ausgetrocknetem, bezw. gefrorenem Zustande fortexistiren und Nieder-
schläge gierig durch ihre ganze Oberfläche aufsaugen.
Die kleineren Gewächse des Bodens, Sträucher, Kräuter, Moose
*) Wittrock 1. c.
dpO Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
besiedeln diejenigen Stellen, die ihnen genügendes Licht bieten, wobei
ihre Ansprüche theilweise ungleich sind, und nutzen die Frühjahrsmonate,
in welchen die Beleuchtung einigermaassen günstige Bedingungen bietet,
nach Möglichkeit aus. So ergrünen die meisten Sträucher vor den sie
beschattenden Bäumen; nur solche verzögern ihre Laubentwickelung,
die dazu nur einer sehr massigen Beleuchtung bedürfen (Cornus sanguinea).
Viele Stauden durchlaufen während dieser kurzen Zeit den Cyclus ihrer
oberirdischen Entwickelung und leben nach Vollendung des Laubdaches
nur noch in ihren unterirdischen Theilen fort (z. B. bei uns Anemone,
Adoxa, Corydalis etc.). Entschiedene Schattenpflanzen grünen dagegen
weiter, je nach dem Grade ihrer Fähigkeit, auch bei schwacher Be-
leuchtung zu assimiliren, denn die Assimilation bleibt, nach Vollendung
des Laubdaches, die einzige wichtige Lichtwirkung. So verhalten sich
bei uns z. B. Farne, Oxalis acetosella etc. Hemisaprophyten gehören zu
den gegen Beleuchtung genügsamsten grünen Gewächsen und blühen
sogar im Hochsommer z. B. Arten von Pirola, Goodyera, Listera cordatau
Corallorhiza. Holosaprophyten, wie Monotropeen, Epipogum, zahlreiche
Pilze, und die meisten Parasiten des Waldes, wie Lathraea und Clandes-
tina kommen im tiefsten Schatten fort.
So ungünstig die Bedingungen der Beleuchtung im Waldesschatten
erscheinen, so entsprechen sie doch für die Mehrzahl seiner charak-
teristischen Gewächse, namentlich für die Bodenkräuter, dem Optimum.
Zwar findet man manchmal im tiefsten Schatten einen leichten Anflug
von Gräsern und anderen verkümmerten Pflänzchen, die nicht zur Blüthe
kommen und dadurch, sowie durch ihr ganzes Aussehen bekunden, dass
zu ihrer Entwickelung mehr Licht nothwendig wäre; zwar bleiben die
wenigen Bäume, die aus den Samen des Oberholzes hervorgehen,
zwerghaft, bis eine Lücke im Laubdache mehr Licht durchlässt. Aber
die Pflanzen, die wir namentlich im Frühjahr, bei aller Zartheit doch
gesund aussehend, blühend und fruchtend beobachten, befinden sich
da unter ihren optimalen Bedingungen. Allerdings sind sie auf die
Stelle beschränkt, wo sie dieselben vorfinden und fliehen daher den
tiefsten Schatten. So hat Wiesner, dem wir werthvolle Untersuchungen
über die Vegetation im Schatten verdanken, nachgewiesen, dass der
Lichtgenuss von Hepatica triloba an ihren natürlichen Standorten der
zweckmässigsten Beleuchtung entspricht. Erhöhung wie Verminderung
dieser optimalen Lichtintensität ruft eine Reduction der Blätter hervor,
die sich an natürlichen Standorten niemals zeigt.
Zur Zeit, wo Hepatica triloba ihre Blätter und Blüthen entwickelt, ist der
Buchenwald noch entlaubt und daher auch der Boden relativ stark beleuchtet;
die Pflanze blüht bei L 1j1.8 — i/e» gewöhnlich bei */s — 1jz (I max. =
0.499 — 0.333; I med* = °-242 — 0.166). Während der etwas später (Mitte
April) stattfindenden Blattentwickelung ist der Wald noch wenig belaubt; die
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. cgi
Lichtintensität des Buchenschattens beträgt um diese Zeit 1/8 — 1jH (I max. =
0.123 — °-329j I med. = 0.062 — 0.17 1). Herangewachsen findet man die
Blätter normal und functionirend bis L x/15 und darunter; im äussersten Falle,
aber nicht mehr assimilirend und verkümmert, bei L 1/27 (I max. = 0.036).
Aus den Versuchen Wiesner's über die Einflüsse der Beleuchtung auf
Entwickelung der Hepatica entnehmen wir folgende Daten:
Bei L = 1 (I max. = 1.250; I med. = 0.598) entwickelten sich derbe
hellgrüne Blätter, welche im Durchschnitte folgende Dimensionen hatten:
Blattstiel 29 mm.
Länge der Spreite 18 mm.
Breite der Spreite 29 mm.
Bei L = 1/6 (I max. = 0.317; I med. = 0.167) entwickelten sich
Blätter von durchaus normaler Grösse und normalen Abmessungen:
Blattstiel durchschnittlich. . .108 mm.
Länge der Spreite 37 mm.
Breite der Spreite 60 mm.
Bei L = */8 (I max. = 0.158; I med. = 0.082) desgleichen, nämlich:
Blattstiel durchschnittlich . . .100 mm.
Länge der Spreite 34 mm.
Breite der Spreite 55 mm.
Bei L = 1/15 (I max. = 0.066; I med. = 0.038) waren schon die
Blattstiele sichtlich überverlängert und die Spreiten reducirt.
Höchst auffallend war der etiolirte Charakter der Versuchspflanzen bei
L = V26 (I max. = 0.039; I med. = 0.019), indem der Blattstiel eine
I^änge von 145 mm erreichte, die Lamina aber im Durchschnitt bloss 22 mm
lang und 32 mm breit war; die Oberseiten der blassgrünen Blätter waren
stark concav.
Im Dunkeln hatten die Blattstiele eine durchschnittliche Länge von
174 mm erreicht, während die Abmessungen der chlorophylllosen Lamina bloss
1 1 bezw. 1 7 mm. betrugen.
Demselben Autor entnehmen wir noch folgende Angaben über die Be-
leuchtungsbedingungen der Schattenkräuter mitteleuropäischer Wälder:
Cynanchum Vincetoxicum. Wächst im Freien bei L = 1/1.5 — 1/83
(L max. = 1 — 0.045); bei 1/B0 — 1/88 schon deutlich verkümmert. Blüht bei
L = 1/1.5 — 1/22 (L max. = 1 — 0.068); bei 1/20 — 1/22 ist sie schon arm-
blüthig.
Convallaria multiflora. Blattentwickelung bei L = 1/1<8 — x/8.
Blüthe bei L = J/10— -lflk.
Prenanthes purpure a. Ueppiges Wachsthum und Blühen bei L (med)
= 1/18 (L med = 0.099 — °-°33)- Bei L (med) = 1/20 — 1/80 (I med =
0.055 — °«°37) m^ verkümmerten oder ohne Blüthen.
CQ2 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Corydalis cava: 21/2 — */4. Anemone nemorosa: L (med) reicht bis !,5;
I med = 0.089. Nur bis L med = 1/8.8 ist die Pflanze üppig, bei L — 1i
tritt sie schon spärlich und nicht mehr kräftig entwickelt auf. Sisymbrium
Alliaria L 78— Vir
Wie das Gesammtbild des Waldes, ist auch das Bild seiner einzelnen
Bestandteile , soweit es sich in nachweisbarem Zusammenhange mit
dem Klima befindet, von den entsprechenden Erscheinungen im Regen-
walde abweichend. Die sommergrünen Bäume zeigen in dem Verbände
des xerophilen Habitus ihrer perennirenden Glieder mit dem hygro-
philen ihres Laubes typischen tropophilen Charakter. Stämme und
Aeste sind von einer dicken Korkhülle, die im Alter durch Borken-
bildung tiefrissig wird, bedeckt; die Dauerknospen sind in harten
schuppigen Niederblättern eingeschlossen und ausserdem häufig von
Gummi oder Harz überzogen. Im Gegensatz zu diesen Schutzvorrich-
tungen gegen winterliche Transpiration sind die Blätter zarter als
diejenigen der hohen Bäume im Regenwalde; sie besitzen eine dünne
Cuticula, dünnwandige Mesoptfiyllzellen , wenig oder kein Sklerenchym,
ein reich entwickeltes System luftfuhrender Intercellularen, oberflächliche
Spaltöffnungen. Allerdings ist an sonnigen Standorten das Laub durch
geringere Fläche und grössere Dicke, durch stärkere Entwickelung
der Cuticula, schwächere Ausbildung der Intercellularen besser gegen
Transpiration geschützt als das Schattenlaub.1) Doch stellen sich die
Blätter stets senkreckt zur Richtung des stärksten mittleren Lichteinfalls,
anstatt demselben durch schiefe oder parallele Stellung, wie in wärmeren
Gebieten, auszuweichen.-)
Diesen Unterschieden von den tropischen und subtropischen Bäumen
tritt als weitere Eigenthümlichkeit der Bäume winterkalter Zonen ihre viel
reichere Verzweigung hinzu. Während sie bei den ersteren die
Zweigordnungszahl 5 selten überschreitet, sind bei temperirten Bäumen
und Sträuchern Zweige des 6. und 7. Grades häufig und solche des 8.
nicht seltene Erscheinungen. Unverzweigte Bäume sind in winterkalten
Ländern unbekannt.
Maximalhöhe der Zweigordnungszahl bei Bäumen des winterkalten nördlichen
Gürtels, nach Wiesner.
Laubbäume.
Gleditschia triacanthos 5
Populus alba 5
Aesculus hippocastanum 6
Quercus pedunculata 6
Robinia Pseudacacia 7
*) Stahl. -) Wiesner.
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. 593
Ulmus campestris 7
Fraxinus excelsior 7
Betula alba 7
Carpinus betulus 8
Fagus silvatica 8
* Laubsträuche r.
Caragana arborescens 2 — 3
Cornus sanguinea 4
Sambucus nigra 6
Viburnum Lantana 6
Ligustrum vulgare 7
Syringa vulgaris 7
Nadelbäume.
Larix decidua 3 — 4
Abies excelsa 5
Pinus Laricio 5
Taxus baccata 8
Umgekehrt schwankt die Blattgrösse der Holzgewächse zwischen
weit engeren Grenzen als bei tropischen Regenbäumen und bleibt im All-
gemeinen weit unter den bei letzteren gewöhnlichen Dimensionen. Solche
Blätter wie die der Platane und Rosskastanie sind in winterkalten Gebieten
eine aussergewöhnliche Erscheinung, im tropischen Regenwalde würden
sie ungefähr dem Durchschnitte entsprechen und von den Blättern
vieler Arten weit übertroffen werden. Die Blattgestalten der sommer-
grünen Gehölze sind sehr verschiedenartig; doch treten gefiederte
Formen zurück (Fraxinus, Sorbus, Robinia, Juglans, Negundo etc.). Die
Behaarung ist meist schwach entwickelt oder fehlt, ausser an ganz
jungen Blättern, wo sie als Transpirationsschutz häufiger auftritt (Buche etc.).
Plankengerüste an der Basis der Baumstämme sind auf nassem
Boden hier und da angedeutet, z. B. bei der Pyramidenpappel; sie
erreichen niemals bedeutende Entwickelung. Cauliflorie kenne ich im
winterkalten Gebiete nicht; Ramiflorie nur bei einem Strauche, Cercis
canadensis.
Während beim Vergleich zwischen den sommergrünen Bäumen
der winterkalten Gebiete mit den Bäumen des tropischen Regenwaldes
die Unterschiede mehr in die Augen fallen als die Aehnlichkeiten, sind
letztere beim Vergleiche mit den laubabwerfenden Bäumen xerophiler
Tropen gewächse vorherrschend. Hier sind die Stämme ebenfalls
niedriger und relativ dicker als im Regenwalde, ohne Plankengerüst,
von dicker schuppiger Borke bedeckt und mit scharfen Jahresringen im
Holze versehen; die Verzweigung ist reicher; die Knospen sind von
harten Schuppen umhüllt; die Blätter sind kleiner; Cauliflorie ist sehr
S c h i m p c r , Pflantengeographie. 38
CQ4 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
selten. Kurz, ein solcher xerophiler Tropenbaum besitzt — abgesehen
von extremen früher besprochenen Fällen — ein ähnliches klimatisches
Gepräge, wie etwa eine Eiche oder ein Apfelbaum; der einzige Unter-
schied ist die xerophile Blattstructur. Der Vergleich zeigt also, dass
nicht die Verhältnisse der Temperatur, sondern solche der Feuchtigkeit
die erwähnten, von der systematischen Verwandtschaft unabhängigen
Aehnlichkeiten und Unterschiede hervorgerufen haben. Die Borke
unserer Bäume, die Schuppen ihrer Knospen bilden weniger einen
Schutz gegen die Kälte an sich, als gegen die Transpiration, zu einer
Zeit, wo Ersatz aus dem Boden wegen dessen zu tiefer Temperatur
unmöglich ist.
Die Sträucher und jungen Bäume des Unterholzes, die Kräuter des
Bodens haben das typische Gepräge von Schattenpflanzen. In der
horizontalen Verzweigung im Walde wachsender junger Ulmen und
Buchen erblickt Wiesner den Ausdruck des Strebens nach möglichst
vollem Lichtgenuss. Die Axen der Kräuter sind langgestreckt, die
Blätter sind dünn und zart; ihre sattgrüne Färbung ist theils dadurch,
dass ihr Chlorophyll nicht zerstört wird, theils durch das Vorhandensein
des letzteren in der Epidermis bedingt. Die grossen Intercellularräume
des Mesophylls, die dünne Cuticula, die zahlreichen Spaltöffnungen weisen
auf grosse Luftfeuchtigkeit hin.
§ 3. Der Nadelwald. Die stets aus Nadelbäumen bestehenden immer-
grünen Sommerwälder besitzen, entsprechend der noch schwächeren Be-
leuchtung des Bodens, eine noch ärmere und mehr gleichförmige Neben-
vegetation als die Laubwälder. Ihr Laubdach absorbirt allerdings das
Tageslicht etwas weniger als die breitblätterigen Kronen der Buchen und
Eichen, aber die der Boden Vegetation zu Gute kommende helle Früh-
jahrsperiode geht dem Nadelwalde ab. In Folge dieses Wechsels er-
scheinen im Laubwalde manche Gewächse genügsamer in Bezug auf Be-
leuchtung als im Nadelwalde, mit seinem zwar durchschnittlich helleren,
aber immerdauernden Lichtschirme. So fand Wiesner die Leberblume
nach am Grunde der Buchenstämme bei einer Lichtintensität von ' l6,
während sie im Kiefernwalde bei 1jn nicht mehr fortkommt, eine Folge
des Umstandes, dass im Frühjahr der Schatten des Hauptstammes der
Buche */« anstatt */i5 w*e *m Sommer beträgt.
Im Uebrigen kann das im Vorhergehenden von der Schatten-
vegetation der Laubwälder Gesagte auf die Nadelwälder übertragen
werden. Zahlreiche Einzelheiten bringen die folgenden Einzeldarstel-
lungen.
Die Nadelbäume selbst unterscheiden sich von den sommergrünen
Laubbäumen ökologisch wesentlich durch die xerophile Structur und
entsprechend geringere Transpiration ihrer Blätter. (Vergl. S. i/9>
Dennoch ist es keineswegs angängig, dieselben, wie Warming es gethan,
VIL Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. cgc
deswegen zu den Xerophilen zu rechnen. Wohl passt letztere Be-
zeichnung bis zu einem gewissen Maasse für mehrere Pinus- und
Juniperus -Arten des trockenen Sand- und Steinbodens, wo die Xero-
philie durch edaphische Einflüsse bedingt ist, dagegen nicht für die
meisten Abies- Arten, unsere Tannen und Fichten z. B. , welche an
Feuchtigkeit ebenso hohe Ansprüche als breitblätterige Laubhölzer
stellen und nach ihrer ganzen Lebensweise zu den Tropophilen gehören.
Uebrigens haben die jungen Sprosse, im Gegensatz zu denjenigen echter
Xerophilen, nur schwache Schutzmittel gegen Transpiration.
Es wurde an anderer Stelle erwähnt, dass die xerophile Structur
der Coniferen eine erbliche Eigenthümlichkeit darstellt, welche den
gegenwärtigen Existenzbedingungen nicht immer zu entsprechen scheint.
Dieser letztere Satz bezieht sich jedoch wesentlich nur auf gewisse
Standorte in den Tropen, z. B. auf Java und Sumatra. Ein tropophiler
Baum der Gebiete mit kalten Wintern muss in seinen perennirenden
Theilen xerophile Structur besitzen; ist derselbe sommergrün, so wird
sich letztere auf Axen und Knospen beschränken, ist er dagegen
Wintergrün, so bedürfen auch die Blätter eines energischen Transpira-
tionsschutzes für die Wintermonate. Dementsprechend nähern sich die
Nadeln der Lärche in ihrer histologischen Structur mehr als diejenigen
der Tannen und Fichten an den hygrophilen Typus sommerlicher
Laubblätter. Der kleine Rest von xerophiler Structur muss bei ihr als
eine erbliche, mit den jetzigen Existenzbedingungen in Widerspruch
stehende Eigenthümlichkeit betrachtet werden.
Wie die Mehrzahl der Nadelhölzer sind auch die immergrünen Laub-
hölzer der winterkalten Gebiete, mit wenigen Ausnahmen in ihren Existenz-
bedingungen durchaus tropophil. Epheu und Stechpalme z. B. gedeihen
am besten in feuchter Luft und erreichen dementsprechend ihre statt-
lichsten Dimensionen in Europa an den Küsten des atlantischen Oceans,
vornehmlich im westlichen England, wo der berühmte Wald von Dean
zum grossen Theile aus prächtigen Hex -Bäumen besteht. Trotzdem ist
das Laub aller dieser Holzgewächse ausnahmslos xerophil, nach dem
Sklerophylltypus gebaut (Fig. 28, S. 25).
2. Specielle Darstellungen.
§ I. Nordamerika. Das ausgedehnteste und am reichsten ge-
gliederte Sommerwaldgebiet ist dasjenige Nord- Amerika's und dasselbe
ist trotz bereits weit fortgeschrittener Verheerung noch hinreichend er-
halten, um, im Gegensatz zu den alten Culturländern, ohne Mitwirkung
unsicherer Hypothesen, in seiner ursprünglichen Physiognomie recon-
struirt werden zu können. In meisterhafter Weise ist eine solche Dar-
38*
596
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Stellung durch den hervorragendsten Kenner des nordamerikanischen
Waldes, Sargent, gegeben worden, dessen Arbeit die folgenden Aus-
fuhrungen, wo nicht anders bemerkt, im Wesentlichen entnommen sind
(vgl. Karte IV).
Ein breiter Streifen von Nadelhölzern, der den ganzen Continent
in südost-nordwestlicher Richtung von dem Süden der Halbinsel Labra-
dor nach Alaska durchzieht, stellt den nördlichsten Wald dar, dessen
nördliche Grenze mit derjenigen des Baumwuchses überhaupt zusammen-
fällt. Dieser subpolare Wald ist licht und dürftig, seine Bäume erreichen
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Fig. 306. Aus dem pacifischen Küstenwald, nördl. Theil. Wald in Sitka, Süd -Alaska-
Rechts: Tsuga Mertensiana. Links: Chamaecyparis nutkaensis? Nach einer Photographie.
in] Folge der Kürze der Vegetationszeit, der niedrigen Temperatur
derselben und der massigen jährlichen Niederschläge niemals stattliche
Dimensionen. Im Gegensatz zu den südlicheren Theilen des nord-
amerikanischen Waldes sind die Baumarten wenig verschiedenartig.
Die Schwarz- und die Weissfichte (Picea nigra und P. alba) herrschen
vor. Laubbäume zeigen sich beinahe nur in Thälern, wo Pappeln,
Zwergbirken und Weiden auftreten. Der subpolare Waldstreifen zeigt
in seiner ganzen Breite das gleiche ökologische Gepräge; dagegen
zeigt die floristische Zusammensetzung im östlichen und westlichen
*ig- 3°7* Aus dem Walde der Sierra Nevada (Californien). Pinus Lambertiana (Zuckerkiefer).
Im Hintergrunde rechts: Abies concolor.
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. 507
Theile einige Unterschiede, so dass, mit Sargent, ein atlantischer
und ein pacifi scher nördlicher Wald unterschieden werden
können.
Der subpolare Wald setzt sich nicht als zusammenhängende Fläche
nach Süden fort, sondern in Form breiter Streifen, die durch weite
Grasflur- und Wüstengebiete von einander getrennt sind. Die südliche
Fortsetzung des pacifischen nördlichen Waldes ist, wie der letztere,
von Nadelhölzern gebildet und stellt Anfangs ein über ungefähr zwei
Längsgrade sich erstreckendes Band dar, das südlich des 52. Grades
durch das Wüstengebiet des Great Basin in einen westlichen und einen
östlichen Streifen gespalten wird. Doch zeigt sich schon lange vor dieser
Spaltung ein deutlicher floristischer und ökologischer Unterschied zwi-
schen dem pacifischen Wald der Küste und demjenigen des Binnen-
walds (B u. C auf der Karte).
Der pacifischeKüstenwaldistin Britisch Columbien, Washing-
ton und Oregon, zwischen dem 60. und dem 43. Breitegrad, namentlich
aber südlich vom 51. „der üppigste, wenn auch nicht mannigfachste
des Continents". Die Douglas -Tanne (Pseudotsuga Douglasii), die Sitka-
Fichte (Picea sitchensis Bong.), die Hemlocktanne (Tsuga Mertensiana
Carr.), (Fig. 306), die Alaska- Ceder (Chamaecyparis nutkaensis) und
die rothe Ceder (Thuja gigantea) erlangen hier riesige Dimensionen.
Die bis 90 m hohen Bäume erheben sich nur wenige Fuss von ein-
ander. Der Boden ist von einem dichten, weichen Teppich von
Moosen und Farnkräutern, oft von riesigem Wuchs bedeckt. Lichte
Stellen sind von undurchdringlichen Dickichten verschiedener Sträucher,
in welchen beinahe baumartige Heidelbeeren, Corylus und Acer
circinatum die Hauptrolle spielen, ausgefüllt. Dieser Wald verdankt
seine ausserordentliche Ueppigkeit den sehr reichen, namentlich
während des Winters fallenden Niederschlägen, deren Menge (200 cm
und mehr) nur an wenigen anderen Stellen der temperirten Zonen
erreicht wird. Die Vegetationszeit ist kühl, aber von relativ langer
Dauer. Der Boden ist ein poröser, nur wenige Zoll tiefer Kiesboden
glazialen Ursprungs.
Während in der Breite der stärksten Entwickelung des Küstenwalds
die Abhänge des Kaskadenkette von lichteren Gehölzen ähnlicher Zu-
sammensetzung wie der Küstenwald bedeckt sind (Fig. 308), beginnt
zwischen dem 420 und 430 N. B. der berühmte Hochwald der
Sierra Nevada, die Heimath der Riesenbäume. Derselbe ist zwar
ein Höhenwald, dessen klimatische Bedingungen denjenigen des be-
nachbarten Tieflands gar nicht mehr entsprechen und der daher, ent-
sprechend der Gliederung dieses Buches, erst in dem der Höhenvege-
tation gewidmeten Abschnitt zur Behandlung kommen sollte. Doch
schien es zweckmässig, die ökologisch und floristisch ebenso wie geo-
598
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
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Piß- 3°9- Californischer Nadelwald: Sequoia gigantea, 33 Fuss Stammdurchmesser.
Nach einer Photographie.
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel.
599
graphisch zusammenhängende Waldecke Nord-Amerika's, soweit sie
dem Typus des Sommerwaldes gehört, im Zusammenhang zu be-
handeln. Der schmale und kurze californische Küstenwald wurde mit
den Hartlaubwäldern zusammen behandelt.
Fig. 310. Aus dem pacifischen Küstenwald. Sierra Nevada: Sequoia giganteal
Nach einer Photographie.
Der Hochwald der Sierra Nevada beginnt südlich von Mount Shasta
im Norden und setzt sich südlich bis 35 ° fort. Vorherrschend ist in
diesem Walde die Zuckerkiefer, Pinus Lambertiana (Fig. 307), „welche
sich hier am prächtigsten entwickelt und diesem Bergwald unübertreff-
liche Schönheit verleiht". Mit ihr zusammen machen die Douglas-Tanne,
6oo
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
die gelbe Kiefer (Pinus ponderosa), zwei Abies-Arten (A. concolor und
A. bracteata), die weisse Ceder (Libocedus decurrens) und im Süden
die Riesen -Sequoia (Sequoia gigantea, Fig. 309 u. 310), welche sich zu-
nächst in vereinzelten Gruppen zeigt, noch weiter im Süden jedoch
einen mehr oder weniger zusammenhängenden Streifen von mehreren
Meilen bildet. Im Gegensatz zu dem mehr nördlichen Walde an den
Westhängen der Kaskadenkette ist der Sierra- Wald beinahe frei von
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Fig. 311a. Aus dem pacifischen Binnenwald. Parklandschaft am Yellowstone-Fluss, Rocky
mountains. Pinus ponderosa. Nach einer Photographie.
Unterholz. Die Ursache dieses Unterschieds ist nicht aufgeklärt. In
den Thälern ist der Wald licht und von Eichen gebildet.
Als östlicher Zweig des pacifischen Waldes, von dem westlichen
durch die beinahe baumlose Wüste des Great Basin getrennt, zieht sich
längs der Felsengebirge und ihrer südlichen Ausläufer der schmale
pacifische Binnenwald (C auf der Karte), zu welchem Sargent
auch den Wald am östlichen Abhänge der Sierra Nevada heranzieht.
Entsprechend der spärlichen Niederschläge ist der Wald meist kümmerlich
und dünn gesäet , ohne Unterholz. Er zeigt sich nur auf den steilen
Fig. 31 '. Aus dem pacifischen Binnenwald. Grosser Canon des Yellowstone- Flusses,
Rocky Mountains. Pinus ponderosa. Nach einer Photographie.
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VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. ÖOI
Abhängen und Canons (Fig. 311 u. 311a), während die Thäler, mit Aus-
nahme der unmittelbaren Flussnähe, baumlos oder nahezu baumlos sind.
Im Norden besteht dieser Wald ganz vorwiegend aus einer Zwergkiefer
(Pinus Murrayana); südlich von 520 N. B. nimmt die Ueppigkeit und
die Artenzahl etwas zu; die Douglas -Tanne, die Gelbkiefer (Pinus ponde-
rosa) und die westliche Lärche (Larix occidentalis) treten hinzu. Im
südlichsten Theile der Felsen gebirge , auf den Höhen der Colorado-
Gebirge bei 2400 — 3000 m, rufen reichere Niederschläge einen üppigen
Waldwuchs hervor (Picea Engelmanni.) Die niedrigeren Höhenzüge
tragen hier Wälder von gelben Kiefern und Rothtannen, während in
den Flussthälern Pappeln, Erlen und Ahorne oder Abies concolor vor-
herrschen. Die Vorhöhen hingegen sind von mehr oder weniger
wüstenartigem Charakter mit spärlichem und kümmerlichem Wachholder
und einer kleinen Eiche. Der südlichste Theil des pacifischen Binnen-
waldes dehnt sich auf den Höhen der Gebirge von Neu-Mexiko bis
Texas und West- und Nordwest -Arizona aus und erreicht stellenweise
beträchtliche Ueppigkeit
Der atlantische Wald, der eine weit grössere Fläche als der paci-
fische einnimmt und sich in seiner grössten Breite über zwanzig Längs-
grade ausdehnt, ist in seinem nördlichen Theile und längs der Küste
vornehmlich Nadelwald, im Innern vornehmlich sommergrüner Laubwald.
Das von dem atlantischen Wald eingenommene Areal ist überall reich
an Niederschlägen und die Vegetation dementsprechend üppig.
Sargent unterscheidet im atlantischen Wald drei grosse Provinzen,
eine nördliche der Weymouthskiefer, eine östliche der Lang-
nadelkiefer nnd eine westliche des Laubwaldes.
Der westindische und der mexikanische Tropenwald senden nach
Florida und Süd -Texas je einen Fortsatz von sehr geringer Ausdehnung,
bezüglich welcher auf ein früheres Kapitel verwiesen sein mag, in
welchem auch die südliche Provinz Sargent's bereits nähere Berück-
sichtigung gefunden hat (S. 501).
Die Provinz der Weymouthskiefer (Pinus Strobus, Fig 313),
besitzt ausgedehnte Wälder dieses technisch hochgeschätzten Baumes
nur auf den sandigen Ebenen des Lorenzo- Beckens, im Uebrigen nur
kleinere Bestände und Gruppen inmitten anderer Wälder. In letzteren
zeigt sich die Weymouthskiefer, wie die meisten Kiefern, an grossen Sand-
reichthum des Bodens gebunden. Weniger durchlässige Bodenareale
sind entweder von Beständen der Schwarzfichte (Picea nigra, Fig. 314)
oder von Laubwäldern eingenommen. Maassgebend wird hier wohl die
Temperatur sein. Uebrigens wachsen Schwarzfichten zerstreut in den
Laubwäldern. Mehrere andere Coniferen sind hier häufig und üppig
(z. B. Tsuga canadensis, Juniperus virginiana) und mehrere Laubbäume
weisen in der Weymouthsprovinz ihre reichste Entwickelung auf, wie
602
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
die Schwarzlinde (T. americana), die schwarze und weisse Esche (Fr.
sambucifolia und F. americana), der Zuckerahorn, verschiedene Birken
und Ulmenarten während andere Bäume in derselben ihre Nordgrenze
Fig. 313. Wald der Weymouthskiefer (Pinus Strobus) in Pennsylvanien.
Nach einer Photographie von Herrn Prof. Rothrock.
erreichen, z. B. die meisten Eichen, Juglans, Liriodendron, Sassafras etc.
Abgesehen von der floristischen Zusammensetzung, sind diese Wälder,
welche ich an einigen Stellen, allerdings nicht im ursprünglichen Zustande
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel.
603
kennen lernte, den mitteleuropäischen, z. B. denjenigen der Vogesen,
sehr ähnlich. Das allerdings sehr mannigfache Unterholz ist nur in
lichten Wäldern reich entwickelt, aber auch da meist von geringer
Fig. 314. Picea nigra (Syn. P. rubra) in Pennsylvanien. Nach einer Photographie
des Herrn Prof. Rothrock.
Höhe, und Lianen zeigen sich, mit Ausnahme des Rhus Toxicodendron,
nur am Waldrande oder in sehr feuchten oder lichten Gehölzen
(Fig. 315), so dass überall freie Durchsicht zwischen den nur wenig von
604
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Moosen und Flechten bedeckten Stämmen gegeben ist. In vielen Wäldern
sah ich den Boden nackt oder etwas bemoost, mit spärlichen kleinen
Halbsträuchern und Kräutern (Pirola, Chimaphila, Cornus canadensis etc.).
Der sommergrüne Laubwald des Mississipi und der
atlantischen Ebene entbehrt keineswegs der Nadelhölzer, vielmehr
erreichen manche Arten, z. B. Juniperus virginiana, hier ihre reichste
Entwickelung. Charakteristisch sind jedoch in erster Linie die aus-
gedehnten Bestände von Laubhölzern , in welchen die grosse Mehrzahl
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F*g« 3!5» Wald im Tiexland des White River, Indiana. Ampelopsis quinqnefolia
Michx. als Liane. Nach „Garden and Forest14.
der reichen und charakteristischen Laubhölzer Nord -Amerika 's ihre
ausschliessliche oder hauptsächliche Heimath besitzen und in reichster
Mischung auftreten. Ueppiges grossblättriges Unterholz, auf feuchtem
Boden auch Lianen (Vitis, Ampelopsis Fig. 315, Rhus toxicodendron»
tragen auch dazu bei, diesen Wäldern eine von den Laubwäldern der
Weymouthsprovinz abweichendes Gepräge zu geben. Sie erreichen ihre
grossartigste Entwickelung an den Abhängen der Alleghanies in Nord-
Carolina (Fig. 317 u. 318) und im Thal des Red River, einem rechts-
seitigen Nebenfluss des Mississipi.
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel.
605
Der vortrefflichen Monographie von W. W. Ashe entnehme ich die
folgenden Angaben über die Wälder von Nord- Carolina, welche im
Tiefland als nördlichster Theil der südlichen Küstenprovinz angehören und
den Uebergang der warmtemperirten in die kalttemperirten Waldtypen zeigen,
Fig. 316. Pinus palustris L. (P. australis Michx.) in Nord -Carolina. Nach Ashe.
auf den Höhen aber der Laubwaldprovinz angehören und deren Charakter in
besonders reiner und üppiger Entwickelung darstellen. Ashe gliedert die
Waldfläche von Nord -Carolina in drei der Küste parallele Gürtel, einen
östlichen, von nur geringer Erhebung, einen mittleren höheren der Vorhügel
(Piedmont) und einen westlichen des Berglands.
6o6 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Der Küstengürtel allein gehört der südlichen Provinz an. Der Boden ist
in ihm bald sandig trocken, bald sumpfig und trägt dementsprechend eine
ungleiche Waldvegetation. Ausserdem ist die nächste Nähe des Meeres
durch immergrüne Laubwälder charakterisirt , deren Bestandtheile im Binnen-
land von Nord -Carolina fehlen, während sie weiter südlich auch in grösserer
Entfernung des Strandes auftreten (Quercus virens, Sabal Palmetto etc). Dieser
schmale immergrüne Waldstreifen ist der nördlichste verkümmerte Fortsau des
weiter südlich reich entwickelten subtropischen Regenwalds. Er verdankt sein
Bestehen in so nördlicher Breite offenbar der milden Temperatur und grossen
Luftfeuchtigkeit am Meere. Sommergrüne, zu nördlichen Arten gehörende Bäume
fehlen allerdings nicht ganz (Tilia heterophylla, Planera aquatica etc.) und ver-
mitteln den Uebergang zum Sommerwald.
Im Gegensatz zu den Wäldern in unmittelbarer Nähe des Strandes haben
die Wälder des Binnenlands schon entschieden den Charakter von Sommer-
wäldern, wenn auch manche Arten, namentlich die auf trockenem Sandboden
vorherrschende Langnadelkiefer (Pinus palustris L.-P. australis Michx.), auch
im Süden häufig sind. Andere Kiefern (z. B. P. taeda) sind nördlich und
das Unterholz in den den Sand und sandigen Lehm beherrschenden Kiefern-
wäldern ist zum weitaus grössten Theile winterkahl (Eichen, Ulmen, Carya-
Arten, Celtis occidentalis, Cornus florida etc.).
Einen besonders kümmerlichen Kiefernwald bildet die Vegetation der so-
genannten Pine-Barrens, wo das Substrat einen beinahe reinen, grobkörnigen,
schon bald nach dem Regen trockenen Sand darstellt Hier ist das Ober-
holz nur von der genügsamen Pinus palustris gebildet, während kümmerliche
Eichen ein dürftiges Unterholz bilden, da wo der Boden nicht ganz nackt
oder nur von einigen steifen Grasbüscheln bewachsen ist
Ist hiergegen der Boden durch Beimischung von Thon lehmig und weniger
trocken, so wird Pinus taeda die" herrschende Baumart; der Wald ist mehr
hochstämmig (90 — 100' hoch) und meist dicht: bei lockerem Bestand zeigt
sich üppiges Unterholz.
Sehr mannigfach ist die Vegetation der Sümpfe, welche in Nord -Carolina
(Dismal Swamps, Wilmington Swamps) Tausende von Kilometern überziehen.
Je nach der physikalischen und chemischen Beschaffenheit des Bodens, je
nachdem der letztere alljährlich länger oder weniger lang überschwemmt ist
bietet der Wald ein anderes Bild. Feuchter, lehmiger, aber nur im Frühjahr
überschwemmter Boden wird von den Oak flats eingenommen, wo verschiedene
winterkahle Eichen, Pappeln, Ahorne etc. bis 100' hohe Wälder bilden, in
deren Schatten kleine Bäume als Unterholz gedeihen (Quercus minor, Car-
pinus caroliniana, Crataegus). An den tiefsten, stets überschwemmten oder
doch nur oberflächlich trocknenden Stellen bilden Taxodium distichum und
Liquidambar styraciflua mit wenigen und untergeordneten anderen Bäumen
den Sumpfwald. Auf sandigem und torfigem Boden dehnen sich, einen
wesentlichen Theil der dismal swamps bildend, Wälder von Cupressus thyoides,
in welchen Laubbäume, wie der Tulpenbaum, Liquidambar, Persea borbonia etc
zerstreut vorkommen und wo der humusreiche Boden zwischen den Stämmen
oft ganz von Sphagnum überzogen ist. Auf sehr sterilem Boden der Dismal
swamps herrscht Pinus serotina vor, welche an Genügsamkeit der P. palustris
*ig- 3f7- Sommerwald im südlichen Alleghany-Gebirge. Nord-Carolina. Typus zwischen 700 bis
1000 m ü. M. Pinus strobus in der Mitte und rechts, Tsuga canadensis, Castanea vesca var ameri-
cana, Quercus alba im Hintergrund. Rhododendron maximum als Unterholz.
Nach einer Photogr. von Herrn W. W. Ashe, Forester to the geol. Survey of North - Carolina.
Fig- 3!8« Natürlicher Sommcrwald des südl. Alleghany - Gebirges , Nord - Carolina. Typus zwischen
800 und 1400 ni. Tsuga canadensis, Betula lenta u. B. lutea, Quercus rubra, Acer rubrum, Acer
barbatum, Prunus serotina, Liriodendron tulipifera, Magnolia acuminata v. Fraseri. Unterholz ist
Rhododendron maximum. Nach einer Photographie des Herrn \V. W. Ashe, Forester to the North-
Carolina geological Survey.
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. 607
gleichkommt und letztere auf nassem Boden ersetzt. Die Bestände dieser
Kiefern sind locker und reich an sträuchigem Unterholz.
Die Wälder der Vorhügel bilden eine Uebergangsstufe zwischen den-
jenigen des tiefen Küstenlands und denjenigen der Gebirge. Auf weichem,
durchlässigem, feuchtem Boden sind es sommergrüne Laubwälder, in welchen
Eichen und Carya- Arten vorherrschen, während auf sandigem Boden Kiefern
(Pinus mitis, P. taeda) das Oberholz bilden.
Im Gebirge machen sich Unterschiede des Bodens weniger geltend als
im Tiefland, um so mehr aber solche der Temperatur und Niederschläge.
Ihre grösste Ueppigkeit zeigen die Gebirgswälder auf den nördlichen feuchten
Abhängen, während die südlichen Abhänge mehr lockere Bestände besonders
lichtbedürftiger Arten aufweisen. Zwischen 1500 und 3000' bestehen diese
Wälder aus Kiefern und Laubbäumen, letztere sind von den ersteren meist
etwas überragt (Fig. 317). Die Kiefern sind vornehmlich Pinus strobus, oft
100 — 150' hoch, P. mitis, P. rigida, P. pungens, die Laubhölzer, die stellen-
weise bis 90' Höhe erreichen sind Eichen (Q. alba, prinus, tinctoria, coccinea,
rubra, imbricaria), Kastanien (Castanea vesca var. americana), Carya -Arten,
Cornus florida etc. Die Laubbäume kommen um so mehr vor, als der Boden
feuchter und fruchtbarer wird. In weniger dichten Beständen bilden zwei
sommergrüne Ericaceen, Rhododendron maximum und Kalmia latifolia, reiche
Dickichte zwischen den Stämmen.
Die grossartigsten Wälder der südlichen Alleghanies und diejenigen, welche
ihren ursprünglichen Charakter am meisten bewahrt haben, nehmen die Region
zwischen 3000 und 5000' (Fig. 318) ein. Ihre reichste Entwickelung zeigen sie
auf den feuchten humusreichen nördlichen Abhängen. Nur ein Nadelbaum,
Tsuga canadensis, pflegt sich in diesen Wäldern zu zeigen; im Uebrigen be-
stehen sie aus dem reichsten Gemisch von Laubbäumen: Birken, Ahorne,
Buchen, Kastanien, Eichen (Q. rubra, alba). Tulpenbaum, Esche (Fr. americana),
Magnolia acuminata, Aesculus flava wachsen durch einander ; die höchsten Kronen
bilden ein zusammenhängendes dichtes Laubdach von 90 — 120' Höhe, unter-
halb welches, in der Nähe ihrer Mutterpflanzen, junge Exemplare der hohen
Bäume oft üppig gedeihen, während andere Stellen durch dichtes wintergrünes
Gesträuch von Rhododendron maximum und Kalmia latifolia bedeckt sind.
Oberhalb dieser Waldstufe wird der Laubwald durch Nadelwald von Picea
nigra und Abies Fraseri ersetzt.
§ 2. Europa. Sind wirkliche Urwälder, d. h. Wälder, deren Ent-
wickelung vom Menschen weder tiefgreifend noch dauernd beeinflusst
worden sind, so dass sie das Gepräge natürlicher Bedingungen un-
verändert zeigen, in den erst seit relativ kurzer Zeit dem menschlichen
Zerstörungswerk ausgesetzten Wäldern Nord-Amerika's bereits selten, so
ist dieses natürlich in Europa noch in weit höherem Maasse der Fall.
Hier bieten nur noch einige kleine Waldparcellen bis zu einem gewissen
Grade das Bild des ehemaligen europäischen Urwalds.
Zu den letzten Waldresten, welche einigermaassen die Bezeich-
nung Urwälder verdienen, gehören die im Böhmerwald gelegenen
des Fürsten Ad. v. Schwarzenberg, von welchen, nach einer Anordnung
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel.
609
des Besitzers, „3200 Joch für immer erhalten werden sollen". Göppert
hat dieselben eingehend geschildert (Fig. 31$). Im Gegensatz zu den
Kunstwäldern oder Forsten, bestehen solche Naturwälder aus einem bunten
Gemische von Fichten, Tannen und Buchen, zwischen welche noch ein-
zelne andere Laubbäume (Acer Pseudo-Platanus, Ulmus campestris, Alnus
incana und glutinosa, Betula alba und pubescens, Salix caprea) ein-
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Fig. 320. Vegetation bei Batum. Ficus carica. Nach einer Photographie
des Herrn Prof. Krassnow.
gesprengt wachsen. Erst in höheren Regionen wird die Fichte allein herr-
schend. Andere Abweichungen von den Forsten sind die zahlreichen
abgefallenen Baumstämme, aus deren morscher Substanz zahlreiche
junge Bäume sich erheben, welche später, ihrem Ursprung entsprechend,
reihenweise auf Stelzen stehen werden; ferner die zahlreichen Baum-
schwämme (Polyporus pinicola Fr.) und die knollenförmigen Auswüchse
Schimper, Pflanzengeographie. 19
6io
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
der Stämme. Der dicht bemooste Boden zwischen den Stämmen
trägt reichen jungen Nachwuchs von Buchen, Fichten und Tannen,
die im Waldschatten nur geringe Grösse erreichen, aber sobald durch
den Fall eines Baumriesen eine Lücke im Laubdach entsteht, zu nor-
maler Höhe heranwachsen. So soll es vorkommen, dass Fichten, die
120—140, sogar 160 Jahre in unterdrücktem Zustande verblieben waren
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Fig. 321. Wald von Larix dahurica auf Sachalin. Nach einer Photographie
des Herrn Prof. Krassnow.
und dabei nur 5 — 7 Zoll Durchmesser im Stamme erreicht hatten, sich
nachträglich zu mächtigen Bäumen entwickelten.
Durch grössere Ueppigkeit, namentlich bezüglich der inneren Raum-
ausfullung, zeichnen sich die Wälder an den östlichen Gestaden des
Schwarzen Meeres aus (Fig. 320), namentlich diejenigen Abchasiens,
von welchen Radde folgendes Bild entwirft:
VE. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. 6 1 1
„Unmittelbar am Meere, gleich hinter dem schmalen, durch die Wellen
aufgeworfenen, nackten Geröllwalle, vermehren sich an der Abchasischen Küste,
mit Hülfe des lästigen Smilax und der Clematis- Ranken, Gesträuche und
Bäume zu undurchdringlichen Wänden. Wo nicht gerade ein verdeckter Pfad
von den Besitzungen der Abchasen zum Meere fuhrt, dürfte es wohl sehr
schwer sein, diese hohen Pflanzen-Barrieren zu durchbrechen. Asclepien über-
wuchern unantastbare Rubus- und Rosa-Gebüsche oder bedecken Crataegus
und Paliurus. Feine Asparagus-Pflanzen winden sich durch die Maschen des
groben dornigen Netzes, Smilax gibt ihm Halt bis in die Wipfel der höchsten
Bäume, er erdrückt den Epheu und wilden Wein. Aus solchem Chaos ver-
wirrt ineinander gewebter Kletter -Pflanzen strecken Eichen und Rüstern die
knorrigen Aeste, deren Belaubung und seitliche Theilung hier am Meere nur
eine dürftige ist, da die heftigen Seestürme gegen die Riesen anprallen. Desto
schöner und voller sind die Kronen der hinter ihnen tiefer im Lande stehen-
den Hochstämme . . . Auch an ihnen hat Smilax oft förmliche Netze ge-
sponnen, deren Höhe nicht selten 50 — 60' beträgt . . ." (S. 18).
§ 3. Sibirien und Ostasien. Das Klima Sibiriens ist demjenigen
des nördlichen Waldgürtels Nord-Amerika's ganz ähnlich, sowohl was
die Temperatur, als die besonders in Betracht kommenden Hydro-
meteore betrifft. In beiden Gebieten sind die Niederschläge spärlich,
namentlich während des Winters, sodass die Bäume dem bei langer
Dauer besonders schädlichen trockenen Frostwetter ausgesetzt werden.
Der klimatischen entspricht eine weitgehende ökologische Analogie.
Auch der sibirische Wald ist ein lichter, dürftiger, oft verkümmerter
Nadelwald ohne oder mit ganz spärlichem Unterholz. Vorherrschend
sind Lärchen (Larix sibirica und, im Osten, L. dahurica, Fig. 321);
mit ihnen wachsen die Zirbelkiefer (P. Cembra), Fichten (Picea obovata
und ajanensis), Birken und, im Süden, Tannen (Abies Pichta).
Während an der Westküste Nord-Amerika's bereits in hohen Breiten
reiche Niederschläge bei milderer Temperatur sich einstellen und reichen
Waldwuchs bedingen, reicht das dem Gehölz ungünstige Klima und
hiermit der dürftige Waldcharakter in Sibirien bis in viel südlichere
Breiten hinab, stellenweise bis zum 500 Breitegrad.
Der kümmerliche Charakter des sibirischen Waldes wird von Midden-
dorff1 emphatisch betont: „Wiederholt habe ich darauf zurückkommen müssen,
wie sehr ich mich getäuscht fand, als ich, die gebahnten Strassen Sibiriens
verlassend, Urwäldern entgegensah, von denen ich erwartete, dass sie in mir
die Sehnsucht stillen könnten nach dem bewältigenden Eindrucke des An-
blickes, den unsere Phantasie sich malt, wenn sie von riesigen Zeugen ver-
gangener Jahrhunderte, ja Jahrtausende träumt; von kernfesten Riesen des
Urwalds, welche die durch Wind und Wetter über sie ausgeschütteten Unbilden
unerschütterlich von ihren greisen Häuptern schütteln."
l) S. 630.
39*
612
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Nach einem Hinweis auf die üppigen hochstämmigen Wälder, die in
der gleichen Breite wie Jenisejsk (5 8°), im nordwestlichen Amerika wachsen,
und auf die Hochwälder Mitteleuropas, fährt er fort: „Wie meine ersten, an
die Akademie eingesendeten Reiseberichte bezeugen, wurde ich darin bitter
enttäuscht. Von Jenisejsk an nordwärts möchte man, dem in Livland ge-
wonnenen Augenmaasse zu Folge, den Waldungen im Allgemeinen kaum mehr
als ein halbes Jahrhundert geben, nie ein ganzes. Diese scheinbar jugend-
liche Physiognomie des Waldes nimmt sogar zu, je mehr man dem Norden
entgegenreist — bis man Gelegenheit findet näher hineinzuschauen, und der
Fig. 322. Baumgrenze auf Sachalin: Verkrüppelte Larixbäume. Nach einer Photographie
des Herrn Prof. Krassnow.
Behang mit langen Barten schwarzgrauer Moose und Flechten verräth, dass
man es schon lange mit verkümmerten Greisen der Baumwelt zu thun hatte.
Einzelne kräftige, starke Stämme, denen ich südlich von Jenisejsk begegnete,
dienten nur dazu, mich um so augenscheinlicher erkennen zu lassen, wie
feindlich das rauhe , unstete Klima dem Baumwuchs in Sibirien entgegentritt,
schon bevor man den 60 Grad erreicht hat" ...
. . . „Der dickste Baum, den ich in Süd-Sibirien gesehen, war eine Pappel
von 6' Durchmesser. Nächst ihm erreichten die Lärchen (etwa 41/*')» ^^
die Kiefern und darauf die sibirischen Tannen die grösste Dicke unter den
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VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel.
613
614 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Bäumen Sibiriens. Dass diese stärksten unter ihren Verwandten als Ausnahmen
von der gewöhnlichen Lebensdauer und als tausendjährige Nestoren anzusehen
waren, bewies ihre Seltenheit, indem wenigstens 99 Hunderttheile aller schein-
bar erwachsenen Bäume des Waldes, sogar an günstigen Oertlichkeiten Südost-
Sibiriens, nicht mehr als 1 — 6/4' Dicke besassen. Nachdem ich mich im
Jenisejthal, nordwärts vom 60. Breitengrade, in Bezug auf den Wuchs der
Bäume so sehr enttäuscht gefühlt hatte, setzte ich meine ganze Hoffnung auf
Südost -Sibirien. Da es mir hier auch nicht besser erging, finde ich mein
Tagebuch mit Klagen über diesen Umstand erfüllt."1)
Wie der nördliche nordamerikanische Waldgürtel löst sich auch
der sibirische nach Süden in einige Fortsätze auf, während die übrigen
centralasiatischen Landschaften, wie die cerrtral-rrordamerikanischen, von
Steppen und Wüsten eingenommen sind. Der eine dieser Fortsätze um-
fasst das nordchinesische Gebirgsland vom Altai bis zum Baikal-See, ein
anderer, viel von Steppen unterbrochener erstreckt sich über die süd-
östliche Ecke Sibiriens und das nordöstliche China, ein dritter bedeckt
Kamtschatka und ein vierter dehnt sich von der Insel Sachalin süd-
lich nach Japan aus , wo auf Yezo und dem nördlichen Nippon der
tropophile Sommerwald, in Süd-Nippon aber der temperirte Regen-
wald herrscht.
Diese südlicheren Wälder Nordasiens besitzen, dem Klima ent-
sprechend, einen anderen floristischen Charakter und grössere Ueppig-
keit als der sibirische, aber nur an wenigen Stellen den Charakter von
Hochwäldern. Vielmehr ist für viele Landschaften ein parkartiger Cha-
rakter bezeichnend, z. B. in Kamtschatka, wo nach dem Atlas von
Kittlitz (Fig. 237 und 323) die üppigsten Wiesen mit dichten Laub- und
Nadelwaldparcellen abwechseln, im südlichen Theil Sachalins (Fig. 323,
325 u. 326), im Gegensatz zum entschieden sibirischen Charakter be-
sitzenden nördlichen (Fig. 321 u. 322), und im Gebiet des Amur.
Ihre reichste Ausbildung erreichen die ostasiatischen Sommer-
wälder auf Nippon, wo sie, im Gegensatz zu den europäischen und
in Uebereinstimmung mit den nordamerikanischen, aus einer bunten
Fülle verschiedener Holzarten bestehen, von denen nur selten ein-
zelne, wie Buchen oder Eichen, geschlossene Bestände bilden. Physio-
gnomisch zeigen dieselben durch die kräftige Ausbildung des Unter-
holzes und der oft manneshohen Bodenkräuter, durch einige mächtige
Lianen und epiphytische Farnkräuter, Anklänge an die Regenwälder.
Diese unter den winterkalten Laubwäldern exceptionelle Ueppigkeit
ist eine Folge vieler Niederschläge, der hohen Temperatur der Vege-
tationszeit und, was das Unterholz betrifft, des lockeren Schlusses des
Laubdaches.
») I, S. 631—632.
Fig. 326. Angelophyllum ursinum und Spiraea sachalinensis unter einer Erle.
Nach einer Photographie des Herrn Prof. Krassnow.
Sachalin.
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel. 6 1 5
Die hervorragendsten Bestandtheile eines solchen blattwechselnden Waldes
sind Eichen, Buchen, Hainbuchen, Ahorne, Birken, Rosskastanien, Magnolien,
Aralien, Wallnüsse, Ulmen, Planeren, verschiedene Rosaceen und an mehr
feuchten Stellen auch Eschen und Erlen (Quercus serrata und Qu. dentata,
Qu. crispula und Qu. glandulifera, Fagus Sieboldii und F. silvatica, Castanea
vulgaris, Aesculus turbinata, Cercidiphyllum japonicum, Tilia cordata und
T. mandschurica, Calopanax ricinifolia, Magnolia hypoleuca, Acer japonicum,
A. pictum und andere, Carpinus laxiflora, C. cordata, Planera Keaki, Ulmus
campestris, U. montana, U. parvifolia, Prunus Pseudocerasus , Perocaria rhoi-
folia, Fraxinus longicuspis, Betula alba, Alnussp. u. a. m.). Die Mannig-
faltigkeit wird durch das Auftreten einzelner Nadelbäume noch erhöht (z. B.
Pinus densiflora, Chamaecyparis, Thuja, Sciadopitys, Tsuga).
Die Lianen sind wohl zum grösseren Theile Wurzelkletterer: Schizo-
phragma hydrangeoides S. et Z., Hydrangea petiolaris S. et Z. und Rhus
toxicodendron var. radicans Miq. tibertreffen alle anderen an Stärke und
Häufigkeit „Bis zu 25 m hoch kriechen ihre mehr als armdicken und selbst
bemoosten Stämme" an Bäumen und Felsen empor. An lichten Stellen
klettert der immergrüne Evonymus radicans Sbd. und vertritt gewissermaassen
den weniger häufigen Epheu. Neigung zum Schlingen zeigt sich bei ver-
schiedenen Magnolien und Ternstroemiaceen. Die ausgebildetsten Schling-
pflanzen des japanischen Waldes sind die bis 30 m hohe Wistaria chinensis
S. et Z. und die Lardizabaleen, namentlich Akebia- Arten.1)
Eine reichliche Menge von Halbbäumen und Sträuchern, wie Syringa,
Evonymus, Viburnum, Hamamelis, finden in dem zumeist lockeren Schlüsse
ihr Fortkommen ; mächtige Kletterpflanzen, wie Actinidia, Vitis, Schizophragma,
senden ihre bis schenkeldicken Stämme zu den Gipfeln der Bäume empor,
während dem tippigen, jungfräulichen Boden riesige Petasites, Polygonum,
Heracleum, Farne entsprossen, in deren Dickicht Reiter und Pferd verschwinden.2)
Wie in Europa weisen auch in Japan die winterkalten Gebiete neben
J^aubwäldern ausgedehnte Nadelwälder auf, die. in entsprechend wechselnder
systematischer Zusammensetzung, an der Meeresküste, als Kiefernbestände auf
den Dünen und trockenen Hügeln die Waldvegetation allein vertreten und
die Laubwaldregion vielfach unterbrechen, ihre grösste Ausdehnung aber, so-
wohl in verticaler wie in horizontaler Richtung, erst jenseits der letzteren er-
reichen. Mehr als die Namen ihrer Bestandtheile ist von diesen Wäldern
nicht bekannt ; doch scheint solche Raumanfüllung durch Unterholz, Lianen etc.,
wie sie den Laubwäldern zukommt, hier durchaus zu fehlen.
§ 4. Die Wälder Peuerlands. In der südlichen Hemisphäre sind
wohl die Wälder des südwestlichen Patagoniens und Feuerlands zu den
Sommerwäldern zu rechnen, nicht bloss weil sie zum Theile aus der sommer-
grünen Fagus antarctica bestehen, sondern auch weil die bereits tiefen
winterlichen Temperaturen offenbar eine ausgeprägte winterliche Ruhezeit
bedingen. Uebrigens sind wir über die Oekologie dieser Wälder noch gar
nicht unterrichtet.
*) Rein 1. c.
*) Mayr II, S. 16 u. f.
6i6
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Folgende, einer Arbeit Dusdn's entnommene Stellen beziehen sich auf
die tippigsten Wälder Feuerlands:
Fig- 327. Der tropophile Buchenwald Feuerlands im Winter. Fagus entblättert
Xach einer Photographie von Herrn Dr. Michaelsen.
„Im Innern des Hafens von Puerto Angosto kommt ein typischer von
Drimys Winteri Forst, und Fagus betuloides Mirb. zusammengesetzter Urwald
VII. Die Waldformationen der kalttemperirten Gürtel.
61;
vor, der in Bezug auf die dichtstehenden Bäume, die herrschende Dunkelheit
und die Menge von am Boden kreuz und quer liegenden, modernden Baum-
stämmen an die von mir gesehenen westafrikanischen Urwälder erinnerte, sich
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jedoch von ihnen dadurch unterscheidet, dass der Boden nicht nackt, sondern
von einer vollständig geschlossenen Decke von Lebermoosen überwachsen
ist ... Die Phanerogamen sind in diesem Urwald wenig zahlreich. Von
6i8
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Sträuchern kommen Berberis ilicifolia Forst, Desfontainea spinosa Remy in
voller Blüthe und Pernettya mucronata Gaud. vor, zu denen man auch
Libetanthus americanus Endl. rechnen kann. Uebrigens war nur Callixene
marginata Juss. zu finden. Die Farrenkräuter dagegen waren zahlreich ver-
treten: hier und da bildete Gleichenia acutifolia Kolonieen, und Hymeno-
phyllaceen waren mehr oder weniger zahlreich in die Moosdecke eingewebt,
unter ihnen das schöne Hymenophyllum pectinatum Cav. Die den Boden
Fig. 329. / Fagus Dombeyi. 2 Fagus betuloides. Antarkt. Amerika. Nat. Gr.
verbergende Moosdecke breitete sich über alle heruntergefallenen Baumstämme
aus und reichte mehr oder weniger an den Baumstämmen empor, die übrigens
von Hymenophyllaceen , Grammitis australis und dem hoch emporkletternden
Libetanthus americanus Endl. bekleidet waren."
. . . „Es giebt wohl kaum irgend eine Gegend der Welt, — die feuchtesten
Gebiete der Tropen nicht ausgenommen, — die eine üppigere Moosvegetation
als die niederschlagsreichsten Theile unseres Gebiets aufweisen. Eigener
Erfahrung gemäss kann ich versichern, dass die üppige Moosvegetation der
Auswahl der Literatur.
619
äusserst feuchten westlichen Abhänge des Kamerungebirges keineswegs besser
entwickelt ist als die bei Puerto Angosto. Es zeigt sich jedoch eine Ver-
schiedenheit in dem Auftreten der Moose innerhalb unseres Gebietes und
der Tropen; während die Moose innerhalb jener am artenreichsten und
üppigsten an Baumzweigen, Blättern und Stämmen wachsen, selten auf Steinen,
niemals auf der Erde, so erreichen dieselben innerhalb dieser Gegend ihre
grösste Ueppigkeit am Boden, kommen selten an Zweigen und Stämmen vor,
niemals auf Blättern."1)
Südlich vom Rio Grande sah Dusdn reine Bestände der sommergrünen
Fagus obliqua Popp, et Endl.
Auswahl der Literatur.
1. Allgemeine Oekologie des Sommerwaldes.
Beyer, R. Ergebnisse der bisherigen Arbeiten bez. der Ueberpflanzen
ausserhalb der Tropen. Abh. bot. Ver. Prov. Brandenburg. Bd. XXXVII.
Bürgen, M. Bau und Leben unserer Waldbäume. Jena 1897.
Drude, O. Deutschlands Pflanzengeographie. 1. Thi. 1896.
Focke, W. O. Ueber epiphytische Gewächse. Abh. der naturw. Ver. in
Bremen. Bd. XII. 1893.
Griiss. Beiträge zur Biologie der Knospe. Pringsheim's Jahrb. Bd. XXIII.
1892.
J o h o w , Fr. I. Die chlorophyllfreien Humuspflanzen nach ihren biologischen
und anatomisch - entwickelungsgeschichtlichen Verhältnissen. Pringheim's
Jahrb. Bd. XX. 1889.
— IL Die phanerogamen Schmarotzerpflanzen. Santiago 1890.
Low, E Anfange epiphytischer Lebensweise bei Gefasspflanzen. Abh. d.
botan. Ver. d. Prov. Brandenburg. Bd. XXXIII. 1891.
Mikosch, C. Beiträge zur Anatomie und Morphologie der Knospendecken
dicotyler Holzgewächse. Sitzungsb. der Wiener Akademie. Bd. 73.
itcAbth. 1876.
Müller, P. E. Studien über die natürlichen Humusformen und deren Ein-
wirkung auf Vegetation und Boden. Berlin 1887.
Schenck, H. Beiträge zur Biologie und Anatomie der Lianen. 1. Thl.
Jena. 1892.
Stahl, E. Ueber den Einfluss des sonnigen oder schattigen Standortes auf
die Ausbildung der Laubblätter. Jenaische Zeitschr. für Naturw. Bd. XVI.
1883.
Wiesner, J. I. Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche.
IL Theil. Denkschriften der Wiener Akademie. Bd. 43. 1880.
— IL Untersuchungen über den Lichtgenuss der Pflanzen mit Rücksicht auf
die Vegetation von Wien, Cairo und Buitenzorg. Sitzungsb. d. Wiener
Akademie. Bd. CIV. Abth. I. 1895.
') 1. c. S. 189 u. 190.
Ö20 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Wittrock, V. B. Ueber die höhere epiphytische Vegetation in Schweden.
Acta Horti Bergiani. Bd. II. No. 6. 1894.
2. Specielle Darstellungen«
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Carolina. Raleigh. 1 894.
Brendel, F. Flora Peoriana. Die Vegetation im Klima von Mittel-
Illinois. (Ref.) Engler's. Botan. Jahrb. Bd. IV. 1883. S. 469.
Christ, H. Das Pflanzenleben der Schweiz. 1879.
D r u d e , O. I. Vegetationsformationen der centraleuropäischen Flora. Engler's
Botanische Jahrbücher. Bd. XI.
— IL Deutschlands Pflanzengeographie. 1. Theil. 1896.
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Botanische Jahrbücher. Bd. XXIV. 1897.
Focke, W. O. Ueber die Vegetation des nor(Jwestdeutschen Tieflands. Ab-
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Grevillius. Biologisch - physiognomische Untersuchungen einiger schwe-
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Hock, F. I. Begleitpflanzen der Buche. Botanisches Centralblatt 1892.
— II. Nadelwaldflora Norddeutschlands KirchhofTs Forschungen zur deut-
schen Landes- und Volkskunde. Bd. VII. 1893.
— III. Begleitpflanzen der Kiefer in Norddeutschland Ber. d. deutsch. Bot
Ges. Bd. XI. 1893.
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burg. Bd. XXXVI. 1895.
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Kessler, W. Wald und Waldzerstörung auf dem westlichen Continent
Verh. der Gesellsch. für Erdkunde. Bd. XVII. 1890. S. 299.
K i 1 1 1 i t z. Vierundzwanzig Vegetationsansichten von Küstenländern und Inseln
des stillen Oceans. 1850 — 1852.
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Engler's Jahrb. Bd. IX. 1888.
Martin, K. Der patagonische Urwald. Mittheil, des Vereins für Erdkunde
zu Halle. 1882. S. 88.
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— IL Aus den Waldungen Japan's. München 1891.
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1864.
Michaelsen, Dr. W. Reisebericht In : Hamburger Magalhaensische Sammel-
reise. Hamburg, Friedrichsen 1896.
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Auswahl der Literatur. 62 1
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— IL Reisen und Forschungen im Kaukasus im Jahre 1865. Petermann's
Geographische Mittheilungen 1867.
Rein, J. J. Japan nach Reisen und Studien. Bd. I. 1881. S. 166.
Sargent, Ch. Die Wälder von Nordamerika. Petermann's Mittheil. 1886.
S. 238. (Auszug).
Schmidt, Fr. Reisen im Amur- Lande und auf der Insel Sachalin. Md-
moires de l'acad. imperiale de S** Pdtersbourg. VIF serie. Tome XII.
1868.
Sendtner, O. I. Vegetationsverhältnisse Süd -Bayerns 1854.
— II. Die Vegetationsverhältnisse des bayrischen Waldes. 1860.
Tanaka, Jo. Untersuchungen über die Pflanzenzonen Japan's. Petermann's
geogr. Mittheilungen. 1887.
VUL Die Grasflixrformationen der kalt-
temperirten Gürtel.
1. Allgemeine Oekologie. Wiese und Steppe. Schutzmittel der Wiese gegen die
winterliche Trockenheit. Hygrophiler Charakter in der Vegetationszeit Xerophile Structnr
der Steppenpflanzen. 2. Vegetationsbilder aus Wiesen- und Steppengebieten.
§ I. Die Wiesen. Europäische Wiesen. Wiesen in ostasiatischen Parklandschaften und
in Nord- Amerika. — § a. Die Steppen. Westlicher Theil der nordamerikanischen Prärie.
Die Prärie in Kansas nach Hitchcock, in Nebraska nach Pound und Clements. Die Steppe im
Gebiet des Schwarzen Meeres nach Rehmann. Die Hochsteppe bei Alexandrowsk nach Grüner.
1. Allgemeine Oekologie der Grasfluren.
Der Formationskreis der Grasfluren ist in den kalttemperirten
Gürteln nur durch Wiesen und Steppen vertreten; die noch in den
wintermilden Zonen stellenweise vertretenen Savannen fehlen, indem
die Grasflurklimate der höheren Breiten in der gewöhnlich mit bewegter
Luft verbundenen starken Winterkälte ein baumwidriges Element besitzen.
Wo die Grenze zwischen Wiesen und Steppen zu ziehen, ist zur
Zeit nicht in allen Fällen mit Sicherheit anzugeben, und überhaupt ist
die Oekologie der Grasfluren der Aufklärung noch sehr bedürftig.
Auch ist der Wiesen- oder Steppencharakter nicht nur vom Klima,
sondern auch vom Boden in hohem Grade abhängig und zeigt in un-
ebenen Landschaften raschen Wechsel, indem höhere Stellen von
xerophiler, tiefer gelegene von tropophiler bezw. hygrophiler Vegetation
eingenommen sind und die Bezeichnung des einen Typus als klimatisch,
des anderen als edaphisch ist dann auch sehr willkürlich.
Ob die Wiesen der winterkalten Gürtel zu den tropophilen oder
den hygrophilen Formationen zu rechnen sind, lässt sich zur Zeit nicht
mit voller Sicherheit entscheiden. Wahrscheinlich wird eine nähere
Untersuchung bezüglich des Trockenschutzes während des Winters eine
VIII. Die Grasflurformationen der kalttemperirten Gürtel. 623
Entscheidung ermöglichen. Einstweilen scheint es mir, dass einige
Erscheinungen als xerophile Schutzvorrichtungen der Wiese gegen die
trocknenden Einflüsse der Winterkälte aufzufassen sind, namentlich der
Umstand, dass die emporragenden Theile am Schlüsse der Vegetations-
zeit zu Grunde gehen, so dass die Wiese gegen die trocknenden Wir-
kungen des Windes geschützt und durch die Schneedecke vollkommen
überzogen wird.
Während des Winters sind die Spaltöffnungen, wie bei grosser
Trockenheit, geschlossen und die chemischen Veränderungen, welche
beim Eintritt der Kälte in den Blättern vor sich gehen, stehen vielleicht
ebenfalls mit dem Trockenschutz im Zusammenhang. Sie scheinen den
submersen Pflanzen zu fehlen. Dennoch ist jedenfalls die Trocken-
gefahr und daher der xerophile Charakter der Wiese im Winter weit
geringer als im Walde und das oberflächliche Aufthauen, welches,
wegen der damit verknüpften Erwärmung und höheren Transpiration
des Gezweiges, nur dem letzteren schädlich ist, kommt im Gegentheil
der seichtwurzelnden Wiese zu Gute. In milden Wintern grünt die
Wiese ununterbrochen und das Auftreten einzelner Blüthen zeigt, dass
die Wachsthums- und Ernährungsvorgänge nicht erloschen sind.
Die Wiesenpflanzen entbehren während der Vegetationszeit aus-
geprägter Schutzmittel gegen Transpiration ; ihre Structur ist hygrophil,
wenn auch in weniger hohem Maasse als diejenige der krautigen Schatten-
flora der Wälder. Die Laubflächen sind gross, ihre Dicke relativ gering,
die Cuticula massig entwickelt, Schutzüberzüge fehlen oder sind
schwach entwickelt, Succulenten und Halbsträucher sind selten, ausser
auf trockenem Boden. Hauptbestandteile der Wiesen sind perennirende,
meist büschelartig wachsende, seltener mit kriechenden Rhizomen ver-
sehene Gräser, deren bandförmige, flache, krautige, frischgrüne Blätter
sich bei trockener Witterung nicht einrollen. Zwischen ihnen wachsen
perennirende und zweijährige — nur wenige einjährige — Kräuter, die
der Mehrzahl nach rosettenartige Hauptsprosse besitzen, aus welchen
in der Vegetationszeit fertile, vor dem Winter vertrocknende, Seiten-
sprosse sich erheben. Die ganz auf die unterirdischen Theile sich
zurückziehenden Stauden sind relativ selten (z. B. Colchicum, Orchis-
Arten etc.).
Gräser und Stauden pflegen eine dichte, zusammenhängende Narbe
zu bilden. Nur auf sterilerem Boden sind breite Zwischenräume be-
moost. Das Auftreten ganz nackter Stellen zeigt zunehmende Trocken-
heit des Bodens an und die Vegetation nimmt einen xerophilen, dem-
jenigen der Steppen sich nähernden Charakter an. Solche trockene
Wiesen, wo tiefwurzelnde Stauden die Gräser zu überwiegen pflegen,
werden als T r i f t e n bezeichnet. Ihr Auftreten ist stets auf edaphische
Standortseinflüsse zurückzufuhren.
624 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Die Steppen der winterkalten Gürtel unterscheiden sich von
denjenigen wärmerer Gebiete durch weniger hohen Wuchs. Kleine
Holzgewächse, die den Uebergang zum Typus der Savanne bewirken,
kommen in ihnen häufiger vor als in den Wiesen, die mit Ausnahme
der später zu besprechenden Höhenwiesen oder Matten ganz krautig
sind. Namentlich aber sind Halbsträucher in der Steppe häufige Er-
scheinungen. Die Steppengräser haben im Allgemeinen schmälere
Blätter als die Wiesengräser, und dieselben besitzen bei vielen Arten
die Eigenthümlichkeit, sich bei trockener Witterung einzurollen. Hierin
liegt ein wesentliches aber nicht das einzige Schutzmittel gegen Wasser-
verlust; es treten ausserdem Wachsüberzüge, dicke Cuticula, eine
dichtere Structur hinzu. Die Annuellen oder besser Ephemeren sind
in der Steppe zahlreicher als in der Wiese, ebenso die Knollen- und
Zwiebelpflanzen. Die immergrünen Stauden und Halbsträucher sind
meist kleinblätterig und gewöhnlich mit Schutzüberzügen, namentlich
mit luftfuhrenden Haaren bedeckt. Succulenten kommen weit häufiger
vor als in den Wiesen, namentlich in Nordamerika. Die Grasnarbe
der Steppe ist oft von nackten Zwischenräumen unterbrochen; doch
giebt es, namentlich in Nordamerika, sehr dicht bewachsene und doch
ausgesprochen xerophile Steppen. Die Gräser wachsen meist in Büscheln,
doch sind auch kriechende Arten vorhanden, und diese namentlich
sind es (z. B. Bulbilis dactyloides in Nordamerika, Fig. 335), welche
geschlossene Steppen bilden. Während des Winters sind die ober-
irdischen Theile typischer Steppen, im Gegensatz zu denjenigen der
Wiesen, zum grössten Theile vertrocknet. Wo der Hochsommer regen-
los ist, tritt das Vertrocknen bereits während desselben ein.
2. Vegetationsbilder aus Wiesen- und Steppengebieten.
§ 1. Die Wiesen. Natürliche Wiesen nehmen anscheinend weniger
grosse Flächen ein als natürliche Steppen und zeigen sich vornehmlich
in klimatischen Uebergangsgebieten mit parkähnlichem Vegetations-
charakter, d. h. wo Grasfluren und Waldparcellen mit einander ab-
wechseln. Letzteres hängt damit zusammen, dass das feuchtere Wiesen-
klima dem Baumwuchs günstiger ist als ein echtes Steppenklima.
Möglicherweise hat die natürliche Planzendecke Europa's eine solche
parkähnliche Physiognomie gezeigt. Das europäische Klima ist nicht ein
ausgesprochenes Gehölz- oder Grasflurklima, sondern beiden Formations-
kreisen gleich günstig und das Auftreten zahlreicher Gewächse, die der
Waldflora fehlen, spricht für das einstige Vorhandensein von Natur-
wiesen. Solche sind allerdings nicht mehr vorhanden, auch da wo sie
ursprüngliches Wiesenareal einnehmen. Mähen, Abweiden, Düngung,
verschiedene Meliorationen haben das ursprüngliche Bild einer euro-
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Vm. Die Grasflurformationen der kalttemperirten Gürtel. 625
päischen Wiese unzweifelhaft in tiefgreifender Weise modificirt. Von
einer Einzelschilderung der mitteleuropäischen Wiese soll daher hier ab-
gesehen werden. *)
Fig. 331. Typische natürliche Prärie in Jowa (Cherokee Co). Der dunkele Streifen in der
Mitte entspricht einem früheren Pfade. Nach einer Photographie von Herrn Prof. Coulter.
Ueppige Urwiesen zeigen sich in den Parklandschaften am Amur,
') Treffliche Darstellungen haben Drude 1. c. S. 339, Stebler u. Schröter sowie Weber gegeben.
Schi mp er, Pflantcngeographie. ^0
626 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
in Kamtschatka (Fig. 325), auf der Insel Sachalin (Fig. 326 — 328). In der-
selben zeigen manche Kräuter, namentlich Umbelliferen und Spiraea-Arten
grösste Ueppigkeit und werden oft weit über manneshoch. Wahrscheinlich
werden, wie in klimatischen Uebergangsgebieten überhaupt, kleine Unter-
schiede des Bodens für das wechselnde Auftreten der beiden Vege-
tationsformen maassgebend sein ; ein mehr durchlässiger oder durch In-
filtration von seitwärts in der Tiefe feuchter Boden wird die Gehölze,
ein wenig durchlässiger, nur oberflächlich benetzter Boden die Gras-
flurparcellen hervorrufen. Doch liegen darüber keine Berichte vor.
Das grösste natürliche Wiesengebiet dürfte dasjenige der östlichen
Prärie in Nordamerika sein, doch ist manchmal die Ansicht aus-
gesprochen worden1), dass dasselbe ursprünglich von Wäldern bedeckt
war, welche durch die Indianer vernichtet wurden, um Grasflächen für
die Büffel zu schaffen. Stichhaltige Gründe werden für diese Ansicht
allerdings nicht gebracht. Doch wird es wohl kaum möglich werden,
Sicherheit darüber zu erlangen.
§ 2. Die Steppen. Die Steppengebiete haben mehr als die
meisten Wiesengebiete, wenigstens stellenweise ihre ursprüngliche Phy-
siognomie bewahrt, indem sie von Menschen weniger dicht bevölkert
sind und behufs ihrer Umwandlung in Culturland höhere Ansprüche
stellen als die ersteren. Namentlich ist der westliche Theil der
nordamerikanischen Prärie, in Dakota, Nebraska, Kansas und
Texas, unzweifelhaft eine ursprüngliche, wenn auch neuerdings vielfach
modificirte Steppe, deren xerophiler Charakter in ost-westlicher Richtung
zunimmt, so dass er am Missouri in den Wiesen-, am Fuss der Felsen-
gebirge in den Wüstentypus übergeht.
Hitchcock hat von der trockenen, westlichen Steppe im Staate
Kansas, eine anschauliche Schilderung entworfen:
Die Prärie ist mehr ausgedehnt als alle übrigen Formationen zu-
sammen. Die westliche Hälfte des Staates liegt in dem unter dem
Namen „Great Plains" bekannten Gebiet, welches sich westlich bis zu
den Felsengebirgen, südlich bis nach Texas und nach Norden weit
erstreckt. Das Land in diesem Gebiet ist nahezu flach, hier und da
durch Flussthäler unterbrochen. „Man kann viele Meilen reisen, ohne
irgend eine sichtbare, die Eintönigkeit der nach allen Richtungen bis
zum Horizont sich ausdehnenden Ebene, unterbrechende Anhöhe zu
erblicken. Es giebt keine Bäume, keine Sträucher (obwohl viele Pflanzen
an der Basis verholzt sind), keine hohen Kräuter ..."
Folgende Pflanzen sind für die westliche Ebene charakteristisch: Ery-
simum asperum, Polygala alba, Malvastrum coccineum, Linum rigidum.
*) Vgl. Mayr 1. c. S. 231.
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VIII. Die Grasflurformationen der kalttemperirten Gürtel.
627
Sophora tomentosa, Psoralea tenuiflora,1) Cereus viridiflorus (S. W. Kansas),
Opuntia Rafinesquii, O. Missouriensis, O. fragilis, Gutierrezia 2) Euthamiae,
Aplopappus2) spinulosus, Evax prolifera,9) Engelmannia pinnatifida,2) Thele-
sperma2) gracile , Artemisia Wightii, Senecio Douglasii, Cnicus ochrocentrus,
Asclepias Jamesii, Krynitzkia8) crassisepala , Ipomoea leptophylla, Solanum
triflonim, Chamaesaracha4) sordida, Verbena bipannitifida, CladothrixR) lanu-
ginosa, Chenopodium olidum, C. Fremonti incanum, Allium Nuttallii, Aristida
purpurea, Munroa squarrosa (Fig. 337), Elymus Sitanion. Die folgenden
dehnen sich weiter in östlicher Richtung aus: Kuhnia6) eupatorioides, Liatris6)
Fig. 333« Typische natürliche Prärie (Präriegras - Formation). Sporobolus asperifolius,
Koeleria cristata, Panicum scribnerianum. Lincoln, Nebraska. 375 m ü. M., 19. März 1898.
Photographie von Herrn Prof. Bessey.
punctata, Solidago Missouriensis, Ambrosia psilostachya, Lepachys6) columnaris,
Echinospermum Redowskii occidentale, Evolvulus argenteus, Solanum rostratum,
Oxybaphus7) angustifolius , Andropogon furcatus, A. scoparius, Chrysopogon
nutans (diese drei Gräser herrschen in den östlichen Prärieen vor), Schedon-
nardus Texanus,8) Bouteloua8) oligostachya , B. racemosa, Buchloe8) dacty-
loides (Fig. 336), Koeleria cristata, Eatonia8) obtusata.
Die Physiognomie der westlichen Ebenen ist eigenartig. Die herr-
schende Pflanze ist das Büffelgras (Buchloe dactyloides, Fig. 336), oft
l) Papilion. *) Composit. 8) Boragin. 4) Solan. 6) Amarant. 6) Composit. 7) Nyctagin.
•) Gramin.
40'
628 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
mit Beimischung des Gramagrases (Bouteloua oligostachya). Sie bilden
eine dichte graugrüne Matte von zwei oder drei Zoll Höhe. Die übrigen
Gewächse sind hier und da in dem Rasen zerstreut. Die Opuntien
fallen in die Augen, obwohl sie auf der Kante liegen und sich nur
wenig über das Gras erheben. Die am meisten augenfälligen Pflanzen
sind jedoch Asclepias Jamesii und Cnicus ochrocentrus, welche ein bis
zwei Fuss Höhe besitzen.1)
Galeriewälder sind namentlich längs derjenigen strömenden Gewässer
entwickelt, welche nicht oder nur selten austreten. Die vorherrschenden
Bäume sind: Asimina triloba, Tilia americana, Acer dasycarpum, Negundo
aceroides, Cercis canadensis, Gymnocladus canadensis, Gleditschia triacanthos,
Ulmus americana, Celtis occidentalis, Monis rubra, Platanus occidentalis, Juglans
nigra, Carya olivaeformis, C. sulcata, C. amara, Quercus macrocarpa, Q. palustris,
Salix amygdaloides, S. nigra, Populus monilifera. Die Sträucher (und Lianen)
sind: Menispermum canadense, Xanthoxylum americanum, Vitex cinerea, V.
cordifolia, Aesculus arguta, Staphylea trifolia, Ribes gracile, Sambucus cana-
densis, Symphoricarpos vulgaris, Smilax hispida.2)
In vortrefflicher Weise ist neuerdings durch Pound und Clements
die Oekologie des zum grossen Theile zu dem ursprünglichen Prärien*
gebiete gehörigen Staates Nebraska dargestellt worden. Die Grasflur be-
deckt weite wallende Flächen und nimmt an tieferen, feuchteren Stellen
mehr wiesenartigen, auf den Rücken typischen steppenartigen Charakter
an. Ausserdem ist letzterer auf Thcmboden (Buffalo gras- Formation
mehr xerophil, als auf Lehmboden (Präriegras-Formationk
Ausser an trockenen Standorten stellt die Präriegras- Formation einet) ge-
schlossenen Rasen dar, mit Sporobolus a^erifolius, Koeleria cristata, Eatonia
obtusata und Panicum scribnerianum als vorherrschende Arten, Zeitlich «etgt
die Formation abwechselnd ein frühjahrliches und ein sonimerlich*herbstIiche^
Gepräge. Im ersteren besteht die Prärie vorherrschend aus Gräsern, zwischen
welche zahlreiche Frühblüthler zerstreut sind. Letztere haben theils uns4— ^—
bare Blüthen, wie Draba caroliniana, Androsace occidentalis, Scutellaria par-
vula, und die überaus häufige Antennaria campestris; andere, wie Peucedanum
foeniculaceum und Carex pennsylvanica haben zwar kleine, aber zu vielgliedrigen
gelben Inflorescenzen vereinigte Blüthen; grossblüthige Arten sind an höheren
Standorten namentlich Astragalus crassicarpus , Baptisia bracteata,8) Anemone
caroliniana, Comandra umbellata,4) an tieferen Stellen aber Allium mutabile,
Callirhoe alcaeoides,5) C. involucrata, Lithospermum angustifolium , Viola
pedatifida.
Das sommerliche und herbstliche Gepräge ist in erster Linie durch zahl-
reiche blühende Pflanzen beherrscht. Namentlich zahlreich zeigen sich Arten
von Amorpha,6) Solidago, Verbena, Kuhnistera,6) während des Frühherbstes
solche von Aster und Laciniaria.
«) Hitchcock 1. c. S. 63 u. f. *) Hitchcock 1. c. S. 68. 8) Papilion. 4) Santal. *) Malvac
6) Pound and Clements 1. c. S. 244 u. f.
VIII. Die Grasflurformationen der kalttemperirten Gürtel.
629
Die sehr niedrigen, vollständig geschlossenen Rasen der trockenen Buffalo-
gras - Formation sind oft ausschliesslich von Bulbilis dactyloides gebildet
(Fig. 336). Andere Gräser (Bouteloua curtipendula und oligostachya etc.)
treten zurück und Kräuter sind ebenfalls sehr beschränkt (Asclepias pumila,
Verbena pennatifida).1)
Die Ursteppe im Gebiete des Schwarzen Meeres wird von
Rehmann, nach Beobachtungen am Ingul, mit folgenden Worten in
ihrer Physiognomie geschildert:
„Die Zahl der Species, welche den ursprünglichen Pflanzenteppich bilden,
ist sehr bedeutend und die Gruppirung derselben kann je nach der Beschaffen-
Fig. 334. Natürliche Prärie bei Lincoln (Nebr.). 375 m ü.M. März. Im Vordergrund:
Wagenspuren mit Andropogon — ihrem steten Begleiter — im Hintergrund die Präriegras-
Formation. Nach einer Photographie von Herrn Prof. Bessey.
heit des Bodens sehr mannigfaltig sein. Das wichtigste Merkmal dieser Vege-
tation bildet aber hier das gesellschaftliche Vorkommen von Stipa pennata
und Stipa Lessingiana; beide Species sind an einen trockenen, sterilen Boden
gebunden und bedecken mit einem homogenen Rasen alle höheren Positionen;
an tieferen, mehr fruchtbaren Stellen nimmt die Menge des Grases ab und
an seine Stelle tritt eine Reihe von anderen krautartigen Gewächsen; sehr
selten, nur an feuchteren, an Ufern der Gewässer oder in Niederungen ge-
legenen Standorten verschwindet die Stipa gänzlich und ihr Mangel wird
l) Pound and Clements 1. c. S. 244 u. f.
63O Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
durch das Erscheinen einiger sehr charakteristischer, nur solchen Stellen eigen-
tümlicher Pflanzen begleitet. Dieses Verhältniss bleibt sehr constant und
wiederholt sich auf der chersonischen Steppe mit grosser Genauigkeit Alle
trockenen erhabenen Stellen sowohl am Boh wie am Ingull werden fast aus-
schliesslich von Stiparasen bedeckt ; die Zahl der accessorischen Bestandteile,
welche an solchen Stellen die Stipareiser begleiten, ist aber gering; ich fand
nur Euphorbia Gerardiana, E. nicaeensis, Erysimum repandum, Arenaria
graminifolia , Astragalus vesicarius und Gypsophila paniculata; sie treten in
sehi geringer Zahl von Exemplaren auf und spielen nur eine untergeordnete
Rolle. Von Weitem gesehen, machen solche mit Stipaformation bedeckte
Stellen den Eindruck sandiger Hügel \ in der Nähe verwandelt sich die sand-
graue Farbe in ein Silberweiss und der Anblick dieser flüchtigen, ewig hin
und her schwebenden Fluren erinnert lebhaft an leicht bewegte Wasserwellen
und macht trotz seiner ganzen Monotonie einen milden und anmuthigen Ein-
druck. Viel interessanter gestaltet sich das Bild an tieferen Stellen, wo die
Stiparasen etwas abnehmen; zahlreiche, nur diesen Gegenden eigentümliche
Pflanzenarten, nehmen den von den Stiparasen theilweise befreiten Boden
in Anspruch, die mannigfaltigsten Formen erscheinen nebeneinander und
bilden ein buntes Gemisch von Blättern, Stengeln, Blumen und Blüthenständen
und die Vegetation der Steppe pflegt dann auf verhältnissmässig geringen
Räumen eine Mannigfaltigkeit zu entwickeln, von welchen unsere nordischen
Wiesen nur einen sehr schwachen und ungenauen Begriff geben können. Die
erste Stelle unter den Steppenbewohnern nimmt die Crambe tatarica ein,
sie bildet Gruppen von prachtvollen zwei Fuss breiten, gefiederten Blättern
und hohen verästelten Blumenschäften ; zwischen den Stiparasen wachsen zahl-
reich die Compositen (Serratula, Jurinea und Centaurea) und ihre grossen,
blauen oder gelben Blumenköpfe erheben sich auf den schlanken Stielen hoch
über das silberne Gefieder der Stipa, und zwischen dem lockeren Gehälm
der Gramineen (Triticum, Poa, Hierochloä) versteckt entfalten Iris humilis
und I. hungarica ihre niedlichen, kurzgestielten, blauen Blumen« Ein buntes
Blätterwerk bilden die Labiaten (Phlomis, Salvia) und höchst eigentümliche
Astragalus -Arten verlieren ihre grossen, gelben Blumenbouquets in der Masse
ihrer gefiederten Blätter. Einen sehr wichtigen Bestandtheil dieser Vegetation
bilden einige Euphorbien ; ihre steifen, aschgrauen Stengel wachsen in dichten,
zusammengeschlossenen Nestern zerstreut über die ganze Steppe und bilden
einen auffallenden Contrast mit dem lockeren Gewebe anderer Pflanzenfonnen.
Von strauchartigen Pflanzen kommt hier nur Caragana frutescens in Menge
vor, ihre niederen Stengel verschwinden aber unter den erhabenen Gestalten
anderer Pflanzen; dasselbe Schicksal trifft auch Spiraea crenata. Sehr cha-
rakteristisch für diese Vegetation ist auch der vollkommene Mangel von
Cyperaceen."1)
Grüner hat die Hochsteppen im Gebiete von Alexandrowsk genauer ge-
schildert: Die Frühlingsflora der Hochsteppe ist eine sehr arme und ein-
förmige, was zum Theil dadurch bedingt ist, dass die massenhaft auf-
tretenden Arten häufig auf eng begrenzte Bodenareale beschränkt sind und
») 1. c S. 25—27.
VHI. Die Grasflurformationen der kalttemperirten Gürtel.
631
632 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
entweder gelb oder unscheinbar blühen. Die erste Frühlingsflora von März
bis Mitte April ist nur durch wenige Familien vertreten, von welchen folgende
nach Zahl der Arten und Individuen die Hauptrolle spielen: Liliaceen (Gagea,
Tulipa, Hyacinthus, Bulbocodium), Ranunculaceen (Ceratocephalus), Cruciferen
(Alyssum minimum, Draba verna, Sisymbrium thalianum), Rosaceen (Potentilla
opaca), Scrophulariaceen (Veronica triphyllos, praecox, verna, agrestis) und
Cyperaceen (Carex stenophyila, Schreberi). Der Uebergang zur späteren
Frühlingsflora wird durch Amygdalus nana, Valeriana tuberosa, Androsace
elongata und maxima, Vinca herbacea, Iris pumila vermittelt Die spätere
Frühlingsvegetation, welche den Monat Mai und etwa ein Drittel des Juni um-
fasst, ist die Zeit des üppigsten Pflanzenwuchses in der Hochsteppe.
Der Habitus der Hochsteppe wird um diese Zeit namentlich durch
folgende Arten bedingt: Ranunculus illyricus, Glaucium corniculatum , Ery-
simum canescens, Lepidium perfoliatum, Coronilla varia, Achillea Millefolium,
Carduus hamulosus, Echinospermum Lappula und £. patulum, Thymus Mar-
schallianus, Ajuga genevensis, Euphorbia Gerardiana, E. nicaeensis und zahl-
reiche Gramineen, namentlich Stipa Lessingiana, Poa bulbosa, Bromus squarrosus
und B. tectorum, Koeleria cristata.
Im Juni erlischt an den vorherrschenden höheren Stellen die Vegetation
gänzlich mit Ausnahme der Euphorbia und Stipa-Rasen, die Mehrzahl der
Sommerpflanzen zeigt sich an minder vertrockneten Stellen, namentlich in den
durch das Regenwasser hervorgerufenen Furchen und Ravinen (Balkas). Mehrere
der Frühlingspflanzen zeigen sich noch im Sommer (Glaucium, Isatis tinctoria,
Coronilla, Achillea Millefolium etc.), andere sind auf die letztere Jahreszeit
beschränkt und unter diesen sind besonders häufig: Malva borealis, Melilotus
alba und M. officinalis, Portulaca oleracea, Centaurea diffusa, Onopordon
Acanthium, Lactuca Scariola, Taraxacum serotinum, Verbascum Lychnhis,
Linaria vulgaris und L. genistaefolia, Manubium vulgare, Teucrium Polium,
Statice scoparia, Polygonum Convolvulus, Ceratocarpus arenarius, Triticum
cristatum, Eragrostis poaeoides, Stipa capillata, Setaria viridis.
Die Herbstflora endlich ist durch die Behaarung der meisten Arten,
welche die Steppe vegetativ wie mit einem grauen Gewände bekleidet, cha-
rakterisirt: „Zwischen den verstümmelten und doch mit einigen Blüthenästchen
besetzten Pflanzen der Sommerflora und deren vertrockneten Ueberresten
erhebt sich eine neue Vegetation, deren Hauptrepräsentanten Salsolaceen,
Artemisien, Polygonum Bellardi und aviculare, Amaranthus retroflexus und
Xanthium spinosum sind. Von den ersteren treten namentlich Salsola Kali,
Atriplex laciniata, Chenopodium album, Ceratocarpus arenarius und Echino-
psilon sedoides in einer solchen Unmasse von Individuen auf, dass sie in
dieser Hinsicht, wenn überhaupt, so bloss von Artemisia austriaca, Xanthium
spinosum und Amaranthus retroflexus tibertroffen werden, von denen namentlich
die beiden erstgenannten in gedrängtem Stande ganze Flächen überziehen,
erstere mehr der Hochsteppe, letztere mehr dem unteren Theile der Abhänge
den Vorzug gebend. Wegen des geselligen Wachsthums und der verhaltnbs-
mässig nicht unbedeutenden Grösse der Einzelindividuen machen sie sich
mehr bemerkbar, als es andere Gewächse, wie z. B. Atriplex laciniata.
VIII. Die Grasflurformationen der kalttemperirten Gürtel.
633
Polygonum aviculare, Portulaca oleracea und Eragrostis poaeoides trotz der
colossalen Individuenzahl zu thun vermögen. ..."
„Von Einfluss auf den Charakter der Herbstvegetation sind wegen ihrer
grossen Häufigkeit noch folgende Pflanzen: Taraxacum serotinum, Achillea
Millefolium , Polycnemum arvense, Artemisia campestris und A. scoparia,
sowie ferner Artemisia Absinthium, Chenopodium opulifolium, Atriplex nitens,
A. rosea und Kochia prostrata, die zwar reichlich genug auftreten, aber doch
nicht allenthalben vorkommen. . . . Eine wichtige Rolle spielen dagegen auch
jetzt noch die Euphorbien (E. nicaensis), indem sie, wenngleich auch nur
selten mit Blüthen geschmückt,
durch ihr verhältnissmässig
lebhaftes Grün von dem ein-
förmigen Grau der maass-
gebenden Pflanzen angenehm
abstechen. Im September und
October mischt sich zu der
letzteren Farbe auch das
freudige Grün des hervor-
sprossenden Grases" (S. 106
bis 110).
Der Uebergang des
Waldgebietes in das Step-
pengebiet Südrusslands
wird von Rehmann folgen-
dermaassen geschildert:
„Die natürliche Grenze
des Steppengebietes wird
durch Eichenbestände an-
gezeigt; der Verlauf der
Grenzlinie ist nicht über-
all gleichmässig , am tiefsten
dringen die Wälder in das
Steppengebiet mit dem Fluss-
bette des Dniester und des
Boh herein. . . ."
„An dieser ganzen Linie
treten die Wälder in klei-
nen, zerstreuten Partieen auf
und ihre Existenz ist fast überall, wo ich sie gesehen habe, an Thäler
und tiefere Schluchten gebunden; sie bedecken die inneren Ufer dieser Ver-
tiefungen und pflegen sich von denselben gar nicht zu entfernen. Die grossen
Strecken des ebenen Landes, welches zwischen den hiesigen Flussthälern und
Schluchten liegt, sind noch vollkommen waldlos, mit der charakteristischen
Steppen- Vegetation bedeckt und stehen in dem engsten Zusammenhange mit
dem eigentlichen Steppengebiete. Aber auch weiter gegen Norden, wo die
Wälder schon in die Ebene heraustreten, sind ihre Dimensionen sehr gering
Fig. 336. Nordamerikanische Prärienflora: Munroa
squarrosa Torr. (Nutt.). Nat. Gr. Kgl. Herb. Berlin.
634 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
und das Verhältniss zu der gesammten Oberfläche des Landes unbedeutend,
dasselbe wird noch immer tiberwiegend von krautartigen Formationen be-
herrscht. Alle Wälder an der ganzen Grenzlinie sind fast ohne Ausnahme
reine Eichenwälder; sie werden durchgehends von Quercus sessiliflora gebildet,
in geringer Menge erscheint zuweilen Q. pedunculata und Q. pubescens ; sehr
selten findet man, und zwar nur am Rande der Eichenbestände, eine Bei-
mischung von Acer campestre, Ulmus eflusa, U. campestris und Carpinus
betulus. In solchen Eichenwäldern treten gewöhnlich sehr zahlreich die
hiesigen Gesträuche auf und bilden einen dichten Unterwuchs, an welchem
sich stellenweise die zierliche Rosa altaica betheiligt ; wenn dieser Unterwuchs
mangelt, so bedeckt sich der Boden mit einer grossen Menge krautartiger
Pflanzen, welche eine sehr üppige und mannigfaltige, wiesenartige Vegetation
darstellen und fast überall gemähet werden." Die hier mitgetheilte Liste der
hauptsächlichsten Bestandteile dieser Waldwiesen zählt eine Reihe von Arten
auf, die meist auch bei uns in Wäldern und auf grasigen Waldlichtungen,
namentlich bei Kalkunterlage, vorkommen.
„Nebst der Eiche tritt an der Grenze des Waldgebiets in hervorragender
Weise Carpinus Betulus auf, so, dass Eichen- und Weissbuchenstände aus-
schliesslich Waldformationen an der Grenze des Steppen- und des Waldgebietes
bilden. Die Weissbuche erscheint zuweilen in vereinzelten Exemplaren am
Rande der Eichenwälder, sonst bildet sie aber selbstständige Bestände, welche
mit den Eichenwäldern in gar keinem Zusammenhange stehen und von den-
selben sich durch ihre eigentümliche Physiognomie in auffallender Weise
unterscheiden. Während in einem Eichenwalde die Bäume sehr zerstreut,
aber in ansehnlichen Exemplaren auftreten, werden die Weissbuchenbestände
von lauter schlanken, dünnen und schwachen Exemplaren gebildet, welche
aber in enormer Zahl auftreten und ein undurchdringliches, dunkles Dickicht
darstellen. In solchem Zustande verträgt die Weissbuche keine anderen Bäume
und Gesträuche, der reichliche Unterwuchs der Eichenwälder fehlt hier
durchaus. Die Gesträuche können hier wegen Mangel an Licht nicht ge-
deihen und dieselbe Ursache scheint auch alle krautartigen Pflanzen zu ver-
treiben."1)
Auswahl der Literatur.
Drude, O. Deutschlands Pflanzengeographie. Bd. L S. 339.
Grüner, L. Zur Charakteristik der Boden- und Vegetationsverhältnisse des
Steppengebiets und der Dniepr- und Konka- Niederung unterhalb Alexan-
drowsk. Bullet de la Soctetd impdr. des natural, de Moscou. Ann£e
1872. No. 1.
Ha ekel, E. Ueber einige Eigentümlichkeiten der Gräser trockener Kli-
mate. Verhandl. der zoolog.-botan. Gesellsch. Wien 1890.
*) Rehmann 1. c. S. 47—50.
Auswahl der Literatur. 63 c
Hitchcock, A. S. Ecological plant geography of Kansas. Transactions
of the Academy of science of Sl- Louis. Vol. VIII. 1898.
Krassnow, A. I. Geol. - botanische Untersuchungen in den Kalmüken-
steppen. Nachrichten der Kais, russischen geographischen Gesellschaft.
Bd. XXII. (Russisch.) 1886. (Ref. v. Herder's in Engler's Jahrb.
Bd. X. 1889).
— IL Die Grassteppen der nördlichen Halbkugel. 1894. (Russisch. Vgl.
Kusnezow.)
Krause, E. H. L. Die Steppenfrage. Globus 1894.
Kusnezow, N. J. Uebersicht der in den Jahren 1891 — 1894 über Russ-
land erschienenen phyto - geographischen Arbeiten. § 5. Das Steppen-
gebiet des europäischen Russlands. Engler's Botan. Jahrbücher. Bd. XXVI.
1898 (Referat über Arbeiten von Krassnow, Tanfiljew u. A. Nur Seite
16 — 32 konnten noch benutzt werden).
Middendorff, A. v. Die Barabä. Mdm. de l'ac. imp. de Saint P6ters-
bourg. Tome XTV. 1870.
Pound, R. and Fr. E. Clements. The Phytogeography of Nebraska.
I. General Survey. Lincoln, 1898.
Rehmann, A. Einige Notizen über die Vegetation der nördlichen Gestade
des schwarzen Meeres. Brunn 1872.
Stebler und Schröter. Beiträge zur Kenntniss der Matten und Weiden
der Schweiz. Landw. Jahrb. d. Schweiz. X. 1892.
Tschirch, A. Beiträge zu der Anatomie und dem Einrollungsmechanismus
einiger Grasblätter. Pringsheim's Jahrbücher. Bd. XIII. 1882.
Weber, C. Ueber die Zusammensetzung des natürlichen Graslandes in
Westholstein, Dithmarschen und Eiderstedt. Schriften des naturw. Ver-
eins für Schleswig -Holstein. Bd. IX. 1892.
IX. Die Wüsten.
Einleitung. Verbreitung und Klima der Wüsten im Allgemeinen. 1. Die Wüsten
der östlichen Hemisphäre. § i. Das nordafrikanische und südwestasiatische
Wüstengebiet. Ausdehnung. Klima. Landschaftscharakter. Flora der Frühlingsregen.
Bedeutung des Grundwassers für die Vegetation. Schutzmittel der Pflanzen gegen Wasser-
verlust. Wüstenformationen im äquatorialen Ostafrika. — §2. Daswest-und central-
asiatische Wüstengebiet. Klima. Charakterflanzen. Physiognomie der Wüste am
Kaspimeer. — § 3. Die südafrikanische Wüste. Ausdehnung. Klima. Vegetations-
charakter in der Littoralwüste , in der Karroo. Welwitschia mirabilis. Acanthosicyos hor-
rida. — § 4. Die australische Wüste. 2. Die Wüsten Amerikas. § 1. Die
nordamerikanische Wüste. Ausdehnung. Klima. Untere Sonora-Region. Charakter-
pflanzen. Standorts-Oasen. Obere Sonora-Region. Schutzmittel gegen Trockenheit- Flora
der Frühlingsregen. Die „Badlands" in Dakota und Nebraska. Wüste Plateaulandschaftes
am östlichen Fuss der Rocky mountains. — § 2. Die mexikanischen Wüsten und
Halbwüsten. Klima. Vegetationscharakter nach G. Karsten. — § 3. Südamerika-
nische Wüsten. Physiognomie der patagonischen Wüste nach Niederlein.
Einleitung.
Die ausgedehntesten Wüsten befinden sich in der Nähe der Wende-
kreise, die sie auf der Aequatorseite nur wenig, nach der Polseite be-
trächtlich überschreiten. Da wir ausserdem über die Vegetation der
temperirten Wüsten besser unterrichtet sind als über diejenige der tro-
pischen, so soll dieses Kapitel Klima und Vegetation der Wüsten im
Allgemeinen behandeln.
Das grösste Wüstengebiet erstreckt sich von der atlantischen Küste
Afrika's zwischen dem 20 ° und 30 ° N. B. quer durch den ganzen Con-
tinent, wo es sich stellenweise nach Norden hin erbreitert, über Arabien,
Süd-Persien und Belutschistan nach der nordwestlichen Ecke Vorder-
indiens. Das zweitgrösste Wüstengebiet umfasst einen grossen Thefl
Centralasiens vom Kaspimeer bis zu den Gebirgen , die die Mongolei
von der Mandschurei trennen. Nord -Amerika besitzt ein kleineres
zwischen den 30 ° und 40 ° N, 1200 und 1120 W gelegenes Wüsten-
gebiet , zu welchem namentlich die Staaten Utah , Nevada , ein Thefl
IX. Die Wüsten. 637
Arizona's, das südliche Californien gehören und das sich in die Halb-
wüsten der mexikanischen Hochebene fortsetzt. Die grösste Wüste in
der südlichen Hemisphäre ist die centralaustralische, kleinere Wüsten
besitzen das südwestliche Afrika, der schmale westliche Küstenstrich
Süd- Amerikas von 50 S. B. bis 30 ° S. B., das westliche Argentinien
und das östliche Patagonien.
Die Regenmenge ist natürlich in diesen verschiedenen Wüsten-
gebieten eine ungleiche, doch übersteigt sie nie 30 cm und bleibt meist
wesentlich tiefer. Nach der Zusammenstellung Woeikof s wäre der
regenärmste Punkt der Erde, soweit meteorologische Beobachtungen
vorliegen, Copiapo in Chile mit durchschnittlich I cm im Jahr. Weniger
als 10 cm haben nach demselben Autor: Fort Mohave in Arizona 6 cm,
San Juan in Argentinien 7, Serena in Chile 4, Suez 6, Nukusi am Amu-
Daria 7, Petro-Alexandrows 6, Leh in Westtibet 7, Aden 5, die Insel
Ascension 8. Auch die Vertheilung der spärlichen Regenmenge über
das Jahr ist eine ungleiche. In der Sahara sind die Niederschläge un-
regelmässig, doch wohl vorwiegend im Frühjahr. Am Amu-Daria und
in Nord-Chile ist das Maximum im Herbst, in Australien im Sommer.
Doch haben bei der Spärlichkeit der Niederschläge solche Maxima und
Minima keine praktische Bedeutung; die Vegetationsperioden sind von
der Wärme abhängig, welche die schädlichen Wirkungen der Trocken-
heit erhöht und daher zur Zeit ihres Maximum das Pflanzenleben zur
Ruhe bringt. Im gleichem Sinne wie die Wärme wirkt die Luft-
trockenheit, die in Wüsten weit grösser zu sein pflegt, als in Gehölz-
und Grasflurgebieten, und im Sommer ihre Maxima aufweist.
Die Oekologie der meisten Wüstenfloren ist bis jetzt nur sehr wenig
bekannt, so dass die folgenden Darstellungen ganz fragmentarischen
Charakter tragen.
1. Die Wüsten der östlichen Hemisphäre.
§ 1. Das nordafrikanische und südwestasiatische Wüstengebiet«
Zwischen 35 ° und 20 ° n. B., 18 ° w. L. und 70 ° ö. L. zieht sich band-
förmig quer durch Nordafrika, Arabien, Süd-Persien und Belutschistan
bis über den Indus ein vorwiegend von Hochebenen gebildetes Gebiet,
in welchem die Niederschläge jährlich weniger als 20 cm betragen, sodass
die Vegetation durchaus wüstenartiges Gepräge zeigt. Bezüglich seiner
Wärmeverhältnisse gehört dieses grösste aller Wüstengebiete dem Gürtel
der milden Winter an; nur an seinen nördlichsten Punkten treten im
Winter leichte Fröste und vergängliche Schneefälle auf. Die Sommer-
temperaturen gehören zu den höchsten der Erde und fallen mit der
Zeit grösster Trockenheit zusammen; in einem grossen Theile dieses
Wüstengebietes beträgt die Julitemperatur 36 ° und darüber.
638
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Die folgenden Tabellen bringen genauere Daten für einen extrem
westlichen (Kap Juby), zwei mittlere (Ghardaia und Kairo) und einen
extremöstlichen Punkt (Multan) des nordafrikanischen und südwest-
asiatischen Wüstengebiets.
Tabelle I.
Kap Juby. 270 58' N., 120 52' W., am Meere. 1885.
Temperatui
1 Mittel 1 Absol.
r.
Extreme
Relat
Luft-
feuchtigk.
Bewöl-
kung
Wind-
stärke
Regen-
menge
Januar .
16.0
24.8
9-4
81.5
35
2.7
44.8
Februar
16.8
39.8
10.9
86.0
4.4
3-2
19.0
März .
16.3
20.2
10.7
83.0
4.0
3-4
8.1
April .
16.8
20.1
12. 1
83.0
4.9
3.8
7.1
Mai . .
17.5
20.2
15.4
92.0
6.8
2-5
0
Juni . .
19.7
22.9
15.6
91.0
35
2.0
0
Vorherrsch.
Winde:
NE vl NNE
Juli . .
i 19-1
22.3
16.9
93-o
6.0
2.0
0
August .
20.2
26.7
17. 1
94.0
3.0
2.0
0
das ganze Jahr
Septmbr.
20.4
28.7
15-5
92.0
3.8
2.6
347
Regentage mit
mehr als 0.3 mm
1884: 52
October
1 18.8
25-9
13.6
92.0
4.6
30
55-9
Novmbr.
| 18.1
25-7
11.6
89.0
2.2
3.4
38.1 |
1885: 55
Decmbr.
, 16.8
25.0
9-3
87.0
3-9
3-2
17.3 !
1885: 225.0
1884: 138.5
(MeteoroL Zeitschrift
1887, S. 26.)
Tabelle IL
Ghardaia. 1887 — 1892. 320 35' n. B., 30 40' E. 520 m ü. M.
| Temperatur
Mittlere
! Monats- | Extreme
Relat
7 Uhr
ive Feuch
1 Uhr
tigkeit
7 Uhr
Be-
wölkung
Regen-
menge
Januar . .
0.0
20.7
70
40
53
1.2 ! 19
Februar .
1 I,Q
23.8
64
31
42
x-3
7
März . .
• i 3-3
30.7
54
26
34
i-5
15
April . .
jl 7-7
34.3
46
21
28
1.3
8
Mai . .
'| 10.1 39.0
40
17
22
i-4
17
Juni . .
j 16.4 1 45.1
3i
14
18
0.9
1
Juli . . .
i1 22.3 47.4
28
12
*5
0.7
0
August
il *9-9
46.6
33
15
17
°-5 1 2
September
i, 15.1
42.6
44
19
22.
i.5
4
October .
| 8.1 36.7
55
31
39
i.7
3
November
1 2.6 | 27.1
67
37
49
1.6
16
December
l| 0.9 | 21. 1
71
45
55
1.6 , 28
i
50
26
33
1
114
IX. Die Wüsten.
639
Zu Ghardaia gab es 189 1 8 Regentage mit messbarer Menge, 46 mit
unmessbarer; 1892 resp. 18 und 23. — Die absoluten Temperaturextreme
zu Ghardaia waren innerhalb 5 Jahre: 50 ° Juli 1891 und — 1° December
1889 und Januar 1891. Die Jahressumme des Regens war 1886 — 1892 (in
Millimetern): 128, 145, 131, 53, 110, 87, 144.
Meteorolog. Zeitschr. 1893, S. 471.
Tabelle IH
Kairo. 300 5' N., 310 17' E. 33 m ü. M.
P Te
II <■
|| Mittel
mperatur
868-87)
Abs. | Extr.
Feuch
Rel.
tigkeit
Mittl.
Min.
(4J.)
Be-
wöl-
kung
(15 JO
Mittlere
Ver-
dunstung
(2 J.)
•0
•^ 01
V
Re|
me
87
gen-
nge
88
Regen-
tage
87] 88
Januar
j
12.2
0.0
28.0
68
32
3-5
2.29
3-9
6.4
3-9
6
3
Februar
■ !
13.3
— 2.0
3o-4
63
22
36
2.65
2.4
8.3
4.4
3
2
März .
. ' 16.8
0.4
41.2
55
13
3.2
5-55
4.2
1.6
0.0
1
0
April .
. || 21.6
6.5
43-5
45
7
2.4
6.43
4.4
o.5
6.2
1
3
Mai .
: 25.2
8.8
46.9
43
12
i.7
8.16
4.8
0 0
11. 2
0
3
Juni .
11 28.3
12.0
46.0
42
8
0.7
9.98
5-i
0.0
1.2
0
1
Juli .
ii 29.0
13.8
44-3
46
*5
0.9
n-93
6.3
0.0
0.0
0
0
August
1
28.0
14.4
47-3
53
19
1.1
10.00
5-9
0.0
0.0
0
0
September
October . !
26.0
13-°
42.5
59
21
i-5
7.54
7.2
0.0
0.0
0
0
23.0
12.0
42.1
64
17
2.1
5-47
7.8
0.0
0.0
0
1
0
November
18.8
5-5
35-6
67
25
2.9
4.00
4.4
O.I
10.8
3
December 1
14.7
0.5
28.4
68
27
3.5
3.17
4.9
5.2
4.8
1
10
!
22.1
42.5
13
25
') Kilometer per Stunde.
Multan im
Meteorolog. Zeitschr. 1891, S.
Tabelle IV.
Pendjab. 122 m ti. M. 41/2 Jahre.
419.
L
Temperatur
Mittel iTägl. Schwank.
(7 J.) (V/t j.)
Relative
Feuchtigkeit
(5 j)
Regenmenge
(9 j.>
December
• | 13-1
18.6
54
9
Januar .
. 11.6
16.8
52
1 1
Februar .
. 1 15.2
16.2
49
9
März. .
20.4 ! 15.9
47
20
April
1 26.8 | 19.8
36
24
Mai . .
|l 32.2 | 20.1
28
10
Juni . .
33.3 17.3 30
8
Juli . .
' 33-7 i 15-3 1 4o
41
August .
319
14.3
46
29
September .
1 29.8
153
41
14
October .
1, 23.9
18.7
43 7
November
l! lSl
20.8
48 1 1
Jahr . . ,
1!
i
183 mm
(Zeitschr. d. österr. Gesellsch. fiir Meteor. 1875, S. 329.)
64O Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Felsige, terrassenartig übereinander geschichtete Hochebenen, die
von Thälern, den oft sandigen Wadis durchfurcht sind, steiniges, bald
hügeliges, bald flaches Tiefland, sandige, meist von parallelen Dünen
gewellte Ebenen, weite, lehmige Becken setzen, bald in mannigfachem
Wechsel, bald auf weiten Strecken alleinherrschend, das ungeheure
Wüstengebiet der Sahara zusammen. Trotz der ausserordentlichen
Trockenheit des Klimas, trotz dem stellenweisen grossen Reichthum
an Kochsalz, trotzdem der Boden, ausser in lehmigen Landschaften,
das spärliche Regenwasser schnell durchsickern lässt, so sind die Stellen
doch selten, wo ein Rundblick keine einzige Pflanze zu entdecken ver-
mag. Die Vegetation ist allerdings streckenweise überaus dünn gesät
und die einzelnen Gewächse sind, obwohl zum grossen Theile strauchig,
von geringer Grösse.
Am wenigsten bewachsen zeigen sich die steinigen Hochebenen
(Hamäda Fig. 337); da erheben sich nur in weiten Abständen aus
dem Boden halbkugelige Sträucher, mit dicht gedrängten, dornigen
Aesten, die meist den Zygophyllaceen oder den Papilionaceen an-
gehören. Weit reicher bewachsen sind die solche typische Steinwüsten
durchziehenden Wädis, namentlich aber die unmittelbaren Ufer der
meist trockenen Wasserläufe.
Die Sandwüste (Areg. Fig. 338) hat eine weniger spärliche Vege-
tation, ausser auf den Dünen (Fig. 334), die oft ganz pflanzenleer sind
Den schärfsten Contrast zu den öden, nur mit wenigen, niedrigen,
fahlen Gewächsen versehenen eigentlichen Wüst;. strecken bieten die
tiefsten Thäler und die Quellen führenden Mulden, die Oasen (Fig. 339).
Meist von der Wüste so scharf abgegrenzt, dass man ihre Contour
durch eine Linie bezeichnen könnte, ernähren sie eine üppige Vege-
tation von Bäumen und Kräutern, die allerdings sämmtlich cultivirt sind,
da die Oasen sämmtlich vollständig bewirthschaftet werden.
Die Vertheilung der Gewächse der Wüste zeigt sich weit mehr
von dem in der Tiefe angesammelten Grundwasser als von der direkten
Benetzung des Bodens durch den Regen abhängig. Doch ist, an-
scheinend in allen Wüsten, ein ephemerer Regenflor vorhanden.
Trotz ihrer kurzen Dauer und Spärlichkeit rufen die Frühlingsregen
zahlreiche annuelle Gewächse hervor, die zum grössten Theile gleich
nach Ende der Regenzeit ganz verschwinden, so dass der vorher
grüne Boden jetzt wieder ebenso vegetationsleer wie vor dem Regen
erscheint. Auch für die ausdauernden Gewächse sind die Frühlings-
regen von Bedeutung, allerdings oft mehr durch die Herabsetzung
der Transpiration als durch direkte Benetzung der in grosser Tiefe
befindlichen Wurzeln. Manche Arten sind nur zu dieser Zeit belaubt
und mit Blüthen versehen. Doch blühen andere während des trockenen
und kühlen Winters. Es sind demnach zwei ökologische Gruppen von
es
£
e
(72
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%
•c
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5
DC Die Wüsten.
64I
1
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I
2
I
P
o
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I
§
Schimper, Pfianzengeographie.
41
642
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Wüstenpflanzen zu unterscheiden, eine wo die Existenz unmittelbar an
den Regen, und eine wo sie an die Anwesenheit von Grundwasser
gebunden ist.
Die Regenpflanzen der Wüste1) sind theils Annuellen, die bei Be-
ginn des Regens keimen, beim Schluss desselben ihre Samen reifen
und gleich darauf zu Grunde gehen, theils, jedoch in geringerer
Anzahl, solche, die durch unterirdische Theile perenniren, aber nach
den Regen von der Bodenoberfläche ebenso
verschwinden, wie die Annuellen.
Meine eigenen Beobachtungen über die
Flora der Sahara beschränken sich auf die
nächste sandige Umgebung von Port -Said und
auf den nördlichsten Theil der algierischen
Sahara, bei Biskra, wo ich mich kurze Zeit
während der scheinbar kaum feuchtenden Früh-
lingsregen befand. Der feste meist lehmige Boden
der Wüstenstrecken zwischen den Oasen bot
das Bild eines sehr sparsam bepflanzten und
sehr eigenartigen Gartens, wo die einzelnen
Pflanzen durch meterbreite oder noch breitere
nackte Streifen von einander getrennt waren.
Die meisten von ihnen waren kleine, rund-
liche, dichte Sträucher, die bei oberflächlicher
Betrachtung einander so ähnlich sahen, dass
es eine Ueberraschung war, bei näherer Be-
trachtung derselben ungleiche Blätter oder
Blüthen zu finden (Leguminosen, Zygophylla-
ceen); es fehlte aber nicht an flach ausgebrei-
teten, dem Boden angedrückten Halbsträuchern
und an struppigen, besenartigen Formen, letztere
meist zu einer Artemisia gehörig, die häufig
von einer saftstrotzenden, stattlichen, purpurnen
Orobanche begleitet war. Der sandige Boden
trockener Wasserläufe war von salzbedeckten
Tamarisken bewachsen. Dies waren die Ver-
treter des Grundwasserflors. Der Regenflor be-
stand aus weit kleineren und zarteren Pflanzen; namentlich zeigten sich
allenthalben die Rosetten der Scorzonera alexandrina, eines schmal-
blätterigen unscheinbaren Krauts mit grpssen, violetten, duftenden Stern-
köpfchen auf kurzem Stiel, und die wohl bekannte Anastatica hierochun-
tica, letztere jedoch nur in den trockenen Betten der Wasserläufe.
Fig. 340. Flora der Sahara:
Retama Retam. Nat. Grösse.
Nach Taubert in: Natürliche
Pflanzenfamilien.
l) Vgl. namentlich Volkens II.
IX. Die Wüsten.
643
Solchen Regenkräutern der Wüste merkt man in keiner Weise die
Ungunst des Klimas direkt an. Letztere kommt zwar in ihrer überaus
schnellen Entwickelung und kurzen Lebensdauer zum Ausdruck, aber
weder in den zarten krautigen Stengeln und Blättern, noch in den
dünnen Wurzeln, welche, im Gegensatz zu den Grundwasserpflanzen,
den Boden nicht tiefer durchdringen als der Regen, noch in den manch-
mal recht ansehnlichen Blüthen. Volkens hat eine grosse Anzahl der-
artiger Annuellen der Wüste näher untersucht und meist keine xero-
philen Eigenthümlichkeiten auffinden können, z. B. Malcolmia aegyp-
tiaca Spr. , Matthiola livida D. C, Roemeria dodecandra Stapf., ver-
schiedene Papilionaceen (Arten
von Astragalus u. a.), viele un-
scheinbare Compositen, einige
Boragineen, Gräser etc.
Andere, ebenfalls annuelle
Pflanzen verdanken ihre Fähig-
keit die Trockenzeit eine Zeit
lang zu ertragen, den Wasser-
vorräthen, die sie während der
Regenzeit angesammelt haben
und deren Erschöpfung ihr
Lebensende bezeichnet. Dahin
gehören, nach Volkens, nament-
lich die wenigen Aizoaceen der
Sahara (Mesembryanthemum
cristallinum L. , Aizoon cana-
riense L.), ferner verschiedene
Par onychieen , Reseda - Arten ,
Cruciferen etc.
Die Regenstauden, d. h.
solche perennirenden Kräuter,
die nur während der Regen-
zeit ein oberirdisches Leben führen, sind theils monocotyle Zwiebel-
pflanzen, z. B. in der ägyptischen Sahara Pancratium Sickenbergeri Aschs.
et Schweinf., Urginea undulata Steinh., Allium Crameri Aschs. et Boiss.,
theils, aber in kleinerer Zahl, Dicotylen, wie Erodium-, Heliotropium-
Arten u. a.
Die zweite Categorie von Wüstenpflanzen zeigt ihre Abhängigkeit
vom Grundwasser ganz allgemein schon an der ungeheuren Länge ihres
Wurzelsystems, welche, die tiefe Lage des unterirdischen Wasserniveaus
zur Lebensbedingung macht. Nur die wenigsten dieser Pflanzen sind
Annuellen (z. B. Monsonia nivea, nach Volkens), die meisten haben
verholzte Axen und ausgeprägte xerophile Structur. Doch giebt es
41*
Fig. 34 1 . Flora der Sahara : Odontospermum pyg-
maeum O. Hoff. / Mit geschlossenen Köpfchen
(Trockenheit). 2 ein offenes Köpfchen (Feuchtig-
keit). Nat. Gr.
644
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
unter ihnen ein stattliches und doch krautiges, in ihren oberirdischen
Theilen sogar ausgeprägt hygrophil gebautes, lebhaft transpirirendes
Gewächs, und dasselbe zeigt besser als irgend eine andere Wüsten-
pflanze die Bedeutung des Grundwassers für die Wüstenvegetation; es
ist Citrullus Colocynthis, eine unserer cultivirten Gurke ähnliche Cucur-
bitacee, deren lange, saftige, relativ dicht- und grossblätterige Sprosse
den ganzen Sommer hindurch grünen und ihre kindeskopfgrossen
Beeren entwickeln, so dass es
den Anschein hat, als wären
sie gegen Wasserverlust
aussergewöhnlich geschützt
In Wirklichkeit jedoch ver-
welken abgerissene Zweige
schon nach wenigen Minuten.
Ganz allein die ausser-
ordentliche Länge ihrer Wur-
zeln ermöglichen der Bitter-
gurke die Existenz in der
Wüste. Die beträchtliche
Wurzellänge ist in mehr
oder weniger hohem Grade
allen Wüstengewächsen ge-
meinsam und hat die Be-
wunderung aller Reisenden
hervorgerufen.
„So oft ich es auch
versuchte," sagt Volkens,
„ältere Büsche perenniren-
der Gewächse bis zum Wur-
zelende auszuheben, ist mir
das doch niemals gelungen.
Was ich zumeist nur zu con-
statiren vermochte, war,
dass die Wurzel in ein bis
zwei Meter Tiefe dünner geworden war als oben. Ein kaum
Jiandhohes Exemplar von Calligonum comosum hatte eine oben daum-
starke Wurzel, i1/2 m weiter unten war sie noch von der Dicke
des kleinen Fingers und so kann man getrost annehmen, dass hier
die Länge der unterirdischen Theile diejenige der oberirdischen
um das zwanzigfache übertraf. Ein ähnliches Verhältniss zeigen viele
andere, nach einer Mittheilung, die ich Herrn Professor Schwein-
furth verdanke, speciell auch die Acacien. Bei Gelegenheit der Aus-
grabung des Suezcanals fand man auf dessen Sohle Wurzeln, die zu
Fig. 342. Flora der Sahara: Zilla spinosa (L.) Prantl,
Nat. Gr. Nach Prantl in: Nat. Pflanzenfamilien.
IX. Die Wüsten.
645
hoch oben auf seitwärts gelegenen Höhen wachsenden Bäumen ge-
hörten."1)
Bei der grossen Mehrzahl der Grundwasserpflanzen zeigen die ober-
irdischen Theile, im Gegensatz zur Bittergurke, eine ganz ausgeprägte
xerophile Structur, welche direkt auf den Einfluss sehr trockener Luft
hinweist. Fehlen oder sehr schwache Entwickelung der Laubflächen,
Dornbildung, filzige Behaarung, Succulenz, dicke Cuticula, Wachsüber-
züge, Reduction der Intercellularen , Schutz der Spaltöffnungen und
andere xerophile Eigenschaften kommen einzeln oder zu mehreren
Fig. 343. Flora der Sahara: Alhagi maurorum Med. Nach Taubert in: Nat. Pflanzenfam.
vereinigt der grossen Mehrzahl der perennirenden Saharapflanzen zu.
Allerdings sind unter den letzteren so auffallende Gestalten, wie sie
die südafrikanische Wüste namentlich in ihren cactusähnlichen Euphor-
bien und Asclepiadeen aufweist, selten und auf die westlichsten und
südlichsten Punkte beschränkt.
Als wesentliche Bestandteile der Flora der ägyptischen Sahara wären,
nach Volkens, besonders folgende hervorzuheben: Cocculus Leaeba (Del.)
Guill. Perr. Rieh., mit dünnen, bis 4 m langen, auf dem Boden kriechenden,
l) Volkens II, S. 7.
646
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
äusserst schwach belaubten Sprossen; Farsetia aegyptiaca, ein bis meterhoher,
filzig behaarter Halbstrauch; Zilla myagroides Forsk., die in den Thälern
meterhohe, blattlose, dornige, oft kugelige Büsche bildet ; Capparis spinosa L.
var. aegyptiaca, vornehmlich in Felsspalten wachsend, durch einen Wachs-
überzug ergiebig gegen Transpiration geschützt; Gymnocarpus decander Forsk.
eine succulentblätterige und doch trockenkahle Paronychiee; schuppenblätterige,
7q'
■^
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o
o
1
ST
\
dürre Tamaricaceen mit Salzausscheidungen; Genista (Retama) Raetam Forsk.,
ein stattlicher, blattloser, besenartiger Strauch; dornige, regengrüne Astragalus-
sträucher; Alhagi manniferum Desv., eine dornige kleinblätterige Papilionacee ;
Acacia tortilis Hayne, ein dorniger Strauch oder kleiner Baum; Convolvulus
lanatus Vahl., ein filziger, sparrig ästiger Strauch; Lycium arabicum Schweinf,
ein immergrüner, immerblühender dorniger Strauch mit ungemein langen, theil-
weise knollig angeschwollenen Wurzeln; Lavandula coronopifolia, ein nahezu
IX. Die Wüsten.
647
blattloser Strauch, nebst anderen strauchigen, schwach belaubten, filzig be-
haarten Labiaten; Statice pruinosa L., ein nur kurze Zeit belaubtes, von
dichtem Kalkstaub bedecktes Kraut; Atriplex Halimus L., ein stattlicher
Fig- 345. Aristida pungens. Blattquerschnitt.
Nach Tschirch.
Fig. 346. Capparis spinosa var. aegyp-
tiaca. Blattquerschnitt. Vergr. 40.
Nach Volkens.
l'ig- 348. Mesembryanthemum cristalli-
num. Stammquerschnitt. Nach Volkens.
fig- 347- Neurada procumbens. Blattquerschnitt.
Vergr. 140. Nach Volkens.
Strauch, dessen Blätter, dank ihren massenhaften Blasenhaaren, in der Trocken-
zeit lange grün bleiben, und verschiedene andere Salsolaceen mit inneren
Wassergeweben; Gräser des Sandbodens mit eingerollten Blättern und un-
648
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
geheuer langen Wurzeln (Cynodon Dactylon Rieh., Danthonia Forskalii (Vahl)
Trin., Sporobolus spicatus (Vahl) Kth., Andropogon-, Aristida-Arten u. a.).
In der tropischen Sahara, zwischen 160 und 200 s. Br., z. B. in Air, ist
der Vegetationscharakter ein anderer und im Ganzen weniger dürftig als im
Norden der Sahara. Die Berge entbehren zwar jeden Pflanzenlebens, dagegen
erreichen in den Wadis, wo das Grundwasser sich ansammelt, die Bäume
stattliche Dimensionen. Allerdings sind sie meist sehr kleinblätterig und
dornig, also von xerophilem Gepräge. Zu ihnen gehören namendich Acacia
Seyal Del., Maerua rigida R. Br., Zizyphus spina Christi (L.) Willd., Balanites
aegyptiaca Del. und die Palme Hyphaene thebaica. Eine Stapelia wächst auf
den Felsen. Der Granitsand der ehemaligen Wasserläufe in den Wadis ist
von Panicum turgidum Forsk. bewachsen, während Gräser imUebrigen selten sind.
Fig. 349. Sudarabische Felsenwüste. Aden. Nach einer Photographie.
Die Ostküste Afrika's an der südlichen Hälfte des Rothen Meeres
und bis zum Aequator ist zwar weniger regenarm als die Sahara. Sie
ist es aber, in Folge der grossen Hitze, noch genug, um streckenweise
den Charakter der Halbwüste oder der Wüste anzunehmen, sobald der
Boden mehr durchlässige Beschaffenheit erhält. Solche gleichzeitig
durch klimatische und edaphische Einflüsse bedingte Wüsten und Halb-
wüsten wechseln z. B. mit weniger ausgeprägten xerophilen Formationen
im äquatorialen Ostafrika zwischen dem Kilimandscharo und der Küste.
Volkens schildert anschaulich eine solche Formation (Fig. 350): „Eis ist
eine reine Succulenten-Steppe *), das dürrste und unfruchtbarste Gebiet, weiches
man sich denken kann, aber gerade darum von einer Vegetation bedeckt,
wie sie mir in ähnlicher Seltsamkeit nur in den trockensten Wüstenstrichen
*) Nach unserer Noraenclatur keine Steppe.
IX. Die Wüsten.
649
Aegyptens begegnet ist. Jede Pflanze ist eigentlich eine Karikatur. Im
Anfange treten noch Bäume im geschlossenen Bestände auf, deren kurzer,
mannsdicker Stamm eine grüne Krone fingerstarker, durchaus blattloser, theils
hängender, theils ineinander geschobener Zweige trägt. Es ist die Euphorbia
Tirucalli, sicher wild an dieser Stelle, während sie an der Küste, ebenso wie
in Abessinien, angepflanzt zu sein scheint. Weiterhin giebt es nur noch
wenige von dem allenthalben gemeinen Cissus quadrangularis oder C. rotundi-
folia durchrankte Bäumchen, Acacia Salvadora, eine Gymnosporia *) mit ihren
Rand zenithwärts richtenden Blättern und Anaphrenium abyssinicum. Dafür
ist hier die sandige Ebene auf stundenweite Entfernungen, so weit man sehen
Pyrenacantha malvifolia.
Stapelia caralluma.
Adenia globosa.
Fig. 35o. Halbwüste mit Succulenten bei Kihuiro, am Fusse des Kilimandjaro. Verklein.
einer Fig. Volkens'.
kann, mit knie- bis manneshohen Gewächsen bedeckt, die — durch nackten
oder mit einem Stachelkraut (Blepharis Togodelia*)) überzogenen Boden
isolirt — lauter einzelne Gruppen bilden. Jede Gruppe besteht in der
Hauptsache aus dornigen Cactus-Euphorbien 8) , aber um und zwischen diese
vertheilen sich andere Proletarier des Pflanzenreiches, wie ich sie genannt
habe, die womöglich noch struppiger und ruppiger denn diese aussehen.
*) Celastr.
*) Acanth.
8) „Euphorbia heterocproma und eine noch unbeschriebene Art mit kurzen, lang-
gedornten, dreikantigen, breitgeflügelten Gliedern41.
650 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Caralluma codonoides1) reckt armstarke, vierkantige und bedornte Sprosse
auf, die an der Spitze einen kinderkopf grossen Ballen fast schwarzer und
furchtbar stinkender Blüthen tragen; ein Adenium2) mit knolligem Stamm,
sarcocaulonartigen Zweigen und schmal lanzettlichen Blättern breitet daneben
rothleuchtende, duftende Sterne aus ; eine Kleinia überragt beide mit bleichem,
blattlosem, aber saftstrotzendem Astwerk. Auch die schon erwähnten drei
Sansevieren 8) vermissen wir nicht, dazu eine vierte breitblätterige Art, wenn-
gleich sie hier den Succulenten gegenüber zurücktreten. Lücken werden aus-
gefüllt durch das überall in unserer Kolonie den schlechtesten, dürrsten Boden
verrathenden , gelblich blühenden Talinum caffrum4), als Seltenheit von einer
Stapelia mit korallenartigen, dem Sande aufliegenden Stachelzweigen und über
thalergrossen , braun marmorirten Blumen. Die sonderbarsten Gebilde aber,
die wir hier und dort das Centrum einer Pflanzengruppe einnehmen sehen,
sind meterbreite und fast ebenso hohe gewaltige Knollen, abgerundeten Blöcken
gleich, von denen die einen glatt wie mit hellfarbigem Leder überzogen, die
anderen rauh gekörnt und dunkelgrün erscheinen. Es sind zwei Pflanzenarten,
die zu den merkwürdigsten ganz Ost-Afrika's gehören. Die eine, die erste,
Pyrenacantha malvifolia5), lässt zur Trockenzeit überhaupt nichts weiter als
den zu so unförmigen Verhältnissen aufgetriebenen Stamm erkennen ; erst
wenn die Regen nahen, entspringen der oberen Wölbung desselben unten
kaum daumenstarke Sprosse, die, mit malvenartigen Blättern besetzt, im um-
gebenden Buschwerk sich emporschlingen. Die andere, Adenia globosa, trägt
dauernd am Gipfel ihres Knollenstammes kaskadenartig bogig zur Erde sich
biegende oder an Bäume und Sträucher sich anlehnende und aufsteigende
grüne Ruthenäste, die, statt Blätter zu führen, mit nadelspitzen, konischen,
harten Dornen bewehrt sind.6) . . ."
Der ökologische Vegetationscharakter der Sahara bleibt östlich von
derselben bis nach Nordwestindien der gleiche und auch die Flora zeigt
grosse Uebereinstimmung. Nach Brandis gibt es Wälder längs des
Indus, im Bereich des reichlichen Grundwassers, ausserhalb des letzteren
aber gedeiht nur ein spärliches, aus Arten, die auch in den Wüsten-
gegenden Afrika's wachsen, bestehendes Gesträuch. 7)
§ 2. Das west- und centralasiatische Wüstengebiet. Die grosse
centralasiatische Wüste stellt eine nordöstliche Abzweigung der nord-
afrikanisch-arabischen Wüste dar, welche sich von den Küsten des
Kaspimeers, ungefähr bei 50 ° ö. L. bis nach dem östlichen China, un-
gefähr bei 1200 ö. L. ausdehnt.
Sie zerfällt in einen westlichen Theil, vom Kaspimeer bis zum Tien-
Schangebirge und einen östlichen Theil, von dem genannten Gebirge
bis zum chinesischen Chingangebirge. Die westliche oder transkaspische
Wüste ist ein Tiefland, die östliche, die Gobi, eine Hochebene.
Beide Wüstengebiete gehören dem kalttemperirten Gürtel an und
l) Asclep. 2) Apocynac. 8) Haemodorac. 4) Portulac. 5) Olacin. •) l. c S. 17 — jS.
7) 1. c. S. 4H.
Fig- 35 1. Aus der transkaspischen Wüste: Karabugas. Jelgunn.
Nach einer Photographie des Herrn Prof. Andrussow.
Salsolaceac.
Fig. 352. Transkaspische Wüste: Landschaft nördlich von Krasnovodsk, beim Brunnen Uschok.
Nach einer Photographie des Herrn Prof. Andrussow.
IX. Die Wüsten.
651
besitzen ein extremes Klima. Ueber das Klima der Gobi berichtet
Prschewalsky :
„Charakteristika des dortigen Klima's sind die schroffen Temperatur-
kontraste und die hochgradige Trockenheit. So beobachteten wir unter
Fig. 353. Transkaspische Wüste: Karabugas. Salzboden. Nach einer Photographie
des Herrn Prof. Andrussow.
dem 42 ° N. in der südöstlichen Mongolei Ende November (1871) eine
Temperatur von 32,7°. Diese starken Nachtfröste währten den ganzen
Winter über und zogen sich bis in das Frühjahr hinein. Andererseits
erlebten wir an eben diesen Orten während der Sommerzeit eine fast
r
Fiß- 354. Transkaspische Wüste: Bei Karabugas. Muschelsandboden mit Salsolaceen,
Calligonum sp. Nach einer Photographie des Herrn Prof. Andrussow.
tropische Hitze, welche durch den Mangel der Wälder und durch die
grosse atmosphärische Trockenheit um so fühlbarer wird. Der Wüsten-
boden erhitzt sich während des Sommers bis zu + 50 ° — 60 °, ^während
er sich im Winter bis — 26,5° und mehr erkaltet. Die Uebergänge
6$2
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
zwischen Kälte und Hitze sind im Frühjahr und umgekehrt im Herbst
sehr schroff.1)
Die folgenden Tabellen, welche sich auf einen westlichen (V) und
einen östlichen Punkt des Wüstengebietes (VT) beziehen ; zeigen , ver-
glichen mit den Tabellen I — IV in deutlichster Weise die klimatischen
Unterschiede zwischen der nördlichen und der südlichen Wüste.
Tabelle V.
Nukuss am Amu-Darja. 420 27' N., 590 37' O. 66 m iL M.
I.Jahr (X. 1874 bis X. 1875).
Te
Mittel
mp eratur
Extreme
Rel.
Mittel
Feuchtigkeit
2p3i.| Min.
Bewölkung Regen-
0 — 10 Menge' Tage
December
;
0.8
17.7
-17.8
83
67
28
6.3 ! 10
10
Januar
—3-5
io-5
—21.8
93
82
56
6.3 | 18
6
Februar .
-5.6
14.0
—15-0
79
57 1 20
2.1 Ol
März . .
2.7
24.5
—151
78
65
15
6.6 23
17
9
April . .
14.0
33.7
— 0.9
59
40
14
5-° *3
Mai . .
! 19.7
35-7
6.4
44
25
7
2.8 13 9
Juni
': 22-5
38.2
3-8
42
19
5
1.8 ■ 0 | 3
Juli . .
1
26.4
40.5
11.6
So
29
14
2.9 |5 10
August
233
35-5
9-4
55
30
12
0.9 1 6 3
September
1 18.8
36.1
3-9
53
26
12
0.4 0 0
October .
!' 7I
21.9
-9J
62
35
11
2.0 ! 0 1
November
! 5.4
22.0
10.2
63
39
15
2.7 1 2
1
1
1 89
7i
Zeitschr. d. östenr. Gesellsch. f. Meteor. 1877, S. 219.
Tabelle VI.
Urga (Wüste Gobi). 470 55' N., 1060 45' O. 1330 m ü. M. 1870.
|! Mittel
Temperatur
Minimum
Maximum
Regenmenge
Bewölkung
Januar .
. ! —28.6
— 37-4
— 12.9
0.4
2-3
Februar
. i — 25.0
-38.5
— 6.6
0.7
2.6
März
• ji —13.8
— 25-5
+ 6.5
4.8
3-4
April
. ■ +0.6
— 16.0
17. 1
-
0.0
2.7
Mai . .
. . • 8.9
-2.4
29.9
4.5
34
Juni . .
13.1
5-5
25-7
46.2
5-6
Juli . .
18.2
9.8
30.5
28.4
4-5
August .
. ! 152
4.0
32.1
27.2
39
September
9-3
— 6.6
27.7
5-8
39
l) 1. c. S. 247—248.
IX. Die Wüsten.
Tabelle VI (Fortsetzung).
653
October . .
— 2.4
— 26.2
13-9
5.7
3-2
November . .
— 16.8
— 32-5
39
1.4
3-8
December . .
1 —25-5
— 39.9
-^8.1
0.0
1.8
Jahr: |
125. 1
Zeitschr. d. österr. GeseUsch. f. Meteor. 1873, S. 108.
Die Kälte des Winters bedingt natürlich eine wesentlich andere
Zusammensetzung der Flora als im südlichen Wüstengebiet. Die Nord-,
Ost- und Südosttheile der Gobi haben etwas reichlichere Niederschläge
als die centralen und westlichen Theile.
Die transkaspische Wüste wird von Radde folgendermaassen kurz
charakterisirt : „Nur wolkenlosen Himmel, nacktes Gebirge, Flüsse ohne
Mündung und ohne Wasser, Staubwolken, grenzenlosen Flugsand und
völlig todte Salzflächen gab die Natur diesem Lande." Die Sandwüste
ist reich an Dünen, die theils vegetationslos und beweglich, theils von
lockerem niederem Gesträuch befestigt sind.
Die von Pamir nach Chingan über 4260 km sich erstreckende Gobi-
wüste1) schwankt in ihrer Höhe über dem Meere meist zwischen 1000
und 1 500 m, doch ist sie an einzelnen Punkten theils tiefer, theils höher
gelegen. Sie ist von Gebirgsketten durchzogen und in Abtheile, die
besondere Namen tragen, gegliedert. Mehrere, theils salzige, theils
süsse Seen sind an ihrer Oberfläche zerstreut. Die Quellen sind spär-
lich und meist salzig.
„Der Boden der Wüste besteht aus Triebsand, lösshaltigem Thon,
Kieselerde, Kiessand und Schutt. An den verschiedenen Theilen
herrscht immer eines dieser genannten Materiale Vor. Der Triebsand
ist am meisten im Süden der Wüste Gobi, am Tarim-Fluss über Ala-
Schan nach Ordos und nach der Dsungarei zu, also in dem eigentlichen
Bassin des früheren Binnenmeeres vertreten und zeigt sich in der
Wüste nur sporadisch. Schutt und Kiesel findet sich am Fusse der
Gebirgsausläufer, Kiessand, untermischt mit Quarz, Achat, Chalcedon-
Kiesel sind die Repräsentanten der unwirthlichsten Wüstentheile (kommen
vielfach in der Dsungarei vor). Endlich findet sich der Lössboden
meistens im Verein mit Triebsand, Schutt und Kies vor. In reinem
Zustand oder in Gestalt von Salzsümpfen tritt er nur sporadisch und
zwar am häufigsten in den Süd-, Mittel- und Westtheilen der Wüste auf."
Von der östlichen Gobi (ca. 1100 W.) entwirft Prschewalsky
folgendes Bild:
„Die Oberflächengestalt dieser Steppe zeigt nur wenig Abwechselung.
Im allgemeinen ist der Boden der Gobi leicht gewellt, obschon durch-
*) Prschewalsky 1. c. S. 245 u. f.
654
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
aus ebene Flächen sich bisweilen 10 Werst weit ausdehnen. Dergleichen
Oertlichkeiten sind der centralen Gobi eigentümlich, während in ihrem
nördlichen und südlichen Theile Berge häufig vorkommen, theils
archipelartig gruppirt, theils kettenartig hingelagert. Diese erheben sich
nur wenig über die zu ihrem Fusse ausgedehnten Flächen und sind
überreich an Felsen, deren man fast auf jedem Schritt begegnet. Man
trifft in ihnen häufig ausgetrocknete Flussbetten, welche sich nur
während der Zeit der Regen füllen. In ihren oberen Theilen liegen
die Brunnen. In der Gobi wie in der ihr vorgelagerten Region fehlt
Fig. 355. Aus der Wüste Gobi (Westen). Sanddüne mit halbvergrabenem Tamarix-Gestranch,
Südliches Kaschgarien zwischen Tschertschen und Nia. Nach Piertzow.
es durchaus an ausdauernden Wasserläufen. Während der Regen-
zeit bilden sich temporäre Seen und Flüsse, welche Vährend der
heissen Jahreszeit austrocknen. Seen mit andauerndem Wasser giebt
es nicht."
„Der Boden der eigentlichen Gobi besteht aus grobkörnigem
rothen Sand, dem bisweilen verschiedenes Geröll beigemischt ist. Auf
durchaus vegetationslose Flächen stösst man nur selten, dagegen er-
reicht an vielen Stellen die Grasdecke kaum I Fuss Höhe, so dass
sie den rothen Boden nur nothdürftig verhüllt. Längs der Thal-
gesenke, wo zur Zeit der Regen das Wasser abläuft und sich in
IX. Die Wüsten.
655
Pfützen und Seen ansammelt, wird der Graswuchs üppiger und erreicht
3 Fuss Höhe . . ."
„Wald fehlt der Gobi gänzlich und nur selten steht am Fusse
eines Berges oder am Rande eines ausgetrockneten Flussbettes ein
einsamer Baum, der Gegenstand religiöser Verehrung bei den Mon-
golen. In der armseligen Flora der Gobi herrschen die Gramineen
und Compositen vor. Charakterpflanze ist hier die Artemisia sp.,
welche der Wintersturm häufig entwurzelt, mit anderen Schicksals-
genossinnen in einen Haufen zusammenwirft und über die Fläche vor
sich hertreibt."
Fig. 356. Aus der Wüste Gobi. Umgebung des Sees Lob-Nor. Nach Prschewalski.
„. . . Wochenlang hat man immer dieselben Formen vor Augen, bald
unabsehbare Flächen, gelb gefärbt vom vertrockneten Grase, bald
schwärzliches zerklüftetes Gefels, bald flaches Gehügel, auf dessen
Spitze bisweilen der Umriss der schnellfussigen Antilope gutturosa
auftaucht." ')
Die Wüste Chami im westlichen Theile der Gobi wird von dem-
selben Reisenden mit folgenden Worten geschildert:
„Die Wüste in ihrer ganzen Wildheit zeigte sich uns erst vier
Tagereisen von Chami (ca. 940 W., 43 ° N.) entfernt; denn da begann
l) 1, s. 10.
656
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
die absolute Vegetationslosigkeit. Kiesel, Sand, Gestein, dazwischen
zerstreut Lössblöcke, hie und da die Gebeine eines verendeten Kamels
oder Pferdes war alles, was das Auge erblickte. Kein Baum, kein
Strauch, kein Vogel, kein Thier — ja nicht einmal eine Eidechse
belebte diese trostlose Oede. Der Boden glühte, auch die Nacht
brachte keine Erfrischung. Furchtbare Stürme wirbelten Sandwolken
auf . . ."
Flora und Vegetationscharakter trägt in der transkaspischen und
der Gobiwüste sehr ähnlichen Charakter. Der kalttemperirte Charakter
der Flora zeigt sich am deutlichsten an feuchten Standorten, in den
Oasen, (Fig. 358) an Flussufern, in den kiesigen Betten trockener
Flüsse. Da wachsen nur laubabwerfende Bäume und Sträucher von
Fig. 357. Saxaul und Calligonum in der Wüste Kara-Kum. Nach Fedschenko.
nördlichem Typus, namentlich häufig Populus euphratica (P. diversifolia),
P. alba, P. nigra, Ulmus campestris, Salix alba, Fraxinus -Arten, so
in der Oase Satscheu (oder Sutschu ca. 97 ° W., 400 N.), wo Rosa
canina, Rubus idaeus, Crataegus pinnatifida und eine Lonicera als
Gesträuch auftreten und Phragmites communis Röhrichte bildet.
In der Wüstenflora herrschen die Chenopodiaceen, namentlich auf
den ausgedehnten salzigen Flächen, vor. Eine grosse Rolle spielen
ferner Tamaricaceen (als Sträucher, Tamarix, Reaumuria), Artemisien,
Astragalus-Arten, Polygonaceen (Calligonum, in der Gobi Rheum-Arten),
Liliaceen (Allium, Tulipa), einige Gräser etc.
Die meisten dieser Gewächse sind kleinblätterig oder unbelaubt
und überhaupt in ähnlicher Weise gegen Trockenheit geschützt, wie in
der Sahara. Auch hier sind die Gewächse theils von dem Frühlings-
IX. Die Wüsten.
657
regen abhängig und nur wenige Wochen über dem Boden sichtbar,
theils durch das Grundwasser gespeist und während des ganzen oder des
grösseren Theils des Sommers beblättert. Radde erwähnt das schnelle
Vergehen der Frühlingsflora, namentlich der Cruciferen, Gräser etc.
beim Eintritt der Sommerhitze. Die augenfälligsten Bestandtheile der
ephemeren Flora sind aber Tulpen, namentlich Tulipa uniflora, die in
der Gobi überall und oft in grosser Menge aufzutreten scheint. So
berichtet Prschewalski über die sonst so öde Dschungarische Wüste,
die nordwestliche Abzweigung der Gobi: „Die Ebene war wie um-
Fig. 358. Wüste Gobi. Oase Keria. Nach Piertzow.
gewandelt durch den Schmuck ihrer blühenden, wohlriechenden
Tulpen." l)
Charakterpflanze der centralasiatischen Wüste ist in erster Linie
der Saxaul (Haloxylon ammodendron) , ein bis 6 m hohes Bäumchen
mit blattlosen Zweigen und relativ dickem Stamme (Fig. 357). Er hat ein
sehr hartes schweres Holz und eine ungemein saftreiche, anscheinend als
Wasserreservoir dienende Rinde; im Mai trägt er kleine gelbe Blüthen
und im September kreiseiförmige, etwas fleischige Früchte. Manchmal
bildet der Saxaul kleine Wälder.
») U, S. 11.
Schimper, Pflanzengeographie.
42
6c 8 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Zu den auffallenden und sehr verbreiteten Gewächsen gehört ferner
Lasiagrostis splendens, ein über 21/2 m Höhe erreichendes Gras, welches
vornehmlich auf salzigem Thonboden wächst und an günstigen Stand-
orten ausgedehnte Dickichte bildet.
Recht gemein, aber weniger charakteristisch ist die bis Südrussland
und auch in Australien verbreitete Nitraria Schoben, ein kleinblätteriger,
etwas succulenter und stacheliger Strauch, der am besten auf salzigem
Thonboden gedeiht und bis 30 cm hoch wird. Seine Beerenfrüchte
werden von allen Wüstenthieren gierig aufgefressen.
Zu den stattlichen Gewächsen gehören ferner die Tamarix-Arten,
z. B. T. Pallasii, die 3 m hoch wird.
Darstellungen der Pflanzenformationen in den west- und central-
asiatischen Wüsten liegen, wenigstens in den westeuropäischen Sprachen
nicht vor, mit Ausnahme der folgenden Skizze des äussersten westlichen
Randes der Wüste an der unteren Wolga, welche v. Herder nach Krass-
now entworfen hat:
Der Hauptcharakterzug dieser Wermuthsteppenformation *) besteht in dem
niedrigen Wüchse der dazu gehörenden Pflanzen, in ihrem seltenen Allein-
stehen2), indem sie weite Räume nackter Erde zwischen sich lassen, und haupt-
sächlich in dem Ueberwiegen graugrüner Kräuter, die mit Haaren versehen
sind, welche unter den Strahlen der Sonne lustig hervorwachsen und reich an
ätherischen, aromatischen Oelen sind. Die Ablösung einer Form durch eine
andere vollzieht sich auf diesen Steppen ungewöhnlich rasch und häufig, in-
dem nach dem Erscheinen neuer Formen von den alten, verblühten oft keine
Spur übrig bleibt. Die Steppe ist eigentlich nie vollständig ausgebrannt, ob-
wohl sie lange so aussieht. Das kommt daher, weil meist sehr wenige Arten
in Blüthe sind, ausgenommen im ersten Frühling, in welchem zarte und saftige
Kräuter aus den Familien der Ranunculaceae , Cruciferae, Papaveraceae und
Liliaceae und von den Gräsern Poa bulbosa überwiegen. Später treten an
ihre Stelle Achillea Gerberi und die ganze Menge von Gräsern mit zusammen-
gedrehten und harten Blättern. Auf sie folgen, parallel mit der zunehmenden
Trockenheit und Hitze : Alhagi camelorum, Xanthium spinosum, Ceratocarpus
arenarius und Eryngium campestre, d. h. lauter ungewöhnlich stachelige Pflanzen,
deren zarte Blätter, womit sie im Frühling bedeckt sind, jetzt den bei trockenem
Wetter hervortretenden Stacheln Platz machen. Am Ende des Sommers endlich
erlangen das vollständige Uebergewicht die Wermutharten (Artemisia frigida
und maritima) und die Salzkräuter, deren Wurzeln, da sie zwei Saschenen tief
in die Erde eindringen, hinreichende Feuchtigkeit diesen Formen auch dann
verschaffen, wenn alle Nachbarn vor Trockenheit zu Grunde gehen.8)
§ 3. Die südafrikanische Wüste. Die westliche Küste Süd-Afrika's
von Cap Frio (ca. i8°S.) bis ungefähr zum 30 ° S. besitzt ausgeprägt«
*) Nach unserer Terminologie*, ist dieselbe bereits zu den Wüstenformationen zu rechnen-
*) sie!
») 1. c. S. 58.
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.2
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IX. Die Wüsten.
659
Wüstenklima. Das Binnenland derselben Breiten hat, südlich vom Wende-
kreis, ein nur wenig regnerisches Klima und auch das südlich gelegene
Tafelland der Karroo besitzt durchschnittlich weniger als 30 cm Nieder-
schläge. Das ganze Gebiet trägt bald ganz typischen, bald weniger aus-
geprägten Wüsten Charakter, ersteren an der Küste, letzteren im Binnenland.
Folgende Tabelle giebt die klimatischen Verhältnisse eines Küsten-
punktes.
Südafrikanische Wüste.
Port Nolloth. 290 14' S., 160 51' E. 12m ü.M.
Temperatur und relative Feuchtigkeit 2 Jahre (1890 — 91), Regen 14 Jahre.
Temper.
| Mittel
Absol. E
Max.
xtreme *)
Min.
Relative
Feuchtigk.
(1890»)
Regen-
Menge Tage
Januar . . ,
1 15.3
21.7
6.1
90
I.l
0.8
Februar
15-5
23.9
7.8
92
1.6
0.8
März . .
15-*
29.4
8.3
92
3.2
i.3
April . .
143
344
7.2
84
5-°
i.7
Mai . .
13.8
33-3
2.8
90
14.5
24
Juni . .
13.0
28.3
5.6
86
7-9
>
Juli . .
12.9
25.6
1-7
88
5-2
i.7
August . .
' 12. 1
26.1 1.7
87
6.8
1-5
September
12.8
39.4
2.8
79
5-6
2.0
October
14.5
32.8
44 76
2.8
1.0
November
f iS-o
37-2
38.3
5.o
80
2.2
0.8
December
ll !5-7
8.3
88
1.1
0.7
II I I 57.0mm 16.9
Meteor. Zeitschr. 1893, S. 233.
Regenverhältnisse der Karroo in °/0 der Jahressumme.
!l Jan.
Febr. März
April
Mai
Juni Juli
Aug.
Sept.
Oct.
Nov.
Dec.
Südkarroo
33« S. B. 1 8.1
Jahr 27 cm ||
I33
16.6
9.2
8.7
5-1
5-2
5-4
5.6
8.6
8.1
6.1
Nordkarroo
310 S. B. 1 15.1
Jahr 23 cm .1
12.6
22.4
97
8.9
4.8
3.6
3.2
5-5
4.2
6.0
4.6
Die südafrikanische Wüste ist in ihrem Küstentheile ein im Sande
begrabenes, aus sehr alten Gesteinen bestehendes Hochgebirge, dessen
Gipfel allein frei hervorragen. Nach Osten erstrecken sich, bis zu der
Kalahari, steinige, von seichten Thälern durchzogene Hochebenen, welche,
unter dem Namen Karroo, tief in das Innere des Kaplands eindringen.
*) Die Zahlen für das Jahr 1891 zeigen keine wesentlichen Unterschiede.
42*
66o
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Die Vegetation ist dementsprechend, je nach dem Standorte, eine solche
des Sandes, des lockeren Steinbodens oder der Felsen.
Im Littoralgebiete ist die Vegetation äusserst dürftig; die
Pflanzen erheben sich ganz vereinzelt in weiten Abständen von ein-
ander, ausser an einzelnen Stellen, wo Grundwasser sich angesammelt,
oder, im Damaraland, längs der Wasserläufe, deren Ufer von dichten,
Fig. 360. Südwestafrikanische Wüste: Grossnamaland, Aloe dichotoma an Gneissfelsen bei
Khukhaus, südl. von Aos. Nach einer Photographie von Herrn Dr. A. Schenck.
vorwiegend aus Acacien (A. detinens var. bijuga, A. hebeclada), nebst
einigen anderen kleinen Bäumen und Sträuchern (Terminalia prunioides*
und einer Liane, Clematis orientalis subsp. brachiata bestehenden Ge-
hölzen bekleidet sind.
Der Charakter der Vegetation erfährt von den Ufern des Meeres bis zu
der Grenze der halbwüstenartigen Steppen und Gehölze der Kalahari, eine
IX. Die Wüsten.
66l
allmähliche zonenartige Veränderung, die theils auf die Unterschiede in
der physikalischen Beschaffenheit und im Wassergehalt des Bodens, theils
auf solche des Klimas zurückzuführen sind. In einigen Meilen Entfernung
vom Strande mit seiner kümmerlichen Halophytenflora erhebt sich ein
breiter Gürtel von Dünen und Felsen, auf welchen sich an vereinzelten
Stellen kleine Colonien einer Gieseckia, eines Zygophyllum oder von
Aristida subacaulis ansiedelt; sie sind von kurzer Dauer, denn bald
werden sie unter dem vom Winde zugewehten Sande vergraben. Nur
eine Pflanze vermag da der
Gewalt des Windes Widerstand
zu leisten, eine bis iV2 m hohe
strauchige Asclepiadacee mit
ruthenförmigen Zweigen und
dicken, lederartigen Blättern,
Ectadium virgatum var. latifo-
lium. Dieselbe wächst aber
nicht im Sande, sondern ist
zwischen Felsen bewurzelt und
auf deren Leeseite beschränkt.
Jenseits der Dünen wird,
mit dem Auftreten von Grund-
wasser, die Vegetation etwas
reichlicher. Da tritt der Melk-
bosch auf, eine succulente Eu-
phorbiacee. „Gleich Heuscho-
bern auf einer immensen Wiese
stehen diese dunkelgrauen i1^
bis 2*/2 hohen Büsche auf der
weissen, sandigen Fläche zer-
streut. " (Schinz.) Stets sind
die Euphorbien von dem statt-
lichen Wurzelschmarotzer Hyd-
nora africana begleitet. Noch
weiter ostwärts treten allmählich
andere Sträucher auf, dornige,
sparrige Büttneriaceen, Acanthaceen, Scrophulariaceen, Acanthaceen. Sie
werden immer zahlreicher und endlich zeigt sich als erster Baum, Aloe
dichotoma(Fig. 360). Der Wüstencharakter wird schwächer ; die niedrigen
Acaciengehölze, die dürre Aristida-Steppe der Kalahari stellen sich ein.
Die Vegetation der 1800 — 2000' hohen kapländischen Karroo-
Halbwüste ist etwas weniger dürftig und zeigt eine grössere systema-
tische Mannigfaltigkeit. Die Ufer der meist trockenen Flussbette sind, wie
im nördlichen Theile der Küstenwüste, von Acaciagebüschen umsäumt
Fig. 361. Pelargonium undulatum Andr. Eine
Knollenpflanze der Kapflora. 1/a nattirl. Grösse.
Nach Andrews.
662 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
(Acacia horrida), allerhand Gesträuch und Gestrüpp erhebt sich aus dem
zur trockenen Jahreszeit vorwiegend kahlen Boden, aus welchem die
Frühlingsregen, wenn hinreichend ergiebig, — was nicht jedes Jahr der
Fall — , die grünenden und blühenden Sprosse zahlreicher Bulbosen
(Pelargonium sect. Hoareia, Liliaceen, Iridaceen, Amaryllidaceen etc.)
hervorlocken. Die persistirenden Gewächse sind zum grossen Theile
Succulenten, wie Euphorbien, Stapelien, Mesembryanthemum, Crassula-
Arten, die sonderbaren Sarcocaulon mit schützender Harzhülle, im übrigen
Gewächse vom ericoiden Typus und dann vielfach in ihren vegetativen
Organen so ähnlich, dass erst genauere Betrachtung einer z. B. aus
Vertretern der Compositen, Polygalaceen, Leguminosen, Euphorbiaceen,
Ficoideen und Scrophulariaceen bestehenden Gruppe, deren systema-
tische Heterogeneität nachweist.1) Sehr viele der Karroopflanzen sind
dornig und dadurch gegen die umherstreifenden Antilopenheerden
etwas geschützt.
Die merkwürdigsten Gewächse der südafrikanischen Wüste sind
Welwitschia mirabilis und die Cucurbitacee Acanthosicyos horrida, welche
beide auf dem nördlichen Theil des Küstengebiets, von der Walfischbai
bis Cap Negro beschränkt sind und innerhalb ihres Verbreitungsbezirks
nur einzelne Stellen bewohnen.
Die zu den Gnetaceen gehörige Welwitschia mirabilis, welche erst 1860
durch Welwitsch bei Mossamedes entdeckt wurde, aber auch südlicher bei der
Walfischbai reichlich vorkommt, bewohnt die steinigen Flächen des Littoral-
gebietes (Fig. 362 u. 366). Sie besteht aus einem kurzen, beinahe knolligen,
un verzweigten Stamme, der nur 1 dm hoch über den Boden hervorragt und
sich nach unten in eine lange Pfahlwurzel verjüngt Der bis 4 m im Umkreis
messende oberirdische, von röthlicher Borke umhüllte Stammtheil ist auf seinem
zweilappigen Gipfel schüsselartig vertieft, und trägt an seinem Rande zwei
gegenständige, ungeheuer lange, bandförmige Blätter, die einzigen Assimilations-
organe, welche nach den Cotyledonen erzeugt werden; da die Pflanze an-
scheinend 100 Jahre alt wird, so würden diese Blätter alle anderen ähnlichen
Pflanzenglieder an Lebensdauer weit übertreffen; doch ist letztere nur eine
morphologische, nicht eine physiologische. Die Blätter werden nämlich an
ihrer Basis durch Zellenbildung und Wachsthum fortwährend verjüngt, während
ihr Gipfeltheil allmählich abstirbt und vertrocknet. An jungen Pflanzen ganz-
randig, sind die Blätter älterer Pflanzen in zahlreiche Riemen zerspalten, die
in mannigfach unregelmässigen Krümmungen regellos auf dem Boden umher-
liegen. Die zapfenartigen monöcischen Blumenstände erheben sich aus Gruben
in den Blattachseln.
Da es an vergleichbaren Verwandten der Welwitschia an anderen Stand-
orten durchaus fehlt — die übrigen Gnetaceengattungen sind ganz abweichend
gestaltet — , so wäre die Frage nach dem Antheil, welcher an der Ausbildung
dieser sonderbaren Pflanzenform den klimatischen Bedingungen zukommt, eine
J) Scott -Elliot.
Fig. 362. Südwestafrikanische Wüste: Welwitschia mirabilis auf sandig - steinigen Ebenen nördlich
von Tsoaaub, Damaraland. Nach einer Photographie von Herrn Dr. A. Schenck.
^ig- 3°3- Südwestafrikanischc Wüste: Flussbett des Khusub bei üagugam, Namaland. Links
Acacia giraffae, in der Mitte Euclea pseudebenus, rechts Acacia spinosa. Nach einer Photo-
graphie von Herrn Dr. A. Schenck.
IX. Die Wüsten.
663
mtissige. Jedenfalls erscheint die einzig dastehende Structur und die Art
ihrer Entwicklung mit den Lebensbedingungen in der Wüste in vollstem
Einklang.
Die Naras, Acanthosycios horrida, steht im System weit weniger isolirt
da, so dass die Abweichungen ihrer vegetativen Organe von denjenigen anderer
Cucurbitaceen sich zum grossen Theile auf Anpassung an das Klima zurück-
fuhren lassen. Während die Welwitschia auf Steinboden zwischen den Sand-
dünen beschränkt ist, bekleiden die bis 1 */2 m hohen struppigen Narasbüsche
deren Gipfel und Abhänge. Die weit verzweigten grünen, sehr festen, bis
2 cm dicken Achsen tragen in der Achsel rudimentärer Blätter gegenständige
kräftige Dornen. Die Sprosse werden, wie bei den meisten anderen Wüsten-
Fig. 364. Aus der südwestafrikanischen Wüste.
Sarcocaulon Marlothi Engl. Hereroland. Nat.
Grösse. Nach Engler.
Fig. 365. Sarcocaulon sp. Harzhülle
des Stengels. 2/8 nat Gr.
pflanzen, durch die Wurzeln weit übertrofFen. Letztere sind armsdick und
oft über 15m lang. Die Blüthen bieten nichts Bemerkenswerthes ; die Früchte
sind grossen Apfelsinen oder besser Pampelmussen an Grösse und Form
vergleichbar.
In vollendeter Weise ist die Pflanze den so ungünstigen Existenz-
bedingungen angepasst Die Wurzeln wachsen in die Tiefe, bis sie das für
das Leben der Pflanze unumgänglich nothwendige Grundwasser erreichen ; der
allerdings reichliche nächtliche Thau, welcher die Existenz mancher kleinen
Kräuter ermöglicht, ist, da er den Boden nur oberflächlich benetzt, für die
Naras nutzlos. Ist aber die Verbindung mit dem Grundwasser hergestellt, so
zeigt die Naras lebhaftes Wachsthum und grosse Zähigkeit. An windigen
Standorten auf losem Sande wachsend, wird sie häufig vollständig verschüttet,
664
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
doch bald ragen ihre Zweige wieder frei empor und wird so allmählich zum
Mittelpunkt eines Dünenhügels, dessen Gipfel der grüne Narasbusch krönt
Die Aeste sind in vollkommenster Weise gegen übermässige Verdunstung
durch mannigfache Vorrichtungen, wie einen mächtigen Sklerenchymring — der
auch die nothwendige Biegungsfestigkeit bedingt — , Reduction der Inter-
cellularen, wasserhaltiges Hypoderma, vertiefte Lage der Spaltöffnungen, dicke
Cuticula und Wachsschicht geschützt. Die sehr saftigen Früchte wachsen und
reifen zu der Zeit, in welcher das Grundwasser am reichlichsten vorhanden ist
Fig- 366. Welwitschia mirabilis.
Intensiv bittere Stoffe schützen sämmtliche Theile der Pflanze gegen die
Fressgier der Thiere, verschwinden jedoch in den reifen aromatischen Früchten,
deren Verbreitung durch Schakale geschieht
§ 4. Australische Wüste. Ueber die Formationen der australischen
Wüste liegen brauchbare Mittheilungen nicht vor. Die dürftig bewachsenen
oder unbewachsenen Flächen scheinen von denjenigen, die von „Scrub"
bedeckt sind, sehr zurückzutreten. Triodia -Arten, in Südaustralien auch
Spinifex hirsutus (Fig. 368), bilden auf Sandboden die Hauptbestandtheile
IX. Die Wüsten.
665
der Vegetation, während verkrüp-
pelte Eucalypten hier und da auf-
treten und salzige Standorte von
Chenopodiaceen und Zygophylla-
ceen bewohnt sind.
2. Die Wüsten Ämerika's.
§ I. Die nordamerikanische
Wüste. Das breite Thal zwischen
Sierra Nevada und Rocky Moun-
tains, bezw. ihren südlichen Fort-
sätzen, in welchen die Staaten
Nevada und Utah, das westliche
Arizona und das südliche Califor-
nien liegen, besitzt ein typisches
Wüstenklima mit weniger als 20 cm
jährlichen Niederschlägen, die im
südlichen Theile vorwiegend im
Hochsommer, im mittleren und
nördlichen jedoch mehr im Winter
fallen, aber anscheinend keine
grosse Regelmässigkeit zeigen. *)
Die Lufttrockenheit ist eine sehr
grosse. Der nördliche hochgelegene
Theil hat kalte, der südliche tiefge-
legene milde Wintertemperaturen;
die .Sommertemperaturen sind na-
mentlich im Süden sehr hoch und
stellenweise die höchsten, die über-
haupt in Nordamerika vorkommen.
In den gleichen Breiten wie
die Wüste ist am östlichen Abhang
der Rocky Mountains, namentlich
in den westlichen Theilen von Süd-
Dakota, Wyoming, Nebraska, Kan-
sas, Colorado und im östlichen
Neu -Mexico, das Klima weniger
regenarm und von Grasflurcharakter,
so dass thonige oder thonlehmige
Bodenarten sich mit Steppen über-
aß- 367- Harpagophytum pinnatifidum Engl.,
eine südafrikanische Knollenpflanze. Griqua-
land. Nach Engler.
*) Vgl. Hann, Handb. m, S. 289 n. Atlas XI u. XII.
Fig. 368. Australische Wüstenflora: Spinifex hirsutus. A Vegetativer Spross. B Frachtstand.
2/8 nat. Gr.
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IX. Die Wüsten.
667
ziehen, sobald hingegen der Boden durchlässiger wird, reichen die noch
sehr massigen Niederschläge nicht mehr hin und der Wüstencharakter
Fig. 370. Aus der nordamerikanischen Wüste: Sarcobatus Baileyi Cov. Nach Coville.
tritt mehr oder weniger typisch zum Vorschein. Dieses ist namentlich
der Fall in den sogenannten „bad lands" (Süd-Dakota, Nebraska) und
im Llano Estacado von Neu -Mexico.
668
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Klima der nordamerikanischen Wüste.
Mittlere monatliche Regenmenge in zehn Stationen
(in englischen Zoll, I Zoll = 25 mm 40).
(Californien: Barstow, Bishop Creek, Camp Cady, Camp Independence.
Daggelt, Fenner, Keeler, Needles. — Nevada: El Dorado Canon. —
Arizona: Yuma.)
Januar . . I
0.638
0.609
Mai . . .
Juni . . .
Juli . . .
August . .
. i1 0.318
. • 0.035
. 0.218
0.300
September .
October . .
November .
December .
0.141
Februar . . .
. 0.184
März . . . . 1
0.642
. 0.278
April . . . . ,
0.165
1.627
Jahr: 5.155 inches = 13.09 cm.
Temperaturverhältnisse
in Ut
ah
und S.-W
.-Arizona.
1 Januar
• —3.0
April ;
9.6
Juli
24.1
Octbr.
Salt Lake
City (400
46' N., 1300 m ü
. M.)
IO.S
Fort Mohave in Arizona (350 6' N., 180 m ü. M.) ; 11.2 | 23.2 j 34.7 23.8
Klima von Death Valley (Californien, Furnace Creek).
(360 4' N., 1160 51' W., ca. Meeresniveau. 1891.)
Temperatur
! Mittlere |Tägliche
Extreme
Absol.
Maxim.
Relative 1
Feuchtigkeit'
Mittel! 5 p. summe
Regen-
Bewöl-
Wind-
Geschwind.
pr.m in See. ^^>
3.0
Mai
36.1
21. 1
40.6
26
18
4.6
44
J^i '
41. 1
25.0
50.0
20
14
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47
Juli '
46.7
30.6
50.0
20
13
9-4
41
August . . . . |
46.1
28.3
50.0
21
13
15-2
4.6
September . . . (
40.0
24.4
48.3
27
20
5.1
5°
31
J."5
2.8
Vom 30. Juli bis 9. August stieg die relative Feuchtigkeit bei den
Nachmittagsbeobachtungen nicht über 13% hinaus, das Mittel war 8°/0. AbsoL
Minimum d. relat. Feucht.: 5°/0 bei 440 C. — Wahrscheinliche jährliche Regen-
menge: 114 mm. Meteor. Zeitschr. 1893, S. 19 u. f.
Die einzige auch ökologische Verhältnisse berührende Arbeit über
die nordamerikanische Wüste westlich von den Rocky Mountains ist
der Bericht Coville's über seine Reise in Süd-Californien, namentlich im
trockenheissen „Death Valley."
Die nordamerikanische Wüste setzt sich aus mehreren Höhenstufen
zusammen, von welchen nur die unterste, die „untere Sonora- Region",
von Coville untersucht wurde. Dieselbe ist durch zwei häufige und auf
sie beschränkte Sträucher, die Zygophyllacee Larrea tridentata und die
Composite Franseria dumosa charakterisirt und erstreckt sich über den
Fig. 371. Nordamerikanische Wüste: Cereus giganteus im Giladesert.
Nach einer Photographie.
IX. Die Wüsten.
669
westlich von der Sierra Nevada gelegenen Theil Californiens sowie
über Theile von Nevada, Utah und Arizona.
Das Areal ist vornehmlich von ausgedehnten „mesas"1) eingenommen,
deren Boden steinig ist oder sogar aus grösseren Blöcken besteht,
während horizontale, von den Bergen entferntere Flächen gleichmässig
Fig. 372. Washingtonia filifera Wendl. In der süd-californischen Wüste.
Aus „Garden and Forest".
feinkörnige Bodenbeschaffenheit zeigen. Letztere ist kalkig, thonig
oder kieselig, je nach der Felsart, dem der Boden seinen Ursprung
verdankt.
Holzgewächse sind zahlreich, jedoch sämmtlich strauchig, ausser
den Yucca-Arten (Yucca brevifolia2), welche eher als baumartig zu be-
*) Span. : Tisch. 9) Syn. : Yucca arborescens Torr.
670
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
zeichnen sind, Fig. 369 und Y. macrocarpa) und beide auf die höheren
Theile der Region beschränkt sind.
Besonders häufige Sträucher sind ausser den beiden anfangs er-
wähnten: Tetradymia comosa, Acamptopappus sphaerocephalus,1)
Amphiachyris Fremontii, l) Aster mohavensis, Atriplex confertifolia, A.
hymenelytra, Bebbia juncea aspera,1) Cassia armata, Cereus Engel-
manni, Echinocactus polycephalus , Ephedra californica, Hymenoclea
salsola1), Krameria parvifolia, Lycium Andersonii, Opuntia basilaris,
O. echinocarpa, Salazaria mexicana2).
Manche dieser Arten sind , ähnlich wie die Yucca ( an höhere
Regionen gebunden ; einige zeigen sich von edaphischen Einflüssen
'
Fig. 373- Aus der nordamerikanischen W liste: Ufer des grossen Salzsee*, Utah
Nach einer Photographie des Herrn Fr, Socnneeken*
abhängig; so wachst Atriplex hymenelytra nur auf alkali reichem kiesigen!
Boden, Cassia armata auf trockenem Sande.
Die gewöhnlichsten Stauden der Mesas sind Cladothrix oblongifolia *'
Euphorbia polycarpä, Lepidium Fremontii und Mirabilis laevis, während unter
den zahlreichen Annuellen folgende Arten besonders häufig sind: Atrichoseris
platyphylla4), Chorizanthe rigida5),Cleomella obtusifolia6), Encelia erioeephala4 ),
Eschscholtzia minutiflora, Gilia floecosa 7), Leptosyne Bigelovii *), Plantago pa-
tagonica, gnaphaloides und Sisymbrium canescens.
Die felsigen Abhänge der Bergketten tragen nur charakteristische,
in Spalten oder im Schatten der Felsen wachsende Arten:
*) Composit. 2) Labiat. 8) Amarant. 4) Composit. ft) Polygon. 6) Capparid. *) Polemoa.
Fig. 374. Aus der Felsenwüste im nordwestlichen Arizona. Grosser Canon des Coloradoflusses.
Pinus monophylla. Nach einer Photographie.
IX. Die Wüsten.
67I
Sträucher wie Aplopappus cuneatus, Bigelovia teretifolia, Coleosanthus
atractylioides *) und Hofmeisteria pluriseta1); Stauden wie Arenaria macradenia,
Eucnide urens8) und einjährige Pflanzen, wie Macrocalyx micranthus 4), Parie-
taria debilis und Pterostegia drymarioides. 2)
Sehr eigenartige Standorte sind die sogenannten trockenen Seen,
Stellen, wo, nach einem heftigen Regenschauer, das Wasser sich an-
sammelt, jedoch meist, um bald zu verdunsten. Der Boden besteht aus
sehr hartem Thon und ist reich an Alkalien, nicht genug jedoch, um zur
Entstehung krystallinischer Ueberzüge Anlass zu geben. In grossen Thä-
lern, zwischen hohen Bergen, bleibt der Boden an solchen Lokalitäten
beständig feucht und zeigt, wo nicht von Wasser bedeckt, Salzüberzüge.
In solchen Fällen spricht man von Sümpfen. Die trockenen Seen sind
Fig. 375« Nordamerikanische Wüste in Arizona. Artemisia tridentata (Sagebrush).
Nach einer Photographie.
nur an ihrem Rande bewachsen und zwar zeigt sich vornehmlich Ge-
sträuch von Atriplex polycarpa, oft von A. confertifolia und Suaeda
suflfrutescens begleitet. Die Sümpfe zeigen ebenfalls nur an ihren
Rändern Vegetation. Letztere ist aber oft sehr üppig und in sehr
deutliche, zum Theil mehrere hundert Meter breite Gürtel diflferenzirt.
Dem Sumpfe zunächst befindet sich ein Gürtel von Allenrolfea occiden-
talis5). gürtelweise folgen, alle auf von Salz bedecktem Thonboden, zunächst
Juncus Cooperi, sodann, zusammen, Sporobolus airoides und Pluchea. Der
vierte Gürtel zeigt Anhäufungen von Sand um die Pflanzenstöcke herum;
Prosopis juliflora und Atriplex canescens (Fig. 382), zuweilen von Suaeda
suflfrutescens begleitet, bilden hier die Vegetation. Der fünfte Gürtel ist durch
l) Composit. 2) Polygon. a) Loasac. 4) Hydrophyll. ö) Chenopod.
672
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Atriplex polycarpa, der sechste durch Larrea tridentata vornehmlich gebildet.
Dann beginnt die gewöhnliche Mesa -Vegetation.
Die Oasen um Quellen herum und an fliessenden Gewässern be-
sitzen eine Vegetation tropophiler Bäume und Sträucher, wie Populus
Fremontii, Prosopis pubescens,
Salix longifolia, S. nigra, venu-
losa und verschiedene ebenfalls
von denjenigen des Wüsten-
bodens abweichende Stauden.
Die über 1 500 m liegenden,
die obere Sonora-Region bil-
denden Theile der Wüste sind
weniger trocken als die unte-
ren und durch einzeln wach-
sende Bäume von Pinus mono-
phylla (Fig. 371) charakterisirt.
Auch Juniperus californica uta-
hensis ist hier häufig. Die
Gesträuchflora ist von der-
jenigen der unteren Sonora-
Region nicht weniger verschie-
den. Hier ist die buschige
graue Artemisia tridentata häu-
fig (Fig- 375 und 376), ferner
Ceanothus Greggii , Garn a
Veitchii flavescens , Kunzia
glandulosa, Ribes leptanthum,
brachyanthum, Salvia carnosa.
Der Uebergangsgürtel zwischen
dieser Region und derjenigen
der unteren Sonora ist nament-
lich durch Yucca brevifolia
charakterisirt. Noch höher, ent-
sprechend der zunehmenden
Feuchtigkeit, zeigen sich auf
den höchsten Gebirgen der
Wüste Kiefernwälder, welche mit denjenigen der Küstenseite nahe
übereinstimmen.
Die Anpassungen an die klimatischen Bedingungen, namentlich an
die Trockenheit sind denjenigen, die Volkens so genau für die Sahara
dargestellt hat, sehr ähnlich; doch scheinen sie, mit Ausnahme der
vorwiegend auf die obere Sonoraregion und die Salzstellen der unteren
beschränkten Succulenten (Cactaceen, Chenopodiaceen) der Wasser-
Fig. 376.
Artemisia tridentata. Aus der Arizona-
Wüste. Nat Gr.
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IX. Die Wüsten.
673
Speicher zu entbehren. Die Sträucher sind meist dicht buschig, von
rundlicher Gestalt, ähnlich wie in der Sahara und auf feuchterem Boden
bedeutend höher als an den trockensten Standorten. Von den beiden
häufigsten Sträuchern wird Larrea tridentata 1 bis 1 1/2 m, Franseria
dumosa nur 0,3 m hoch, die Dimensionen der anderen Arten schwanken
innerhalb dieser Extreme. Reduction der Laubflächen und dichte
Behaarung, welche der Vegetation eine graue Färbung verleiht, scheinen
die gewöhnlichsten Schutzmittel gegen Transpiration bei den Sträuchern
darzustellen. Dornige Gewächse sind häufig.
Die „Grundwasservegetation" ist ganz vorwiegend strauchig; Stauden
sind relativ selten und nur ganz wenige perenniren durch die unter-
irdischen Theile (Cucurbita palmata, C. foetidissima, Rumex hymeno-
Fig. 378. Wüste in den San Francisco Mts, Arizona mit Agave applanata var. Parryi.
Nach einer Photographie des Herrn Dr. Parry, repr. bei Malford 1. c.
sepalus). Die übrigen Stauden sind an der Basis verholzt und daher
eher als Halbsträucher zu bezeichnen.
Wie in der Sahara, rufen die Frühjahrsniederschläge eine relativ
artenreiche kurzlebige Regenflora hervor, deren Arten, mit Ausnahme
der erwähnten nur unterirdisch perennirenden drei Stauden, sämmtlich
Annuellen sind. Entsprechend der sehr ungleichen Ergiebigkeit der
Regen ist diese Flora, welche im Februar erscheint und im April ab-
stirbt, in verschiedenen Jahren sehr ungleich üppig. So fand, nach Coville,
Herr C. R. Orcutt, in der Colorado -Wüste, einige Wochen nach dem
grossen Februarsturm von 1891, 10 Fuss hohe Stöcke eines Amarantus;
ein Jahr später, bei sehr geringer Regenmenge, sammelte er am selben
Orte fruchtende Exemplare derselben Pflanzenart, die nur 10 cm hoch waren.
Coville sammelte in Surprise Canon (Panamint Mountains), ohne
besonders kleine Exemplare zu suchen , 1 1 mm hohe fruchtende
Schimper, Pflanxengeographie. 43
674
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Exemplare von Lepidium lasiocarpum, 17 mm hohe von Mimulus
rubellus, 16 mm hohe von Draba caroliniana micrantha, 7 mm hohe
von Piptocalyx circumcissus und 9 mm hohe von Stylocline micropoides.
Ebenso wie in der Sahara, entbehren die ephemeren Regen-
pflanzen der nordamerikanischen Wüste der ausgeprägten xerophilen
Structur.
Der durch Mitwirkung von Boden und Klima bedingte wüstenartige
Charakter gewisser Landschaften am östlichen Fuss der Sierra
Nevada erreicht seinen Höhepunkt in den zwischen Missouri und
Fig. 379. Nordamerikanische Wüstenflora : Tetradyma canescens D. C. / anf */, verkleinert-
2 nat. Gr. Kgl. Herb. Berlin.
Platte gelegenen „bad lands", einem nur mit überaus dürftiger Vege-
tation besetzten, reich zerklüfteten und zerrissenen Gebiet, dessen
lockerer, durch jeden Regen tiefdurchfurchter Boden seine Oberfläche
fortwährend verändert (Fig. 377. 380). Oft fehlt auf weiten Strecken
jede Spur von Vegetation. So berichtet Rydberg: „Hier war ein
mehrere „sections"1) grosses Stück Land bestehend aus fortwährend
aufeinander folgenden, durch schmale ^Rücken getrennten Canons.
Nicht ein grüner Fleck war sichtbar."
l) Eine section = 2.59 qkm.
IX. Die Wüsten.
675
Zwei Gewächse bilden die Hauptmasse der dürftigen Vegetation,
Sarcobatus vermiculatus , ein dorniger, 1/a bis I m hoher succulenter
Strauch (Fig. 382, 2, 3) und die weiss wollige Eurotia lanata (Fig. 382, 7).
Wüstenartige Strecken zeigen sich auch auf den Plateaus, am östlichen
Fusse der Rocky Mountains, sobald der Boden durchlässige Beschaffenheit
annimmt , während thonreichere * Böden aus-
geprägt xerophile, wenn auch oft geschlossene
Steppenformationen tragen. Diese dürren Step-
pen, deren Grasarten vornehmlich Buchloe
dactyloides und Bouteloua oligostachya sind,
ernähren oft in sehr grossen Mengen eine
niedere Opuntia-Art mit auf der Kante ge-
stellten Gliedern, Opuntia oligostachya (Fig. 383).
Von Anfang Juli an, nach dem Vertrocknen
und Verschwinden der Gräser, ist die ober-
irdische lebende Vegetation beinahe nur noch
von der Opuntia gebildet; dieselbe bildet
grüne Flecke zwischen den strohgelben Ge-
rippen des Lepidium intermedium (Pfeffergras),
welches solche Formationen häufig in erster
Linie zusammensetzt („Peppergrass - Cactusfor-
mation").
Reinen Wüstencharakter zeichnet die „Halb-
strauchformation" aus, in welcher tiefwurzelnde,
kleinblätterige, stark behaarte Artemisia- Arten
(Sagebrush), namentlich A. tridentata (Fig. 376),
die lockere, durch breite nackte Zwischenräume
unterbrochene Vegetation bilden. Stellenweise
herrschen andere Compositen von nicht minder
xerophilem Gepräge in der Formation vor,
z. B. Eurotia lanata (Fig. 382, 7), Bigelovia gra-
veolens (Fig. 382, 1), Gutierrezia Sarothrae u. a.
Alle diese Halbsträucher werden 1 bis i1/^ m
hoch. Für sandige Flächen ist Artemisia filifolia
charakteristisch; sie bildet, im Gegensatz zu
ihren vorher erwähnten Verwandten, rein grüne,
sehr hohe Büsche. Ei&- 3*1. Aus der nordamerika-
nischen Wüstenflora: Atriplex ca-
§ 2. Die mexikanischen Wüsten und nescens. Nat. Gr.
Halbwüsten. Das mexikanische Hochland
besitzt im Durchschnitt ein trockenes Klima, doch ist dasselbe meist
beträchtlich regenreicher als dasjenige der nordamerikanischen Wüste.
In den in der Literatur befindlichen klimatischen Tabellen wird
man nirgends ein Wüstenklima finden, sondern Regenmengen von
50 cm und mehr, welchen, auch bei hohen Temperaturen, ausser
auf sehr durchlässigem Boden eine weniger dürftige Vegetation ent-
43*
Fig. 382. Aus der nordamerikanischen Wüstenflora.
/ Bigelovia graveolens Grai. 2— 3 Sarcobatus vermiculatus Torr. 4 Halostachy» occidentaJis. j—t> Gram
polygnloides H. et A. 7 Eurotia lanata Mag. Nat. Gr. Kgl. Herb. Berlin.
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IX. Die Wüsten.
677
sprechen muss. Mexiko hat aber ein sowohl in horizontalen als
auch in vertikalen Richtungen ausserordentlich rasch wechselndes Klima
und es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass für die dürrsten, un-
bewohnten Gebiete zahlenmässige meteorologische Daten zur Zeit
noch fehlen. So schreibt Hann über ein Gebiet, in welchem aus-
gedehnte Wüsteneien sich befinden: „In der Umgebung des Pik von
Orizaba herrscht im Sommer der NE Passat, das Land ist bis auf
80 km nach SW. hin trocken und staubig, nur gelegentlich fällt ein
Regenschauer, an der Ostseite regnet es dagegen jeden Nachmittag . . .
Fig. 384. Yucca glauca auf hohen felsigen Ebenen im westlichen Nebraska.
Nach einer Photographie des geolog. Departm. der Univ. Nebraska.
Im Winter fällt kaum ein Regen, im Sommer oberhalb 500 m reichlich,
die SW.-Seite des Berges ausgenommen. Von der Küste bis zu
500 m ist das Land eine Steppe, die Vegetation dürftig.1*
Dem buntscheckigen Klima Mexiko's entspricht eine ebenso bunte
Differenzirung der Vegetationsdecke. Die regenreichen Abhänge der
Gebirge tragen Hochwälder von verschiedenartigem Typus, die trockenen
Abhänge und die Hochebenen hingegen vornehmlich xerophile Dorn-
gehölze mit zahlreichen Succulenten, und diese Formationen gehen, bei zu-
nehmender Trockenheit des Klimas, in Wüsten über. Eine scharfe Grenze
ist natürlich nicht vorhanden und Uebergangsformationen, Halbwüsten,
678 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
sind in allen Abstufungen vorhanden. Edaphische Einflüsse spielen bei der
Gliederung, jedenfalls eine grosse Rolle. Ausserdem befinden sich die
mexikanischen Wüsten meist in hohen Regionen, in welchen die trocknenden
Einflüsse des Höhenklimas (vgl.Abschn.IV) sich bereits geltend machen.1)
Herr Dr. G. Karsten, der gemeinschaftlich mit Herrn Prof. Dr.
Stahl das mexikanische Hochland im Herbst 1895 bereiste, hatte die
Güte mir folgende Aufzeichnungen auf meinen Wunsch mitzutheilen.
(Vgl. Fig. 386-390.)
„Die Kakteen-Agaven Vegetation lernte ich besonders in der Nähe
von Tehuacan kennen. Der Ort hat eine Meereshöhe von etwa 1700 m.
Der Sommer hat warme, sonnige Tage, wenig oder kaum Regen und
im Verhältniss sehr kalte Nächte. Im Winter fällt auch Schnee, der
aber nicht liegen bleibt."
„Die betreffende Vegetation bekleidet die sanft gerundeten Höhen-
züge, die sich an der Strasse nach Esperanza beiderseits hinziehen;
die Süd- und Westseiten sind stets reich, die Nordseiten weisen kaum
einzelne Mamillarien als letzte Ausläufer der Vegetation auf. Der Boden
ist Fels, meist sehr kalkreich. "
„An solchen Hügeln überblickt man weithin die Formen der Boden-
erhebung sehr genau, da nur eine ganz niedrige graue Vegetations-
decke ihn überzieht. Vereinzelt oder zu Gruppen beisammen fallen
die klotzigen Echinocactus ingens - Exemplare auf, wie die mehr im
Thal bleibenden grossen Yuccabestände."
„Bei genauerer Betrachtung besitzt diese gleichmässig graue Vege-
tationsdecke einen staunenswerthen Reichthum: Agaven, Dasylirien
und vereinzelte Erdbromeliaceen , Sedum- und Echeveria- Arten ; dann
zahllose Dornsträucher , besonders Mimoseen, eine Cassia, viele roü-
blätterige, lederige, weiss behaarte Sträucher, meist Compositen, die
einen scharfen, oft insectenpulverartigen Geruch verbreiten, und blatt-
loses Gestrüpp, darunter eine Ephedra. Der Graswuchs am Boden ist
dünn und discontinuirlich. Grüne und weisse oder doch weissliche,
oft langstächelige Mamillarien und dichte Kugelrasen von kleinen Echino-
cactus-Arten, dazwischen oft Tradescantia navicularis, bilden die krautige
Vegetation."
„Bemerkenswerth erscheint mir, dass die Sträucher, besonders auch
vereinzelte grössere Opuntien, stets mit kleinen sparrig-rosettigen Tilland-
sien behangen sind; die Luftfeuchtigkeit kann also nicht so ganz ge-
ring sein. Die tiefe Temperaturerniedrigung der klaren Nächte dürfte
— vielleicht in Verbindung mit der durch die Form der Tillandsien
l) Der nahe Zusammenhang zwischen den mexikanischen und nordamerikanischen
Wüstenformationen veranlasste mich, sie an dieser Stelle, und nicht mit den Höhenfonna-
tionen zu behandeln.
Fig. 385. Dürre wüstenähnliche Steppe. Sybil River, Wyoming. Buchloe dactyloides,
Artemisia tridentata. Nach einer Photographie von Herrn F. E. Marcy.
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IX. Die Wüsten. 679
verstärkten Wärmeausstrahlung — wohl allnächtlich eine Condensation
von Wasser, wenn auch oft nur in geringfügigem Grade, herbeiführen."
„An stärker kalkhaltigen Orten — fast reinweisser Kalkfels —
oberhalb Carnero bei Tehuacan treten Echinocactus robustus mit Mamil-
laria mutabilis maschalacantha auf, ferner eine blattlose besenförmige
Euphorbiacee mit kleinen weissen Blüthen und Pedilanthus - Gestrüpp,
das ebenfalls seine Blätter abgeworfen hat, vereinzelte Bäumchen von
Peireskia spathulata, Agave Corderoyi und die weiss geränderte Agave
Gilbeayi, endlich zahlreiche, nicht näher bestimmte Bromeliaceen mit
scharf dornigen, stechenden Blättern."
„Eine ähnliche, aber ärmlichere Vegetation sah ich dann noch auf
dem Plateau von Oaxaka von St. Dionysio bis Oaxaka selbst (1750 m
bis 1600 m): ganz niedrige silberweisse Mamillarien in grosser Menge,
einem ebenfalls niedrigen Bromeliaceenrasen von grauer bis weisser
Färbung eingesprengt. Es war im November und des Morgens lag
Reif. Mais und Bohnen waren erfroren. Am Tage herrschte eine Tem-
peratur von 15 — 200 C."
§ 3. Südamerikanische Wüsten. Der schmale westliche Wüsten-
strich von Süd- Amerika, von Peru bis Nordchile, hat eine überaus dürf-
tige, Ökologisch noch gar nicht untersuchte Vegetation. Der Wüsten-
streifen östlich der Anden stellt in seinem argentinischen Theile
eine Verkümmerung der Espinalformation dar, ausser auf den aus-
gedehnten salzigen Flächen, welche eine hauptsächlich von Salsolaceen
gebildete Halophytenvegetation besitzen. Folgende Schilderung des
südlichen, patagonischen Theils dieses Wüstengebiets durch Niederlein
giebt einige Vorstellung von den Existenzbedingungen der Vegetation
und berührt die damit zusammenhängenden ökologischen Eigenthümlich-
keiten.
. . . „Man kann den monotonen, d. h. allgemein dürftigen und strengen,
oft unheimlichen Ausdruck der Vegetation verstehen. Denn hier liegt die
traurige patagonische Formation bloss, dort ist für Tausende von Quadrat-
leguas nur dürres Gras und loser, mit Salzen gemengter Sand aufgehäuft.
Darüber wölbt sich ein klarer, kalter, unwirklicher Himmel. Die Sonne brennt
und Cordillerenstürme und Winde vom südlichen Eismeere fegen über die
Steppe und Wüste. Weiter nördlich, und zwar im Nordosten, ist meist erst
der Kampfplatz, wo ein Nord- oder Nordostwind den Sieg erringt. Die Regen
fallen mithin selten. Ihr Wasser ist bald von den flachen Wölbungen in die
Mulden und Senkungen der weiten Ebenen verlaufen oder in die Salzmoräste
der Dünenthäler, wenn nicht in die Lagunen der enorm ausgedehnten Sand-
flächen verflossen. Kein Bach, kein Fluss schlängelt sich zu den wenigen
Strömen; und nur dadurch, dass der rothe und der schwarze Fluss das Hoch-
gebirgswasser in tiefer Rinne hinabwälzen, erreichen sie das Meer. Der Salz-
fluss versiegt inmitten der Wüste. Auch am Abhänge der Cordilleren, da,
wo die Erosion so grossartige Gewaltakte in Millionen Canadas, Klüften und
68o
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
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Fig. 390. Mexiko: Yucca (baumartig), Echinocereus (rechts). Im Hintergrund: Opuntia, fruchtende
Agave. San Geronimo bei Tehuacan.
Nach einer Photographie von Herrn Prof. Dr. E. Stahl.
IX. Die Wüsten. 68 1
Schluchten markirt hat, sucht man vergeblich nach beständigen Bei- und
Zuflüssen. Erst während des Regens wird es lebendig in jenen Grüften.
Dann sickert, springt und rauscht es überall. Sandkorn an Sandkorn wird
fortgeführt, Gerolle rutschen und Schollen und Felsen stürzen. Aus den
Tausenden von sprudelnden Zuflüssen werden zerstörende Bäche. Als reissende,
mit Schutt und anderem Material beladene Flüsse brechen sie aus dem
Schluchtenchaos hervor und sich in den hochgeschwollenen und weit über
die Ufer getretenen Nauquerstrom stürzend, wälzen sie sich ungestüm und
gewaltig weiter bis zum Meere. Doch ist die Wolke entladen, die Nebelhülle
zerrissen und schaut die Sonne in die Tiefen, dann versiegen die Gewässer.
Etwas später herrscht die frühere Ruhe. Nur Winde wehen darüber hin.
Der Boden wird in kurzer Zeit trocken und bald grinst die Oede wieder so
unheimlich wie zuvor. Aehnlich findet man es am Oberlaufe des Rio Co-
lorado. Etwas anders ist es dagegen am Payen und längs der Sierra Roca.
Doch gilt in Gegenden, wo die Erosion nichts Wunderbares zu gestalten
vermochte, wo kein Wässerchen fliesst, keine Berge sind, das Gesagte ebenso
von Steppen und Wüsten. Es bezeichnen mithin die Begriffe zerklüftetes
und hügeliges Cordillerenabfallsland , Stromthäler, Steppen und Wüsten das
geschilderte Territorium, dessen Ausdruck düster und wild ist.
Den terrestrischen und physikalischen Verhältnissen entspricht, wie ge-
sagt, vortrefflich die Vegetation. Starr sind die wenigen Gräser, verholzt
und meist klebrig oder behaart die Stauden; sparrig, struppig und dornig
und durch auffallend geringe Blätterfülle anscheinend todt die meisten durch-
schnittlich i — 3 m hohen Sträucher. Das Ganze bildet mit einigen Aus-
nahmen ein Gemisch hoher und niedriger, ovaler, runder, langgestreckter oder
noch anders geformter, dunkler, graugrüner oder gelbgrüner, lichter (und dann
schattenloser) oder dicht verwachsener Dornhaufen oder gestrüppartiger Holz-
gewächse auf hartem, grauem oder röthlichem Felsgeröll-, Grus- oder Sandboden,
oder auf Dünen, wenn nicht eingeweht vom Flugsande, den die Stürme fast
beständig mit sich führen. Es zeigt sich bald dicht, bald mit enormen Lücken.
Hier stehen die Individuen einzeln, dort gruppenweise oder im Wettkampfe
mit anderen, je nachdem der magere Boden sie nährt und das Grundwasser
ihnen Feuchtigkeit nach oben spendet. Eine Strauchart steigt kräftig, freilich
auch mit dem Ausdrucke verkümmerter Existenzen, empor, eine andere kriecht,
eine dritte ist zu Boden gedrückt, eine vierte zur Zwergform gepresst, eine
fünfte straucht sich zu Polstern u. s. f. Die meisten Gesträuche sind dicht-,
kurz-, aufrecht- und oft krumm verzweigt und ruthig, struppig, dornig, auch
knorrig oder sonstwie verkrüppelt. Nicht selten findet man die älteren Zweige
abgestorben. Schwarzbraun, graugrün oder gelbgrün und meist rauh beobachtet
man die stark verkorkte Rinde; ferner ist sie hier Wachs absondernd, dort
mit harziger oder gummiartiger Sekretion versehen. Die Blätter präsentiren
sich durchschnittlich als winzig und abfällig, zuweilen, wie bei Fabiana Hiero-
nymi Ndzln., als Schuppen, bei Salzsträuchern als fleischig, bei anderen
Büschen als lederartig, hart und bedornt, bei noch anderen mitunter zu Dornen
umgebildet oder prismatisch zu Nadeln geformt, und während die Blätter bei
den Mimosen und anderen Familien periodisch wiederkehren, fehlen sie bei
682 " Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Monthea aphylla, Cassia aphylla und einigen anderen Sträuchern. Von
den Blüthen zeichnen sich nur wenige durch Schönheit, Wohlgenich oder
Grösse aus."1)
Auswahl der Literatur.
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X. Edaphische Wirkungen in den tempe-
rirten Zonen.
1. Allgemeines. 2. Die temperirten Starandformationen. Strandsümpfe, Strand-
wiesen, Dünen. 3. Die Heide. Calluna vulgaris. Existenzbedingungen. Begleitpflanzen.
4. Die Moore. Wiesenmoore und Torfmoore. Das Torfmoos, Sphagnum. Bedingungen
der Ernährung. Fleischfressende Pflanzen der amerikanischen Moore.
1. Allgemeines.
An den verschiedensten Stellen wurde, in diesem Abschnitt, auf
die Rolle des Bodens in der Oekologie und Zusammensetzung der For-
mationen hingewiesen. Es sei erinnert an die Kiefernwaldungen, welche
auf durchlässigem Boden Laubwälder ersetzen, an die Sumpfwälder,
welche in Nordamerika schlecht drainirten, nassen Boden überziehen
(Fig. 48 u. 391), an die zunehmende Ueppigkeit aller Waldformationen
in der Nähe der Flüsse und Seen, wo durch Infiltration der Wasser-
gehalt des Bodens erhöht wird. Die Zunahme des Grundwassers wirkt
in noch auffallenderer Weise in den Grasflurgebieten, wo sie das Auf-
treten von Galleriewäldern längs der flüsse und von Waldparcellen in
Vertiefungen des Bodens bedingt und in den Wüsten , wo sie ein oft
üppiges Vegetationsbild hervorzaubert. Endlich wurde die maassgebende
Bedeutung edaphischer Einflüsse in den Uebergangsgebieten betont , wo,
beispielsweise, kleine Unterschiede der Bodenbeschaffenheit für das Auf-
treten von Gehölz oder Grasflur, oder von Grasflur, bezw. Gehölz und
Wüste maassgebend werden können.
In den soeben erwähnten Fällen stehen Klima und Boden derartig
in Wechselwirkung, dass eine getrennte Behandlung der Factoren bei-
der Gruppen widernatürlich und verwirrend gewesen wäre. Anders
verhält es sich mit den edaphischen Formationen von scharf be-
grenztem lokalem Auftreten, deren Charakter im Gehölz- und Grasflur-
X. Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen.
685
klima, zum Theil sogar im Wüstenklima, im Wesentlichen der gleiche
bleibt und welche selbständige Erscheinungen in den verschiedenen
Fig. 391. Waldsumpf in Louisiana. Baumstämme unterwärts erbreitert. Die Aeste
mit Tillandsia usneoides behangen. Nach einer Photographie.
Fig. 392. Raoulia Haastii Hook, f., im trockenen steinigen Flussbett des Craigieburn River.
Neu -Seeland (S. Insel). Nach einer Photographie des Herrn L. Cockayne.
686 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Gebieten darstellen. Dahin gehören u. a. die Sand- und Kieselformationen
in und an den Flussbetten. Da dieselben in allen Klimaten wesentlich
die gleiche Oekologie besitzen und die letztere bereits früher be-
sprochen worden ist, so soll auf diese Gruppe von Formationen nicht
mehr zurückgekommen werden. Bloss sei noch erwähnt, dass die für
die kühleren Gebiete der südlichen temperirten Zone charakteristischen
niedrigen Polstergewächse, namentlich die Raoulia -Arten Neu-Seeland's,
sehr häufig auf den trockenen Kiesbetten von Wasserläufen auftreten
(Fig. 392).
Charakteristischer sind die Formationen des Meeresstrandes, welche
in wesentlichen Punkten von denjenigen der Tropen abweichen, nament-
lich aber die Heiden und Moore, welche in den tropischen Klimaten
fehlen.
2. Temperirte Strandformationen.
Die Küsten der temperirten Meere bieten den Pflanzen ganz ähn-
liche Standorte wie in den Tropen: Felsige, sandige, thonige Ufer,
stets trockene und zur Fluthzeit überschwemmte Flächen. Hingegen
ist der den verschiedenen Standorten entsprechende Vegetationstypus
weit weniger verschiedenartig, indem zusammenhängende Gehölze,
namentlich die in den Tropen so verbreiteten Mangroven, in Folge der
starken winterlichen Winde fehlen, und die Holzpflanzen in der Regel
auf niedrige zerstreut wachsende Sträucher beschränkt sind.
Der zur Fluthzeit überschwemmte Thon oder thonige Lehm, der
in den Tropen das Substrat der meisten Mangroven darstellt, ist an
temperirten Küsten nur in Aestuarien und an Lagunen bewachsen. In
Mittel- und Nordeuropa ist der erste Ansiedler solcher Strandsümpfe
Salicornia herbacea (Fig. 394 a), ein blattloses, succulentes Kraut, dessen
ausgeprägt xerophile Structur dem hohen Salzgehalt des Substrats,
entspricht. Am Mittelmeer treten an derartigen Standorten andere
strauchige Salicornia -Arten auf (S. truticosa, macrostachya, sarmentosa).
An südeuropäischen Küsten ist der Schlammboden im Bereich der Fluth
oft von einem Gras, Spartina stricta, überzogen. Diese Pflanzen stehen
zur Fluthzeit unter Wasser. Auf etwas höherem, der Ueberschwemmung
weniger ausgesetztem Boden zeigen sich zahlreichere Pflanzen, in Nord-
Europa z. B. Statice Limonium, Aster Tripolium, Obione pedunculata,
Chenopodina maritima, Cochlearia anglica, Juncus Gerardi etc. In Süd-
Europa treten ebenfalls Arten von Statice, Obione und Aster mit den
Salicornien auf, aber zum Theil in anderen Arten und mit ihnen Suaeda
maritima, Inula crithmoides etc. Merkwürdig erscheint das Vorkommen
der stattlichen Phelipaea tinctoria als Schmarotzer der Chenopodiaceen
auf salzigem Schlammboden. Die meisten Arten sind succulent.
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X. Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen. 687
Noch höher gelegener Thonboden ist von Strandwiesen ein-
genommen, welche sich von den benachbarten Wiesen des Binnenlands
durch ihren floristischen Charakter und durch die mehr xerophile Structur
ihrer Gewächse unterscheiden. Vorherrschend ist Festuca thalassica;
mit ihr zusammen wachsen an den nördlichen europäischen Küsten:
Festuca distans, Triglochin maritimum, Samolus Valerandi, Glaux mari-
tima, Trifolium fragiferum etc. Ganz allmählich gehen solche Wiesen
in die nicht salzigen des Binnenlands über.
Der sandige Strand ist, wie in den Tropen, erst oberhalb der
Fluthlinie bewachsen. Da zeigen sich in Nordeuropa zuerst Salsola Kali,
^Bife^.
_*.
*
Fig. 394. Steinige und felsige Küstenpartie am Schwarzen Meere. Pinus maritima.
Nach einer Photographie des Herrn Prof. Kusnezow.
Cakile maritima, Honkenya peploides, Agropyrum junceum. Gewöhnlich
erheben sich hinter dem Strande Dünen, deren äusserste Reihen schwach
bewachsen sind, während die Wiesen eine mit der Entfernung vom Meere
mehr zunehmende Dichtigkeit und Mannigfaltigkeit ihrer Vegetation
zeigen. Die ersten oder doch die vorherrschenden unter den ersten
Ansiedlern sind Psamma arenaria (Ammophila arenaria, der Helm) und
Elymus arenarius (der blaue Helm), deren kriechende und reich ver-
zweigte Rhizome den Dünensand auffangen und befestigen und welche
um so üppiger wachsen, je stärker die Düne fortwährend aufstaubt.1)
l) Buchenau, S. 252.
688
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
In ihrer Gesellschaft wächst bereits auf den äussersten Dünen das
stattliche Eryngium maritimum, Glaucium flavum etc., sowie die Pflanzen
des flachen sandigen Strandes. Auf älteren Dünen zeigen sich an der
Nordsee Hippophae rhamnoides, Salix repens, Rosen, Brombeeren und
zahlreiche Kräuter von nichthalophilen Eigenschaften.
Die südeuropäischen Dünen zeigen ganz
ähnliche Unterschiede der äusseren und inneren
Reihen. Auf den ersteren zeigt sich wiederum
und in der gleichen Rolle wie im Norden
Psamma arenaria. Die dieselbe begleitenden
Gewächse sind theilweise die gleichen wie an
nördlichen Küsten (Eryngium maritimum,
Honkenya peploides, Agropyrum junceum,
Cakile maritima, Salsola Kali, Calystegia
Soldanella), theils sind sie südlichen Arten
angehörig (in Portugal: Artemisia crithmi-
folia, Crucianella maritima, Euphorbia Pa-
ralias, Scrophularia frutescens, Diotis maritima,
Pancratium maritimum).
Als sandbindende erste Bewohner der
Dünen in der Camargue erwähnen Flahault
und Combres: Juncus maritimus, Cynodon
Dactylon, Scirpus Holoschoenus , Eryngium
maritimum, Agropyrum junceum, A. acutum,
A. campestre, Ephedra distachya, Ammophila
arenaria, Echinophora spinosa, Clematis Flam-
mula, Schoenus nigricans, Juncus acutus,
Saccharum cylindricum, Juniperus phoenicea,
Medicago marina, Anthemis maritima, Ten-
crium Polium, Artemisia campestris, Helicbry-
sum Stoechas.
Die felsigen Klippen besitzen eine
weniger ausgeprägt halophytische Flora
als der sandige und namentlich als der
sumpfige Strand und ihre Vegetation
schliesst sich ökologisch derjenigen der
Felsformationen überhaupt an.
Schilderungen der Strand formationen
liegen nur für die europäischen Küsten
Unsere Figur 393 aus Florida und 396 aus Neu -Seeland zeigen.
?V%*/u.4*.
Fig. 394 a. Salicornia herbacea, eine
halophile unbelaubte Fettpflanze.
vor.
dass die dortige Dünenvegetation sich bei ungleicher floristischer Zu-
sammensetzung ökologisch der europäischen nähert.
X. Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen.
689
3. Die Heide.1)
Die Heide ist nur im kalttemperirten Europa, namentlich im Westen
und Nordwesten, in typischer Form und grosser Ausdehnung vertreten.
Sie ist durch das gesellige Auftreten der Calluna vulgaris bedingt,
deren Vorkommen, mit Ausnahme einiger weniger Standorte in Nord-
amerika, auf Europa beschränkt ist und da auch nur in Gebieten des
Seeklimas eine wesentliche Bedeutung erlangt. Andere Ericaceen treten
z. Th. als Nebenbestandtheile der Heide auf; sie bilden aber keine
selbständige Heideformation.
Fig. 395. Düne auf der Insel Fano (Nordsee). Rechts: Elymus arenarius, links: Psamma
arenaria. Nach Warming.
Calluna vulgaris, das Heidekraut, bildet sowohl auf sandigen, wie
auf moorigen Standorten, wenn dieselben sehr kalkarm sind, auf weite
Strecken den Hauptbestandtheil der Vegetation. Der Sandboden, auf
welchem sich Calluna angesiedelt hat, erhält bald einen Ueberzug von
saurem Heidetorf, so dass der chemische Unterschied beider Substrate
nicht gross bleibt. Der Moorboden ist wohl physikalisch nässer als der
sandige Heideboden, aber die freien Humussäuren machen ihn physi-
ologisch trocken. Torf und Sand sind sehr arm an mineralischen
1) Vgl. namentlich Gräbner 1. c.
Schi in per, Pflanzengeographie.
44
ggo Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Nährstoffen, und dieser Umstand kommt der Calluna zu Gute, indem
deren Wurzeln nur in überaus verdünnten Nährlösungen fortkommen, !)
während die meisten anderen Gewächse höhere Ansprüche machen.
Die gleiche Eigenschaft kommt noch anderen Ericaceen zu, welche
daher, theils an trockneren, theils an feuchteren Standorten das gemeine
Heidekraut begleiten (z. B. Arctostaphylos uva ursi, Erica tetralix und im
Westen Erica cinerea, Vaccinium Vitis idaea, uliginosum, Myrtillus).
Aber auch kleine Bäume, Sträucher und Kräuter aus anderen Familien
treten als Nebenbestandtheile der Heide auf, z. B. Juniperus vulgaris,
Sarothamnus scoparius, Genista pilosa, germanica, tinctoria, Cytisus
sagittalis, Betula alba, Salix aurita, repens, Aira flexuosa, Molinia
coerulea u. a. Gräser etc. Alle diese Gewächse kommen ausserdem
noch an anderen Standorten, theils auf trockenem, sterilem Boden,
theils auf saurem Humus, in Mooren und dünnen Waldungen vor.
Das Vorherrschen des immergrünen Heidekrauts verleiht der Heide
einige Aehnlichkeit mit den dürftigsten Hartlaubformationen der winter-
feuchten wärmeren Gebiete. Eine gewisse klimatische Analogie ist
wohl vorhanden; wie die Hartlaubgehölze ist die Heide an feuchte
Winter gebunden und gedeiht nur gut, wo auch im Sommer die Luft
feucht ist. Die Unterschiede sind jedoch überwiegend. Die Hartlaub-
gehölze bilden ausgeprägt klimatische Formationen, welche die von
ihnen bewohnten Gebiete beherrschen und eine weitgehende Un-
abhängigkeit vom Boden zeigen, während die Heide an Sand und
Torf gebunden ist. Ferner sind die Hartlaubgehölze beinahe aus-
schliesslich aus immergrünen Arten zusammengesetzt und letztere
gehören den verschiedensten systematischen Typen, auch solchen an,
die in anderen Klimaten periodisch kahl sind. Bei ihnen ist der
immergrüne Charakter offenbar eine klimatische Anpassung. Die Heide
hingegen enthält zahlreiche winterkahle Formen und die immergrünen
gehören systematischen Typen an (Ericaceen, Coniferen), bei welchen
der immergrüne Charakter erblich ist und sich bei den meisten Arten
unter den verschiedenartigsten klimatischen Bedingungen, auch mitten
unter der laubabwerfenden Vegetation, erhalten hat. Das immergrüne
Laub stellt nicht eine Anpassung an die Existenzbedingungen in der
Heide dar, sondern ein morphologisches Merkmal einiger der die Heide
bewohnenden Pflanzenarten, namentlich der Calluna, und beherrscht nur
wegen des Ueberwiegens der letztgenannten Pflanze die ganze Formation.
4. Die Moore.
Reiche Bildung von Torf auf nassem Boden führt zur Entstehung
der Moore, welche namentlich in kühlen und feuchten Gebieten der
1) Nach Gräbner.
X. Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen. 69 1
kalttemperirten Gürtel grosse Verbreitung besitzen. In den wärmeren
Gürteln kommt es, wegen der rascheren Zersetzung der Pflanzensubstanz,
weniger oft zur Bildung mächtiger Torflager.
Die Moore besitzen eine sehr ungleiche Vegetation, je nachdem
ihre mineralische Unterlage kalkarm oder kalkreich ist. Sie werden im
ersten Falle Hochmoore, im letzteren Wiesenmoore genannt.
Das Wasser der Hochmoore ist kaffeebraun und reich an organischen
Stoffen, indem es neben freien Humussäuren, auch humussaure Alkalien
in Lösung enthält ; letztere treten im Wasser der Wiesenmoore zurück,
indem die Humussäuren unlösliche Verbindungen mit Kalk bilden. Die
Unterschiede der Flora hängen zum grossen Theile mit der ungleichen
Menge des Kalkes in Hoch- und Wiesenmooren zusammen; jedoch
kommt auch der ungleichen chemischen Zusammensetzung der Humus-
stoffe, allem Anscheine nach, eine nicht unwichtige Bedeutung in dieser
Hinsicht zu. Viele sonst bodenvage Pflanzen nämlich, die auf Wiesen-
mooren gut gedeihen, gehen den Hochmooren vollständig ab, indem
sie von den letzteren wahrscheinlich durch die grosse Menge gelöster
Humussalze ferngehalten werden.
So kommen nach Sendtner 33 Phanerogamen, die an anderen Standorten
bodenvag sind, in Bayern auf Wiesenmooren, aber nicht auf Hochmooren
vor, dagegen nur 4 auf Hochmooren, die nicht der Wiesenmoorflora angehören.
Der ausgezeichnete Kenner der bairischen Moore, Sendtner, schil-
dert den ungleichen Charakter der Vegetation der Hoch- und Wiesen-
moore seiner Heimath treffend in folgender Weise:
„Der Unterschied der Vegetation ist gross genug, um dem land-
schaftlichen Gemälde des Ganzen schon in einiger Entfernung einen
veränderten Ausdruck zu geben. Die rothe Sphagnumdecke, grössten-
teils von dichten, oft kaum 1' hohen Wäldern der Filzkoppe (Pinus
montana var. uncinata) überragt, charakterisirt nicht minder als Einzelheiten
die Hochmoore, während die Wiesenmoore weite, nach den Jahreszeiten
verschieden grüne Wiesenstrecken repräsentiren, denen als verkrüppelt
baumartiges Gewächs die Waldföhre (Pinus silvestris) eine von der
Legföhre sehr verschiedene Ausstattung gewährt."1)
Die Charakterpflanze der Hochmoore ist das Torfmoos, Sphag-
num (Fig. 397), in Deutschland und in der Schweiz namentlich Sphagnum
cymbifolium, dessen schwammartige, wasseraufsaugende Polster allmählich
in die Höhe wachsen, während ihre unteren Theile in Torf, sogenannten
Moostorf übergehen. Dieses Aufwachsen verursacht, dass das Moor
sich allmählich über das Niveau des Grundwassers erhebt, namentlich
in der Mitte, da sie dem älteren Theil des Moors entspricht. Die aller-
dings schwache Convexität der Sphagnummoore, — das Centrum kann
l) 1. c. S. 626.
44*
692
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
bis 4 m höher liegen als der Rand, — hat zu ihrer Bezeichnung als
Hochmoore gefuhrt. Vermöge der wasseraufsaugenden Kraft der Sphag-
numpolster bleiben auch die höchst gelegenen Theile des Moors dauernd
von Wasser durchtränkt.
Die Wasseraufsaugung durch die Sphagnen findet theilweise durch Ver-
mittelung capillarer Zellräume, theils äusserlich in den groben Capillaren
zwischen den Blättern statt (Fig. 398); der erstere Modus ist bei den häufigsten der
Hochmoorsphagna der normale und durch das sehr vollkommene Capillar-
system innerhalb der Achsen und Blätter zu grosser Wirksamkeit gebracht
Fig- 396. Strandvegetation Neu-Seeland's (S. Insel). Dünen bei New-Brighton. Rechts: Co-
prosma acerosa A. Cunn., links: Cassinia fulvida Hook, f., auf der Düne Desraoschoenos
spiralis Hook. f. Nach einer Photographie von Herrn Cockayne.
Die Stengelrinde und die Blätter bestehen bei allen Sphagnen aus zweierlei
Elementen, nämlich chlorophyllhaltigen Zellen und plasmaleeren Zellräumen.
Letztere, welche, ähnlich wie die Tracheen höherer Pflanzen, mit faserigen
Verdickungen ausgesteift zu sein pflegen, stehen mit einander und mit der
Umgebung durch runde Oeffnungen in ununterbrochener Communication und
stellen ein System continuirlicher Capillarröhren dar, durch welches das aus
dem Medium geschöpfte Wasser rasch den entferntesten Theilen der Pflanze
zugeführt wird.
Bei Sphagnum cymbifolium und seinen Verwandten sind die oberfläch-
lichen Zellen der Rinde mit zahlreichen nach aussen mündenden Poren
X. Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen. 603
versehen und unten auch durch grössere Oeflhungen verbunden als bei anderen
Arten, wo die hyalinen Zellräume mehr zur Aufspeicherung als zur Fortleitung
des Wassers dienen. Die Wasserbewegung findet bei Sph. cymbifolium, nach
Oltmanns, theils, und zwar vornehmlich, in der Stengelrinde, theils durch die
Blätter statt, deren capillare Zwischenräume den Uebertritt des Wassers aus
dem unteren zum oberen Blatt vermitteln. Bei anderen Sphagnum - Arten
kommt die grobe Saugung in den äusseren Capillaren mehr zur Geltung.
Aehnliche Blattstructur und Wasserbewegung wie bei Sph. cymbifolium,
letztere jedoch nur in den Blättern, zeigt sich bei dem systematisch entfernten,
aber in der Lebensweise übereinstimmenden Leucobryum glaucum, ebenfalls
einem häufigen Moose der Torfmoore, wieder. Dasselbe ist jedoch nicht auf
letztere beschränkt, sondern zeigt sich noch an anderen nassen kalkfreien
Standorten.
Im Uebrigen setzt sich die Flora der Hochmoore theils aus Pflanzen-
arten zusammen, die auch an torffreien, trockenen Standorten vor-
kommen, wie bei uns Calluna vulgaris, Vaccinium vitis idaea, Betula pu-
bescens etc., theils aus solchen, die zwar an Torfboden gebunden sind,
aber auch auf Wiesenmooren vorkommen, wie Drosera rotundifolia und
longifolia, Polygala uliginosa, Comarum palustre, Pedicularis palustris,
Salix repens, die Eriophorum-Arten, viele Carices, theils aus Arten oder
Varietäten, die für das Hochmoor charakteristisch sind, wie Pinus montana
var. uncinata, Drosera obovata und intermedia, Viola palustris, Vaccinium
Oxycoccos, Andromeda polifolia, Betula nana, Rhynchospora alba etc.
Die Vegetation der Wiesenmoore weist eine grössere Anzahl Pflanzen-
arten auf, die auch an anderen Standorten vorkommen, als die Hoch-
moore, was wohl auf ihren geringeren Reichthum an gelösten organischen
Stoffen und ihren grösseren Reichthum an Mineralstoffen zurückzufuhren
ist. Doch besitzt das Wiesenmoor auch seine charakteristischen Arten,
so in Baiern, nach Sendtner: Epilobium palustre und tetragonum, Senecio
aquaticus und paludosus, Gentiana Pneumonanthe , Gratiola officinalis,
Juncus conglomeratus, Rhynchospora fusca, mehrere Carices etc.
In wie fern die charakteristischen Pflanzen der Moore der organischen
Bestandtheile des saueren Humus bedürfen oder nur deswegen auf
dieselben beschränkt sind, weil sie, ähnlich den Halophyten, dieselben
ertragen und bei der geringeren Concurrenz anderer Arten sich zu
behaupten vermögen, ist für manche derselben noch eine offene Frage.
Doch vermögen nachweisbar mehrere typische Moorpflanzen, namentlich
solche des Wiesenmoors, in Cultur auch auf gewöhnlichem Boden zu
gedeihen, wie z. B. Gratiola, die Epilobien etc.
Dass eine Verwendung des Humus für die Ernährung gewisser
Arten der Moorflora stattfindet, geht mit grosser Wahrscheinlichkeit
daraus hervor, dass bei vielen derselben (Ericaceen, Empetrum,
Orchideen) die endotrophische Mycorhiza nachgewiesen worden ist.
Doch scheint auch für die Pilze die Assimilation des Humus im Moor-
694
Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
boden weit schwieriger zu sein als diejenige des milden Humus, indem
die auf letzterem so massenhaft auftretenden stattlichen, chlorophyll-
freien saprophytischen Pilze den Mooren gänzlich fehlen.
Noch in anderer Hinsicht bieten die Moore, namentlich die
mächtigen Hochmoore , dem Pflanzenleben ungünstige Bedingungen,
nämlich in ihrer Armuth an Mineralstoffen, bedingt durch die
grosse Entfernung der Pflanzendecke von der mineralischen Unter-
lage und durch die absorbirende Wirkung des Humus, die ein Auf-
saugen der gelösten Salze erschwert oder unmöglich macht. In der
erdigen Humusschicht, welche die Hochmoore in einer Mächtigkeit
von 2 — 3,5 Fuss überzieht, ist das Verhältniss der organischen Be-
Fig. 397. Sphagnum fimbriatum. Zweig
in natürl. Grösse. Nach W. P. Schimper.
Fig. 398. Sphagnum cymbifolium.
a Chlorophyllhaltige Zellen, w Wasser-
zelle mit Verdickungsleisten und Löchern
L. von der Fläche. L. d. B.
standtheile zu den anorganischen ungefähr 5 : 2 während es in guter
humöser Erde auf etwa 1:2 herabsinkt. Die Torflager der Wiesen-
moore sind weit weniger mächtig und weit reicher an MineralstorTen
als diejenigen der Hochmoore, deren Mächtigkeit in der Mitte 30 Fuss
betragen kann.
Auch in Bezug auf den Gehalt an assimilirbaren Stick-
stoffsubstanzen gehören die Moore, namentlich die Hochmoore,
zu den ärmsten Böden. Stickstoff ist zwar reichlich vorhanden, aber
in der unzugänglichen Form humificirter Eiweisskörper. Nitrificirende
Bacillen sind in Folge der SauerstofTarmuth spärlich vorhanden, und
der Bacillus der Leguminosenknöllchen gedeiht in Torfmooren nicht.
X. Edaphische Wirkungen in den temperirten Zonen. Qg 5
Die eben erwähnten Uebelstände sind bei manchen Moorpflanzen,
namentlich solchen der amerikanischen Flora, bis zu einem gewissen
Grade dadurch ausgeglichen, dass dieselben sich die kleine Thierwelt,
als fleischfressende und fleischverdauende Pflanzen zu
Nutzen machen. Die Moore stellen die Heimath der meisten dieser
merkwürdigen Gewächse dar.
Bekannt ist auf unseren Mooren das Vorkommen der üppigen
Rasen von Drosera, an Stellen wo sonst keine oder nur eine kümmer-
liche Vegetation gedeiht. Auch Pinguicula vulgaris und Arten von
Utricularia sind Bewohner der deutschen Moore. Indess6n kommt die
fleischfressende Flora unserer Moore neben derjenigen der nord-
amerikanischen gar nicht in Betracht. So sah ich auf den Hochmooren
von Massachussets , ausser grossen Droseren, Sarracenia purpurea
und die bodenbewohnende Utricularia cornuta,1) einen wesentlichen
Theil der Vegetation bilden, und in Florida stattliche Insektenfresser,
wie Pinguicula lutea, elatior und pumila, Sarracenia variolaris die
Moorvegetation geradezu beherrschen. Ausserhalb der Moore bewohnen
die fleischfressenden Pflanzen vorwiegend sterilen Sand, also ein
Substrat, welches, wie der Torfboden, durch grosse Armuth an Nähr-
stoffen ausgezeichnet ist. So sah ich in Florida die kleine Utricularia
subulata als einzigen Besiedler von Sandflächen, aus welchen ihre
haardünnen blattlosen Schäfte hervorragten, während die im Boden
verborgenen Blasen des Rhizomsystems beinahe die ganze Nahrungs-
aufnahme besorgten.
Dadurch, dass einige insektenfressende Pflanzen, z. B. Nepenthes- Arten,
auf einem reicheren Substrat vorkommen, wird ihrer Bedeutung für die Flora
steriler Böden kein Abbruch gethan. Uebrigens sah ich einen Nepenthes
(N. melamphora?) in üppigen Exemplaren auf den sterilen Gerollen des
Vulkans Goentoer auf Java.
Auswahl der Literatur.
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6g6 Zweiter Abschnitt: Die temperirten Zonen.
Buchenau, Fr. I. Flora der ostfriesischen Inseln. 1887.
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Dritter Abschnitt.
Die arktische Zone.
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen
auf Vegetation und Flora.
1. Charakteristik des polaren Klimas. Allgemeine Eigenschaften. Sommertempe-
raturen. Unterschiede zwischen der Temperatur der Luft und derjenigen bestrahlter Gegenstände.
Niederschläge. Klimatische Tabellen. 2. Wirkungen des arktischen Klimas auf das
Pnanzenleben. § I. Uebersicht der klimatischen Factoren. — § 2. Vegetations-
zeit und periodische Erscheinungen. Lebensbedingungen der Pflanzen in der Arktis nach
Kjellman. Erwachen der Vegetation aus dem Winterschlaf. MiddendorfTs Beobachtungen.
Reifen der Früchte. — § 3. Wachsthum und Stoffwechsel der Vegetations-
organe. Zwerghafter Wuchs. Wachsthum bei dauernder und unterbrochener Beleuchtung.
Assimilation im continuirlichen Sonnenlicht Durch continuirliche Beleuchtung bedingte
histologische Eigenthümlichkeiten. — § 4. Xerophile Structur der Vegetations-
organe. Xerophile Merkmale durch die Bodenkälte bedingt. Polsterform. — § 5. Re-
productionsorgane. Grosser Blttthenreichthum. Relativ grosse Blüthendimensionen. —
§ 6. Angebliche Schutzmittel gegen Kälte. 3. Floristischer Charakter der
arktischen Lander. Grönlands Flora nach Warming. Spitzbergen^ Flora nach Nathorst.
1. Charakteristik des arktischen Klimas.
Von den beiden polaren Kappen deß Erdballs soll die eine, die
südliche, jeder Vegetation entbehren. Diese Annahme wird vielleicht
durch spätere Forschungen widerlegt werden. Jedenfalls entzieht sich
zur Zeit das südliche Polargebiet der pflanzengeographischen Betrach-
tung. Die arktischen Polarländer tragen hingegen überall, soweit sie
im Sommer eisfrei sind, noch jenseits der Baumgrenze eine artenarme
und dürftige Pflanzendecke.
ßgg Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
Die Baumgrenze bildet in ökologischer Hinsicht die natürliche Süd-
grenze des arktischen Vegetationsgebiets. Sie liegt bald nördlich, bald
südlich des Polarkreises, ersteres in Europa und Asien, letzteres in
Amerika, am nördlichsten an einzelnen Punkten Sibiriens, am südlichsten
in Labrador.
Temperatur und Beleuchtung bieten die Hauptmerkmale des
Polarklimas, erstere in dem langen kalten Winter und dem kurzen kühlen
Sommer, letztere in der langen Winternacht und dem langen Sommer-
tag. Die winterliche Dunkelheit ist für das Pflanzenleben wenigstens auf
dem Festland irrelevant. Auch den tiefen Wintertemperaturen kommt
nicht eine so hervorragende Bedeutung zu, als ihnen z. B. noch Grise-
bach zuschrieb ; sie sind im Allgemeinen nicht einmal so streng als an
manchen Punkten der temperirten Zonen. Von grösserer Bedeutung für
das Pflanzenleben als die Temperaturminima ist die Armuth der Nieder-
schläge im Winter, sind die heftigen Winde, welche die meist nicht sehr
mächtige Schneeschicht zu Haufen zusammenwehen und weite Strecken
bewachsenen Bodens rein fegen. Verhängnissvoll sind ausserdem für
die Vegetation während des Winters die Klarheit des Himmels und die
zeitweise herrschende Trockenheit der Luft, welche so gross werden
kann, dass auch bei der grössten Kälte der Athem sich nicht verdichtet
und der Tabak zu Staub zerfallt.
Der Winter setzt sich weit in die Frühjahrsmonate fort, so dass oft
der März, im nordeuropäischen Polargebiet sogar noch der April, die
grösste Kälte bringen kann. „Im Mai steigt die Temperatur rasch, und
fast überall und stets ist der Juli der wärmste Monat, da im August die
Sonnenstrahlung schon wieder rasch abnimmt" (Hann).
Während des grössten Theiles der drei Sommermonate (Juni, Juli,
August) ist die Sonne über dem Horizont ununterbrochen 65 Tage lang
unter dem 70., 134 Tage lang unter dem 80. Breitegrad.
Die Sommertemperaturen sind in den verschiedenen Theilen des
Polargebiets sehr ungleich, aber nicht so sehr von dem Breitegrade,
als von der Vertheilung von Land und Wasser und von dem Vorhanden-
sein oder Fehlen warmer Strömungen abhängig. Immerhin ist beinahe
überall, auch während des wärmsten Monates, Juli, die Lufttemperatur
eine niedrige. So beträgt sie in Ost- Grönland 3,8° C, in Spitzbergen
(Nordenskjöld) 4,6; an der Westküste von Nowaja Semlja 4,6; in
Boothia, an der Nordspitze Amerika's 5,2: in Grinellland 2,8; in Godt-
haab an der Westküste Grönlands 6,6. Wärmer ist die Nordküste Asiens,
wo das Maximum stellenweise erst im August eintrit, z. B. Tolstoj Noss
(August) 8,8°; Filipows-Koje (August) 10,7; Ussjansk (Juli) 13,4 (Hann
und Woeikof).
Die tägliche Wärmeschwankung an 5 Orten zwischen dem 700 und
750 N. B. beträgt nach Hann: Mai 5,4°; Juni 4,5; Juli 2,4; August 2,9.
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Flora. ßOQ
Die Lufttemperatur, namentlich die mittlere, giebt allerdings noch
weniger als in niederen Breiten eine Vorstellung von der Wärmemenge,
die der Pflanzenwelt thatsächlich zur Verfügung steht. An jenem Pol,
der sein Sommerhalbjahr hat, ist die Bestrahlung vor und nach der
Sonnenwende, also durch 56 Tage, stärker als an irgend einem Punkte
der Erde und während 84 Tage grösser, als die gleichzeitige am
Aequator (Hannj. Allerdings ist die Wärmeabsorption durch die Atmo-
sphäre auf dem langen Wege zum Pole eine weit grössere als auf dem
kürzeren zum Aequator; aber die Lufttemperatur wäre dennoch eine
weit grössere, als sie thatsächlich ist, wenn die Sonnenwärme nicht
zum grösssten Theile zum Schmelzen der Eismassen Verwendung fände.
Der Temperaturunterschied zwischen der Luft und den direkt be-
strahlten Gegenständen ist dementsprechend in den Polarländern weit
grösser, als in Gebieten, die während des Sommers frei von Schnee
und Eis sind. Aus dem gleichen Grunde wird trockener Boden durch
die Sonne stärker erwärmt als solcher, der in geringer Tiefe Grundeis
enthält. Auch werden geneigte Bodenflächen stärker erwärmt als hori-
zontale, wo das Schmelzwasser über dem ewigen Bodeneise stagnirt
und immer wieder von unten gefriert (Hann). Endlich kommt bei ge-
neigten Flächen auch die Stellung zum Horizont wesentlich in Betracht
indem der Boden bei günstiger Lage zum Sonnenlicht unter weniger
schiefem Winkel oder gar senkrecht von demselben getroffen wird.
Folgende Angaben illustriren das über den Temperaturunterschied zwischen
Luft und direkt bestrahlten Gegenständen Gesagte:
„Nach Kane's Beobachtungen an einem geschwärzten Thermometer (im
Vacuum) in Rensselaerhafen (j&1/20 N.) stieg die Temperatur in der Sonne
vom 16. Mai bis zum 4. September stets über den Gefrierpunkt und erreichte
selbst 2i° C. Die Luftwärme dagegen war nur von Mitte Juni bis Mitte
August über o. In der Assistancebai (7 4 2/2° N.) beobachtete man, dass schon
im März bei einer Lufttemperatur von — 31 ° bis — 33 ° C. der Schnee in
der Sonne zum Schmelzen kam, wo er über Steinen oder in der Nähe des
dunklen Schiffskörpers lag." (Hann, S. 745.)
Von der Vega-Expedition wurde auf dem Sandstrande bei Pittlekaj am
8. Juli um 10 Uhr die Lufttemperatur 1 m über dem Boden auf +6.8° G,
an der Oberfläche desselben auf -(-I4-5°» m IO cm Tiefe auf + 230, in
15 cm Tiefe auf -|-i70C. festgestellt. (Kjellman.)
Auch Kihlman widmete dem Gegenstande in Russisch-Lappland seine
Aufmerksamkeit: „Auf dem Tundraplateau bei Orlow beobachtete ich am
10. Mai um 1 Uhr Nachmittags, während der Schnee nur stellenweise ge-
schmolzen war und das Thermometer im Schatten gleichzeitig -\-8 bis 90 C.
zeigte, folgende locale Erwärmungen. In einer horizontalen Flechten-Heide
(Grundeis 5 cm, Schneewasser etwa 20 Schritte entfernt) war die Temperatur
dicht am Boden -|- 1 40 ; 1 dm von der Oberfläche , in gleicher Höhe mit
den Astspitzen der Zwergbirke, 12°- 5 dm von der Oberfläche 90. Ein 3 dm
7oo
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
hoher, mit Empetrum und Cladina bewachsener Torfhtimpel zeigte an seiner
steilen Südseite 24.5 ° (Grundeis 5 cm entfernt). Ein zweiter, 4 dm hoher,
aber weniger steiler Hümpel hatte eine 30.2 ° warme Oberfläche (Grundeis
dicht unter den Reisern). Eine ausgetrocknete Vertiefung des Bodens, von
wasserreichen Hypna bekleidet, war 13.50 C. warm (Grundeis 4 cm entfernt).
In der vorhergehenden Nacht war das Minima-Thermometer auf — 4.30 ge-
sunken, und in der folgenden sank es wieder auf -I-0.50."1)
Derselbe Forscher hat ausserdem instructive Beobachtungen über die
Temperatur des Bodens unter einer Schneedecke angestellt: „Als bisher
wenig oder gar nicht beachteter Factor bei der Verminderung der Schnee-
decke kommt nach meinen Beobactungen noch eine untere Abschmelzung
hinzu. An sonnigen Frühlingstagen sieht man nämlich oft längs dem Saume
der Schneefelder die Unterfläche derselben von dem Boden durch eine
deutliche, mitunter bis decimeterhohe Lufthöhle isolirt; ihre Breite nach innen
beträgt nicht selten 2 — 3 Fuss . . . Bei Gegenständen, die über dem Boden
emporragen, aber noch von dem Schnee vollständig bedeckt sind, ist Aehn-
liches wahrzunehmen. Sobald die zusammensinkende Schneebedeckung, z. B.
oberhalb eines Steines, ein gewisses Maximum von Dicke, das jedenfalls nicht
sehr beträchtlich sein kann, erreicht hat, beginnt eine Unterschmelzung, die
zur Herstellung eines Hohlraums zwischen dem Steine und dem Schnee
führt . . . Trotz, der äusserst geringen Durchlässigkeit des Schnees für Wärme
bleibt wohl eine durch Strahlenabsorption erfolgte Erwärmung der Oberfläche
des im Schnee begrabenen Körpers die einzig mögliche Erklärung des Vor-
gangs. Er ist mit dem von den Gletschereinschlüssen hervorgerufenen Entstehen
prismatischer Hohlräume im Eise ganz analog und auf dieselben Ursachen
zurückzufuhren. Eine Voraussetzung für das deutliche Hervortreten des
Phänomens ist die vorhergehende, mehr oder weniger vollständige Umwandlung
des Schnees in Firnschnee oder Firn ... da wohl dem Firn, der in seinen
physikalischen Eigenschaften zwischen Hochschnee und Eis steht, auch eine
im Vergleich mit dem ersteren erhöhte Diathermaneität zukommt"*)
„Eine direkte Bestätigung dieser Vermuthungen fand ich durch folgende
Beobachtung. Am 11. Mai, einem sonnigen, warmen Tage, wurde Mittags
am Rande einer Schneeansammlung auf einem schwach geneigten, südlichen
Bergabsatz der 2 — 3 cm dicke Eissaum durchlöchert und durch das enge
Loch ein Thermometer eingeschoben, so dass seine Kugel auf der aus filzig
verbundenem Empetrum, Vaccinium und Cladina bestehenden Unterlage zu
stehen kam. Das Eindringen warmer Luft von der Seite wurde so gut es
gehen wollte durch vorgestellte Eisstücke verhindert; die Entfernung der
Thermometerkugel von der Unterfläche des Eises betrug nur etwa 2 cm.
Obgleich nun das Heruntersinken des kalten Schmelzwassers längs der Thermo-
meterröhre nicht gänzlich vermieden werden konnte, hielt sich die Temperatur
längere Zeit auf -(- 7 ° C. Sobald die Eisscholle durch eine gleichdicke
Scheeschicht verstärkt wurde, sank die Temperatur auf 30, später auf -|-i0 C.
Unmittelbar in der Nähe, auf schneefreiem Boden, zeigte ein Thermometer,
dessen Kugel zwischen den Reisern versteckt und vor direkter Besonnung
!) 1. c. S. 31. 2) 1. c. S. 48.
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Flora. 70 1
geschützt wurde, -|-2o0. Die Temperatur der Luft, in gewöhnlicher Weise
gemessen, war gleichzeitig -|-70." (S. 48 — 49.)
So günstige, durch direkte Bestrahlung hervorgerufene Boden-
temperaturen sind von kurzer Dauer, indem die Wolken und nament-
lich die häufigen Nebel die Sonnenscheibe bald wieder verdecken.
Ausserdem sind sie auf eine Oberflächenschicht von geringer Dicke
beschränkt, unterhalb welcher, etwas tiefer, oder etwas weniger tief, je
nach der horizontalen oder schiefen Lage des Bodens, bald der ewige
Nullpunkt erreicht wird.
So berichtet Middendorff: „Auf dem unmittelbar von der Sonne
beschienenen Boden sah ich wiederholt das Thermometer zu Anfang
August bis über 24 ° R steigen, so dass es wohl den dreifachen Betrag
der Luftemperatur erreichen mag. Von der Oberfläche des Bodens bis
in die Tiefe hinein nimmt aber die Temperatur so rasch ab, dass es
in 2 Zoll Tiefe kaum halb so warm, in 4 Zoll Tiefe nochmals halb so
warm ist, etwa nur + 30 R war, während auf if bis i1/«/ Tiefe der
Boden steif gefroren bleibt und seine nähere Umgebung auf dem Gefrier-
punkt erhält."1)
Die Niederschläge sind während der Vegetationszeit gering
(vgl. die Tabellen), aber sehr häufig. Von grosser Bedeutung für die
nur aus seicht wurzelnden Pflanzen bestehende Vegetation dürften die
häufigen, nassen Nebel sein. So sagt Martins von Spitzbergen: „Die
Nebel halten fast beständig an und sind von einer Dichtigkeit, dass
man die Gegenstände auf ein paar Schritt vor sich nicht erkennt;
diese Nebel, feucht kalt und durchdringend, durchnässen oft wie
Regen." 2)
In ähnlicher Weise spricht sich Kihlman über Russisch-Lappland
aus : „Dichter, bisweilen wochenlang anhaltender Nebel, der alles durch-
nässt und zeitweise von feinem Staubregen kaum zu unterscheiden ist,
ist für die Sommermonate der Küstengegenden geradezu charakte-
ristisch."8)
Hann erwähnt den Sommernebel in seiner allgemeinen Charakte-
ristik des Polarklimas als eines häufigen „grossen Uebelstands."
Die folgenden Tabellen weisen in westöstlicher Richtung die kli-
matischen Verhältnisse an einzelnen Punkten der Nordpolarländer auf.
*) 1. c. S, 666.
*) 1. c. Bd. I, S. 83.
8) 1. c. S. 40.
702
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
Tabelle L
Fort Conger (Grinnell-Land). 8i° 44' N., 640 45' W„ Meeresniveau
2 Jahre (1881 — 83).
Te
1 <!
1 Mittel
mperatur
881—82)
Extreme
Rel.
Feuch-
tigkeit
TS M
Ü.
7.9
Wind-
geschwin-
digkeit
Nieder-
schläge
Menge' Tage
Klara
Wetter
Stunden
August . .
0.8
7-7
— 9.1
78
1.8
12 | 7.O
73
September.
| — ".7
— 1.1
— 23.6
84
6.3
1.9
9
i°-5
196
October .
\ — 22.9
—12.8
—35-1
83
4.5
I.I
6
7-5
35»
November .
—31.4
— 19.4
—41.7
—
2.7
0.5
5
4-5
5-5
470
December .
, —35-6
— 23.3
—46.8
—
3-6
O.4
O.4
8
425
Januar . .
1 —39-°
— 23.1
— 50.1
3.4
10
6-5
454
Februar
! — 43-6
—23-3
—52.3
-
2.8
o-3
3 4.5
11 I11.5
4 6.0
426
März .
i ~34-4
— 21.7
—43-8
—
4.9
0.8
286
April . .
— 22.6
IO.I
—41.2
—
3-5
1.1
415
Mai . . .
— 8.1
2.1
— 17.2
79
6.0
i.7
10
9-5
5-Q
9.0
176
Juni. . .
0.6
11.7
— 10.7
79
6.6
2.5
5
140
Juli . . .
2.7
10.2
— I.I
80
7.i
2.0
17
66
Jahr . .
— 2O0.O
1
Maximum
82—83:
II.3
Minimum
82-83:
— 492
100
mm
87.0
1080
Maximum der Sonnenstrahlung im Mai: im Mittel 21° 3. Absol. Maximum 51 ° 4 (Mai 83).
Differenzen zwischen Schatten und Sonne plus 40 — 50 °.
Meteor. Zeitschr. 1890, S. 17 u.f.
Tabelle IL
Godthaab (West-Grönland). 640 11' N., 510 44' W., 26.2 m iL M.
Jahr 1882 — 83.
Jahr
'
T<
Mittel
4-6
jmpera!
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II. 2
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— 0.6
— 2.2
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1 wölkung;
Boden-
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August . . !
5.l] 7-6
34 ! I5| 90
September .
2.7
9.0
7.5
8.0
230 25 , 86
October .
-3-o
6.8
— "•3
6.8
6.0
1.6
18 7 i 78
November.
—7.5
1.8
7-i
6.6
0.2
15 6 74
December .
6.1
— 14.4 1 6.5
7.0
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— 0.3
8 | 5 ' 76
Januar .
—9.7
— 15-5
7-4
— 20.0 - 7.8
— °-5
3 7 81
Februar
2.0
— 24.2
— 23.4
9-4
91
40 ; 10 93_
März . .
— 6.0
-5-6
1 1.2
69 I 17 85
April . .
5-3
— 130
6.9
7.5
— O.I
12 9 84
Mai . .
O.I
71
—3-7
6.2 1 7.0
0.2
33 6 88
Juni . .
2.7
14. 1
—1.9
2.3
°-3
4.8
201 17 87
Juli . .
6.3
14.9
6.2
7.8
187 i 17 89
i
835 134
Meteor. Zeitschr. 1890, S. 143-
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Flora. . 703
Tabelle in.
Sabine-Insel (Ost- Grönland). 740 32' N., 180 49' W.
T
Mittel
e'mperatur
Extreme
Tägl.
Ampi.
Bewöl-
' kung
Wind-
stärke
(1-12)
Stunden-
Nieder-
schlag
December . .
1 —19.3
— 2.9 — 27.8
0.5
6.3
4.1
71
Januar
— 22.0
— 7.3
—33-6
05
3-7
1.6
63
Februar .
, —25-°
— 10.3
— 40.2
I.l
5-3
3-i
47
März
; —23.4
— 12.7
— 340
3-4
4.2
3-5
43
April
— 15-3
— 0.9
—3i.5
5.6
5-i
3-°
38
Mai . .
1 —5.O
+ 5.0
-18.5
5.4
5-2
6.5
3-9
1.9
58
Juni . .
| +2.0
+ 8.0
-3.8
3-9
I-9
88
Juli . .
1 +4.0 +I3-1
— 1.2
3.8
1.2
72
August .
1 +I.I
+ II.5 1 -6-1
4.4
4.5
i.7
37
September
—5-7
+ 5.0
— 11.8
3-o
5-°
2.6
33
October .
— 13.2
—4.4
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43
November
80.3 1
der mensch
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— 25.4
eiern Him
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rr. Gesellsc
0.7
mel. Se
tbar.
h. für Met
5.4
slbst bei
eorologie.
3.6 42
strengster Kälte
1876. S. 123.
Tabelle IV.
Spitzbergen (Mosselbai). 790 53' N., 160 4' E., 12 m ü. M. 1872 — 73.
Mittel
Temperatur
I Extreme
Tägl.
Ampi.
Relative
Feucht.
Bewöl-
kung
December
— n-5
—3-4
+ 36
— 26.6
0.6
~i.3~
86
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5-1
Januar .
-
—13-7
—32.4
7-9
Februar
— 18.1
+ 1.6
-38.2
0.8
1-3
94
6.7
März
— 20.7
—0.4
+0.2
— 38.0
— 32.6
92
97
6.6
April
— 17.4
3-3
6.7
Mai . .
-8.5
+ 3.6
— 19.4
2.7
90
79
8.1
Juni . .
+ 1.1
+ 9-4
—3-9
0.0
1.9
8.2
Juli . .
+ 5.3
+ 12.8
—
—
—
August .
! +2.1
+9.0
+6.1
— 2.6
— *9-o
— 27.2
o-9_
1.0
96
94
—
September .
—4.6
8.7
October
—9.9
—0.6
8.0
November
1 — ".3
+ 2.6
—19-5
0.7
93
7.i
Die im Winter häufigen und starken Südwinde erniedrigen die Feuchtig-
keit um 2o°/0 und erhöhen die Temperatur um 10 — 2o°/0 über den nor-
malen Werth
Zeitschr. d. österr. Gesellsch. für Meteorologie. 1876. S. 123.
704
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
Tabelle V.
Nowaja Semlja (Kleine Karniakul). 790 23' N., 520 36' E„ 7.1 m.
Jahr 1882 — 83.
Temperatur
Mittel Extreme
Relative
Feuchtig-
keit
Wind-
geschwin-
digkeit
Be-
wöl-
kung
Nieder-
schläge
Menge | Tage
Bod
tempe
Oberfl.
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0.8 in
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Septbr. .
— 0.3
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3.i"
— 1 1.0
95
6.0
8.1
32
13
— 2.9
October
-6.5
— 12.0
—23 4
87
82
7-5
8.7
34
12
-6.5
Novbr. .
O.9 | 29.6
7.0
7.3
4
8
— 13.0
Decbr. .
! — »5-3
— 1.8 — 30.0
86
7.6
24 | 23
— 16. 1 — 11.9
Januar .
1 —9.7
— 1.6
— 39-5
82
9-3
6.5
20 | 19
— 22.3
— 16.1
— 11. 1
Februar
0.2
— 28.2
90
8.6
8.1
54
21
— 10.5
März .
—14.9
—2.5
—28.9
79-
9.0
6.2
86
13
— 15-7
— 12.3
April .
-6.4
3-7
— 20.1
80
8.6
7-5
21
13
—6.4
—9.0
Mai
—5.1
9.8 1—17.3
80
8.2
7-7
23
11
—4.2
—7.2
-0.5
Juni
1.2
8.8 : —2.4
87
7.i
8.8
J5
*5
4.1
Juli. .
5-7
15.7 ; —0.6
85
7-1
8.7
50
19
7.0
o-5
August .
5.5
14.9
— o-S
78
6.6
6.9
3
16
10.7
1.2
Jahr . !
366
173
Meteorol. Zeitschrift 1890, S. 210.
*) Bei 1.6 m Tiefe ist der Boden constant gefroren.
Tabelle VI.
Ssagastyr (Sibirien). 730 23' N., 1240 5' E., 4.9 m ti. M. IX. 82 bis VL 84.
Temperatur
Mittel | Extreme
Relative
Feuch-
tigkeit
.112
Be-
wöl-
kung *)
Niede
Menge
(mm)
13
rschl.1)
Tage
Boc
tempe
Oberfl.
ien-
ratur')
«Min
04
— 14.8
—21.7
Septbr. .
1 O.I
|-l7.2
11.0
— 12.3
89
6.7
9.0
14
O.I
Octbr. .
—2.5
— 29.6
90
6.5
7.2
3
7
—15.0
Novbr. .
1— 27.9
-18.3
—36.3
87
5.6
6.0
3
12
—27.5
Decbr. .
—33-6
— 19.4
—492
82
5-3
5.1
6
9
—32.8
Januar .
—36.9
— 42.0
—25.91—47.8
83
4.3
3-7
2.6
1
2
-35-4
Februar
— 27.1 —53-2
81
5-°
0
2
— 39 9 —247
März
— 33-3' — 18.7 — 41.6
84
47
5.6
3-3
0
I
— 32.2 — 22.6
April .
j — 21.0 — 10.2
—32.8
87
5.2
0
O
— 20.4—18.5
Mai . .
; -s.s 3.3
— 24.2
91
6.9
8.6
7
14
-7.8
— 13-4
Juni. .
0.7 12.5
— 12.6
92
6.8
8.4
18
IO
3°
—"•5
Juli . .
1 49
3.5
12. 1
— 0.2
92
8.9
7.6
8.5
7
5
7.0
2.4
August .
12.8
— 1.2
90
7.0
36
8
5-5 2I
94
84
Bei 0.8 m Tiefe ist der Boden, ausser im September, gefroren. — Die
stärksten Winde sind E und ESE, die grösste mittlere Windstärke erreicht
der ESE im Sommer mit nahe 10 m pro Secunde.
*) Die Zahlen stammen aus 1882 — 83. Meteorol. Zeitschrift 1890, S. 218.
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Floren. 705
2. Wirkungen des arktischen Klima auf das Pflanzenleben.
§ I. Uebersicht der klimatischen Factoren. Die Elemente des
polaren Klima's, welche geeignet erscheinen, das Pflanzenleben in tiefer
und charakteristischer Weise zu beeinflussen, können folgendermaassen
zusammengestellt werden:
1) Die andauernde Sommerbeleuchtung: Hemmende
Wirkungen auf das Wachsthum. Förderung der Assimilation, der Bil-
dung von Pigmenten und anderen Stoffen. Beeinflussung der histo-
logischen Structur.
2) Niedere Lufttemperatur des Sommers: Hemmende
Wirkungen auf die meisten Lebensvorgänge, namentlich auf das Wachs-
thum der Laubsprosse.
3) Niedere Bodentemperaturen des Sommers: Hem-
mende Wirkungen auf das Wachsthum der unterirdischen Glieder.
Erschwerung der Wasserabsorption durch die Wurzeln und dement-
sprechend ähnliche Wirkungen wie Trockenheit des Bodens: Hemmung
des Wachsthums der Laubsprosse, Förderung der Bildung der Sexual-
organe, Austrocknungsgefahr.
4) Erwärmung durch Bestrahlung: Zeitweilige Aufhebung
der Wirkungen niederer Luft- und Bodentemperatur.
5) Trockene bewegte Winterluft: Austrocknungsgefahr,
ähnliche Wirkungen wie 3.
6) Kürze der warmen Jahreszeit: Beschleunigung der perio-
dischen Erscheinungen ; Gefahren für die Samenreife ; Beschränkung des
Dickenwachsthums der Achsen.
Es ist zur Zeit noch nicht möglich, den Antheil jedes einzelnen der
eben erwähnten Factoren an den charakteristischen Erscheinungen des
Pflanzenlebens in den arktischen Ländern anzugeben, doch sind, nament-
lich durch die Untersuchungen Kjellman's und Kihlman's, die ersten
Schritte in dieser Richtung zurückgelegt worden.
§ 2. Vegetationszeit und periodische Erscheinungen. Kjellman
stellt die klimatischen Lebensbedingungen der Pflanzen in der gesammten
Arktis folgendermaassen 'dar:
„Die Zeit, während welcher die Entwickelung der arktischen Pflanzen
mit wenigstens einem grösseren Grade von Energie stattfinden kann,
ist auf ungefähr zwei Monate beschränkt, zu denen an besonders gün-
stigen Stellen vielleicht noch einige Tage hinzukommen, wovon in
ungünstig gelegenen Theilen des Gebiets aber auch einige Tage ab-
gehen."
Schimper, Pflanzengeographie. ac
706 Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
„So lange die mittlere Tagestemperatur den Nullpunkt nicht über-
steigt, kann die Entwickelung als nicht begonnen betrachtet werden.
In der letzten Hälfte des Juni trifft dies zwar zuweilen ein, doch ist
aber auch dann die Kälte, besonders während der Nacht, oft gross.
An sonnigen Stellen erwacht wohl die eine oder andere Pflanze zum
Leben, der grösste Theil der Vegetation liegt aber noch im Winter-
schlafe. Erst Anfang Juli thaut die Oberfläche des Bodens auf und
schmilzt den Schnee fort. Am nördlichen Gänsecap, auf der Westküste
von Nowaja - Semlja , unter ungefähr 72 ° n. Br., also in geringer Höhe
gegen Norden, waren im Jahre 1875 sowohl das Binnenland wie auch
die Strandabhänge auf bedeutenden Strecken noch am 23. Juni mit
Schnee bedeckt. Nur dne geringe Zahl von Pflanzen war in der Ent-
wickelung begriffen, und diese befand sich noch im ihren ersten An-
fange. Bei Pitlekaj, dem Ueberwinterungsplatze der Vega -Expedition,
wurde die erste Blüthe für das Jahr am 23. Juni gesehen. Der Monat
September kann der Vegetationsperiode der arktischen Pflanzen nicht
zugezählt werden : der Frost hat dann schon seinen Anfang genommen
und Schneefall hat sich eingestellt. Als die schwedische Expedition
von 1872 — 1873 am 3. September an der Mosselbai, an der Nord-
küste von Spitzbergen ankam, waren bereits alle kleineren Wasser-
ansammlungen mit Eis bedeckt und die Pflanzen auf dem Lande
erfroren. Im Jahre 1875 hatte bei Matoschkin- Schar, der Strasse,
welche die beiden Hauptinseln von Nowa- Semlja von einander trennt,
der Winter sich schon in den ersten Tagen des September ein-
gestellt. Die ganze Landvegetation war in den Winterschlaf versenkt
und die den Sund umrahmenden Felsen mit Schnee bedeckt.
Während des ganzen Monats September konnten von der Vega-
Expedition auf der Nordküste von Sibirien nur Pflanzen eingesammelt
werden, die ihre Thätigkeit für dieses Jahr bereits abgeschlossen
hatten.1)
Nach sämmtlichen Augenzeugen wird die Vegetation wie durch
Zauberschlag aus ihrem Winterschlafe geweckt. Kjellman schildert den
Anfang der Vegetationszeit folgendermaassen :
„Es ist hier nicht so wie unter südlicheren Breitegraden, wo die
eine Art nach der anderen allmählich zur Entwickelung gelangt; es
giebt im hohen Norden nicht, wie weiter im Süden, eine aus verschie-
denen, zu einer bestimmten Zeit blühenden Gewächsen zusammen-
gesetzte, schärfer begrenzte Frühlings-, Sommer- und Herbstflora. In den
Polargegenden kommt alles oder doch fast alles gleichzeitig zum Leben,
die Entwickelung beginnt überall in dem gleichen Stadium und schreitet
mit gleicher Schnelligkeit fort, so dass auch beinahe das ganze Blüthen-
*) 1. c. S. 45o—45».
L Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Floren. 707
wachsthum auf einmal und zwar gleich im Beginn der Vegetationsperiode
mit einem Sommerkleide geschmückt ist."
„Bei Pitlekaj, also unter einem verhältnissmässig südlichen Breite-
grade, war während der ganzen ersten Hälfte des Juni die mittlere
Temperatur der Luft 6°. Am 2. Juni zeigte das Thermometer — 14,3°
und die mittlere Temperatur belief sich an diesem Tage auf — 9,4°.
Noch am letzten Tage des Juni ging das Thermometer in der Nacht
auf —1,8° herab und die Mitteltemperatur war unter Null."
„Am 2. Juli war die Temperatur der Luft um Mitternacht — 1°
und in den ersten neun Tagen dieses Monats wechselte die Temperatur
zwischen 6° und +4°C. Längs der ganzen Küste und weit ins Meer
hinaus lagen mächtige, undurchdringliche, ungebrochene Eismassen. Auf
einem steil gegen das Meer abfallenden, gegen Süden gekehrten Strand-
abhang und auf dem umliegenden Flachlande war am 10. Juli das Aus-
sehen der Vegetation folgendes: Die ganze Salixvegetation, aus mehreren
Arten, wie Salix artica, Salix boganidensis , Salix reticulata u. a. , be-
stehend, war allgemein in voller Blüthe. Betula glandulosa, eine unserer
Zwergbirke sehr ähnliche Art, war neu belaubt und blühte. Ledum
palustre hatte seine Blüthenstandknospen geöffnet und seine Blüthen-
knospen aus ihrer Umhüllung hervorgestreckt. Polygonum polymorphum
hatte vollkommen entwickelte Blätter und sichtbare Blüthenstände.
Cassiope tetragona und Diapensia lapponica standen an günstigen
Stellen in vollem Flor . . ."
Nicht minder anschaulich wird von demselben Forscher der Schluss
der Vegetationszeit dargestellt:
„Eine arktische Landschaft bei Einbruch des Winters gleicht am
meisten einer südlichen Gegend, welche durch eine heftige Frostnacht
verheert worden ist, noch ehe der Winter zu erwarten war. Viele
Pflanzen sind in den Schlaf versetzt worden, während sie noch in voller
Entwicklung begriffen waren. Sie stehen jetzt da mit erfrorenen,
lebenskräftigen Blättern, mit schwellenden Blüthenknospen in den
Blütenständen, mit halbgeöffneten und ganz ausgeschlagenen Blüthen,
mit halB oder beinahe ganz reifen Früchten. Die Ruhe ist nicht nach
vorhergegangener Vorbereitung eingetreten. Während die Pflanzen in
voller Thätigkeit waren, wurden sie von der erstarrenden Kälte ge-
lähmt."2)
Folgende Stelle in MiddendorfTs häufig citirtem Werke stellt in an-
schaulicher Weise den Einfluss.der Sonnenstrahlung auf die Vegetation dar:
„Am 14. April n. St. befand ich mich am Jenis'ej, beim Kirchdorfe
Düdino . . . die Landschaft lag hier noch in tiefer Winterlichkeit begraben,
und der helle Schein der fast ununterbrochen über dem Horizonte weilenden
!) L c. S. 468. 2) 1. c. S. 475—476.
45 '
7o8
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
Sonne vermochte dennoch die Lufttemperatur im Schatten nicht über i6°bis
2o° R. Frost während der wärmsten Mittagsstunde zu erheben. Vor und nach
dieser Stunde hielt sich das Thermometer recht regelmässig zwischen — 230
Fig. 400. Winterknospe von Primula nivalis, durchschnitten. Nat. Gr. Nach Kjellman.
bis — 300 R. Ich machte mich auf, die Gegend zu mustern. Wo sich der
Schnee gesackt hatte oder vom Winde abgefegt war, da brachen die hervor-
ragenden Aeste der Strauchweiden, über die ich fortrutschte, unter meinen
Schneeschuhen wie Wachs. Sie waren steif gefroren und auf dem Bruche
L Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation uno Floren. 709
sichtlich von eisigem Saft durchsetzt. Plötzlich hielt ich ganz überrascht inne,
denn vor mir gucken, theils unmittelbar aus dem Schnee, theils nicht mehr
als i1/^ Zoll über die Schneefläche hervorragend, silberweisse Weidenkätzchen
im Glänze vollendeter Entwickelung hervor. Nur ein paar Zoll tiefer abwärts
im Schnee waren dieselben Zweige, die diese Kätzchen trugen, unterhalb
wiederum steif gefroren; um so mehr aber die ganz im Schnee begrabenen
Aeste, der Stamm und die Wurzeln des Strauches." !)
Das überraschend schnelle Erscheinen der Blätter bei Beginn der
wärmeren Jahreszeit hängt mit dem Umstände zusammen, dass sie schon
in der vorhergehenden Vegetationszeit angelegt und vollkommen dif-
ferenzirt werden (Fig. 400), so dass die ersten wärmenden Strahlen der
Sonne nur die zur Streckung der Glieder nöthige Kraft zu liefern haben.
Bunge berichtet über das Erwachen der Vegetation in Ssagastyr (vgl.
Tabelle VI): „Am Morgen des 28. Mai 1883 erhob sich die Temperatur
zum ersten Male wieder nach 250 Tagen ununterbrochenen Frostes über den
Gefrierpunkt. Am 29. Juni fand ich die ersten blühenden Pflanzen: Chryso-
splenium, Draba, Rhododendron (?)." *)
Ueber Fort Conger (Tabelle I) wird berichtet: „Am 1. Juni kam Saxi-
fraga oppositifolia in Blüthe, drei Tage später blühten die Kätzchen von
Salix arctica, am nächsten Tage Oxyria reniformis, am 11. Juni Cochlearia
nudicaulis, am 21. Papaver nudicaule." 8)
Trotz der Kürze der Vegetationszejt fehlt es sogar in der hoch-
arktischen Flora nicht an Arten, die schon lange vor Ende des kurzen
Sommers ihren Vegetationscyclus mit der Bildung reifer Samen ab-
schliessen. So hatten, nach Middendorff, im Taymirlande, Ranunculus
nivalis und Androsace septentrionalis am 27. Juli schon reife Früchte,
und die Blüthen von Sieversia glacialis waren schon am 10. Juli ver-
welkt, obwohl diese Pflanze nicht zu den ersten gehört, die sich regen,
sondern erst drei Wochen vorher aus ihrem Winterschlaf erwacht war.
Kjellman erwähnt als Pflanzenarten, die schon früh reife Früchte hervor-
bringen: Chrysosplenium alternifolium (Ende Juli); Caltha palustris,
Ranunculus pygmaeus, R. nivalis, Cardamine bellidifolia (August).
Von den klimatischen Existenzbedingungen der Vegetation in Nord-
sibirien (Taimyrland) giebt folgende Stelle aus demselben Werke eine Vor-
stellung: „Am 10. Mai erhob sich die Temperatur zur Mittagszeit zum ersten
Male, und zwar um drei Grade, über den Gefrierpunkt; doch wechselten so
warme Tage bis Ende des Monats mit einer grösseren Anzahl kalter Tage,
an denen die Temperatur um die Mittagszeit 71/*0 unter Null stehen blieb.
Bis zu Mitte Juni gab es noch zur kleineren Hälfte Tage, an denen es um
Mittag bis 20 kalt war. Erst von Mitte Juni an begann der Sommer; denn
von nun an, den ganzen Juli und August hindurch, bis zu den ersten Tagen
*) 1. c. S. 653.
*) Meteorol. Zeitschr. 1890, S. 216.
8) Ibid. S. 17.
7io
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
des September n. St war die Luft im Schatten stets über den Gefrierpunkt
erwärmt, so dass die Durchschnittstemperatur des Juni sich +i1/2° R-> diejenige
des Juli +7V20» des August S1^0, des September aber schon fast — iV^R.
herausstellte." *)
§ 3. Wachsthum und Stoffwechsel der Vegetationsorgane. Nie-
driger, ja zwerghafter Wuchs ist die gemeinsame Signatur der arktischen
Vegetation. Die Bäume an der Baumgrenze werden, bevor sie ganz auf-
hören, zu Miniaturgestalten und die Sträucher und Kräuter der Tundra
erheben sich, ausser an geschützten Stellen, meist kaum zu Fingerhöhe
über den Boden. Der Vergleich zwischen Individuen derselben Art in
Skandinavien und den arktischen Gebieten zeigt, wie aus folgender
Tabelle hervorgeht, dass die geringe Grösse nicht eine Arteigenthüm-
lichkeit, sondern eine aus den Existenzbedingungen hervorgegangene
Reduction darstellt.
Matricaria inodora
Artemisia vulgaris .
Saussurea alpina .
Solidago virgaurea
Pedicularis palustris
Comarum palustre
Parnasia palustris .
Epilobium palustre
Polygonum viviparum
Skand.
Pol. Geb.
7-*
Fuss
2 Zoll
2—4
„
4 — 5 n
1 — 2
tt
2—3
»
1 — 2
tt
3—4
t
V.-«
tt
2—3 1
•
I 2
tt
4—5
;
V,-«
tt
1
tt
I 2
tt
2
tt
8 — 12
Zoll
2—3
t
Die Reduction erstreckt sich auf das Längen- und Dickenwachs-
thum der oberirdischen Achen sowie auf das Flächenwachsthum der
Laubblätter. Die Wurzeln hingegen scheinen, ähnlich wie bei Pflanzen
trockener Standorte, relativ grosse Dimensionen zu erreichen.
Von der Kleinheit der Laubtriebe in der Tundra geben einige von
Kjellman angestellte Messungen eine Vorstellung. Anfang August, zu
einer Zeit, wo die Jahrestriebe ihre volle Länge erreicht hatten, schwankte
die letztere bei Salix polaris meist zwischen I und 5 mm und erreichte
nur in einigen Fällen 9—1 1 mm. Jeder Jahrestrieb besass zwei oder
drei Laubblätter, deren Länge zwischen 7 und 1 1 mm und deren Breite
zwischen 5 und 11 mm schwankte. Die Jahrestriebe von Ledum pa-
lustre, welche noch bei Haparanda, also nur wenig südlicher, 130 mm
Länge erreichen, waren in Pitlekaj 8 bis 30 mm, im Mittel ungefähr
20 mm lang; ihre Blätter waren klein und schmal. Die Blätter von
Vaccinium vitis idaea waren kaum 4 mm lang und 3,5 mm breit, die-
jenigen von V. uliginosum selten mehr als 5 mm lang. Die Krauter
erscheinen meist weniger reducirt und einige, wie Sieversia glacialis,
*) 1. c. S. 656.
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Floren. 711
Nardosmia frigida und Saxifraga punctata erreichen sogar ziemlich statt-
liche Dimensionen.
Das secundäre Dickenwachsthum der Achsen nimmt nordwärts noch
schneller ab als ihr Längenwachsthum, so dass Middendorff die letzten
der aufrechten Bäume wegen ihrer schlanken Gestalt zuerst für junge
Bäume hielt. An der äussersten Grenze jedoch wird auch das Längen-
wachsthum stark beeinträchtigt.
Fig. 401. Links: Vaccinium uliginosum. Rechts: Vaccin. Vitis idaea von der Insel
Waigatsch. Nat. Gr. Nach Kjellman.
Messungen der Zahl und Dicke der Jahresringe in der Nähe der
Baumgrenze sind namentlich von Middendorff und von Kihlman an-
gestellt worden. Der letzterwähnte Forscher fand z. B. in dem zu
unterst 83 mm dicken Stamme eines Wachholderbäumchens 544 Jahres-
ringe von durchschnittlich 0,19 mm Breite. Bei den Sträuchern musste
die Zählung unter dem Mikroskop geschehen; oft (Empetrum, Vaccinium
uliginosum) war der Jahresring in radialer Richtung nur von einem
Gefäss und einer Holzparenchymzelle gebildet. Diese Aufzeichnungen
712
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
beziehen sich auf den subarktischen Gürtel. Ueber Alter und Dicken-
zuwachs der Zwergsträucher der Tundra sind Angaben nicht vorhanden.
Die Frage, welche Ursache die Verminderung der Wachsthums-
intensität veranlasst, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten, da, wie
vorher gezeigt wurde, die arktische Vegetation drei verschiedenen
wachs thums feindlichen Factoren, der niedrigen Sommertemperatur, der
physiologisch wie Trockenheit wirkenden Kälte des Bodens und der
andauernden Beleuchtung ausgesetzt ist.
Von diesen drei Elementen kommt das letzterwähnte, die Länge
des Polartages, wie Versuche Kjellman's zeigen, wohl in Folge der
Absorption durch die Atmosphäre, im Schatten nicht merklich zur Gel-
tung. Im ununterbrochenen Tageslichte gezogene Pflanzen wurden sogar
beträchtlich grösser als solche, die durch künstliche Verdunkelung dem
Wechsel von Tag und Nacht ausgesetzt wurden. Das ergiebigere Wachs-
thum im ersteren Falle ist natürlich nicht eine
direkte Lichtwirkung, sondern die Folge stär-
kerer Ernährung durch ununterbrochene Assi-
milation. Ueber die Wirkungen des direkten
Sonnenlichts fehlt es an Versuchen.
Die Versuchspflanzen Kjellman's blieben theils
unbedeckt, theils wurden sie täglich während
1 2 Stunden (8 p. m. bis 8 a. m.) verdunkelt Als
erstes Objekt wurde Lepidium sativum ausgesät
Nach zwei Monaten, während welcher die Pflänz-
chen sich ganz normal entwickelt hatten, betrug
das Gewicht der 15 grössten der constant be-
Fig. 402. Salix polaris. leuchteten Pflanzen 3,78 g, dasjenige der zeit-
Nat- G*- weise verdunkelten 3,53 g; die Maximallänge war
in der ersten Gruppe (gemessen vom Haftpunkte
des. Keimblattes bis zur Spitze des längsten Laubblattes) 110 mm und die
Durchschnittslänge 95,2 mm, während die entsprechenden Zahlen in der
zweiten Gruppe 94 mm und 75 mm waren.
Zu viel ausgeprägteren Unterschieden zu Gunsten der ununterbrochenen
Beleuchtung führten Versuche mit echten Polarpflanzen, Cochlearia fenestrata
und Catabrosa algida, von welchen überwinterte Exemplare zur Verwendung
kamen. Von den Cochlearia wogen nach 24 Tagen (am 20. Juli) die fünf
stärksten der periodisch verdunkelten Individuen 5,80 g, also das Exemplar
im Durchschnitt 1,16 g, während die entsprechenden Zahlen sich bei den
constant beleuchteten auf 10,51 g, bezw. 2,10 g erhöhten. Catabrosa zeigte
ähnliche Unterschiede.
Endlich wurden von Cochlearia fenestrata auch zufällig aufgefundene
Keimpflanzen, acht im Ganzen, in der angegebenen Weise vom 12. Mai bis
zum 18. Juni behandelt Die vier im vollen Lichtgenuss gewesenen Exemplare
hatten am Schlüsse des Versuchs 4 — 6 ausgebildete Laubblätter, die anderen
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Floren. 713
deren nur 2 — 4; das Gesammtgewicht der ersteren Gruppe betrug 13,5 cg,
dasjenige der letzteren nur 6 cg. (Fig. 404.) *)
Der grosse Unterschied zwischen den beiden polaren Arten und dem
aus Skandinavien mitgebrachten Lepidium in Bezug auf den fördernden Einfluss
der ununterbrochenen Beleuchtung scheint mit Anpassungen in Zusammenhang
zu stehen.
Die Assimilation während des continuirlichen Sommerlichtes wurde
durch Curtel, zwar nicht in den Polarländern, sondern in Norwegen
zahlenmässig festgestellt. Seine Ergebnisse haben natürlich auch für die
noch höheren Breiten Gültigkeit. Sie zeigen, dass die Assimilation
ununterbrochen vor sich geht, aber mit einem Minimum um Mitternacht,
entsprechend dem Minimum der Beleuchtung. Die Versuche wurden
in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August
ausgeführt.
Wie Bonnier nachgewiesen hat, und
an früheren Stellen gezeigt wurde, ent-
wickeln sich die Pflanzen in continuir-
licher Beleuchtung anders als bei dem
Wechsel von Tag und Nacht. Nach dem-
selben Forscher sind gewisse Unterschiede
der histologischen Structur der gleichen
Pflanzenarten, je nachdem sie im Höhen-
klima niederer Breiten oder im Niederungs-
klima hoher Breiten sich entwickelt haben,
auf die andauernde Beleuchtung der
Vegetationszeit zurückzufuhren, nament-
lich die grössere Dicke und geringere
Differenzirung der Laubblätter. Die Frage
wird jedoch erst in den Polarländern,
auf Grund vergleichender Culturen bei unterbrochener und andauern-
der Beleuchtung, entschieden werden können.
§ 4. Xerophile Structur der Vegetationsorgane. Der Charakter der
polaren Pflanzenwelt ist entschieden xerophil (Fig. 5, 6, 12). Warming
konnte mit Recht Grönland's Vegetation in dieser Hinsicht mit der-
jenigen der Sahara vergleichen; doch handelt es sich nicht, wie <er es
annahm, in beiden Fällen um die gleiche klimatische Ursache, nämlich
um zu geringe Feuchtigkeit, denn die Schutzmittel gegen Transpiration
sind auf constant feuchtem Boden nicht weniger ausgeprägt als auf
trockenem. Vielmehr sind hier, wie in so vielen anderen Fällen,
ungleiche äussere Factoren pflanzenphysiologisch gleichwerthig und
haben dementsprechend ähnliche Anpassungen hervorgerufen.
Fig. 403. Cochlearia fenestrata.
Keimpflanzen von denen b täglich
12 Stunden vom Lichte abgeschlossen,
a dagegen demselben ununterbrochen
ausgesetzt gewesen ist. Nach Kjellman.
*) Kjellman 1. c. S. 503—506.
7H
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
Kurze Zeit, nachdem ich den Zusammenhang zwischen xerophiler
Structur und Kälte des Bodens für unsere immergrünen Holzgewächse
Fig. 404. Aus der nordpolaren Flora: Draba alpina vom Cap Tscheljuskin. Nat. Gr.
Nach Kjellman.
nachgewiesen und die grosse Wahrscheinlichkeit betont hatte, dass der
xerophile Charakter der Polar Vegetation auf die gleiche Ursache zurück-
I. Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Floren. j\t
zufuhren sein dürfte, wies Kihlman, ganz unabhängig von mir, auf
Grund ausgedehnter Untersuchungen in Russisch -Lappland nach, dass
die polaren Gewächse thatsächlich, wegen des permanenten Vorhanden-
seins von Grundeis, schon in geringer Tiefe an erschwerter Wasser-
zufuhr leiden und dementsprechend ähnliche Vorrichtungen zur Herab-
setzung der Transpiration entwickelt haben, wie an anderen physiologisch
trockenen Standorten.
Kihlman stellt die xerophilen Merkmale der arktischen Vegetation
in folgender Uebersicht zusammen:
„Die Blätter sind lederartig, steif und hart, stark cutinisirt mit
schuppen- oder nadeiförmig verminderter Oberfläche (Lycopodium,
Diapensia, Andromeda hypnoides), oder sie haben eine deutliche
Neigung zur Succulenz (Saxifraga oppositifolia und andere Steinbruch-
Arten, Eutrema, Rhodiola). Dabei erhalten die Spaltöffnungen eine
versteckte Lage entweder in mehr oder weniger abgeschlossenen Hohl-
räumen (Andromeda tetragona, Empetrum) oder unter einer zottigen
Haarbedeckung der Blattunterseite (Ledum, Dryas octopetala, Potentilla
nivea und multifida, Loiseleuria procumbens, Phyllodoce). In anderen
Fällen ist die spaltöffnungstragende Unterseite des lederartigen Blattes
nur von einem dicken, sicherlich auch die Transpiration herabsetzenden
Wachsüberzug bedeckt (Andromeda polifolia, Vaccinium Vitis Idaea,
Salix glauca und reticulata). Unter den grasartigen Gewächsen könnte
eine ganze Reihe hochnordischer Arten namhaft gemacht werden, die
durch Zusammenrollen, Trockenheit und starke Cutinisirung der Blätter
zu dem Typus der Steppengräser gerechnet werden müssen (z. B.
Hierochloa alpina, Festuca ovina, Nardus, Carex rupestris und pedata).
Dagegen ist der Schutz durch einen dichten Haarfilz in den hoch-
nordischen Gegenden schwach repräsentirt (Antennariae , Drabae,
Eritrichia, Salix Lapponum und lanata").1)
Die bei den Gewächsen windreicher Standorte häufige Neigung,
durch reiche und dichte Verzweigung halbkugelige Polster zu bilden,
zeigt sich bei verschiedenen arktischen Arten, namentlich bei Draba
alpina, Papaver nudicaule, Eritrichium villosum, Cerastium alpinum,
Aira caespitosa, und ist, nach Kjellman, besonders an den ungünstigsten
Standorten ausgeprägt. (Fig. 405.)
„Von den 23 Arten, welche die äusserste Nordspitze Asiens bewohnten,
hatten nicht weniger als 13 in Folge starker Zweigbildung die Gestalt von
dichten Kugel- oder halbkugeligen Massen. Diese Arten waren: Eritrichium
villosum, Saxifraga oppositifolia, S. decipiens, Cardamine bellidifolia , Draba
alpina, Papaver nudicaule, Stellaria longipes, Cerastium alpinum, Alsine macro-
carpa, Oxyria digyna, Catabrosa algida, Aira caespitosa, Luzula arcuata, welche
*) 1. c. S. 105.
7i6
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
alle an anderen Stellen in spärlich verzweigten, wenig buschigen Formen
auftreten." J)
§ 5. Reproduktionsorgane. Das für die vegetative Sphäre so
ungünstige arktische Klima enthält keine ausgesprochen blüthenfeind-
lichen Elemente und in seiner physiologischen Trockenheit sogar ein
blüthengünstiges Element. Thatsächlich zeichnen sich die arktischen
Gewächse im Allgemeinen durch auffallend grossen Blüthenreichthum
aus, welcher durch den Gegensatz zur schwachen Entwickelung der
Laubsprosse sehr in die Augen fällt und daher von den meisten
Polarreisenden erwähnt wird. Begreiflicherweise ist der Blüthenreich-
thum an den klimatisch für die vegetativen Glieder ungünstigsten Stand-
orten am grössten. An derartigen, allen Unbilden der Witterung aus-
gesetzten Stellen sah Kjellman die Polster von Papaver nudicaule oft
mit ungefähr einhundert offenen Blüthen, die Rasenflächen von Eritri-
chium villosum ganz blau, hoch- und ganz gelbe oder ganz weisse
Drababälle. *)
Auch dem Wachsthum der einzelnen Blüthenglieder ist das arktische
Klima weniger ungünstig als demjenigen der Laubsprosse, indem, wie
früher gezeigt wurde, die nützlichen Temperaturen für die Entwickelung
der Blüthentheile meist tiefer liegen, als für die Glieder der Laubsprosse.
Die Berichte über die arktische Vegetation erwähnen stets der letzteren
als reducirt, während die Blüthen häufig als gross bezeichnet werden.
In der That erscheinen die Dimensionen der Blüthen im Verhältniss
zu denjenigen der Laubsprosse oft sehr beträchtlich. Doch scheint es
auch in der arktischen Flora nicht ganz an Arten zu fehlen, deren
Blüthenbildung an höhere Temperaturen gebunden ist. So entbehren,
nach Kihlman, die meisten Nadelholzkrüppel jenseits der Baumgrenze
der Zapfen; Rubus chamaemorus ist an seinen nördlichsten Stand-
orten ohne Blüthen.
In gewissen Fällen reichen die Temperaturen noch für die Bildung
der Blüthen, jedoch nicht mehr für die an höhere Grade gebundene
Bildung der Früchte und Samen. So entwickeln an der Baumgrenze
viele Nadelhölzer noch Zapfen; dieselben bleiben aber zum grossen
Theile steril. Infolge der frühen Blüthe jedoch entwickeln sich Früchte
und Samen meist in der wärmsten Jahreszeit, so dass sie zum grossen
Theil reif zu werden pflegen (Kjellman).
Die in den meisten Reiseberichten erwähnte gesteigerte Farben-
intensität der arktischen Blüthen wird gewöhnlich und wohl mit Recht,
als eine Wirkung der andauernden Beleuchtung aufgefasst. *) Andere
*) Kjellman 1. c. S. 496 — 497.
2) S. 497-
8) Vgl. Schübeier 1. c, Bonnier et Flahault L c.
L Das arktische Klima und seine Wirkungen auf Vegetation und Floren. 717
Stoffe, deren Bildung ebenfalls vom Lichte begünstigt wird, z. B. äthe-
rische Oele, sind selten; wohlriechende Blüthen sind auf die wenigen,
nicht sehr weit nördlich gehenden Orchideen und auf Ranunculus Pallasii
beschränkt und aromatische Vegetationsorgane ebenfalls selten.
§ 6. Angebliche Schutzmittel gegen Kälte. Da der Mensch es
im hohen Norden sehr kalt findet und der luftdichtesten Bedeckung
bedarf, glaubt er, dass es der Pflanze ebenso ergehen muss. Dement-
sprechend wurden früher, z. B. noch von Grisebach, alle Eigentümlich-
keiten der Polarvegetation auf die Kälte zurückgeführt. Von einer
Kritik der ganz unklaren physiologischen Vorstellungen, welche noch
der letztgenannte hochverdiente Forscher in Bezug auf Kältewirkungen
hegte, kann hier wohl Abstand genommen werden.
Bereits Kjellman erkannte, dass die arktische Vegetation den
Kältewirkungen ohne entsprechende Gegenwehr preisgegeben erscheint.
Er zeigte, dass, im Gegensatz zu den herrschenden Vorstellungen, die
oberirdischen Theile der Pflanze die im Boden verborgenen an Masse
meist überwiegen und dass auch die letzteren den niedrigsten Tem-
peraturgraden ausgesetzt sind. Er wies nach, wie übertrieben die herr-
schenden Vorstellungen über den Schutz des Schnees gegen Kälte sind,
zumal wenn es sich, wie gewöhnlich, nur um dünne Schneelagen han-
delt (vgl. S. 699). Er verneinte in den meisten Fällen einen Knospen-
schutz der überwinternden Theile und wo ein solcher vorhanden war,
schien derselbe nicht mehr ausgeprägt zu sein, als in südlicheren Zonen.
Aehnlich geht es mit der häufig als Kälteschutz beanspruchten Be-
haarung, welche weder allgemeiner noch reichlicher ist, als im tempe-
rirten Europa. Als ein specifisches Schutzmittel gegen Kälte betrachtet
Kjellman nur noch „die zuweilen sehr dichte Bekleidung von verwelkten
dürren Blättern und Blattresten, welche die überwinternden Stammtheile
über dem Boden besitzen" (viele Leguminosen, Papaver nudicaule etc.).
Doch entbehren viele Pflanzen auch solcher Vorrichtungen und sind,
trotz jeglichen Fehlens eines äusseren Schutzes, doch resistent, wie z. B.
die Cochlearia fenestrata, welcher bereits in einem früheren Kapitel
eingehendere Betrachtung gewidmet wurde (S. 44). Fälle der letzteren
Art sind die instructivsten, denn sie zeigen, dass die Schutzmittel der
arktischen Pflanzen innere, intracelluläre sind und wahrscheinlich im
Protoplasma selbst beruhen. Möglicherweise werden genaue histologische
Untersuchungen darüber Aufklärung bringen.
Kihlman hat mit den letzten der von Kjellman noch anerkannten
äusseren Schutzmitteln gegen Kälte aufgeräumt und auch die Vorstel-
lungen dieses Forschers über die in der arktischen Vegetation nöthigen
Material ersparniss als physiologisch unhaltbar nachgewiesen.
718 Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
3. Floristischer Charakter der arktischen Länder.
Die arktische mikrotherme Flora besitzt keine ihr eigentümliche
Familie, sondern stellt ein abgeschwächtes Bild der nordtemperirten
mesothermen Flora dar. Grönland, das in seinem südlichen Theile
noch nicht ein ausgesprochen polares Klima besitzt, hat nach Warming
386 Arten von Gefässpflanzen , die zu 53 Familien gehören. Die
letzteren sind, in der Reihenfolge ihrer in Klammern beigefügten
Artenzahlen folgende: Cyperaceae (56), Gramineae (50), Caryophylla-
ceae (28), Cruciferae (id.), Compositae (22), Rosaceae (18), Filices (15),
Ranunculaceae (14), Scrophulariaceae (id.), Juncaceae (id.), Saxifragaceae
(12), Ericaceae (10), Oenotheraceae (7), Polygonaceae (id.), Gentianaceae
(6), Salicaceae (id.), Betulaceae (id.), Lycopodiaceae (id.), Fluviales (5),
Orchideae (5), Pyrolaceae (4), Equisetaceae (id.). Drei Arten haben:
Halorrhageae , Callitrichaceae , Violaceae , Crassulaceae , Vacciniaceae,
Campanulaceae. Mit zwei Arten sind vertreten: Papilionaceae , Um-
bellatae, Plantaginaceae, Primulaceae, Lentibulariaceae, Rubiaceae. Nur
eine Art haben: Pomaceae, Geraniaceae, Empetraceae, Portulacaceae,
Parnassiaceae, Papaveraceae, Cornaceae, Plumbaginaceae, Polemoniaceae,
Boragineae, Labiatae, Diapensiaceae, Caprifoliaceae, Typhaceae, Jun-
caginaceae, Colchicaceae , Convallariaceae , Coniferae und Isoetaceae. *)
Das ausgeprägt arktische Spitzbergen besitzt nach Nathorst 102
Arten aus 24 Familien : Compositae , Campanulaceae , Gentianaceae,
Scrophulariaceae , Boragineae , Polemoniaceae , Ericaceae , Rosaceae,
Saxifragaceae, Empetraceae, Cruciferae, Papaveraceae, Ranunculaceae,
Caryophyllaceae , Polygonaceae , Betulaceae , Salicaceae , Gramineae,
Cyperaceae , Juncaceae , Colchicaceae , Polypodiaceae , Lycopodiacea,
Equisetaceae. Die Gramineen sind am stärksten vertreten (23 Arten),
danach kommen Cruciferae (15), Cyperaceae und Caryophyllaceae (je 121,
Saxifragaceae (11), Ranunculaceae (8) etc. Die artenreichsten Gattungen
sind Saxifraga und Carex mit 10 Arten, Ranunculus mit 8 oder 9,
Poa mit 6, Potentilla mit 5 etc.
Auswahl der Literatur.
Die klimatischen Angaben sind hauptsächlich aus Hann's Handbuch der
Meteorologie, 3. Aufl., sowie aus Woeikof: Die Klimate der Erde (Jena 1887)
entnommen.
') Einige der von Warming als besondere Familien unterschiedenen Gruppen ▼erden
gewöhnlich als Unterfamilien aufgefasst : Vacciniaceae, Pomaceae, Colchicaceae, Convallariaceae.
Auswahl der Literatur.
719
Bonnier, G., et Ch. Flahault. Observations sur les modifications des
vdg^taux suivant les conditions physiques du milieu. Ann. des sciences
naturelles. Botan. VIe s£rie. Tome VII. 1879.
Bonnier, G. Les plantes arctiques compar^es aux mSmes esp&ces des
Alpes et des Pyrdndes. Revue g^ngrale de botanique. 1894.
Curtel, G. Recherches physiologiques sur la transpiration et rassimilation
pendant les nuits norvdgienne. Revue g£n£rale de botanique. Tome IL.
1890.
Flahault, Ch. Nouvelles observations sur les modifications des vdggtaux
suivant les conditions physiques du milieu. Ann. des sciences naturelles.
Botanique. 6C s£rie. Tome IX. 1878.
K i h 1 m a n , A. O. Pflanzenbiologische Studien aus Russisch-Lappland. S. A.
aus Acta Societatis pro fauna et flora fennica. T. VI. 1890.
Kjellman, F. K. Aus dem Leben der Polarpflanzen, in: Nordenskjöld,
Studien und Forschungen veranlasst durch meine Reisen im hohen Norden.
Leipzig 1885. S. 443.
Middendorff, A. v. Die Gewächse Sibiriens. In: Sibirische Reise. Bd. IV.
Theil 1. Lieferung 4. 1864.
Schübeier, C. Die Pflanzenwelt Norwegens. Kristiania 1875.
Warming, E. Om Grönlands Vegetation. (Mit französischem Rdsumd.)
Kjobenhavn 1888.
— lieber Grönlands Vegetation. Engler's Jahrbücher Bd. X. 1888.
II. Die arktischen Pflanzenformationen.
Die Tundra. Charakteristische Eigentümlichkeiten. Moostundra. Flechtentundra.
Moore. Oasen. Die Tundra im Taimyr-Lande nach Middendorff. Die Formationen Grön-
lands nach Warming.
Jenseits der letzten krüppelhaften Bäume herrscht auf den arktischen
Festländern und Inseln, soweit das Eis den Boden nicht bedeckt, die
Kältewüste oder Tundra beinahe allein. Nur in den weniger kalten,
also vornehmlich den südlichen Strichen der Arktis, sind an günstigeren
Localitäten weniger dürftige Formationen vertreten, z. B. Weiden-
gebüsche und kleine Wiesen an Flussrändern und in Fjorden, oder
auch Zwergstrauchformationen, welche aus einem dichtem Wüchse
derselben immergrünen kleinblätterigen Straucharten bestehen, die sich
auf der Tundra vereinzelt zwischen Mooren und Flechten erheben.
Zwerghafter Wuchs, ausgeprägte Xerophilie, Vorwiegen der Moose
und Flechten, unvollkommene Bedeckung des Bodens sind überall die
Merkmale der Tundra. Ihr spärliches Pflanzenmaterial ist jedoch keines-
wegs gleichmässig vertheilt. Bald sind die Moose — es sind beinahe
ausschliesslich Polytrichum -Arten — bald sind Flechten — anscheinend
nach der geringeren oder grösseren Trockenheit des Bodens — vor-
herrschend, so dass man eine Moos- oder Poly trichum-Tundra
von der Flechten-Tundra unterscheidet. Letztere bietet wiederum,
je nach dem Vorherrschen des einen oder des anderen Flechtentypus,
verschiedene Facies, die verschiedenen klimatischen Bedingungen ent-
sprechen, wie die Cladina- Tundra (Cladonia rangiferina u. a. A.,
Sphaerophoron corallioides), die Platysma -Tundra (Platysma cucullatura
u. a. A. , Cetraria islandica u. a. A.), die Alectoria-Heide (Alectoria-
Arten).
In den weniger kalten Gebieten der Tundra tritt der unbewachsene
Boden gegen den bewachsenen zurück ; es können sogar weite Flächen
einen zusammenhängenden Ueberzug von Flechten tragen. Wo das
Klima am strengsten herrscht, da bildet die Vegetation nur noch kleine
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II. Die arktischen Pflanzenformationen. 721
weitgetrennte Flecke auf dem nackten, meist steinigen Boden (Felsen-
tundra, Warming's Felsenflur und Fjeldformation).
Flache Vertiefungen der Tundra, wo das Schmelzwasser sich im
Boden ansammelt, versumpfen zu den Tundramooren, wo spärlicher
Torf eine dürftige Sphagnumlage mit einigen kleinen Phanerogamen
trägt. Solche Stellen entsprechen physikalisch, aber nicht physiologisch
den Oasen der Trockenwüste. Die physiologischen Analoga der letz-
teren sind in der Tundra die Wärmeoasen, sonnige, gegen die
trocknenden Winde geschützte Abhänge, auf welche die Sonnenstrahlen
beinahe senkrecht fallen und dadurch das Bodenwasser derart erwärmen,
dass es den Pflanzen wirklich reichlich zur Verfugung steht. Solche
Standorte gleichen manchmal den Blumenbeeten eines Gartens.1)
„Die Pflanzen der Abhänge sind in mehrfacher Hinsicht die interessantesten.
Die meisten derselben treten als kräftig entwickelte Individuen auf, welche
hier vollkommen zu gedeihen scheinen und welche ihre Samenreife jährlich
erreichen dürften. Dies gilt natürlicherweise für die guten Localitäten, d. h.
für die Abhänge, welche bald schneefrei werden. Hier hat man auch Ge-
legenheit, den merkwürdigen Einfluss der Sonnenstrahlen beobachten zu können.
Abhänge, welche kurz vorher mit Schnee bedeckt waren, sind wenige Tage
später mit mehreren Blumen geziert; die Entwicklung derselben kann so
schnell geschehen, dass man bald auch, wie bei den Drabae, Früchte findet.
Hier sieht man zuweilen ganze blaue Rasen von Polemonium pulchellum oder
rothe von Saxifraga oppositifolia mit einer bunten Mischung von anderen
Farben, gelb, weiss, grün. . . . Wenn die Pflanzen der Abhänge in den Ebenen
auftreten, sind dieselben gewöhnlich nicht so kräftig entwickelt, wie auf den
Abhängen, doch ist die Verschiedenheit in dieser Hinsicht bei einigen Pflanzen
weit grösser als bei anderen."5)
Middendorff entwirft folgendes Bild von der trockenen Tundra im
Taimyr-Lande: „Auf dem trockenen, festen Boden des hochwelligen
Landes fusst eine karge Pflanzenwelt, nicht vermögend den als Grund-
lage dienenden lehmigen Geröllsand zu verhüllen. Moos und Sauer-
gräser, ziemlich zur Hälfte, bilden die Decke der Oberfläche, welche,
weil sie eben nur fleckenweise und nicht ununterbrochen gleich unseren
Rasendecken bewachsen ist, wie mit schwachen Humpeln besetzt er-
scheint. Hauptsächlich verschiedene Arten von Polytrichum, Bryum
und Hypnum, zumal zahlreiche Arten der letztgenannten Gattung, bil-
den die Moosdecke der hohen, trockenen, von mir so genannten Poly-
trichum-Tundra. Aus der wie ein flaches Rinnennetz sich darstellen-
den schmutzig- gelbbraunen Moosfläche, heben sich Grasflecken hümpel-
artig empor, aber die schon bei Eröffnung des Sommers halbabgestorbenen
brandgelben Spitzen der Binsen, Riede und des Wollgrases stechen nur
*) Vgl. Kjellman 1. c. S. 462.
2) Nathorst 1. c. S. 444-
Schimper, Pflanzengeographie. 46
722
Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
unbedeutend von der Grundfarbe der Moosdecke ab; nur unrein, wie
durch einen Flor, schimmert die untere grössere Hälfte des Grases
hervor, denn als echte Frühjahrspflanzen haben die Sauergräser ihre
Blumen schon im vorangegangenen Sommer vorgebildet, und schon zu
Anfang des hochnordischen Sommers (Juli 10. bis 20.) sind dieselben in
vollster Blüthe und färben sich braun, während die Süssgräser sich erst
in der Knospenbildung begriffen zeigen."
„Auf orographisch gleichförmig gestalteten Flächen gewinnt das
hässliche Aeussere der Tundra das Ansehen ödester Einförmigkeit . . .
Keine Abwechselung, kein Schatten, keine Nacht. Licht, Wind und
Schall werden durch nichts aufgehalten. Ueberall weht es, überall ist
es unheimlich still und stumm. Den ganzen Sommer hindurch währt
auf der hochnordischen Tundra der eine und einzige endlos lange
Sommertag, beleuchtet von dem blassen Lichte eines mondartigen in
Nebelwallen verschleierten Gestirnes, das der Mensch frechen Blicks an-
glotzen kann."
„...Die Tundra gewinnt aber, je mehr wir den Fernblick auf-
geben und unsere Aufmerksamkeit unserem nächsten Umkreise widmen.
Obgleich bei näherer Einsicht Gräser in Menge vorhanden erscheinen,
vermisst das Auge doch noch mehr die Grasdecke sowie das frische
Grün unserer heimischen Gegenden, als die Blumen; es bemerkt, dass
der abgetragene Teppich zu unseren Füssen ab und zu (Vjq bis 1!i0
der Oberfläche) mit unscheinbaren Fleckchen der zierlichen Haide
(Cassiope tetragona), der Wasserbeere (Empetrum nigrum) oder der
buschigen Dryas octopeta geblümt ist, dass hie und da ein spärliches
Rennthiermoos als weisse Koralle den Grund ziert, ja dass mitunter eine
kaum zu entdeckende halbvergrabene Zwergweide verstohlen sich zeigt,
oder gar Zwergblümchen des verkümmerten Chrysosplenium alterni-
folium, oder zwergiger, theilweise verdorrter Krüppel der ohnehin
zwergigen Hungerblümchen (Drabae), oder des Zwergranunkels (Ranun-
1 culus pygmaeus) sich hervorthun. Der Kenner unterscheidet allerdings
sogar unter den winzigen Hungerblümchen die grösste Mannigfaltigkeit,
ja 10 verschiedene, im Taimyrlande vorkommende Arten dieses einen
Geschlechtes ; doch der Eindruck , den alle diese Blümchen auf den
Beobachter hinterlassen, ist nicht mit demjenigen der Zierden unserer
blumigen Landschaften zu vergleichen, sondern alles geht in dem einen
Begriffe jämmerlicher Dürftigkeit auf . . . Diese Hungerblümchen aber
walten dermaassen vor allen anderen Blumen im Taimyrlande vor
(10 verschiedene Arten), dass ihre Mannigfaltigkeit nur von derjenigen
der Saxifragen (12 Arten) übertroffen wird. Das Ganze macht den
Eindruck unverkennbarer grosser Dürre, zumal die verdorrten vor-,
sogar vorvorjährigen Blattschöpfe, Blüthenstiele und Fruchtkapseln den
grünenden und blühenden Theilen des laufenden Jahres noch fest
II. Die arktischen Pflanzenformationen. 723
ansitzen, noch jahrelang nach ihrem Absterben die grünenden Knospen
umhüllend schützen. Kratzt man aber den Boden auf, so findet man
sich in feuchter Erde , und stösst in Fingertiefe auf Eis , ja das Moos
der Rinnchen ruht unmittelbar auf dem Bodeneise."
„Hie und da zeigt sich wohl auch auf der hohen Tundra ein Alpen-
mohn oder eine Pedicularis, meist sind das aber die Vorläufer dessen,
dass man sich Plätzen nähert, über welche im Frühsommer Wasser
rieselt. An solchen Stellen gewinnt auch gewöhnlich das Gras und
ein frischeres Grün die Oberhand, die Hümpel vergrössern sich bis
zu einem Schritte im Durchmesser und 1/2 Fuss Höhe, die Blätter der
Gräser sprossen nicht nur länger, d. i. bis 3 oder 4 Zoll Höhe, einzelne
Halme bis 7 Zoll Höhe empor, sondern stehen auch dichter, namentlich
aber das Moos verschwindet, Dryas und Cassiope wachsen freudiger."
„Wo sonst noch auf der hohen Tundra ein entschieden und
freudig grünender Fleck sich schon in weiter Ferne aus dem Braun-
gelb der Gesammtfläche hervorhebt, da kann man mit Sicherheit auf
Süssgräser und auf eine der beiden folgenden aussergewöhnlichen
Ursachen schliessen : entweder sind Baue des Eisfuchses dort vorhanden
oder es sind verlassene Zeltstellen der Samojeden . . ."
„Wie auf diesen glücklichen Oasen inmitten der allgemeinen öden
Wüste sich die Kraft der Düngung sogar im äussersten Norden bewährt,
so auch in den angeschwemmten und jährlich unter Wasser gesetzten
schlammreichen Niederungen. Nur in diesen — der Lajdy — ver-
mögen die hochnordischen Gräser sich zu zusammenhängenden Rasen-
flächen zu vereinigen. In geeigneten Buchten solcher Niederungen fand
ich handhohe Schwaden vorjährigen Heues, 2 bis 20 Schritte breit,
welche uns auf das Erwünschteste als Lagerstellen dienten. Die
längeren Halme hatten bis i*/4 Fuss Höhe erreicht; die Sense hätte
Arbeit gehabt ..."
„Die üppigsten Oasen des Hochnordens finden wir aber an den
Abhängen, welche, vor dem Einflüsse rauher Winde geschützt, die
Sonnenwirkung senkrecht anprallender Strahlen entgegennehmen, zumal
wenn sie mit fetten Uferabstürzen sich verbinden, deren frische Boden-
kraft locker daliegt und mit Hülfe ihrer Schwärze die Sonnenstrahlen
noch vollständiger aufsaugt."
„Auch auf diesen Uferabstürzen treten die Süssgräser nur in ein-
zelnen Rasenfleckchen und Rasenschöpfen auf, und unsere Rasendecke
vermissen wir auch hier ; aber um so mehr überrascht uns die Farben-
pracht, sowie der Formenreichthum der Blumenstücke, welche sich vom
dunklen Boden hervorheben. Von oben betrachtet sehen wir oft
mehr Blumen als Laub an den Pflanzen. Hier prangen die Sieversia
glacialis, die Ranunkeln, die Caltha palustris, die Potentillen und Löwen-
zahne mit ihren üppigen hochgelben, Saussurea alpina mit ihren grossen
46*
724 Dritter Abschnitt: Die arktische Zone.
blauen Blumen, vom saftigen Laube der Blätter gehoben, oder das
blaue Polemonium humile und das Vergissmeinnicht ; hier prunken die
zierlich geschlitzten, rosafarbenen Oxytropis-, hier die Pedicularis -Arten,
mit ihren verschiedenfarbigen schöngeformten Blüthen ; hier der frische
zarte Schmelz der gelben, blauen, purpurfarbenen und weissen Saxi-
fragen, die rothen Köpfe der Armeria arctica, hier Polygonum bistorta,
oder die schönen zusammengesetzten Formen der Matricaria inodora
var. phaeocephala , hier Erigeron uniflorus und andere Compositen,
hier der üppige Alpenmohn (Papaver nudicaule), hier das ausgezeichnet
schöne Delphinium Middendorffii, der riesige Senecio palustris mit
seinen zollgrossen Blumen, bis 40 an der Zahl . . ." !)
Grönland besitzt eine Reihe von Formationen, deren Unterschiede theils
durch klimatische, theils durch locale Factoren bedingt sind. Zunächst ist
zwischen der südlichen, subarctischen Spitze und den nördlicheren, wirklich
arctischen Theilen zu unterscheiden. Das südlichste Grönland besitzt Birken-
büsche, die bis 10' Höhe erreichen und welche vorwiegend von Betula
odorata var. tortuosa und B. intermedia gebildet sind. Als Nebenbestandtheile
enthalten sie : Sorbus americana, Alnus ovata var. repens, Juniperus communis
var. nana, Salix glauca und S. myrsinites.
In den nördlicheren Breiten Grönlands zeigen sich noch bei 68° N.
mannshohe Gebüsche von Salix glauca, die auf ihrem schwarzen, feuchten
Boden, namentlich in der Nähe der Bäche, einen tippigen Krautflor (Ar-
changelica, Alchemilla vulgaris etc.) ernähren. In Upernivik (ca. 730 N.)
haben diese Büsche nur noch 2' Höhe.
Ein grösserer Theil des südlichen und mittleren Grönland ist von War-
ming's „Heide-Formation" eingenommen, welche wir lieber, da ihr ökologischer
Charakter weit mehr als in mittleren Breiten durch das Klima beeinflusst ist,
Zwergstrauch-Tundra nennen wollen. Die Vegetation besteht aus immergrünen,
einen halben Fuss hohen klein- und derbblätterigen Sträuchern (namentlich
Empetrum nigrum, auch Cassiope tetragona etc.), aus Stauden (z. B. Pyrola
grandiflora), Moosen und Flechten. Ueberall zeigt sich zwischen den einzelnen
Pflanzen der trockene, sandige Boden.
Echten Tundracharakter zeigt Warming's Fjeld-Formation , welche den
grössten Theil des nicht von Eis bedeckten Grönland einnimmt und im
Norden allein noch vorhanden ist. Während in der Zwergstrauch-Tundra die
Vegetation noch den allgemeinen Farbenton bedingt, ist die Farbe der Fjeld-
Formation diejenige des meist kiesigen, bald trockenen, bald nasskalten Bodens.
Zwergsträucher treten hier ganz zurück; die dürftige Flora ist von Stauden,
Moosen und Flechten gebildet.
l) 1. c. S. 730—734.
Auswahl der Literatur. 725
Auswahl der Literatur.
Kihlman, A. O. Pflanzenbiologische Schilderungen aus Russisch-Lappland.
Acta Soc. pro fauna et flora fennica. T. VI. 1890.
Kjellman, F. K. Aus dem Leben der Polarpflanzen, in: Nordenskjöld,
Studien und Forschungen. Leipzig 1883.
Middendorff, A. v. Die Gewächse Sibiriens. In : Sibirische Reise. Bd. IV.
1. Thl. 1864.
Nathorst, A. G. Studien über die Flora Spitzbergens. Engler's Botan.
Jahrbücher für Systematik etc. Bd. IV. 1883.
Warming, E. Ueber Grönlands Vegetation. Engler's Botan. Jahrbücher.
Bd. X. 1888.
Vierter Abschnitt.
Die Höhen.
I. Das Höhenklima.
1. Die Luftverdünnung. Abnahme des Luftdrucks bei zunehmender Höhe über
dem Meere. Gleichzeitige Abnahme der Lufttemperatur und Zunahme der Wärmestrahlung.
Ungleiche Temperatur in Sonne und Schatten auf den Höhen. Nächtliche Abkühlung. Zu-
nahme der Lichtintensität. Reicherer Gehalt des Höhenlichtes an stark brechbaren Strahlen.
2. Die Hydrometeore, Zunahme des Regens bei zunehmender Höhe. Niveau des
grössten Regenfalls. Abnahme des Regens oberhalb desselben. Der ewige Schnee. Die
Bewölkung. Abnahme des Wasserdampfes auf grossen Höhen. Rascher Wechsel von
Feuchtigkeit und Trockenheit der Luft. Grosse Intensität der Verdunstung im Höhenklima.
1. Die Luftverdünnung.
Der wichtigste Unterschied zwischen dem Klima der Niederungen
und demjenigen der Höhen ist die mit steigender Entfernung vom
Meeresniveau stattfindende Abnahme des Luftdrucks, welche nicht blos
schon an sich ein abweichendes Klima bedingt, sondern auch die an-
dern klimatischen Factoren, Wärme, Licht, Hydrometeore wesentlich
beeinflusst.
Unter der Voraussetzung, dass der Luftdruck am Meeresniveau
762 mm beträgt und die Temperaturabnahme je 0,5° C. für je 100 m
beträgt, ergeben sich für die Verminderung des Luftdruckes bei Inter-
vallen von 500 m bezw. 1000 m folgende Werthe:
I. Das Höhenklima.
727
Seehöhe
Temperatur im Meeresniveau
(m) !
! o°
5°
IO°
i5°
20 °
[ 250
O
1 762
762
762
762
762
762
500
716
716
717
718
719
720
IOOO
671
673
675
676.
678
679
1500
630
632
634
636
639
641
2000
59o
593
596
599
601
604
2500
553
556
559
563
566
569
3000
5i7
521
525
529
532
536
35°°
484
488
492
497
501
505
4000
452
457
461
466
470
475
5000
394
399
404
410
4i5
420
6000
. 343
348
353
35°
364
37o
Jede Abnahme des Luftdrucks ist von einer solchen
der Lufttemperatur begleitet indem die Absorbtion der Strahlen
mit zunehmender Verdünnung abnimmt. Die bei zunehmender Höhe
stattfindende Erkaltung beträgt im Mittel 0,58° C. für 100 m, also
etwas mehr als in der vorhergehenden Tabelle angenommen wurde ; sie
ist jedoch in gewissem Grade von lokalen Einflüssen abhängig. Fol-
gende, von Hann zusammengestellte Tabelle giebt die durchschnittliche
Abnahme der Wärme mit der Höhe, wie sie in verschiedenen Gebirgs-
ländern direkt festgestellt wurde.
Wärmeänderung pro 100 m in Celsiusgraden.
I. Tropische Gebirge.
Anden von Columbien und Mexico (Humboldt) °-53°
Anden von Südamerika zwischen n°N. u. 50 S. (Boussingault) 0.5 7 °
Nordwest-Himalaya (Blanford) 0.5 6°
Nordwest-Himalaya mit Tibet (Hill) 0.5 1°
Mittlerer Himalaya (Blanford) 0.5 2 °
Nilgiri (Hann) 0.620
Ceylon (Hann) 0.650
Java (Batavia-Pangerango) 0.5 6°
IL Temperierte Gebirge.
Siebengebirge (Bischof) 0.5 6°
Erzgebirge (Reich) 0.5 20
Erzgebirge (Hann) °-59°
Harz (Hann) 0.580
Blaue Berge vom Norden von South- Wales (Hann) 0.5 1°
Kaukasus und Armenien (Wild) °-45°
Mount Washington, North- Hampshire (Hann) °-55°
Pikes Peak, Colorado (Hann) 0.6 30
Kalifornien (Colfax, Summit) 0.7 50
Bei Christiania 6o° N. B. (Mohn) 0.5 50
Alpen (Hann, Hirsch, Wielemann) 0.580
728 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
In den Klimaten mit kalten Wintern existirt eine jährliche Periode der
Wärmeänderung mit der Höhe.
Mitteleuropa (Erzgebirge, Harz, Alpen). Wärmeabnahme
pro 100 m.
Winter Frühling Sommer Herbst Jahr
0.45 0.67 0.70 0.53 0.59.
Eine weitere Folge der Luftverdünnung, welche sich bei zu-
nehmender Höhe ebenso direct bemerkbar macht, wie die abnehmende
Luftwärme, ist die wachsende Intensität der Wärmestrahlung.
Die den Wärmestrahlen ausgesetzten Gegenstände erwärmen sich mehr
als im Tiefland, kühlen sich aber auch rascher und stärker ab.
Bekanntlich besitzt die Atmosphäre die Eigenschaft, die von einer
glühenden Wärmequelle, z. B. von der Sonne, entsandten Strahlen leicht,
die von einem dunklen Körper herrührenden schwer durchzulassen. Dem-
entsprechend wird im Tiefland der Boden durch die Sonnenstrahlen stark
erhitzt, durch die eigene nächtliche Strahlung aber wenig abgekühlt Je
dünner die Atmosphäre, desto grösser ist die Erhitzung am Tage, aber auch
die Abkühlung in der Nacht
Zu der Verdünnung der Atmosphäre kommt in hohen Lagen ein anderer
Factor verstärkend hinzu, die Abnahme des Wasserdampfes. Der atmo-
sphärische Wasserdampf absorbirt nämlich, nach Violle, eine fünfmal grössere
Wärmemenge, als trockene Luft.
Die absorbirende Wirkung der Luft auf die Sonnenstrahlung wird von
Hann wie folgt drastisch charakterisirt : „Wenn die Sonne nahe senkrecht
über Indien steht, ist der Betrag des directen Sonnenlichtes, das auf die
Thäler von Tibet fällt, wo noch Getreide cultivirt wird, nahe 1 1/2 mal grösser
als die Lichtmenge, die auf die Ebenen Hindostan's fallt, ja, wenn die Sonne
450 hoch steht, ist die chemische Wirkung derselben auf dem Hochland mehr
als 2 mal grösser als auf den Ebenen."
Von den ungleichen Temperaturen an der Sonne und im Schatten
auf grossen Höhen geben folgende Daten (nach Peschel, Hann und
Junghuhn) eine Vorstellung:
Hooker beobachtete auf dem Himalaya bei 3000 m Höhe 55 ° C.
am geschwärzten Quecksilberthermometer in der Sonne und — 5,6 °C.
im Schnee, im Schatten. Prschewalski fand auf dem Hochlande von
Tibet (Seehöhe nicht angegeben) am 27. October 1879 zu gleicher
Zeit + 16,3 ° C. auf der Sonnenseite und — 8,0 ° C. auf der Schatten-
seite seines Zeltes. „Cayley sah am 11. August 1867 zu Leh das
Thermometer in der Sonne auf 57,8° C. steigen, während die Tempe-
ratur im Schatten bloss 23,9° C. war, ein geschwärztes Thermometer
in einer luftleer gemachten Glashülle (Solar - Thermometer) stieg sogar
auf 101,7 ° C., d. i. fast um 140 höher über den Siedepunkt des Wassers,
der in dieser Höhe nur mehr 88° C. beträgt."
I. Das Höhenklima.
729
Folgende von Hann zusammengestellte Tabelle zeigt, wie viel grösser
der Temperaturunterschied in Sonne und Schatten auf den Höhen als
im Tieflande ist:
Ort
Oakland Park
Riffelberg
Hörnli .
Gornergrat
Whitby
Pontresina
Bernina H.
Diavolezza
Seehöhe in m
(Sonnenhöhe 60 °)
Thermometer
Schatten I Sonne
46
30.0
41.5
2570
2890
3I40
1800
233°
24.5
20.1
14.2
32.2
26.5
19.1
45-5
48.1
47.O
37.8
44.0
46.4
2980
6.0
59-5
Von der ungleichen nächtlichen Abkühlung in den Niede-
rungen und auf den Höhen geben folgende Beobachtungen Belege:
„Vergleichende Messungen der Wärmestrahlung zu Brienz und auf dem
2 110 m hohen Faulhorngipfel ergaben eine 37% grössere Wärmeaus-
strahlung auf letzterem Punkte; ebensolche gleichzeitig zu Chamounix
und auf dem Grand - Plateau du Mont-Blanc (3930 m) ausgeführt er-
gaben auf diesem 2880 m höher liegenden Punkte eine beinahe doppelt
so grosse (um 93 °) Wärmeausstrahlung. Die Temperatur des §chnees
auf dem Grand-Plateau sank in den Nächten vom 28. bis 31. August
1844 auf — 19,2° während die Lufttemperatur noch — 6,5 ° betrug" (Hann).
Ueber die nächtliche Temperaturabnahme auf den 9 — 12000' hohen
Gipfeln der Vulkane Java's theilt Junghuhn Folgendes mit, das ich nach
eigenen Erlebnissen nur bestätigen kann:
„Kaum hat die Sonne den Rand des Horizonts berührt, so tritt eine
schnelle, ja plötzliche Veränderung ein. Auf dem Gipfel selbst steht auf ein-
mal alle Bewegung still. Der Wind legt sich gewöhnlich ganz, kein Nebel-
streifen zieht mehr vorbei und die Luftwärme sinkt so schnell und tief herab,
dass man nicht zögert, sich in seinen Mantel oder seine Decke zu hüllen.
Die Javanen kauern sich immer näher um die brennenden Feuer zusammen,
denn das Thermometer, das kurz vorher, während die Sonne unterging, noch
auf 8,4° R. (10,5 ° C.) stand, ist nun schon auf 5,3 ° R. (7 ° C), ja zuweilen
von 9,3° R. (ii,6° C.) bis auf 4,4° R. (5,5° C.) herabgesunken . . . Ehe
Mitternacht herangekommen ist, sinkt dann die Temperatur oft bis auf, ja
unter den Nullpunkt herab und alles Wasser in Gefössen, die man auf einem
schlechten Wrärmeleiter in freier Luft ausgestellt hat, wird zu Eis. Selbst auf
Wassertümpeln schiessen Eiskrusten an und aller Thau der Pflanzen, besonders
der spitzen Gräser, die auf offenen Plätzen wachsen, ist gefroren. Unter den
Laubschirmen der Gebüsche ist dies nie der Fall, denn die stabile Wärme
des Bodens, 2 unter der Oberfläche, beträgt 8° R. (10 ° C.)."
Bagneres
Pic
Untersch. auf Pic
2 2.3° C.
IO.I0
— 12.2°
36.1 °
38.8 °
4. 2.3 •
27.I °
13-2°
— 139 °
50.3 °
52.3 °
+ 2»
730 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Ch. Martins hat Versuche über die ungleiche Erwärmung
des Bodens in der Niederung und auf denHöhen angestellt
Die Stationen waren Bagnfcres (551 m) und der Gipfel des Pic du Midi
(2877 m); die horizontale Entfernung beider Punkte beträgt 14,5 Kilo-
meter. Die Messungen wurden an drei heiteren Septembertagen ge-
macht und zwar mit der gleichen Bodenart, einer schwarzen Modererde:
Mittlere Lufttemperatur . . .
Mittlere Boden wärme . . .
Maximum der Lufttemperatur .
Maximum der Bodentemperatur
Nicht bloss in Bezug auf die Wärmestrahlung zeigt sich zwischen
Tiefland- und Höhenklima ein Unterschied, sondern natürlich auch auf
die Lichtstrahlung. Von besonderer Wichtigkeit ist es aber, dass
das Höhenlicht reicher ist, als dasjenige des Tieflands,
an blauen, violetten und ultravioletten Strahlen, indem
der stark brechbare Theil des Spectrum von der Atmosphäre am
Stärksten absorbirt wird.
2. Die Hydrometeore.
Vermöge ihrer tieferen Temperatur wirken die Gebirge conden-
sirend auf den Wasserdampf der Luft und sind dementsprechend im
Allgemeinen regenreicher als das benachbarte Tiefland.
„So haben die höheren Plateaus und Gebirge der mittleren Sahara regel-
mässigen Sommerregenfall, an den Gebirgen der nubischen und arabischen
Küste entladen sich Gewitter mit schweren Regengüssen. Wo aus den Steppen-
gebieten Mittel- Asiens sich Hochgebirge erheben, findet sich in gewisser Höhe
Baumwuchs und Wald ein in Folge reichlicher Niederschläge. Aehnlich verhält
es sich in den Wüsten des westlichen Nord -Amerika." (Hann.)
Zunehmende Höhe ist mit Zunahme des Regenfalles
verbunden, jedoch nur bis zu einer gewissen, nach den
allgemeinen klimatischen Bedingungen und nach localen
Verhältnissen schwankenden Linie, welche dem Maximum
entspricht und oberhalb welcher die Niederschläge rasch
wieder abnehmen.
Zunahme der Niederschläge mit der Höhe im deutschen
Mittelgebirge:
Seehöhe m 1 — 200 2—300 3 — 400 4 — 500 5 — 700 700 — 1000
Niederschlag cm 58 65 70 78 85 100
Die deutschen Mittelgebirge erreichen nicht jene Höhe, von welcher an
die Niederschlagsmenge wieder abnimmt (Hann 1. c. S. 186).
I. Das Höhenklima. 73 I
„Dass es an hohen Gebirgen eine obere Grenze der maximalen Nieder-
schlagsmenge geben muss, ist leicht einzusehen. Die Abnahme der Tempe-
ratur mit zunehmender Höhe bedingt nothwendig auch eine Abnahme des
Wassergehalts der Luft und die Intensität der Niederschläge muss dadurch in
einer gewissen Seehöhe so weit verringert werden, dass sie auch durch eine
grössere Häufigkeit derselben nicht mehr compensirt werden kann. Die
maximale Niederschlagsmenge ist im Allgemeinen in jener Höhe zu erwarten,
wo bei dem durchschnittlichen Feuchtigkeitsgehalt der Luft in der Niederung
diese im Emporsteigen so weit abgekühlt wird, dass die Condensation des
Wasserdampfes beginnt. Denn hier fallen noch die Niederschläge bei der
höchsten Sättigungstemperatur, wo für jeden Grad Temperatur - Erniedrigung
die ausgeschiedene Wassermenge im Maximum ist." (Hann.)
Nach Hill liegt die Linie des grössten Regenfalls auf dem Hima-
laya bis 1270 m ü. M. ; derselbe beträgt da 3,7 mal mehr, bei 3000 m
ü. M., dagegen fünfmal weniger als im benachbarten Tiefland. Nach
Junghuhn ist auf Java der Regenfall zwischen 2000— 4000' ü. M. am
stärksten.
Für die temperirten Zonen liegen genaue Messungen nicht vor.
Die Verhältnisse sind hier dadurch erschwert, dass die Zone
grössten Regenfalls mit der Jahreszeit schwankt und
zwar im Winter weit tiefer liegt als im Sommer. Die
Basis der Gebirge erhält also vornehmlich Winter-, der Gipfel Sommer-
niederschläge.
Das Erhaltenbleiben des Schnees auf den Höhen ist
dadurch bedingt, dass die Sommertemperatur überhaupt nicht oder
nicht hinreichend lange den Thaupunkt überschreitet. Das Vorhanden-
sein einer persistirenden Schneedecke ist also von zwei Factoren, der
Sommertemperatur und der Menge der Niederschläge, abhängig. Ab-
gesehen von einigen, durch locale Verhältnisse bedingten Schwankungen
rückt der ewige Schnee mit abnehmender Breite in die Höhe. So liegt
dessen untere Grenze auf Spitzbergen bei 460 m, in den mittleren
Alpen bei 2700 m, in den Anden von Quito bei 4800 m, auf der
tibetanischen Seite des Himalaya aber, in Folge der hohen Sommer-
temperatur der benachbarten Hochebene, höher als am äquatorialen
Quito, nämlich bei 5670 m.
Die Bewölkung stimmt natürlich im Wesentlichen mit den
Niederschlägen überein. Auf den tropischen Gebirgen ist sie auf der
Höhe grösser als im Tiefland, wenigstens während der Regenzeit. Da-
gegen haben die meisten temperirten Hochgebirge namentlich die Alpen,
während des Winters weit helleren Himmel auf den Höhen als in den
Tiefen, während das Verhältniss sich im Sommer umkehrt.
732
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Mittlere Bewölkung auf den Höhen und im Tiefland.
1
Höhe (m)
Winter
Frühjahr
Sommer
Herbst
Jahr
Ebene Schweiz . . '
420
7-3
5.8
5-2
6.2
6.1
Tirol
1300
4.6
5.3
5-4
5-2
5-2
Tirol
1830
3-7
4.6
5-°
4.2
4-4
Ost- und West- Alpen (
2600
4.6
6.1
5.6
5.5
5-4
In den temperirten Zonen haben „die höheren Gebirgsthäler und Gipfel
einen heiteren Herbst, namentlich aber einen heiteren WinterhimmeL Die
grosse Heiterkeit des Winterhimmels in den Hochalpenthälern gehört zu den
hervorragendsten klimatischen Vorzügen; sie bedingt neben der Lufttrocken-
heit und dem verminderten Luftdruck eine ungemein intensive Insolation."
(Hann.)
„Aus Centralasien haben wir die interessanten Beobachtungen Sewerzow's
in Thianschan, aus denen die Erhebung, welche die Wolken- und Regenregion
vom W'inter zum Sommer erfahrt, schön zum Ausdruck kommt. Die Zone
der Wrinterschneewolken befindet sich hier in einer Höhe von 2500 — 3000 m.,
es ist dies zugleich die Höhenzone der Tannenwälder, welche in geringeren
Höhen der Trockenheit wegen fehlen. Die höheren Regionen empfangen
wenig Winterschnee, dagegen reichlicheren Regen durch die höheren Sommer-
wolken, und dies begünstigt in diesen Höhenzonen den Graswuchs, das Vor-
handensein guter Weiden." (Hann.)
Mit der zunehmenden Verdünnung der Atmosphäre nimmt ihr
Gehalt an Wasser dampf ab und zwar, wie folgende, von Hann
zusammengestellte Tabelle zeigt, in welcher Druck und Wassergehalt
der Luft im Niveau des Meeres gleich I gesetzt sind, im Verhältniss
viel rascher.
Seehöhe (m) Wasserdampf
Luft jl Seehöhe (m)
Wasserdampf Luft
0 1 I.OO
1.00 ! 5000
0.17
0.54
1000
o.73
0.88
, 6000
0.12
0.47
2000
0.49
0.78 | 7000
008
0.42
3000
0.35
0.69
8000
0.06
0.37
Diese Abnahme bezieht sich nur auf den absoluten Wasserdampf-
gehalt der Luft, während der relative in keiner gesetzmässigen Beziehung
zur Höhe steht. Alle Beobachtungen über den relativen Dampfgehah
der Luft in grossen Höhen ergaben, dass derselbe einem ausserordent-
lichen starken und raschen Wechsel unterliegt, so dass ganz gewöhnlich
völlige Sättigung mit Wasser dampf und grösste Trocken-
heit in kurzen Intervallen aufeinander folgen, je nachdem
aufsteigende Bewegung mit Wasserdampf oder absteigende Bewegung
bezw. Windstille herrschen.
I. Das Höhenklima. 733
Solcher Wechsel zeigt sich in den Tropen vornehmlich während
der Regenzeit, in den kühlen Zonen aber nur im Frühling und im
Sommer; der Winter ist auf den Höhen, entsprechend der
geringen Bewölkung, durch sehr trockene Luft aus-
gezeichnet.
Nach den Beobachtungen Junghuhn's auf Java schwankte die relative
Feuchtigkeit auf dem Gipfel des Slamat (10500' = 3374 m) im Laufe von
weniger als 24 Stunden zwischen 13% und ioo°/0, auf dem Gipfel des
Semerü (11 480') im Laufe von 45 Stunden zwischen 35% und 5 °/0. Von
der Trockenheit auf letzterem Gipfel sagt derselbe Beobachter: „Die Luft
war auf diesem Gipfel des G. Semerü, dem höchsten der Insel Java, so
trocken, dass java'sche, aus Pandanusblättern geflochtene Matten, die an
demselben Morgen, 5000' unterhalb des Gipfels, noch sehr biegsam waren,
in die kleinsten Stücke gebrochen, in der flachen Hand zu Staub, so fein
wie Mehl, zerrieben und in die Luft geblasen werden konnten."
Ch. Martins fand auf dem Grand-Plateau des Mont Blanc (3930 m) vom
28. August bis zum 1. September eine relative Luftfeuchtigkeit von durch-
schnittlich 38°/0 (Minimum 13%), während sie zu Chamounix 82 °/0 (Mi-
nimum 5o°/0) betrug.
Der tägliche Wechsel der Thal- und Bergwinde bedingt eine
fortwährende Bewegung der Gebirgsluft, die namentlich in
beträchtlicher Höhe und auf isolirten Gipfeln zu grosser Intensität steigt.
Auf den Hochgebirgen der temperirten Zone sind die Winde im Winter
weit weniger heftig als im Frühling und Sommer.
Die Luftverdünnung, die starke Insolation, die zeitweise eintretende
ausserordentliche Trockenheit der Luft, die Winde bedingen gemein-
schaftlich die auffallende Intensität der Verdunstung, die jedem
Bergsteiger nur zu gut bekannt ist.
Es trocknet Alles viel rascher in grossen Höhen , getödtete oder
gefallene Thiere mumificiren, ohne zu faulen, der Schweiss verdunstet
rasch, die Haut ist trocken und spröde, das Durstgefühl wird
gesteigert Die Evaporationskraft des Hochgebirgsklimas darf deshalb
nicht nach der relativen Feuchtigkeit allein beurtheilt werden, der ver-
minderte Luftdruck ermöglicht eine viel raschere Verbreitung der
gebildeten Wasserdämpfe, also eine Beschleunigung der Verdunstung.
(Hann.)
Die beiden folgenden Tabellen geben die Unterschiede der Hydrometeore
zwischen zwei benachbarten, ab§r ungleich hohen Punkten an der regenreichen
Küste des westlichen Schottlands, die dritte für den isolirten Mont Ventoux
in Süd-Frankreich unter Hinweis auf das benachbarte Carpentras.
734
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Tabelle I.
Fort William. Basisstation vom Ben Nevis. Seehöhe: 9 m.
1
Temperatur mittl. tägl.
Max. ! Min.
Mittlere
Temperat.
Mittlere
Extreme
Monats-
Extreme
Regen-
menge
Januar ....
• ;l 6*7
i-5
4.2
II.6
-5-6
280
Februar . . .
. 1 6.5
0.7
3.5
10.6
-6.3
178
März ....
7.8
L3
4.4
13.2
-5-6
153
April . .
11.4
2.8
6.8
15-7
2.0
98
Mai
1 *4 6
5-8
10.2
21.9
0.5
92
Juni ....
• ,l 177
8.4
13.0
2 5-4
2.8
94
Juli
17.9
9.6 13.6
25.0
4.3
145
August . . .
.
17.7
9.6
13-4
23.1
3.4
141
September . .
15-7
7-9
11.6
21.4
0.9 ! 143
October . . .
11.4
5-1
8.2
15.8
— 1.6 193
November.
.
8.6
3-1
5-9
13.0
— 4.0 | 220
December . . .
• li 7.2
0.9
4-4
12.4
— 6.1 | 219
Jahr:
i
8-3
*956
(Meteor. Zeitschr. Bd. IX, 1892, S. 469).
Tabelle IL
Ben Nevis. 560 47' N. B., 40 58' w. L., 1343 m. ü. M.
Temper. mittel.
tägliches
Max. 1 Min.
Mittlere
Temper.
Mittlere Temperat-
Extreme
MeJLene" Relat Wind*
, \ Feuchtig.! stärke
(mm.) ; * |
Januar .
— 1-7
-5.6
— 3-7
3.8
— 10.7
403
96
3-56
Februar
1
-3-1
— 6.7
— 5-°
-4-8
2.8
— "•5
259
95
3-52
März .
1
— 3.0
— 77
34
— 12. 1
303
95
3°4
April .
i
— 1.4
— 5-o
— 3-1
4.i
— 9.2
152
93
2.41
Mai .
1 2.1
— 1.6
— o-3
8-5
— 6.4
177
94
2.20
Juni .
li 6.0
1.8
3-9
138
— 2.7
194 90 ■ 1.80
Juli .
i 6.4
2.5
4.5
13.3
— 1.8
257
94
2.00
August
I
1
J
!
6.1
2-5
4-3
11.7
— 1.9
296
94
1.92
September
5-4 1 1-4
3-4
— o.3
13.1
8.1
— 4.2
298
97
93
2.10
October .
1.4
— 2.0
— 7.3
377
_2159_
2.79
2.69
November
— 0.9
— 4.1
— 2.3
5.i
— 9-5
376
December
n— 2.5
— 6.0
— 4.2
3-7
— 11. 1
405 : 97
Jahr . .
1
— 0.6
3497
(Meteor. Zeitschr. Bd. IX. 1892. S. 469—70.)
I. Das Höhenklima.
735
Tabelle in.
Mont Ventoux. 50 16' ö. L., 440 17' N. B., Höhe 1900 m.
1886— 1887 (ausgen. *).
Mitt
Max.
Ter
leres
Min.
np er
Ab!
Max.
atur
solutes
Min.
Diff.
gegen
Carpen-
tras
Menge
1886,87
Niederschläge
Tage j| || »-«-
O fc ~ 1885/86
Menge
in
Carpen-
tras
Decmbr.
— 2.4
-5-6
2.0
-13.8
9.0
144
2
8
12
12
35
Januar . ,
— I.l
—7.2
9.8
— I3.8J 5.8
156
O
8
10
300
3i
Februar.
— 1.7
-8.7
8.0
— 18.2
9.6
140
O
9
5
85
59
März
—1.9
—5-5
14.2
— 17.6
IO.4
226
2
9
4
190
33
April
—
—4-3
0.2
— 12.6
130
I
14
4
143
48
Mai . .
—
— 2.2
—
7.2
79
5
9
8
187
21
Juni . .
20.5
5-4
25.0
0.0
7-7
IOI
6
0
1
33
20
Juli . .
21-5
8.2
26.4
3.4
II.9
144
9
0
3
45
47
August .
17.6
6-5
25.2
—0.4
II.4
5i
10
0
6
86
20
Septmbr.
11.6
3-6
2I.O
—3.6
I0.2
171
7
1
6
197
67
October
3-8
— 3-5
11.8
— 12.0
9.4
74
4
4
10
402
12
Novmbr. , 0.3
—4.6
7.2
—7.6
IO.O
449
4
12
9
933?
*35
Jahr: \
1865
2613
528
(Meteor. Zeitschr. Bd. VI, 1889, S. 29.)
Literatur.
Die klimatischen Angaben sind hauptsächlich aus Hann's Handbuch
der Meteorologie, 3. Aufl. 1897, entnommen. Benutzt wurde ausserdem:
Ch. Martins, Von Spitzbergen zur Sahara. Deutsche Ausgabe. 1872.
n. Die Regionen der Vegetation.
1. Klimatische Faotoren der regionalen Gliederung. Unterscheidung und
kurze Charakteristik der drei Regionen: Basale Region, montane Region, alpine Region.
Vergleich der Höhenregionen und der Zonen. Frühere Uebertreibung der Wärmewirkungen.
Humboldt's Ansichten. 2. Da« Pflanzenleben in den Höhenregionen. § i. Gehölz,
Grasflur, Wüste im Hochgebirge. Reihenfolge des Gehölzklima, Grasflurklima und
Wüstenklima bei zunehmender Höhe. Uebereinstimmung der Formationen in der basalen
und montanen Region mit solchen des Tieflands, charakteristisches Gepräge der alpinen
Formationen. — § 2. Eigentümlichkeiten der alpinen Gewächse, Alpine
Tracht Krummholz, Sträucher, Polstergewächse, Rosettenstauden, Gräser. Xerophile Structur.
Farbe, Grösse, Geruch der Blüthen. Periodische Erscheinungen. Versuche Bonnier's und
Kerner's über den Einfluss des Höhenklimas auf Structur der Pflanzen. Wirkung der ein-
zelnen klimatischen Factoren. Assimilation und Transpiration in der alpinen Region. Zu-
nahme des Zuckers in den Nektarien. Anwendung der Versuchsresultate auf die natürliche
alpine Vegetation. — §3. Das Vorkommen alpiner Pflanzenarten in den Tief-
ländern. Vorkommen tropischer alpiner Pflanzen in tieferen Regionen als Epiphyten und
in Solfataren. Unterschiede der arktischen und alpinen Pflanzenstructur. — §4. Die Höhen-
grenzen des Pflanzenlebens. Saussurea tridactyla.
1. Klimatische Factoren der regionalen Gliederung.
Die ersten bei der Besteigung eines Berges zum Vorschein tretenden
Veränderungen der Vegetation sind durch die Zunahme der Nieder-
schläge bedingt. Wo der Pflanzenwuchs im Tiefland dürftig, ist er
in der Höhe reichlicher ; wo im Tiefland der Wald nur das Irrigations-
gebiet der Flüsse einnimmt, dehnt er sich in weiter, zusammenhängender
Decke auf den unteren Gebirgsabhängen aus. Die maassgebenden
Pflanzenarten, z. B. die häufigsten Waldbäume, sind im Gebirge zunächst
noch dieselben wie auf feuchten Standorten der Niederung; auch ihre
Lebensweise und Structur zeigt sich noch unverändert.
Mit wachsender Höhe tritt zu der Feuchtigkeit ein zweiter
auf die Vegetation einwirkender klimatischer Factor hinzu, die Ab-
nahme der Temperatur. Alle direct oder indirect von der Wärme
abhängigen Eigenschaften der Pflanzen zeigen sich entsprechend be-
einflusst. Arten der Tiefländer höherer Breiten treten zum Vorschein
und ersetzen diejenigen des benachbarten Tieflands, die entsprechend
II. Die Regionen der Vegetation. n-ij
abnehmen. Das Gesammtbild der Vegetation, sowohl in systematischer
wie in ökologischer Hinsicht, hat gleichsam eine Verschiebung polwärts
erlitten.
Bei noch grösserer Höhe werden die Niederschläge schwächer,
während die Abnahme der Temperatur fortschreitet. Aber noch andere
Factoren des Höhenklima machen nun ihren Einfluss auf das Pflanzen-
leben geltend, wie die Luft Verdünnung, die intensive Sonnen-
und Erdstrahlung, die heftigen Winde. Die Vegetation erhält
ein eigenartiges Gepräge, das wir als alpin bezeichnen, und das,
da durch charakteristische Eigenschaften des Höhen-
klima bedingt, eines Analogon in den Tiefländern ent-
behrt. Wir können dementsprechend auf hohen Gebirgen drei Stufen
oder Regionen der Vegetation unterscheiden, nämlich:
i) Basale Region. Vegetation mehr hygrophil, aber ebenso
thermophil als im benachbarten Tiefland, derjenigen feuchter Stand-
orte in letzterem ähnlich.
2) Montane Region. Vegetation mehr hygrophil und weniger
thermophil als im benachbarten Tiefland, derjenigen der Tiefländer
höherer Zonen vergleichbar.
3) Alpine Region. Vegetation durch das gesammte Höhen-
klima beeinflusst, ohne Analogon in Tiefländern.
Eine Pflanze der basalen Region wird in der Niederung unverändert
bleiben, wenn die Feuchtigkeit, eine solche der montanen Region,
wenn ausserdem die Temperatur derjenigen des natürlichen Standortes
ähnlich ist. Eine alpine Pflanze gedeiht entweder gar nicht im Tief-
land oder büsst, wenn sie es thut, ihre alpine Tracht theilweise ein.
Die Vegetationsregionen der Gebirge sind natürlich nicht scharf
gegen einander abgegrenzt, sondern gehen, ähnlich wie die Vegetations-
zonen, ganz allmählich in einander über. Die Grenzlinien sind dem-
entsprechend bis zu einem gewissen Grade der Willkür anheim gestellt.
Ausserdem sind dieselben je nach dem Gebirge wechselnd, indem
andere klimatische Factoren die Wirkungen des Höhenklima bald unter-
stützen, bald abschwächen, ersteres namentlich in den hohen, letzteres
in den niederen Breiten. Dennoch können alle drei Regionen stets
mit Sicherheit unterschieden werden , am leichtesten zwischen den
Wendekreisen, am schwierigsten in den circumpolaren Gebieten.
Da die ersten Pflanzengeographen nur die Temperatur in Betracht zogen,
so erblickten sie in den Veränderungen, welche die Vegetation in zunehmender
Höhe erleidet, lediglich die Wirkung ihrer Abnahme. So kamen sie zu der
Vorstellung, dass ein äquatorialer Berg mit seinem von ewigem Schnee be-
deckten Gipfel klimatisch gleichsam eine Erdhemisphäre im Kleinen darstelle
und entsprechende Florengürtel aufweisen müsse. Der von Eis und Schnee
bedeckte Gipfel stellte für sie das Analogon einer Polkappe dar.
Schimper, Pflanzengeographie. 47
738
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Neuere Untersuchungen haben den Nachweis geliefert, dass die früheren
Vorstellungen über den Einfluss der Temperatur auf die geographische Ver-
breitung der Gewächse viel zu exclusiv waren. Immerhin darf die Gliederung
der Höhen lediglich in Wärmegürtel in der Pflanzengeographie nicht ver-
nachlässigt werden, da sie für manche Fragen der floristischen Pflanzen-
geographie maassgebende Bedeutung behält
Tropische Gebirge weisen folgende Wärmegürtel auf:
i) Warmer Gürtel mit tropischem Klima.
2) Milder Gürtel. Mittlere Temperatur ca. 15° — 200, nie unter o°.
3) Kühler Gürtel. Temperatur zuweilen unter o°.
4) Kalter Gürtel. Temperatur meist unter o°.
Von allgemeinen Angaben über die Temperaturen gerade der beiden
höchsten Gürtel glauben wir absehen zu müssen, einerseits weil dieselben
starke Schwankungen zeigen, welche, obwohl für das Pflanzenleben von höchster
Bedeutung, bisher nicht hinreichend festgestellt sind, sodann weil das Wärme-
klima dieser Gürtel mit der Entfernung vom Aequator tiefgreifende Ver-
änderungen erleidet.
Die Wärmegürtel der Gebirge hoher Breiten dürfen wegen der polwärts
zunehmenden Unterschiede der Jahreszeiten den kühlen und kalten Gürteln
der tropischen Hochgebirge, nicht gleichgestellt werden. Der Vergleich
ist nur bei nicht zu grossem Breitenunterschied zulässig und wurde von
früheren Pflanzengeographen viel zu weit geführt.
Der Zusammenhang zwischen Hemisphären und Hochgebirgen,
Erdzonen und Höhenzonen wurde von A. von Humboldt klimatisch
begründet und auf die ganze Erde ausgedehnt, nachdem bereits früher
Tournefort und Gundelsheimer nachgewiesen hatten, dass der Ararat
von unten nach oben eine armenische, südeuropäische, französische,
skandinavische und arktische Florenstufe aufweist.
Folgende Vegetationsregionen wurden von Humboldt für das
äquatoriale Andengebiet aufgestellt:
Höhe über dem
Meere
Mitteltemperatur
für die ent-
sprechende Höhe
(Celsius)
Erdzonen mit
ähnlicher Tem-
peratur im Meeres-
niveau
(Breitegrade)
Charakteristische Gewächse
0 — 600
27-5
0—15
Palmen und Bananen
600 — 1200
24°
I5~23
Baumfarne und Feigen
1200 — 1900
21°
2 3—34
Myrten- und Lorbeergewächse
1900 — 2500
190
34 45
Immergrüne Laubhölzer
2500 — 3100
160
45-58
Sommergrüne Laubhölzer
3100 — 3700
i3ü
58—66
Nadelhölzer
3700 — 4400
8.5°
66 — 72
Alpenrosen
4400 — 4800
4-5°
72 — 82
Alpenkräuter
über 4800
i-5°
82 — 90
Kryptogamen (Ewiger Schnee)
II. Die Regionen der Vegetation. 73 g
Die genialen Anschauungen Humboldt's haben sich nur zum Theile
bewährt. Seine Reihenfolge der Vegetationsstufen in äquatorialen
Gebirgen ist beinahe nie vollzählig vertreten. So zeigt sich in den
Tropen die Stufe der sommergrünen Bäume nur in einigen Grenz-
gebieten und diejenige der Nadelbäume ist, wenn überhaupt vorhanden,
meist durch Beimischung vieler Laubhölzer verwischt. Endlich ist die
Höhe der Baumlinie schwankend und auf Kegelbergen z. B. viel tiefer
gelegen als auf Kettengebirgen.
2. Das Pflanzenleben in den HOhenregionen.
§ 1. Gehölz, Grasflur, Wüste im Hochgebirge. Die Ver-
änderung des Klima beim Uebergang vom Tiefland in
die Höhe ist zunächst gehölzgünstig, denn die Regen
sind hier ergiebige Gussregen, durch welche der Untergrund
constant feucht erhalten wird. Dementsprechend sind die Ab-
hänge der basalen und der montanen Region gewöhnlich
von Gehölzen überzogen, die in regenreichen Gebieten diejenigen
des benachbarten Tieflands an Ueppigkeit zu übertreffen pflegen. Im
unteren Gürtel der alpinen Region sind die Niederschläge weniger
reichlich als in den beiden unteren Regionen und nehmen nicht die
Form ergiebiger lange dauernder Gussregen, sondern, wegen der geringen
Capacität der verdünnten Luft für Wasserdampf, diejenige leichter,
kurz dauernder, aber häufiger oberflächlich nässender
Sprühregen. Dadurch erhält das Klima im unteren Theil
der alpinen Region mehr den Charakter eines Grasflurklima.
Zudem enthält dieses Klima in den häufigen und heftigen Winden,
welche, bei der Verdünnung und der häufig grossen Trockenheit der
Luft noch stärker als im Tiefland die Transpiration befördern, ein
ausgesprochen bäum feindliches Element. Die klima-
tischen Formationen des unteren Gürtels der alpinen
Region sind dementsprechend Grasfluren; Gehölze zeigen
sich nur als niedrige, xerophile Standortsformationen, auf sehr durch-
lässigem, steinigem, der Grasflur ungünstigem Boden.
Im oberen Gürtel der alpinen Region werden einerseits die Nieder-
schläge immer geringer, während andererseits die trocknenden Wir-
kungen der verdünnten Luft immer stärker zur Geltung kommt. Das
Grasflurklima geht in Wüstenklima über. Ausser an nassen
Standorten ist die Vegetation äusserst spärlich und schliesslich auf
einige Flechten beschränkt.
Die Reihenfolge : Gehölz, Grasflur, Wüste, entsprechend drei Höhen-
stufen, ist nur auf den höchsten tropischen, subtropischen Bergen, z. B.
47*
740
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
am Kilimandscharo, anscheinend auch im Tibet, vertreten. Meist dehnt
sich dicht über der Grasflur ewiger Schnee aus.
Die Formationen der basalen und der montanen Region zeigen
keine wesentlichen ökologischen Abweichungen von den Formationen
der Tiefländer und sollen daher die gleichen Bezeichnungen tragen.
In der alpinen Region hingegen tragen die Pflanzen-
formationen das charakteristische Gepräge des Höhen-
klima und müssen entsprechend gekennzeichnet werden, was durch den
Zusatz alpin geschehen
soll. Wir stellen daher die
alpinen Grasfluren, Ge-
sträuche,Wüsten neben
diejenigen des Tieflands
und behalten nur für die
alpinen Wälder die übliche
Bezeichnung Krummholz.
§ 2. Eigentümlichkeiten
der alpinen Gewächse. Wo-
rin die charakteristische
Tracht der Pflanzen der al-
pinen Region besteht, lässt
sich am besten bei den auch
im Tiefland vorkommenden
Arten nachweisen. Die al-
pinen Individuen ha-
ben kürzere Axen,
kleinere Blätter, stär-
ker entwickelte Wur-
zeln, gleich grosse
oder etwas grössere,
häufig etwas tiefer ge-
färbte Blüthen, und die
gesammte Structur ist
bei ihnen xerophil.
Im Uebrigen können wir in der Regel folgende Typen unter-
scheiden.
i) Das Krummholz. Diese Bezeichnung kam früher nur für
die Legföhre, Pinus montana var. Pumilio, welche den Typus im euro-
päischen Hochgebirge allein vertritt, zur Anwendung. Der gleiche
Habitus kommt aber, wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, vielen
tropischen Bäumen der alpinen Region zu. Er ist bedingt durch den
kurzen, knorrigen, oft schiefen oder horizontalen Stamm und die
langen, schlangenartig gewundenen, hin und her gekrümmten Aeste.
Fig. 406. Alpine Andensträucher der Paramos:
/ Hinterhubera ericoides (Composit) Venezuela. 2 Se-
necio vaccinioides. Neu -Granada. Nattirl. Grösse.
Nach Weddell.
II. Die Regionen der Vegetation. ja\
2) Die alpinen Sträucher haben theilweise aufrechten Wuchs
und unterscheiden sich dann habituell nicht wesentlich von Tiefland-
sträuchern. In den höchsten Vegetationsgürteln jedoch sind sie als
kriechende Zwergsträucher ausgebildet, mit reich entwickeltem Wurzel-
system und meist reich verzweigten, auf dem Boden oder dicht unter
dessen Oberfläche horizontal ausgebreiteten Axen. Wie das Krumm-
holz sind die Sträucher beinahe stets immergrün.
3) Der, abgesehen von den Moosen, nur auf den Inseln der südlichen
temperirten Zone und in der Arktis auch in den Niederungen vertretene
Typus der Polsterpflanzen ist in der alpinen Region der Gebirge
der höheren Breiten beider Hemisphären und in den Anden, durch
eine Fülle von Formen der verschiedenartigsten Verwandtschaft ver-
Fig. 407. Alpine Zwergsträucher Neu- Seelands: Coprosma cuneata Hook. fig. Nat. Gr.
treten (Fig. 408). In einem derartigen Polster sind die Glieder eines Axen-
systems, dessen Hauptaxe bald noch vorhanden, bald abgestorben ist,
derart an einander gepresst, dass sie sich allseitig dicht berühren und nur
an der freien Oberfläche Blätter und Blüthen aufweisen. Die Grösse der
Polster ist sehr verschieden. Bei gewissen Androsace- und Saxifraga-
Arten der Alpen, z. B. , übertreffen sie kaum diejenigen der Grimmia-
und Barbula- Arten, die bei uns auf Mauern und Felsen die Polsterform
vertreten, während andere an Korallenmassen erinnern, wie bei den
neuseeländischen Raoulia- und den andinen Azorella- Arten, deren bis 2 m
hohe, sammeartig behaarte, glatte und feste Polster aus dicht schliessen-
den prismatischen Sprossen zusammengesetzt sind.
4) Eine Hauptrolle, namentlich auf den alpinen Wiesen, kommt
den Rosettenstauden zu, welche sich von denjenigen der Niede-
742
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
rungen durch viel kürzere oberirdische Sprossen und viel längere und
kräftigere Wurzeln unterscheiden (Fig. 409 — 412).
Fig. 408. Alpine Andenflora der Paramos und Pirnas. Polstergewächse in natürl. Grösse.
/ Erigeron pulvinatum. Punaformation, Bolivien. 2 Maja compacta (Composit). Neu-Granada.
3 Oriastrum pusillum (Compos. - Mutis.). Chile, am ewigen Schnee. 4 Verbena minima
Meyen. Peru und Bolivien. 5 Lysipoma muscoides (Lobeliac). Neu-Granada, am ewigen
Schnee. 6 Merope aretioides (Composit), am ewigen Schnee. Peru. Alle nach Weddell.
5) Die alpinen Gräser haben meist kürzere Blätter als diejenigen
des Tieflands, so dass die alpinen Grasfluren niedrigen Rasen zu be-
II. Die Regionen der Vegetation.
743
sitzen pflegen. In den Tropen sind diese Grasblätter nach dem Steppen-
typus gebaut, schmal, eingerollt, hart, stechend, während sie in hohen
Breiten oft echte Wiesengräser darstellen.
Das Laub ist, wenigstens auf den höheren Stufen der alpinen
Region, mit ausgeprägten Schutzmitteln gegen Transpiration versehen.
Bei den Holzgewächsen ist es meist lederartig, bei den Stauden, ent-
sprechend der zeitweise herrschenden grossen Lufttrockenheit, oft stark
behaart. Die nicht behaarten Stauden haben dicke, oft sueculente
Blätter, eine stark ausgebildete Cuticula, enge Intercellularen und die
bei Xerophyten allgemein verbreitete mächtige Entwickelung der Palis-
saden.
Die Blüthen der alpinen Gewächse pflegen lebhafte Farben zu
besitzen, und bei Arten, die gleichzeitig die Niederung und die alpine
Region bewohnen, zeigt sich in dieser Hinsicht eine deutliche Bevor-
zugung der letzteren.
In manchen Fällen ist
die Blüthe grösser, z. B.
bei Solidago Virga aurea,
Betonica officinalis, He-
lianthemum vulgare in
den mitteleuropäischen
Gebirgen, nach Linde-
mann auch bei Cam-
panula rotundifolia, Mel-
andryum silvaticum, Ta-
raxaeum officinale , im
norwegischen Hochge-
birge. Hingegen ist die
alpine Form der Parnassia palustris !) viel kleinblüthiger als im Tiefland.
Der Geruch der Blüthen zeigt mit der Höhe eine Zunahme.
In der alpinen Region der temperirten Hochgebirge treten den all-
gemeinen Merkmalen der alpinen Vegetation solche hinzu , die auf
die Kürze der Vegetationsperiode zurückzuführen sind. Dieselben
zeigen sich am auffälligsten bei den dem Tiefland und den Höhen ge-
meinen Arten. So öffnen sich die Blüthen von Calluna, Parnassia,
Gnaphalium dioieum, Gentiana germanica, Solidago virga aurea, Dianthus
superbus auf den Hügeln im August, in der alpinen Region im Juli,
obwohl die Vegetationszeit im letzteren Falle viel später eintritt.2)
Die Frage, inwiefern die im Vorhergehenden zusammengestellten
i<^
Fig. 409. Alpine Andenflora. Achyrophorus quitensis Schultz
Bip. Neu -Granada bis Peru. 3000 — 4000 m. */„ nat. Gr.
J) Man vergleiche z. B. die Blüthen der Parnassia auf der Schynigen Platte und bei
Interlaken.
*) Vgl. Sendtner 1. c. S. 239.
744
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Eigenthümlichkeiten der alpinen Gewächse als directe Wirkungen
des Höhenklima zu betrachten sind, ist durch Versuche A. v.
Kerner's und G. Bonnier's theilweise beantwortet worden, indem beide
Forscher Culturen von Pflanzen der Niederungen im Höhenklima ver-
anstalteten. Da die Versuche Bonnier's am meisten einwandfrei
erscheinen , so sollen dieselben , obwohl von späterem Datum als die-
jenigen Kerner's, in den Vordergrund gestellt werden.
Die höchstgelegenen experimentellen Culturen Bonnier's wurden
in den Alpen (aiguille de la Tour) bei 2300 m und in den Pyrenäen
(Col de la Paloume) bei 2400 m angelegt;
die Controlculturen im Tieflande befanden
sich in der näheren und ferneren Umgebung
von Paris sowie im Departement du Gexs.
Verschiedene Zwischenstufen bei 740, 1050 m
(Chamounix) etc. wurden ebenfalls durch Cul-
turen berücksichtigt. Bei jeder Versuchs-
reihe diente die gleiche, der Höhenstation
entnommene Bodenart, und um indivi-
duellen Veränderungen vorzubeugen, kamen
bei mehrjährigen Pflanzen vegetative Glieder
desselben Stockes, bei Annuellen Samen des-
selben Stockes zur Verwendung. In sämmt-
lichen Culturen bedingte das Höhenklima Ver-
änderungen der äusseren und inneren Structur,
durch welche die Gewächse des Tieflandes
einen mehr oder weniger ausgeprägten, aber
stets deutlichen alpinen Habitus erhielten.
Die unterirdischen Theile erhielten, wenig-
stens relativ, eine stärkere Ehtwickelung.
Die Axen waren kürzer, mehr behaart,
zeigten die Neigung, sich flach auszubreiten.
Die Blätter waren kleiner, dicker, stärker
behaart , chlorophyllreicher. Die Blüthen
waren relativ, manchmal sogar (Solidago
Virga aurea, Carduus defloratus, Teucrium
Scorodonia) grösser als in der Niederung und
intensiver gefärbt. Der histologische Bau zeigte eine ausgesprochene
Zunahme der Schutzmittel gegen Wasserverlust : Dickere Cuticula, stärkere
und frühere Korkbildung, Auftreten eines Hypoderms, Verlängerung der
Palissaden und, nach den Figuren zu urtheilen, Reduction der Inter-
cellularen. Doch soll, namentlich an der Oberseite, die Zahl der Spalt-
öffnungen eine Zunahme zeigen.
Das Kurzbleiben der oberirdischen Sprosse bei den alpinen Ver-
Fig. 410. Celmisia sessiliflora
Hook. fil. Eine alpine Rosetten-
pflanze (Composite) Neu-Seelands.
Nat. Gr.
II. Die Regionen der Vegetation.
745
suchspflanzen war mehr durch eine Reduction der Länge, als durch
eine solche der Zahl der Internodien bedingt und am auffallendsten
Fig. 411. Dianthus glacialis. Alpen.
bei Helianthus tuberosus, dessen Knollen im Höhenklima nur Blatt-
rosetten, in den Culturen der Niederung hingegen normale hoch-
stämmige Sprosse erzeugten. Im
Allgemeinen jedoch waren die Ver-
änderungen, wenn auch wohl aus-
geprägt, doch weniger tiefgreifender
Art. Typische Beispiele stellen Helian-
themum vulgare (Fig. 414) und Leon-
todon Taraxacum (Fig. 413) ,dar.
Der alpine Habitus wurde in
Bonnier's Höhenculturen mit jedem
Jahre stärker und verschwand bei
Cultur in der Niederung nur im
Laufe der Jahre. Das Höhenklima
hat demnach ausser seinen unmittel-
baren Wirkungen auch Nachwirkun-
gen, in welchen die partielle Erblich-
, . , . . ., . . . . Fig. 412. Alpine Andenflora. / Viola
keit der alpinen Merkmale typischer gnmäoUL Wedd 2 Viola pygmaea ,,oir
Höhenpflanzen ihre Erklärung findet. */3 nat. Gr. Nach Weddell.
746
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
*ig- 4!3« Leontodon Taraxacum. P Tief landcultur (ca. %\h nat. Gr.). M Alpine Cultur (id.).
M' Alpine Cultur. Nat. Gr. Nach Bonnier.
II. Die Regionen der Vegetation.
747
Als Beleg für die durch das Höhenklima verursachten, structurellen
Veränderungen wurde Bonnier's Arbeit folgende Tabelle entnommen:
Trifolium repens.
In Caddac (Tiefland) ge-
pflanzte Hälfte. Maximalgrösse
0,22 m. Blüthen wenig gedrängt,
deren Stiel und Kelch ungefähr gleich
lang.
Mittlere Länge der Köpfchenstieie
0,130 m.
Mittlere Länge der Blattstiele 0,0 15 m.
Mittlere Breite der Blättchen 0,015 m.
Blätter im durchscheinenden Lichte
hell grün (14 h des Chromometer).
Blätter dünn.
Blüthen weiss.
Auf der Arbizonkette (Höhe)
gepflanzte Hälfte. Maximalgrösse
0,13 m. Blüthen dicht gedrängt (we-
niger zahlreich im Köpfchen), deren
Stiellänge ^8 0(^er V4 derjenigen des
Kelchs erreicht.
Mittlere Länge der Köpfchenstiele
0,180 m.
Mittlere Länge der Blattstiele 0,020 m.
Mittlere Breite der Blättchen 0,010 m.
Blätter im durchscheinenden Lichte
dunkelgrün (14 e des Chromometer).
Blätter dick (% dicker als in Caddac).
Blüthen rosa.
Kerner's Versuche wurden durch Aussaat von Pflanzen der Ebene in
seinem nahe der Kuppe des Blasers in Tirol (2195 m) befindlichen alpinen
Garten angestellt und führten im Wesentlichen zu den gleichen Resultaten,
wie diejenigen Bonnier's. Doch beobachtete er in manchen Fällen ein
Kleinerwerden der Blüthen (z. B. bei Parnassia palustris), und die Zahl der
letzteren war an den alpinen Exemplaren kleiner als an solchen des Tief-
lands. Trotz dieser letzteren Ergebnisse ist ähnlich wie bei den Versuchen
Bonnier's auch hier auf Bevorzugung der Blüthenbildung zu schliessen, denn
letztere trat relativ früher ein : „Während an Viola arvensis auf dem Versuchs-
beet in Wien die Achselknospen der Laubblätter 1 — 6 unterdrückt wären
und erst aus jenen des 7. und 8. Laubblatts Blüthen hervorgingen, entwickelten
sich an derselben Art im alpinen Versuchsgarten schon aus der Achselknospe
des 3. und 4. Laubblatts Blüthen."
Kerner beobachtete bei vielen Pflanzen seiner Höhenculturen eine
Verfärbung der vegetativen Organe in Folge partieller Zer-
störung des Chlorophylls (z. B. bei Arabis procurrens, Digitalis
ochroleuca, Geum urbanum, Orobus vernus etc.). Linum usitatissimum
ging sogar anscheinend an völliger Zerstörung des Chlorophylls zu
Grunde. Bei anderen Arten wurde die grüne Farbe der Laubsprosse
durch reichliche Cyanophyllbildung verdeckt, so das in der Ebene nur
röthlich angehauchte Bohnenkraut, welches im alpinen Garten tief
rothbraun wurde und die in der Ebene rein grünen Arten von Sedum,
Dracocephalum Ruyschiana, Leucanthemum vulgare, Lychnis Viscaria,
Bergenia crassifolia, Potentilla tirolensis, die Spitzen von Gräsern etc.
Bonnier und Kerner stimmen darin überein , dass die Blüthen
in ihren Höhenculturen meist eine intensivere Färbung
besassen als in den parallelen Tieflandculturen. Ein
74»
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Fig. 414. Helianthemura vulgare, a im Tieflande, */2 nat. Gr. b im Höhenklima, 1/a nat Gr.
c dasselbe wie ö, aber nat. Gr. Nach Bonnier.
II. Die Regionen der Vegetation.
749
Unterschied ist nicht immer vorhanden, und wo letzteres der Fall, nicht
immer sehr ausgeprägt. Am meisten fiel der fördernde Einfluss des
Höhenklima auf die Pigmentbildung von Blüthen, die im Tiefland weiss
sind, in den alpinen Culturen aber mehr oder weniger tief carminrothe
Färbung erhielten, wie z. B. Libanotis montana, Trifolium repens. Unter
den auch im Tiefland gefärbten Blüthen , die im Höhenklima dunkler
werden, sind, nach Kerner, Agrostemma Githago, Campanula pusilla,
Dianthus silvestris, Gypsophila repens, Lotus corniculatus , Saponaria
ocymoides, Satureja hortensis, Taraxacum, Vicia Cracca und Vicia
sepium auffallende Beispiele. Bonnier hat für eine Anzahl Blüthen die
Unterschiede in einer farbigen Tafel veranschaulicht. Danach scheint
die Verdunkelung gelber Blüthen auf der Bildung rothen oder violetten
^^MMÄMä' *
Fig. 415. Teucrium Scorodonia. Blattquer-
schnitt, a im Höhenklima, b im Tieflande.
Nach Bonnier.
Fig. 416. Galeopsis tetrahit. Blattquer-
schnitt, a im Höhenklima, b im Tief lande.
Nach Bonnier.
Farbstoffs, wohl gelösten Cyanophylls, wie bei den normal solchen
enthaltenden rothen und blauen Blüthen, zu bestehen. Das gelbe
Carotin dürfte also unbeeinflusst bfeiben.
Die von Bonnier und Kerner festgestellten Erschei-
nungen lassen sich sämmtlich auf bekannte Factoren des
Höhenklima zurück führen.
Das Höhenlicht wirkt durch seine grössere Intensität stärker
hemmend auf das Wachsthum der Axen und Blätter als das Licht
des Tieflands. Die grosse Lichtintensität bedingt auch die stärkere
Entwickelung gewisser Pigmente, namentlich des Cyanophylls in
den Blüthen und im Laub, während sie andererseits raschere Zer-
75o
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Störung des Chlorophylls bewirkt. Der Reichthum des Höhenlichts
an ultravioletten Strahlen fördert wahrscheinlich die Entwickelung
der Blüthen.
Die trocknenden Eigenschaften des Höhenklimas,
bedingt durch die starke Insolation, die Luftverdünnung und die Luft-
bewegung, wirken zum Theil in gleicher Richtung wie das intensive
Licht auf Entstehung und Wachsthum der Laubsprosse und Blüthen.
Namentlich aber veranlassen sie die allen alpinen Pflanzen zukommende
xerophile Structur der belaubten Theile und die ebenfalls bei Xero-
phyten gewöhnliche starke Entwickelung der Wurzeln.
Die niedere Temperatur, namentlich in der Nacht, hemmt
das nächtliche Längen wachsthum. Ausserdem bedingt die Kälte des
Wassers, dass die Pflanzen sehr nasser Standorte xerophilen Bau
erhalten.
Weniger klar als die im Vorhergehenden behandelten sind die Wirkungen
des Höhenklima auf verschiedene Vorgänge des Stoffwechsels. Bonnier hat
Pflanzen aus seinen alpinen Culturen in subalpinen Stationen mit den in
letzteren gewachsenen in Bezug auf ihre Kohlensto f f a ssimilation, Re-
spiration und Transpiration verglichen. Es stellte sich heraus, dass
gleiche Oberflächen der alpinen Stöcke mehr assimilirten und am Lichte
mehr, im Dunklen aber weniger Wasserdampf abgaben, als solche der tieferen
Stationen. Die Beziehungen zu den Frisch- und Trockengewichten wurden
nicht festgestellt ; ausserdem fehlt es an Angaben über die Stoffwechselvorgänge
der alpinen Versuchspflanzen in alpiner Höhe. Die Befunde können auf die
letzteren nicht angewendet werden.
Mit grösserer Sicherheit kann ein fördernder Einfluss der alpinen Höhe
auf die Zuckerbildung der Blüthennektarien angenommen werden.
So sind nach Bonnier und Flahault die Blüthen von Silene inflata, Isatis
tinctoria, Euphrasia officinalis, Leontodon autumnalis u. a. zwischen 1500
und 1800 m ü. M. — einem Niveau wo die Wirkungen des Höhenklima
doch noch nicht sehr ausgeprägt sind — , nektarreicher als zwischen 200 und
500 m. Hermann Müller fand bei Piatanthera bifolia im Tiefland den Sporn
höchstens über 1/3, in den Alpen oft weit über die Hälfte mit Nektar angefüllt
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine von Layens mitgetheilte
Angabe aus der Bienenzuchtstatistik des Departements des Pyrdndes Orientales,
nach welcher letzteres 19829 Bienenstöcke besitzt, die ziemlich gleichmassig
zwischen o und 1500 m vertheilt sind und die, nach Höhenzonen von 300 m
eingetheilt, durchschnittlich folgenden Ertrag geben:
Höhe in m Ertrag in kg
O — 300 3.06
300 — 600 4.08
600 — 900 5.00
900 — 1200 7.00
1200 — 1500 9.33.
II. Die Regionen der Vegetation. 75 I
Angeblich soll auch das Aroma der Pflanzen, also ihr Gehalt an ätheri-
schen Oelen, mit der Höhe zunehmen. Thatsächlich hat auch Bonnier eine
Zunahme der Harz- und Oelbehälter in seinen alpinen Culturen festgestellt.
Der aromatische Geruch des alpinen Heues wird oft und mit Recht betont.
Doch scheint die Erscheinung nicht allgemein zu sein. So enthält die Flora
der baumlosen Region auf Java keine einzige Pflanze mit aromatischen Blüthen,
obwohl solche im Tiefland sehr häufig sind, und nur wenige mit aromatischen
vegetativen Theilen (Gaultheria, Gnaphalium etc.). Die Früchte der alpinen
Rubus- und Vaccinium- Arten sind, abgesehen von einem schwachen Gehalt
an Säure, völlig geschmacklos, und das Gleiche gilt von den im oberen
Theile der montanen Region cultivirten europäischen Bäumen, z. B. den
Pflaumen, während die tropischen Früchte des Tieflands das intensivste
Aroma besitzen.
Viele Eigentümlichkeiten der alpinen Gewächse erscheinen, nach
den eben geschilderten Versuchen und Beobachtungen, als directe, je-
doch mehr oder weniger erblich gewordene Wirkungen des alpinen
Klima und unsere Kenntniss der Elemente des letzteren erlaubt in
vielen Fällen die einzelnen Ursachen zu erkennen. Für andere Er-
scheinungen können wir wohl den Nutzen, den sie gewähren, erkennen ;
es ist aber zur Zeit nicht möglich zu entscheiden, ob sie ebenfalls
direct durch das Klima hervorgerufen werden oder ob sie das Resultat
der Auslese zufälliger Variationen darstellen. So erscheint uns bei der
Kürze der Vegetationszeit, das immergrüne Laub sehr zweckmässig;
welche Einflüsse die Annahme desselben bei Pflanzentypen, welche, wie
die Weiden, sonst sommergrün sind, bleibt unbekannt. Ebenso ist
die frühere Entwicklung der Blüthen im Vergleich zum Tiefland physio-
logisch unaufgeklärt. Manche Erscheinungen sind sogar ökologisch
noch räthselhaft, so die offenbar eine Anpassung an das alpine Klima
darstellende Polsterform und der charakteristische Habitus der Krumm-
holzbäume. In beiden Fällen erscheint ein Zusammenhang mit den
heftigen Winden am wahrscheinlichsten. Starker Wind ist das einzige
gemeinsame Merkmal der Standorte der Polsterpflanzen auf den Inseln
der Südsee und in der alpinen Region und die Krummholzgestalten
wiederholen sich oft an den freistehenden Bäumen und Sträuchern
offener, windiger Meeresküsten.
§ 3. Das Vorkommen alpiner Pflanzenarten in tieferen Regionen.
Die Flora der alpinen Region setzt sich überall zusammen 1. aus Arten,
die ihr ganz eigenthümlich sind 2. aus solchen, die auch in tieferen
Höhenregionen und im Tiefland vorkommen. Die Pflanzen der letzteren
Kategorie bieten besonderes Interesse , indem ihr Vorkommen an un-
gleichen Standorten auf die Existenzbedingungen im alpinen Klima
manches Licht wirft, bezw. die gewonnenen Anschauungen bestätigt.
Die auf den alpinen Wiesen und Steppen des Hochgebirges ver-
tretenen Arten der Grasflur des Tieflands zeigen sich so modificirt, dass
752 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
sie vielfach als Varietäten (Var. alpina) unterschieden werden. Solche
alpinen Formen besitzen die Eigenthümlichkeiten , die wir als directe
Wirkungen des Höhenklima kennen lernten.
Alpine Pflanzen, welche in der feuchten basalen und montanen
Region auftreten, verrathen durch ihre Standorte ihren ausgesprochen
xerophilen Charakter. So kommen eine Anzahl der Gipfelpflanzen
Java's in den unteren regenreichen Regionen vor, aber entweder als
Epiphyten (z. B. Rhododendron javanicum, retusum, Vaccinium poly-
anthum etc.) oder auf dem salzreichen Boden der Solfataren.1) In
Japan hat Mayr ebenfalls eine reiche Vegetation alpiner Gewächse in
den Solfataren der tieferen Regionen beobachtet. Aus ähnlichem Grunde
kommen manche alpinen Arten des Atlas auf dem Meeresstrande bei
Algier, aber nicht in den Zwischenregionen vor.2)
In den eben erwähnten Fällen liegt die Analogie in den Existenz-
bedingungen an verschiedenen Standorten in der erschwerten Wasser-
versorgung, welcher durch den Besitz xerophiler Eigenschaften vor-
gebeugt ist. Die Temperatur kommt nicht in Betracht, hingegen ist
sie, neben der Xerophilie, ein Factor des Vorkommens vieler Pflanzen
höherer Tieflandsbreiten im Hochgebirge niederer Breiten. So kommen
auf den alpinen Höhen des tropischen Afrika mediterrane und süd-
afrikanische Arten, auf denjenigen der nördlichen temperirten Zone
polare Arten vor.
Das Vorkommen vieler polaren Pflanzenarten im temperirten Hoch-
gebirge hat zur Annahme einer vollkommenen Analogie zwischen alpiner
und arktischer Flora und zwischen alpinem und arktischem Klima in
ihren Wirkungen auf das Pflanzenleben gefuhrt. Doch hatte bereits
H. Christ, der beste Kenner der europäischen alpinen Flora, gegen die
Existenz einer so weitgehenden Uebereinstimmung protestirt, und
G. Bonnier hat neuerdings, auf Grund sorgfaltiger Untersuchungen, den
Nachweis geliefert, dass die alpinen und arktischen Individuen derselben
Art sich in ihrer Structur wesentlich von einander unterscheiden, so
dass nur sehr plastische Arten gleichzeitig in beiden Klimaten existiren
können. Die Unterschiede zwischen der arktischen Flora
und der alpinen Flora der nordtemperirten Zonen sind
daher nicht bloss auf historische, sondern in erster Linie
auf gegenwärtig noch wirkende physiologische Ursachen
zurückzuführen.
Mit dem polaren Klima theilt das alpine aller Breiten die grosse
Lichtmenge und die niedere Lufttemperatur. Die Verhältnisse der Be-
leuchtung sind aber nicht identisch, indem es sich im ersteren Falle um
») Vgl. S. 413.
2) Vgl. Battandier.
II. Die Regionen der Vegetation. 753
continuirlich schwache, im zweiten um unterbrochene intensive Be-
leuchtung handelt. Die niedere Lufttemperatur wird im alpinen Klima
bei Sonnenschein durch intensive Bestrahlung in ihren Wirkungen auf
das Pflanzenleben aufgehoben, im Schatten und in der Nacht aber ver-
stärkt, während die polaren Pflanzen derartigen Wärmeschwankungen
nicht ausgesetzt sind. Endlich ist die Gefahr des Wassermangels bei
den alpinen Pflanzen vornehmlich, wenn auch indirekt, durch die Ver-
dünnung der Luft, bei den polaren durch die Kälte des Bodens bedingt.
Den ungleichen physiologischen Wirkungen des alpinen und des
polaren Klima entsprechen Unterschiede der äusseren und inneren
Pflanzenstructur. So sind, nach Bonnier, die oberirdischen Theile von
Salix polaris und Saxifraga oppositifolia in polaren Exemplaren schwächer
entwickelt als in alpinen. Besonders charakteristisch ist aber
für die polaren Gewächse, im Gegensatz zu den alpinen
derselben Arten, der Besitz dickerer Blätter mit weniger
differenzirter histologischer Structur und grösseren
Intercellularen. Diese Eigenschaft der polaren Gewächse
ist aber, wie bereits früher gezeigt wurde, der Ein-
wirkung der ununterbrochenen schwachen Beleuchtung
zuzuschreiben, während die intensive, aber unter-
brochene Beleuchtung des alpinen Klimas niederer
Breiten im Gegentheil die histologische Differenzirung
der Blätter begünstigt.
§ 4. Obere Grenze des Pflanzenlebens im Hochgebirge. Die
obere Grenze der Vegetation in den Hochgebirgen ist natürlich nach
dem Klima verschieden und liegt in den Tropen im Allgemeinen "höher
als in den temperirten Zonen, wo bei gleicher Höhe die Temperatur
tiefer liegt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass niedere Kryptogamen
auch die höchsten Gipfel bewohnen. H. Meyer fand einige Flechten
noch auf dem Gipfel des Kilimandscharo (6010 m), und es ist wahr-
scheinlich, dass dieser Punkt keineswegs die oberste Grenze der Vege-
tation überhaupt darstellt. Namentlich dürften Bacterien noch höher
steigen.
Viel leichter ist es, die oberste Grenze der Phanerogamen-
vegetation festzustellen. Der höchste bekannte Standort von Phanero-
gamen liegt nicht in den Tropen, sondern in West -Tibet, wo bei 5800 m
Saussurea tridactyla (Fig. 417) noch wächst. Diese am höchsten hinauf-
gehende Blüthenpflanze besitzt nicht einmal in besonders hohem
Maasse die alpine Tracht, indem ihre Axe sich zu der relativ beträcht-
lichen Höhe von ca. 1 5 cm über den Boden erhebt. Gegen Transpiration
ist sie durch eine mächtige Hülle wolliger Haare geschützt. Die alpine
Tracht kommt in höherem Grade einigen Arten derselben Gattung zu,
die dieselben Gebirge wie S. tridactyla bewohnen, aber deren höch-
Schimper, Pflanxengeographie. 48
Fig. 417. Saussurea- Arten der alpinen Flora des westlichen Tibet. A Saussurea tridactyla
19000'. B S. Thomsoni 17 — 18000'. C S. Kunthiana 17—18000'. D S. Wernerioides
17—18000'. Nat. Gr. N. d. Nat. gez. v. M. Smith. Kgl. Herb. Kew.
Auswahl der Literatur.
755
sten Standort nicht erreichen, sondern zwischen 5000 und 5500 m
wachsen (Fig. 417, B - D).
Die untere Grenze des ewigen Schnees bezeichnet keineswegs die
obere Grenze des Pflanzenlebens, nicht einmal diejenige der Blüthen-
pflanzen, welche in vereinzelten Exemplaren, in den Schweizer -Alpen,
noch bei ungefähr 4000 m auftreten.
Auswahl der Literatur«
Battandier. Quelques mots sur les causes de la localisation des esp£ces.
Bulletin de la soctetd botanique de France. 1887.
Bonnier, G. Cultures exptfrimentales dans les hautes altitudes. Comptes
rendues de l'Acad. des sciences. 1890.
— Influence des hautes altitudes sur les fonctions des vdgtftaux. Ibid.
— Etüde experimentale sur 1' influence du climat alpin sur la vdgdtation et
les fonctions des plantes. Bulletin de la socidtd botanique de France.
1888.
— Observations sur la Flore alpine d'Europe.
— Les plantes arctiques compar^es aux mömes esp£ces des Alpes et des
Pyrdndes. Revue G£n6rale de botanique. Tome VI. 1894.
— Recherches exp&rimentales sur l'adaptation des plantes au climat alpin.
Annales des sciences naturelles. 7C stfrie. Tome XX.
— Cultures exp^rimentales dans les Alpes et les Pyrdndes. Revue gdndrale
de botanique. Tome II.
Bonnier et Flahault. Observations sur les modifications des vdgdtaux
suivant les conditions physiques du milieu. Annales des sciences natu-
relles. VIe sdrie. Tome VII. ,p. 93. 187 9.
Christ, H. Das Pflanzenleben der Schweiz. Zürich 1879.
Dodel-Port, A Farbenpracht und Grösse der Alpenblumen. Kosmos.
Bd. I. 1879.
He ekel. Sur l'intensitd de£ couleurs et les dimensions considdrables des
fleurs aux hautes altitudes. Bullet, de la soc. botan. de France. Tome
XXX. 1883.
Keller. Die Blüthen alpiner Pflanzen, ihre Grösse und Farbenpracht. Basel
1887.
Kern er, A. v. Die Abhängigkeit der Pflanzengestalt von Klima und Boden.
Tageblatt d. 43. Vers, deutscher Naturforscher und Aerzte in Innsbruck.
1869.
— Pflanzenleben. iA. IL p. 501 f.
Layens. Elevage des abeilles. Paris 1876. p. 206 — 207.
Lazniewski, W. v. Beiträge zur Biologie der Alpenpflanzen. Flora. Bd. 82.
1896.
Lindman, C. A. M. Blüthen und Bestäubungseinrichtungen im skandi-
navischen Hochgebirge. Botan. Centralbl. Bd. XXX. 1887.
48*
756 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Lindman, C. A. M. Bidräg teil Kännedomen om Skandinaviska fjell-
växteraas blomning och befruktning. Bihang teil K Svenska Vetensk.
Akad. Handlingar. Bd. XII. Afd. III. 1887.
Müller, Herrn. Alpenblumen, ihre Befruchtung durch Insekten und ihre
Anpassungen an dieselben. Leipzig. 1881.
Sargnon. Causes du vif coloris que prdsentent les fleurs des hautes som-
mites alpines. Annales de la soc. botan. de Lyon. Tome VII.
Schimper, A. F. W. Ueber Schutzmittel des Laubes gegen Transpiration,
besonders in der Flora Java's. Sitzungsber. der KönigL preuss. Akademie
der Wissenschaften zu Berlin. Bd. XL. 1890.
Wagner, A. Zur Kenntniss des Blattbaues der Alpenpflanzen und dessen
biologischer Bedeutung. Sitzungsber. der Wiener Akademie. Bd. CI.
Abth. I. 1892.
IQ. Die Höhenregionen in den Tropen.
1. Allgemeines. Der tempcrirte Regenwald der montanen Region in regenreichen
Gebieten. Alpine Region. Krummholz. Alpines Gesträuch. Alpine Steppe. Alpine Nieder-
holzsavanne. 2. Die Kegionen in Ost- Asien« Regionen in West-Java: Der temperirte
Regenwald. Krummholz. Alpine Savanne. Alpine Steppe. Regionen in Ost-Java: Tem-
perirter Savannenwald von Casuarina. Alpine Steppe. Alpine Sonnen- und Schattenvegeta-
tion. Regionen am Kinabalu: Pandanenwald auf dem Lokon, Celebes. Temperirter
Regenwald in der montanen Region auf Ceylon. Nilgiri. 3. Die Regionen im
tropischen Afrika. Der Kilimandscharo, nach Volkens. Xerophiler Charakter der
basalen Region. Temperirter Regenwald in der montanen Region. Physiognomie und
Flora der alpinen Steppen und Wüsten. 4. Die Regionen im tropischen Amerika.
Südamerikanische Cordillere. Temperirter Regenwald. Krummholz. Paramos. Frailejon.
Puna. Mexico. Xerophiler Charakter der basalen Region im mittleren Mexico. Regen-
wälder. Sommerwälder (Laub- und Nadelwalder) in der montanen Region. Alpine Region.
Küstengebirge Brasilien* s. Itätiaia. Serra do Picü.
1. Allgemeines.
Die basale Region tropischer Gebirge ist meist regenreicher als
das benachbarte Tiefland und dementsprechend von Formationen be-
deckt, welche in letzteren feuchte Standorte, namentlich das Irrigations-
gebiet der Flüsse, bewohnen. Regenwälder sind hier sehr verbreitet und
gelangen häufig zu grösster Ueppigkeit.
Die montane Region hat am Aequator in ihren unteren Gür-
teln noch tropischen, aber nicht mehr äquatorialen, in der Nähe der
Wendekreise von Anfang an temperirten Charakter. Der Unterschied
zwischen dem äquatorialen Regenwald der basalen und dem tropischen
der unteren montanen Region ist auf die systematische Zusammen-
setzung beschränkt. In den temperirten montanen Formationen hin-
gegen tritt die niedrigere Temperatur auch in rein öko-
logischen Eigenthümlichkeiten des Pflanzenlebens zum
Vorschein und verleiht den Formationen das Gepräge
solcher höherer Breiten. So wird in der montanen Region feucht
758
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
tropischer Gebirge, bald bei geringerer, bald bei grösserer Höhe über
dem Meere, der tropische Regenwald durch einen ähnlichen tempe-
rirten Regenwald ersetzt, wie wir ihn für die regenreichen Tief-
länder Süd-Japan's, Neu-Seeland's und Süd-Chile's kennen lernten.
Die Bäume sind in demselben immergrün; sie entbehren stets der
Plankengerüste und besitzen einen massiveren Wuchs, reichere Ver-
zweigung, kleinere, derbere Blätter als im tropischen Regenwalde. Die
Lianen sind seltener und mehr dünnstämmig; die Epiphyten sind viel
kleiner, meist krautig und weit mehr durch Kryptogamen (Moose und
Farne) als durch Phanerogamen vertreten. Die ausserordentlich üppige
Entwickelung der epiphytischen Moose übertrifft diejenige des tempe-
rirten Regenwaldes der Tiefländer und ist auf die in der montanen
Fig. 418. Alpine Savanne auf dem Gipfel des Pangerango, Java. Die grauen Bäumchen
sind Anaphalis javanica. Nach einer Photographie von Herrn Dr. G. Karsten.
Region herrschenden Nebel zurückzufuhren. Die Anwesenheit vieler
nahe verwandter Pflanzentypen in den Regenwäldern der montanen
Region tropischer Gebirge und des Tieflands höherer Breiten fugt der
ökologischen die floristische Aehnlichkeit hinzu.
Der Uebergang der montanen in die alpine Region ist durch
Abnahme der Baumgrösse und Reduction ihrer Laubmasse, welche all-
mählich ausgesprochene xerophile Structur erhält, gekennzeichnet. Die
Stämme werden kürzer und relativ dicker, die Aeste länger, der ganze
Wuchs wird unregelmässig, das charakteristische Bild des Krumm-
holzes tritt zum Vorschein.
Auf die Krummholz Wäldchen folgt oft ein xerophiler Gesträuch-
gürtel, dann herrscht die alpine Grasflur, ausser auf Felsen und
Gerollen, wo Niederholz sich behauptet. Die Grasflur ist meist als alpine
III. Die Höhenregionen in den Tropen. 759
Steppe ausgebildet ; sie besteht aus Büscheln schmalblätteriger Gräser,
deren Zwischenräume bald nackt, bald von Zwergsträuchern und Stau-
den eingenommen sind; das Auftreten von Zwergbäumen verleiht ihr
zuweilen das Gepräge einer Niederholzsavanne. Nach oben wird,
auf den höchsten Gipfeln, die Grasflur allmählich durch die alpine
Wüste ersetzt. Graswuchs zeigt sich da beinahe nur noch in feuchten
Oasen ; Zwergsträucher und Polsterpflanzen bilden, durch weite Zwischen-
räume getrennt, die dürftige Vegetation. Einige Flechten stellen die
letzten Spuren der Vegetation, so auf dem 6010 m hohen Gipfel des
Kilimandscharo, dar.
Eine so reiche Gliederung der Gebirgsabhänge wie die eben ge-
schilderte zeigt sich nur in regenreichen Gebieten. In trockenem Klima
tritt der Wald erst in der montanen Region auf oder fehlt auch ganz,
wie am Westabhang der Cordilleren, in Peru und Bolivien, wo die
Regionen vom Meeresniveau bis zum ewigen Schnee eine Reihenfolge
von Wüsten darstellen.
2. Die Regionen in Ost -Asien.
Die Hochgebirge des malayischen Archipels erreichen zwar nicht
die Schneegrenze und ragen sogar meist nicht weit in die alpine Region
hinauf. Sie zeigen aber dennoch eine Reihe wohl ausgeprägter Vege-
tationsstufen und sind für die Untersuchung der pflanzenphysiologischen
Wirkungen des Höhenklima besonders instructiv, weil die tiefen Tempe-
raturen und die Schneemassen, auf welche bei Darstellungen der alpinen
Vegetation gewöhnlich das Hauptgewicht gelegt wird, ihnen fehlen.
Der tropische Regenwald geht an den Abhängen der Vulkane West-
Java's zwischen 1 500 und 2000 m allmählich in den temperirten über.
Die Luft wird nasskalt, vom Winde getriebene Nebelmassen ziehen
zwischen den Stämmen, und der prächtige Gesang eines nur den tempe-
rirten Regenwald bewohnenden Vogels, Muscicapa cantatrix, wird allent-
halben vernehmbar. Die Laubmasse wird weniger dicht, die Laubblätter
werden weniger gross, die Stützpfeiler verschwinden an den massiver
gewordenen Stämmen, die Lianen und phanerogamischen Epiphyten
nehmen immer mehr ab ; wir treten in das Reich der Farne und Moose,
namentlich der letzteren, ein. Sie beherrschen den Wald, namentlich in
seinen oberen Theilen. Moose hängen in meterlangen Schleiern von
den Baumästen und versperren nach allen Richtungen den Weg, andere
überziehen die Stämme mit breiten und dicken Polstern, andere noch
bilden auf dem Laube zarte spinnengewebeartige Netze oder dichte
Filze. Sie verschonen nicht einmal die Kräuter, sondern ziehen festonen-
artig an ihren Stengeln empor und nehmen ihre zarten Blätter in
76o
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Beschlag. Wo das Auge sich wendet, sieht es nur Moose in zahl-
reichen mannigfaltigen Formen.1)
Die unbedingte Herrschaft der Moose tritt erst im oberen Theile
des temperirten Regenwaldes auf. Tiefer sind sie von anderen Epi-
phyten begleitet, jedoch nur von solchen niedrigen Wuchses. Eis sind
sämmtlich Arten, die ihre Nahrung von der durch die Nebel feucht
gehaltenen Rinde schöpfen. Solche, die Wurzeln in den Boden treiben,
wie sie im Tropenwalde so häufig sind, fehlen hier durchaus. In West-
Java ist der grösste Epiphyt dieser Wälder Asplenium nidus; im
unteren Theile der Region hängen seine Riesentrichter überall an
Stämmen und Aesten (Fig. 139).
Fig. 4*9- Gesträuch von Anaphalis javanica auf dem Gipfel des Pangerango (ca. 3000 m).
Java. Nach einer Photographie von Herrn Dr. G. Karsten.
Höchstens 200 m unter dem Gipfel (der Pangerango, die höhere
der beiden Spitzen des Gedeh ist ca. 3000 m hoch) wird der einst-
weilen niedriger gewordene Hochwald durch Krummholz Wäldchen
ersetzt. Die Stämme der Zwergbäume, welche diese Wäldchen
zusammensetzen, sind kurz und dick, schief oder sogar horizontal und
treiben dicke, wenig verzweigte Aeste, die in schlangenartigen
Windungen zu einem dichten Geflechte sich verwirren. Nur an ihren
Enden tragen diese Aeste ein spärliches, lederartiges Laub, das über
') Das grossartigste Beispiel eines solchen ganz bemoosten Waldes sah ich bei Argasari
im Preanger.
III. Die Höhenregionen in den Tropen.
76l
dem Wäldchen als flaches, undichtes Dach sich ausbreitet. Starke Ent-
wicklung des Holzes ist im Vergleiche zum Laube hier wie für jedes
Krummholz charakteristisch.
Aralia, Myrsine avenis, Vaccinium floribundum (im temperirten Regen-
wald epiphytisch, hier im Boden wurzelnd), Dicalyx sessilifolia konnte ich
im Astgewirr unterscheiden. Einzelne
Zwergbäumchen von Anaphalis javanica
und ein strauchiges grossblüthiges Hype-
ricum erreichten das Laubdach nicht.
Der Boden ist nur wenig bewachsen.
Aus dem denselben bedeckenden mäch-
tigen Lager vermodernder Blätter und
Aeste erheben sich tiberall die roth und
gelb gescheckten Blüthenstände von
Balanophora elongata, einige Farne, eine
zarte Orchidee (Thelymitra angustifolia),
Ranunculus javanus, die schöne, auf dem
Pangerango endemische Primula imperia-
lis Jungh., einzelne Gräser und junge
Brombeeren, während die knorrigen
Stammbasen vielfach von der zierlichen
Nertera depressa tiberzogen sind, nament-
lich aber dicke, triefend nasse Moos-
polster tragen.
Ueber dem Krummholz, den Gipfel
beinahe ganz überziehend, tritt dichtes
übermannshohes Gesträuch auf, mit
kleinen, höchstens mittelgrossen durch-
aus xerophil gebauten Blättern. Ganz
vereinzelt erheben sich aus dem Ge-
sträuch kleine, knorrige, von Usneen
behängte Bäume, deren meist schirm-
förmige Krone während meines Be-
suchs im December dicht von weissen
Blüthen bedeckt war, Leptospermum
floribundum (Fig. 421).
Fig. 420. Anaphalis javanica. Gipfel eines
blühenden Sprosses mit stark eingerollten
Blättern. Rechts nicht eingerolltes Blatt
eines sterilen Sprosses. Nat. Gr. Gipfel
des Gedeh, Java. 2900 m.
Vorherrschend unter den Sträuchern
ist die wollige Anaphalis javanica, welche,
gesellig wachsend, andere Holzpflanzen
oft ganz ausschliesst (Fig. 418, 419). Häufig, aber zerstreut, zeigt sich das dicht
beschuppte Rhododendron retusum, welches in Form der Blätter und in der
Blüthengrösse an unsere Alpenrosen erinnert. Vorherrschend sind jedoch glatt-
blätterige Sklerophyllen , zum Theil mit schwacher Neigung zur Succulenz
(Myrsine avenis, Eurya glabra, Vaccinium varingiaefolium und floribundum,
762
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Gallith eria punctata, Myrica javanica etc.). Auch einige Farnbäume von
gedrungener Gestalt fehlen nicht.
Stellenweise ist das Gipfelgesträuch durch die alpine Steppe unter-
brochen, in welcher schmalblätterige, niedrige Gräser, sammt Plantago
Hasskarlii , Gaultheria repens und einem stark behaarten Racomitrium
vorherrschen.
Im Osten Java's, wo im Gegensatz zum Westen, die trockene
Jahreszeit sehr arm an Niederschlägen ist, finden wir eine wesentlich
abweichende Reihenfolge der Regionen. Die basale ist zwar ebenfalls
vom tropischen Regenwald ein-
genommen; derselbe ist aber
weniger üppig als im Westen
und zeigt im reichlicheren Laub-
fall in der Trockenzeit, Anklänge
an den tropophilen Wald. Das
Regenmaximum liegt hier in
der basalen Region. In der mon-
tanen reichen die Niederschläge
für den Regenwald nicht mehr
hin; letzterer ist daher durch
eine mehr xerophile Gehölzfor-
mation, den Tjemorowald, er-
setzt. Casuarina montana Jungh.,
Tjemoro für dieMalayen(Fig.422,
423), ist der einzige Baum dieses
Waldes, der als eigenartige Form
dem Typus des Savannenwaldes
angegliedert werden kann und,
wie so häufig der letztere, stellen-
weise in ausgedehnte Savannen
übergeht (z. B. auf dem Tengger
und dem Plateau Djeng.). Nur
die höchsten Gipfel ragen aus
den Tjemoro -Wäldern und den
Tjemoro-Savannen hervor, so der Widodaren, die höchste der fünf
Spitzen des erloschenen Vulcans Ardjuno.
Der Tjemoro -Wald bedeckt die breiten Rippen der tiefgefurchten
Flanken des Ardjuno ; die engen Schluchten sind durch niederen Laub-
wald, vornehmlich von Quercus pruinosa, ausgefüllt. Mit solcher
Zusammensetzung der Vegetation erstreckt sich die montane Region
etwa von 1800 bis 2800 m ü. M.
Ein grösserer Contrast als zwischen dem in West -Java die ent-
sprechende Höhenstufe einnehmenden temperirten Regenwald und
Fig. 421. Leptospermum floribundum auf dem
Gipfel des Pangerango, Java. Nach einer Photogr.
von Herrn Dr. G. Karsten.
III. Die Höhenregionen in den Tropen.
763
diesem xerophilen Tjemoro-Wald ist kaum denkbar. Von der im
ersteren herrschenden Frondosität ist keine Rede mehr. Der Wald ist
licht, schattenlos; die kleinen Bäume und Sträucher des Unterholzes
(Anaphalis -Arten , Dodonaea montana, Albizzia montana) treten ganz
zurück; Lianen fehlen. Die Epiphyten auf den Casuarinen sind auf
einige zwerghafte Orchideen und ein kleines Acrostichum beschränkt;
nur Usneen sind zahlreich und nehmen aufwärts immer mehr zu. Die
Luft ist nicht feucht genug, nicht genügend von Nebel geschwängert,
um die reiche Moosvegetation des temperirten Waldes West- Java 's
hervorzurufen. Die Bodenvege-
tation ist nicht zart und gross-
blätterig wie im Regenwalde,
sondern derb belaubt wie die-
jenigen eines deutschen lichten
Kiefernwaldes. Auch systema-
tisch hat die Flora nordtemperir-
ten Charakter und erinnert an die-
jenige unserer lichtesten Gehölze.
Vorherrschend fand ich in
diesen Wäldern Festuca nubigena,
die an unsere Euph. amygdaloides er-
innernde Euphorbia Rothii, lockere
Polster geruchloser Veilchen (Viola
serpens u. a.), Plantago asiatica,
kleine Doldenpflanzen (Pimpinella
Pruatjan und javanica), kleine Gna-
phalien, Valeriana javanica, Son-
chus javanicus, Ranunculus prolifer,
Galium javanicum, Alchemilla vil-
losa, Wahlenbergia lavandulaefolia,
Cynoglossum javanicum, Thalictrum
javanicum, Agrimonia javanica (auf
dem Tengger) und namentlich Pteris
aquilina.
Bei etwa 2800 m hört der Wald auf. Die Casuarinen werden
zwerghaft, knorrig, ihre Aeste sind zum grossen Theile abgestorben.
Die Bäumchen von Quercus pruinosa und Vaccinium myrtoides nehmen
Krummholzhabitus an, mit kurzen Stämmen, schlangenartig gewundenen
Aesten und schirmförmiger Krone, Endlich hört der Baumwuchs
gänzlich auf. Der Gipfel ist von einer alpinen Steppe bedeckt,
deren kurzer, steifer Rasen büschelartig aus dem Boden hervorragt;
die Zwischenräume sind theils nackt, theils von einem kriechenden hart-
blätterigen Zwergstrauch, Leucopogon javanicus (Fig. 428), eingenommen.
Einige Pflanzenarten aus dem Tjemoro-Wald zeigen sich noch hier,
Fig. 422. Casuarina montana Jungh. in der
montanen Savanne, Tengger, Ost- Java, ca. 6000 \
Nach einer Photographie von Herrn J. Kobus.
764 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
jedoch in ganz veränderter, alpiner Tracht, mit stark verkürzten Stengeln
und mächtigen Wurzeln, so Alchemilla villosa (Fig. 430) und Pimpinella
Fig. 423. Casuarina montana Jungh. Zweig mit Früchten, (^ nat. Gr.)
Pruatjan. Gnaphalium involucratum ist in ihrer zwerghaften alpinen Form
kaum als specifisch identisch mit der stattlichen Pflanze der montanen
III. Die Höhenregionen in den Tropen.
765
Region erkennbar (Fig. 429). Eine winzige Gentiana (G. quadrifida, Fig. 425)
zeigt allein Annäherung an den sonst fehlenden Polstertypus. Steiniger
Boden trägt buschige Zwergst rauch er, mit dicker, rauher Borke, harten,
ausgesprochen xerophil gebauten Blättern (Photinia integrifolia, Coprosma
sundana, Vaccinium myrtoides, Fig. 424, 426, 427) und dichtwollig behaarte,
stinkende holzige Gnaphalien (Anaphalis sp. nov.). Beinahe alle Gewächse
waren zur Zeit meines Besuchs (Februar) von Blüthen reich bedeckt.
Die Gipfelvegetation der Hochgebirge Java's weist,
trotz der massigen Höhe der
letzteren, die wesentlichen
Eigenthümlichkeiten alpiner
Vegetation auf; Verkümmerung
des Baumwuchses unter Annahme
der Krummholzgestalt und, mit wach-
sender Höhe, gänzliches Schwinden
derselben; starke Verkürzung der
Axen, Zunahme des Wurzelsystems,
reiche Blüthenbildung , xerophile
Structur.
Die Baumgrenze liegt hier be-
trächtlich tiefer als auf vielen anderen
tropischen Gebirgen. Dieser Um-
stand ist besonders lehrreich, indem
er ihre Unabhängigkeit von tiefen
Temperaturen ergiebt. Das Verkrüp-
peln der Bäume tritt gleichzeitig mit
der Spaltung der Gebirgsmassen in
Kegel auf und hängt mit der dadurch
bedingten Zunahme der Luftbewegung
zusammen. Um solche freien Kegel
weht beinahe fortwährend ein starker
Wind, dessen Wirkung auf die
obersten Baumkrüppel in zahlreichen
trockenen Aesten zum Vorschein
kommt. Im Windschatten, so am
Innenrande des alten Kraters des Pangerango, ist noch reicher, wenn
auch niedriger Baumwuchs bei einer Höhe vorhanden, wo letzterer
am windigen Aussenrande bereits ganz aufgehört hat. In deutlichster
Weise zeigt sich hier die Abhängigkeit der Baumgrenze vom Winde.
Instructiv ist auf den Gipfeln Java's auch der Vergleich der
Sonnen- und Schattenvegetation. Die erstere allein be-
sitzt alpinen Habitus, denn sie allein ist den hier wirkenden
Factoren des alpinen Klima ausgesetzt. Die verlangsamende Wirkung
Fig. 424. Photinia integrifolia. Alpiner
Strauch. Gipfel des Widodaren, 3330 m,
Ost- Java. */a nat. Gr.
766
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
des intensiven Sonnenlichts und der nächtlichen Radiation hört im
Schatten der Felsen und Sträucher auf; die Luft ist hier ruhig und
feucht, so dass die Transpiration in massigen Grenzen verbleibt. Dem-
entsprechend besitzen die Pflanzen geschützter Standorte viel mehr
langgestreckte Axen und viel zarteres Laub als diejenigen der sonnigen.
Wie gross der Unterschied werden kann, zeigen die in Fig. 425 ab-
gebildeten Exemplare von Gentiana quadrifida, die ich auf dem Gipfel
des Widodar&n an zwei dicht bei einander befindlichen, aber sehr un-
gleich beleuchteten Stellen fand.
Fig. 425. Alpine Flora Java's. Gentiana quadrifida. / — 2 an der Sonne,
3 im Schatten gewachsen. Gipfel des Widodaren. Nat. Gr.
Ueber die Regionen auf den Hochgebirgen von Celebes sind wir nicht
unterrichtet. Höchst eigentümlich ist das Vorkommen eines dichten Pandanus-
Waldes auf dem 1560 m hohen Gipfel des Lokon in Celebes (Fig. 431).
Als höchster Gipfel des malayischen Archipel erhebt sich der Kinabalu
auf Borneo bis 13698' (4175 m) über das Niveau des benachbarten Meeres.
Stapf hat auf Grund der vorhandenen Sammlungen und Notizen eine Schilderung
seiner Vegetationsstufen gegeben, welcher das Folgende entnommen ist
Der Fuss des Berges ist von Culturen und von jungem Walde auf
früherem Culturboden bedeckt. Oberhalb dieses nirgendwo mehr von ur-
sprünglicher Vegetation bedeckten Gürtels dehnt sich dichter typischer Regen-
wald bis 7000' (2134 m) ü. M. Unterholz, Lianen, darunter viele Rotang-
III. Die Höhenregionen in den Tropen.
767
palmen, Epiphyten, namentlich Rhododendren und Orchideen, treten hier
massenhaft auf.
Oberhalb 7000' ist der Wald nur auf einer schmalen Rippe untersucht
worden, wo er starken Winden ausgesetzt und dementsprechend krummholz-
ähnlich ist: „Die Bäume sind verkrüppelt, verkrümmt, verwittert, oft über den
Weg gebogen. Stämme und Aeste sind von mehrere Zoll tiefen triefenden
fes*
Fig. 426. Alpine Sträucher Java's : Vac-
cinium myrtoides. Gipfel des Widodaren.
Nat. Gr.
Fig. 427. Alpine Sträucher Java's: Coprosma
sundana. Gipfel des Widodaren , ca. 3300 ra.
Nat. Gr.
Moospolstern und langen Bartflechten überzogen. Das Laub der Bäume und
Sträucher ist oft dicht gedrängt an kurzen, dicken Aesten. Die Blätter,
sitzend oder von kurzen dicken Stielen getragen, sind sehr lederartig, dunkel-
grün, glatt, wenigstens oberseits, und glänzend. Sie zeigen grosse Neigung,
rundliche oder ovale Form anzunehmen, und ihre gewöhnlich ganzen Ränder
sind nicht selten gebogen." (S. 84.) Vorherrschend sind unter diesen Bäum-
chen Ericaceen (Rhododendron, Diplycosia, Vaccinium), sodann Eichen (Quercus
Havilandii), Rubiaceen, Myrsinaceen, Coniferen (Podocarpus cupressina, Dacry-
dium elatum). Nepenthes- Arten spielen eine wichtige Rolle. Die systematische
768
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Zusammensetzung zeigt nahe Beziehungen zu den temperirten Regenwäldern
Neu-Seeland's und Japan's.
Oberhalb der Pakapaka-Höhle (10450') wird die Holzvegetation strauch-
artig und bedeckt nicht mehr die gewaltigen Felsmassen des Gipfels. An
den höchsten Standorten ist der Habitus der Pflanzen ganz alpin, die Axen
sind stark verkürzt, die Blätter klein, dicht gedrängt, sehr dick. Drei Zwerg-
sträucher nur wurden zwi-
schen 12000' und 13000'
gesammelt (Symplocos buxi-
folia, Coprosma Hookeri,
Drapetes ericoides, Fig. 432).
Moorige Stellen sind von
krautiger Vegetation bedeckt
mit Arten von Ranunculus,
Potentilla, Haloragis, Gen-
tiana , Havilandia , Aletris
(Boragin. nov. gen.) und
einigen Cyperaceen. Eine
ganz ähnliche Vegetation
zeigt sich in den Felsspalten,
hier wachsen auch zwei auf
den Gipfel beschränkte Grä-
ser , Deschampsia flexuosa
var. und Agrostis canina var.
Das Gebirgsmassiv C e y-
lon's zeigt an seinen west-
lichen , regenreichen Ab-
hängen in der basalen Region
tropischen, in der montanen
temperirten Regenwald. Die
Bäume in letzterem (vor-
nehmlich Calophyllum- und
Eugenia- Arten Fig. 433) ha-
ben massive Stämme und
meist schirmförmige Kronen
und sind habituell manchen
Bäumen des südchilenischen
Regenwalds ähnlich. Die
Blätter sind ziemlich klein,
glatt und glänzend. Plankengerüste an den Stämmen, die in der basalen
Region sehr häufig sind, fehlen, die Lianen sind spärlich und dünn, die
Epiphyten klein, zuerst Orchideen, oberwärts nur noch Moose. Den Gipfel
des höchsten Berges, Mount Pidurutallagalla (2540 m), fand ich von einer
Art Krummholz von knorrigen Rhododendron-Bäumchen bedeckt Die Vege-
tation der trockeneren Ostabhänge ist mehr xerophil, im Uebrigen unbekannt.
Der Kamm der in einem höchsten Gipfel 2690 m erreichenden Nilgiri-
kette trägt ausser dem Krummholz auch alpine Grasflur.
Fig. 428. Leucopogon javanicus. Gipfel des Widodaren,
Java. Nat. Gr.
III. Die Höhenregionen in den Tropen.
769
2. Die Regionen im tropischen Afrika.
Unter den afrikanischen Hochgebirgen ist, dank den Untersuchungen
Volkens', der Kilimandscharo (6010 m) in Bezug auf seine
Gliederung in Vegetationsstufen und auf den Charakter der letzteren,
bei weitem am besten bekannt.
Die basale Region und der tropische Theil der montanen sind von
relativ niedrigem , anschei-
nend tropophilem oder
xerophilem Walde bedeckt.
Der temperirte Theil
der montanen Region
( 1 800 bezw. 1 900 m bis 2600
bezw. 3000 m) ist viel feuch-
ter und grossentheils von ty-
pischem temperirtem Re-
genwalde bedeckt, wie aus
folgender Schilderung Vol-
kens' hervorgeht:
„Specifisch tropisch kön-
nen wir ihn (den Wald) nicht
nennen. Dazu fehlen die
Palmen, die Lianen vor
Allem. Nur eine einzige der
letzteren ist mir vorgekom-
men, die bis in die höchsten
Bäume klettert und aus deren
Wipfeln bis armdicke Stämme,
Tauen gleich, herniedersendet,
und diese ist ein Vertreter
der Gattung, zu der unsere
heimische nordische Wald-
rebe gehört, die Clematis
simensis. Noch andere Lianen
kommen ja vor, aber es sind
in der Mehrzahl krautig blei-
bende Cissus- Arten und Con-
volvulaceen, die nur das
Unterholz durchwinden. Am
höchsten klimmt noch die
Begonia Meyeri Johannis empor, die prächtigste Schmuckpflanze des ganzen
Waldes, denn, wenn sie blüht, ist das sonst einförmige Grün von Millionen
weissen, in der Mitte gelben Tupfen durchsetzt, die oft dicht zusammen-
gedrängt und dann einem schneeigen Laken vergleichbar von oben über
tiefer stehendes Gesträuch herabfallen."
Schimper, Pflantengeographie. 49
Fig. 429. Gnaphalium involucratum vom Ardjuno Qava).
/ Aus der montanen Casuarina- Region (ca. 2000 m).
2 Aus der alpinen Region (ca. 3300 m). 2/8 nat Gr.
770
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
„Der ganze Wald ruft in uns, wie schon von Höhnel hervorhebt, das
Gefühl des Gedrückten und Altersschwachen hervor. Schlank aufstrebende,
bis weit hinauf astfreie Bäume, die eine Höhe von mehr als 18 oder 20 m
erreichen, fehlen am Südabhange des Kilimandscharo so gut wie ganz, am
Nordabhange sind sie allein durch den bereits früher erwähnten Wachholder,
Juniperus procera, vertreten. Wir sehen dafür vereinzelte Stämme, welche
die Stärke unserer dicksten Eichen erreichen, meist zu Schefflera Volkensii,
Agauria salicifolia oder Pasiodendron usambarense gehörig, die aber schon
von Mannshöhe an sich zu ver-
zweigen beginnen, so dass eine
geschlossene, kugelige oder pyra-
midale Laubkrone entsteht Da-
zwischen vertheilen sich solche
massigeren Umfanges, mannsdicke
oder schenkelstarke, die mehr zum
Lichte streben, sich zwar auch
schon in geringer Höhe über dem
Boden verästeln, aber eine grössere
horizontale Ausbreitung der Krone
erst gegen den Gipfel hin erfahren.
Macaranga kilimandscharica, Mela-
nodiscus oblongus, Hex mitis, Dom-
beya leucoderma, Hagenia abyssi-
nica gehören hierher. Alle haben,
die milchsaftreiche Voacanga dicho-
toma ausgenommen, nur Blätter
von mittlerer Grösse wie unsere
Laubbäume und stehen nicht so
dicht, dass sie schon allein den
Durchblick auf weitere Ferne ver-
hindern würden; dies geschieht nur,
weil unter ihnen eine zweite nie-
drigere StafFel von Holzpflanzen zur
Entwickelung gelangt Theils sind
das die jüngeren Exemplare jener
ersten, die sich vielfach, ganz im
Gegensatz zu ihrer späteren Erschei-
nung, durch ruthenförmigen, an Brombeerschosse erinnernden Wuchs auszeichnen,
theils sind es besondere, den Schatten ertragende Arten, die 5 — 10 m er-
reichen und entweder von Grund auf oder nach Ausbildung eines armstarken
und mannshohen Stammes lockere, wagerecht ausspreizende Seitenzweige
treiben. Galiniera coffeoides, die von Bülow wohl für eine wilde Kaffeeart
gehalten hat, Grumilea platyphylla und exserta, Urophyllum Holstii, Lasianthus
kilimandscharicus, Halleria abyssinica, Clausena inaequalis, Olinia und Peddiea
Volkensii, Cassine aethiopica sind Beispiele. Auffallige Bestandteile dieser
zweiten, niederen Staffel geben auch einige Pflanzen ab, deren Stamm nicht
eigentlich verholzt, so die durch ihren gabelig sich ausgliedernden Wuchs
Fig. 43°- Alchemilla villosa. Alpine Form.
Gipfel des Widodaren, 3330 m, Ost -Java.
*/fl nat Gr.
III. Die Höhenregionen in den Tropen. yy\
und Schopf blätter gekennzeichnete Dracaena usambarensis und die Baumfarne
Cyathea Manniana und Aspidium Kiboschense. Letztere sind indessen, wie
Fig. 431. Pandanenwald auf dem Gipfel des Lokon (1560 m), Nord - Celebes. Nach einer
Photographie von Herrn Prof. Kükenthal.
ich früher mitttieilte, nur dem Westen eigen, von Kilema ab, und auch mehr
auf den Rand der Bachläufe, überhaupt feuchtere Stellen, beschränkt."
49*
772
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
„Eine dritte, ein bis drei Meter hohe Staffel bilden krautige Stauden,
Piper capense, Euphorbia Engleri, Pycnostachys Volkensii und Meyeri, Fleurya
Fig- 432. Gipfelflora des Kinabalu aufBorneo, 12000 — 13000 Fuss. A Symplocos buxifolia
Hk. f. (Styracaceae). B Drapetes ericoides Hk. f. (Thymelaeac). C Coprosma Hookeri
Stapf. Nat. Gr. Nach der Natur von M. Smith gez.
monticola, Claoxylon Volkensii, Pavonia kilimandscharica und schimperiana.
Die stattlichste aller, wenn auch nicht besonders häufig, ist Lobelia Volkensii,
ein Gewächs einer kleinen Palme gleich, aus deren endständiger Rosette arm-
m. Die Höhenregionen in den Tropen.
773
lang herabhängender Blätter sich ein ährenförmiger , bis zwei Meter langer
Blüthenstand erhebt. — Den Boden endlich bedeckt ein dichter grüner Teppich
von Selaginellen , Farnen , Carex - Arten , Gräsern und Kräutern. Prächtig
Fig. 433. Aus der Region des temperirten Regenwaldes auf Ceylon : Calophyllum eugenioides.
Nach einer Photographie.
blühende befinden sich unter diesen, so namentlich eine ganze Reihe von Bal-
saminen, Acanthaceen und Labiaten, in den verschiedensten Formen prangend,
ein Veilchen, die Viola abyssinica, auch Knollen- und Zwiebelpflanzen, wie
Haemanthus eurysiphon und Erd-Orchideen."
774
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
„Das Eigentümliche des Waldes ist nach dem Geschilderten, dass er
vom Boden an aus einer compacten Blätterfiille besteht, die nicht nur jeden
3
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weiteren Durchblick und Auf blick verwehrt, sondern auch alle Achsentheile,
die Zweige und Stämme fast vollständig verdeckt. Wir sehen Blätter unter
*/[ * */y£rt^&£&dL£+r
Fig. 435. Alpine Flora des Kilimandscharo : / Helichrysum Lentii, ,/a nat. Gr. 2 Blüthenstand,
nat. Gr. (Herb. reg. Berol. Leg. Volkens.)
776
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
uns, neben uns, über uns, wo wir hinschauen, während in allen heimischen
Wäldern doch neben dem Grün des Laubes auch die braunen, grauen und
schwarzen Töne der Stämme und Aeste ihre Rolle spielen. Der ganze Raum,
den der Wald einnimmt, ist ausgefüllt von in einander geschobenem, jahraus
jahrein gleichmässig beblättertem Zweigwerk. Dazu kommt noch eine weitere
Besonderheit, welche alle Reisenden tibereinstimmend hervorheben und die
darum wohl als die auffallendste Erscheinung gelten kann. Ich meine die
dicke Bedeckung fast aller Holzpflanzen mit
kryptogamischen Schmarotzern. In bis meter-
langen Schleiern sehen wir sie herabhängen,
da als kugelige, kopfgrosse, Vogelnestern
ähnliche Ballen den Zweigspitzen aufsitzen,
da wie eine bauschige Hose jüngere auf-
rechte Aeste oder stärkere, horizontal ge-
richtete wie eine polsterartige Masse über-
ziehen, die, um ein Bild von Holst zu
gebrauchen, nach beiden Seiten überzulaufen
droht. Flechten, Moose und Hymenophyl-
laceen sind es vor Allem, die ersteren mehr
in der Höhe, wo Sonnenlicht sie trifft, die
anderen unten im Schatten der Baumkronen.
Bleich, fast weiss erscheinen die Flechten,
die vom Winde hin- und hergewehten,
herabwallenden Fahnen der Usnea barbata
und das kugelige Haufwerk der Anaptychia
leucomelaena , grün, in allen Abstufungen
vom dunkelsten zum hellsten, die Moose,
die strähnenartig niederhängende Pilotrichella
imbricatula und die schwellenden Polster
von Hypnum involvens, Dicranum Stuhl-
mann i, Neckera Hoehneliana und platyantha.
An der Basis der Baumstämme, namentlich
aller dickeren und oft bis zur Höhe von
zehn und mehr Metern hinauf, gesellen sich
zu den erwähnten Kryptogamen auch höhere
Pflanzen, Farne, Bärlappe, vereinzelte Orchi-
deen, Peperomien, Streptocarpus montanus
und andere meist in solcher Fülle, dass von
der als Unterlage dienenden Rinde auch kein Fleckchen hervorleuchtet"
(1. c. S. 298—302.)
Die alpine Region (2600 bezw. 3000 m bis zum Gipfel) ist in
ihrem unteren Theile von einer Steppenformation bedeckt, welche
Volkens folgendermaassen schildert:
„Von weitem und oben betrachtet scheint es eine geschlossene
Grasnarbe zu sein, aber schon beim Darüberhinwegschreiten fühlt man, dass
dies nicht der Fall ist. Die Grasbüsche sind isolirt, dicht zusammengedrängt
Fig. 436. Aus der alpinen Flora des
Kilimandjaro. Protea Kilimandscha-
rica Engl. 1/t nat. Gr. Leg. Volkens.
Kgl. Herb. Berlin.
Fig. 437. Alpine Sträucher des Kilimandscharo. / Euryops dacrydioides Oliv., nat. Grösse.
2 Ganze Pflanze verkl. g — 4 Ericinella Mannii Hook. fiX 5 Dieselbe verkl. Herb. reg.
Berol. Volkens leg.
778 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
freilich zunächst, zwischen ihnen bleibt indessen doch immer noch so viel
Raum, um beim Gehen den Fuss umknicken zu lassen. Sehen wir uns die
Grasbtische näher an. Es sind faust- bis tellergrosse Polster, aus denen
senkrechte oder im Bogen nach unten zurückfallende Blätter und darüber
sich erhebende kniehohe, seltener bis brusthohe, im Winde sich wiegende
Halme emporschiessen. Die meisten sind echte Gräser, das bei weitem
häufigste, oft auf weite Strecken fast allein herrschende, ist Eragrostis olivacea ;
einzeln oder gewöhnlich in kleineren und grösseren Inseln eingesprengt finden
sich Koeleria cristata, Trisetaria quinqueseta, Setaria aurea, Andropogon
exotheca, Festuca abyssinica und Deschampsia caespitosa. Daneben aber
vermissen wir auch Cyperaceen nicht, denn überall, streckenweise mehr oder
weniger hervortretend, ragen zwischen den Rispen der Gräser auch die
kugeligen Bltithenstände von Fimbristylis atrosanguinea , Cyperus Kersteni
und Ficinia gracilis empor. Was aber ist zwischen den Grasbtischen, in dem
Maschenwerk, das sie allseitig umspinnt, einem mäandrisch verschlungenen,
aus Rillen gebildeten Flusssystem gleich, über das sich ihre Blätter schatten-
spendend hinwegneigen? In der Trockenzeit nackter Boden oder ein Filz
von Moosen und Flechten, während und kurz nach den Regenzeiten ein
Heer von Blüthenpflanzen , die jetzt im Bunde mit den Gräsern die Fläche
in den schwellenden Teppich einer Alpenmatte verwandeln. Zuerst kommen
wie überall die Zwiebeln und Knollen, die Monocotylen im Allgemeinen,
Hypoxis angustifolia, unseren Gelbsternen ähnlich, die violette Romulea cam-
panuloides, die fleischrothe Hesperantha Volkensii und Dierama pendula, das
Knabenkraut Disa polygonoides , die blaue, einer Scilla vergleichbare Aristea
alata und die winzige, im Anfang nur aus zwei fleischigen, kreisrunden, flach
auf dem Boden liegenden Blättern bestehende Holothryx pleistodactyla. Später,
oder auch mit ihnen, treten dann die dicotylen Kräuter auf, Swertia pumila
und Sebaea brachyphylla , die Gentianen unserer Hochgebirge vertretend,
eine niedliche Glockenblume, Wahlenbergia Oliveri, Lathyrus kilimandscharicus,
Cerastium vulgatum, Lightfootia arabidifolia, Bartsia abyssinica und die Com-
positen, die an Habichtskräuter erinnernde Tolpis abyssinica und Conyza
subscaposa. Die schönste von allen aber ist Helichrysum Meyeri Johannts
(Fig. 435 d. verw. H. Lentii), denn zu Tausenden, so dass man sie mähen
könnte, recken sich im August und September die silberig -purpurnen Blüthen-
köpfe dieser Immortelle über die Grasbüsche hinaus und streuen über deren
helles Grün wie Schneeflocken schimmernde Sterne." (S. 311 — 312.)
Die wenigen auf der alpinen Savanne des Kilimandscharo vereinzelt
wachsenden Bäume werden nur 5 — 8 m hoch; sie haben unregelmässigen
Wuchs und sind meist von den Herbststürmen nach Südwesten geneigt Viele
von ihnen sind abgestorben. Ihre Aeste sind von Flechten, namentlich Usnea
barbata, über und über behängt. Sie gehören nur wenigen Arten an : Agauria
salicifolia, Erica arborea, Ericinella Mannii, im Norden auch Gnidia Volkensii.
Zuweilen schliesst die Erica zu kleinen Hainen zusammen, in deren Schatten
eine hygrophile Vegetation sich entwickelt.
Mit wachsender Höhe werden die Grasbüschel spärlicher. Dafür tritt
auf den von grossen Blöcken besäten Lava- und Schutthalden eine lockere,
verkrüppelte Gesträuchformation, welche Volkens nach der vorherrschenden
III. Die Höhenregionen in den Tropen. JJQ
Art, Ericinella Manni (Fig 437, 3, 4), Ericinella-Formation nennt. Bei 3600 m tritt
ein neuer Strauch hinzu, der allmählich vorherrschend wird und sich über 4000 m
erhebt, Euryops dacrydioides (Fig. 437, 1, 2). Mehr und mehr wird der Charakter
wüstenartig : „Längst hat die Vegetation aufgehört auch nur fleckenweise im Zu-
sammenhang zu sein. Von 4200 m an gehören oft schon ein oder mehrere
Schritte dazu, um uns von einem einzelnen kaum handhohen Grasbüschel zu an-
deren blüthenerzeugenden Vertretern des Gewächsreiches zu bringen, denn
wie winzige Tupfen nur sind sie über die steinigen oder sandigen Flächen
gebreitet Bei 4500 m endlich haben wir auch die letzten Vorposten erreicht,
alle vereinzelt, im Schutze von Steinen kleine Polster bildend. Es sind zwei
Gräser noch, Koeleria cristata und Danthonia trisetoides, sechs Körbchen-
blüthler Helichrysum Nervii und fruticosum, Senecio Telekii und Meyeri
Johannis, Dianthoseris Schimperi, Carduus leptacanthus und ein Kreuzblüthler,
die Arabis albida. Darüber hinaus herrschen, soweit trockene Stellen in
Frage kommen, nur noch Flechten und Moose." (S. 315 — 316.)
Diese Wüste ist nicht ohne Oasen, kleine Mulden, in welchen sich
Regen- bezw. Schneeschmelzwasser ansammelt und die von geschlossener Ve-
getationsdecke (Cyperaceen, Subularia monticola, Eriocaulon Volkensii, Crassula
Vaillantii etc.) bedeckt sind. Die letzte Oase dieser Art wurde von Volkens
bei 4500 m gesehen, nach Hans Meyer durften diese Bildungen noch über
5000 m auftreten.
Die Schluchten bewahren länger eine etwas tippigere Vegetation. Die
letzten krüppeligen Erica -Bäume verschwinden in denselben bei 2900 m,
dafür tritt ein neues Charaktergewächs von ganz eigenartigem Habitus auf,
der baumartige Senecio Johnstonii mit schwammigem, einfachem oder gabeligem
Stamm, dessen Gipfel eine Rosette armlanger Blätter und einen meterhohen
dichten Blüthenstand trägt. (Fig. 434.)
Am wenigsten trägt in dieser Region Senecio Johnstonii die alpine Tracht.
Bemerkenswerth ist aber, dass habituell ähnliche Gewächse noch anderwärts
das tropische Hochgebirge bewohnen. Denn ähnlich sind namentlich die
Vellozien Brasilien's, einigermaassen auch die Espeletia- Arten der Cordilleren
Venezuela^, über welche im Folgenden Näheres mitgetheilt ist. Im Uebrigen
ist das Gepräge des alpinen Klima in deutlichster Weise der Vegetation auf-
geprägt, namentlich im oberen Theile der Region, mit seinen Zwergpflanzen.
Schutzmittel gegen Transpiration sind überall stark entwickelt, namentlich ist
ein dichter Ueberzug von Wollhaaren häufig.
3. Die Regionen im tropischen Amerika.
Die äquatoriale Cordillere in Neu-Granada, Ecuador und Ve-
nezuela befindet sich mit ihrer basalen und montanen Region in sehr feuchtem
Klima, so dass beide mit Regenwald, erstere mit tropischem, letztere mit
temperirtem überzogen sind. Der temperirte Regenwald ist die Heimath der
meisten Cinchonen. Die alpine Region setzt mit Krummholz und Gesträuch
ein, besteht aber, bis zum ewigen Schnee, wesentlich aus Steppen, Paramos
genannt, die bald baumlos sind, bald vereinzelte knorrige Zwergbäumchen
78o
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
(Polylepis lanuginosa H. B. Kth. am Chimborazo) tragen. Weiter südlich, in
Peru und Bolivien, sind die Wälder auf die regenreichen östlichen Abhänge
beschränkt, während die westlichen von WTüsten und Halbwüsten bedeckt sind.
Die hier sehr ausgedehnte alpine Region, die Puna, hat in ihrer ganzen Aus-
dehnung Wüstencharakter (Fig. 438).
Zwischen schmalblätterigen Gräsern und niedrigen Stauden erheben sich
auf der Paramo-Steppe höchst eigenartige Compositen von stattlichem
Wuchs, welche von den Eingeborenen den gemeinsamen Namen „Frailejon"
erhalten haben, obwohl sie zu zwei Gattungen, Espeletia und Culcitium und
zahlreichen Arten gehören. Ihre
armlangen , schwertförmigen dicht
behaarten Blätter bilden Rosetten,
die bald dem Boden angedrückt
sind, bald einen massiven, von
abgestorbenen Blattbasen gepanzer-
ten Stamm krönen.
Beim Uebergang der von
häufigen Regen und Nebeln be-
netzten Paramos zu den trockenen
P u n a s verschwinden derartige hohe
Gewächse gänzlich. Die Landschaft
wird vorwiegend von einem Grase,
Stipa Jehu, beherrscht: „Diese
Grasbüschel bilden den eigenthüm-
lichen Vegetationscharakter des
peru-bolivianischen Plateaus. Sie
kommen unter 11 — 12000 Fuss
ü. M. nur selten vor, messen 1 2 bis
18 Zoll im Durchmesser, sind
meistens kreisrund, selten länglich,
steif, dürr, bürstenförmig und fast
immer in der Richtung des herr-
schenden Windes, versandet, so
dass nur ein Segment des Kreises
vegetirt, und da auch dieses den
grössten Theil des Jahres gelbgrau
oder schwärzlich wie abgebrannt
aussieht, so vermögen sie nicht, in dem monotonen Wüstensande eine wohl-
thuende Abwechselung hervorzubringen." (Tschudi.)
Die alpine Wüste der Punas ernährt jedoch ausserdem, namentlich auf
ihren Steinfeldern , zahlreiche Zwergsträucher , die vorwiegend zu den Com-
positen gehören und natürlich ausgesprochen xerophil gebaut sind (Fig. 4061.
Rosettenpflanzen von typischer alpiner Tracht (Fig. 408, 409, 412, 440),
namentlich aber Polsterpflanzen sind in grosser Mannigfaltigkeit vorhanden.
Letztere werden oft über 50 cm hoch, wie die Arten der Umbelliferengattung
Azorella (Fig. 441). Auch Verbenen und sogar Cacteen bilden mächtige Polster,
Fig. 439. Loricaria ferruginea Wedd. (Composit.).
Im Niveau des ewigen Schnees, Neu -Granada
und Ecuador. Nach Weddell.
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III. Die Höhenregionen in den Tropen.
781
während am ewigen Schnee kleine Polster und sonstige Zwergformen von
streng alpinem Habitus zur Alleinherrschaft gelangen (Fig. 408).
Tschudi entwirft vom Klima der Puna in Peru folgende Schilderung:
Fig. 440. Alpine Rosettenpflanzen der Paramos und Pirnas. / Carmelita formosa (Composit.)
Chile. 3200 m. 2 Eryngium humile. Neu -Granada bis Ecuador. 2900 — 3700 m. 3 Calycera
eryngioides. Chile. Alle nat. Gr. Nach Weddell.
„Kalte West- und Südwestwinde streichen fast das ganze Jahr von der
beeisten Cordillere über die Fläche und bringen mit der Regelmässigkeit,
wie dort, während vier Monaten täglich heftige Gewitterstürme, von Schnee-
782
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
gestöber begleitet. Der Mittelstand des Thermometers ist annäherungsweise
während der kalten Jahreszeit, dem sogenannten Sommer (weil es selten schneit)
des Nachts — 50 R., des Nachmittags — |— 9,7 ° R., im Winter sinkt die Queck-
silbersäule selten unter den Gefrierpunkt und hält sich zwischen -[" x un^
o ° R., steigt aber am Mittag nur auf 7 ° R. Es Lst übrigens fast unmöglich,
die mittleren Temperaturen dieser Gegenden anzugeben, da sich oft in wenig«:»
Stunden ein Wärmeunterschied von 18 bis 20 ° R> zeigt, der für den Wanderer
auf diesen Höhen um so empfindlicher ist, da das Sinken der Temperatv
gewöhnlich von scharfen, schneidenden Winden begleitet ist."
Der Ost- und Westabhang des mächtigen Hochlandes von Mexico ge-
hören der basalen und der montanen Region an. Die alpine Region zeigi
sich nur an den Vulcanen, z. B. dem 5420 m hohen Popocateped (Fig. 44s) und
dem 5384 m hoben Orizabo,
die beide auf ihren Gipfeln
ewigen Schnee tragen.
Die basale Region ist
nur im Süden fChiapas) von
zusammenhängendem tropi-
schen Regenwald bedeckt;
weiter nördlich ist der letz-
tere auf feuchte Schluchten
(barrancas) beschränkt, wäh-
rend xerophile Gehötefor-
mationen, mit Cactaceen
baumförmigen LUiaceen,
dornigen Acacien u. s- *■,
die heissen Abhänge bc-
herrschen (Fig. 442 u, 443 \
Von ca+ 1000 m an beginn!
die niederschlagreiche moo*
tane Region» mit üppige»
Regen wäldernt in rei-
chen immergrüne Eichen die
vorherrschenden Bäume sind.
Weiter aufwärts nimmt der
Wald, entsprechend der in dieser Breite schon ausgesprochenen Winterkalte
den Charakter des temperirten Sommerwaldes an; die Eichen sind
gegen Ende des Winters ganz unbelaubt. Von 2000 m an treten Coniferen
auf und der oberste Waldgürtel ist ein Nadelwald mit eingesprengten sommer
grünen Laubbäumen, wie Eichen, Erlen, Linden. Der temperirt - mesoptiife
Charakter mit Winterruhe ist hier vollkommen entwickelt Entsprechend der
trocknenden Winterkälte fehlen die im unteren Theile der montanen Region
massenhaft auftretenden Epiphyten (Fig. 444).
Am Pic von Orizaba ragen die Erlen noch etwas über den Coniferen-
wald hinaus. Eigentliches Krummholz scheint zu fehlen; seine Stelle wird
einigermaassen durch die krüppelhaften Zwergbäume von Pinus Montezumae
Fig. 441. Alpine Andenflora der Puna: Azorella diapen-
sioides, sehr häufig in Peru und Bolivia. / Habitus, sehr
verkleinert 2 Ein blühender Ast Nat Gr. Nach Weddell.
III. Die Höhenregionen in den Tropen.
783
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784
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
vertreten. Steppe und Gesträuch nehmen den unteren, Wüste den oberen
Gürtel der alpinen Region ein.
Das Küstengebirge Brasiliens erreicht in seiner höchsten Erhebung,
dem Itatiaia, nur 2712 m ü. M. Nichtsdestoweniger zeigt dasselbe eine
reiche regionale Gliederung, die ich auf der unweit vom Itatiaia sich er-
Fig. 446. Aus der Flora der alpinen Savanne der Serra do Picü, Brasilien. / Baccharis aphylla.
hebenden Serra do Picü kennen lernte. Auf den typischen tropischen
Regenwald der basalen Region folgt in der montanen Region der temperirte
Regenwald. Letzterer besitzt nur wenige, dünnstämmige Lianen und ist sehr
arm an Epiphyten; auch die Moose treten nicht massenhaft auf. Der obere
Gürtel der montanen Region ist von einem beinahe reinen Bestand von
Fig. 443. Mexico: Basale Region des Ostabhangs des Orizaba, hinten St. Maria. Pincenectetia sp.
(Liliaceae). Nach einer Photographie des Herrn Dr. G. Karsten.
Fig. 444. Platanenast mit Epiphyten bei Orizaba (Mexico). Montane Region (temper. Regenwald).
Nach einer Photographie von Herrn Prof. Dr. E. Stahl.
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Auswahl der Literatur. 785
Araucaria brasiliensis eingenommen. Der Gipfel ist von einer Savannen-
formation bedeckt, welche sowohl systematisch wie ökologisch mit den Campos
des Inneren von Minas geraes nahe überstimmt, und als „Campo elevado"
bezeichnet wird. Neben den Gräsern herrschen hier blattlose und klein-
blätterige Compositen vor (Fig. 446), Melastomataceen mit kleinen harten
Blättern und eine wollig behaarte Malpighiacee (Banisteria campestris) zeigen
sich allenthalben, stellenweise von einem knorrigen lederblätterigen Bäumchen
(Eugenia sp.) begleitet. Eine andere Myrtacee, ein Psidium mit sehr aroma-
tischer Frucht („Goyaba dos campos") ist als Zwergstrauch entwickelt und nicht
grösser als die umgebenden Stauden und Halbsträucher. Im Gegensatz zur
montanen Region war hier zur Zeit meines Besuchs (December) Alles in
voller Bltithe. Sämmtliche Gewächse dieser Gipfelflora besitzen ausgeprägte
xerophile Structur, im Uebrigen aber, entsprechend der massigen Erhebung,
nur Andeutungen der alpinen Tracht.
Die alpine Camposvegetation der Gebirge des Innern Brasiliens ist stellen-
weise durch den Besitz von Vellozia -Arten ausgezeichnet, massiven, bis 2 m
hohen Liliaceen, welche physiognomisch den „Frailejon" der Paramos ver-
treten. Wie letztere besitzen die Vellozien dicke, einfache oder gabelig ver-
zweigte Stämme, die von abgestorbenen Blattbasen beschuppt sind und Rosetten
langer derber Blätter. Prächtige grosse Blüthen machen diese Gewächse,
trotz ihrer schwerfälligen Tracht, zu den grössten Zierden der brasilischen
Gebirgsflora.
Auswahl der Literatur.
Engler, A. Ueber die Hochgebirgsflora des tropischen Afrika. Abhandl.
der Königl. preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre
1891.
Goebel, K. Die Vegetation der venezolanischen Paramos. Pflanzenbiologische
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Junghuhn, Fr. Java, Pflanzendecke und innere Bauart Uebersetzt von
Hasskarl. Bd. I. 1852.
Kurz, S. Preliminary report on the forest and other Vegetation of Pegu.
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Liebmann, Fr. Eine pflanzengeographische Schilderung des Vulcans Ori-
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Sievers, W. Venezuela 1888. S. 128 — 170.
Stapf, O. On the flora of Mount Kina balu in North Borneo. The Trans-
actions of the Linnean Society. Vol. IX, 1894.
Volkens, G. Klima und Vegetation des Kilimandscharo. S. A. aus Volkens,
Der Kilimandscharo. Berlin 1897.
Schimper, Pflansengeographie. 50
IV. Die Höhenregionen in den temperirten
Zonen.
1. Begionen in den tropenahnlichen warm temperirten Gebieten. § i.
Central-Asien. Himalaya. Regenwälder in Sikkim, Sommerwald im westlichen Himalaya.
Pamir. Tibet. Regionen im Nan-Schan- Gebirge nach Prschewalski. Alpine Wiesen.
Geröllwüste. Kwenlun -Wälder am Dschachar. Das tibetanische Plateau. — § 2. Neu-
seeland. Montane Region: Xerophile Gehölze. Buchenwald. Vegetation trockener
Triften. Alpine Region: Krummholz. Alpine Steinwüste. Polsterpflanzen. — §3. Afrika:
Natal. Regionen nach Thode. — § 4. Süd-Amerika. Argentinische Cordillere. Sfid-
Chile. 2. Begionen in den Gebieten mit Winterregen. § 1. Mediterranländer.
Libanon. Atlas. Sierra Nevada. Mt. Ventoux. Apennin. Aetna. Süd - macedonische
Gebirge. Athos. Canaren. Lorbeerwald in der montanen Region der Canaren. — § 2.
Amerika. Californien. Chile. 3. Begionen in den kalttemperirten Gürteln. § 1.
Die Schweiz. Wälder der basalen und montanen Region. Alpine Region. Krummholz.
Rhododendron. Gesträuch. Alpine Grasfluren. Felsenflora. Flora und Klima des Theodul-
Pass. — § 2. Tabellen. Regionen in der Tatra; in den Pyrenäen; im Kaukasus; im
Tien-Schan; am Altai; am Ontake; in den White Mountains; in den Rocky mountains;
im Feuerland.
Die Regionen der Vegetation zeigen wesentliche ökologische
Unterschiede in den kalten und in den warmen Gürteln der temperirten
Zonen und in letzteren wiederum ungleichen Charakter, wenigstens in
den unteren Theilen, je nachdem das Klima tropenähnlich ist, d. h. mit
Sommerregen bezw. mit Regen zu allen Jahreszeiten oder durch
sommerliche Trockenheit und nasse Winter ein eigenartiges Gepräge
besitzt.
1. Regionen in den tropenähnlichen warmtemperirten
Gebieten.
§ I. Central-Asien. In tropenartigem, regenreichem Klima erhebt
sich der Südabhang des östlichen Himalaya. In Sikkim bedeckt
Regenwald, unten von noch rein tropischem, oben von temperirtem
Charakter die Berghänge bis 7400 Fuss. Dann macht sich die- Ent-
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
787
fernung vom Wendekreise geltend. Der oberste Waldgürtel ist
tropophil; während des Winters verlieren viele Bäume (Eichen,
Fig. 447- Aus dem temperirten Regenwald des östlichen Himalaya (montane Region
ca. 8000 Fuss) bei Darjeeling. Nach einem Aquarell von Lady Brandis.
Birken etc.) ihre Blätter. Auch der systematische Charakter ist kalt-
temperirt.
50*
788
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Der westliche Theil des Himalaya1) ist gleichzeitig nördlicher als
der östliche ' gelegen und zeigt schon 'an seiner Basis, wo Shorea
robusta, der Salbaum, den Wald beherrscht, die erste Andeutung von
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Winterruhe, welche natürlich bergaufwärts zunimmt. Das Klima ist
ausserdem viel trockener als im OstenVund .verleiht der Vegetation
!) Brandis 1. c.
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
789
einen mehr xerophilen Charakter; echte Regenwälder kommen hier
nicht vor.
Bei ca. 900 m wird der bisher noch tropische Charakter der
Vegetation warmtemperirt und zeigt einige Anklänge an das mediterrane
Fig. 449. Wüstenvegetation im Alitschur- Pamir. Nach einer Photographie
des Herrn Lieutenant Kaznakoflf.
Fig. 450. Kudara im Thale Kudara. Nach einer Photographie
des Herrn Lieutenant Kaznakoflf.
Hartlaubgebiet (Rhus cotinus, Celtis australis), mehr jedoch an die
klimatisch ähnlicheren Gebiete des warmtemperirten China und Japan
(Rhus succedaneä, semialata, Cornus macrophylla etc.). Eine grosse
Rolle als Waldbäume spielen in diesem warmtemperirten Gürtel Pinus
longifolia und, oberwärts, eine immergrüne Eiche, Quercus incana.
790
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Bei 2100 m nimmt der Wald tropophilen Charakter an; hier herrschen
kalttemperirte Nadel- und Laubbäume mit ausgeprägter Winterruhe.
Unter den Nadelbäumen ragen Cedrus Deodara, Abies Webbiana
Fig. 451. Pamir: Thal am Kainde-Se. Juniperus sp. Nach einer Photographie
des Herrn Lieutenant Kaznakoff.
(Fig. 446) und die auch auf den Gebirgen Macedonien's vorkommende
Pinus excelsa durch hohen Wuchs und Häufigkeit hervor. Die Laub-
bäume sind theils immergrüne Eichen (Q. semecarpifolia , dilatata),
Fiß- 452- Pamir: Jagatch - Kurgan. Nach einer Photographie
des Herrn Lieutenant Kaznakoff.
theils verschiedenartige sommergrüne Bäume, die meistens mit euro-
päischen und asiatischen übereinstimmen (Prunus padus, Juglans
regia, Aesculus indica, Arten von Acer, Ulmus, Carpinus, Alnus,
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
791
Fraxinus, Salix etc.). Betula Bhojpattra bildet bei 3660 m die Baum-
grenze. Da die Schneelinie bei 3900 m liegt, so ist für die eigentliche
alpine Region nur wenig Raum vorhanden. Hier wachsen strauchige
Fig. 453- Vegetation am See Karakul. Eurotia sp. Nach einer Photographie
des Herrn Lieutenant Kaznakoflf.
Rhododendron (Rh. Anthopogon und lepidotum) und boreale Stauden
(Ranunculaceen etc.). Ueber die alpinen Formationen des Himalaya
ist übrigens nichts bekannt.
Fig. 454. Pamir: Fluss Schach -Dara. Nach einer Photographie
des Herrn Lieutenant Kaznakoflf.
Im Nordosten grenzt das Himalaya -Gebirge an das gewaltige
Hochland des Pamir, wo es mit den anderen hohen Gebirgen Central-
Asiens zusammentrifft : Karakorum, Hindukusch, Kuen-Lün und Tienschan.
792
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Das Pamir bildet ein ungefähr rechteckiges, ausser im Westen im
Durchschnitt ca. 3800 m hohes, durchweg über der Baumgrenze
gelegenes gebirgiges Gebiet, wo die höchsten Gipfel sich zu 7000 m
erheben. Näher sind wir über die Pflanzenformationen nicht unter-
richtet. Unsere Bilder zeigen, dass die einen beträchtlichen Theil
des Landes bildenden flachen Thäler Wüstencharakter besitzen, indem
die einzelnen Pflanzen durch grosse Zwischenräume von einander ge-
trennt wachsen ; weite Landschaften besitzen Steppencharakter. Unsere
Figur 454 zeigt die Ufer des Flusses Schach -Dara, eines Nebenflusses
des Pändsch, von dichtem Gebüsch umsäumt. Noch üppiger ist die
Vegetation am westlichen Abfall des Hochlands, im Schugnan, wo
unterhalb 7000 m der Baumwuchs auftritt (Fig. 455).
Fig. 455. Schugnan, Ufer eines unbenannten kleinen Flusses. Nach einer Photographie
des Herrn Lieutenant Kaznakoff.
Der mittlere und südliche Gürtel des Nan-Schan *) im nordöstlichen
Tibet besteht, nach Prschewalslri, aus Löss, Kiesel, zuweilen Granitkies
und trägt an seinen unteren Abhängen Wüstencharakter (Kalidium
gracile, Reaumuria songarica, R. trigyna, Lasiagrostis splendens etc.).
Nur die Ränder der Bäche tragen dichtes Gesträuch (Hedysarum multi-
jugum, Nitraria Schoberi, Comarum Salessowii, Caryopteris mongolica,
Hippophae etc.) mit Gräsern (Hordeum pratense, Triticum strigosum etc. )
und Kräutern (Potentilla bifurca, P. dealbata, Calimeris alyssoides,
Adenophora Gmelini, Rheum spiciforme var. etc.).
Bei 3300 m fängt die alpine Region an, in welcher drei Stufen
erkennbar sind: 1) die Alpen wiesen; 2) die Geröllwüste; 3) der ewige
Schnee.
») 1. c. S. 68 u. f.
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
793
Die Alpenwiesen liegen im Allgemeinen zwischen 3300 und 3900 m
und besitzen eine mannigfaltige Vegetation (Oxytropis falcata, kan-
suensis, strobilacea u. a. , Astragalus- Arten; Gentiana decumbens,
prostrata, tenella; Ranunculus affinis; Potentilla multifida, fruticosa;
Fig. 456. Tibet: Ein Thal im Kuen-Lün- Gebirge. Nach Piertzow.
Allium strobilaceum ; Pedicularis labellata; Polygonum viviparum;
Taraxacum glabrum; Carex ustulata etc.).
In der Steinwüste, welche im Allgemeinen bei 3780 bis 41 10 m
beginnt, ist die Vegetation äusserst dürftig (Saxifraga sp.; Saussurea
sorocephala; Pyrethrum sp.; Thylacospermum sp.). Diese Steinwüste
hört bei 4400 m auf, wo der ewige Schnee beginnt.
Die Kuen-Lün -Gebirge (Fig. 456) besitzen, nach Prschewalski's
794 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Schilderungen zu urtheilen, ähnlichen Charakter wie der etwas weiter
nördlich gelegene Nan-Schan. Doch ist das im östlichen Theile des
Kuen-Lün-Systems gelegene hohe Dschachar ^-Gebirge vegetationsreicher.
Hier sind die Abhänge bis 3000 m von Wald bewachsen (Abies
Schrenkiana, Betula Bhojpattra, Juniperus Pseudo-Sabina , Populus
tremula, Sorbus aucuparia). Die alpine Region (3450 bis 4500 m) ist
unterwärts von alpinem Gesträuch eingenommen (Rhododendron capi-
tatum, Rh. Prschewalskii , Caragana jubata, Arten von Rubus, Ribes,
Salix, Potentilla fruticosa). Dem Gesträuch folgt nach oben die alpine
Wiese (Arten von Astragalus, Oxytropis, verschiedene Umbelliferen,
Meconopsis racemosa, M. quintuplinervia , Caltha palustris, Trollius
pumilus, Corydalis -Arten, Iris ensata, Polygonum viviparum, Anemone
micrantha, Primula farinosa, Rheum pumilum etc.). Die obersten
Pflanzen haben nur 2 — 5 cm Höhe. Auch hier folgt auf die Wiesen
nach oben die alpine Steinwüste.
Noch reicher ist, bei übrigens ähnlichem Charakter, die Vegetation
am Tetung-Gol (102 ° W., 37 ° N.).
Das tibetanische Plateau ist äusserst dürftig bewachsen. Prschewalski,
welcher dasselbe allerdings nur im Herbst und Winter kennen lernte,
fand dasselbe baumlos; eine 15 cm hohe Hippophae war der höchste
Strauch, während die übrigen Sträucher (Potentilla sp., Reaumuria sp.)
auf dem Boden krochen; sandiger Boden trug einigen Graswuchs.
§ 2. Neu- Seeland. Aus der südlichen Hemisphäre mag hier die
Gebirgsflora Neu-Seelands und zwar diejenige der trockenen Osthälfte
der Süd-Insel, an der Hand der von Herrn L. Cockäyne hergestellten
Photographieen, eingehendere Behandlung erfahren.2)
Während im feuchten westlichen Theile der Insel der temperirte
Regenwald in die montane Region hinaufsteigt und erst im oberen
Theil der letzteren durch tropophilen Buchenwald abgelöst wird,
herrscht im östlichen Theile die Steppe vor. Sie bedeckt auf steinigem
Boden durch xerophiles Gesträuch unterbrochen, die Thalsohlen und
Abhänge (Fig. 457). Erst im oberen Theil der montanen Region,
zwischen 600 und 1000 m zeigt sich an geschützten, feuchten Stellen
hochstämmiger Buchenwald (Fig. 458 — 460). Derselbe ist wohl immer-
grün, aber dennoch von tropophilem Charakter. Das Unterholz fehlt
oder ist durch Buchensämlinge vertreten ; die Stämme tragen nur einige
Flechten und Moose (Fig. 459). Nur an den Rändern der Gewässer
wird die Vegetation etwas üppiger, ohne jedoch diejenige unserer mittel-
europäischen Regenwälder, zu übertreffen (Fig. 458). Liäneti und höhere
Epiphyten fehlen durchaus.
*) Prschewalski 1. c. S. 216 u. f.
*) Vgl. darüber auch Diels 1. c.
Fig. 457. Unterer Theil der montanen Region Neu -Seelands (Süd -Insel). Im Vordergrund
Gesträuch von Veronica Traversii in Blüthe. Hinten das Craiguburn - Gebirge , von Wiesen
überzogen, auf dem höchsten Abhänge rechts sind Buchenwälder. Nach einer Photographie
von Herrn L. Cockaync.
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
795
An den exponirten Stellen herrschen in diesem oberen Theile
der Region trockene, steinige Gefilde1), die bald mageren Steppen-
charakter aufweisen, bald in grossen Zwischenräumen dorniges Ge-
sträuch und spärliches Gras, namentlich aber höchst eigenartige Xero-
phyten, Arten von Aciphyllum und Celmisia, ernähren. Die Aciphyllen
(Fig. 462) sind Umbelliferen , welche aus rübenförmigem Wurzelstock
eine kugelige Masse dicht gedrängter, fester, schwertförmiger Blätter
entwickeln. Die Celmisien (Fig. 463) sind grasartige Compositen, deren
Blattstructur auffallende Aehnlichkeit mit Steppengräsern aufweist. Nicht
Fig. 458. Das Innere des Buchenwaldes in der montanen Region der Süd -Insel, Neu -Seeland.
Nach einer Photographie von Herrn L. Cockayne.
minder merkwürdig ist das Auftreten in dieser Formation ericoider
Gestalten bei Gattungen, wo man solche nicht erwarten würde, nämlich
bei Veronica cupressoides (Fig. 461) und Senecio cassinioides. Alle
diese vom systematischen Typus abweichende Formen sind Producte des
trockenen Klima; dass sie aus normal gestalteten Ahnen hervorgingen
zeigt der Umstand, dass nach Cockayne Veronica cupressoides und
Senerio cassinioides abweichend gestaltete Primordialblätter entwickeln2)
*) Von Diels als Triften bezeichnet.
9) Nach Diels.
796
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
und dass es sogar' Göbel gelungen ist, durch Cultur der ersteren
Art in feuchter Luft breite Blattspreiten zu erzielen.
Fig» 459. Montane Region in Neu -Seeland (Süd -Insel). Im Buchenwalde (Fagus cliffortioides).
Das Unterholz von jungen Buchen gebildet. 900 m. Nach einer Photographie des Herrn
L. Cockayne.
Oberhalb des Waldes zeigt sich Krummholz und Gesträuch, mit
meist reicher und dichter Verzweigung, relativ dicken Aesten, deren
Fig. 460. Oberer Gürtel der montanen und unterer der alpinen Region Neu - Seelands.
Schlucht des Craiguburn- Flusses. Im Hintergrund der Buchenwald. Links, auf den Berg-
höhen, „Shingle slips" mit strauchigen Arten von Veronica, Celmisia, Dracophyllum, Coprosma,
Podocarpus nivalis etc. 660 m ü. M. Nach einer Photographie von Herrn L. Cockayne.
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
797
rauhe Borke häufig kleine Flechten trägt und, mit seltenen Ausnahmen
(Coprosma serrulata Fig. 464, /), sehr kleinen Blättern von ausgeprägter
Sklerophyllstructur. Vorwiegend sind unter ihnen Arten der Epacri-
daceen- Gattung Dracophyllum (Fig. 464, 2), namentlich aber Compo-
siten aus den Gattungen Olearia (Fig. 464, j) und Senecio. Diels be-
zeichnet als obere Grenze des Knieholzes auf der Süd-Insel 1350 m.
Dasselbe steigt aber, in Flussthälern , oft viel tiefer herab, sogar bis
zum Meeresstrande.
Das Knieholz und Gesträuch bezeichnen den Anfang der alpinen
Region, welche in Neu-Seeland auffallend tief beginnt. Niedere Sommer-
temperatur, im Osten trockene Winde unterstützen hier die Wirkungen
des Höhenklima. Vorherrschend sind in der alpinen Region die
Felsen und Geröllhalden, namentlich
letztere, die sogenannten „shingle-
slips", welche manchmal die Berg-
hänge bis zum Tafellande bekleiden.
Diese Bodenbeschaffenheit verdankt
ihren Ursprung einer wahren Wüsten-
verwitterung, d. h. der Wirkung
heftiger Temperaturschwankungen bei
trockener Luft. Wir können in der
That hier von einer Hochwüste
sprechen, wie in den Anden, mit
deren Vegetation diejenige des neu-
seeländischen Hochgebirges grosse
Aehnlichkeit aufweist. Wie dort ist
die xerophile Structur extrem, und
zwar namentlich in der vorwiegend
alpinen Form der Polsterpflanzen aus-
gedrückt. Durch Grösse und Dichtig-
keit imponiren in erster Linie die
„Pflanzenschafe** Neu-Seelands, die wolligen Arten von Raoulia (Com-
positae) (Fig. 465). Ihnen ähnlich ist Helophyllum Colensoi (Fig. 466),
eine Candolleacee. Kleinere, aber ebenfalls äusserst dichte Polster
bilden verschiedene Arten von Veronica, Hectorella, Dracophyl-
lum etc. Grosse, aber mehr lockere und abgeplattete Polster bildet
Celmisia viscosa (Fig. 463). Auch Luzula pumila (Fig. 463) tritt durch
dichtes Wachsthum der schmalen Blätter der Polsterform nahe. Aehn-
lich wie in allen alpinen Höhen kommen auch hier kleine, kriechende
Sträucher von ausgesprochener xerophiler Structur (Fig. 407) und
Rosettenpflanzen mit langen Wurzeln vor (Fig. 410).
§ 3. Afrika: Natal. Das Küstenland von Natal ist aus ätttfenweisen,
bis zum Randgebirge sich erhebenden breiten Terrassen aufgebaut. Hoch-
Fig. 461. Veronica cupressoides. Neu-
Seeland. Nat. Gr.
798
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
ebenen, namentlich nach dem Meere offen, sind windig und daher schon für
Baumwuchs ungeeignet; zudem besitzt Natal überhaupt, mit seinen trockenen
Wintern und feuchten Sommern mit häufigen Niederschlägen ein typisches
Grasflurklima. Die Zunahme der Niederschläge, die sich namentlich im oberen
Theile der montanen Region merklich macht, vermag das windige, baum-
feindliche Grasflurklima in Waldklima nicht umzuwandeln; der Wald bleibt
auf die Ufer der Bäche in geschützten Thälern beschränkt. Die Flanken
gehören der Grasflur an, das Ganze hat vorwiegend xerophilen Charakter.
Folgende Tabelle ist nach den Angaben Thode's zusammengestellt:
Fig. 462. Aciphylla Colensoi, auf steinigem Boden in der Nähe vom Pearson - See, 600 m. Ü. M.
Neu -Seeland, Süd -Insel. Nach einer Photographie von Herrn Cockayne.
Regionen in Natal.
Niedere Region bis 500 m.
Montane Region:
Steppen (stellenweise mit Acacien und Aloe) „1500 m.
Protea- Savannen „ 2300 m.
Alpine Region:
Gesträuch und Stauden bis ca. 3500 m.
Das Klima der alpinen Region des Drakenbergs ist sehr stürmisch. Ge-
witter sind im Sommer, Schneestürme im Winter häufige Erscheinungen. Die
mittlere Jahrestemperatur wird von Thode auf 5 — 8° R. geschätzt, starke
Fröste sind in den Winternächten gewöhnlich. Buschwerk (Leucosidea sericea,
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
799
Cliffortia, Erica) zeigt sich hier und da in den Thalrissen; die Abhänge sind
von Zwerggesträuch (namentlich Helichrysum und Ericaceen) und von alpinen
Stauden (namentlich Compositen) überzogen. Der Blüthenreichthum ist ein
sehr grosser und die Farben sind glänzend.
§ 4. Süd-Amerika. Die nördlichen Abhänge der Cordillere Argen-
tinien^ sind dicht bewaldet. Lorentz unterschied in den subtropischen Provinzen
Oran und Tucuman (ca. 250 S. B.) folgende Stufen, die allerdings nicht überall
vorhanden sind:
Fig. 463. Alpine Flora Neu -Seelands. Celmisia viscosa Hook. f. (in der Mitte) und Luzula
pumfla Hook. f. auf Steintrift („shingle slips" wachsend. 1470 m. Craiguburn Mts. (Süd-Insel).
Nach einer Photographie des Herrn L. Cockayne.
Niedere Region.
Hygrophil. Temperirter Regenwald.
Montane Region.
f Wald von Podocarpus angustifolia.
^ ^"' \Aliso-Wald (Alnus ferruginea var. Alix).
IQuenoa-Savanne (Polylepis racemosa).
Alpine Steppe.
Alpine Wüste (Puna).
Der Queiioa-Baum, der zerstreut im unteren Theile der alpinen Grasflur
wächst, zieht sich in der Cordillere von Peru zwischen 3000 und 4000 m, wo
er ebenfalls die obere Grenze des Baumwuchses bezeichnet. Es ist ein
8oo
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Fig. 464. Neuseeländische alpine Sträucher : / Coprosraa serrulata (Rubiac). 2 DracophyHum
uniflorum (Epacrid.). J Olearia nummularifolia (Coraposit.). 4 Phyllocladus alpinus (Conif.)
Nat. Gr.
Fig. 465. Alpine Flora Neu - Seelands. Raoulia mamillaris auf felsiger Unterlage bei 1500 m.
Craiguburn Mts. Nach einer Photographie des Herrn L. Cockayne.
Fig. 466. Alpine Flora Neu - Seelands. Craiguburn Mts. 1470 m. Helophyllum Colenosi
Hook. f. (Candolleacee) in dichten runden Klumpen, theilweise von Schnee umgeben. Am
Felsen rechts, Dracophyllum roomarinifolium Hook, f., ein Zwergstrauch. Das Gras oben:
Danthonia Raoulii Steud. Nach einer Photographie von Herrn L. Cockayne.
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen. 8oi
knorriges, sehr dickstämmiges und hartholziges Bäumchen von 16 — 20' Höhe.
Er ist gewöhnlich von Tillandria usneoides behangen.
Im südlichen Theile der argentinischen Cordillere bleibt der Charakter
der Vegetation durchaus xerophil. Nach den Aufzeichnungen von F. Kurz
über die Cordillere von Mendoza (ca. 33 ° S. B.) können folgende Gürtel
unterschieden werden:
Montane Region.
Buschwald und Dornbüsche.
Spärliches Gesträuch (Adesmia pinifolia).
Alpine Region.
Niederes Gesträuch (Berberis empetrifolia, Argylia Bustillosii).
Alpine Zwergstauden.
Fig. 467. Vegetation der montanen Region im Drakenberg, Natal. Nach einer Photographie.
Zusammenhängende Formationen fehlen in der alpinen Region, welche
einen wtistenartigen Anblick gewährt. Die kleinen, aber oft gross- und
glänzendblüthigen Pflänzchen von typischem alpinen Habitus wachsen nur
auf torfigem Boden gesellig, während sie auf den Halden nur ganz vereinzelt
auftreten und häufig, wegen der Farbenähnlichkeit ihres Laubes mit dem
Felsen, schwer sichtbar sind.
Schirop er, Pflanzengeographie. 51
79*
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IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen. 803
Ueber Charakter und Anordnung der Vegetation im nördlichen Theile
des chilenischen Waldgebiets geben folgende nach K. Reiche's Angaben
zusammengestellte Tabellen das Wesentliche:
Cordillere von Nahuelbuta (380 S. B., 1500 m).
Montane Region.
Gemischter Buchenwald mit einigen Lianen undEpiphyten bis 1100 m.
Araucaria-Wald (A. imbricata) mit sommergrünem Buchen-
gesträuch „ 1500 m.
Cordillere von Chillan (370 S. B., ca. 3000 m).
Montane Region.
Gemischter Buchenwald bis 1860 m.
Fagus pumilio, als Gebüsch „ 1900 m.
Alpine Region.
Sträucher (Berberis empetrifolia , Empetrum nigrum, Es-
callonia carmelita) „ 2000 m.
Alpine Stauden auf Geröll und Fels „ 2200 m.
Ewiger Schnee.
Die gemischten Buchenwälder sind, namentlich in ihrem unteren Theile,
noch den temperirten Regenwäldern, wenn auch in abgeschwächter Form
(letzteres namentlich auf der Chillan -Cordillere) zuzurechnen; nach oben zu
nehmen sie mehr xerophilen Charakter an.
2. Regionen in den Gebieten mit Winterregen.
§ 1. Mediterrangebiet. Die Gebirge des Mediterrangebiets haben
zum grössten Theile den ursprünglichen Charakter ihrer Vegetation
eingebüsst, so dass die natürlichen Gürtel aus spärlichen Resten und
nicht immer mit Sicherheit reconstruirt werden müssen. Die beiden
wichtigsten Gebirgsketten des südlichen Theils des Gebiets, der Libanon
und der Atlas, haben, wie das Tiefland, trockene Sommer und dem-
entsprechend Hartlaubvegetation auch in der montanen Region. In
den nördlichen Gebirgen des Mediterrangebiets bedingt die Winter-
kälte in der montanen Region eine ausgeprägte Ruheperiode, während
andererseits reichlichere Niederschläge während des Sommers die
vegetative Thätigkeit befördern. Dementsprechend folgen auf die
Hartlaubgehölze ohne Winterruhe und mit träger Sommervegetation
die mesophilen Gehölze mit Winterruhe und lebhafter Sommer-
vegetation. Die Aehnlichkeit des Klima in der montanen Region
mit derjenigen des mitteleuropäischen Tieflands ermöglichte die An-
siedelung der von Norden einwandernden Bäume, welche nur wenig
oder meist gar nicht variirten.
Nur wenige der mediterranen Gebirge erheben sich in die alpine
Region. Eine reiche alpine Flora zeigt sich nur auf der Sierra Nevada,
51*
804 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
wo dieselbe ein mehr ausgeprägt xerophiles Gepräge besitzt, als in
nördlicheren Gebirgen und viele Endemismen aufweist (Fig. 470).
Djurdjura und algierischer Atlas (Trabut).
Montane Region.
Unterer Gürtel — 1300 m.
Quercus suber — 1300 m.
Chamaerops humilis — 1200 m.
(Pinus halepensis, vorwiegend zwischen 800 — 900 m waldbildend,
aber von der Küste bis 1700 m auftretend).
Oberer Gürtel — 1900 m.
Quercus Hex var. Ballota 1000 — 1600 m.
Cedrus attantica und Libani 1200 — 1900 m.
Alpine Region. 1900—2308 m (Djurdjura).
Kleine Sträucher und Kräuter, theils endemisch, theils mit stid- und
mitteleuropäischen alpinen Arten identisch.
N. B. Steppen sind auf den 800 — 900 m hohen Hochebenen des süd-
lichen Algerien's, entsprechend dem Frühlingsregen, entwickelt
In Marokko bildet Quercus Hex in verkrüppelter Form die Baumgrenze.
Sierra Nevada (Boissier, Willkomm).
Montane Region.
Sklerophyllgürtel — 5000'
Mesophile Wälder (Pinus silvestris var. nevadensis, Castanea vesca,
Quercus Tozza) — 6500'
Alpine Region.
Sträucher 8000'
Stauden n ooo'
Mont Ventoux (Martins) Höhe 5880'.
Montane Region.
Südabh. Nordabh.
Mediterraner Sklerophyllgürtel — 354°r — 2800'
Mesophiler sommergrüner Laubwald (Buchen). — 5230' — 4065'
Mesophiler Nadelwald (Pinus uncinata, Abies
excelsa) — 5570' — 5340'.
Alpine Region.
Steinige Gefilde mit niedrigen Stauden.
Apennin (Mittelwerthe. Schouw).
Montane Region.
Mediterraner Sklerophyllgürtel — 1200'
Mesophiler sommergrüner Laubwald Kastanie — 3000' , Quercus
pedunculata — 3500'
Mesophiler Laubwald (Buchen) und Nadelwald (Abies pectinata)
— 6000'.
Alpine Region.
6000' — 9200'.
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Fig. 47°' Alpine Flora der Sierra Nevada, Spanien. / Linaria nevadensis Boiss. et Reut.
2 Linaria glacialis Boiss. 3 Viola nevadensis Boiss. 4 Artemisia granatensis Boiss.
5 Dianthus brachyanthus Boiss. 6 Galium pyrenaicum Gou. 7 Ranunculus acetosellaefolius
Boiss. 8 Plantago nivalis Boiss. Sämmtliche nat. Gr.
806 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Aetna (Philippi).
Montane Region.
Mediterraner Sklerophyllgürtel — 2200'
Mesophiler sommergrtiner Laubwald — 6000'
(Kastanie — 3900', Quercus pubescens — 5500', Buche 3000' — 6000'
Mesophiler Nadelwald (Pinus Laricio) 4000' — 6000'.
Alpine Region.
Gesträuch (Juniperus hemisphaerica , Berberis aetnensis etc., auch in
der montanen Region) 7500', Stauden — 8950'.
Süd-macedonische Gebirge (Grisebach).
1. Montane Region.
Mediterrane Sklerophyllen — 1245'
Mesophiler sommergrüner Laubwald — 4600'
(Quercus Cerris — 2650', Buche — 4400 — 4600')
Mesophiler Nadelwald (Pinus Peuce) — 5800'.
2. Alpine Region.
Juniperus nana 5200 — 7200'.
Athos (Grisebach).
1. Montane Region.
Mediterrane Sklerophyllen — 1200'
Mesophiler sommergrüner Wald — 1200 — 3500'
(Kastanie 3000', Quercus pubescens 3500')
Mesophiler Nadelwald 1700 — 5250'
(Pinus Laricio 3500 — 4500', Abies pectinata 1700 — 5250').
2. Alpine Region. 5250 — 6440'.
Gesträuch von Daphne jasminoides, Prunus prostrata etc.
Die Canaren und Madeira gehören zu den wenigen Punkten der
Sklerophyllgebiete, wo die Bedingungen für den temperirten Regenwald
in der montanen Region gegeben sind: Milder Winter und reichliche
Niederschläge zu allen Jahreszeiten. Am Pico de Teyde auf Teneriffa
unterhält der Nebel-Gürtel, welcher zwischen 700 und 1600 m beinahe
alltäglich, auch im Sommer, vorhanden ist, die Feuchtigkeit in der
montanen Region; doch reicht dieselbe nur in Schluchten zum Ge-
deihen eines abgeschwächten Regenwaldes hin, während die Abhänge
Sklerophyllvegetation ernähren. Letztere wird oberhalb des Nebels
wieder alleinherrschend.
Regionen in den Canaren (Christ).
Niedere Region.
Succulenten und Sklerophyllen bis 700 m.
Montane Region.
Temperirter Regenwald (Lorbeerwald) bis 1600 m.
Pinus canariensis mit Sklerophyllen bis 2000 m.
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen. 807
Alpine Region (Teyde).
Laubloses Gesträuch von Spartocytisus nubigenus und Stauden.
Besonderes Interesse beansprucht der Lorbeerwald, gleichsam ein in
temperirten Regenwald umgewandelter Sklerophyllwald oder eine Zwischen-
stufe beider, mit grösserer Annäherung an ersteren, welchen Christ in seiner
meisterhaften Monographie anschaulich beschreibt.
Derselbe besteht vorwiegend aus Laurineen: Persea indica, Lauras ca-
nariensis (mit Lauras nobilis nahe verwandt), Oreodaphne foetens, Phoebe
barbusana. Aus anderen Verwandtschaftskreisen treten vornehmlich hinzu:
Hex canariensis, Erica arborea, Myrica Faya und andere seltenere Arten.
Das Unterholz besteht aus Rhamnus glandulosa, Viburnum rugosum, Rubus-
Arten, Smilax mauritanica und canariensis etc. Hedera canariensis kriecht
auf dem Boden. Bodenkräuter sind vorwiegend Farne in üppiger Entwicke-
lung. Die schwache Entwickelung der Lianen, das Fehlen eigentlicher
Epiphyten, zu welchen nur Davallia canariensis und Asplenium Hemionitis
einen schwachen Anfang bilden, unterscheiden diesen Wald vom typischen
Regenwald. Mehrere der Holzarten sind mit mediterranen Sklerophyllen
theils identisch, theils nahe verwandt.
§ 2. Amerika. Die californische Sierra Nevada erhebt sich mit ihren
westlichen Abhängen aus einem typischen Sklerophyllgebiet. Die Sklerophyll-
gehölze, namentlich immergrüne Eichen, steigen stellenweise bis 1800 m in
die Höhe. Grössere sommerliche Feuchtigkeit bedingt in höheren Lagen
das Auftreten sommergrüner Eichenwälder (Q. Kellogii); sandig -kieseliger
Boden ist durch genügsame Kiefern behauptet (P. ponderosa). Der obere
feuchtkühle Gürtel der montanen Region gehört dem grossartigsten gemischten
Nadelwald der Erde, der Heimath der Sequoia gigantea. Ueber diese Wälder
wurde bereits früher berichtet.
Ueber die alpine Region fehlt es an Angaben.
Im chilenischen Hartlaubgebiet reichen die Niederschläge auch an den
Berghängen nicht hin, um eine kräftigere Vegetation hervorzurufen; die
dürftige xerophile Vegetation geht in die noch dürftigere der Hochwüste oder
Puna über. Nur auf dem Frai Jorge, einem Gipfel der sonst überaus trockenen
Provinz Coquimbo, hat ein beständiger Nebelgürtel, ähnlich wie auf den Ca-
naren, die Bedingungen für die Existenz des temperirten Regenwalds, wenn
auch wiederum in abgeschwächter Form, geschaffen. Auch systematisch
schliesst sich dieser Wald den Regenwäldern Valdivia's an. Seine wichtigsten
Bäume sind Aetoxicum punctatum und Drimys chilensis.1)
3. Regionen in den kalttemperirten Gürteln.
§ I. Die Schweiz. Unter den Hochgebirgen der nördlichen kalt-
temperirten Zone sind die Alpen botanisch in jeder Hinsicht am
genauesten untersucht worden. Namentlich hat H. Christ in seinem
l) F. Philippi.
808 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Pflanzenleben der Schweiz ein Bild der Vegetation in den Schweizer-
Alpen entworfen, welches, in den Hauptzügen fertig, nur noch der
feineren Ausführung, nach der von ihm bereits angedeuteten physio-
logischen Richtung bedarf, um die gegenwärtig erreichbare Vollendung
zu zeigen.
Die folgende Tabelle hat nicht allgemeine Gültigkeit und soll nur
zur allgemeinen Orientirung dienen; die in derselben aufgezählten
Stufen sind selten sämmtlich vorhanden.
Mittlere Höhenregionen in den Schweizer-Alpen.
Untere Region 550 — 700 m.
Montane Region.
Kastanienwald (Südschweiz) bis 900 m.
Buchenwald „ 1200 m.
Fichtenwald Soo — 1800 m.
Lärche und Arve (Central- Alpen) . . . bis 2100 m.
Alpine Region.
Pinus Pumilio und Alnus viridis 2000 m.
Rhododendron bis 2120 m.
Juniperus nana „ 2500 m.
Kräuter und Zwergsträucher bis zu den Gipfeln.
(Schneegrenze 2700 — 3000 m.)
Das schweizerische Tiefland ist, wie das mitteleuropäische Tiefland
überhaupt, durch die Cultur bis zur Unkenntlichkeit verändert worden.
Wahrscheinlich stellte dasselbe ursprünglich eine Parklandschaft dar, in
welcher, je nach Bodenbeschaflfenheit, Wald und Grasflur sich in den
Raum theilten. Der Wald wird wohl meistens Buchenwald, stellenweise
Eichenwald, im Süden Kastanienwald, auf Sandboden Kiefernwald
gewesen sein. Die Grasflur hat stellenweise Steppencharakter (Wallis),
in der übrigen Schweiz wird sie wohl stets als Wiese ausgebildet
gewesen sein.
Die basale Region der Schweizer- Alpen hat ebenfalls durch die
Cultur ein verändertes Gepräge erhalten. Doch kann angenommen
werden, dass, entsprechend der reicheren Niederschläge, üppige Wälder
in derselben herrschend waren und zwar ähnliche Laubwälder, wie sie
im Tieflande auf feuchtem Boden vorkommen. Vorwiegend waren die
noch stellenweise erhaltenen Buchenwaldungen. Andere Baumarten,
wie Hagebuche und Spitzahorn, sind untergeordnete, wenn auch häufige
Nebenbestandtheile jener Buchenwälder, die Vogelkirsche ist seltener,
die Stechpalme tritt nur als Strauch auf.
Die montane Region zeigt, entsprechend der Abnahme der
Temperatur, mehr nordischen Charakter. Die Wälder bestehen hier
aus Fichten ; Laubbäume treten nur vereinzelt auf und sind von den-
jenigen des Buchenwalds verschieden, wie Acer Pseudoplatanus und
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
809
Sorbus aucuparia. Das Unterholz ist oft reichlich ausgebildet und
besteht aus Sambucus racemosa, Ribes nigrum und petraeum, Lonicera
alpigena und nigra, Salix grandifolia etc. Schmale und lichte Wälder
der Arve und Lärche, erstere mehr hinaufsteigend als letztere,
nehmen den oberen Rand der montanen Region ein und bilden die
Baumgrenze.
Das Krummholz, welches in vielen Gebirgen als breiter Gürtel die
Basis der alpinen Region einnimmt, ist in der Schweiz nur an
wenigen Punkten von Graubünden und Wallis vertreten und besteht
nur aus einer Holzart, der Legföhre, Pinus montana var. Pumilio. Als
Zwergbäume von höchstens Manneshöhe mit liegendem Stamme und
langen schlangenförmigen Aesten bedecken die Legföhren trockene
Fig. 471. / Rhododendron ferrugineum. 2 Rh. hirsutum. 2/8 nat. Gr.
Felsen und Gerolle, namentlich auf Kalkboden. Häufiger als das
Krummholz zeigen sich oberhalb der Baumgrenze die Gebüsche der
Grünerle, Alnus viridis. Die charakteristische Gestalt des Krummholzes
geht diesem bis manneshohen Strauche ab.
Am gewöhnlichsten setzt die alpine Region mit Gesträuch von
Alpenrosen ein. Die beiden Arten der Schweiz, Rhododendron hirsutum
auf Kalk und Rh. ferrugineum auf Kieselboden besitzen in diesem bis
300 m breiten Gürtel ihre Massenverbreitung; sie treten aber sowohl
tiefer, als Unterholz des Nadelwaldes, wie vereinzelt auch höher bis
gegen 2400 m auf.
Die Alpenrosengebüsche nehmen steilere Abhänge ein, wo feinere
erdige Bestandtheile von der Oberfläche leicht weggeschwemmt werden,
so dass die Bodenbeschaffenheit nur für tiefwurzelnde Gewächse geeignet
8lO Vierter Abschnitt: Die Höhen.
ist. An weniger geneigten Standorten überwiegt hier schon die Gras-
flur, und dieselbe wird weiter oben, bis zum ewigen Schnee, wo es der
Boden nur gestattet, alleinherrschend. Die klimatischen Bedingungen
sind allerdings für die Grasflur die denkbar günstigsten. Während des
ganzen Sommers fallen täglich leichte Niederschläge, welche die oberste
Bodenschicht benetzend, den seichtwurzelnden Gräsern raschen Ersatz
für den starken Transpirationsverlust während der sonnigen Stunden
bringen. Nur steinige, durchlässige Standorte werden den tiefwurzelnden
Sträuchern und Stauden überlassen. Auch der Winter kommt der
Grasflur, wenn auch nur indirect, zu Gute, da er arm ist an Nieder-
schlägen und viele sonnigen Tage aufweist. Wir wissen aber, dass
klare Winter in Folge ihrer trocknenden Wirkungen baumfeindlich sind.
Dieses ist aber in alpinen Höhen, wo die kräftige Insolation die
Transpiration der Zweige fördert, noch weit mehr der Fall als im Tief-
lande. Häufigkeit der sommerlichen Nieder-
jfc gj* schlage und tieferes Niveau bedingen, dass die
Grasflur in den Schweizer- Alpen meist weniger
xerophiles Gepräge besitzt als in den Hoch-
gebirgen wärmerer Gebirge und eher dem
Wiesentypus als dem Steppentypus anzu-
gliedern ist. Die Vegetationsdecke ist un-
unterbrochen und besitzt nur an trockenen
Stellen harte Gräser mit schmalen, ein-
gerollten Blättern (z. B. Nardus stricta, Festuca
ovina var. alpina) und, in ihrer Gesellschaft,
Fig. 472. Androsace Helvetica. stark behaarte Stauden, wie Leontopodium
Nat. Gr. alpinum, Potentilla nivea, Senecio incanus etc.
Wo das Wasser länger verweilt, ist die Structur
der meisten Gewächse weniger xerophil. Ausgesprochene Trockenschutz-
vorrichtungen zeigen sich auf den von einer dünnen Erdschicht überzogenen
Felsen, oder in Felsrissen, wo das Wasser schneller verdunstet bezw.
herabfliesst. An solchen Stellen zeigen sich viele der bekanntesten und
charakteristischsten Alpenpflanzen, wie Dryas octopetala, Globularia cordi-
folia, die alpinen Crassulaceen (Arten von Sedum, Sempervivum, Rhodiola
rosea), Saxifraga Aizoon, Draba aizoides, Primeln und Androsaceen.
Nur da, aber in grosser Menge, wächst auf dem Simplon der seltene
Senecio uniflorus, während Senecio incanus den benachbarten trockenen
Rasen bewohnt und der Bastard zwischen beiden genau die Mittellagen
einnimmt. Die meisten dieser Pflanzen haben Rosetten- oder Polster-
form. Rings um solche Blöcke dringt das Wasser tief in den Boden
und da wachsen daher mit Vorliebe alpine Sträucher, die sich auf der
Felsoberfläche ausbreiten, wie Juniperus nana, Azalea procumbens,
Arctostaphylos alpina etc.
"%*
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*
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
811
Trümmerfelder nehmen in den hohen Lagen der Alpen, wie auf
allen Hochgebirgen, weite Räume ein, ohne allerdings ähnliche Aus-
dehnung zu erhalten als auf den Wüstengebirgen oder in Neu-Seeland.
Solche „Geröllhalden" sind oft von Zwerggesträuch bewachsen; sind
sie jedoch neuen Ursprungs, so weisen sie eine eigenartige Vegetation
tiefwurzelnder Stauden auf, welche meist auf solche Standorte beschränkt
sind, wie Linaria alpina, Oxyria digyna, Thlaspi rotundifolium etc.
Kalkgerölle trägt eine der grössten Zierden der Alpen, Pavaver alpinum,
neben Viola cenisia etc. Fleischiges, bläulich bereiftes, kahles oder
Fig. 473* Salix reticulata, ein kriechender Strauch der Alpenmatten. Nat. Grösse.
doch nur borstig behaartes Laub ist für solche Geröllpflanzen be-
zeichnend.
Sie alle wurzeln in kaltnassem, von Gletscherwasser berieseltem
Boden. Trotz dem Ueberfluss an Feuchtigkeit ist der Standort physio-
logisch trocken und bedingt die Ausbildung von Schutzmitteln gegen
hohe Transpiration. Aehnliches, aber noch weit mehr fleischiges Laub
hat die charakteristische Uferpflanze der alpinen Gletscherbäche, Saxi-
fraga aizoides. Solche Gewächse erinnern in ihrer Structur sehr an die
Halophyten nasser Standorte; sie stimmen mit ihnen in ihren physio-
logischen Existenzbedingungen allerdings darin überein, dass sie nasse
Standorte bewohnen und doch der Gefahr des Wassermangels aus-
gesetzt sind. Die feuchte Luft, die sie umgiebt, ist der Entstehung
812
Vierter Abschnitt: Die Höhen.
von Haaren und einer dicken Cuticula hinderlich, aber auf diejenige
von Wachs- und Harzüberzügen, als Schutzmittel gegen Transpiration,
ohne Einfluss.
Oberhalb der alpinen Grasflur dehnen
sich, bis zu den Gipfeln, die ewigen Schnee-
felder. Eine obere Grenze, wie wir sie für
den Kilimandscharo kennen lernten, giebt es
für die Phanerogamenflora der Alpen nicht,
indem auch auf den grössten Höhen die Luft
noch nicht trocken und verdünnt genug ist,
um ihr Gedeihen zu verhindern. In den
Spalten von Felsen, die aus Schnee und Eis
hervorragten, habe ich im August am Kalt-
wassergletscher auf dem Simplon , in Menge
und in voller Blüthe Eritrichium nanum, An-
drosace glacialis, Aretia Vitaliana, Anemone
glacialis gefunden. Ch. Martius hat auf dem
3333 m hohen Theodulpass 13 Phanerogamen,
nach Christ jedenfalls nur einen Theil der
Flora darstellend, gesammelt. Lindt traf auf
dem Finsteraarhorn , von 4000 m aufwärts,
Saxifraga bryoides, muscoides, Achillea atrata
an und Calberta auf dem Gipfel des Berges,
bei 4270 m, ein anscheinend einjähriges
Exemplar von Ranunculus glacialis mit zwei
Fig. 474. Primula minima.
Nat. Gr.
etwas verkümmerten Blüthen.
Temperaturverhältnisse des Theodulpass, 3333 m.
1. Mittlere Monatstemperaturen (Celsius).
Dec. I Jan. | Febr. März | April Mai Juni Juli j Aug. Sept. Oct. Nov. • Dec
-9.8 — 10.21 — 10.6 — 12.7 — 7.3 — 6.4 0.0 1.0 I 1.1 I 1.1 I 1.1 j — 5.4—7.6
2. Beobachtungen von Ch. Martins. 1865 — 1866.
St. Theodul (3333 m) 1866— 1865.
1866. Mai
Juni
Tage über o°
Tage über 2°
Nächte über o°
7 Uhr
7
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ii j
2
i
22 1
20
9
)}
r3 1
2
IV. Die Höhenregionen in den temperirten Zonen.
St. Theodul (Fortsetzung).
813
Juli 7 ..
14
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* »»
30
25
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1865. August 7 „
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§ 2. Tabellen. Eine monographische Bearbeitung, wie sie für die
Alpen in Christ's Arbeiten vorliegt, wurde neuerdings von Pax für die
Karpathen gegeben.1) Man hat sich sonst im Allgemeinen begnügt,
die mittleren oberen Grenzen der wichtigsten Formationen und einiger
häufigen oder charakteristischen Pflanzenformen tabellarisch zusammen-
zustellen. Einige dieser Tabellen, die Regionen der wichtigsten nord-
temperirten Gebirge gebend, sind im Folgenden zusammengestellt.
Regionen in der Tatra (Central-Karpathen, n. Wahlenberg).
Montane Region.
Buche bis 3100'
Lärche und Fichte „ 4600'
Arve und Birke „ 4800'
Alpine Religion.
Krummholz (Pinus pumilio) „ 6000'
Alpine Stauden und Zwergsträucher . . . „ 6900'
Regionen in den Pyrenäen (Drude).
Untere und montane Region.
Laubwald herrschend bis 1600 m (1700 m).
Kastanie „ 500 m (800 m).
Eiche (Q. Robur) „ 1600 m.
Buche 650 — 1600 m (1850 m).
Tanne „ 1950 m.
Nadelwald herrschend 1600 — 2200 m (2400 m).
Fichte 1500 — 2400 m.
Knieholz 2200 — 2400 m.
Apine Stauden und Zwergsträucher. . bis 2750 m(Schneelinie).
*) Dieselbe erschien während des Druckes dieses Buches und konnte nicht mehr be-
nutzt werden.
glj. Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Regionen im Kaukasus (Abchasischer Abhang, Radde).
Untere und montane Region . . bis 6600'
Eschen und Ulmenwald.
Buchenwald.
Nadelwald (P. orientalis und Abies Nordmanniana).
Birken.
Alpine Region bis 9100' (Passhöhe).
Regionen am Tian-Schan (Semenow).
Basale und montane Region ... bis 7600'
Wüste „ 40001
Nadelwald (Pinus Schrenkiana) . . . „ 76001
Alpine Region 7600 — 11540
Alpine Sträucher bis 90001
Schneelinie „ 11540
Regionen am Altai (Krassnow).
Basale und montane Region.
Wüste bis 300 m.
Kiefernwald (mit Birken und Espen . „ 800 m.
Lärchenwald (mit Abies excelsa, sibirica)
Pinus Cembra . . . 1360 m (N.-Seite), 1700 m (S.-Seite).
Alpine Region.
Schneegrenze 2100 m (2300 m).
Regionen am Vulkan Ontake (Japan, 350 N. B. Rein).
Basale und montane Region.
Wiesen und Mischwald aus Laub- und Nadel-
hölzern (Kiefern, Tannen, Retinospora, Quercus,
Fagus, Acer etc.) bis 4600'
Nadelwälder (Pinus Tsuga u. bicolor etc.) . „ 5550'
Alpine Region.
Knieholz (Pinus parviflora) und Gesträuch (Birken,
Erlen, Rhododendron etc.) „ 6160'
Zwerggesträucher und Stauden „ 9200' (Gipfel).
In seinem Werke über Japan unterscheidet Rein (die Zahlen gelten wohl
vornehmlich in erster Linie für Mittel- Japan) folgende Vegetationsgürtel:
1. Zone des Kiefernwaldes und des Wachholders bis 400 m. ü. M.
2. Zone der Cryptomerien , Cypressen und Eiben 400 — 1000 m. Das
Gebiet des unteren sommergrünen Waldes mit Kastanien, Laurineen,
Magnoliaceen etc.
3. Zone der Abies firma und des mittleren Laubwaldes 1000 — 1500 na.
Der immergrüne Wald mit Eichen, Buchen, Ahornen etc.
4. Zone der Tannen und Lärchen 1500 — 2000 m. Oberer Laubwald
mit Birken, Erlen etc.
5. Zone des Knieholzes, der Zwergsträucher und der alpinen Kräuter,
oberhalb 2000 m.
Auswahl der Literatur.
815
Darstellungen der Pflanzenformationen auf den nordamerikanischen Hoch-
gebirgen fehlen. Die alpine Region ist, wegen der Höhe der Waldgrenze
in den Rocky-Mountains, meist schwach entwickelt und scheint hauptsächlich
von Felsen und Trümmerfeldern eingenommen zu sein, so dass es zu einer
Ausbildung der alpinen Grasfluren, wenigstens in grösserem Maassstabe nicht
kommt. Die folgenden beiden Tabellen sind Grisebach's „Vegetation der
Erde" entnommen; neuere Angaben sind mir nicht bekannt.
White Mountains (440 N. B„ Guyot).
Basale und montane Region.
Eichen bis 8oo'
Laub- und Coniferenwald . . . . 800 — 1950'
Nadelwald (Pinus alba u. balsamea) 1950 — 4500'
Alpine Region 4500 — 5^5°' (Mt. Washington).
Rocky Mountains: Middle Park (400 N. B.).
Basale und montane Region.
Prärie bis 3700' (6570')
Nadelwald „ nooo'
Alpine Region „13350'.
Für die südliche kalttemperirte Zone besitzen wir einige Angaben DuseVs
über die Vegetation der nur bis etwa 1000 m hohen Gebirge Feuerland's.
Der Buchenwald steigt bis etwa 300 m empor, als Zwergbaum zeigt sich
Fagus antarctica stellenweise bis 400 m, als auf dem Boden kriechender
kleiner Strauch sogar bis 600 m. Welcher Art die Formationen zwischen der
Waldgrenze und der unteren Grenze des ewigen Schnees, bei etwa 700 m
sind, lässt sich aus Dusdn's Darstellung nicht entnehmen. Oberhalb 500 m
soll die Vegetation ausserordentlich arm sein; an der Schneegrenze sind ober-
halb derselben nach Dusdn nur noch einige Polster von Lebermoosen.
Auswahl der Literatur.
A 1 c o c k , A. W. Report on the natural history results of the Pamir boundary
commission. Calcutta, 1898.
Brandis, D. Der Wald des äusseren nordwestlichen Himalaya. Verhandl.
des naturh. Vereins der preuss. Rheinlande u. Westfalens. Bd. XXXXII.
Christ, H. I. Vegetation und Flora der canarischen Inseln. S. A. aus
Engler's Jahrbüchern. Bd. VI. 1885.
— II. Das Pflanzenleben der Schweiz. 1877.
Di eis, L. Vegetations - Biologie von Neu -Seeland. Engler's Jahrbücher.
Bd. XXII. 1896.
Drude, O. Deutschlands Pflanzengeographie. 1896.
Dusdn, P. Ueber die Vegetation der feuerländischen Inselgruppe. Engler's
Botan. Jahrbücher. Bd. 24. 1897.
8l6 Vierter Abschnitt: Die Höhen.
Kurtz, F. Dos viajes botanicos al Rio Salado superior (Cordillera de
Mendoza). Boletin de la Academia nacional de ciencias de Cordoba.
T. XIÜ. 1893.
Lorentz, P. G. Vegetationsverhältnisse der argentinischen Republik. Buenos
Aires 1876.
Martius, Ch. Von Spitzbergen zur Sahara. 2tc Aufl. Jena 1872. Bd. I.
Mayr, Dr. H. I. Die Waldungen von Nordamerika. 1890.
— II. Aus den Waldungen Japan's. München 1891.
Pax, F. Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Karpathen. Theil I.
1898.
Reiche, Karl. Die botanischen Ergebnisse meiner Reise in die Cordilleren
von Nahuelbuta und von Chillan. Engler's Jahrb. Bd. 22. 1895.
Rein, Japan.
Philip pi, F. Visit to the northernmost forest of Chile. Journal of botany.
XXII. 1884.
Sendtner, O. Vegetationsverhältnisse Süd-Bayern's. 1854.
Stebler, F. G. u. Schröter, C. Beiträge zur Kenntniss der Matten und
Weiden der Schweiz. X. Versuch einer Uebersicht über die Wiesen-
typen der Schweiz. Bern 1892.
Thode, Gust Die botanischen Höhenregionen Natal's, Engler's Jahrb.
Bd. 18. Beiblatt 43. 1894.
Trabut, L. Les zones botaniques de l'Algerie. Association francaise pour
Tavancement des sciences. Congres d'Oran 1888.
Willkomm, M. Grundzüge der Pflanzenverbreitung auf der iberischen Halb-
insel. 1896.
Fünfter Abschnitt:
Die Vegetation der Gewässer.
I. Allgemeine Lebensbedingungen der
Wasserpflanzen.
§ I. Halophyten und Nichthalophyten. Salzige, süsse, brackische Gewässer.
— § 2. Gliederung der Wasservegetation. Horizontale Gliederung. Verticale
Gliederung. Lichtregionen. Benthos, Plankton, Hemiplankton. Physik und Chemie des
Substrats. — § 3. Periodische Erscheinungen. — § 4. Specielle Betrach-
tung der Factoren. Salze. Temperatur. Licht.
§ I. Halophyten und Nichthalophyten. Der Einfluss chemischer
Factoren auf die Gliederung der Vegetation, welcher auf dem Festlande
demjenigen klimatischer Factoren untergeordnet ist, kommt für die
Gewässer an erster Stelle in Betracht. Jede Eintheilung der Wasser-
flora beginnt mit der Trennung der salzigen und der nichtsalzigen
oder süssen Gewässer. Allerdings sind beide Hauptgruppen durch
Uebergangsglieder, die brackischen Gewässer, zu welchen Aestuarien
und die meisten Salzseen des Binnenlandes gehören, geschieden. Die
Grenzen sind jedoch durch die brackischen Gewässer wenig vermischt,
da letztere einerseits eine geringe Ausdehnung, andererseits eine spär-
liche Flora besitzen.
Während es kaum einen Landhalophyten geben dürfte, der nicht
ohne oder doch nur mit Spuren von Kochsalz in Cultur gedeihen
könnte, wirkt die Verpflanzung von Salzwasserpflanzen in Süsswasser
oder umgekehrt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle tödtend.
Das Fehlen der Landhalophyten in der nicht halophytischen Landflora
ist nur durch ihre Unfähigkeit, erfolgreich zu kämpfen, das Fehlen
Schimper, Pflanzengtographie. C2
818 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
der Wasserhalophyten im Süsswasser dagegen durch ihre Unfähigkeit
darin zu leben bedingt. Der Unterschied zwischen Halophyten und
Nichthalophyten ist demnach im Wasser weit tiefer als auf dem Fest-
lande in der Organisation begründet.
§ 2. Gliederung der Wasservegetation. Die durch das Wärme-
klima bedingte zonare Gliederung kommt in den Gewässern, in
Folge der gleichmässigeren Temperatur der letzteren, weniger zur
Geltung als auf dem Festlande. Die Regenverhältnisse kommen nur
für die süssen Gewässer einigermaassen in Betracht. Wichtiger sind
für die Meere die kalten und warmen Strömungen, welche die
Flora der Festländer ebenfalls, aber nur indirekt beeinflussen.
Wie auf den Festländern ist auch in den Gewässern eine vertikale
Gliederung erkennbar; den Höhenregionen der ersteren entsprechen
in den letzteren Tiefenregionen. Es handelt sich dabei jedoch
um ganz ungleiche Erscheinungen. Der im Wasser dabei maassgebende
Factor ist das Licht, während der Wärme nur eine geringe oder gar
keine Bedeutung zukommt. Die Tiefenregionen der Gewässer sind
Stufen abnehmender Beleuchtung , Lichtregionen. Es empfiehlt
sich, die maassgebende Bedeutung des Lichtes auch in der Benennung
der Regionen zum Ausdruck zu bringen. Drei Hauptstufen der Hellig-
keit können unterschieden werden: I. Die photische oder helle
Region, in welcher die Lichtintensität für die normale Entwickelung
von Makrophyten genügt. II. Die dysphotische oder dämmerige
Region, in welcher die meisten Makrophyten nur kümmerlich oder gar
nicht mehr gedeihen, während gewisse genügsame assimilirende
Mikrophyten (namentlich Diatomaceen) noch fortkommen. in. Die
aphotische oder dunkele Region, in welcher nur noch nicht-
assimilirende Organismen existiren können. Entsprechend der ungleichen
Trübung der Gewässer durch suspendirte Theilchen liegen die Grenzen
der Regionen in den Einzelfällen sehr ungleich tief.
Es giebt in der Luft keine schwebende Flora, denn die Bacterien
und Sporen des atmosphärischen Staubs sind Erzeugnisse der Land-
flora. In den Gewässern ist hingegen zwischen einer festsitzenden Flora
oder B e n t h o s und einer frei schwebenden, bezw. schwimmenden oder
Plankton zu unterscheiden.
Sowohl Benthos wie Plankton zeigen die Gliederung in Licht-
regionen. Das letztere ist nur oberhalb grosser Tiefen typisch ent-
wickelt. In den Flachwässern der Küsten und in seichten Binnen-
wässern ist es stets mit Formen des Benthos vermischt und zeigt
sich auch in seinen eigentlichen Bestandteilen weniger vom Boden
unabhängig. Die schwebenden und schwimmenden Gewächse der
Flachgewässer sollen daher als Hemiplankton zusammengefasst
werden.
I. Allgemeine Lebensbedingungen der Wasserpflanzen. 819
Plankton und Benthos werden im Meere als pelagisch, in den
Süssgewässern als limnetisch bezeichnet.
Salzgehalt, Wärme und Licht bedingen die grossen Trennungs-
linien der Wasservegetation. Für die Gliederung im kleinen treten
andere Factoren hinzu, unter welchen die Bewegung eine hervor-
ragende Rolle spielt. Der rasche Wechsel der Formationen an den
Meeresküsten ist nicht nur durch Licht und Schatten, sondern auch
durch Ruhe und Bewegung (Brandung, Ebbe und Flut) bedingt. Die
stehenden süssen Gewässer haben eine andere Vegetation als die strömen-
den. Bewegtes Wasser setzt bei den Pflanzen andere mechanische Eigen-
schaften als ruhendes voraus und ist ausserdem luftreicher als das letztere.
Ausserdem kommen bei der horizontalen Gliederung der Regionen
auch die physikalischen Verhältnisse des Substrats in Betracht.
Je nach harter, steiniger, oder weicher, schlammiger oder sandiger
Beschaffenheit desselben zeigt die Vegetation ein anderes Bild. Die
benthonische Vegetation des Meeres besteht ganz vorwiegend aus Litho-
phyten, diejenige der süssen Gewässer mehr aus Schlammbewohnern.
Die chemische Natur des Substrats hat nur für die kleineren
süssen Gewässer Bedeutung, deren Flora je nach Armuth oder Reichthum
an gelöstem kohlensaurem Kalk grosse Unterschiede aufweist. Eigen-
artig ist auch die Flora der Torf graben. Endlich üben auch organische
Verunreinigungen thierischen und pflanzlichen Ursprungs ebenfalls einen
bedeutenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Flora. Alle diese
chemischen Erscheinungen sind auf Lokalitäten geringer Ausdehnung
beschränkt.
§ 3. Periodische Erscheinungen. Die Periodicität der Wasser-
vegetation ist theilweise von anderen Factoren als diejenige der Land-
gewächse beherrscht. Entsprechend ihren geringen Schwankungen ist
die Temperatur weniger wirksam. Die perennirenden Meeresalgen
besitzen keine Winterruhe; meist sind sie im Sommer hauptsächlich
vegetativ, im Winter reproductiv thätig. Schon in warmtemperirten
Meeren, wie dem Mittelmeer, macht sich der Wärmeunterschied nicht
mehr geltend. In den kleinen Gewässern des Binnenlandes kommt
entsprechend den grösseren Wärmeschwankungen und der leichter
eintretenden Eisbildung der Unterschied der Jahreszeiten mehr zur
Geltung, doch auch da weniger als auf dem Festlande. Vielfach be-
dingen die jahreszeitlichen Schwankungen des Lichtes eine deutliche
Periodicität, so namentlich in südlichen Meeren. Endlich kommt auch
den Unterschieden der Bewegung zu verschiedenen Jahreszeiten für
das Benthos der Meere eine nicht unwesentliche Bedeutung zu.
§ 4. Specielle Betrachtung der Factoren. Im Folgenden sollen
die wichtigeren der eben aufgezählten und kurz charakterisirten Factoren,
soweit sie allgemeine Bedeutung haben, etwas genauer dargestellt werden.
52*
820 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
Salzwasser und Süsswasser. Der Salzgehalt des Meerwassers ist
in den Binnenmeeren ein anderer als in den Oceanen und nimmt ganz all-
gemein von der offenen See nach der Küste ab. Am salzreichsten ist in
Folge grosser Verdunstung bei spärlicher Zufuhr von Süsswasser das Rothe
Meer, in dessen Wasser bis 4.3 °/0 Salze gefunden wurden. Sehr salzarm ist
namentlich die Ostsee mit stellenweise weit unter 1 °/0 Salze. Von dem
Salzgehalt der Oceane mögen folgende Analysen eine Vorstellung geben.
Die Wasserprobe I wurde im Hafen von Callao, II im Atlantischen Ocean
unter 41 ° 18' n. Br. und 36 ° 28' w. L. geschöpft
I (Pacifik)
1 n (Atlantik)
Betrag der Salze:
! 328
3-84
Chlornatrium
• i 7 5.8o
| 76.89
Chlormagnesium
8.87
• | 3.68
8.05
Chlorkalium
3-33
Bromnatrium
1.23
1.30
Schwefelsaurer Kalk
4.54
1 494
Schwefelsaure Magnesia
. | 5.88
549
I ' IOO I IOO
Ein Liter Wasser des Genfer Sees enthält nach Forel:
Milligramm
Natrium- und Kaliumchlorid 18
Schwefelsaures Natron 15.0
Schwefelsaures Ammoniak Spuren
Schwefelsaurer Kalk 47.9
Salpetersaurer Kalk 1.0
Kohlensaurer Kalk 73.9
Kieselsäure 3.7
Thonerde und Eisenoxyd 1.9
Organische Materie, Verluste 11.9
174.1.
Temperatur. Schon die Oberflächentemperatur der Gewässer zeigt
viel geringere Schwankungen als die darüber liegende Luft, und der Unter-
schied wird noch weit grösser, wenn die Luft des Binnenlandes zum Vergleich
herangezogen wird, denn die Gewässer üben einen ebnenden Einfluss auf die
Temperaturwärme der benachbarten Theile der Atmosphäre. Die höchste
an der Meeresoberfläche bis jetzt beobachtete Temperatur wurde bei Celebes
mit 31 ° C. festgestellt; die tiefste entspricht dem Gefrierpunkt des Meeres-
wassers — 3.6 ° C.
Die Abnahme der Temperatur mit der Tiefe ist natürlich weniger gross
in den polaren als in den temperirten und tropischen Gewässern. An der
Küste von Grönland wurde im August 1877 an der Oberfläche -f" 30, bei
37 m Tiefe o°, bei 3000 m Tiefe auf dem Boden — 1.5 ° gemessen. Im
äquatorialen Theile des Pacifik fand die Gazelle an der Oberfläche -f- 29°»
in 3000 m Tiefe -j- 1.6 ° C.
I. Allgemeine Lebensbedingungen der Wasserpflanzen. 82 I
Die Tiefenisothermen von je i°C. Unterschied folgen sich von der Ober-
fläche nach unten zunächst sehr rasch, dann allmählich langsamer. So nimmt
die Temperatur im äquatorialen Pacifik in der Tiefe von o bis 200 Faden
um 1 ° pro 1 o Faden ab. Dann werden die Abstände rasch grösser. Die
Isotherme von 30 erstreckt sich von 1000 bis 1400 Faden Tiefe, dann
herrscht bis zum Boden (2400 Faden) eine ziemlich gleichmässige Temperatur
von -j- 20.1) Die zuletzt erwähnten grossen Tiefen haben für das Pflanzen-
leben nur ganz untergeordnete Bedeutung.
Im Mittelmeer hören die täglichen Temperaturschwankungen in 18 m
Tiefe, die jährlichen in 400 m Tiefe auf; in der Chinasee hört die Wirkung
der Jahreszeiten bereits bei 185 m mit einer Temperatur von -|- 15.60 C. auf.
Die jährlichen Schwankungen betragen in der tropischen Zone des Atlantik
2.4 ° C, in der gemässigten Zone 7.2 0.*) Seichte Meeresspiegel und Binnen-
gewässer zeigen grössere Schwankungen als die offene See. Folgende Tabelle
giebt eine Vorstellung von den Temperaturverhältnissen in einem mittel-
europäischen Binnensee:
Temperatur des Plöner- Sees nach Ule 1892 (U.) und Apstein 1893 (A.).
Tag
Monat
II (A.)
19 30
III (A.) IV (A.)
24
V(U.)
4 2
VI(A.) VII (A.)
11
VIII (U.)
0 m . .
4°m . .
o.6°
»•5°
3-5° 8°
2.5« 5«
13-6°
5-3°
13-7° 15°
5-5° 5-6°
16.30
6-3°
In den Thermen erreicht das Wasser in einigen Fällen (Japan, Mexiko,
Süd -Amerika, Atlas) über 90 °, doch kommen dieselben bezw. ihre Ausflüsse
erst unter 60 ° in Betracht. Der sich in constant hoher Temperatur befind-
lichen Flora der Thermen steht die in constant niedriger Temperatur befind-
liche Schnee- und Eisflora gegenüber.
Licht Die Tiefe bis zu welcher das Licht in das Wasser dringt,
ist natürlich von der Klarheit des letzteren abhängig und daher in hohem
Grade von Ort und Zeit beeinflusst. Fol und Sarrasin fanden im Genfer
See, im September, noch bei 170 m eine leichte, bei 120 m aber eine kräf-
tige Schwärzung der photographischen Platte. Im April war sogar bei 250 m
Tiefe das Licht noch nicht ganz erloschen.
Die verschiedenen Strahlen des Spectrums werden in sehr ungleicher
Weise absorbirt, die stärker brechbaren von Grün bis Indigo weniger als die
schwach brechbaren im Roth und Gelb. So lässt, nach Hüffner, eine 1 80 cm
lange Säule reinen Wassers nur etwa 5o°/0 des Roth, aber 9o°/0 des Grün
und 95% des Indigo durch. Diese Ungleichheit, auf welcher die Farbe des
Wassers beruht, scheint ohne Bedeutung für das Pflanzenleben zu sein. Viel-
mehr wirkt, nach Versuchen Oltmann's, die Farbe des Meeres lediglich als
Schattendecke.
1) Alle diese Zahlen nach Walther, Allgem. Meereskunde.
2) Walther, Einleitung.
n. Die Vegetation des Meeres.
Einleitung. Die Familien der Meeresflora. 1. Das Beilthos. § i. Allgemeines.
Lithophyten, Sand- und Schlammpflanzen. Epiphyten. Photische Region: Auftauchender
Gürtel, untergetauchter Gürtel. Horizontale Gliederung. — § 2. Das Benthos der tro-
pischen Meere. Sargassum. Pflanzenarmuth des auftauchenden Gürtels. — § 3. Das
Benthos der warmtemperirten Meere. Gliederung desselben im Golf von Neapel,
nach Berthold. Vorwiegende Bedeutung des Lichtes. Lichtperiodicität und Bewegungs-
periodicität. — § 4. Das Benthos der kalttemperirten Meere. Vorherrschen der
Braunalgen. Auftauchender und untergetauchter Gürtel. Zurücktreten der Lichtwirkungen.
Temperatur und Periodicität. Laubwechsel. Südliche temperirte Meere. — § 5. Das
arktische Benthos. Grosse Ueppigkeit Rolle der Fucaceen und der Laminariaceen.
Standorte. Periodicität. 2. Das pelagisohe Flankton. Systematische Zusammensetzung.
Oekologische Eigenthtimlichkeiten. Lichtregionen. Klimazonen.
Die Flora des Meeres weist nur wenige Phanerogamen auf, die
sogenannten Seegräser, die sämmtlich auf das Benthos beschränkt sind
und zu zwei Familien, den Potamogetonaceen und Hydrocharitaceen
gehören.
Die Potamogetonaceen sind vertreten durch 5 Arten von Zostera, 2 Phyllo-
spadix, 2 Posidonia, 1 Ruppia (mehr brackisch), 7 Cymodocea, 2 Halodule.
Die Hydrocharitaceen des Meeres sind mehrere Halophila, 1 Enhalus, 2 Tha-
lassia (Ascherson).
Die Pteridophyten und Bryophyten fehlen im Meere gänzlich.
Die Hauptmasse der Meeres Vegetation ist von Algen gebildet, die
sich auf die verschiedensten Klassen und Ordnungen vertheilen.
Die stattlicheren, durch ihre Dimensionen und ihre Gliederung den
Gefässpflanzen und Moosen vergleichbaren Algen sind Rhodophyceen,
Phaeophyceen , weniger Chlorophyceen. Sie gehören sämmtlich dem
Benthos an. Die kleinen, mit dem blossen Auge eben noch oder nicht
mehr sichtbaren Algen sind vorwiegend Cyanophyceen (Oscillarieen),
Diatomaceen und Peridineen, weniger Grünalgen (Protococcaceen etc.).
Solche mikrophytische Algen bilden die Hauptmasse des pflanzlichen
Plankton, sie sind aber auch im Benthos reichlich vorhanden. Die Pilze
II. Die Vegetation des Meeres. 823
sind im Meere nur durch wenige mikroskopische Formen vertreten.
Die Bacterien treten im Flachwasser der Küsten massenhaft, in der
Hochsee nur wenig auf; sie bedingen theilweise die Erscheinung des
diffusen Meeresleuchtens.
1. Das Benthos.
§ I. Allgemeines. Die Benthospflanzen der Meere sind ganz vor-
wiegend Lithophyten. Ihre massiven Formen sind durch starke Haft-
scheiben mit der Unterlage verbunden (Fig. 4760), während bei kleinen
Formen entsprechend einfachere Vorrichtungen, bei den Diatomaceen
Gallertstiele (Fig. 477) zur Verwendung kommen. Die Zahl der auf schlam-
migem oder sandigem Boden gedeihenden Arten ist eine geringe. Solche
Standorte stellen in grösseren Tiefen oder in bewegtem Wasser Wüsten
dar, auf welchen nur Steine, Muscheln und Korallen einige Vegetation
zeigen, während sie allerdings in sehr ruhigen und seichten Buchten von
den fluthenden Wiesen der Seegräser überzogen zu sein pflegen. Nur
wenige Algen gedeihen auf Sand oder Schlamm, so z. B. die Arten
von Caulerpa und einige andere Siphoneen, welche dementsprechend
mit wurzelähnlichen, in den Boden dringenden Befestigungsorganen ver-
sehen sind (Fig. 480).
Die Zahl der epiphytisch lebenden Algen ist eine grosse. Die-
selben sind vielfach mit den Lithophyten identisch und weisen keine
besonderen Anpassungen auf (Fig. 476 d). Auch hemiparasitiche Formen
sind namentlich unter den Florideen häufig (Fig. 476^).
Die makrophytischen Algen sind beinahe ausschliess-
lich, die Phanerogamen ausnahmslos Bewohner der pho-
tischen Region. Diese Region kann wiederum in zwei
Gürtel zergliedert werden, den auftauchenden und den
untergetauchten.
Der auftauchende Gürtel erstreckt sich von der Ebbegrenze
bis um so höher über die Fluthgrenze, als die Brandung stärker ist.
Seine Flora ist eine charakteristische und an die dort gegebenen Be-
dingungen: Intensives Licht, starke Bewegung, Wechsel von Wasser
und Luft gebunden. Er zeigt sich meistens wiederum in Stufen un-
gleicherEmersionsdauer eingetheilt. Die Gewächse der untersten
Stufe sind dicht oberhalb der Ebbegrenze befestigt, so dass sie stets
mit dem grössten Theile ihrer Glieder submers bleiben; hier sind die
günstigsten Bedingungen und daher die stattlichsten Pflanzen vorhanden.
Die oberste Stufe hingegen bietet die Gefahr der Austrocknung und
ist dementsprechend kümmerlich bewachsen. Dichter, niederer Wuchs,
starke Verdickung der Membranen, sparrige straffe Verzweigung sind,
Fig- 475- Seegräser. / Zostera marina L. , Nordsee. */« nat Gr. 2 Inflorescenz ders.
nat Gr. 3 Posidonia oceanica Dec, Mittelmeer. 1/i nat. Gr.
II. Die Vegetation des Meeres.
825
für die meisten auftauchenden Gewächse — es sind ausschliesslich
Algen — charakteristisch.
Dem untergetauchten Gürtel gehören sämmtliche Phane-
rogamen und die grosse Masse der Algenvegetation an. Auch hier
F>g- 476. Cladophora pygmaea Rice, Basis mit Haftscheibe. Vergr. 600. b Ralfsia verrucosa
Aresch. sp. 1/9 nat. Gr. c Chorda filum. Basalstück l/r d Desmotrichum balticum
Kütz. auf Zostera l\v e Microspongium gelatinosum Rke epiphyt. auf Fucus serratus.
lassen sich Tiefenstufen unterscheiden; welche jedoch auf der Abnahme
der Beleuchtung bei zunehmender Tiefe, also auf einem anderen Factor
beruhen, als im auftauchenden Gürtel.
Vielfach zeigen sich die Grünalgen hauptsächlich im oberen, die
Braunalgen im mittleren, die Rothalgen im untersten Theile des Gürtels
826
Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
vorherrschend; doch ist solcher Zusammenhang zwischen der Farbe
der Algen und der Tiefe des Standortes keineswegs so allgemein und
so ausgeprägt, als es ältere Autoren, namentlich Oersted, annahmen,
die auf demselben sogar eine Gliederung in Regionen gründeten.
Namentlich zeigen sich die Phaeophyceen im oberen, die Chlorophyceen
im mittleren Theile des Gürtels manchmal vorherrschend, während die
Rhodophyceen allerdings die untersten Lichtstufen zu beherrschen
pflegen. Die Rothalgen kommen übrigens auch deswegen mit zu-
nehmender Tiefe mehr zur Geltung, weil sie überaus lichtempfindlich
sind und in der stärkeren Beleuchtung der Oberfläche einer Verfärbung
unterliegen, die nicht nothwendig eine Beeinträchtigung ihrer Lebens-
thätigkeit bedingt.
Für die horizontale topographische Gliederung kommt wiederum
das Licht in erster Linie in Betracht; manche Arten der Tiefe, z. B.
Florideen kommen an schattigen Stellen
auch in der Nähe der Oberfläche vor. Ferner
ist die Stärke der Bewegung von Bedeutung.
So wachsen viele Corallineen in sehr be-
wegtem Wasser, während die Cystoseiren
und Padina Pavonia auf ruhigere Standorte
beschränkt, die Arten des Sandes und
Schlammes nur in ganz stillem Wasser ver-
treten sind. Wechsel im Salzgehalt des
Wassers, z. B. in der Nähe der Flussmün-
dungen, bedingt wichtige Unterschiede. Neue
Formen treten zum Vorschein, andere, weit
zahlreichere verschwinden. Aehnliches gilt
von der organischen Verunreinigung des
Wassers an Cloaken und Canalmündungen.
§ 2. Das Benthos der tropischen Meere. Im Gegensatz zu der
Landvegetation ist die tropische Meeresvegetation weniger üppig und
anscheinend weniger formenreich als diejenige der temperirten und
polaren Zonen. Nur wenige, meist kleine Formenkreise sind aus-
schliesslich oder ganz vorwiegend tropisch, wie die marinen Hydro-
charitaceen (Halophila, Enhalus, Thalassia), die Arten von Halodule und
die meisten von Cymodocea unter den Potamogetonaceen , die Valo-
niaceen, Dasycladaceen , Caulerpaceen , Codiaceen unter den Chloro-
phyceen. Rhodophyceen sind reich, Phaeophyceen schwach vertreten.
Doch gehört zu der letztgenannten Klasse eine Gattung besonders statt-
licher, reichgegliederter, formenreicher und häufiger Formen der tro-
pischen Meere, Sargassum, allen Seefahrern bekannt durch das Vor-
kommen abgerissener, an der Meeresoberfläche, oft weit von den Küsten
schwimmender Aeste von gelblicher Farbe. Die Erscheinung ist be-
Fig. 477. Cymbella cistula Hemp.
(Diatomaceae). Langgestielte Co-
lonie. Verg. Nach W. Smith.
II. Die Vegetation des Meeres.
827
sonders auffallend im tropischen Atlantik, und hat dort zur Fabel eines
„Sargassomeers" geführt, wo die Alge, wohl stets Sargassum bacciferum,
schwimmende Wiesen bilden sollte (Fig. 479). Nur wenige Algenarten,
wenigstens unter denjenigen grösserer Verbreitung, sind auf die von
den Wendekreisen begrenzte Zone eingeschränkt; die meisten werden
auch ausserhalb derselben in den wärmeren Theilen der Oceane an-
getroffen. Es wird daher nöthig sein, die tropische Zone der Meeres-
vegetation nach Norden und Süden über die Wendekreise hinaus-
zudehnen. Doch zeigen sich schon im Mittelmeer Erscheinungen des
Pflanzenlebens, welche mit dem Wechsel der Jahreszeiten im temperirten
Klima zusammenhängen und in den Tropen undenkbar sind.
Fig. 478. Navicula Grevillii. Ag. (Diatom.). Baumartige Colonie. A Verzweigtes Bäumchen.
B Einige Schlauchenden mit Zellen. C Einzelzelle. Nach Schutt in : Nat. Pflanzenfamilien.
Die Benthosvegetation der tropischen Meere ist zur Zeit noch sehr
ungenau bekannt. Kein wissenschaftlicher Reisender scheint ihr bis
jetzt eine genauere Untersuchung gewidmet zu haben. Auch ich habe
derselben auf meinen tropischen Reisen besondere Aufmerksamkeit
nicht geschenkt. Im Vergleich zu den Küsten nördlicherer Meere,
z. B. denjenigen der Riviera, ist mir der auftauchende Gürtel ausser-
ordentlich arm an Algen erschienen, so auf den kleinen Antillen, an
den felsigen Küsten bei Singapore und an der Küste Java's. Eine
Ausnahme machen jedoch in der neuen wie in der alten Welt die
Mangroven, deren im Bereich der Gezeiten befindliche Wurzeln und
Stammbasen einen dichten Ueberzug schmutzig violetter Florideen (in
828
Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
Süd-Brasilien: Catenella impudica Kutz. und Bostrychia radicans Mont.
f. brasiliana) *) aufwiesen.
Die allerdings sehr flüchtige Betrachtung des untergetauchten Gürtels
an Korallenbänken des Javameeres ergab auch dort nur geringe Er-
gebnisse. Eine Ausnahme machte bloss
eine Halimeda, wahrscheinlich H. Opun-
tia, welche überall, häufig auch am
Ufer angeschwemmt, auftrat.
Dass eine Zunahme der Vege-
tation in der Tiefe stattfindet, erscheint
bei der Lichtempfindlichkeit der mei-
sten Algen und den Verhältnissen im
Mittelmeer wahrscheinlich. Auch die
Ueppigkeit des Algenwachsthums im
Schatten der Mangrove spricht dafür.
§ 3. Das Benthos der warm-
temperirten Meere. Die warmtempe-
rirten Meere sind in Bezug auf geo-
graphische Verbreitung der Algen
genauer erforscht worden als die tro-
pischen und haben das Vorhandensein
mehrerer mehr oder weniger scharf
begrenzter Bezirke ergeben. So ist die
Algenflora des Rothen Meeres sehr
verschieden von derjenigen des Mittel-
meeres und das australische Meer ist
floristisch ebenso eigenartig wie das
australische Festland. Die Unterschiede
dürften in der Mehrzahl der Fälle
mehr auf historischen, ent wickelungs-
geschichtlichen, als auf gegenwärtigen,
physiologischen Ursachen beruhen. So
ist z. B. nicht zu ersehen, welche
physiologisch wirkenden Factoren die
grossen Unterschiede der Meeresflora
auf beiden Seiten des Suez -Isthmus
bedingen sollen. Dass in anderen
Fällen gegenwärtige Ursachen, wie Salz-
gehalt, Beeinflussung der Temperatur
Fig. 479. Sargassum baccifemm. durch Strömungen etc. , mehr oder
Nat. Gr. Nach Kützing. weniger an den Unterschieden be-
') Nach Bestimmung von Prof. M. Möbius, mitgetheilt von Prof. H. Schenck.
II. Die Vegetation des Meeres.
829
theiligt sein können, erscheint allerdings nicht ausgeschlossen. Doch
liegen zur Zeit darüber keine Untersuchungen vor.
Berthold hat von der Algenvegetation des Golfes von Neapel eine
ökologisch pflanzengeographische Charakteristik gegeben, die in jeder
Hinsicht befriedigend erscheint und für die anderen warmtemperirten
Meere weitgehende Gültigkeit haben dürfte.
Die Küste des Golfes von Neapel ist vornehmlich felsig; sie weist
aber auch schlammige und sandige Standorte auf. Der auftauchende Gürtel
ist, wie überall, nur $uf steiniger Unterlage bewachsen. Manche Arten
kommen da in üppiger Entwickelung vor, welche im untergetauchten
Fig. 480. Caulerpa prolifera. a Wachsende Spitze. Fig. 48 1 . Acetabularia mediterranen.
b Junge Thalluslappen. rRhizoide. */e nat. Gr. L. d. B. Nat. Gr. L. d. B.
Gürtel fehlen oder spärlich sind, z. B. Rhodophycecn aus den Gattungen
Porphyra, Ceramium, Callithamnion , Bangia und verschiedene Chloro-
phyceen, namentlich Ulva-Arten.
Der untergetauchte Gürtel besitzt eine viel grössere Breite und
eine viel reichere Flora als der übertauchende ; er ist in der Nähe von
Capri noch bei 120 — 130 m Tiefe üppig bewachsen. Der Sandboden ist
von Wiesen der Posidonia oceanica überzogen, die bei 60 m Tiefe noch
zusammenhängend sind, bei 80 — 100 m aber nur noch vereinzelte Pflanzen
aufweisen. Bis zur Tiefe von 15 m tritt Caulerpa prolifera (Fig. 480)
mit Posidonia auf. Doch wächst dieselbe vornehmlich auf schlammigem
Boden, wo Zostera marina und minor stellenweise dichte Bestände
bilden. Andere Algen dieser Formationen sind Epiphyten der Seegräser
8jO Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
oder Lithophyten, die an einzelnen Steinen oder Muscheln befestigt
sind. Eine schon massige Bewegung des Wassers durchwühlt den
lockeren Boden und schliesst jede Vegetation auf demselben aus.
Die formenreiche Lithophytenvegetation des untergetauchten Gürtels
ist in mannigfache Formationen gegliedert, deren Unterschiede namentlich
durch solche der Beleuchtung bedingt sind. Die Veränderung der
Flora entsprechend der Lichtabnahme in der Tiefe ist hier sehr aus-
geprägt Sie wiederholt sich bis zu einem gewissen Grade in hori-
zontaler Richtung, entsprechend den durch die Unregelmässigkeit der
Küste bedingten mannigfachen Abstufungen von Licht und Schatten.
Doch zeigen sich nicht alle Formen der Tiefe an den gleichbeleuchteten
Standorten der Oberfläche. Die schattenliebenden Arten sind, wie
überall, vornehmlich Rothalgen, wie Lithophyllum - , Lithothamnium-
Arten etc. Dagegen suchen die Braunalgen vornehmlich helle Stellen
auf. Die schirmförmige grüne Acetabularia mediterranea (Fig. 481), die
scheibenförmige braune Padina pavonia gehören zu den ausgesprochenen
Sonnenalgen. Auch einige Florideen sind ausgesprochen lichthold,
z. B. Arten von Laurencia, Ceramium; sie besitzen in solchen Fällen
düstere Farben und nehmen nur, wenn sie zufällig im Schatten wachsen,
das leuchtende Roth an, das ihre lichtscheuen Verwandten auszeichnet.
Die Lichtempfindlichkeit hat bei den Algen des Mittelmeeres —
und wahrscheinlich aller Meere niederer Breiten — Anpassungen hervor-
gerufen, welche in kälteren Meeren zwar nicht fehlen, aber der geringeren
Lichtintentisität halber weniger stark zur Entwickelung kamen. Die in
einem früheren Abschnitte dieses Buches (S. 66) geschilderten Schutz-
vorrichtungen von Algen gegen zu starkes Licht sind sämmtlich von
Berthold bei Neapel entdeckt worden und treten auch z. B. an der Riviera
auf. Die Arten, welchen in hohem Grade die Fähigkeit zukommt, sich
der jeweiligen Lichtintensität anzupassen, vermögen ungleiche Grade der
Helligkeit unbeschädigt zu ertragen, während gewisse Florideen, in Folge
mangelnder Plasticität, so lichtscheu sind, dass sie sich noch bei 60 m
Tiefe in den Schatten verkriechen (Palmophyllum, Cruoriopsis etc.).
Die im Mittelmeer und wohl noch in anderen warmtemperirten
Meeren sehr ausgeprägte Periodicität der Meeresvegetation steht eben-
falls wesentlich mit dem Lichte im Zusammenhang.
Ganz allgemein entspricht im Mittelmeer die Vege-
tationszeit in der Nähe der Oberfläche hauptsächlich
den Winter- und Frühjahrsmonaten, in der Tiefe den
Herbst- und Sommermonaten, entsprechend den Be-
dingungen der Beleuchtung.
Namentlich scharf zeigt sich der Wechsel für die Phaeophyceen,
welche im Hochsommer in der Tiefe die Florideen überwiegen, während
II. Die Vegetation des Meeres. 83 I
letztere in anderen Jahreszeiten die Herrschaft in allen lichtschwachen
Standorten besitzen.
Offene Standorte, die während des Winters in üppiger Vegetation
prangen, sind zur Sommerszeit verödet. Manche Algenformen der
oberen Gürtel sind im Winter Sonnenpflanzen (z. B. Arten von Ploca-
mium, Caltithamnion , Phyllophora nervosa, Ph. Heredia, Cutleria etc.).
Viele Arten zeigen sich im Winter in der Höhe, im Sommer in der
Tiefe (z. B. Stilophoren, Nereia filiformis etc.). Ganz besonders merk-
würdig aber sind Arten mit ungleichen, der jeweiligen Beleuchtung
entsprechenden Winterform und Sommerform mit Unterschieden in der
Behaarung und Verzweigung (z. B. Stypocaulon scoparium , Halopteris
filicina etc.).
Andere Factoren als das Licht nehmen an den periodischen Er-
scheinungen nur untergeordneten oder keinen Antheil. Namentlich
gilt dies von der Wärme, welche ohne sichtbare Wirkungen bleibt,
während dem Wechsel der Bewegung mit der Jahreszeit an einzelnen
Standorten in der Höhe der Oberfläche grössere Bedeutung zukommt.
So ist der Wellenschlag an frei exponirten Felsen des Aussengolfs von
Neapel während des Sommers schwächer als während des Winters
und Frühjahrs. Die starker Brandung ausgesetzten Felsen sind in Folge
dessen, trotz stärkerer Lichtintensität, im Spätfrühjahr und Frühherbst,
stellenweise sogar im Sommer, stärker bewachsen als im Winter.
Das im Vorhergehenden, wesentlich nach Berthold Mitgetheilte
bezieht sich nur auf die photische Region. Ueber die dysphotische
Region des Golfs von Neapel sind wir schon deswegen wenig unter-
richtet, weil Berthold die in derselben hauptsächlich vertretenen Dia-
tomaceen und anderen Mikrophyten nicht berücksichtigt hat. Er sagt
daher nur, dass von einer gewissen, je nach Durchleuchtung des Wassers,
Exposition, Bewegung etc. schwankenden Tiefe an das Leben der Algen
kümmerlich wird. Ueber die aphotische Region ist überhaupt nichts
bekannt. Nach den später zu erwähnenden Befunden im aphotischen
Plankton ist anzunehmen, dass das aphotische Benthos wenigstens
Bacterien besitzt.
§ 4. Das Benthos der kalttemperirten Meere. Es ist der Algen-
floristik bereits gelungen, die kalttemperirten Meere in eine Anzahl
wohl begrenzter Bezirke einzutheilen , von welchen jedoch nur zwei,
die Nordsee und die Ostsee, bis jetzt in Bezug auf den Charakter ihrer
Formationen und dessen Abhängigkeit von äusseren Factoren näher
untersucht worden sind. Unsere beiden deutschen Meere bieten übrigens
grosse Unterschiede und die für ihr Benthos gewonnenen Gesichts-
punkte dürften daher weitgehende Gültigkeit besitzen. Die Nordsee
schliesst sich in Bezug auf Salzgehalt und Gezeiten dem Atlantik
an, während die Ostsee, ein echtes Binnenmeer, nur schwache Gezeiten
832
Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
besitzt und in östlicher Richtung eine steigende Versüssung erfahrt.
Diesen wesentlichen Unterschieden entsprechen solche der Vegetation.
Wie überhaupt in den kalttemperirten Meeren, kommt auch in
der Nord- und Ostsee, in Bezug auf Grösse und massenhaftes Auftreten
der Individuen, den Braunalgen die erste Stelle zu. Fucus vesiculosus
bedingt den Vegetationscharakter unserer felsigen Küsten in den
obersten Gürteln, Fucus serratus und Laminaria-Arten sind in grösserer
Tiefe nicht weniger gemein. Noch andere Phacophycecnfamilien sind
durch häufige Arten vertreten, namentlich die Ectocarpaceen, kleine,
fadenförmige Algen, die sich überall in grossem Formenrcichthum zeigen.
Die Rhodophyceen kommen wohl seltener durch so massenhaftes Auf-
treten zur Geltung, wie es an manchen Punkten der Mittel meerküstc
geschieht. Sie sind nichts destoweniger
durch zahlreiche, häufige Arten von
theilweise ziemlich beträchtlichen Di-
mensionen vertreten, so namentlich
durch solche von Porphyra, Chondms,
Gigartina , Ph yllophora , Plocamiunu
Delesseria, Polysiphonia, CallithatnnionT
Ceramium, Corallina etc. Die Grün-
algen bieten weniger Abwechselung;
es sind Arten von Ulva, En teroinorpha,
Cladophora etc. Die Phanerogamen
sind durch eine einzige, allerdings häu-
fige und gesellige Art vertreten , die
Potamogetonacee Zostera marina.
Die Anordnung der Arten in hori-
zontaler und vertikaler Richtung ist
von ähnlichen Factoren wie im Mittel-
meer abhängig, die letztere jedoch
weniger ausgeprägt.
Der auftauchende Gürtel ist viel breiter in der Nordsee mit
ihren starken Gezeiten, als in der Ostsee. Er ist ausserdem in ersterer
stets eisfrei, in letzterer stellenweise während des Winters vereist
Diese Unterschiede bedingen solche der Vegetation. So ist an der
eisfreien, starkem Wechsel von Ebbe und Flut ausgesetzten Küste Süd-
Norwegens der auftauchende Gürtel reicher bewachsen, als der unter-
getauchte, während an der Küste des Kattegat mit fehlenden Gezeiten
und häufiger Vereisung das Verhältniss sich umkehrt (Kjellman).
Wie im Mittelmeer, sind nur die felsigen Partieen des auftauchenden
Gürtels bewachsen, während Geröll-, Sand- und Schlammboden in Folge
der Brandung pflanzenleer bleiben. Auch hier sind für die abwechselnd
in Luft und Wasser befindlichen Standorte manche Arten charakteristisch.
Fig. 483. Fucus vesiculosus. Zweig-
stück, b Blasen, f Conceptakelstände
V, nat. Gr. L. d. B.
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II. Die Vegetation des Meeres.. 833
So zeigt sich Fucus vesiculosus vornehmlich im auftauchenden Gürtel
und bedeckt für sich allein weite Strecken. Auch an Ulva -Arten fehlt
es nicht. An ähnliche Bedingungen gebunden sind Kjellman's Nemalium-
formation, die am Kattegat vornehmlich von Nemalium multifidum ge-
bildet ist, und dessen Porphyraformation (Porphyra vulgaris), die etwas
oberhalb der Nemaliumformation glatte Felsenflächen einnimmt.
Der untergetauchte Gürtel der photischen Region zeigt im All-
gemeinen eine viel formenreichere und üppigere Vegetation als der
auftauchende. Hier bedecken Wiesen der Zostera marina den sandigen
oder schlammigen Boden seichter, stiller Buchten; sie dehnen sich,
nach Reinke, in der Ostsee bis 10 m Tiefe aus. In lockerem Boden
wurzelnde Algen, wie die Caulerpen und manche andere Siphoneen
der warmen Meere fehlen hier gänzlich. Sämmtliche Algen sind Litho-
phyten, Epiphyten oder Parasiten. Die Anordnung der Arten in verti-
kaler und horizontaler Richtung wird, entsprechend der weniger inten-
siven Beleuchtung auch weniger von derselben regulirt, als im Mittel-
meer. Eine so deutliche Gliederung der photischen Region in Licht-
stufen, wie sie dort durch Berthold nachgewiesen wurde, scheint in der
Nord- und Ostsee zu fehlen ; auch der Unterschied schattiger und son-
niger Standorte gleicher Tiefen kommt in der Vegetation nur wenig
zum Ausdruck. Die horizontale Gliederung wird in höherem Grade
durch die Stärke der Bewegung, namentlich aber durch den Salzgehalt
bedingt. Die Armuth der Algenflora der Ostsee im Vergleich zur Nord-
see ist durch ihren geringen Salzgehalt bedingt und nimmt, entsprechend
der Abnahme des letzteren, von Westen nach Osten zu.
Die periodischen Erscheinungen sind in den kalttempe-
rirten Meeren viel weniger von den Unterschieden des Lichts als den-
jenigen der Temperatur in den verschiedenen Jahreszeiten abhängig.
Während in Meeren mit mildem, massig hellem Winter und sehr hellem
Sommer die Algenvegetation im Winter üppiger ist als im Sommer, ist
in kalttemperirten Meeren die winterliche Algenvege-
tation viel schwächer als die sommerliche.
Kuckuck entwickelt folgendes Bild der Algenvegetation an der Küste
Helgoland's in den verschiedenen Jahreszeiten: „Der Winter ist ärmer an
Arten als der Sommer. Kommt dann der Frühling heran, so erscheinen nach
und nach die Repräsentanten der einzelnen Perioden. So bedeckt sich die
sogenannte Wittkliff, ein aus Muschelkalk bestehendes Riff an der Nordspitze
der Düne, im März und April mit den frischgrünen Büscheln und Rasen
verschiedener Cladophoren, sowie mit den gelbbraunen, später wieder der
Brandung weichenden Blättern von Laminaria saccharina. Mit dem vor-
schreitenden Frühling wird diese Vegetation verdrängt durch die immer
kräftiger heranwachsende Polysiphonia urceolata, die schliesslich im Mai mit
ihren dunkelrothen, bis 0.3 m langen Exemplaren die ganzen Felsen überzieht.
Schimper, Pflanzengeographie. 53
834
Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
Im Juni fängt sie an zurückzugehen und im Juli ist sie verschwunden, um
für kurze Zeit einigen rasch vergänglichen Enteromorpha-Arten Platz zu machen.
Im August und September dominirt Cladostephus spongiosus und färbt die
Klippe braun, bis auch diese kahl und unscheinbar wird. Während der
kälteren Wintermonate, wo die emergirende Klippe sich oft mit einer Eis-
kruste überzieht, rinden sich dann nur die krtippelhaften Stümpfe verschiedener
Algen, und allein knotenförmige Algen, wie Ralfsia, oder rasenfbrmige , wie
die Klippenform von Corallina officinalis, scheinen jetzt gut zu gedeihen, bis
dann Licht und Wärme den Jahrescyclus von Neuem beginnen lassen."1)
Fig. 485. Desmarestia aculeata (L.) Lamx. Nat. Gr.
Nach Kjellman in Natürl. Pflanzenfamilien.
Fig. 486. Laminaria digitata f.
Cloustoni Oben das alte, unten
das neue Thallusblatt 1/s nat Gr.
L. d. B.
Während im Mittelmeer die ungleichen Winter- und Sommerformen
mancher Algen Anpassungen an die ungleiche Beleuchtung darstellen,
sind die noch viel mehr ausgeprägten Unterschiede der Sommer- und
Wintervegetation kälterer Meere durch die ungleiche Temperatur be-
dingt. Die Existenz zahlreicher kurzlebiger Algenarten der Nord- und
Ostsee spielt sich innerhalb der Sommermonate ab (z. B. Chorda filum),
während nur wenige reine Winterformen sind. Die meisten pe-
rennirenden Arten sind in den warmen Monaten vegetativ,
l) 1. c. S. 446.
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II. Die Vegetation des Meeres.
835
in den kalten reproductiv thätig. l) Nur wenige, wie die
Fucus-Arten, sind hierin von der Jahreszeit unabhängig und diejenigen,
welche nur im Sommer reproductiv thätig sind, treten ebenfalls sehr
zurück (Polysiphonia elongata und nigrescens, nach Kjellman).
Die auffallendsten Unterschiede zwischen dem sommerlichen und
winterlichen Zustande zeigen sich bei den Arten mit Laubwechsel,
namentlich denjenigen, die während des Winters kahl sind. So werfen,
nach Kuckuck, unter den Braunalgen Desmarestia aculeata, Cladostephus
spongiosus und Cl. verticillatus im Anfang der kalten Jahreszeit ihre
assimilirenden Aeste , wodurch die erstgenannte auf ein stachliges Ge-
rippe reducirt wird (Fig. 485). Die entlaubten Pflanzen bedecken sich
mit Reproductionsorganen. Ver-
schiedene Rhodophyceen zeigen ähn-
liches Verhalten. So besitzt Deles-
seria sanguinea nur im Frühsommer
ihre grossen blattförmigen Glieder
im intacten Zustande (Fig. 488).
Dieselben werden später zerfetzt, so
dass die Pflanze im Winter aus den
nackten Mittelrippen besteht, welche
aber erst dann Antheridien, Cysto-
carpien und Tetrasporangien er-
zeugen. Die neue Periode der
vegetativen Entwickelung beginnt
hier nach der Entleerung der Karpo-
sporen im Januar und Februar und
wird durch den Umstand, dass die
Wintertemperatur bei Helgoland dann
am tiefsten sinkt, nicht gehemmt.
Der Laubwechsel ist bei den La-
minarien ebenfalls mit der Jahreszeit im
Zusammenhang; doch sind die Pflanzen
hier zu keiner Zeit entlaubt (Fig. 486).
,.Ende October beginnt bei einzelnen Laminarien die Sorusbildung und Ende
December, wenn dieselbe bereits allgemein geworden ist, macht sich der erste
Ansatz zum Laubwechsel bemerkbar. Zwischen Stiel und Basis schiebt sich
als kleine rundliche Ausbreitung der neue Thallus ein, um nach und nach
zugleich unter Verlängerung des Stieles heranzuwachsen, bis er schliesslich im
März und April eine beträchtliche Grösse (bis 4 m bei L. saccharina) erreicht
hat. Während dieses Processes ist die Ausbildung der Sporangien beendet
worden und hat ihre Entleerung begonnen, die bis in das Frühjahr hinein
Fig. 488.
Delesseria sanguinea. 1/9 nat. Gr.
L. d. B.
*) Vgl. über den günstigen Einfluss niederer Temperaturen auf die reproductiven
Functionen bei Landpflanzen S. 54.
53*
836
Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
währt. Das alte Laub, grösstentheils von dem breiten, bandförmigen, nach
der Entleerung in Folge des durchscheinenden Markgewebes weissen Sorus
eingenommen, ist nun morsch geworden und ein massiger Aequinoctialsturm
genügt, um den jungen Nachwuchs von seinem Ballast zu befreien." ')
Die photische Region erstreckt sich bis ca. 40 m Tiefe. Die dys-
photische Region besitzt nur spärliche und kümmerliche makrophytische
Algen, dagegen viele Diatomeen. Wo diese aufhören und die aphotische
Region beginnt, ist zur Zeit noch unbekannt.
Die kalttemperirten Meere der südlichen Erdhälfte besitzen eine von
den nördlichen Meeren sehr abweichende Flora. Die Seegräser (Zostera
Mülleri Irm. , Z. Capricorni Aschr. , Z. tasmanica Mart, Posidonia australis
J. D. Hook) sind zwar an den Küsten des südlichen Australiens, Tasmaniens
und Neu-Seelands häufig; sie kommen aber südlicher nicht vor. Die Fu-
caceen, welche ihre grösste Formenentwickelung in den australischen Meeren
Fig. 489. Macrocystis pyrifera (Turn.) Ag. Sehr stark verkleinert. Nach Hooker u. Harvey.
erfahren, dehnen sich in einer geringen Anzahl Arten noch weiter nach Süden
(Auckland, Chatham-Inseln etc.) aus; die Gattung Fucus scheint zu fehlen.
Die auffallendste Algenart der südlichen temperirten Meere ist die alle
anderen Gewächse an Grösse übertreffende, bis 300 m Länge erreichende
Macrocystis pyrifera (Turn.) Ag., die allerdings im nördlichen Pacific, an der
amerikanischen Küste wiederkehrt (Fig. 489). Eine zweite Art, M. angustifolia
(Bory), ist auf die temperirte Westküste Südamerika^ beschränkt.
§ 5. Das arktische Benthos.2) Die Algenflora des Arktik ist zwar
artenarm und bedeckt weniger grosse Areale als in südlicheren Meeren;
dagegen übertrifft sie diejenige aller anderen Meere, mit Ausnahme der
antarktischen, durch die stattliche Entwickelung eines grossen Theiles
*) Kuckuck 1. c. S. 443 — 444.
2) Kjellman 1. c.
II. Die Vegetation des Meeres. 837
ihrer Arten, gerade derjenigen, die gesellig auftreten und die Haupt-
masse der Vegetation in allen Jahreszeiten bilden. „Man steht," sagt
Kjellman, dem wir die Kenntniss der arktischen Algenvegetation in
Fig. 490. Alaria dolichorhachis, jung. 8/ft nat. Gr. Nach Kjellman.
erster Linie verdanken, „wie vor einem unlöslichen Räthsel, wenn mit
dem Schleppnetze aus der Tiefe des Meeres diese von ungebeugter
und üppiger Lebenskraft zeugenden kräftigen Pflanzenformen herauf-
geholt werden, während eine mächtige Eisdecke sich über das Meer
838 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
ausbreitet, die Temperatur der Luft äusserst niedrig ist und nächtliche
Finsterniss auch zur Mittagszeit herrscht." Diese Flora wird vornehm-
lich von Phaeophyceen (Laminariaceen , Fucaceen) und Florideen (na-
mentlich Corallinaceen) gebildet, während Grünalgen zurücktreten und
im Vergleich zu südlicheren Meeren eine krüppelhafte Entwickelung
zeigen.
Die topographische Vertheilung zeigt sich auf weniger verschiedene
Standorte eingeschränkt, als in den temperirten Küsten. Sand- und
Schlammboden sind — abgesehen von zerstreuten Steinen — un-
bewachsen; die Seegräser fehlen. Der auftauchende Gürtel ist nur in
subarktischen Meeren, z. B. an der Küste Norwegens und an der West-
Fig. 491. Lithothamnion glaciale. 9/8 nat. Gr. Nach Kjellman.
küste Grönlands bewachsen. Anderwärts besitzt er keine oder nur
eine dürftige Vegetation, weil die Eismassen, welche Brandung und
Gezeiten in fortwährender Bewegung halten, durch Abreiben der Felsen
jeden Pflanzenwuchs verhindern.
Da wo der auftauchende Gürtel den zerstörenden Wirkungen des
Eises nicht ausgesetzt ist, trägt er, wie in temperirten Meeren, vor-
nehmlich Fucaceen. Die subarktischen Meere können geradezu
Fucaceen -Meere genannt werden. Der eigentliche Arktik hingegen
ist das Meer der Laminariaceen. Hier bilden in gigantischen Gestalten
bei 3 — 10 Faden Tiefe Alaria- und Laminaria- Arten ausgedehnte For-
mationen, in deren Schatten lichtscheue Formen gedeihen (Fig. 490).
Stellenweise treten an Stelle der Laminariaceen weite Corallinenbänke auf,
II. Die Vegetation des Meeres. 839
namentlich von Lithothamnion- und Lithophyllum -Arten gebildet, denen
ebenfalls relativ mächtige Dimensionen zukommen (Fig. 491). Die
Armuth der grünen Algenflora ist auf schwache Beleuchtung zurück-
zufuhren, da die Chlorophyceen im Allgemeinen lichtliebend sind.
Die untere Grenze der photischen Region dürfte bei einer Tiefe
von 20 Faden zu ziehen sein. Die dysphotische Region entbehrt im
norwegischen Polarmeer der Makrophyten, dagegen hat Kjellman bei
Spitzbergen Delesseria sinuosa in 85 Faden Tiefe, Ptilota pectinata in
der Smeerenbergbai in 150 Faden Tiefe und noch einige andere Arten
in ähnlichen Tiefen gefunden. Ueber die zweifellos vorhandenen reich-
licheren Mikrophyten der dysphotischen Region liegen noch keine
Untersuchungen vor.
In den periodischen Erscheinungen schliessen sich die
arktischen Algen den nordtemperirten an ; doch fehlt es an Arten, deren
ganzer Entwickelungskreis weniger als ein Jahr beansprucht. Im All-
gemeinen findet wiederum die vegetative Thätigkeit während des
Sommers, die reproduktive während des Winters statt, letztere bei
einer Temperatur von — i° bis — 2° C.
Trotz ihrem Zusammenhang besitzen die verschiedenen Abtheilungen
des Eismeers ungleiche Algenfloren, deren Unterschiede sich nur theilweise
mit gegenwärtig herrschenden Ursachen, wie mildere Temperatur (West-
küste Grönlands und Norwegens), ungleicher Salzgehalt (das sibirische
Meer ist salzarm) in Verbindung bringen lassen. Kjellman unterscheidet
namentlich drei Bezirke, den spitzbergischen , sibirischen und ameri-
kanischen. Die vorherrschenden Laminariaceen sind in diesen Bezirken
theilweise ungleiche Arten.
2. Das pelagische Plankton.1)
Das Pflanzenreich ist im pelagischen Plankton hauptsächlich durch
Diatomaceen, Peridineen und Cyanophyceen vertreten. Diatomaceen
sind überall vorhanden und durch Zahl der Formen wie der Individuen
gleich hervortretend. Die Peridineen sind in kalten Meeren individuen-
reich, in warmen Meeren formenreich. Die Cyanophyceen, vornehmlich
Oscillariaceen, sind nur in warmen Meeren massenhaft entwickelt.
Noch einige andere Algenklassen sind im Plankton vertreten, aber meist
weniger häufig oder mehr lokal. Zwei Arten der Protococcaceengattung Halo-
sphaera haben für das Plankton warmer Meere einige Bedeutung. Die eigent-
lichen Flagellaten sind in kalten Meeren u. a. durch Dictyocha- Arten vertreten ;
die Pyrocysteen, eine mit den Flagellaten anscheinend verwandte Gruppe
leuchtender Algen, kommen in warmen Meeren häufig vor. Bacterien treten
l) Schutt I u. II.
840
Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
im Hemiplankton in der Nähe der Küsten massenhaft auf und rufen mit
einigen ihrer Arten das „diffuse Meeresleuchten" hervor. • In der Hochsee
hingegen sollen sie sehr selten sein.
Die Planktonbewohner müssen im Stande sein, ihre Existenz ganz oder
doch zum grössten Theile im freischwebenden Zustande zu verbringen.
Hiermit stehen verschiedene Vorrichtungen in Zusammenhang, welche
bei den Formen des echten Plankton weit vollkommener zu sein
Fig. 492. Antelminellia gigas Castr.
Vergr. 26. Nach Schutt.
1 •/ :■/ / /'///,■
Fig. 493- Planktoniella Sol (Well.) Schott.
Vergr. 190. Nach Schutt.
Fig. 494. Gossleriella tropica Schutt.
Vergr. 150. Nach Schutt.
Fig. 495- Ornithocerus splendidus. Schutt
(Peridinee). Ventralscite. Vergr. 150.
pflegen als im Hemiplankton, dessen Bestandtheile daher zeitweise,
namentlich in der Reproduktionsperiode, zum Boden sinken. Dies-
bezügliche Anpassungen haben sich nach zwei Richtungen entwickelt.
Verminderung des specifischen Gewichtes und Ver-
grösserung der Oberfläche, letztere bei möglichst geringer
Verwendung schweren Materials , ermöglichen entweder gleichzeitig
oder erstere für sich allein das dauernde Schweben der Planktonalgen.
II. Die Vegetation des Meeres.
84I
Die specifisch leichten Inhaltsbestandtheile , deren Auftreten als
Anpassung an das Schweben zu betrachten sind, bestehen nach Klebahn,
in den Cyanophyceen des Plankton aus Gasblasen, die unter dem Mikro-
skop als rothe Pünktchen erscheinen. Auch das fette Oel, welches von
vielen Planktonalgen, z. B. von Diatomeen reichlich erzeugt wird, trägt
Fig. 496. Ceratium -Arten (Peridineen) des Plankton, a—f Warm wasserformen, g — h Kalt-
wasserformen: g Ceratium tripos tergestinum, h C. balticum. Vergr. 125. Nach F. Schutt.
zur Verminderung des specifischen Gewichtes bei, ohne eine Anpassung
an diese Function darzustellen. Mannigfacher und mehr in die Augen
fallend sind die Vorrichtungen zur Vergrösserung der Oberfläche. Einen
sehr einfachen Fall stellt Antelminiella Gigas dar, der Riese seiner
Klasse, das bei einem Volum von mehreren Cubikmillimetern eine
842 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
äusserst dünne Membran besitzt. In vollkommener Weise wird das gleiche
Ziel durch Auswüchse verschiedener Art erreicht, welche oft an die Flug-
apparate der Samen und Früchte erinnern und sowohl bei Peridineen
(Fig. 495 u. 496) als bei Diatomaceen (Fig. 492 u. 493) eine wunderbare
Vollendung erlangt haben. Bei verschiedenen Diatomeen wird die Schwebe-
fähigkeit durch Verbindung der Zellen erreicht oder erhöht. Derartige
Apparate sind natürlich nur in Verbindung mit einem demjenigen des
Wassers ungefähr übereinstimmenden specifischen Gewicht von Nutzen.
Sie verhindern ein rasches Sinken oder das Aufsteigen zur Oberfläche,
entsprechend der durch die Produkte der Assimilation bedingten
Gewichtsschwankungen.
Die Lichtregionen des Plankton sind denjenigen des Benthos
ähnlich. Der grösste Theil der schwebenden Algen bewohnt die oberste
Schicht der photischen Region ; doch sind ausschliesslich die Oscillaria-
cen der Wasserblüthe , an der Oberfläche schwimmende Pflanzen. So
bedingt das im Rothen Meere häufige Trichodesmum erythraeum den
rothen Schimmer, dem dieses Meer seinen Namen verdankt. Die
dysphotische Region ist auf jeden Fall sehr arm an vegetabilischem
Plankton und die aphotische dürfte höchtens Bacterien aufzuweisen
haben. So fand Russell im Golf von Neapel bei 250 m Tiefe viele
Bacterien, bei 1100 m Tiefe nur noch wenige (Walther).
Wie das Benthos zeigt auch das Plankton eine Gliederung in Klima-
zonen. Die Begrenzung derselben hängt mit der Temperatur zusammen,
denn kalte und warme Strömungen sind für sie maassgebend. Die Plank-
tonexpedition konnte im atlantischen Ocean zwei Zonen unterscheiden,
eine tropische warme und eine nördliche kalte. Ihre Grenze ist im west-
lichen Atlantik eine sehr scharfe und fallt mit derjenigen des wannen
Floridastroms und des kalten Labradorstroms zusammen. Im Osten,
wo so ausgeprägte Strömungen fehlen, ist der Uebergang ein mehr
allmählicher. Jede der beiden Planktonzonen ist durch bestimmte Leit-
pflanzen charakterisirt. So sind Antelminellia gigas, Gossleriella tropica
und Planktonella sol sehr charakteristisch für die warmen Gewässer,
während Ceratium tripos balticum für die kalten bezeichnend ist.
Jede der beiden Zonen zerfallt in eine Reihe von Provinzen, deren
Unterschiede nur theilweise mit gegenwärtig herrschenden Bedingungen
zusammenhängen (Salzgehalt, Temperatur, Licht). Schutt unterscheidet
folgende, mehr oder weniger gut begrenzte Provinzen für die von der
Planktonexpedition untersuchten Meere : Ostsee (scharf begrenzt),
Nordsee (weniger abgeschlossen), nordöstlichen Golfstrom, Irmingersee,
Ostgrönlandstrom , Westgrönlandstrom , Labradorstrom , Floridastrom,
Nordäquatorialstrom, Guineastrom, Südäquatorialstrom. Alle diese Pro-
vinzen sind durch Leitformen charakterisirt. (Vgl. die Erklärung zu
Fig. 496).
Auswahl der Literatur. 843
Auswahl der Literatur.
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1. Systematische und ökologische Uebersicht. Die Pflanzen familien des Süss-
wassers. Eintheilung der Formen in fünf ökologische Typen. 2. Das pflanzliche Benthos
des Süsswassers. § i. Allgemeines. Vorherrschen der photischen Region. — § 2.
Gliederung der Vegetation. Gürtelartige Anordnung in der photischen Region. Kalk-
absondernde Cyanophyceen. Dysphotische Region. 3. Das limnetisehe Plankton der
Büsswasserseen. Floristisches und Oekologisches. 4. Die niessenden Gewässer.
Schwimmende Vegetation. Lithophyten der reissenden Ströme. Podostemaceen. 6. Perio-
dische Erscheinungen der Busswasserflora. Benthos und Plankton in den verschie-
denen Jahreszeiten. 6. Die Schnee- und Eisflora. Ursache und Verbreitung des rothen
Schnees. Sphaerella nivalis. Andere Mikrophyten des Schnees und Eis.
Während die Makrophytenflora der Meere sich in erster Linie aus
Braun- und Rothalgen, weniger aus Grünalgen, ganz untergeordnet
aus Phanerogamen zusammensetzt, zeigt diejenige der süssen Gewässer,
wenigstens was die Masse der organischen Substanz betrifft, dieselben
Klassen in umgekehrter Reihenfolge. Hier dominiren die Phanerogamen
und sind von Pteridophyten und Bryophyten begleitet, welche in den
Meeren fehlen. Die Bedeutung der Grünalgen dürfte ungefähr die
gleiche sein; dagegen sind Braun- und Rothalgen im Süsswasser auf
wenige, meist seltene und vereinzelte Formen beschränkt.
Die Mikrophytenflora zeigt in beiden Gruppen von Gewässern eben-
falls grosse Unterschiede. Zwar behaupten auch im Süsswasser die
Bacillariaceen eine dominirende Stellung, dagegen sind die im Meere
so häufigen Peridineen nur durch wenige Formen vertreten, während die
in ersteren ganz fehlenden Desmidiaceen im Benthos und Hemiplankton
der Süsswasseransammlungen massenhaft vorhanden sind. Cyanophyceen
und Bacterien sind im Süsswasser allgemeiner verbreitet als im Meere.
Die Phanerogamen der süssen Gewässer gehören, im Gegensatz
zu denjenigen der Meere, den verschiedensten Ordnungen der Angio-
spermen an. Besondere Bedeutung haben unter den Dicotylen die
Nymphaeaceen , welche sämmtlich Süsswasserbewohner sind, ferner die
Wasserranunkeln (Batrachium-Arten), die Ceratophyllaceen, Elatinaceen,
846 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
Callitrichaceen, Podostemaceen, Haloragidaceen (Myriophyllum), Utricu-
lariaceen. Unter den Monocotylen bestehen folgende Familien vor-
nehmlich oder ausschliesslich aus Wasserbewohnern : Alismaceen, Junca-
ginaceen, Potamogetonaceen , Aponogetonaceen , Najadaceen, Hydro-
charitaceen , Lemnaceen , Mayacaceen , Pontederiaceen. Unter den
Pt endophyten sind namentlich verschiedene Salviniaceen, Marsileaceen
und Isoetaceen im Süsswasser vertreten. Unter den Laubmoosen sind
vorwiegend Fontinalaceen und Hypnaceen, bis zu einem gewissen Grade
Sphagnaceen, unter den Lebermoosen Ricciaceen wasserliebend. Damit
ist aber keineswegs die Liste der in der Süsswasserflora vertretenen
Gruppen höherer Pflanzen erschöpft; mit Ausnahme der Gymnospermen,
bei welchen jedoch Sumpfbewohner nicht fehlen, haben die meisten
grösseren Phanerogamengruppen einzelne Arten von mehr oder weniger
aquatischer Lebensweise aufzuweisen. Es sei in dieser Hinsicht an
Hottonia, an Limnanthemum , an Lobelia Dortmanna, an Aldrovandia
vesiculosa, an Bidens Beckii erinnert.
Structur und Lebensweise der höheren limnetischen Wasserpflanzen
sind ausserordentlich mannigfach. Gemeinsam ist der Mehrzahl von
ihnen nur das Fehlen des secundären Dickenwachsthums, welches bloss
bei Isoetes und da in abweichender Form sich zeigt. Im Uebrigen
kann man nach Structur und Lebensweise folgende, vielfach durch
Uebergänge verbundene ökologische Typen unterscheiden:
1. Isoetes-Typus. Im Boden wurzelnde völlig untergetauchte
Rosettenpflanzen mit meist cylindrischen Blättern : Isoetes, Pilularia, Subu-
laria, Littorella, Lobelia Dortmanna.
2. Ny mphaea-Hippuris-Typus. Im Boden wurzelnde Pflanzen,
welche durch langgestielte Blätter oder durch lange Sprosse die Ober-
fläche des Wassers erreichen und sich dann theilweise in der Luft be-
finden. Hierher gehören die Nymphaeaceen, Limnanthemum, MarstHa,
Trapa, Batrachium aquatile, Potamogeton natans etc. mit Schwimm-
blättern, Hippuris, Elatine Aisinastrum etc. mit auftauchenden Spross-
spitzen.
3. Najas-Typus. Im Boden wurzelnde oder frei schwebende
völlig untergetauchte Pflanzen mit langen fluthenden Sprossen. Cerato-
phyllum Aldrovandia und Utricularia wurzellos; Najas, Zannichellia, ver-
schiedene Potamogeton- und Batrachium -Arten etc. mit Wurzeln.
4. Hydrocharis-Typus. Freischwimmende Pflanzen mit kurzen
Sprossen, theils ganz submers (Lemna trisulca, Riccia fluitans), zum
grössten Theile submers (Stratiotes), halbsubmers (Salvinia), zum grössten
Theile an der Oberfläche schwimmend (Hydrocharis, Lemna p. p., Azolla,
Riccia natans), zum grössten Theile emers (Pistia, Eichhornia etc.).
5. Podostemon-Typus. An Steinen befestigte submerse Ge-
wächse strömender Gewässer (Podostemaceen, verschiedene Moose).
Fig. 497- Wasserpflanzen aus dem Longenier-See in den Vogesen. / Isoetes lacustris.
2 Is. echinospora. 9 Subularia aquatica. 4 Sparganium minimum (Sp. natans). 5 Myrio-
phyllum alternifloruni. Nat. Gr.
848 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
Als semiaquatisch sollen solche im Boden wurzelnde Pflanzen be-
zeichnet werden, welche keine oder nur bald schwindende Wasserblätter
entwickeln und im Uebrigen Luftpflanzen sind, wie das gewöhnliche
Schilfrohr (Phragmites communis) und andere Gräser, Scirpus-, Sparga-
nium-, Alisma -Arten etc. Manche freischwimmende Wasserpflanzen,
wie Pistia etc. sind allerdings ebenfalls mehr Luftpflanzen als Wasser-
pflanzen. Ihre Rolle als Glieder von Formationen ist aber durchaus
diejenige von Wasserpflanzen, während die eben erwähnten halben
Wasserpflanzen räumlich den Uebergang zur Landvegetation vermitteln.
Die eben aufgestellte Eintheilung stützt sich in erster Linie auf die für
die Formationslehre vornehmlich wichtige räumliche Anordnung. Natürlich
wird man nach anderen Gesichtspunkten andere Gruppirungen vornehmen
können. So habe ich gegen die von Schenck in seiner werthvollen Biologie
der Wasserpflanzen angenommene Eintheilung nichts einzuwenden. Sie ent-
spricht aber weniger der räumlichen Gruppirung als anderen nicht minder
wichtigen ökologischen Eigenthümlichkeiten.
Die makrophytischen Algen des Süsswassers schliessen sich dem
Najas -Typus mehr oder weniger an. Namentlich gilt dieses von den
Characeen, die in ihrer Lebensweise mit Najas grosse Aehnlichkeit
zeigen.
Die mikrophytischen Algen und die wenigen saprophilen Wasser-
pilze sind theils an dem Substrat oder an anderen Pflanzen des Benthos
befestigt, theils schweben oder schwimmen sie frei im Wasser als
Plankton.
2. Das pflanzliche Benthos der Süsswasserseen.
§ 1 . Allgemeines. Irri Gegensatz zu den Meeren sind im Süss-
wasser die meisten Makrophyten im Boden bewurzelt. Die Lithophyten
treten unter den höheren und grösseren Gewächsen sehr zurück (Podo-
stemon -Typus), während viele Fadenalgen an Steinen befestigt vor-
kommen. Letztere kommen zum Theil auch als Epiphyten vor. Vor-
nehmlich jedoch zeigt sich letztere Lebensweise bei kleinen flächen-
förmig ausgebreiteten Algen (Coleochaete etc.).
Die Tiefenregionen der Vegetation sind in den süssen Gewässern
denjenigen des Meeres ähnlich, doch nimmt entsprechend der geringeren
Ausdehnung der ersteren die photische Region ein relativ grösseres
Areal ein und ist in kleinen Wasseransammlungen, wie Teiche, Gräben,
Bäche, sogar allein vorhanden.
Die Grenze der photischen und dysphotischen Region liegt, ent-
sprechend der ungleichen Trübung durch suspendirte Theilchen, sehr
ungleich tief zwischen 5 und 30 m. Die Flora der dysphotischen Region
III. Die Vegetation des Süßwassers.
849
ist beinahe ausschliesslich von Mikrophyten, namentlich Diatomaceen
gebildet; doch sind in derselben ausnahmsweise einzelne Makrophyten
beobachtet worden. Die Flora der
aphotischen Region ist nicht bekannt;
jedenfalls ist sie sehr ärmlich.
Die stehenden und die fliessenden
Gewässer bieten der Vegetation sehr
ungleiche Bedingungen und sind daher
getrennt behandelt.
§ 2. Gliederung der Vegetation.
Die Süsswasserseen stellen den Typus
der stehenden süssen Gewässer dar, in-
dem die seichten Gewässer der Teiche
und Gräben sich in ihrer Vegetation
zum grossen Theile den ruhigen Buchten
der Seen anschliessen. Allerdings be-
sitzen manche kleinen Gewässer eine
eigenartige, in den Seen bisher nicht
beobachtete Flora; ja, die Wasser-
linsen scheinen den letzteren zu fehlen.
Grössere Ruhe des Wassers, besondere
chemische Bestandtheile etc. dürften
solche Unterschiede, bedingen, doch
liegen darüber Untersuchungen zur
Zeit nicht vor.
Die Vegetation der Süsswassef-
seen ist in den letzten Jahren mit
wachsendem Interesse und Erfolg unter-
sucht worden — bis jetzt allerdings
beinahe nur in Mitteleuropa. Die
folgenden Ausführungen beziehen sich
dementsprechend lediglich auf die Seen
Deutschlands, der Schweiz und der
Grenzgebiete. In allen Seen sind Ben-
thos und Plankton wohl von einander
unterscheiden, während seichte
zu
Wasseransammlungen, die nur Hemi-
plankton besitzen, eine deutliche Diffe-
renzirung nicht aufweisen.
Fig. 498. Nuphar pumilum aus dem
Retournemer-See in den Vogesen.
Nat. Gr.
Das limnetische Benthos der Seen.
Seichte Seeufer sind ganz gewöhnlich von dem Festlande durch
einen Gürtel des gewöhnlichen Schilfrohrs (Phragmites communis) ge-
Schimper, Pflanzengeographie. 54
850 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
trennt, welchem sich seewärts ein solcher von Scirpus lacustris an-
schliesst. Beide Pflanzen gehören zu denjenigen, die sich nur mit ihrer
Basis im Wasser befinden und die wir daher als semiaquatische
Pflanzen bezeichnet haben. Sie sind manchmal von anderen Pflanzen
ähnlicher Lebensweise begleitet, wie Butomus, Sagittaria, Alisma Plantago,
Ranunculus lingua. Das seichte Wasser zwischen den hohen Sprossen
ist bereits von echten Wasserpflanzen entsprechend geringerer Dimen-
sionen eingenommen, die seewärts an Zahl und Grösse noch rascher
zunehmen und von etwa 3 m Tiefe an allein herrschen.
Der zweite Gürtel, der erste der acht aquatischen, ist in erster Linie
charakterisirt durch Nymphaeaceen und zwar, wo alle drei mitteleuro-
päische Arten vorkommen, in der Reihenfolge: Nymphaea alba, Nu-
phar luteum, Nuphar pumilum.1) In ihrer Gesellschaft zeigen sich andere
Pflanzen mit Schwimmblättern und solche mit auftauchenden Spross-
spitzen (Nymphaea-Hippuris-Typus). Für die meisten dieser Pflanzen
ist es Lebensbedingung, dass sich ein Theil ihrer Organe in der Luft
befinde. Nur wenige vermögen sich auch im völlig untergetauchten
Zustande zu behaupten (Batrachium aquatile). Dem oberen Gürtel ge-
hören ferner die Pflanzen des Isoetes -Typus an. Dieselben erlangen
zwar zum Theil (Isoetes) eine Verlängerung ihrer Blätter mit zunehmen-
der Tiefe, doch nicht in hinreichendem Maasse, um daraus wesentlichen
Vortheil zu erlangen.
Der dritte Gürtel gehört den ganz submers vegetirenden fluthenden
Phanerogamen des Najas -Typus, welche im Gegensatz zu denjenigen
des Isoetes -Typus, durch Verlängerung ihrer Axen dem Lichte ent-
gegenwachsen. Hier herrschen unter den Phanerogamen, namentlich
Arten von Potamogeton, in noch grösserer Tiefe solche von Najas.
Von 6 m Tiefe an kommen die Phanerogamen nur noch vereinzelt
vor. Auch die frei schwebenden und schwimmenden Formen des
Hemiplankton (Hydrocharis- Typus) sind, da sie periodisch zur Boden-
vegetation gehören (Ueberwinterung , Samen) nur in den äussersten
Gürteln vorhanden.
Von 2 m Tiefe an pflegen Chara -Arten einen wesentlichen Bestand-
teil der Vegetation zu bilden; mit zunehmender Tiefe treten all-
mählich Nitella -Arten hinzu. In 7 m Tiefe und tiefer ist die makro-
phytische Vegetation beinahe ausschliesslich von Nitella syncarpa ge-
bildet. In ihrer Gesellschaft zeigen sich in wenigen Exemplaren Moose
wie Fontinalis antipyretica und Hypnum giganteum. Die Nitella-
wiesen gehen in klarem Wasser (Bodensee) stellenweise bis 30 m Tiefe,
wo ihr Aufhören die untere Grenze der photischen Region bezeichnet.
*) Ueber das Vorkommen von Nymphaea Candida Presl. ist mir nichts bekannt; die-
selbe ist übrigens wohl nicht als specifisch verschieden zu betrachten.
III. Die Vegetation des Siisswassers.
851
In den trüberen Gewässern des Müggel-Sees in Baiern hört die
Nitellavegetation bereits bei 12 m auf und wird bis 30 m Tiefe durch
Fluren von Cladophora -Arten ersetzt, in welchen Cladophora profunda
Brand, Cl. cornuta Brand und Rhizoclonium profundum Brand vor-
herrschen.1)
Dem makrophytischen Benthos der photischen Region sind Mikro-
phyten in grosser Anzahl beigemengt. Namentlich bilden Bacillariaceen
auf untergetauchten Pflanzentheilen, Steinen etc. braune flockige Ueber-
züge. Grösseres Interesse bieten verschiedene kalkabscheidende
Cyanophyceen, welche auf Steinen an sehr seichten, ruhigen
Stellen einiger Seen mürbe Ueberzüge bilden und in immer noch
nicht ganz aufgeklärter Weise zur Entstehung mäandrischer Furchen
auf der Steinoberfläche in Beziehung stehen.2)
Trotzdem bereits eine beträcht- _^^^^^__
liehe Litteratur über die „sculptirten
Steine" der Seen vorliegt, stehen immer
noch über deren Entstehung zwei sehr
ungleiche Anschauungen einander gegen-
über, die möglicherweise beide berech-
tigt sind, da ähnliche Erscheinungen in
diesem Falle durch ungleiche Ursachen
bedingt sein könnten. Kirchner, welcher
hauptsächlich die Steine des Boden-Sees
untersuchte, ist der Meinung, dass der
Algenüberzug durch seine Kalkhülle die
Steine gegen die auflösenden Wirkungen
des Wassers schützt und dass Furchen
da entstehen, wo Insektenlarven den
Ueberzug zerstören. Chodat dagegen,
dem namentlich Steine des Genfer-Sees
zur Verfügung standen, rechnet die dieselben überziehenden Cyanophyceen zu
den „Calcivoren" oder kalklösenden Algen, deren Existenz für andere Fälle mit
Sicherheit nachgewiesen worden ist. Die von Kirchner beobachteten Cyano-
phyceen der sculptirten Steine werden von ihm als Schizothrix fasciculata
Gom., Calothrix parietina Thur. und Phormidium incrustatum Gom. bezeichnet;
Chodat erwähnt Schizothrix -Arten als kalklösend.
Mikrophyten bilden ferner die wesentliche Vegetation des an Seen
nur schmalen auftauchenden Gürtels. Kirchner erwähnt für die „Spritz-
zone" Cyanophyceen, Bacillariaceen und nur eine grössere Algenform:
Spirogyra adnata Kütz.
Die dysphotische Region des Benthos der Süsswasserseen
besitzt in der Regel nur eine Mikrophytenvegetation , bestehend aus
Fig. 499« Gefurchter Stein von Langenargen
am Bodensee. 1/9 nat. Gr. Nach Kirchner.
») Vgl. Brand 1. c.
*) Vgl. namentlich Kirchner, Bodensee und Chodat.
54*
852 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
Bacillariaceen, Oscillarieen und Beggiatoen; ausnahmsweise zeigen sich
Grünalgen (Scenedesmus, Pediastrum) und Peridineen (im Züricher-See
bei 60—90 m Tiefe nach Imhof) und nur einmal ist eine höhere Pflanze
gefunden worden, nämlich Thamnium alopecurum var. Lemani im
Genfer -See bei ungefähr 60 m Tiefe, durch Forel. Einige Arten
scheinen echte Tiefenbewohner oder „dysphotische Gewächse" zu sein;
doch sind die physiologischen Eigenschaften, welche solche Lebens-
weise veranlassen, nicht bekannt. In den grössten untersuchten Tiefen
des Boden -Sees (160 m und 240 m) zeigte sich der Schlamm vege-
tationslos bis auf einige Exemplare der Diatomee Cymatopleura Solea
Br£bisson. Immerhin zeigt dieser Befund, dass noch in solchen Tiefen
die Existenz an das Licht gebundener Organismen möglich ist. Die
dysphotische Flora des Genfer- Sees dürfte etwas reicher sein, da
Forel von einem organischen Filze, in welchem Diatomeen herrschen,
berichtet.
3. Das limnetische Plankton der Seen.
Das Hemiplankton der süssen Gewässer weist einige Phanerogamen
auf, diejenigen des Hydrocharis-Typus. Hingegen ist das echte Plankton,
wie in den Meeren, ausschliesslich von mikroskopischen Algenarten
gebildet, welche in den einzelnen Seen, sogar in den verschiedenen
Theilen eines Sees, ungleich sind oder doch in ungleichem Verhältniss
auftreten, so dass das limnetische Plankton eine überraschende Mannig-
faltigkeit zeigt. Manche Arten treten in einzelnen Seen massenhaft auf,
die in anderen Seen ganz fehlen oder selten sind, wie z. B. die Diatomee
Cyclotella bodanica im Boden- und Genfer-See. Die Cyanophycee
Gloeotrichia echinulata ist auf den Plönsee und einige benachbarte
kleinere Seen des Holsteinischen beschränkt. Dem Bodensee fehlt die
sonst sehr verbreitete Erscheinung der „Wasserblüthe", die in ihrer
typischen Form durch schwimmende Oscillarieen hervorgerufen wird.
Ob jetzt noch herrschende oder historische Ursachen diese Unterschiede
bedingen, ist nicht festgestellt. Andererseits fehlen im limnetischen
Plankton weitverbreitete Organismen nicht.
So sind die Diatomeen Asterionella formosa und gracillima, Fragilaria
crotonensis, die Cyanophycee Clathrocystis aeruginosa, die Peridinee Ceratium
hirundinella in den meisten Seen Europa's und Nordamerika^, theilweise auch
im Himalaya nachgewiesen und haben wahrscheinlich eine noch weit grössere
Verbreitung.
Wie im pelagischen sind auch im limnetischen pflanzlichen Plankton
die Bacillariaceen vorherrschend. Sie lassen ähnliche Anpassungen an
die schwebende Lebensweise wie ihre Verwandten der Meere erkennen,
III. Die Vegetation des Süßwassers.
853
jedoch ohne so vollkommene Vorrichtungen, wie sie z. B. der Gossleriella
tropica oder der Asterionella Sol zukommen, aufzuweisen. Die An-
passungen an das Planktonleben sind weniger weit fortgeschritten. Die
nächstwichtige Rolle spielen Cyanophyceen, welche, wie im Meere, ihre
Fig. 500. Planktonalgen des Bodensees, a Fragilaria crotonensis Kitt Vergr. 430.
b Cyclotella comta Ktz. var. radiosa. Vergr. 430. c Asterionella gracillima Grün.
Vergr. 430. d Cyclotella bodanica Eulenst. Vergr. 430. e Botryococcus Braunii Ktz.
Vergr. 140. /— g ders. Vergr. 430. Nach Kirchner.
Schwimmfähigkeit kleinen Luftblasen verdanken. Andere Algengruppen
sind nur durch wenige, meist wenig hervortretende oder lokal vor-
kommende Arten vertreten. Ziemlich verbreitet ist die namentlich im
Plankton des Bodensees massenhaft auftretende Tetrasporacee Botryo-
854 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
coccus Braunii, welche hohlkugelige Familien bildet, deren Schwimm-
fähigkeit durch Luftblasen in der von Strängen durchzogenen centralen
Höhlung bedingt ist (Fig. 500 £ — g). Wenig Bedeutung haben einige
Desmidiaceen (Staurastrum), Volvocaceen (Volvox, Eudorina, Pando-
rina), Protococcaceen (Pediastrum) und Peridineen (Ceratium) etc.
Die Grenze zwischen der photischen und dysphotischen Region
liegt für das limnetische Plankton, je nach der geringeren oder grösseren
Trübung durch suspendirte Theilchen, verschieden tief. Im Züricher See
ist nach Heuscher das Plankton bis in 10 m Tiefe ziemlich gleichmässig
verbreitet und nimmt dann bis 25 — 30 m langsam, in grösserer Tiefe
rasch ab. Man kann daher 25 — 30 m als das untere Niveau der pho-
tischen Region bezeichnen. Die verschiedenen Algen zeigen eine
schichtenartig eintretende Vertheilung. Die Cyanophyceen dringen nur
wenige Centimeter tief, so dass, wo sie reichlich auftreten, wie in den
holsteinischen Seen, ein besonders dichtes oberflächliches Plankton vor-
handen ist. Aehnliches gilt von Botryococcus Braunii im Bodensee.
Dagegen kommen die Diatomaceen in beträchtlicher Tiefe vor, ohne
zunächst eine Abnahme aufzuweisen, und sind in den grössten unter-
suchten Tiefen, 56 m im Bodensee und 90 m im Züricher See, noch
reichlich nachgewiesen worden.
4. Die fliessenden Gewässer.
Die fliessenden Gewässer unterscheiden sich bezüglich der Be-
dingungen der Vegetation von den stehenden Gewässern natürlich um
so mehr, als ihre strömende Bewegung eine stärkere ist. So sah ich
den St. Johns-Fluss in Florida streckenweise von schwimmenden Fluren
der Pistia stratiotes bedeckt, in welchen eine Fortbewegung nach ab-
wärts nicht erkennbar war. Das Wasser war in solchen Stellen seicht
und seine Strömung schwach. Auf rasch fliessenden Gewässern ist
solche schwimmende Vegetation ausgeschlossen oder besteht, wie die
in tropischen Flüssen nicht selten schwimmenden Inseln, aus Bestand-
teilen der Flora seichter ruhiger Stellen, die zufallig in den Strom
gerathen sind. Sogar ein aus Mikrophyten bestehendes Plankton kann
sich im strömenden Wasser nicht erhalten. Die Untersuchung des
Flusswassers hat dementsprechend meist zu negativen Erfolgen gefuhrt;
nur in wenigen Fällen sind einige schwebende Bacillariaceen nach-
gewiesen worden. Der Umstand, dass an fast gleichen Oertlichkeiten
zu verschiedenen Zeiten bald positive, bald negative Erfolge erzielt
wurden, macht es wahrscheinlich, dass es sich beim Potamoplankton
nur um zugefuhrte Bestandtheile des See- und Teichplankton handelt.
Höchstens wird sich in sehr ruhig fliessenden Strömen oder in stillen
Buchten Plankton erhalten und fortentwickeln können.
Jf. Jl/rtAiA^lt
Fig. 501. /— 3 Podostemon Schenckii Warming (3 jung). Nat. Gr. 4 — 8 Podost. Müllen
Warm. (4 u. 8 alt, entblättert, 7 jung). Nat Gr. Blumenau, Süd -Brasilien.
856 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
In ruhigeren Flüssen ist die Makrophytenvegetation , wie in den
stehenden Gewässern vornehmlich im Boden gewurzelt, in reissenden
Strömen, namentlich in Bergbächen und Katarakten sind naturgemäss
nur Lithophyten vorhanden. Die wurzelnden Gewächse der Ströme bei
uns und, mit wenigen Ausnahmen, in den temperirten Zonen überhaupt
sind mit denjenigen der stehenden Gewässer specifisch identisch, aber
durch die Bewegung in ihrer Structur etwas verändert Ganz allgemein
zeigen sich die Axen und Sprosse parallel der Stromrichtung ver-
längert (z. B. bei Ranunculus fluitans, Scirpus fluitans). Potamo-
geton fluitans entwickelt periphere Faserbündel, die in stehenden Ge-
wässern constant fehlen. *) Ferner wirkt die Strömung hemmend auf
die Blüthenbildung.
Die Lithophyten der Ströme sind, mit einer gleich zu erwähnenden
Ausnahme, lediglich Moose, Algen und Flechten, die theilweise für das
fliessende Wasser charakteristisch sind, wie Arten von Fontinalis und
Cinclidotus unter den Moosen. In den Tropen ist hingegen eine
phanerogamische Pflanzenfamilie, diejenige der Podostemaceen *) auf
Ströme mit steinigem Grunde beschränkt und bewohnt sogar mit Vor-
liebe die Wasserfälle. Nur eine Art, Podostemon Ceratophyllum ist
extratropisch und kommt in Nordamerika vor. Die Podostemaceen
sind sämmtlich typische Lithophyten und unter normalen Verhältnissen
submers.
Die Figur 501 stellt zwei Podostemon -Arten, P, Mülleri Warm, und
P. Schenckii Warm., die ich mit Fr. Müller und H. Schenck in Wasser-
fällen bei Blumenau in Süd-Brasilien sammelte. Beide Arten gehören
nicht zu denjenigen, welche die auffallendsten Eigenthümlichkeiten der
Familie aufweisen. Ihre Sprosse entspringen den bandartig flachen,
auf den Steinen kriechenden und durch Haftorgane befestigten Wurzeln,
welche, wie in der Familie überhaupt, durch Chlorophyll tief grün ge-
färbt sind. Die Rolle der Wurzeln bei der Assimilation ist bei Podoste-
mon, entsprechend ihrer relativ geringen Entwicklung , untergeordnet,
während sie bei einigen anderen Gattungen die Hauptmasse des vege-
tativen Apparats und hiermit die wichtigsten Organe der Assimilation
darstellen. Eine andere wichtige und weit seltenere Eigenschaft der
Wurzeln mancher Arten ist, dass sie durch Erzeugung von vegetativen
und fertilen Adventivsprossen die Hauptrolle bei der sexuellen und
asexuellen Reproduktion spielen. Andererseits fehlt es nicht an Formen,
die der Wurzeln ganz entbehren.
Die Gliederung in Stamm und Blatt ist bei den hier abgebildeten
Arten deutlich sichtbar und ohne weiteres verständlich. Axen und
!) Schwendener, Das mechanische Princip im anatom. Bau der Monocotylen.
*) Warming 1. c.
III. Die Vegetation des Süsswassers. 857
Blätter, letztere namentlich, zeigen auch bei solchen morphologisch
weniger abweichenden Formen grosse Mannigfaltigkeit. Die Blätter
sind z. B. bei einigen Arten auf winzige Schuppen reducirt, während
sie bei anderen i1/^ m lang werden. Andere Arten besitzen eine höchst
eigenartige Gestaltung, die bald durch das Vorherrschen der Wurzeln,
bald durch Verwachsung der Sprosse zu thallusartigen Platten bedingt ist.
Die Blüthenanlagen kommen erst beim Sinken des Wassers oder
häufiger sogar beim Auftauchen der Sprosse zur Entfaltung. Zwei dem
Wachsthum allgemein günstige Factoren, Trockenheit und Licht, machen
sich hier in augenfälliger Weise geltend. Die vom Wasser entblössten
Blätter vertrocknen und fallen rasch ab, oft mit einem Theile der Sprosse
und Wurzeln, so dass es mehr oder weniger reducirte Ueberreste des vege-
tativen Systems sind, welche Blüthen und Früchte tragen (Fig. 501 4U.8).
Erstere öffnen sich nur in der Luft und werden durch Insekten be-
stäubt. Die winzigen Samen keimen bei der Befeuchtung sofort und
die Keimlinge entwickeln sehr früh Vorrichtungen zur Befestigung.
Anatomisch weichen die Podostemaceen von anderen Wasser-
phanerogamen durch die sehr schwache, diejenige gewöhnlicher Land-
pflanzen nicht übertreffende Entwickelung der luftfuhrenden Intecellularen
ab. Das rasch bewegte und daher luftreiche Wasser macht, ebenso wie bei
Pflanzen des bewegten Meeres, den Besitz eines inneren Durchlüftungs-
systems entbehrlich. Ferner besitzen sie, im Gegensatz zu den Phanero-
gamen stehender Gewässer, ein wohl ausgebildetes mechanisches Ge-
webe, welches central, um die Gefässbündel herum gelagert ist und die
bei solcher Lebensweise nöthige Zugfestigkeit bedingt.
5. Periodische Erscheinungen der Süsswasservegetation.
Der Einfluss der Jahreszeiten auf das Pflanzenleben der süssen Ge-
wässer ist nur für Mitteleuropa etwas näher untersucht worden. Nur
wenige der Makrophyten des Benthos und des Hemiplankton sind ein-
jährig, z. B. im ersteren Najas minor und flexilis, Subularia, im letzteren
Salvinia natans. Die meisten Arten perenniren und bleiben theils an-
scheinend unverändert, wie Zannichellia , die submersen Batrachium-
Arten Vallisneria etc., theils fallen sie, in Folge der Injection der Intercel-
lularen, auf den Boden (Lemna, Ceratophyllum), theils perenniren sie nur
mit ihren Rhizomen (Nymphaeaceen, Potamogeton natans), theils sogar
nur durch besondere Winterknospen (Potamogeton -Arten, Utricularia,
Hydrocharis etc.). Im Ganzen zeigt sich also ein Zurückziehen der
Benthospflanzen in die Tiefe, wo die Temperatur, ausser in ganz seichten
Gewässern,' höher ist als an der Oberfläche. l)
') Sehende I, S. 81 u. f.
858 Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
Limnetisches Plankton ist das ganze Jahr vorhanden, jedoch, nach
der Jahreszeit, in ungleicher Zusammensetzung. l) Im Winter sind die
Diatomeen vorwiegend; in ihrer Gesellschaft zeigen sich einige andere
Algen und Peridineen, dagegen fehlen eine Anzahl Formen, die in
warmen Jahreszeiten vorhanden sind, wie Ceratium hirundinella, die
meisten Cyanophyceen und Chlorophyceen. Solche Formen bilden im
Anfang des Winters Dauersporen, welche auf den Boden sinken. Einige
Arten sind je nach der Jahreszeit durch andere Gestalten vertreten.
Die Maxima zeigen sich nach Schröter für die meisten Arten, im Mai
und im August.
Apstein gibt für das Plankton der Seen Holstein's eine Charakteristik,
aus welcher die auf die Pflanzen bezüglichen Stellen hier reproducirt werden
mögen :
Die Monate Januar und Februar sind der Ruhe gewidmet: „Viele Algen
verschwinden ganz aus dem Plankton, sei es dass sie Sporen gebildet haben,
wie Gloiotrichia, sei es, dass sie Cysten hervorbringen, wie Ceratium, die alle
auf den Seeboden hinabsinken. Andere sind recht spärlich geworden, sind
aber stets zu finden, so die Chroococcaceen, Pediastrum und vor allem die
Diatomeen."
„Ganz verschwunden dagegen sind ausser den obengenannten die Dino-
bryen, die sich wohl im December noch in einzelnen Exemplaren blicken
lassen; sie haben schon in der Zeit vom Juli bis August Cysten gebildet,
die ebenfalls untersinken . . ."
„Sobald die Sonne stärker zu wirken beginnt und namentlich in der
Tiefe das Wasser sich erwärmt (April), dann beginnt ein mächtiger Umschwung.
Die Mehrzahl der Diatomeen erscheint in gewaltigen Mengen, so dass sie das
Plankton für kurze Zeit ganz beherrschen. Von anderen Pflanzen folgen im
Frühjahr Dinobryen, die am Ende desselben ihr Maximum erreichen, dann
noch Gymnodinium fuscum. Alle übrigen Pflanzen sind auch schon zu finden,
befinden sich aber im Anfange ihrer Entwicklung . . ."
„Im Sommer hat dann das Leben seinen Höhepunkt, namentlich was
die Mannigfaltigkeit der Arten anbelangt, erreicht. Die niederen Algen, wie Nosto-
caceen, Rivulariaceen und Chroococcaceen erreichen ihre höchste Ausbildung
und sind als Wasserblüthe dem Auge direkt sichtbar. Die Palmellaceen und
Volvocineen sind zahlreich, auch gilt dasselbe für die Peridineen, und
manche der Diatomeen bilden jetzt oder zu Beginn des Herbstes noch ein
Maximum . . ."
„Im Herbst erreichen viele Diatomeen noch einmal eine mehr oder
weniger bedeutende Entwicklung, die anderen pflanzlichen Wesen sind aber
in der Abnahme begriffen, die bei manchen sehr schnell vor sich geht, bei
vielen unter Bildung von Dauerstadien . . ."*)
*) Schröter. Apstein.
2) 1. c. S. 127—128.
III. Die Vegetation des Süsswassers.
859
6. Die Schnee- und Bisvegetation.
Der ewige Schnee und das Eis der polaren Zonen und der Hoch-
gebirge zeigen hie und da auffallende, durch mikroskopische Algen be-
dingte Färbungen, welche für den Schnee in verschiedenen Schattirungen
von Roth, selten von Grün, für das Eis mehr in solchen von Braun
bestehen. Die gefärbte Schneeschicht beträgt bis etwa 5 cm, während
das Eis nur oberflächlich, manchmal an die Anwesenheit feinen Staubes
(Kryokonit) gebunden, seine Flora ernährt.
Seit ihrer Entdeckung in den Alpen von Savoyen durch H. de Saus-
sure , der sie irrthümlich auf Blüthenstaub oder eine eigenartige Erde
zurückführen wollte, hat die Erscheinung des rothen Schnees die Natur-
forscher und Reisenden häufig beschäftigt. Ihre wahre Natur wurde
jedoch erst durch Elias Fries (1822)
und Agardh(i823) erkannt, welche in
den so häufig missdeuteten rothen
Kügelchen eine zu den Protococcaceen
gehörige Alge nachwiesen, die der
letzterwähnte Forscher Protococcus ni-
valis benannte. Sommerfeit hatte kurz
vorher den Organismus des rothen
Schnees mit dem Namen Sphaerella
nivalis belegt, welcher der gegenwärtig
gebräuchliche ist.
In neuerer Zeit ist das Vorkom-
men von rothen Schneealgen an den
verschiedensten Punkten der arktischen
und antarktischen Zonen und auf
den meisten Schneebergen (Pyrenäen,
Alpen, Karpathen, skandinavische Gebirge, Ural, Sierra nevada in
Spanien, äquatoriale und chilenische Anden) nachgewiesen worden, so
dass eine allgemeine Verbreitung der Erscheinung anzunehmen ist.
Die braune Eisfärbung wurde bisher vornehmlich in polaren Gebieten
beobachtet und der grüne Schnee ist eine seltene Erscheinung.
Ausser der zuerst entdeckten und alle anderen an Häufigkeit und
massenhaftes Auftreten übertreffenden Sphaerella nivalis bilden noch
zahlreiche andere Mikrophyten die Schnee- und Eisflora. Wittrock
zählt in seiner Monographie 42 Arten auf, welche sich auf die Cyano-
phyceen, Diatomaceen, Conjugaten, Volvocaceen, Pleurococcaceen und
Ulothrichaceen vertheilen. Unter ihnen besitzen jedoch, ausser der
Sphaerella, nur noch zwei Arten grössere Bedeutung, die Desmidtacee
Ancylonema Nordenskiöldii Berggr., ein Organismus mit violettem Safte,
Fig. 502. Schnee- und Eisalgen.
/ — 3 Sphaerella nivalis. 4 Raphidium
nivale. 5 — 6 Ancylonema Nordenskjöldii.
Vergr. Nach Chodat.
8ÖO Fünfter Abschnitt: Die Vegetation der Gewässer.
welcher zuerst im grönländischen Eis, dem es eine braune Färbung
verleiht, entdeckt, seitdem im Schnee des Mont Blanc und Pichincha
nachgewiesen wurde, und die Cyanophycee Scytoneipa gracile, welche
stellenweise den Hauptbestandtheil der grönländischen Inland eis Vegeta-
tion bildet.
Ausser den Algen hat bereits Wittrock chlorophylllose Mikrophyten
in der Eis- und Schneevegetation nachweisen können, namentlich das
auf Sphaerella nivalis schmarotzende Chytridium Haematococci AI. Br.
Endlich sind einige Moosprotonemata hin und wieder beobachtet wor-
den, welche niemals beblätterte Pflanzen entwickelt hatten.
Wittrock's Liste, welche sich allerdings nur auf Skandinavien und
die arktische Zone bezieht, aber doch alle damals bekannten Schnee-
und Eisgewächse umfasste, erhielt in neuester Zeit Zuwachs, namentlich
durch Lagerheim, welcher als Urheber des rothen Schnees auf dem
Pichincha drei bisher unbekannte Chlamydomonas -Arten erkannte, näm-
lich Chi. sanguinea, Chi. asterosperma und Chi. nivalis, welche allerdings,
nach Chodat, nurEntwickelungsformen der polymorphen Sphaerella nivalis
sein sollen. In Gesellschaft der Rothalgen zeigten sich zwei einzellige Algen,
das bereits erwähnte Ancylonema Nordenskiöldii und die Pleurococcacee
Raphidium nivale (Lagerh. sub Raphidonema), welches von Chodat seit-
dem im Schnee des Mont Blanc wiedergefunden wurde (Fig. 502^), ferner
ein einzelliger Pilz, Solenotila nivalis Lagerh., der an Zahl der Indivi-
duen die Algen übertraf. Die Gesammtzahl der Schneepflanzen des
Pichincha beläuft sich nach Lagerheim auf 21 Arten, welche zu den
Cyanophyceen , Diatomaceen, Desmidiaceen , Volvocaceen, Tetraspora-
ceen, Pleurococcaceen, Chytridiaceen und Laubmoosen (Protonemata),
also, abgesehen von der systematisch unsicheren Solenotila, denselben
Gruppen gehören, wie in der Arktis und auf den Hochgebirgen der
temperirten Zonen.
Die Ökologie der Schnee- und Eisvegetation ist noch nicht er-
forscht worden.
Auswahl der Literatur«
Apstein, Carl. Das Süsswasserplankton. Methode und Resultate der
quantitativen Untersuchung. Kiel und Leipzig. 1896.
Berggren, S. Alger frän Grönlands inlandsis. Oefversigt of Kongl. Vetens-
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Bornet et Flahault. Sur quelques plantes vivant dans le test calcaire
des mollusques. Bullet, de la socidtd botanique de France. Bd. XXXVI.
1889.
Auswahl der Literatur. 86 1
Brand. Ueber die Vegetationsverhältnisse des Würm-Sees und seine Grund-
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Caspary, R. Die Hydrilleen. Pringsheim's Jahrb. Bd. I. 1858.
— Aldrovandia vesiculosa. Bot. Zeit 1859. 1862.
Chodat, R. I. Sur la flore des neiges du col des Ecandies (Massif. du
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Süsswasserflora. V. Migula. Die Flagellaten).
Register.
Abchasien 610.
Acacia 660, 560 u. f.
— armata 562. marginata 562. deci-
piens 562.
— Catechu 407.
— cornigera 154.
-- linearis 564.
— floribunda 564.
— planifrons 290.
Acanthosicyos 663.
Acetabularia mediterranea 829.
Achillea atrata 117.
— moschata 117.
Achsenfadenranken 211.
Aciphylla Colensoi 798.
Actinodaphne 166.
Adansonia 392.
— digitata 393.
Adenia globosa 649.
Adenostoma fasciculatum 566.
Aegiceras 428.
Aerenchym 81.
Aetna 806.
Afrika 797.
— Trop., Klima 299.
— Trop., Regenwald 321.
— Wüsten 637 u. f.
Agathosma capitatum 557.
Agave applanata 673.
— in Mexico 678.
Agropyrum junceum 687 .
Akklimatisation 55.
Alang- Alang 176.
Alaria dolichorhachis 837.
Alaska, Wälder 596.
Alchemilla javanica 770.
Alectoria 721.
Algen 822 u. f.
— als Landpflanzen in den Tropen
246.
— Verhalten gegen das Licht 66.
Alhagi maurosum 645.
Allephanies. Wälder 604 u. f.
Aloe 450.
— dichotoma 660. 661.
Alpen, Bestäubung der Blüthen 140.
Alpine Flora der Alpen 809.
— — der Anden 780.
! — — des Kilimandscharo 774 u. f.
— — des Kinabalu 772.
Natal's 798.
— — Neu - Seeland's 797.
Alpine Gesträuche 740.
— Grasfluren 740.
— Gräser 742.
— Pflanzen. Vorkommen in tieferen
Regionen 751.
— Region 737.
— Region. Verfärbung der vegetativen
Organe 747.
— Steppen 763.
— Vegetation. Vergleich mit der
polaren 752.
— Structur 740.
— Wüsten 740.
Alpines Klima. Aetherische Oele 751.
! — — Licht 749.
1 — — Niedere Temperatur 750.
— — Stoffwechsel 750.
— — Trocknende Eigenschaften 7 50.
— — Zuckerbildung in den Nektarien
7 5°-
Alseusosmia macrophylla 506.
864
Register.
Alstonia verticillata 353.
Altai 814.
Ameisen, Bedeutung für die Pflanzen
147 u. f.
— blattschneidende 149.
— pilzzüchtende 149.
— Schutzmittel der Pflanzen gegen
dieselben 153.
Ameisenpflanzen 154.
Amerika 779. Vgl. die verschiedenen
Länder, sowie Nordamerika, Süd-
amerika.
Amherstia nobilis 357.
Ammophila arenaria 687.
Amphithalea ericifolia 546.
Amurland 625.
Anaphalis javanica 761.
Anastaticahierochuntica (unnächte Rose
v. Jericho) 642.
Anden. Flora 740. 779.
Andira inermis 399.
— laurifolia 376.
Anemophile Vorrichtungen 89.
Androsace helvetica 810.
Angraecum eburneum 143.
Anisosperma Passiflora 213.
Anona senegalensis 391.
Antelminellia gigas 840.
Apennin 804.
Aphotische Region 818.
Aphyllen 11.
Arabien 648.
Araceen 252.
Arctostaphylos tomentosa 566.
-Areca 250.
— Catechu, 254.
Areg 640.
Arenga 250.
Argentinien 799.
— Klima 487.
— Pampas 532.
— Wälder 502. 523. 524.
Aristida 661.
— pungens 647.
Aristotelia maqui 571.
Arktische Meere 836.
— Pflanzenformationen 721.
— Vegetation 710.
— — Vergleich mit der alpinen
752-
Bestäubung 141.
Arktische Vegetation. Floristischer
Charakter 718.
— — Periodicität 705.
Arktisches Klima 697.
Artemisia 658. 675.
— frigida 658.
— maritima 658.
— tridentata 671. 672.
Artocarpus 255.
Arundinaria macrosperma 502.
Asien 786.
— trop. Regenwald 315.
— Wüsten 637 u. f.
Asplenium adulterinum 104.
— Nidus 317. 760.
— serpentini 104.
Assimilation der polaren Gewächse 712.
Astelia 508. 514.
Asterionella gracillima 853.
Atlas 804.
Athos 806.
Aufthauen. Schädl. Wirk. 43.
Auftauchender Gürtel 823.
Australien, Grasfluren 534.
— Hartlaubgehölze 558.
— Klima 492. 493.
— Periodische Erscheinungen 475.
— Trop. Regenwald 324.
— Scrub 559 u. f.
— Wälder 514. 525.
— Wüste 664.
Auerrhoa Bilimbi 329.
Avicennia 428 u. f.
— officinalis 429. 431.
Azorella 741. 780. 782.
Baccharis rosmarinifolia 571.
— serrulata 398.
— rufescens 398.
Balanophoreen 364.
Bambusa 251. 410.
Bambusen, kletternde 335.
— Wachsthum 235.
— s. a. Cephalostachyum.
Bambuswald 408.
Banane 85. 253.
— ornithophil 136.
Banksia marginata 563.
— serrata $63.
— ericaefolia 563.
Register.
865
Banksia spinulosa 563.
Banyan 344.
Baobab 392.
Basale Region 737.
Batis maritima 11.
Baumfarne 247.
Baumgrenze 183.
Bauhinia 212. 339. 341.
— kletternd 338 u. f.
Bäume, Fassbäume 375.
— Etagenform 372.
— Eigenthüml. der, im trop. Regen-
walde 326.
— hygrophile 179.
— Schirmform 372.
— Transpiration 179.
— Verzweigung in den Tropen 330.
— Wasserbehälter 375.
— xerophile 180. 371.
Benthos 818. 823. 836. 848. 849.
Berzelia abrotanoides 557.
Bestäubungsvorrichtungen 133.
Bewegungen des Wassers 819.
Bigelovia graveolens 67$. 676.
Blatt 7 u. f.
Blattfadenranken 210.
Blattkletterer 210.
Blattsucculenten 1 1 .
Blüthen. Abhängigkeit von niederen
Temperaturen 54.
— — von der Trockenheit 233.
— alpiner Gewächse 743. 747.
— knospen im trop. Regenwald 358.
Boden 93 u. f.
— chemische Eigenschaften 96.
— Durchlässigkeit 94.
— Erhitzung durch Schichtung 49.
— Physikalische Eigenschaften 93.
— Salzgehalt 6. 96.
— Trockenheit 6.
— Versumpfung 93.
— Wassercapacität 94.
Bodensee 852.
Bodenwasser 192.
Böhmerwald 607.
Bombax malabarium 372.
Borneo, alpine Flora 772.
— Regionen am Kinabalu 766.
Boronia crenulata 561.
Borrecia eryngioides 402.
Botryococcus Braunii 853.
Schi mp er, Pflanzengeographie.
Bouteloua oligostachya 675.
Brachysema undulatum 561.
Brackische Gewässer 817.
Brasilien 501. 784.
— Klima 293.
Brickellia pinifolia 398.
Brodbaum 255.
— Bromeliaceen 253.
— epiphyt. 348 u. f.
Brownea hybrida 356.
Brugmeria 428 u. f.
— caryophyllata 430.
— parviflora 427.
— gymnorhiza 428. 430. 432.
Buchenwald in Neu-Seeland 795 u. f.
Buchloe dactyloides 631 u. f. 675.
Büffelglas s. Buchloe.
Bulbilis s. Buchloe.
Buschwald 176.
Caatinga s. Catinga.
Cacteen in Mexiko 678.
Cakile maritima 687.
Calciumcarbonat 105.
Californien 597.
— Chaparral 569.
— Hartlaubgehölze 565.
— Wälder 567.
— Wüste 668.
— Wüstenklima 668.
Calligonum 651.
Calluna vulgaris 689.
Calophyllum eugenioides 773.
Calytrix glabra 561.
Camargue. Vegetation 202.
Campos 39.
— Klima 295.
Capoes 385.
Capparis spinosa var. aegyptiaca 647.
Capura 165.
Carapa obovata 430.
Cardinalgrade 42. 50.
Cardinalpunkte 42.
Cassiope tetragona 13. 723.
Cassinia fulvida 692.
Cassytha 365.
Casuarina montana 762. 763. 764.
Catinga 386.
Cattleya bicolor 12.
Caulerpa prolifera 829.
55
866
Register.
Caulerpa. Wachsthum in luftarmem
Wasser 81.
Cauliflorie 360.
Ceanothus cuneatus 566.
— papillosus 566.
Cecropia 154.
Celebes, Regionen 766.
— Pandanuswald 771.
Celmisia sessiliflora 744.
-- viscosa 798.
Centralasien. Wüsten 650 u. f.
Cephalostachyum pergracile Fig. 187.
Ceratium 841.
Cereus polylophus Fig. 128.
Chaparral $69.
Chasmophyten 193.
Ceylon 768. 773.
Chara 850.
Chile 803. 807.
— Hartlaubgehölze 570.
— Klima 480. 494.
— Periodische Erscheinungen 473.
— Wälder 518.
Chlornatrium 98.
Chorda filum 825.
Chorizema triangularis 561.
Cisternepiphyten 341.
Cistus 550.
— crispus 551.
Chylokaulen 12.
Chylophyllen 11.
Cladina 721.
Chadophora pygmaea 825.
Clerodendron 160.
— Minahassae 359.
Cliffortia ilicifolia 558.
Clusia, epiphyt 343 u. f.
— grandiflora 354.
Cneorum tricoccum 546.
Cochlearia fenestrata 44. 45. 713.
Cocos nucifera 249. 250.
Codonanthe Devosii 342.
Coleonema album 557.
Colliguaya odorifera 571.
— integerrima 571.
Copernicia tectorum 397.
Coprosma acerosa 692.
— foetidissima 506.
— Hookeri 768. 772.
— serrulata 800.
- sundana 767.
Cordia nodosa 161. 163.
Cordillere, Regionen 779.
Cordyline australis 453.
Croton antisyphiliticus 402.
Crumenaria erecta 402.
Culturen im Höhenklima 745.
Cunonia capensis 559.
Cupressus macrocarpa 570.
— sempervirens $50.
Cüscuta europaea 220.
Cycadaceen 248. 249.
— in der temp. Zone 449.
Cyclotella bodanica 853.
— comta 853.
Cymbella cistula 826.
Cypresse 549. 550.
Dacrydium cupressinum 513.
Dalechampia ficifolia 213.
Dalbergia variabilis 211.
Damaraland 660.
Dammara australis 513.
Daphne Gnidium 553.
Death Valley 668.
Delesseria sanguinea 835.
Dendrocalamus giganteus 234.
Dendromecon rigidum 567.
Desmarestia aculeata 834.
Desmoschoenus spiralis 197. 692.
Desmotrichum balticum 825.
Dianthus glacialis 745.
Dillenia ochreata 353.
Dionysia 19.
Dioon edule 248.
Diosma succulentum 557.
Dismal swamp 606.
Djotiwald 380.
Djurdjura 804.
Dorngehölze, temperirte 523.
Dornenwald 281. 282.
— klimatische Bedingungen 291. 297.
491.
— in Amerika 385.
— in Ostafrika 384.
Draba 723.
— alpina 714.
Dracophyllum uniflorum 800.
Drakenberg 798.
Drapetes ericoides 768. 772.
Drift 33.
Register.
867
Drimys Winteri 616.
Dryandra mucronulata 563.
Dünen 195. 688. 689.
— an Süsswasserseen 198 u. f.
— Vegetation 196. 204.
— in den Wüsten 640.
Duroia 160.
Dunkelheit Wirkungen auf das Pflan-
zenleben 63.
Dysphotische Region 818.
Edaphisch 5.
Edaphische Wirkungen in den tempe-
rirten Zonen 684.
— — in den Tropen 404.
Eisflora 859.
Elymus arenarius 687. 689.
Empetrum nigrum 723.
Endochylen 13.
Entomophilie 139.
Epiphyllen 351. 352.
Epiphyten 213.
— Beziehungen zur alpinen Flora 752.
— in Monsunwäldern 378.
— im Sommerwalde 589.
— in den Savannen 376.
— im temperirten Regenwald 508 u. f.
— im trop. Regenwalde 314. 315 u. f.
340.
Eremanthus sphaerocephalus 399.
Erfrieren 43.
Erica multiflora 553.
Ericinella Mannii 777.
Erigeron pulvinatum 742.
Eryngium ebracteatum 402.
— maritimum 688.
Escallonia arguta 571.
Espeletia 780.
Espinalformation 488.
Eucalyptus 525. 526. 527. 560 u. f.
— globulus 525.
Eugenia dysenterica 374.
— ' Jaboticaba 374.
Eupatorium horminoides 398.
Euphorbia 395. 662.
Eurotia lanata 675. 676.
Europa. Urwälder 607.
Euryops dacrydioides 777.
Euterpe edulis 307.
Exostema floribundum 145.
Fagus, im antarktischen Walde 615 u. f.
— cliffortioides 796.
— fusca 506.
— Solandri 506.
Farne, epiphytische 341 u. f.
— in den Tropen 247.
Feijoa 138 u. f.
Felspflanzen 193.
Festuca thalassica 687.
Fettbäume 466.
Feuerland, Wälder 615.
Ficus 254. 342. 343. 362. 397.
— aurea 501.
— bengalensis 344. 345.
— epiphyt 343 u. f.
— inaequalis 161 u. f.
— religiosa, Träufelspitze 22.
Fiederblätter 13.
Flechten 721.
Fleischfressende Pflanzen 695.
Fliessende Gewässer 855.
Florida, Wälder 501 u. f.
Forciren 51. 466.
Formationen 173. 175.
— klimatische 176.
— edaphische 176.
— Zusammenleben der Pflanzen 204.
Fragilaria crotonensis 853.
Frailejon 780.
Freycinetia 334.
Fucus vesiculosus 832.
Fumarolen 413.
Galeriewald 192.
Galmei 104.
Garcinia ferrea 353.
Garigues 548.
i Gebiete 228.
Gefrieren 43.
Gehölz 176.
Gehölzfeindliches Klima 188.
Gehölzklima 178. 188.
— in den Tropen 297.
— in den temperirten Zonen 573.
Genfer See 852.
Geselliges Wachsthum 205.
— — im tropischen Regen walde 313.
Genossenschaften 208.
Gentiana acaulis 116,
55*
868
Register.
Gentiana excisa 116.
— quadrifida 766.
Gerolle 194.
Gesträuch 176.
Glaucium flavum 688.
Gleichenia linearis 247.
Globularia alypum 553.
Gnaphalium involucratum 769.
Gnetum scandens 332.
Gnidia pinifolia 557.
Gobi 650 u. f.
Gomphrena jubata 401.
Gossleriella tropica 840.
Gouania urticaefolia 212.
Gourliea decorticans 523.
Grammatophyllum speciosum 346.
Gräser, alpine 742.
Grasflur 176.
Grasfluren, temperirte 528 u. f. 622
u. f.
— in den Tropen 282. 387.
Grasflurfeindliches Klima 189.
Grasflurklima 189.
— in den Tropen 282.
— in den temperirten Zonen 481
u. *"• 573-
— tropisches 295. 301.
Grasnarbe, Existenzbedingungen 188.
Grayia polygaloides 676.
Grenzwerthe der pflanzlichen Func-
tionen 42.
Grönland 725.
— Bestäubung der Blüthen 141.
Grubbia stricta 543.
Grundwasser s. Bodenwasser.
Gürtel der Wasservegetation 823.
Gymnospermen, in der temp. Zone 449.
— in den Tropen 249.
H.
Hakea saligna 564.
Hakenklimmer 211.
Halbwüste 177.
Halophyten 101. 196. 202. 817.
Halostachys occidentalis 676.
Haloxylon ammodendron 656. 657.
Hamada 640.
Harpagophytum 665.
Hartlaubgehölze 538.
— Klima 493.
Hedycarya dentata 506.
Heide 689.
Helianthemum vulgare im Höhenklima
748.
Helichrysum Lentii 775.
Heliconia Bihai 359.
Helm 687.
Hemiepiphyten 340.
Hemiplankton 818.
Hemisaprophyten 219.
Himalaya 786.
Hinterhubera ericoides 740.
Hippophae rhamnoides 688.
Hochmoore 691.
Höhen 727.
— Culturen 745.
— Obere Grenze des Pflanzenlebens
753.
Höhenklima 727.
Honigvögel als Bestäuber 135.
Homalium tomentosum Fig. 125.
Honkenya peploides 687.
Humboldtia 160.
— laurifolia 162.
Humus 94. 118.
— in den Tropen 408.
— pflanzen 124.
— säuren 6.
Hydathoden 23.
Hydnophytum 162.
Hydnora africana 661.
Hygrophyten 4.
— Klima 5.
— Structur 20.
Hymenophyllaceen 331.
Hyptis virgata 402.
Indien, Klima 282. 291.
— Wald 388.
— Wüste 650.
Inselfloren, Bestäubung d. Blüthen 141.
Ionopsis 216.
Ipomoea 399.
— pes caprae 198. 414. 415. 416.
Isoetes echinospora 847.
— lacustris 847.
Isothermen 227.
Japan 814.
— Wälder 516. 614.
— Periodische Erscheinungen 47 1 .
— Klima 479.
Register.
869
Java, Regionen 759.
— Strandformation 196.
— Wald 315.
Juan Fernandez , Blüthenbestäubung
142.
Juniperns communis 41. 186.
Jussiaea, Pneumatophoren 83.
— peruviana 83.
Kadsura cauliflora 361.
Kageneckia angustiflora 571.
— oblonga 571.
Kalahari 660.
Kalk 105.
— Einfluss auf die Pflanzenstructur 107.
— in den Tropen 407.
— giftige Wirkungen 107.
— Einfluss auf den Stoffwechsel 108.
— boden u. Florencharakter in.
— pflanzen in u. f.
Kälte, Angebliche Schutzmittel gegen
dieselbe 717.
— grösste auf der Erde 46.
— physiologische Vorgänge auslösend
54.
— Structur der Pflanzen polarer Ge-
biete 41.
— Widerstandsfähigkeit der Pflanzen
43-
— Wirkungen 41. 835.
Kamtschatka 614.
Kandelia 425.
Kapland, Hartlaubgehölze 555.
— Klima 482.
— > Periodische Erscheinungen 474.
Karroo 659. 661.
Kaspimeer, Wüste an demselben 650
u. f.
Kaukasus 814.
Keimung. Abhängigkeit von der Tem-
peratur 52.
Kiefernwälder 505.
Kieselpflanzen in u. f.
Kilimandscharo 648. 769.
— alpine Flora 774 u. f.
Kinabalu 766. 772.
Kleinmannia silvicola 506.
Klima. Vgl. Temperirte Zonen, Tropen,
alpines K. etc.
Knightia excelsa 506.
Knospen, im tropischen Regenwalde
354-
Kochsalz s. Chlornatrium.
Kolibris als Bestäuber 133.
Königspalme 250.
Krakatau 200.
Krummholz 740. 760.
Landpflanzen, in Wasser wachsend 26.
Lasiagrostis splendens 658.
Laterit 406.
Laubentwickelung im trop. Regenwalde
355-
Laubwald, sommergrüner 537.
Lavendula Stoechas 553.
Lavendel 551.
Leontodon Taraxacum im Höhenklima
746.
Lepidium intennedium 673.
Leptospermum floribundum 761. 762.
— resiniferum 564.
Leucadendron 555.
— argenteum 556. 560.
Leucopogon Cunnighami 564.
— javanicus 763. 768.
Lianen 209.
— im japanischen Walde 615.
— im Sommerwalde 589.
— im trop. Regen walde 332.
— in Monsunwäldern 378.
Licht 61 u. f.
— im alpinen Klima 749.
— Concentration durch Schattenblätter
— Einfluss der verschiedenen Strahlen-
gattungen 67.
— Optima 67 u. f.
— Schädlichkeit intensiven L. 66.
— Schutzmittel gegen intensives L. 66.
— Messung der Intensität 62.
— im Wasser 819.
— Wirkung auf Reproduktionsorgane
65.
— Wirkungen verschiedener Intensi-
tät 64.
- Wirkung auf Transpiration 6.
— Streben nach Licht im Regenwald
3M.
— Wirkung dauernden Lichtes.
Lichtwirkungen in den Tropen 241.
870
Register.
Lichtregionen 818.
Limnetisch 819.
Lippia rotundifolia 402.
Lithophyten 193.
Lithothamnion glaciale 838.
Llanos 397.
Lodoicea Sechellarum 252.
Lorbeer 551.
Loricaria ferruginea 780.
Lousiana, Wälder 502.
Luft in den Gewässern 80.
— Wirkung hoher Lufttemperatur 649.
— Verdünnung 6.
Luftdruck. Wirkungen verminderten
und erhöhten L. 78.
Lufttemperaturen, hohe 6. 49.
Lycopodium nummulariaefolium 316.
— Phlegmaria 316.
Lysipoma aretioides 742.
Macroplectrum 146
Maja compacta 742.
— cuntellata 134.
Makrothermen 227.
Malayische archipel. Regionen 759.
Mangifera indica 358.
Mangrove 423 u. f.
— Algen 827.
Maquis 548.
Marcgravia 134.
— umbellata 134.
Mediterrangebiet 803.
Meer. Vegetation 822 u. f.
Meere arktische 836.
— temperirte 831.
— tropische 826.
Meeresstrand 196.
Melaleuca densa 561.
Melastomaceen, Myrmecophilie 166.
Mendozia Vellosiana 359.
Merope aretioides 742.
Mesembryanthemum 662.
— cristallinum 647.
Mesothermen 227.
Metrosideros lucida 506.
— viminalis 564.
Mexico 782.
— Klima 677.
— Wälder 503.
— Wüsten 675.
Mezquite 529.
Micania officinalis 398.
Microspongium gelatinosum 825.
Mikronesien, trop. Regenwald 324.
Mikrothermen 227.
Mittelmeergebiet. Klima 495.
— Hartlaubgehölze 547.
Monsunwald 281. 371. 378. 383.
Monotropa Hypopitys 121.
Montane Region 737.
Monteformation 488.
Moore 690.
Moose. Structur in Polarländern 41.
Mull 118.
Musa 253.
Mycorhiza 120.
Myoporum tuberculatum 561.
Myrcia longipes 374.
Myriophyllum alterniflorum 847.
Myrmecodia 162.
Myroine Urvillei 506.
Myrmecophilie 154.
Myrte 551.
Myrtus bullata 506.
Nadelwälder 594.
Natal 797. 802.
Navicula Grevillii 827.
Neapel, Algenvegetation im Golf von
829.
Nebraska, Prärie 628.
Nektarien, extranuptiale 167.
Nepenthes 695.
Nertera depressa 761.
Nesodaphne Jawa 506.
Nestepiphyten 340.
Neu -Mexico, Savannen 528.
Neurada procumbens 647.
Neu -Seeland 794 u. f.
— Bestäubung d. Blüthen 142.
— Wälder 506.
Nidularium Innocentii 348.
Niederholz 186.
Nitella 850.
Nitraria Schoben 658.
Nord -Amerika. Atlantische Wälder
597. 601 u. f.
— Klima 574.
— Pacifische Wälder 597.
— Prärie 626 u. f.
Register.
871
Nord - Amerika. Wälder 595.
— Wüsten 665.
Nord- Carolina. Wälder 604.
Nothofagus 795 u. f.
Nullpunkte des Pflanzenlebens 42.
— untere 43.
Nuphar luteum 850.
— pumilum 849. 850.
Nymphaea 850.
Nymphaeaceen 850.
Oasen 192. 640.
Octomeria 12.
Odontospermum pygmaeum 643.
Oelbaum 550.
Oleä europaea 539. 550.
— capensis 542.
— montana 5° 6.
Oleander 551.
Olearia nummularifolia 800.
Olinia acuminata 543.
Ombrophil 4.
Ombrophilie in den Tropen 244.
Ombrophob 4.
Ombrophobie in den Tropen 244.
Optimum 42.
— absolutes 50.
— harmonisches 50.
— ökologisches 50.
Opuntia oligostachya 675.
Orchideen, epiphy tische 341 u. f.
— saprophytische 363.
Oreodoxa regia 250.
Oriastrum pusillum 742.
Ornithocerus 840.
Ornithophilie 133.
Ost -Asien, Kalttemp. Klima 583.
— Regionen 759.
Oxyanthus hirsutus 145.
Palmen 250. 504.
— kletternde 333.
— in d. temper. Zone 452.
Pamir 789 u. f.
Pampas 532.
— Klima 488 u. f.
Pandanus 252. 253. 417. 418. 766.
77*-
— Sechellarum 243.
Paramos 742. 779.
Parasiten 125. 219.
— im trop. Regenwalde 363.
Passerina hirsuta 553.
Patagonien. Klima 489.
— Wüste 679.
Pelagisch 819.
Pelargonium undulatum 661.
Pendjab 639.
Perichylen 13.
Periodische Erscheinungen der Wasser-
pflanzen 819.
— — in der Arktis 705.
— — bei Meeresalgen 830. 833. 857.
— — in den temperirten Zonen 460.
— — in den Tropen 260.
Peru 781.
Pes-caprae - Formation 415. 416.
Phänologie 42.
Phebalium nudum 506.
Phillyrea media 553.
Philodendron melanochrysum 337.
— cannifolium 343.
Phoenix 251.
— silvestris 251.
Phormium tenax 510.
Photinia integrifolia 765.
Photische Region 818.
Photometrische Methoden 62.
Phylica ericoides 546.
Phyllocladus alpinus 800.
— glaucus 513.
Physikalische Feuchtigkeit 4.
— Trockenheit 4.
— Bodentheorie 113.
Physiologische Feuchtigkeit 4.
— Trockenheit 4.
Phytelephas 251.
Pickeringia montana 566.
Pidurutallagalla 768.
Pilze in den Tropen 246.
Pimelea spectabilis 561.
Pine barrens 606.
Pinie 548. 549.
Pinus montana var. Pumilio 740.
— Pinea 203. 540.
— Pumilio s. P. montana var. P.
— strobus 601 u. f.
Pistacia 550.
— Lentiscus 552.
Pittosporum Colensoi 506.
872
Register.
Pittosporum phillyraeoides 564.
Plankengerüste an tropischen Bäumen
326 u. f.
Plankton 818. 839. 852.
Planktoniella Sol 840.
Pflanzenleben, obere Grenze im Hoch-
gebirge 753.
Platycerium grande 347.
Platysma 721.
Pneumatophoren 82. 430 u. f.
Podocarpus 507.
— ferruginea 513.
— Totara 513.
Podostemaceen 856.
Podostemon Mülleri 855.
— Schenckii 855.
Polare Gewächse. Structur ders. 41.
— — Resistenz gegen Kälte 45.
Polsterpflanzen 741. 742.
Polygala myrtifolia 546.
Polylepis lanuginosa 780.
— racemosa 799.
Posidonia oceanica 824.
Polytrichum 721.
Posoquiera hirsuta 145^»
Primula imperialis 761.
— nivalis 708.
Pritchardia filifera 669.
Prosopis alba 522.
— juliflora 529.
Protea Kilimandscharica 776.
— speciosa 137.
Proteaceen 541. 556 u. f. 563.
— ornithophil 136 u. f.
Protoepiphyten 340.
Prunus ilicifolia 568.
Psamma arenaria 689.
Psammophyten 195.
Psilotum flaccidum 316.
Psychotria pyrifolia 521.
Pteris aquilina 763.
Puna 742. 780.
Pyrenacantha malvifolia 649.
Pyrenäen 813.
— Bestäubung d. Blüthen 140.
Q.
Quenoa 799.
Quercus chrysolepis 540. 545.
— coccifera 554.
— dumosa 566.
Quercus Hex 547. 548.
— pruinosa 762.
— Suber 550.
— virens 502.
Quillaja Saponaria 571.
Rafflesia 364.
Ralfsia verrucosa 825.
Rankenpflanzen 210.
Ranunculus fluitans 28.
— javanus 761.
— pygmaeus 723.
Raoulia 741.
— Hastii 685.
— mamillaris 19.
Ravenala 254.
— madagascariensis 254.
— ornithophil 136.
Regen, Bedeutung für den Wald 180.
Regenwald 281.
— subtropischer 500.
— temperirter auf Ceylon 773.
— temperirter 505 u. f. 759.
— — Klima 479.
— tropischer 282 u. f. 305. 306 u. f.
— — in Afrika 321.
— — in Asien 315.
— — Oekologie 326.
Region, Photische 818.
— aphotische 818.
— dysphotische 818.
Regionen 228. 736.
— in den tropischen Anden 779.
— in Argentinien 799.
— am Athos 806.
— am Aetna 806.
— in den Alpen 808.
— am Altai 814.
— am Apennin 804.
— in den Canaren 806.
— in Chile 803. 807.
— am Djurdjura und Atlas 804.
— im Himalaya 786.
— in Brasilien 784.
— im Kaukasus 814.
— am Kilimandscharo 769.
— in Mexico 782.
— in Natal 798.
— am Ontake (Japan) 814.
— in Ost- Asien 759.
Register.
873
Regionen, Pflanzenleben 739.
— in den Pyrenäen 813.
— i. d. Rocky Mountains 815.
— in der Sierra Nevada (Californien)
806.
— in Süd-Macedonien 807.
— in der Tatra 813.
— in den temperirten Zonen 786.
— am Tian-Schan 814.
— in Tibet 792.
— Tiefenregionen 818.
— Lichtregionen 818.
— in den Tropen 757.
— am Ml- Ventoux 804.
— Vergleich mit den Zonen 737.
— in den White Mountains 815.
Retama Raetam 642.
Rhipsalis 342.
Rhizophora 419. 424. 426 u. f.
Reproduction, Abhängigkeit von äusse-
ren Einflüssen 30.
Rhododendron ferrugineum 808.
— hirsutum 808.
Rhus caustica 571.
Riencourtia oblongifolia 398.
Rocky Mountains 815.
Rose v. Jericho s. Anastatica, Ondon-
tospermum.
Rosettenstauden, alpine 741.
Rosmarin 551.
Rozites gongylophora 151.
Russland, Klima 576.
— Steppen 629.
— Uebergang der Steppe in das Wald-
gebiet 633.
S.
Sabal Palmetto 503.
Sachalin 610 u. f. 626.
Sagebrush s. Artemisia tridentata 675.
Sagopalme 251.
Sahara 637 u. f.
Sal s. Shorea.
Salicornia 202. 686.
— herbacea 688.
— macrostachya 202.
Salix polaris 712.
— reticulata 811.
Salpeter 103.
Salsola Kali 687.
Salze des Bodens. Wirkungen auf die
Pflanze 96 u. f.
Salzpflanzen s. Halophyten.
Samen. Dauer der Schwimmfähigkeit 34.
— Schwimmvorrichtungen 32.
— Widerstand gegen Kälte 44.
Sandpflanzen 195.
Saprophyten 218.
— im trop. Regenwalde 363.
Sarienanthus utilis 335.
Sarcobatus Baileyi 667.
— vermiculatus 676.
Sarcocaulon 662. 663.
Sargassomeer 827.
Sargassum bacciferum 828.
Satureja virgata 571.
Saussurea tridactyla 753.
Savanne 176. 282.
— tropische 389.
— in Afrika 390.
— in Amerika 397.
Savannenwald 281. 282. 524. 525.
— in Afrika 384.
— in Amerika 385.
— in Indien 379.
Saxaul s. Haloxylon.
Saxifraga 723.
Schatten 68.
Schattenblätter, metallener Glanz 71.
Schattenpflanzen 70 u. f.
Schattige Standorte 69.
Schinopsis Lorentzii 524.
Schistotega, Lichtwirkungen 70 u. f.
Schizolobium excelsum 328
Schleichera trijuga Fig. 123.
Schmarotzer s. Parasiten.
Schneeflora 859.
Schorre 195.
Schugnan 792.
Schwarzes Meer. Küstenwälder 610.
— Steppe im Gebiet dess. 629.
Schweiz 807.
Schwimmfähigkeit der Samen 34.
Schwimmgewebe 32.
Schwimmvo'rrichtungen bei Früchten
und Samen 32.
Scitamineen 252.
Erscheinung im tropischen Regen-
— walde 313.
Scrub 559 u. f.
Securidaca lanceolata 215.
874
Register.
Securidaca Sellowiana 210.
Seen, Süsswassers., Dünen 200.
— Vegetation 845. 848.
Senecio Johnstonii 774. 779.
— vaccinioides 740.
Sequoia gigantea 600.
— sempervirens 596.
Serpentin 103.
Sertäo, Klima 296 u. f.
Sha- Wälder 407.
Shorea robusta 409.
Sibirien, Klima 46.
— Wälder 611.
Sida linifolia 402.
Sierra Nevada (Californien) 597. 807.
— — (Spanien) 804.
Sklerokaulen 1 1 .
Sklerophyllen 11.
Sieversia glacialis 724.
Solfataren, Flora 752.
Sommerregen 181.
Sommerwald 587 u. f.
— im Himalaya 790.
— in Mexico 782.
— im Neu -Seeländischen Hochge-
birge 794.
Sonnenpflanzen 70.
Sonneratia 429 u. f.
— acida 429.
Sonnige Standorte 68.
Sonora- Region 668.
Spaltöffnungen, Verschluss bei trocke-
nem Wetter 15.
Sparganium minimum 847.
Sphagnum 691.
— cymbifolium 694.
— fimbriatum 694.
Spinifex hirsutus 666.
— squarrosus 197.
Spreizklimmer 209.
Steppe 282.
Strand d. Meeres 196.
Strelitzia 137 u. f.
— ornithophil 136.
Stammsucculenten 12.
Stapelia 662.
— caralluma 649.
Stärkebäume 466.
Steppe 176. 626.
Strand, temper irter 686.
— Vegetation in den Tropen 416.
Strandstimpfe 686.
Strandwald 419 u. f. vgl auch Man-
grove.
Strandwiesen 687.
Sträucher der Savannen 375.
Strychnos triplinervia 211.
Styphelia squarrosa 561.
— verticillata 561.
Subtropische Gebiete 478.
Subularia aquatica 847.
Succulenten 1 1 .
Südafrika, Klima 482.
— Grasfluren 530.
— Wüsten 658.
— vgl. auch Kalahari, Kapland, Karroo.
Südamerika, nördl. Klima 298.
— temper. Klima 487.
— temper. Grasfluren 532.
— westliches, Wüsten 679.
— Vgl. auch Brasilien, Argentinien,
Guiana, Patagonien, Chile, Peru.
Sümpfe in den Tropen 411.
Sumpfwald 411.
Symplocos buxifolia 768. 772.
I Tabernaemontana dichotoma 354.
' Taeniophyllum Zolllingeri 237.
Taimyrland 709. 722.
Tamarix 654.
— Pallarii 658.
Tatra 813.
Taxodium. Pneumatophoren s. 83.
Tectona 378. 380 u. f.
— Hamiltonii 353.
Temperatur des Bodens, hohe 49.
— günstigste 51.
— niedere. Physiologische Bedeu-
tung 54.
— Einfluss auf Keimung 52.
— — auf Wachsthum 52.
— — auf Gasaustausch 53.
— niedere, des Bodens 6.
— Vgl. Akklimatisation, Kälte, Wärme.
Temperaturen, hohe 49.
— niedere 46.
Temperirte Zonen, Gehölzklima und
Grasflurklima 573 u. f.
— — Grasfluren 622 u. f.
— — Periodicität 460.
Texas, Savannen 528.
Register.
875
Thiere 132 u. f.
Thlaspi calaminarium 105.
Thon im Boden 95.
Thurmann's Bodentheorie 112.
Thymian 55 *.
Tian-Shan 814.
Tibet 792.
Tibouchina frigidula 402.
Tiefenregionen 818.
Tiekbaum s. Tectona.
Tillandsia 349 u. f.
— stricta var. Schlumbergeri 352.
— usneoides 350.
Tjemoro 762.
Tococa lancifolia 168.
Torf 120.
Torfmoore. Xerophile Structur der
Vegetation 18.
— Vgl. auch Moore.
Transkaspische Wüste 650 u. f.
Transpiration 6.
— der Hygrophyten 21.
— der Xerophyten 21.
Träufelspitze 22.
Trichomanes angustatum sinuosum 331.
Triplaris 160.
— americana 162.
— caracasana 162.
Trockenheit des Bodens 6.
— Einfluss auf die Reproductions-
organe 30.
— Trockenpflanzen s. Xerophyten,
Xerophil.
— Tropen. Blüthenbestäubung 1 44 u. f.
— edaphishe Wirkungen 405.
— Flora 245.
— Gebiete mit Trockenzeiten 371.
— Gehölze in periodisch trockenen
Gebieten 377.
— Grasfluren 282.
— Hydrometeore 229. 244.
— Klima 229.
— Klimatische Formationen 281.
— Klimatische Beding, d. Hochwaldes
282.
— — d. Grasfluren 293 u. f.
- Licht 232. 241.
— Periodische Erscheinungen 260.
— Regenwald 305 u. f.
-- Regionen 757.
— Transpiration 238.
Trockenheit. Wachsthum 235.
— Wärme 231
— Wirkungen ders. 233.
Tropische Gewächse. Erfrieren über
o° 43.
— Meere 826.
Tropophil 24.
Tropophile Wälder 587.
Tropophyten 5. 24.
— Klima 5.
Tulipa 657.
Tundra 721.
U.
Uhrfederranker 211.
Umbellularia californica 544.
Untergetauchter Gürtel 833.
V.
Vaccinium myrtoides 767.
— uliginosum 711.
Ventoux, Ml- 804.
Verbena minima 742.
Vereinigte Staaten v. Nordamerika 574.
595- 597- 601. 626. 665.
Vernonia desertorum 400.
— elegans 398.
Veronica cupressoides 797.
Viola calcarata 140.
— calaminaria 105.
— granulosa 745.
— pygmaea 745.
— tricolor 140.
Vriesea Fig. 157.
Vulkane, Vegetation 200 u. f.
W.
Wachsthum, Abhängigkeit von der Tem-
peratur 52.
Wald. Bedeutung des Regens 180.
— in Indien 378.
— in Ostafrika 382.
— Strand wälder der Tropen 419.
— tropophiler in Indien 378.
— tropophiler in Afrika 383.
— Vgl. auch Dornwald, Regenwald,
Savannenwald, Sommerwald.
Wärme 40 u. f.
— Widerstandsfähigkeit gegen hohe
Grade 47.
Wämeoasen der Tundra 722.
Wärmewirkungen in den Tropen 233.
876
Register.
Washingtonia filifera 669.
Wasser, Bewegung 819.
— Chemische Zusammensetzung 820.
— Einfluss auf die Pflanzenstructur 26.
— Einfluss auf die Reproduction 30.
— Einfluss der Tiefe auf die Sexual-
organe 31.
— Einfluss strömender Bewegung auf
die Blüthenbildung 31.
— Wirkungen auf die Pflanzenstruc-
tur 3.
— Samen Verbreitung d. d. W. 32.
— stagnirendes 193.
— Temperatur 820.
— s. Bodenwasser, Salzwasser.
Wasseraufnahme. Dieselbe herab-
setzende Factoren 6.
Wasserdampf 183.
Wassergewebe 13.
Wasserpflanzen 817.
— Entstehung aus Luftpflanzen 27.
— Periodicität 819.
— Vegetationsorgane 26.
— Wasserform und Luftform 28.
Wasserspeicher 13.
Wassertracheiden 14.
Welwitschia 662. 664.
Weymouthskiefer 601 u. f.
White Mountains 815.
Wiese 176. 624.
Wiesenmoore 691.
Wind, Schutz der Bäume gegen den-
selben 374.
— trockenkalter 183.
— Wirkungen auf die Vegetationsor-
gane 84 u. f.
auf die Reproduction 88 u. f.
Windepflanzen 209.
Winterfeuchte temperirte Gebiete,
Klima 493.
Winterregen 180.
Wolga, Wüste 658.
Wormia Burbidgei 355.
Wormia triquetra 353.
Wurzelkletterer 209.
Wüste 176. 282. 626.
— alpine in Neu -Seeland 797.
— — in den Anden 780 s. a. Punas.
— in Australien 664.
— in Mexico 675.
— in d. Pamir 791.
— in Tibet 792.
— in Patagonien 679.
— in Südafrika 659.
— im westlichen Südamerika 679.
— an der Wolga 658.
X.
Xanthorrhoea 452.
Xerophile Structur 7.
— — bei polaren Gewächsen 713.
— Wälder s. Savannenwald, Dornwald,
Hartlaubgehölze.
Xerophyten 4. 6.
— Blätter 13.
— Klima 5.
— Bedingungen ihres Auftretens 6.
— Transpiration 22.
— Vorkommen ders. 1 1 .
— Wechselbeziehungen verschiede-
ner Standorte 15.
Xylia dolabriformis Fig. 125
Y.
Yucca, Bestäubung 146.
— brevifolia 669.
— macrocarpa 670.
— filamentosa 146.
— glauca 677.
Z.
Zamia integrifolia 449.
Zillia spinosa 644.
Zonen 227.
Zostera marina 824.
Zweigkletterer 210.
Zygophyllum cornutum 1 1 .
Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.
Druckfehler -Verzeichniss.
Seite 105
146
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627
627
629
640
671
672
675
7U
715
8. Zeile von oben lies Fig. 53 statt Fig. 52.
7. Zeile von oben lies Fig. 66 statt Fig. 67.
19. Zeile von unten lies Fig. 226 statt Fig. 224.
8. Zeile von unten lies Fig. 226, 227 statt Fig. 224, 225.
3. Zeile von oben lies Fig. 207 statt Fig. 205.
7. Zeile von oben lies Fig. 178 statt Fig. 176.
18. Zeile von unten lies Fig. 152 statt Fig. 352.
5. Zeile von oben lies Fig. 151 statt Fig. 150.
n. Zeile von unten lies Fig. 146 statt Fig. 147.
Auf dem Tafelbild lies Fig. 159 statt Fig. 157.
10. Zeile von unten lies Fig. 172 statt Fig. 170.
12. Zeile von oben lies Fig. 172,5 statt Fig. 170,5.
9. Zeile von unten lies Fig. 172 statt Fig. 170.
Auf dem Tafelbild lies Fig. 189 statt Fig. 187.
Auf dem Tafelbild lies Fig. 190 statt Fig. 188.
Auf dem Tafelbild lies Fig. 199 statt Fig. 197.
3. Zeile von unten lies Fig. 210 statt Fig. 211.
4. Zeile von oben lies Fig. 211 statt Fig. 213.
9. Zeile von unten lies Fig. 212 statt Fig. 213.
10. Zeile von oben lies Fig. 213 statt Fig. 214.
5. Zeile von unten lies Fig. 250 statt Fig. 251.
5. Zeile von oben lies Fig. 258 statt Fig. 28$.
17. Zeile von oben lies Fig. 267 statt Fig. 266.
14. Zeile von unten lies coccifera statt conifera.
5. Zeile von unten lies Fig. 300, 2 statt Fig. 500, 2.
4. Zeile von unten lies Fig. 306 statt Fig. 304.
I. Zeile von oben lies Fig. 324 statt Fig. 325.
I. Zeile von oben lies Fig. 323, 325 statt Fig. 326 — 328.
8. Zeile von oben lies Fig. 336 statt Fig. 337.
3. Zeile von unten lies Fig. 335 statt Fig. 336.
1. Zeile von unten lies Fig. 335 statt Fig. 336.
3. Zeile von oben lies Fig. 335 statt Fig. 336.
22. Zeile von oben lies Fig. 344 statt Fig. 334.
2. Zeile von unten lies Fig. 381 statt Fig. 382.
16. Zeile von oben lies Fig. 374 statt Fig. 371.
13. Zeile von oben lies polyacantha statt oligostachya.
2. Zeile von oben lies Fig. 403 statt 404.
7. Zeile von unten lies Fig. 404 statt 405.
Seh
Karte 1.
MITTLERER
JÄHRLICHER REGELFALL !
Schi
Karte 2.
L HbnnjQe tropische Regenseit mit H&upttrockenxeit
im Winter und Frühling •
R. HSnterregen Sommer regenarm .
CZ3 H. Hefen im Frühling oder JTrtth. -
Sommer meist such. Im Herb st
oder Vorwinter, trockener Spftt-
Sommer .
i y_st
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(__3 Yff.AILe Monate
regenarm (weniger als
6 Regentage unregelmas-
siges Hinüber greifen spärli-
cher Regen ans den anstossen
dem Gebieten.
CXZZ Gebiete mit Trockenxetten,, resp. mit Mo-
naten,, deren- normale JUgathäuftgkeit unter 0,20
(-6 Regentage- im, Monat) sinkt.
Goma.
BNdih ERDE
Xkrte3.
Scliimper , Pflanz eng eo
Karte 4.
*
ErhrlariLug eiL :
HB JTa9.elnrald.er
I I Prairle mit -wnenid
1 I Baumloses Land,
3
Gotha : Justus Perthes
m^m^^mm Grenze zwischen, dem
atlantischen iLpacißsclienWaldgeD.
Grenze der TJnteraoteihuigeiL
suß* beider Waldg c Mete , und. zwar :
** Atlantis ch.es Waldgeoiet.
1 ITördl. atlantiscne WaldprovinT
2 Pravins der WeyhmoutlLS Kiefer
( Pinus Stroous)
3 Südlicne Küstenprovinz
4,SammergrunerXa-iibvaia des
Mississippi Beckens und der
fftisntui dhen K"b eneu
5 D er lialb tropische "Wald
Pazifisches "Waldgebiet .
AEorälicne TValdproidtnz
Blustenwald
$ C "Wälder des Binnenlandes
DMexikanisclieT "Wald
C-
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