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Full text of "Pflanzen-geographie auf physiologischer Grundlage"

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REFERENCE  LIBRARY 

OF 

CRYPTOGAMIC  BOTANY 


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PFLANZEN-GEOGRAPHIE 


AUF 


PHYSIOLOGISCHER  GRUNDLAGE 


VON 

Dr.  ä.  F.  W.  SCHIMPER 

a.  o.   PROFESSOR    AN    DER    UNIVERSITÄT    BONN. 


MIT  502  ALS  TAFELN  ODER  IN  DEN  TEXT  GEDRUCKTEN  ABBILDUNGEN 
IN  AUTOTYPIE,  5  TAFELN  IN  LICHTDRUCK  UND  4  GEOGRAPHISCHEN  KARTEN. 


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JENA 

VERLAG    VON    GUSTAV    FISCHER 
1898. 


1 


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Alle   Rechte   vorbehalten. 


Vorwort. 


Die  Abgrenzung  der  einzelnen  Florenareale  und  ihre  Gruppirung 
in  grössere  Verbände  oder  Florenreiche  geht  ihrer  baldigen  Vollendung 
entgegen  und  die  Zeit  ist  nicht  mehr  fern,  wo  alle  Pflanzenarten  und 
deren  Verbreitung  bekannt  sein  werden.  Damit  wird  jedoch  nicht, 
wie  von  manchen  Seiten  noch  angenommen  wird,  die  Pflanzengeographie 
ihre  Aufgabe  gelöst,  sondern  nur  eine  Grundlage  geschaffen  haben, 
auf  welche  die  Wissenschaft  weiter  bauen  wird.  Das  Ziel  der  Pflanzen- 
geographie wird  dann  wesentlich  in  der  Erforschung  der  Ursachen  der 
Florenunterschiede  bestehen. 

Die  gegenwärtigen  Floren  stellen  nur  einen  Moment  in  der  Ge- 
schichte der  Pflanzendecke  dar.  Die  Wechselwirkung  der  der  Pflanze 
innewohnenden  Veränderlichkeit  mit  der  Veränderlichkeit  der  äusseren 
Factoren  bedingt  eine  bald  schneller,  bald  langsamer,  jedoch  fort- 
während sich  vollziehende  Umformung.  Dieser  Wechsel  beruht  theil- 
weise  auf  Wanderungen,  vornehmlich  jedoch  auf  Umgestaltung  der 
Glieder  der  Pflanzendecke.  Die  Structur  der  Pflanze  ist  aus  unbekannten 
inneren  Ursachen  einem  überaus  langsamen,  aber  anscheinend  ununter- 
brochenen Umwandlungsprocess  unterworfen,  welcher  zur  Ausbildung 
rein  „morphologischer",  d.  h.  in  keiner  sichtbaren  Beziehung  zur  Um- 
gebung stehender  Merkmale  führt.  Ausserdem  aber  wird  dieselbe,  wie 
der  Versuch  zeigt,  durch  Veränderungen  der  äusseren  Bedingungen  in 
tiefgreifender  und  rascher  Weise  modificirt,  so  dass  jeder  Wechsel  in 
der  Umgebung  alsbald  einen  solchen  in  der  Organisation  nach  sich 
zieht.  Sind  die  neu  eintretenden  Eigenschaften  nützlich,  so  werden  sie 
in  den  Nachkommen  gezüchtet  und  vervollkommnet,  und  stellen  dann 
die  sogenannten  „Anpassungen"  dar,  in  welchen  die  auf  die  Pflanze 
wirkenden  äusseren  Factoren  zum  Ausdruck  gelangen.  Da  diese  letz- 
teren  mit    der   geographischen   Lage   wechseln ,    so  werden   durch   die 


IV  Vorwort 

Anpassungen  die  Ursachen  der  Verschiedenheiten  im  Vegetationsbilde 
an  den  verschiedenen  Punkten  der  Erde  dem  Verständniss  näher  ge- 
führt, so  dass  ihre  Untersuchung  zu  den  vornehmsten  Aufgaben  der 
Pflanzengeographie  gehört. 

Der  Zusammenhang  zwischen  der  Pflanzengestalt  und  den  äusseren 
Bedingungen  an  den  verschiedenen  Punkten  der  Erdoberfläche  bildet 
den  Gegenstand  der  ökologischen  Pflanzengeographie,1)  welche  erst 
neuerdings  in  den  Vordergrund  des  Interesse  gerückt  ist,  obwohl  sie 
bereits  in  früheren  Werken,  namentlich  in  Giesebach's  verdienstvoller 
„Vegetation  der  Erde",  allerdings  von  veralteten  Gesichtspunkten  aus, 
Berücksichtigung  gefunden  hatte.  Der  grosse  Aufschwung  der  physio- 
logischen Richtung  in  der  Pflanzengeographie  datirt  von  dem  Augen- 
blicke, wo  die  bisher  nur  in  europäischen  Laboratorien  arbeitenden 
Physiologen  die  Vegetation  fremder  Länder  an  Ort  und  Stelle  zu  unter- 
suchen begannen.  Europa  war,  mit  seinem  in  jeder  Hinsicht  ge- 
mässigten Klima  und  seiner  durch  die  Cultur  tief  modificirten  Vegeta- 
tionsdecke wenig  geeignet,  zu  solchen  Beobachtungen  Anregung  zu 
geben;  im  tropischen  Regenwald,  in  der  Sahara,  in  der  Tundra  wurde 
der  enge  Zusammenhang  zwischen  dem  Vegetationscharakter  und  den 
Bedingungen  extremer  Klimate  an  augenfälligen  Anpassungen  nach- 
gewiesen. 

Durch  die  Gründung  des  botanischen  Laboratorium  in  Buitenzorg 
und  die  ungemein  günstige  Gelegenheit  zum  Aufenthalt  inmitten  der 
tropischen  Vegetation,  welche,  dank  Treub's  nicht  genug  zu  rühmenden 
Bemühungen  dem  Botaniker  auf  Java  geboten  werden,  hat  die  physio- 
logische Richtung  in  der  Pflanzengeographie  ungemein  rasche  Fort- 
schritte gemacht.  Namentlich  ist  es,  wie  Wiesner's  und  Haberlandt's 
bahnbrechende  Arbeiten  gezeigt  haben,  dadurch  möglich  geworden, 
im  tropischen  Klima  lange  dauernde  und  exakte  physiologische  Ver- 
suche anzustellen.  Hoffentlich  wird  bald  in  den  arktischen  Ländern 
ein  Gegenstück  zu  Buitenzorg  erstehen;  entsprechend  der  Armuth  der 
Flora  und  der  relativen  Einfachheit  der  zu  lösenden  Fragen,  würde 
schon  bei  bescheidener  Ausrüstung  ein  arktisches  Laboratorium  grosse 
Dienste  leisten. 

Nur  wenn  sie  in  engster  Fühlung  mit  der  experimentellen  Physio- 
logie verbleibt,  wird  die  Oekologie  der  Pflanzengeographie  neue  Bahnen 
eröffnen  können,  denn  sie  setzt  eine  genaue  Kenntniss  der  Lebens- 
bedingungen der  Pflanze  voraus,  welche  nur  das  Experiment  verschaffen 
kann.  Dadurch  allein  wird  es  möglich  werden,  die  Anpassungslehre 
dem  Dilettantismus,  welcher  sich  in  derselben  mit  Vorliebe  breit  macht, 


J)  Nach  dem  Vorschlage  Hackers  wird  in  neuester  Zeit  die  früher  „Biologie"  genannte 
Anpassungslehre  als  „Oekologie11  bezeichnet. 


Vorwort.  V 

zu  entreissen  und  von  den  anthropomorphen  Spielereien  zu  säubern, 
welche  sie  in  gänzlichen  Discredit  zu  bringen  drohten.  In  dieser  Hin- 
sicht ist  es  mit  Freuden  zu  begrüssen,  dass  wissenschaftliche  Botaniker 
sich  mehr  und  mehr  den  ökologischen  Problemen  zuwenden  und  ihre 
theoretischen  Anschauungen  auf  die  Basis  sicher  beobachteter  That- 
sachen  und  kritisch  ausgeführter  Experimente  stellen. 

Mit  dem  vorliegenden  Material  lässt  sich  eine  befriedigende  Ge- 
sammtdarstellung  der  ökologischen  Pflanzengeographie  noch  nicht  geben. 
Dieses  Buch  bringt  daher  mehr  Fragen  und  Antworten  und  beabsichtigt 
in  erster  Linie  durch  präcise  Aufstellung  der  erster en  zu  weiteren 
Untersuchungen  anzuregen. 

Die  grösste  Sorgfalt  wurde  der  Wahl  und  Ausfuhrung  der  Ab- 
bildungen gewidmet,  die  theils  an  einzelnen  Objecten,  theils  an  ganzen 
Pflanzenformationen  den  Zusammenhang  zwischen  dem  Pflanzenleben  und 
den  äusseren  Bedingungen  weit  besser  vor  Augen  fuhren,  als  die  aus- 
führlichsten Schilderungen.  Dank  der  grossen  Gefälligkeit  einer  Anzahl 
Fachgenossen  und  Naturfreunde  ist  es  mir  möglich  gewesen,  ein  reiches 
Material  an  photographischen  Landschaftsbildern  mit  charakteristischer 
Vegetation  zusammenzubringen.  Ich  verdanke  dieselben  folgenden  Herren 
und  Behörden,  welchen  ich  hier  dafür  nochmals  meinen  besten  Dank 
ausspreche:  Forstinspector  W.  W.  Ashe  (N.  Carolina),  Prof.  Bessey 
(Lincoln,  Nebr.),  Prof.  Dr.  Brandis  (Bonn),  Privatdoc.  Dr.  A.  Brauer 
(Marburg),  L.  Cockayne  (Christchurch,  Neu -Seeland),  Prof.  J.  M.  Coulter 
(Chicago),  Prof.  Dr.  D.  H.  Campbell  (Leland  Stanford  Univ.,  Calif.), 
Prof.  Dr.  Deichmüller  (Bonn),  Docent  P.  Groom  (Oxford),  Grigoriew, 
Sekretär  der  Kais.  russ.  geograph.  Gesellschaft  (St.  Petersburg),  „Geo- 
logical  department"  der,  Univ.  Nebraska,  Prof.  Dr.  G.  Karsten  (Kiel), 
Gardelieutenant  Kaznakoff  (St.  Petersburg),  J.  Kobus  (Pasoeroean,  Java), 
Prof.  Krassnow  (Charkow),  Prof.  Kusnezow  (Dorpat),  G.  Küppers-Loosen 
(Köln),  Dr.  P.  Kuckuck  (Helgoland),  Prof.  Dr.  Kükenthal  (Jena),  Prof. 
MacMillan  (Univ.  of  Minnesota),  Prof.  Pohlig  (Bonn),  Prof.  Rothrock 
(West  Chester  Pa.),  Prof.  Sargent  (Brooklyne,  Mass.),  Privatdoc.  Dr.  A. 
Schenck  (Halle),  Prof.  Dr.  H.  Schenck  (Darmstadt),  Dr.  O.  Stapf  (Kew)f 
Geheimrath  Prof.  Dr.  Strasburger  (Bonn),  F.  Sönnecken  (Bonn),  W.  Swingle 
(Florida),  Dr.  Treub  (Buitenzorg,  Java),  Prof.  Dr.  O.  Warburg  (Berlin), 
G.  H.  Webber  (Florida).  Lady  Brandis  in  Bonn  hatte  die  grosse  Güte 
mir  ihre  ebenso  naturgetreuen  wie  schönen  Aquarelle  aus  Vorderindien 
zur  Verfugung  zu  stellen. 

Mehreren  der  oben  genannten  Herren  verdanke  ich  ausserdem 
wesentliche  Unterstützung  durch  Litteratur,  Untersuchungsmaterial  etc. 
In  dieser  Hinsicht  bin  ich  noch  folgenden  Herren  und  Behörden  ver- 
pflichtet: Der  Kaiserlichen  Regierung  in  Indien,  den  Directionen  der 
botanischen  Museen  und  Gärten  zu  Berlin,  Buitenzorg  und  Kew,   Prof. 


VI  Vorwort. 

Dr.  Drude  (Dresden),  Prof.  Dudley  (Leland  Stanford  Univ.,  Calif.), 
Prof.  Dr.  Flahault  (Montpellier),  Prof.  Dr.  Hieronymus  (Berlin),  Dr.  Körnicke 
(Bonn),  Prof.  Dr.  Noll  (Bonn),  Geheimrath  Prof.  Dr.  Pfitzer  (Heidelberg), 
Obergärtner  Purpus  (Darmstadt),  Geheimrath  Prof.  Dr.  Rein  (Bonn),  Prof. 
Dr/Trabut  (Algier),  Prof.  Dr.  Volkens  (Berlin). 

Die  Pflanzenbilder  wurden  zum  grössten  Theile  unter  meinen  Augen 
von  Herrn  stud.  rer.  nat.  R.  Anheisser  zu  meiner  vollen  Befriedigung 
nach  der  Natur  gezeichnet.  Nur  relativ  wenige  Bilder  sind  anderen 
Werken  entnommen. 

Nur  die  dritte  der  vier  Kartenbeilagen  ist  ein  Original;  dieselbe 
bezweckt  nur  zur  vorläufigen  Orientirung  zu  dienen.  Die  Anordnung 
der  Vegetation  in  Brasilien  stützt  sich  auf  eine  mir  von  Prof.  H.  Schenck 
zur  Verfugung  gestellten  Skizze. 

Schliesslich  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht,  Herrn  Verlags- 
buchhändler Dr.  G.  Fischer  für  die  grosse  Bereitwilligkeit,  mit  welcher 
er  auf  alle  meine  Wünsche  eingegangen  ist,  hier  meinen  besten  Dank 
auszusprechen. 


Zur  Literatur  sei  bemerkt,  dass  pflanzengeographische  Werke  allgemeinen 
Inhalts  in  die  Verzeichnisse  meist  keine  Aufnahme  gefunden  haben.     Jedem 
Studenten  der  Pflanzengeographie  seien  ein  für  alle  Male  empfohlen: 
A.  de  Candolle.    Geographie  botanique  raisonnde.     2  Bde.    Geneve  1855. 
Grisebach,  A.     Die  Vegetation  der  Erde.     2  Bde.     1872. 
Drude,  O.     Handbuch  der  Pflanzengeographie.     Stuttgart  1890. 
—  Atlas  der  Pflanzenverbreitung.     Gotha  1887. 
Engl  er,  A.   Versuch  einer  Entwicklungsgeschichte  der  Pflanzenwelt.    2  Theile. 

Leipzig   1879  u.   1882. 

Bonn,  Ende  Juli  1898. 


Inhaltsverzeichniss. 

Erster  Theil. 
Die  Factoren. 

Seite 

I.  Das  Wasser 3 

1.  Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen.  §  i.  Allgemeines. 
Hygrophyten  und  Xerophyten.  Ombrophobie  und  Ombrophilie.  Physikalische 
und  physiologische  Trockenheit.  Eigenschaften  der  Tropophyten.  Klimatische 
und  edaphische  Xerophyten,  Hygrophyten  und  Tropophyten.  —  §2.  Die  Xero- 
phyten. Die  Wasseraufnahme  herabsetzende  Factoren.  Die  Transpiration  for- 
dernde Factoren.  Xerophile  Structur.  Schutzmittel  gegen  Wasserverlust.  Wechsel- 
beziehungen der  Xerophyten  verschiedener  Standorte.  —  §3.  Die  Hygrophyten. 
Wiesner's  und  Lothelier's  Versuche.  Hygrophile  Structur.  Entfernung  über- 
schüssigen Wassers :  Träufelspitze,  Hydathoden  etc.  —  §4.  Die  Tropophyten. 
Tropophile  Structur.  Der  Laubfall.  2.  Die  Vegetationsorgane  der  Wasser- 
pflanzen. Structurveränderung  submers  wachsender  Landpflanzen.  Eigentüm- 
lichkeiten echter  Wasserpflanzen.  3.  Da«  Wasser  und  die  Reproduction. 
Nachtheiliger  Einfluss  der  Feuchtigkeit  auf  die  Sexualsphäre.  Die  sexuelle  Re- 
production  bei  den  Wasserpflanzen.  4.  Das  Wasser  und  die  Samen- 
verbreitung. Anpassungen  von  Früchten  und  Samen  an  Verbreitung  durch 
Wasserströmung.     Die  Auswürfe  des  Meeres.     Die  neue  Flora  von  Krakatau. 

II.  Die  Wärme 40 

1.  Allgemeines.  Die  Wärme  und  die  Pflanzenstructur.  Wirkungen  des 
kalten  Klimas  auf  Form  und  Lage  der  Blätter.  Die  drei  Cardinalpunkte.  Die 
Phänologie.  2.  Die  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens.  §  1.  Untere  Null- 
punkte. Widerstandsfähigkeit  gegen  Kälte.  Kältetod  oft  Trockentod.  Die 
kältesten  Punkte  der  Erde.  —  §  2.  Obere  Nullpunkte.  Widerstandsfähig- 
keit gegen  Hitze.  Sachs'  Versuche.  Die  Thermen.  Höchste  beobachtete  Tem- 
peraturen in  Boden  und  Luft.  3.  Die  Cardinalpunkte  der  pflanzliehen 
Functionen.  Das  harmonische  Optimum.  Absolutes  und  ökologisches  Optimum. 
Schwankungen  des  harmonischen  Optimums  während  der  Entwickelung.  Das 
ökologische  Optimum  des  Pfirsichbaumes.  Cardinalpunkte  der  Keimung.  Keimung, 
Wachsthum,  Assimilation,  Athmung  bei  niederen  Temperaturen.  Nützliche  nie- 
dere Temperaturen.    Wirkungen  der  Kälte  auf  die  geschlechtliche  Reproduction. 


VIII  Inhaltsverzeichniss. 

Seite 
4.  Die  Akklimatisation.     Verpflanzen  aus  warmen  in  kalte  Klimate  und  um- 
gekehrt.    Schübeler's  und   A.   de  Candolle's  Versuche.     H.   Mayr  über  Akkli- 
matisation der  Waldbäume. 

III.  Das  Licht  .        61 

1.  Allgemeines.  Bedeutung  des  Lichtes  für  die  Pflanzengeographie.  2.  Pho- 
tometrisohe  Methoden.  Wiesner's  Arbeiten.  3.  Das  Pflanzenleben  im 
Dunkelen.  4.  Lichtintensitat  und  Iiiohtqualität.  Wirkungen  des  Lichtes 
ungleicher  Intensität  auf  verschiedene  Functionen.  Schädlichkeit  hoher  Licht- 
intensitäten und  entsprechende  Schutzmittel.  Ungleiche  Wirkungen  ungleicher 
Strahlengattungen.  Absolute  und  ökologische  Lichtoptima.  5.  Sonne  und 
Schatten.  Gesammtlicht,  Oberlicht,  Vorderlicht,  Hinterlicht,  Unterlicht.  Sonnen- 
licht und  diffuses  Licht.  Wiesner's  Bestimmungen  des  factischen  Lichtgenusses 
der  Pflanzen.  Ungleiches  Lichtbedürfhiss  der  Sonnen-  und  Schattenpflanzen. 
Vorrichtungen  zur  Lichtconcentration  bei  Schattenpflanzen.  6.  Tag  und  Nacht. 
Pflanzengeographische  Bedeutung  der  ungleichen  Dauer  des  Tageslichtes.  Bonnier's 
Versuche  in  continuirlicher  Beleuchtung. 

IV.  Die  Luft 78 

1.  Der  Luftdruck.  Wachsthum  bei  vermindertem  und  erhöhtem  Luftdruck. 
Versuche  Wieler's  und  Jaccard's.  Der  Luftdruck  im  Hochgebirge.  2.  Die 
Luft  in  den  Gewässern.  Löslichkeit,  Zusammensetzung  und  Diffusion  der 
Luft  im  Wasser.  Vorrichtungen  zu  Aufnahme  und  Transport  des  Sauerstoffs  bei 
Wasserpflanzen.  Aerenchym  und  andere  Durchlüftungsgewebe.  Pneumatophoren. 
Versuche  G.  Karsten's  und  Greshoff's.  3.  Der  Wind.  §  1.  Wind  und 
Baum  wuchs.  Mechanische  Wirkungen.  Trocknende  Wirkungen.  Grosse  Schäd- 
lichkeit der  letzteren  fiir  den  Baumwuchs.  —  §  2.  Der  Wind  und  die  Re- 
production.  Anemophile  Blätter.  Ihre  Häufigkeit  an  windigen  Standorten. 
Anemophile  Aussäungsvorrichtungen.  Vorkommen  der  letzteren.  Bedeutung  für 
Verbreitung  auf  weite  Entfernungen.     Beobachtungen  Treub's  auf  Krakataua. 

V.  Der  Boden 93 

1.  Die  physikalischen  Bodeneigenschaften.  Wassercapacität,  capillare 
Wasserleitung,  Durchlässigkeit  verschiedener  Bodenarten.  2.  Chemische  Boden- 
eigenschaft enim  Allgemeinen.  Wechselbeziehungen  der  physikalischen  und 
chemischen  Eigenschaften.  Wirkungen  von  Lösungen  auf  die  Wasseraufnahme 
durch  die  Pflanze.  Giftigkeit  concentrirtcr  Lösungen.  Schutzmittel  der  Pflanzen 
gegen  zunehmende  Concentration  der  Salzlösungen  in  den  Zellen.  Verschiedene 
Wirkungen  der  Salze  auf  die  Structur  der  Pflanze.  3.  Das  Chlornatrium. 
§  1.  Vorkommen  und  Rolle  in  der  Pflanze.  Einfluss  des  Chlornatriums 
auf  die  Pflanzenstructur.  Xerophiler  Charakter  der  Halophyten.  Einfluss  des 
Chlornatriums  auf  die  Eiweissbildung.  Einfluss  auf  die  Structur  von  Süsswasser- 
algen.  —  §  2.  Die  Halophyten  oder  Salzpflanzen.  Salzhunger.  Ver- 
keilung der  Halophyten  auf  die  Familien.  Ursprung  der  halophilen  Lebensweise. 
Unfähigkeit  der  Concurrenz  im  Binnenlande.  4.  Andere  leichtlösliche  Salze. 
Alaun:  Die  Solfataren.  Salpeter.  5.  Der  Serpentin.  Serpentinpflanzen. 
6.  Der  Galmei.  Galmeipflanzen.  7.  Das  Kalkcarbonat.  §  1.  Wirkungen 
des  Kalkcarbonats  auf  Stoffwechsel  und  Structur  der  Pflanze. 
Giftigkeit  fiir  viele  Pflanzen.  Accommodation  an  kalkreichen  Boden.  Versuche 
und  Beobachtungen  Bonnier's  und  Anderer.  Art  des  Einflusses  auf  den  Stoff- 
wechsel. Experimentelle  Culturen  von  Fliehe  und  Grandeau.  —  §  2.  Kalk- 
boden und  Florencharakter.  Kalkholde  und  kalkscheue  oder  Kiesel- 
Pflanzen.  Unbeständigkeit  des  Verhaltens  der  Pflanzen  gegen  Kalk.  Thurmann's 
physikalische  Theorie.  Widerlegung  derselben.  Erklärung  der  Unterschiede  zwi- 
schen Kalk-  und  Kieselflora  und  ihrer  Unbeständigkeit.  Ungleiches  Verhalten 
nahe  verwandter  Arten.     Parallelformen   auf  kalkreichem  und  kalkarmem  Boden. 


Inhaltsverzeichniss.  JX 

Seite 
Nägeli's  Theorie.    8.  Der  Humus.    §  I.  Chemie  und  Physik  des  Humus. 

Aschenbestandtheile.  Saurer  und  milder  Humus.  Mull  nnd  Torf.  —  §  2.  Die 
Mycorhiza.  Endotrophische  und  epitrophische  Mycorhiza.  Thismia  Averoe 
nach  P.  Groom.  Saprophyten.  —  §  3.  Die  chemischen  Unterschiede 
des  Humus  und  die  Flora.  Ungleichheit  des  Florencharakters  auf  un- 
gleichen Humusarten.  Grosse  Exclusivität  gewisser  Pflanzenarten.  Pflanzen  des 
thierischen  Humus.  9.  Lebende  Substrate.  Die  Parasiten.  Abhängigkeit 
von  der  chemischen  Natur  des  Substrats. 

VI.  Die  Thiere     .    . 132 

1.  Geographische  Verbreitung  der  Bestaubungsvorriohtungen.    §  1 . 

Ornithophile  Blüthen.  Fr.  Mtiller's  und  Th.  Belt's  Entdeckung  der  Kolibri- 
blüthen.  Die  Honigvögel  als  Bestäuber.  Scott -Elliot's  Beobachtungen  in  Süd- 
Afrika.  Ornithophilie  in  Neu -Seeland.  Feijoa,  eine  Pflanze  mit  süssen  Blumen- 
blättern. —  §  2.  Entomophile  Blüthen.  Ungleiche  Bestäuber  im  Tiefland 
und  im  Hochgebirge.  Herrn.  Müller's  Beobachtungen.  Abnahme  der  Entomophilie 
in  arktischen  Ländern.  Inselfloren  und  ihre  Bestäuber.  Langröhrige  Falterblüthen 
für  die  Tropen  charakteristisch.  Specielle  Anpassungen :  Yucca  und  ihre  Bestäubung 
durch  Motten.  Bulbophyllum  -Arten  bei  Singapore.  2.  Pflanzen  und  Ameisen. 
§  1.  Die  Ameisen  als  Pilzztichter.  Die  Blattschneiderameisen  im  tropi- 
schen Amerika.  Ihre  Nester  und  Pilzgärten.  Andere  pilzzüchtende  Ameisen.  — 
§  2.  Myrmecophilie.  Th.  Belt's  Entdeckung  der  Ameisenpflanzen.  Acacia 
cornigera  und  sphaerocephala.  Cecropia  adenopus.  Nachweis  des  Nutzens  'der 
Ameisen  als  Pflanzenbeschützer.  Andere  Pflanzen  mit  axialen  Wohnräumen. 
Pflanzen,  bei  welchen  Blätter  die  Wohnräume  liefern.    Die  extrafl oralen  Nektarien. 


Zweiter  Theil. 
Formationen  und  Genossenschaften. 

I.  Die  Formationen 173 

1.  Klimatische  und  edaphische  Factoren.  Allgemeiner  Vegetationstypus 
durch  die  Hydrometeore,  allgemeiner  Florentypus  hauptsächlich  durch  die  Wärme 
bedingt,  feine  Gliederung  durch  edaphische  Einflüsse.  Die  Formationen.  Haupt- 
und  Nebenbestandtheile.  Unterscheidung  klimatischer  und  edaphischer  Forma- 
tionen. 2.  Die  klimatischen  Formationen.  §1.  Eintheilung.  Charakte- 
ristik des  Gehölzes  und  der  Grasflur.  Ihr  Kampf.  Invasion  malayischer  Waldgebiete 
durch  die  Alangsteppe.  Verkümmerung  von  Gehölz  und  Grasflur  zur  Wüste 
führend.  Charakteristik  der  Wüste.  —  §2.  Das  Gehölzklima.  Klimatische 
Existenzbedingungen  der  Bäume.  Hygrophile  und  xerophile  Bäume.  Die  Baum- 
grenze. Das  Niederholz.  Charakteristik  des  Gehölzklimas.  —  §  3.  Das  Gras- 
flurklima. Klimatische  Existenzbedingungen  der  Gräser.  Charakteristik  des 
Grasflurklimas.  —  §4.  Meteorologische  Tabellen.  Was  sie  bringen  und 
was  sie  bringen  sollten.  3.  Die  edaphischen  Formationen.  §  1.  Eda- 
phische Einflüsse  im  Allgemeinen.  —  §  2.  Durch  Grundwasser 
bedingte  edaphische  Formationen.  —  §  3.  Offene  edaphische 
Formationen.  Felsen,  Gerolle,  Sandboden.  —  §4.  Uebergang  der  eda- 
phischen Formationen  in  klimatische.  Krakatau.  Der  Vulkan  Guntur. 
Die  Camargue.    4.  Das  Zusammenleben  in  den  Formationen. 

II.  Die  Genossenschaften 208 

1»  Die  Lianen.  Spreizklimmer ,  Wurzelkletterer,  Windpflanzen,  Ranken- 
pflanzen.   Geographische  Verbreitung  der  Lianen.    2.  Die  Epiphyten.     Oeko- 


Inhaltsverzeichniss. 

Seite 
logische  Existenzbedingungen.  Uebergang  der  terrestrischen  in  die  epiphytische 
Lebensweise.  Aussäungsvorrichtungen.  Geographische  Verbreitung  der  Epiphyten. 
3.  Die  Saprophyten.  Vertheilung  auf  die  Pflanzenfamilien.  Zusammenhang 
zwischen  Structur  und  Lebensweise.  Geographische  Verbreitung.  Hemisapro- 
phyten.  4.  Die  Parasiten.  Hemiparasiten  und  Holoparasiten.  Aehnlichkeit 
mit  den  Parasiten.  Absorptionsorgane:  Die  Haustorien.  Vertheilung  auf  die 
Familien.     Geographische  Verbreitung. 


Dritter  Theil. 
Zonen  und  Regionen. 

Einleitung 227 

Erster  Abschnitt 

Die  tropischen  Zonen. 

I.  Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner 

Wirkungen  auf  Vegetation  und  Flora 229 

1.  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  des  Tropenklimas.  §  1.  Die 
Hydrometeore.  Regen,  relative  Feuchtigkeit,  Bewölkung.  —  §  2.  Die 
Wärme,  Lufttemperatur.  Erhitzung  durch  directe  Sonnenstrahlung.  —  §  3. 
Das  Licht  und  Ultraviolett.  Intensität  der  chemischen  Lichtstrahlen. 
2.  Einige  allgemeine  Wirkungen  des  tropischen  Klimas  auf  das 
Pflanzenleben«  §  1.  Vornehmlich  durch  Wärme  beeinflusste  Vor- 
gänge. Cardinalpunkte.  Fälle  raschen  und  langsamen  Wachsthums.  Transpira- 
tion in  Sonne  und  Schatten.  —  §  2.  Pflanzenphysiologische  Wir- 
kungen des  Tropenlichtes.  Schutzmittel  gegen  intensives  Licht  Zerstörung 
des  Chlorophylls.  Stellung  der  Laubblätter.  Lichtgenuss  der  Schattenflora.  — 
§  3.  Pflanzenphysiologische  Wirkungen  der  Hydrometeore. 
Massgebender  Einfluss  für  den  Vegetationscharakter  und  die  periodischen  Vor- 
gänge. Ombrophilie  und  Ombrophobie.  3.  Floristisoher  Charakter  der 
Tropensone.     Uebersicht  der  megathermen  Formenkreise. 

II.  Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen    260 
1.  Allgemeinheit  der  Periodicität  in  den  Functionen  der  Pflanzen. 

Keine  absolute  Ruhezeit,  sondern  nur  Ruhezeit  einzelner  Vorgänge.  Vorkommen 
der  Periodicität  in  der  tropischen  Vegetation.  2.  Periodicität  in  der  vege- 
tativen Sphäre.  §  1.  Laubwechsel.  Häufigkeit  des  periodischen  Laub- 
falls in  den  Tropen.  Verschiedenartiges  Aussehen  der  Bäume  in  den  Trocken- 
zeiten. Jahreszeiten  und  Vegetation  in  den  Campos.  —  §  2.  Wachsthum. 
Periodisches  Laubabwerfen  bei  gewissen  Arten  von  der  Jahreszeit  unabhängig. 
Individuelle  Periodicität  der  einzelnen  Sprosse  vieler  Tropengewächse.  —  §  3. 
Temperirte  Holzgewächse  in  den  Tropen.  3.  Periodicität  in  der 
sexuellen  Sphäre.  §  I.  Allgemeines.  Zeitliche  Trennung  der  vegetativen 
und  reproductiven  Thätigkeit.  —  §  2.  Immerfeuchte  Gebiete.  Ungleich- 
zeitiges Blühen  der  verschiedenen  Zweige  bei  Holzpflanzen.  Gleichzeitiges  Blühen 
aller  Stöcke  einer  Art  ohne  Beziehung  zur  Jahreszeit.  Beziehungen  zwischen 
Blüthenbildung  und  Laubfall.  —  §3.  Periodisch  trockene  Gebiete. 
Blüthenreichthum  in  den  trockenen  Jahreszeiten  und  zu  Beginn  der  nassen, 
Blüthenarmuth   auf  der  Höhe   der  nassen  Jahreszeiten.     Die  nasse  Jahreszeit  die 


Inhaltsverzeichniss.  XI 

Seite 
Zeit  der  Fruchtreife.    —   §4.    Specielle  Belege.     Klima  und  BlÜthezeit  auf 

Java,  im  nordwestlichen  Indien,  auf  Ceylon,  in  British-Guiana.    4.  Die  Caesal- 

piniaceen  im  Botanischen  Garten  zu  Buitenzorg. 

III.  Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen 281 

1.  Tropische  klimatische  Formationsgruppen.  2.  Klimatische  Be- 
dingungen tropischer  Hochwälder.  Klima  des  malayischen  Archipel  nach 
Woeiko.  Regenverhältnisse  anderer  tropischer  Hochwaldgebiete.  Regen wald 
und  Monsunwald  in  Vorderindien.  Luftfeuchtigkeit  und  Temperatur.  Klimatische 
Tabellen  aus  tropischen  Hochwaldgebieten.  3.  Dornwaldklima  in  Vorder- 
indien. 4.  Gehölzklima  und  Savannenklima  in  Brasilien.  Küsten- 
gebirge und  Campos  von  S.  Paulo.  Campos  und  Wälder  in  Minas  geraes.  Xero- 
philes Gehölzklima  des  Sertäo.  5.  Klima  des  nördlichen  Süd -Amerika 
und  der  Antillen.  6.  Klima  des  tropischen  Afrika.  Westküste.  Central- 
afrikanische  Hochlandsavannen.  —  Rückblick. 

IV.  Immerfeuchte  tropische  Gebiete 305 

1.  Verbreitung  des  tropischen  Begenwaldes.  2.  Allgemeiner  Cha- 
rakter des  tropischen  Begenwaldes.  §  1.  Das  Aeussere  des  Waldes. 
Oberfläche  und  Profil.  —  §  2.  Das  Innere  des  Waldes.  Ungleiche  Dichtig- 
keit. Häufige  und  verbreitete  floristische  Bestandtheile.  Holzgewächse.  Kräuter. 
Lianen  und  Epiphyten.  Der  Zug  nach  dem  Lichte.  Luftfeuchtigkeit.  —  §  3. 
Der  tropische  Regenwald  in  Asien.  Vegetation  und  Flora  am  Gedeh 
und  Salak  auf  Java.  Charakteristische  Formen.  Vorkommen  lebhaft  gefärbter 
Blüthen.  Regenwälder  von  Pegu  nach  F.  Kurz.  —  §  4.  Der  tropische 
Regen  wald  in  Afrika.  Der  Wald  der  Loangoküste  nach  Pechuel- Lösche. 
Der  Regenwald  in  Usambara.  —  §  5.  Der  tropische  Regenwald  in 
Amerika.  —  §  6.  Der  tropische  Regenwald  in  Australien  und 
Mikronesien.  3.  Oekologische  Eigentümlichkeiten  der  Begenwald- 
gewächse.  §  1.  Bäume  und  Sträucher  des  Regenwaldes.  Die  Stämme 
der  Bäume.  Plankengerüste.  Borke.  Verzweigung.  —  §  2.  Die  Boden- 
kräuter. Farbiges  Laub.  Die  Hymenophyllaceen.  —  §  3.  Die  Lianen. 
Palmlianen.  Kletternde  Bambusen.  Wurzelkletterer.  Cyclanthaceen  und  Pan- 
danaceen.  Araceen.  Ihre  Nähr-  und  Haftwurzeln.  Winder.  Ranker.  Bauhinia- 
Arten  mit  bandförmigen,  welligen  Stämmen.  —  §  4.  Die  Epiphyten.  Vor- 
kommen. Eintheilung  nach  der  Lebensweise  in  Protoepiphyten,  Hemiepiphyten, 
Nestepiphyten  und  Cisternepiphyten.  Charakteristik  der  Gruppen.  Wasserspeicher. 
Velamen  der  Orchideen  und  Araceen.  Unbelaubte  Orchideen.  Der  Banyan. 
Humussammelnde  Orchideen.  Farne  mit  Sammeltrichtern  und  mit  Nischenblättern. 
Bromeliaceen.  Wasseraufnahme  durch  die  Blätter.  Beleuchtung  der  Epiphyten. 
Epiphyllen.  Vertheilung  der  Epiphyten  auf  demselben  Baume.  —  §  5.  Die 
Knospen.  Unbeschützte  Knospen.  Schutzmittel  activer  Knospen.  Das  Aus- 
schütten des  Laubes.  Hängeblätter  und  Hängezweige.  Blüthenknospen  unter 
Wasser.  Blüthenknospen  mit  Wasserkelchen.  —  §  6.  Cauliflorie.  Stamm- 
Und  Astcauliflorie.  Unbelaubte  fertile  Zweige.  —  §  7.  Saprophyten  und 
Parasiten.  Chlorophyllfreie  Orchideen,  Burmaniaceen,  Triuridaceen,  Gentiana- 
ceen.     Loranthaceen.     Balanophoraceen.     Rafflesia. 

V.  Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten  ....  37° 
1.  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  der  Vegetation  periodisch 
trockener  Tropengebiete.  Formationen.  Xerophile  Bäume.  Xerophile 
Sträucher.  Lianen.  Epiphyten.  2.  Die  Gehölzformationen  der  perio- 
disch trockenen  Tropengebiete.  §  1.  Allgemeines.  Veränderung  der 
Gehölzvegetation  beim  allmählichen  Uebergang  aus  immerfeuchten  in  periodisch 
trockene  Gebiete.  Haupttypen  der  Gehölze:  Monsunwald,  Savannenwald,  Dorn- 
wald.   —    §   2.    Die   tropophilen   und   xerophilen  Gehölze   Indiens. 


XII  Inhaltsverzeichniss. 

Seite 
Die  Waldvegetatioa  in  Pegu  nach  F.  Kurz.  Die  Wälder  von  Tectona  grandis 
in  Ost -Java. —  §3.  Die  Gehölze  des  tropischen  Ost-Afrika.  Engler's 
Darstellung  der  Formationen. —  §4.  Tropophile  und  xerophile  Gehölze 
im  tropischen  Amerika.  Savannenwälder  in  Venezuela.  Die  Dorngebüsche 
(Caatingas)  Brasiliens.  Dorngebüsch  auf  Kalkhügeln  in  Minas  geraes.  3.  Die 
tropischen  Grasflurformationen.  §  1.  Allgemeiner  Charakter  der 
Savannen.  —  §  2.  Afrikanische  Savannen.  Die  Savannen  an  der 
Loango- Küste  nach  Pechuel- Lösche.  Der  Baobab.  Ostafrikanische  Savannen 
nach  H.  Meyer  und  nach  Engler.  —  §  3.  Amerikanische  Savannen.  Die 
Llanos.     Die  Campos  Brasiliens,  nach  Warnung. 

VI.  Edaphischc  Wirkungen  in  den  Tropen 405 

1.  Bdaphiflohe  Wirkungen  in  tropischen  Binnenländern.   §1.    Der 

Laterit.  Physikalische  und  chemische  Eigenschaften.  Wirkungen  auf  die  Vege- 
tation. Eng -Wälder  in  Birmah.  —  §  2.  Der  Kalk.  Ungünstiger  Einfluss  auf 
die  Vegetation  in  den  Tropen.  Vorkommen  der  Dornwälder  auf  Kalkboden.  — 
§  3.  Der  Humus.  Seine  relativ  schwache  Entwickelung  in  den  Tropen.  Fehlen 
der  Torfbildung.  Der  Regur  in  Süd -Indien.  —  §4.  Kiesböden.  Die  Sal- 
Wälder  Vorder -Indiens.  Bambusenwälder.  —  §  5.  Sumpfboden.  Palmen- 
bestände. Die  Sumpfwälder  in  Pegu.  Nicht  bewaldete  Sümpfe.  —  §  6.  Die 
Fumarolen  auf  Java.  Xerophile  Vegetation.  2.  Die  Formationen  des 
tropischen  Meeresstrandes.  §  1.  Ei nth eilung.  —  §  2.  Offene  For- 
mationen des  sandigen  Strandes.  Pescaprae* Formation.  Strandsträucher. 
Pandanus.  —  §  3.  Strandgehölze  oberhalb  der  Fluthlinie.  Vor- 
kommen derselben  im  malayischen  Archipel,  in  Pegu,  in  Ost -Afrika.  Oekologische 
Eigenthümlichkeiten.  Casuarina -Wälder.  —  §  4.  Die  Gehölz formationen 
im  Bereich  der  Fluth.  Mangrove  oder  Fluthgehölze.  Die  östliche  Man- 
grove.  Charakterpflanzen.  Oekologische  Eigenthümlichkeiten.  Rhizophora  mucro- 
nata.  Viviparie  und  Keimung  bei  Rhizophoraceen ,  Avicennia  und  Aegiceras. 
Habitus  der  Mangrovegewächse.  Stelzwurzeln.  Pneumatophoren.  Physiognomie 
des  Mangrovewaldes  in  Süd -Java.  Nipaformation.  Uebergang  in  die  Festland- 
formationen. Die  westliche  Mangrove.  —  §  5.  Geographische  Verbrei- 
tung der  tropischen  Strandformationen. 


Zweiter  Abschnitt. 

Die  temperirten  Zonen. 

I.  Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer 

Wirkungen  auf  Vegetation  und  Flora 440 

1.  Allgemeine  Eigenthümlichkeiten  der  temperirten  Klimate.    §  1. 

Die  Wärme.  Grosse  Unterschiede  der  Temperatur.  Seeklima  und  Continental- 
klima.  Isothermen  des  Januar  und  Juli.  Tägliche  Oscillationen.  —  §  2.  Das 
Licht.  Zonenartige  Gliederung  der  Beleuchtung.  Absorption  und  Diffusion  des 
Lichtes  in  verschiedenen  Breiten.  —  §  3.  Die  Hydro meteore.  Periodicität 
und  Menge  der  Niederschläge.  Bedeutung  für  den  Boden.  2.  Einige  all- 
gemeine Wirkungen  der  temperirten  Klimate  auf  das  Pflanzenleben. 
§  1.  Wärme  Wirkungen.  Ueberwiegende  Bedeutung  derselben.  Temperaturen 
unter  dem  Gefrierpunkt.  Gürtel  der  müden  und  Gürtel  der  kalten  Winter.  Ver- 
breitung der  Arten.  Mesotherme  Pflanzen.  Ungleichheit  des  ökologischen  Tem- 
peraturoptimum. —  §  2.  Lichtwirkungen.  Lichtmenge  und  Lichtintensität. 
Schattenlicht   in   den   temperirten   Zonen.     Fixe   Lichtlage   des   Laubes.  —  §  3. 


Inhaltsverzeichnis.  XIII 

Seite 
Wirkungen    der    Hydrometeore.     Geringere   Bedeutung  im   Vergleich   zu 

den  Tropen.    3«  Floristischer  Charakter  der  temperirten  Zonen.    Ueber- 

sicht  der  mesothermen  Formenkreise. 

II.  Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen  460 
Einleitung.  —  1,  Stoff-  und  Kraftwechsel  der  mesothermen  Pflan- 
zen in  verschiedenen  Jahresseiten.  §  1.  Die  Periodicität  beim 
Kirschbaum.  Aeusserlich  sichtbare  Vorgänge.  Entwickelung  der  Blüthen- 
knospen  beim  Kirschbaum.  Grosse  Periode  und  Temperatur.  Ruhezeit  und 
Temperatur.  Die  Kohlehydrate  in  den  activen  und  in  den  ruhenden  Perioden. 
Wirkungen  der  Temperatur  auf  Lösung  und  Regeneration  der  Stärke.  —  §  2. 
Stärkebäume  und  Fettbäume.  Ursachen  von  Entstehung  und  Verschwinden 
des  Fettes.  —  §3.  Theorie  des  Forcirens.  Die  beiden  Zustände  des  Proto- 
plasma. Der  ruhende  Zustand  durch  niedere  Temperaturen  verlängert.  Unter- 
drückung der  Verlängerung.  Oekologisches  Temperaturoptimum  in  der  activen 
Periode  mit  den  natürlichen  Temperaturen  im  Einklang.  —  §4.  Periodicität 
krautiger  Gewächse.  Das  Süsswerden  der  Kartoffel.  —  §  5.  Kälte  und 
Trockenheit.  Aehnliche  Wirkungen  von  Winter  und  Trockenzeit.  2.  Peri- 
odische Vegetationsbilder.  §  1.  Allgemeines.  Winterliche  Erscheinungen. 
Winterblüthler  in  Japan.  Kälte  und  Blüthenentwickelung.  —  §  2.  Periodische 
Erscheinungen  in  den  südlichen  temperirten  Zonen.  Chile.  Kapland. 
Südaustralien. 

III.  Gehölzklima    und    Grasflurklima    in    den    warmtemperirten 
Gürteln 477 

§  1.  Allgemeines.  —  §  2.  Die  subtropischen  Gebiete.  Florida.  Süd- 
Brasilien.  Paraguay.  —  §  3.  Warmtemperirte  Gebiete  ohne  Trocken- 
zeit. Klima  des  temperirten  Regenwaldes.  Süd -Japan.  Neu -Seeland.  Süd- 
Chile.  Grasflurklima  der  Falklands  -  Inseln.  —  §  4.  Das  temperirte  Süd- 
afrika. Regenprovinzen  und  Vegetationsprovinzen.  Die  Südwestküste  mit 
Winterregen.  Klima  der  immergrünen  Hartlaubgehölze.  Die  Süd-  und  Ostküste 
mit  Frühjahr-  und  Sommerregen.  Klima  der  Savannen.  Das  innere  östliche 
Süd- Afrika  (Transvaal  und  Oranje)  mit  Sommerregen.  Klima  der  Steppen.  — 
§  5.  Sommerfeuchte  warmtemperirte  Gebiete.  Uebergangsklima  in 
Nord- Argentinien.  Parklandschaften.  Klima  der  Pampas.  Klima  der  westargen- 
tinischen Dorngehölze  (Espinal).  —  §  6.  Winterfeuchte  warmtemperirte 
Gebiete.  Klima  der  immergrünen  Hartlaubgehölze.  West-  und  Süd -Australien. 
Mittleres  Chile.     Mittelmeerländer.     Californien.  —  Schluss. 

IV.  Die   immerfeuchten    und    die   sommerfeuchten   Gebiete   der 
warmtemperirten  Gürtel 500 

1.  Die  subtropischen  und  die  temperirten  Begenwalder.    §  1.  Die 

subtropischen  Regenwälder.  Charakter.  Verbreitung.  Süd  -  Brasilien. 
Nord -Argentinien.  Goldküste  und  Florida.  —  §  2.  Der  temperirte  Regen- 
wald im  Allgemeinen.  Oekologischer  und  floristischer  Charakter.  Ver- 
breitung. —  §  3.  Der  neuseeländische  Regenwald.  Darstellung  Hoch- 
stetter's.  Oekologische  Merkmale  nach  Dieb.  —  §4.  Der  australische 
temperirte  Regenwald.  —  §  5.  Der  temperirte  Regenwald  in  Süd- 
Japan.  —  §  6.  Der  temperirte  Regenwald  in  Süd-Chile.  Valdivien 
nach  Philippi.  Juan  Fernandez  nach  Johow.  2.  Die  xerophilen  Gehöla- 
formationen  der  warmen  temperirten  Gürtel.  §  1.  Dorngehölze. 
Charakter  und  Verbreitung.  „Espinalformation"  in  Argentinien.  —  §  2.  Sa- 
vannenwälder. Cebilwälder  in  Nord  -  Argentinien.  Eucalyptus  -  Wälder  in 
Australien.  3.  Die  Grasflurformationen  der  warmtemperirten  Gürtel. 
§  I.  Verbreitung.    Nördlicher  Gürtel.    Savannen  in  Texas  und  Neu-Mexico. — 


XIV  Inhaltsverzeichniss. 


Seite 


§  2.  Südafrikanische  Grasfluren.  Thode  über  Britisch-Kaffrarien.  Trans- 
vaal. —  §  3.  Die  Pampas.  Schilderung  durch  Lorentz.  —  §4.  Die  austra- 
lischen Grasfluren.     Die  südaustralischen  Savannen  nach  Schomburgk. 

V.  Die  winterfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel  .    .    538 

§  I.  Die  Hartlaubgehölze  im  Allgemeinen.  Verbreitung  und  öko- 
logischer Charakter  der  Formationen.  Blattstructur.  Nebenbestandtheile.  Existenz- 
bedingungen. —  §  2.  Die  Hartlaubgehölze  der  Mittelmeerländer. 
Maquis.  Physiognomie.  Systematische  Zusammensetzung.  Charakter -Gewächse. 
—  §  3.  Die  kapländischen  Hartlaubgehölze.  Niedrige  Gebüsche. 
Seltenheit  der  Bäume.  Vorwiegen  kleiner  linealischer  Blätter.  —  §  4.  Süd- 
und  westaustralische  Hartlaubgehölze.  Oekologische  Aehnlichkeit 
mit  anderen  Hartlaubgehölzen.  Vorherrschen  schmal  elliptischer  Blätter.  Der 
südwestliche  „Scrub"  nach  Schomburgk  und  nach  Behr.  —  §  5.  Die  kalifor- 
nischen Hartlaubgehölze.  Oekologischer  und  systematischer  Charakter. 
Gesträuche.  Hochwälder  von  Sequoia  sempervirens.  Die  ,,Chaparralsu.  —  §  6. 
Die  chilenischen  Hartlaubgehölze.  Oekologie  und  systematische  Be- 
standtheile. 

VI.  Gehölzklima     und    Grasflurklima     in     den     kalttemperirten 
Gürteln 573 

§  1.  Allgemeines.  —  §  2.  Wald  und  Prärie  in  den  Vereinigten 
Staaten.  Vier  Klima-  und  Vegetationsgebiete.  Mittlerer  Regenfall  in  den 
vier  Gebieten.  Die  Winde.  —  §  3.  Klima  und  Vegetation  in  Russ- 
land. Das  Klima  der  Steppen.  Ungleiche  Windverhältnisse  in  Nord-  und 
Süd-Russland.  Klimatische  Verhältnisse  im  mittel-  und  nordrussischen  Walde.  — 
§  4.  Das  ungarische  Tiefland.  Hunfalvy  über  das  ungarische  Steppen- 
klima. —  §  5.  Das  kalttemperirte  Ost-Asien.  Niederschlagsverhältnisse. 
Vertheilung  von  Wald-  und  Grasflur. 

VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel 586 

1.  Allgemeine  Oekologie  des  Sommerwaldes.  §  1.  Einleitung. 
Tropophiler  Charakter  des  Waldes  in  den  kalttemperirten  Gürteln.  Nadelwald 
und  Laubwald.  —  §  2.  Der  winterkahle  Laubwald,  Vergleich  mit  dem 
Regenwald.  Ueppige  Entwickelung  an  Gewässern.  Lichtwirkungen.  Unterholz. 
Lianen.  Fehlen  oder  Seltenheit  höherer  Epiphyten.  Optimale  Beleuchtung  der 
Schattenflora.  Lichtbedürfniss  von  Hepatica  triloba  und  anderen  Schattenpflanzen. 
Structur  der  Bäume.  Ihre  Zweigordnung,  ihre  Blätter.  Vergleich  der  Bäume 
mit  denjenigen  xerophiler  tropischer  Gehölze.  Structur  der  Sträucher.  —  §  3. 
Der  Nadelwald.  Beleuchtung.  Xerophile  Structur  der  Bäume.  Tropophile 
Lebensweise.  Immergrüne  Laubhölzer.  2.  Speoielle  Darstellungen.  §  1. 
Nordamerika.  Gliederung  des  nordamerikanischen  Waldes  nach  Sargent. 
Der  subpolare  oder  nördliche  Waldgürtel.  Der  atlantische  und  der  paeifische 
nördliche  Wald.  Die  paeifischen  Wälder  sind  Nadelwälder.  Der  paeifische 
Küstenwald.  Nördlicher  Theil  desselben.  Wald  der  Sierra  Nevada.  Sequoia 
gigantea.  Der  paeifische  Binnenwald.  Dürftiger  Charakter.  Atlantische  Wälder. 
Provinz  der  Weyniouthkiefer.  Oekologischer  und  floristischer  Charakter.  Der 
sommergrüne  Laubwald  des  Mississippi  und  der  atlantischen  Ebene.  Die  Waldungen 
von  Nord-Carolina  nach  W.  W.  Ashe.  —  §  2.  Europa.  Urwälder  in  Böhmen 
nach  Göppert.  Wald  an  den  östlichen  Gestaden  des  Schwarzen  Meeres.  — 
§  3.  Sibirien  und  Ostasien.  Vergleich  des  sibirischen  Waldes  und  des 
subpolaren  nordamerikanischen  Waldes.  Physiognomie  des  sibirischen  Waldes 
nach  Middendorf.  Ostasiatische  Wälder  in  Kamtschatka,  am  Amur,  auf  Sachalin. 
Die  Soinmerwälder  Japan's  nach  Rein  und  Mayr.  —  §  4-  Die  Wälder  Feuer- 
land's.     Ihr  Charakter  nach  Düsen. 


Inhaltsverzeichniss.  XV 

Seite 

VIII.  Die  Grasflurformationen  der  kalttemperirten  Gürtel     ...    622 
1.   Allgemeine   Oekologie.     Wiese   und   Steppe.     Schutzmittel  der  Wiese 

gegen  die  winterliche  Trockenheit.  Hygrophiler  Charakter  in  der  Vegetationszeit. 
Xerophile  Structur  der  Steppenpflanzen.  2.  Vegetationsbilder  aus  Wiesen- 
und  Steppengebieten.  §  i.  Die  Wiesen.  Europäische  Wiesen.  Wiesen 
in  ostasiatischen  Parklandschaften  und  in  Nord- Amerika.  —  §  2.  Die  Steppen. 
Westlicher  Theil  der  nordamerikanischen  Prärie.  Die  Prärie  in  Kansas  nach 
Hitchcock,  in  Nebraska  nach  Pound  und  Clements.  Die  Steppe  im  Gebiet  des 
Schwarzen  Meeres  nach  Rehmann.    Die  Hochsteppe  bei  Alexandrowsk  nach  Grüner. 

IX.  Die  Wüsten 636 

Einleitung.  Verbreitung  und  Klima  der  Wüsten  im  Allgemeinen.  1.  Die 
Wüsten  der  ostlichen  Hemisphäre.  §  1.  Das  nordafrikanische 
und  südwestasiatische  Wüstengebict.  Ausdehnung.  Klima.  Landschafts- 
charakter. Flora  der  Frühlingsregen.  Bedeutung  des  Grundwassers  für  die  Vege- 
tation. Schutzmittel  der  Pflanzen  gegen  Wasserverlust.  Wüstenformationen  im 
äquatorialen  Ostafrika.  —  §  2.  Das  west-  und  centralasiatische  Wüsten- 
gebiet. Klima.  Charakterpflanzen.  Physiognomie  der  Wüste  am  Kaspimeer. 
—  §  3.  Die  südafrikanische  Wüste.  Ausdehnung.  Klima.  Vegetations- 
charakter in  der  Littoralwüste,  in  der  Karroo.  Welwitschia  mirabilis.  Acan- 
thosicyos  horrida.  —  §  4.  Die  australische  Wüste.  2.  Die  Wüsten 
Amerika's.  §  1.  Die  nordamerikanische  Wüste.  Ausdehnung.  Klima. 
Untere  Sonora  -  Region.  Charakterpflanzen.  Standorts  -  Oasen.  Obere  Sonora- 
Region.  Schutzmittel  gegen  Trockenheit.  Flora  der  Frühlingsregen.  Die  „Bad- 
lands" in  Dakota  und  Nebraska.  Wüste  Plateaulandschaften  am  östlichen  Fuss 
der  Rocky  mountains.  —  §  2.  Die  mexicanischen  Wüsten  und  Halb- 
wüsten. Klima.  Vegetationscharakter  nach  G.  Karsten.  —  §3.  Südamerika- 
nische  Wüsten.     Physiognomie  der  patagonischen  Wüste  nach  Niederlein. 

X.  Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen 684 

1.  Allgemeines.  2.  Die  temperirten  Strandformationen.  Strandsümpfe, 
Strandwiesen,  Dünen.  3.  Die  Heide.  Calluna  vulgaris.  Existenzbedingungen. 
Begleitpflanzen.  4.  Die  Moore.  Wiesenmoore  und  Torfmoore.  Das  Torfmoos, 
Sphagnum.  Bedingungen  der  Ernährung.  Fleischfressende  Pflanzen  der  amerika- 
nischen Moore. 


Dritter  Abschnitt. 

Die  arktische  Zone. 

I.  Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation 

und  Flora 697 

1.  Charakteristik  des  polaren  Klimas.  Allgemeine  Eigenschaften. 
Sommertemperaturen.  Unterschiede  zwischen  der  Temperatur  der  Luft  und  der- 
jenigen bestrahlter  Gegenstände.  Niederschläge.  Klimatische  Tabellen.  2.  Wir- 
kungen des  arktischen  Klimas  auf  das  Pflanzenleben.  §  i.Uebersicht 
der  klimatischen  Factoren.  —  §  2.  Vegetationszeit  und  periodische 
Erscheinungen.  Lebensbedingungen  der  Pflanzen  in  der  Arktis  nach  Kjellman. 
Erwachen  der  Vegetation  aus  dem  Winterschlaf.  MiddendorfTs  Beobachtungen. 
Reifen  der  Früchte.  —  §  3.  Wachsthum  und  Stoffwechsel  der  Vege- 
tationsorgane. Zwerghafter  Wuchs.  Wachsthum  bei  dauernder  und  ununter- 
brochener Beleuchtung.  Assimilation  im  continuirlichen  Sommerlicht.  Durch 
continuirliche   Beleuchtung  bedingte  histologische   Eigenthümlichkeiten.    —   §  4. 


XVI  Inhaltsverzeichniss. 

Seite 
Xerophile  Structur  der  Vegetationsorgane.  Xerophile  Merkmale 
durch  die  Bodenkälte  bedingt.  Polsterform.  —  §  5.  Reproductionsorgane. 
Grosser  Blüthenreichthum.  Relativ  grosse  Blttthendimensionen.  —  §  6.  An- 
gebliche Schutzmittel  gegen  Kälte.  3.  Floristisoher  Charakter 
der  arktischen  Länder.  Grönland's  Flora  nach  Warnung.  Spitzbergen^  Flora 
nach  Nathorst 

II.  Die  arktischen  Pflanzenformationen 720 

Die  Tundra.  Charakteristische  Eigentümlichkeiten.  Moostundra.  Flechten- 
tundra. Moore.  Oasen.  Die  Tundra  im  Taimyr-Lande  nach  Middendorff.  Die 
Formationen  Grönlands  nach  Warming. 


Vierter  Abschnitt. 
Die  HOhen. 

I.  Das  Höhenklima 726 

L  Die  Luftverdünnung,  Abnahme  des  Luftdrucks  bei  zunehmender  Höhe 
über  dem  Meere.  Gleichzeitige  Abnahme  der  Lufttemperatur  und  Zunahme  der 
Wärmestrahlung.  Ungleiche  Temperatur  in  Sonne  und  Schatten  auf  den  Höhen. 
Nächtliche  Abkühlung.  Zunahme  der  Lichtintensität.  Reicherer  Gehalt  des 
Höhenlichtes  an  stark  brechbaren  Strahlen.  2.  Die  Hydrometeore.  Zunahme 
des  Regens  bei  zunehmender  Höhe.  Niveau  des  grössten  Regenfalls.  Abnahme 
des  Regens  oberhalb  desselben.  Der  ewige  Schnee.  Die  Bewölkung.  Abnahme 
des  Wasserdampfes  auf  grossen  Höhen.  Rascher  Wechsel  von  Feuchtigkeit 
und  Trockenheit  der  Luft.     Grosse  Intensität  der  Verdunstung  im  Höhenklima. 

II.  Die  Regionen  der  Vegetation 736 

1.  Klimatische  Faotoren  der  regionalen  Gliederung.  Unterscheidung 
und  kurze  Charakteristik  der  drei  Regionen:  Basale  Region,  montane  Region, 
alpine  Region.  Vergleich  der  Höhenregionen  und  der  Zonen.  Frühere  Ueber- 
treibung  der  Wärmewirkungen.  Humboldt's  Ansichten.  2.  Das  Pflansenleben 
in  den  Höhenregionen*  §  1.  Gehölz,  Grasflur,  Wüste  im  Hoch- 
gebirge. Reihenfolge  des  Gehölzklima,  Grasflurklima  und  Wüstenklima  bei 
zunehmender  Höhe.  Uebereinstimmung  der  Formationen  in  der  basalen  und 
montanen  Region  mit  solchen  des  Tieflands,  charakteristisches  Gepräge  der 
alpinen  Formationen.  —  §  2.  Eigentümlichkeiten  der  alpinen  Ge- 
wächse. Alpine  Tracht  Krummholz,  Sträucher,  Polstergewächse,  Rosetten- 
stauden, Gräser.  Xerophile  Structur.  Farbe,  Grösse,  Geruch  der  Blüthen.  Peri- 
odische Erscheinungen.  Versuche  Bonnier's  und  Kerner's  über  den  Einfluss  des 
Höhenklimas  auf  die  Structur  der  Pflanzen.  Wirkung  der  einzelnen  klimatischen 
Factoren.  Assimilation  und  Transpiration  in  der  alpinen  Region.  Zunahme  des 
Zuckers  in  den  Nektarien.  Anwendung  der  Versuchsresultate  auf  die  natürliche 
alpine  Vegetation.  —  §  3.  Das  Vorkommen  alpiner  Pflanzenarten  in 
den  Tiefländern.  Vorkommen  tropischer  alpiner  Pflanzen  in  tieferen  Re- 
gionen als  Epiphyten  und  in  Solfataren.  Unterschiede  der  arktischen  und  alpinen 
Pflanzenstructur.  —  §4.  Die  Höhengrenzen  des  Pflanzenlebens.  Saus- 
surea  tridaetyla. 

III.  Die  Höhenregionen  in  den  Tropen 757 

1.  Allgemeines.  Der  temperirte  Regenwald  der  montanen  Region  in  regen- 
reichen Gebieten.  Alpine  Region.  Krummholz.  Alpines  Gesträuch.  Alpine 
Steppe.  Alpine  Niederholzsavanne.  2.  Die  Regionen  in  Ost -Asien.  Re- 
gionen in  West-Java:  Der  temperirte  Regenwald.   Krummholz.    Alpine  Savanne. 


Inhaltsverzeichniss.  XVII 

Seite 
Alpine  Steppe.  Regionen  in  Ost -Java:  Temperirter  Savannenwald  von  Casua- 
rina.  Alpine  Steppe.  Alpine  Sonnen-  und  Schattenvegetation.  Regionen  am 
Kinabalu.  Pandanenwald  auf  dem  Lokon,  Celebes.  Temperirter  Regen- 
wald in  der  montanen  Region  auf  Ceylon.  Nilgiri.  3.  Die  Regionen 
im  tropischen  Afrika.  Der  Kilimandscharo,  nach  Volkens.  . Xerophiler 
Charakter  der  basalen  Region.  Temperirter  Regenwald  in  der  montanen  Region. 
Physiognomie  und  Flora  der  alpinen  Steppen  und  Wüsten.  4.  Die  Begionen 
im  tropischen  Amerika.  Südamerikanische  Cordillere.  Temperirter  Regen- 
wald. Krummholz.  Paramos.  Frailejon.  Puna.  Mexico.  Xerophiler  Cha- 
rakter der  basalen  Region  im  mittleren  Mexico.  Regen wälder.  Sommerwälder 
(Laub-  und  Nadelwälder)  in  der  montanen  Region.  Alpine  Region.  Küsten- 
gebirge Brasilien' s.     Itatiaia.     Serra  do  Picü. 

IV.   Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen 786 

1.  Begionen  in  den  tropenahnliohen  warm  temperirten  Gebieten. 

§  1.  Central -Asien.  Himalaya.  Regenwälder  in  Sikkim,  Sommerwald  im 
westlichen  Himalaya.  Pamir.  Tibet  Regionen  im  Nan-Schan- Gebirge  nach 
Prschewalski.  Alpine  Wiesen.  Geröllwüste.  Kwen-lun -Wälder  am  Dschachar. 
Das  tibetanische  Plateau.  —  §2.  Neu-Seeland.  Montane  Region;  Xerophile 
Gehölze.  Buchenwald.  Vegetation  trockener  Triften.  Alpine  Region:  Krumm- 
holz. Alpine  Steinwüste.  Polsterpflanzen.  —  §  3.  Afrika:  Natal.  Regionen 
nach  Thode.  —  §4.  Süd-Amerika.  Argentinische  Cordillere.  Süd -Chile. 
2.  Begionen  in  den  Gebieten  mit  Winterregen.  §  1.  Mediterran- 
L  an  der.  Libanon.  Atlas.  Sierra  Nevada.  Mt.  Ventoux.  Apennin.  Aetna. 
Süd-macedonische  Gebirge.  Athos.  Canaren.  Lorbeerwald  in  der  montanen 
Region  der  Canaren.  —  §  2.  Amerika.  Californien.  Chile.  3.  Kegionen 
in  den  kalttemperirten  Gürteln.  §  1.  Die  Schweiz.  Wälder  der  ba- 
salen und  montanen  Region.  Alpine  Region.  Krummholz.  Rhododendron. 
Gesträuch.  Alpine  Grasfluren.  Felsenflora.  Flora  und  Klima  des  Theodul-Pass. 
—  §  2.  Tabellen.  Regionen  in  der  Tatra;  in  den  Pyrenäen;  im  Kaukasus; 
im  Tien-Schan ;  am  Altai ;  am  Ontake ;  in  den  White  Mountains ;  in  den  Rocky 
mountains;  in  Feuerland. 


Fünfter  Abschnitt. 

Die  Vegetation  der  Gewässer. 

I.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Wasserpflanzen  .    .    .    .    817 

§  1.  Halophyten  und  Nichthalophyten.  Salzige,  süsse,  brackische 
Gewächse.  —  §  2.  Gliederung  der  Wasservegetation.  Horizontale 
Gliederung.  Verticale  Gliederung.  Lichtregionen.  Benthos,  Plankton,  Hemi- 
plankton.  Physik  und  Chemie  des  Substrats.  —  §  3.  Periodische  Erschei- 
nungen. —  §  4.  Specielle  Betrachtung  der  Factoren.  Salze.  Tem- 
peratur.    Licht. 

II.  Die  Vegetation  des  Meeres 822 

Einleitung.  Die  Familien  der  Meeresflora.  1.  Das  Benthos.  §  1.  All- 
gemeines. Lithophyten,  Sand-  und  Schlammpflanzen.  Epiphyten.  Photische 
Region:   Auftauchender  Gürtel,  untergetauchter  Gürtel.     Horizontale  Gliederung. 

—  §  2.  Das  Benthos  der  tropischen  Meere.  Sargassum.  Pflanzen- 
armuth  des  auftauchenden  Gürtels.  —  §  3.  Das  Benthos  der  warmtempe- 
rirten  Meere.  Gliederung  desselben  im  Golf  von  Neapel,  nach  Berthold. 
Vorwiegende  Bedeutung  des  Lichtes.    Lichtperiodicität  und  Bewegungsperiodicität. 

—  §  4.    Das   Benthos   der   kalttemperirten   Meere.     Vorherrschen  der 


XVIII  Inhaltsverzeichniss. 

Seite 
Braunalgen.  Auftauchender  und  untergetauchter  Gürtel.  Zurücktreten  der  Licht- 
wirkungen. Temperatur  und  Periodicit&t.  Laubwechsel.  Südliche  temperirte 
Meere.  —  §  5.  Das  arktische  Benthos.  Grosse  Ueppigkeit.  Rolle  der 
Fucaceen  und  der  Laminariaceen.  Standorte.  Periodicität  2.  Das  pelagißche 
Plankton.  Systematische  Zusammensetzung.  Oekologische  Eigenthümlichkeiten. 
Lichtregionen.     Klimazonen. 

III.  Die  Vegetation  des  Süsswassers 845 

1.  Systematische  und  ökologische  Uebersicht«  Die  Pflanzenfamilien 
des  Süsswassers.  Eintheilung  der  Formen  in  fünf  ökologische  Typen.  2.  Das 
pflanzliche  Benthos  des  Süsswassers.  §  1.  Allgemeines.  Vorherrschen 
der  photischen  Region.  —  §  2.  Gliederung  der  Vegetation.  Gürtelartige 
Anordnung  in  der  photischen  Region.  Kalkabsondernde  Cyanophyceen.  Dyspho- 
tische  Region.  3.  Das  limnetisohe  Plankton  der  Süsswasserseen.  Flo- 
ristisches und  Oekologisches.  4.  Die  fliessenden  Gewässer.  Schwimmende 
Vegetation.  Lithophyten  der  reissenden  Ströme.  Podostemaceen.  6.  Periodische 
Erscheinungen  der  Süsswasserflora.  Benthos  und  Plankton  in  verschie- 
denen Jahreszeiten.  0.  Die  Schnee-  und  Eisflora.  Ursache  und  Verbreitung 
des  rothen  Schnees.  Sphaerella  nivalis.  Andere  Mikrophyten  des  Schnees  und  Eises. 


ERSTER  THEIL. 


DIE  FACTOREN. 


Schimper,  Pflanxengeographie. 


I.  Das  Wasser. 

1.  Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanaeru  §  i.  Allgemeines.  Hygro- 
phyten und  Xerophyten.  Ombrophobie  und  Ombrophilie.  Physikalische  und  physiologische 
Trockenheit.  Eigenschaften  der  Tropophyten.  Klimatische  und  edaphische  Xerophyten, 
Hygrophyten  und  Tropophyten.  —  §  2.  Die  Xerophyten.  Die  Wasseraufnahme  herab- 
setzende Factoren.  Die  Transpiration  fördernde  Factoren.  Xerophile  Structur.  Schutzmittel 
gegen  Wasserverlust.  Wechselbeziehungen  der  Xerophyten  verschiedener  Standorte.  —  §  3. 
Die  Hygrophyten.  Wiesner's  und  Lothelier's  Versuche.  Hygrophile  Structur.  Entfernung 
überschüssigen  Wassers:  Träufelspitze,  Hydathoden  etc.  —  §4.  Die  Tropophyten. 
Tropophile  Structur.  Der  Laubfall.  —  2.  Die  Vegetationsorgane  der  Wasserpflanzen. 
Structurveränderung  submers  wachsendsr  Landpflanzen.  Eigen thümlichkeiten  echter  Wasser- 
pflanzen. 3.  Das  Wasser  und  die  Beproduction.  Nachtheiliger  Einfluss  der  Feuchtig- 
keit auf  die  Sexualsphäre.  Die  sexuelle  Reproduction  bei  den  Wasserpflanzen.  4.  Das 
Wasser  und  die  Samenverbreitung.  Anpassungen  von  Früchten  und  Samen  an  Ver- 
breitung durch  Wasserströmung.     Die  Auswürfe  des  Meeres.     Die  neue  Flora  von  Krakatau. 

Unter  den  auf  das  Pflanzenleben  wirkenden  Factoren  ist  keiner  so 
durchsichtig  als  der  Einfluss  des  Wassers.  Der  Transpirationsstrom  lässt 
sich  von  dem  Augenblicke  seines  Eintritts  bis  zu  demjenigen  seines 
Austritts  Schritt  für  Schritt  verfolgen,  die  physiologischen  Vorgänge  der 
Aufnahme,  Fortleitung  und  Ausscheidung  des  Wassers  sind  in  vielen 
Punkten  aufgeklärt,  die  Structur  der  das  Wasser  aufnehmenden,  fort- 
leitenden, ausscheidenden  und  speichernden  Organe  ist  genau  untersucht 
worden  und  die  Theorie  des  Zusammenwirkens  aller  dieser  Factoren 
ist  in  der  Hauptsache  vollendet.  Das  Wasser  ist  aus  diesem  Grunde 
in  erster  Linie  zu  berücksichtigen,  wo  es  sich  darum  handelt,  in  den 
Eigenthümlichkeiten  der  Vegetation  eines  Gebiets  den  Antheil  von 
Klima  und  Boden  nachzuweisen. 


1.   Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 

§  I .  Allgemeines.  Aufnahme  und  Abgabe  des  Wassers  durch  die 
Pflanze  sind  von  äusseren  Bedingungen  abhängig.  Die  letzteren  sind 
aber  in  der  Natur  sehr  ungleich  und  haben  entsprechend  der  Anpassungs- 


4  I.    Das  Wasser. 

fähigkeit  der  Organismen,  ungleiche  Vorrichtungen  zur  Regelung  des 
Transpirationsstromes  hervorgerufen.  Die  Structur  mancher  Ge- 
wächse begünstigt  den  Austritt  des  aufgenommenen 
Wassers,   diejenige   anderer   erschwert   denselben 

Vorrichtungen  zur  Förderung  der  Wasserabgabe  sind  charakte- 
ristisch für  die  Hygrophyten,  d.  h.  diejenigen  Gewächse,  deren 
Existenzbedingungen  die  Gefahr  des  Austrocknens  ausschliessen  und 
mit  derjenigen  einer  Stockung  des  die  Nährsalze  ihren  Verbrauchsorten 
zufuhrenden  Transpirationsstroms  verknüpft  sind.  Erschwerte  Wasser- 
versorgung führte  dagegen  zur  Entstehung  von  Mitteln  zur  Förderung 
der  Absorption  und  zur  Verzögerung  der  Transpiration;  mit  Vorrich- 
tungen der  letzteren  Art  sind  die  Trockenpflanzen  oder  Xerophyten 
ausgerüstet. 

Wiesner  (IV)  hat  einen  weiteren,  jedoch  anscheinend  nicht  ganz 
durchgreifenden  und  jedenfalls  noch  weiterer  Prüfung  bedürftigen  Unter- 
schied zwischen  Hygrophyten  und  Xerophyten  entdeckt.  Letztere  gehen 
bei  andauernden  Niederschlägen  schon  nach  zwei  oder  drei  Tagen  zu 
Grunde ;  sie  sind  regenscheu,  ombrophob,  die  Hygrophyten  hingegen 
sind  in  der  Regel  ombrophil.  Letzteres  gilt  namentlich  von  den 
Pflanzen  sehr  regnerischer  Klimas;  z.  B.  ist  die  Vegetation  Westjavas 
(Buitenzorg)  nach  Wiesner  ombrophil.  Dagegen  giebt  es  in  unserem 
massig  feuchten  Klima  ombrophobe  Hygrophyten,  wie  Impatiens  noli 
tangere.  Die  Ombrophobie  macht  sich  in  diesem  und  den  anderen 
Fällen  schon  äusserlich  bemerkbar:  Ombrophiles  Laub  ist  be- 
netzbar,  ombrophobes   unbenetzbar. 

Man  pflegt  als  Hygrophyten  die  Pflanzen  feuchter,  als  Xerophyten 
die  Pflanzen  trockener  Standorte  zu  bezeichnen,  ohne  zu  bedenken,  dass 
es  sich  bei  Organismen  um  physiologische,  bei  Standorten  aber  um 
physikalische  Eigenschaften  handelt,  und  dass  ein  vollkommener  Paral- 
lelismus zwischen  beiden  Gruppen  von  Eigenschaften  nicht  nothwendig 
besteht.  In  der  That  ist  ein  sehr  nasses  Substrat  für  die  Pflanze  voll- 
kommen trocken,  wenn  sie  ihm  kein  Wasser  zu  entnehmen  vermag, 
während  ein  Boden,  der  uns  vollkommen  trocken  erscheint,  manche 
genügsame  Pflanze  hinreichend  mit  Wasser  versorgt.  Es  muss 
zwischen  physikalischer  und  physiologischer  Trocken- 
heit, bezw.  Feuchtigkeit  unterschieden  werden;  letztere 
allein  kommt  für  das  Pflanzenleben,  also  auch  für  die  Pflanzengeographie, 
in  Betracht.  Physiologischer  Feuchtigkeit  entspricht  eine 
hygrophile,  physiologischer  Trockenheit  eine  xerophile 
Vegetation. 

Xerophyten  und  Hygrophyten  sind  durch  Uebergänge  verbun- 
den, welche  die  Grenze  zwischen  diesen  beiden  grossen  ökologischen 
Klassen   verwischen;    auch  dürfte  der  Versuch,    eine  solche  auf  Grund 


I.    Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen.  tj 

von  Zahlen  aufzustellen,  ein  ebenso  aussichtsloses  wie  unnützes  Unter- 
nehmen sein.  Thatsächlich  hat  die  hier  unvermeidliche  Willkür  keine 
so  grosse  Verwirrung,  als  man  es  vielleicht  hätte  erwarten  dürfen,  ver- 
anlasst. Dagegen  würde  die  Aufstellung  einer  besonderen  Categorie, 
welche  die  weder  ausgesprochen  xerophilen  noch  die  ausgesprochen  hygro- 
philen  Gewächse  umfassen  würde,  die  Verwirrung  ohne  Zweifel  anbahnen. 
Nothwendig  erscheint  es  hingegen,  diejenigen  Gewächse  in  eine  dritte 
Klasse  zu  unterbringen,  deren  Existenzbedingungen,  je  nach 
der  Jahreszeit,  diejenigen  von  Hygrophyten  oder  von 
Xerophyten  sind.  Solche  Pflanzen,  zu  welchen  z.  B.  der  grossen 
Mehrzahl  nach  diejenigen  unserer  Flora  gehören,  sollen  Tropophyten 
genannt  werden.  Die  Structur  der  perennirenden  Theile 
ist  bei  ihnen  xerophil;  die  der  nur  während  der  nassen 
Jahreszeiten  vorhandenen  hygrophil. 

Die  Unterscheidung  der  Pflanzenformen  in  Hygrophyten,  Xero- 
phyten und  Tropophyten  ist  der  erste  Schritt  zum  physiologischen 
Verständniss  der  Pflanzendecke  und  ihrer  Glieder,  der  Formationen. 
Weite  Gebiete,  z.  B.  ein  grosser  Theil  der  Küsten-  und  Gebirgsland- 
schaften der  Tropen  sind  durch  Hygrophyten,  andere,  wie  die  Steppen, 
die  Wüsten,  die  Polarländer  durch  Xerophyten,  andere  noch,  wie  der 
grösste  Theil  der  nordtemperirten  Zone,  durch  Tropophyten  beherrscht. 
Es  giebt  Hygrophyten-,  Xerophyten-,  Tropophyten-Klimate. 
Ein  jedes  Klimagebiet  zeigt  neben  dem  entsprechenden  ökologischen 
Vegetationstypus,  an  bestimmten  Standorten  einen  der  beiden  anderen, 
indem  die  Eigenschaften  gewisser  Bodenarten  den  Einfluss  des  Klimas 
abschwächen  oder  aufheben.  Einflüsse  des  Bodens  sollen  als  edaphisch1) 
bezeichnet  werden.  Es  giebt  klimatische  und  edaphische 
Hygrophyten,   Xerophyten,   Tropophyten. 

Die  durch  die  physiologische  Feuchtigkeit  oder  Trockenheit  be- 
dingten Merkmale  geben  der  Vegetation  der  Gebiete2)  und  derjenigen 
der  einzelnen  Standorte  in  diesen  Gebieten  ihr  charakteristisches  physio- 
gnomisches  oder  besser  ökologisches  Gepräge.  Auch  die  systematische 
Pflanzengeographie  muss  diese  Unterschiede  zu  den  wichtigsten  rechnen, 
denn  es  giebt  auch  hygrophile,  tropophile  und  xerophile  Arten.  Es 
giebt  jedoch  auch  Arten,  und  dieses  ist  für  den  Systematiker  wie  für 
den  Physiologen  gleich  wichtig,  welche  sich  den  wechselnden  Be- 
dingungen der  Feuchtigkeit  so  vollkommen  anpassen,  dass  ihre  extremen 
Formen  zu  ungleichen  Arten  zu  gehören  scheinen,  aber  durch  Aende- 
rung  der  Feuchtigkeit  in  einander  übergeführt  werden  können. 


*)   T6  Idacpog,  Der  Boden. 

*)  Die  durch  die  Wärme  bedingten  Zonen  sind  durch  die  Hydrometeore  in  Gebiete 
zergliedert.     Vgl.  Thl.  III.  Einleitung. 


6  I.   Das  Wasser. 

§  2.  Die  Xerophyten.  Physiologische  Trockenheit  wird  entweder 
durch  die  Absorption  herabsetzende  oder  durch  die  Transpiration  för- 
dernde äussere  Factoren,  am  häufigsten  jedoch  durch  die  Combination 
von  Einflüssen  aus  beiden  Gruppen  bedingt.1) 

A.  Die  Wasseraufnahme  herabsetzende  Factoren. 

i.  Geringer  Gehalt  des  Bodens  an  freiem  Wasser, 
d.  h.  von  Wasser,  das  von  den  Bodentheilchen  schwächer  als  von  den 
Wurzeln  angezogen  wird.  Je  nach  ihrer  physikalischen  Beschaffenheit 
sind  verschiedene  Böden  physiologisch  sehr  ungleich  trocken.  (Vgl. 
V.    Der  Boden.) 

2.  Reichthum  des  Bodens  an  gelösten  Salzen. 
Geringe  Salzmengen   wirken   fördernd,  grössere  hemmend  auf  die 

Wasseraufnahme.  Der  Grad  der  Concentration,  bei  welchem  die  Ver- 
langsamung eintritt,  ist  nach  der  Pflanzenart  verschieden,  übertrifft  aber 
wohl  nie  0.5  °/0.  Salzmischungen  wirken  mehr  verlangsamend  als  reine 
Salze,  gewisse  Salze,  z.  B.  Chlornatrium,  energischer  als  gewisse  andere, 
z.  B.  Salpeter.     (Vgl.  V.    Der  Boden.) 

3.  Reichthum  des  Bodens  an  Humussäuren. 

4.  Niedere  Temperatur  des  Bodens. 

Ein  gefrorener  Boden  ist  für  alle  Pflanzen  völlig  trocken,  ein  wenige 
Grade  warmer  für  die  meisten  Pflanzen  nahezu  trocken.  Die  untere 
Temperaturgrenze  der  normalen,  d.  h.  zur  Deckung  der  Transpiration  bei 
offenen  Spaltöffnungen  genügenden  Wasserabsorption  ist  specifisch  ver- 
schieden und  liegt  bei  Pflanzen  warmer  Zonen  meist  weit  höher  als  bei 
solchen,  zu  deren  Lebensbedingungen  niedere  Temperaturgrade  gehören. 

B.  Die  Transpiration  beschleunigende  Factoren. 

1.  Trockenheit  der  Luft. 

Obwohl  ein  physiologischer,  nicht  ein  rein  physikalischer  Vorgang, 
verhält  sich  die  Transpiration  in  dieser  Hinsicht  im  Wesentlichen  wie 
die  Verdampfung.    Sie  nimmt  mit  der  Trockenheit  der  Luft  beständig  zu. 

2.  Hohe  Lufttemperatur. 

Die  Transpiration  steigt  bis  zu  einem,  nach  der  Art  wechselnden 
Maximum ,  oberhalb  welches  pathologische  Veränderungen  zunächst 
eine  Verminderung  bewirken. 

3.  Verdünnung  der  Luft. 

Die  Abnahme  des  Luftdrucks  wirkt  beschleunigend  auf  die  Tran- 
spiration, jedoch  nicht  direkt,  wie  bei  der  Verdampfung,  sondern  nur 
indirekt  durch  Beschleunigung  der  Diffusion  des  Wasserdampfes. 

4.  Licht. 

Die  Transpiration  ist  intensiver  im  Lichte  als  in  der  Dunkelheit 
und  steigt  mit  der  Intensität  der  Beleuchtung.    Die  wirksamen  Strahlen 

*)  Schimper  I. 


i.   Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen.  j 

sind,  nach  Wiesner,  in  erster  Linie  die  blauen,  in  zweiter  die  rothen, 
während  die  grünen  nur  schwachen  Einfluss  ausüben.  Unter  den  die 
Transpiration  beschleunigenden  Factoren  sind  Temperatur  und  Licht 
die  schwächsten  und  genügten  für  sich  allein  nicht,  um  einen  aus- 
gesprochen xerophilen  Charakter  hervorzurufen. 

Alle  Pflanzen,  deren  äussere  Lebensbedingungen  den 
einen  oder  anderen  der  erwähnten  Factoren  oder  eine 
Combination  mehrerer  derselben  in  sich  schliessen,  be- 
sitzen, mit  Ausnahme  der  eben  erwähnten  beiden  Factoren  (Licht, 
Temperatur),  die  Structur  und  Eigenschaften  von  Xero- 
phyten. 

Xerophile  Structur.  Wie  bereits  erwähnt,  vermögen  manche 
Pflanzen  unter  sehr  ungleichen  Bedingungen  der  Wasserversorgung 
zu  gedeihen,  indem  sie  ihre  Structur  entsprechend  den  äusseren  Ein- 
flüssen gestalten.  Diesbezügliche  Versuche  sind  namentlich  für  vier 
der  aufgezählten  Factoren,  nämlich  Trockenheit  des  Substrats,  Trocken- 
heit der  Luft,  Salzgehalt  des  Substrats  und  Beleuchtung,  ausgeführt 
worden.  Hauptsächlich  wurden  die  Blätter,  als  wichtigste  Organe  der 
Transpiration,  untersucht. 

Alle  Experimente  führten  im  Wesentlichen  zu  gleichen  Ergebnissen. 
Aeussere  Bedingungen,  welche,  sei  es  durch  Verminderung  der  Wasser- 
aufnahme, sei  es  durch  Beschleunigung  der  Wasserabgabe,  das  Gleich- 
gewicht zu  Gunsten  der  letzteren  stören,  bedingen  in  der  Regel  folgende 
Abweichungen  von  der  normalen  Structur:  i)  Reduction  der  Ober- 
fläche bei  gleichem  Volum.  2)  Reduction  der  luftführenden  Intercellu- 
laren.  3)  Zunahme  der  Gefasse  und  des  Sklerenchyms.  4)  Verlängerung 
der  Palissaden.  Ausserdem  häufig,  aber  nicht  allgemein:  5)  Zunahme 
der  Aussenwand  der  Epidermis  an  Dicke  und  Cutingehalt.  6)  Ein- 
senkung  der  Spaltöffnungen.  7.  Zunahme  luftführender  Haare.  7)  Auf- 
treten wasserspeichernder  Zellen  (Doppelte  Epidermis,  Wassergewebe, 
Schleimzellen  etc.).     (Fig.   1.) 

Mit  Ausnahme  der  Zunahme  des  Sklerenchyms  und  der  Verlänge- 
rung der  Palissaden  erscheinen  die  erwähnten  Veränderungen  geeignet, 
der  Gefahr  übermässigen  Wasserverlustes  —  möge  dieselbe  durch  zu 
geringe  Wasseraufnahme  oder  zu  grosse  Transpiration  bedingt  sein  — 
entgegenzuwirken.  Durch  Reduction  der  Blattgrösse  und  der  Inter- 
cellularen  wird  die  transpirirende  Oberfläche  für  die  gleiche  Menge 
Pflanzensubstanz  kleiner,  durch  Zunahme  der  Gefasse  wird  die  Wasser- 
zufuhr erleichtert;  die  dickere  Cuticula,  luftführende  Filz-  oder  Seiden- 
haare, die  Einsenkung  der  Spaltöffnungen  setzen  die  Transpiration 
herab;  die  Wasserzellen  thun  einerseits  das  gleiche,  andererseits  aber 
füllen  sie  sich  in  Augenblicken  gesteigerter  Wasserzufuhr  und  entleeren 
sich  bei  eintretendem  Wassermangel  in  die  assimilirenden  Zellen. 


8 


I.    Das  Wasser. 


Gewöhnlich  wird  der  Besitz  solcher  Schutzmittel,  wie  sie  eben  geschildert 
wurden,  als  die  Folge  starker  Transpiration  bezeichnet,  jedoch  mit  Unrecht. 
Wir  sehen  dieselben  sowohl  bei  schwacher  Transpiration,  z.  B.  auf  trockenem 


Fig.  I.  Einfluss  der  Transpiration  auf  die  Ausbildung  der  Laubblattgewebe. 
I.  Lactuca  Scariola.  Querschn.  durch  ein  Sonnenblatt.  2.  Dieselbe.  Schattenblatt.  3.  Robinia 
Pseudacacia,  in  gewöhnlicher  Luft.  Querschn.  des  Blattes.  4.  Dieselbe,  in  dampfgesättigter 
Luft.  5.  Sonneratia  acida  auf  nassem  Salzboden.  Blattquerschn.  6.  Dieselbe  auf  gewöhnlichem 
Boden  (Hort.  Bogor.,  Blattquerschn.).  7.  Sonneratia  acida  auf  Salzboden.  Epid.  u.  Spaltöfln. 
8.  Dieselbe  auf  gewöhnl.  Boden.    I — 2  nach  Stahl,  3 — 4  nach  Lothelier,  5 — 8  nach  der  Natur. 

oder  salzreichem  Boden,  als  bei  starker  Transpiration,  z.  B.  in  trockener  Luft 
auftreten.  Andererseits  besitzen  Pflanzen  des  feuchten  Bodens  eine  lebhafte 
Transpiration  (Gain)  und  doch  entbehren  sie  in  der  Regel  der  xerophilen 
Structur.  Nicht  die  absolut,  sondern  die  relativ,  d.  h.  im  Verhältnis  zur  Wasser- 
zufuhr  starke  Transpiration    fuhrt    zur  Entwickelung    von  Schutzvorrichtungen. 


i.   Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen.  9 

Die  z.  B.  von  Kohl  versuchte  causalmechanische  Erklärung,  der  zu  Folge  die 
starke  Transpiration  Ursache,  die  Modification  der  Structur  Wirkung  sein 
soll,    wie    bei    einem    einfachen    physikalischen  Vorgange,    wird  durch  solche 


Fig.  2.     Xerophile   Structur.     Trockenes  Klima  (Temper.   Australien),     a  Spaltöffnung 
von  Franklandia  fucifolia.     b  von  Eucalyptus  giganteus.     Nach  Tschirch. 


Fig.  3  und  4.     Xerophile    Structur.     Nasser   Salzboden.     Links   Oberseite   des   Blattes 

von  Aegiceras  majus.    Mangrove,  Java.    Vergr.  260.    Rechts  Spaltöffnung  und  Epidermis  der 

Blattunterseite  von  Rhizophora  mucronata.     Mangrove,  Java.     Vergr.  550. 


Xerophile  Structur.  Kalter  Boden.  Grönland.  Fig.  5  (links)  Blattquerschnitt  von  Dryas 
integrifolia.  Fig.  6  (rechts)  Theil  des  Blattquerschn.  von  Loiseleuria  procumbens  (B  Palis- 
saden,  FAussenwand  d.  Epid.,  c  Cuticula,  A1  Zellraum  d.  Epid.,  g  Innenwand  d.  Epidermis). 

Nach  Warming. 


Thatsachen  widerlegt.  Mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  könnte  man  in  der 
wechselnden  Concentration  des  Zellsaftes  die  erste  Ursache  erblicken,  d.  h. 
das  auf  das  Plasma  einwirkende  Reizmittel,  da  dieselbe  sowohl  durch  un- 
genügende Wasserzufuhr  wie  durch  zu  starke  Transpiration  sich  steigert.  Aber 
auch  diese  Annahme  erklärt  keineswegs  die  Zweckmässigkeit  der  geschilderten 


IO 


I.  *  Das  Wasser. 


Structuren.  Letztere  beruht  auf  einer  im  Kampfe  ums  Dasein  erworbenen 
Anpassungsfähigkeit,  die  sich  zur  Zeit,  wie  alle  eigentlichen  Lebensvorgänge, 
der  physikalischen  Erklärung  entzieht. 


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Fig.  7.   und   8.     Xerophile    Structur.      Alpines   Klima.     Links   Myrica  javanica.     Stück 

des  Blattquerschnitts.     Gedeh,  Java.     2900  m.      Rechts    Photinia    integrifolia.     Unter-    und 

Oberseite  des  Blattes.     Ardjuno,  Java.     3300  m.     Vergr.  200. 


Fig.  9.     Xerophile  Structur.    Trocken-heisses  Klima.    Algierische  und  marokkanische 
Wüste.    Zygophyllum  cornutum,  eine  Blattsucculente.    Nat.  Gr.    Nach  Engler  in :    Die  natürL 

Pflanzenfamilien. 


Die  wichtigsten  natürlichen  Gebiete  und  Standorte,  in  welchen 
physiologische  Trockenheit  herrscht  und  wo  demgemäss  nur  Xerophyten 
gedeihen,  sind  nach  ihren  physikalischen  Eigenschaften  gruppirt,  folgende: 


I.    Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 


II 


i)  Wüsten-,  Steppen-  und  andere  Gebiete  mit  trockenem  Sub- 
strat und  trockener  Luft,  zeitweise  oder  dauernd  grosser  Hitze  und 
intensiver  Beleuchtung. 

2)  Baumrinden  und  Felsen. 
Rasches    Vertrocknen    des 

Substrats     in    Folge     mangeln- 
der Tiefe. 

3)  Sandboden,  Gerolle  etc. 
Rasches  Vertrocknen  des  Sub- 
strats wegen  grosser  Durch- 
lässigkeit. 

4)  Meeresstrand ,  Solfata- 
ren  etc. 

Reichthum  des  Bodens  an 
gelösten  Salzen. 

5)  Torfmoore. 
Humussäuren  im  Boden. 

6)  Polargebiete;  Nähe  der 
Gletscher  im  Hochgebirge.  Nie- 
dere Bodentemperatur. 

7)  Alpine  Höhen. 
Verdünnte  Luft  und  starke 

Insolation     charakterisiren     das 
alpine  Klima. 

Die  Pflanzen  aller  dieser 
Standorte  sind  mit  Vorrich- 
tungen zum  Schutz  der  Tran- 
spiration versehen;  sie  sind 
Xerophyten.  Namentlich  ver- 
breitet zeigt  sich  bei  ihnen 
Reduction  der  Oberfläche.  Mit 
zunehmender  Trockenheit  —  im 
physiologischen  Sinne  — ,  wer- 
den die  Blätter  an  Oberfläche 
kleiner,  aber  entsprechend  dicker, 
lederartig  (Sklerophyllen) 
oder  fleischig  (Chylophyllen 
oder  Blattsucculenten),  oder 
sie  werden  rudimentär  und  hin- 
fällig (Aphyllen).  Im  letztern  Falle  sind  die  Axen  chlorophyllreich 
und  verrichten  die  Function  der  Assimilation.  Sie  sind  bald  schlank, 
ruthenähnlich,  saftlos  und  hart,  wie  bei  Ephedra,  Spartium  u.  A.  (Sklero- 
kaulen),    oder    sie    verkürzen   sich    unter  Dickenzunahme    oft   bis   zur 


Fig.   10.     Xerophile  Structur. 

Nasser    Salzboden.      Batis     maritima.     Eine 

Blattsucculente   des  tropischen  Strandes.     Pflanze. 

Nat.    Gr.      Nach    Dammer    in:    Die    natürlichen 

Pfl  anzenf amilien. 


12  I.    Das  Wasser. 

Kugelform  und  füllen  sich  mit  schleimigem  Safte,  wie  bei  den  Cacteen 
(Chylokaulen  oder  Stammsucculenten). 


Fig.   1 1 .    Xerophile  Structur.    Trockenes  Substrat  (Baumrinden  und  Felsen).    /  Octomeria  sp. 
2  Cattleya  bicolor.     Desterro,  Brasilien.     Nat.  Gr. 

Die  Reduction  der  Oberfläche  ist  oft  mit  Dornbildung  verknüpft,  indem 
Sprosse  oder  Blätter  zu  kurzen  sklerenchymreichen,  kaum  oder  gar  nicht 
transpirirenden  spitzen  Gebilden  werden,  deren  Bedeutung  als  Schutzmittel 
gegen  Thiere,  wenn  überhaupt  vorhanden,  nur  secundär  eingetreten  ist. 


i.    Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 


13 


Den  Xerophyten  mit  gefiederten  Blättern  ist  Selbstregulirung  der 
transpirirenden  Oberfläche  ermöglicht,  indem  die  leicht  beweglichen 
Blättchen  sich  bei  der  massigen  Beleuchtung  der  frühen  Stunden  oder 
eines  trüben  Tages  ausspannen,  bei  intensiver  Besonnung  und  ent- 
sprechend intensiver  Transpiration  zusammenfalten.  Wie  vollkommen 
diese  Vorrichtung  wirkt,  zeigt  der  Umstand,  dass  Fiederblättergewächse 
mit  relativ  grossen  und  dünnen  Laubflächen  gemeinschaftlich  mit  Aphyllen 
in  den  trockensten  Gebieten  gedeihen. 

Andere  belaubte  Xerophyten  stellen  ihre  Blätter  oder  blattähnlichen 
Cladodien  parallel  den  einfallenden  Sonnenstrahlen,  sodass  dieselben 
weniger  erwärmt  und  beleuchtet  werden.  Diese  Eigenschaft  verschwindet 
bei  manchen  Arten  mit  der  Gefahr  zu  grossen  Wasserverlustes  (z.  B. 
bei  dem  Mangrovebaum  Sonneratia  acida,  bei 
Cultur  auf  salzarmem  Boden),  während  sie  bei 
anderen  (z.  B.  Eucalyptus)   erblich   geworden  ist. 

Manche  Pflanzen  entwickeln,  wie  vorher  er- 
wähnt wurde,  in  der  Trockencultur  wasserführende 
Zellen.  Solche  Wasserspeicher  sind  in  der  Vege- 
tation trockener  Standorte  vielfach  wiederkehrende, 
wenn  auch  nicht  allgemeine  Erscheinungen.  Bald 
sind  es  dünnwandige,  lebende  Zellen,  bald  todte 
tracheidenartige  Zellräume,  einzeln  oder  zu  Ge- 
weben auftretend  verbunden;  zuweilen  (Philoden- 
dron  cannifolium)  übernehmen  Intercellularräume 
die  gleiche  Function.  Reiche  Entwickelung  paren- 
chymatischen  lebenden  Wassergewebes  bedingt 
die  schon  erwähnte  Succulenz  von  Blättern  und 
Axen.  Solches  Wassergewebe  ist  entweder  äusser- 
lich,  zwischen  Epidermis  und  Chlorenchym  (Peri- 
c  h  y  1  e  n ,  z.  B.  viele  Bromeliaceen,  Rhizophora  etc.) 
(Fig.  16a),  oder  innerhalb  des  Chlorenchyms  gelegen  (Endochylen, 
z.  B.  Cacteen,  succulente  Euphorbiaceen  und  die  meisten  anderen  Stamm- 
succulenten)  (Fig.  13 — 14).  Im  ersteren  Falle  sind  die  Wasserzellen  mit 
dünnflüssigen,  im  letzteren  häufig  mit  schleimigem  Inhalte  versehen. 

Einzelne  lebende  Wasserzellen  sind  weniger  häufig  als  Wassergewebe. 
Solche  sind  z.  B.  sehr  auffallend  bei  Mesembryanthemum  cristallinum ,  wo 
gewisse  Epidermiszellen  zu  grossen  Wasserbläschen  heranwachsen;  sie  liegen 
zerstreut  im  Chlorenchym  bei  Tillandsia  usneoides  etc. 

Lebende  Wasserzellen  bleiben  natürlich  immer  mit  Plasma  und  Zellsaft  ge- 
füllt; sie  werden  nie  lufthaltig.  Ihr  Wassergehalt  ist  aber  zwischen  weiten  Grenzen 
schwankend,  indem  sie  sich  bei  weniger  energischer  Transpiration,  z.  B.  in  der 
Nacht  oder  bei  trüber  Witterung,  mit  Wasser  prall  füllen,  bei  starker  Transpira- 
tion aber,  unter  starkem  Collaps,  die  assimilirenden  Zellen  mit  Wasser  versorgen. 


Fig.  12.  Xerophüe  Struc- 
tur.  Kalter  Boden. 
Grönland.  Cassiope  tetra- 
gona  mit  kleinen  leder- 
artigen, eingerollten  Blät- 
tern. Vergr.  2.  Nach 
Warming. 


14 


I.    Das  Wasser. 


Wassertracheiden  enthalten,  im  Gegensatz  zu  lebenden  Wasserzellen,  je 
nach  der  reichlicheren  oder  spärlicheren  Transpiration  der  grünen  Gewebe, 
Luft  oder  Wasser.  Sie  zeigen  sich  vorwiegend  an  den  Enden  von  Gefäss- 
bündeln  in  Blättern;  nur  in  den  Blättern  gewisser  xerophiler  Orchideen  sind 
sie  im  Chlorenchym  zerstreut  (Fig.   15 — 16). 

Bei  vielen  Xerophyten  sind  die  Wasserspeicher  nicht  gleichmässig 
in  Blättern  oder  Axen  vertheilt,  sondern  auf  bestimmte  Glieder  be- 
schränkt, welchen  das  Aufbewahren  von  Wasser  als  Hauptfunction  zu- 
kommt. Solche  Wasserbehälter  sind  in  manchen  Fällen  alternde  Blätter, 
die  durch  die  nachträgliche  mächtige  Entwicklung  ihrer  Wassergewebe 
unförmlich    dick    werden    (epiphytische   Gesneraceen    und    Peperomia- 


Fig.  13.     Xerophile  Structur. 
Trockenes  Klima.   Mesem.  bryan- 
themum  Forskalii,  Blattsucculente  der 
ägyptischen    Wüste.      Nach    Volkens. 


Fig.   14.     Xerophile  Structur. 
Nasser    Salzboden.      Sesuvium    portu- 
lacastuum,  tropische  Strandsucculente.    Blatt- 
querschnitt. 


Arten,  Rhizophora,  Sonneratia  und  andere  Mangrovebäume)  und,  wie 
nachgewiesen  wurde ,  *)  die  auf  der  Höhe  der  Assimilationsthätigkeit 
befindlichen  jüngeren  Blätter  bis  zum  vollständigen  Erschöpfen  der 
Vorräthe  mit  Wasser  versorgen  (Fig.  16a  u.  17).  Dahin  gehören  ferner 
die  wohl  bekannten  Scheinknollen  epiphytischer  Orchideen,  die  spindel- 
förmigen Blattstiele  von  Philodendron  cannifolium  u.  a.  m. 

Die  vorhin  geschilderten  vergleichenden  Culturversuche  haben  er- 
geben ,  dass  die  der  Gefahr  der  Austrockung  ausgesetzte  Pflanze  eine 
die    Transpiration     herabsetzende    Ausbildung    ihrer    Oberhaut    erhält. 


*)  Schimper  III,  S.  42  u.  f.     Haberlandt,  Physiol.  Pflanzenanat.  (u.  A.  S.  349). 


I.   Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 


15 


Solche  Schutzmittel,  wie  bedeutende  Dicke  und  Cutinreichthum  der 
Aussenwand,  Einsenkung  der  Spaltöffnungen  in  krug-  oder  rinnenartige 
Vertiefungen,  luftfuhrende  Haarüberzüge,  die  in  solchen  Trockenculturen 
nur  andeutungsweise  auftreten,  erreichen  bei  typischen  Xerophyten  einen 
hohen  Grad  der  Vollkommenheit  und  zeigen  sich  bei  ihnen  ganz  all- 
gemein, unter  den  physikalisch  verschiedensten  Bedingungen.  Auch 
besitzen  die  meisten,  jedoch  nicht  alle  Xerophyten  die  Eigenschaft, 
bei  eintretendem  Welken  ihre  Spaltöffnungen  zu  schliessen  und  dadurch 
ihre  Transpiration  bedeutend  herabzusetzen.  Allerdings  ist  bei  direkter 
Bestrahlung  durch  die  Sonne  der  dadurch  gewährte  Schutz  weniger 
gross,  als  manchmal  angenommen  wird. 


Fig.   15.     Xerophile  Structur. 

Nasser  Salzboden.     Speichertrachefden 

vom   Gefössbündelende   im  Laubblatte   von 

Sonneratia  acida.     Mangrove,  Java. 


Fig.   16.     Xerophile  Structur. 

Flora   trockener   Baumrinden   (Epi- 

phyten).    Wassertracheiden  im  Blatte  einer 

Pleurothallis.     Blumenau,  Brasilien. 


Nicht  bloss  die  im  Dienste  der  Transpiration,  sondern  auch  die  in 
Beziehung  zur  Absorption  stehenden  Organe  der  Pflanze  zeigen  sich 
bei  den  Xerophyten  zweckentsprechend  ausgebildet.  Ein  sehr  reiches 
Wurzelsystem  zeichnet  die  Mehrzahl  dieser  Gewächse  aus,  und  manche 
Arten,  namentlich  Epiphyten,  sind  im  Besitze  energisch  wirkender  Saug- 
apparate,   welche  in  einem  späteren  Kapitel   geschildert  werden  sollen. 

Wechselbeziehungen  der  Xerophyten  verschiedener 
Standorte.  Die  im  Vorhergehenden  dargestellten  Vorrichtungen  zur 
Erhaltung  des  Wassers  zeigen  sich  in  ganz  ähnlicher  Ausbildung  bei 
Xerophyten  der  verschiedensten  Standorte,  möge  die  Gefahr  des  Aus- 
trocknens durch  physikalische  Trockenheit,  durch  Kälte  des  Bodens, 
durch  Reichthum  des  letztern  an  gelösten  Salzen  oder  Humussäuren 
oder  durch  Luftverdünnung  bedingt  sein.    Dass  es  sich  dabei  nicht 


16 


I.   Das  Wasser. 


um  zufällige  äussere  Aehnlichkeiten  handelt,  das  geht 
mit  Sicherheit  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  viele  Xero- 
phyten mit  den  verschiedensten  physiologisch  trockenen 
Standorten  vorlieb  nehmen,  aber  niemals  auf  die  physi- 
kalisch oft  viel  ähnlicheren  Standorte  der  Hygrophyten 

übergehen. 

Sehr  schön  lässt  sich 
solcher  Standortwechsel  in 
West-Java  nachweisen.  Der 
durch  das  Klima  bedingte 
Vegetationscharakter  ist  hier 
ausgesprochen  hygrophil ;  die 
Xerophyten  sind  auf  eng  be- 
grenzte Standorte  von  sehr 
ungleichen  physikalischen  Be- 
dingungen beschränkt.  Solche 
sind  nämlich: 

i)  Trockenes  Lavagerölle 
und  sonstige  steinige  Unter- 
lagen (z.  B.  am  Gunung 
Guntur). 

2)  Die  Baumrinden  (Epi- 
phyten). 

3)  Der  Meeresstrand,  mit 
Einschluss  der  zur  Ebbezeit 
überschwemmten  Mangrove. 

4)  Die  Solfataren,  mit 
lehmigem,  nassem,  von  Alaun 
und  anderen  löslichen  Salzen 
imprägnirtem  Boden. 

5)  Die  alpinen  Höhen  mit 
ihrer  verdünnten  Atmosphäre 
und  starken  Bestrahlung. 

Physikalisch  mehr  un- 
gleiche Bedingungen  als  die- 
jenigen, wie  die  Baumrinde 
im  Urwalde,  die  Solfataren 
und  die  alpinen  Höhen  sie 
bieten,  können  kaum  gedacht  werden.  Dennoch  ist  in  West-Java 
die  Vegetation  dieser  Standorte  zum  grossen  Theile 
aus  denselben  Xerophytenarten  zusammengesetzt,  wäh- 
rend letztere  an  anderen,  physikalisch  mehr  ähnlichen,  aber  hygrophilen 
Standorten  durchaus  fehlen. 


Fig.  16a.  Xerophile  Structur.  Trockenes  Sub- 
strat (Epiphyten).  Querschnitte  eines  alternden 
Blattes  einer  Codonanthe  sp.  (Gesneriacee)  mit  mäch- 
tigem Wassergewebe.  Ob.  Vergr.  55,  unten  nat.  Gr., 
umgek.  n.  d.  Natur. 


I.   Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 


17 


So  wachsen  z.  B.  Vaccinium  polyanthum  (Agapetes  rosea  Jungh.)  Rhodo- 
dendron javanicum  und  R.  retusum  als  Epiphyten  im  Urwalde,  als  Boden- 
pflanzen in  der  baumlosen  alpinen  Region  und  in  Solfataren ;  Ficus  diversifolia 
ist  Epiphyt  im  Urwald,  Bodenstrauch  in  Solfataren;  Vaccinium  varingiae- 
folium,  Gaultheria  leucocarpa,  Myrsine  avenis,  Tetranthera  citrata  bewohnen 
die  baumlose  alpine  Region.  Alle  diese  Gewächse  sind  mit  ausgeprägten 
Xerophyten -Merkmalen  versehen.  Die  gleiche  Uebereinstimmung  zwischen 
der  Flora  der  Solfataren  und 
derjenigen  der  viel  höheren 
alpinen  Region  zeigt  sich  in 
Japan. 

Die  Existenzbedingun- 
gen auf  der  Baumrinde  in 
massig  warmen  Bergurwäl- 
dern und  auf  dem  heissen, 
sandigen ,  salzigen  See- 
strande sind  noch  weit 
ungleicher  als  in  den  eben 
erwähnten  Fällen.  Und  doch 
giebt  es  wenigstens  eine 
Pflanzenart,  die  an  beiden 
Standorten  und  ausserdem 
in  den  Solfataren,  sonst 
aber  nirgendwo  wächst,  die 
strauchige  Ficus  diversifolia. 

Endlich  fand  ich  auf 
den  trockenen,  der  Sonnen- 
gluth  ausgesetzten  Lava- 
feldern des  Gunung  Gun- 
tur,  bei  etwa  1000  m  ü.  M., 
das  soeben  erwähnte  Rho- 
dodendron javanicum,  sonst 

Epiphyt  im  Urwalde,  Bodenbewohner  nur  in  Solfataren  und  auf  alpinen 
Höhen,  mit  sonst  ebenfalls  epiphytischen  Orchideen  und  Farnen,  die 
erste  Vegetation  bilden. 

Ein  so  vielseitiger  Standortswechsel  der  Xerophyten,  wie  auf  Java, 
ist  in  anderen  Gebieten  noch  nicht  nachgewiesen  worden,  wohl  aber 
nur,  weil  erst  neuerdings  der  Begriff  der  Xerophilie  zu  einem  physio- 
logischen an  Stelle  eines  physikalischen  gemacht  worden  ist  und  weil 
man  auf  solche  Erscheinungen  meist  wenig  geachtet  hat.  Doch  hatte 
bereits  Battandier  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  gewisse  algierische 
Pflanzen  nur  die  alpinen  Gipfel  des  Atlas  und  den  Meeresstrand  be- 
wohnen,   dass    gewisse   ubiquitäre   Pflanzen   an    beiden    scheinbar    so 

Schimper,  Pflanzengeographie.  2 


Fig.   17.     Xerophile   Structur.     Flora   des   nassen 

Salzbodens.    Rhizophora  mucronata,  aus  der  Man- 

grove    Java's.       Blattquerschnitt     mit    Wassergewebe. 

Vergr.  70. 


i8 


I.    Das  Wasser. 


ungleichen  Standorten  ganz  ähnliche  anomale  Formen  entwickeln 
und  dass  die  Cultur  von  alpinen  und  littoralen  Pflanzen  in  gewöhn- 
lichem Boden  des  Tieflandes  ähnliche  Modificationen  der  Structur 
hervorruft. 

Der  xerophile  Charakter  der  Vegetation  in  den  Torfmooren  ist 
bisher  als  eine  unverständliche  Anomalie  dargestellt  worden,  und  doch 
macht  der  reiche  Gehalt  des  Bodens  an  Humussäuren  denselben  zu 
einer  ebenso  erklärlichen  wie  nothwendigen  Existenzbedingung.  Das 
Vorkommen  von  Kiefer-  und  Haidekraut  einerseits  auf  trockenem 
Sande,  andererseits  auf  feuchtem  Torfe  ist  ebenso  wenig  auffallend,  wie 
dasjenige    von    Ledum   palustre,   Vaccinium   uliginosum   und    anderen 

Torfbewohnern  auf  trocke- 
nem kaltem  Boden  in  den 
Polarländern.  Alle  diese 
physikalisch  so  ungleichen 
Standorte  sind  für  die  Pflan- 
zen trocken  und  daher  zum 
Gedeihen  von  Xerophyten 
geeignet. 

Trotz  aller  erwähnten 
Uebereinstimmungen  der 
Schutzmittel,  trotz  des  viel- 
fachen Austausches  der 
Elemente,  kurz  trotz  aller 
Aehnlichkeiten  in  der  Vege- 
tation der  verschiedenarti- 
gen physiologisch  trocke- 
nen Gebiete  und  Standorte, 
zeigt  die  genauere  Prüfung 
derselben,  dass  gewisse  Formen  der  Xerophilie  durch  bestimmte 
äussere  Bedingungen  begünstigt  werden.  Der  Zusammenhang  zwi- 
schen Structur  und  äusseren  Factoren  ist  in  solchen  Fällen  meist 
leicht  begreiflich.  So  zeigen  sich  die  Succulenten  vornehmlich  in 
warmen  Gebieten  und  erreichen  nur  da  bedeutende  Dimensionen, 
sowohl  in  trockener  wie  in  feuchter  Luft  (Wüsten,  Strand,  Epi- 
phyten),  während  sie  in  Gebieten  mit  Winterkälte  sowohl  an  Zahl 
wie  an  Grösse  abnehmen;  nur  solche  Arten  scheinen  tiefe  Tem- 
peraturen längere  Zeit  zu  ertragen,  die  im  Winter  stark  zusammen- 
schrumpfen. Ausgeprägte  Reduction  der  transpirirenden  Oberfläche, 
Dornbildung,  reiche  Behaarung  zeigen  sich  vornehmlich  in  trockener 
Luft,  während  in  feuchter  Luft  das  Laub  häufiger  wohl  ausgebildet  und 
unbehaart  ist. 

Warme   Gebiete    mit    langen   Dürreperioden,   wie    tropische    und 


Fig.   18.    Xerophile  Structur.    Trockenes  Klima. 

Querschnitt  durch   das   Blatt  von  Helianthemum  Ka- 

hiricum   mit   starker  Behaarung.     Aegyptische  Wüste. 

Vergr.  40.     Nach  Volkens. 


i.    Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen,  ig 

subtropische  Wüsten  sind  durch  den  Besitz  endochyler  Succulenten 
ausgezeichnet,  während  peripherische  Lage  der  Wasserspeicher  auf 
häufigere,  wenn  auch  schwache  Wasserzufuhr  hinweist,  wie  sie  z.  B. 
auf  dem  Meeresstrande  und  bei  den  Epiphyten  feuchter  Wälder  statt- 
hat. Leicht  bewegliche  Fiederblätter  deuten  auf  raschen  Wechsel  der 
äusseren  Bedingungen,  senkrecht  gestellte  Laubflächen  auf  starke  In- 
solation hin.  Das  lederartige  Laub  der  Sklerophyllen  ist  zwar  in  allen 
Xerophytenformationen  vertreten,  bevorzugt  jedoch  die  mild  temperirten 
Gebiete  mit  nassen  Wintern  und  trockenen  Sommern  (Mediterran- 
länder u.  s.  w.).  Endlich  soll,  nach  der  Ansicht  mehrerer  Autoren, 
der   noch   nicht   erwähnte   dicht  polsterartige  Wuchs  gewisser  Pflanzen 


Fig.   19  u.  20.    Xerophile  Structur.   Polsterform.    Links:  Raoulia  mammillaris.    Neu-Seeland. 
*/a  natürlicher  Gr.     Rechts :    Dionysia  sp.     Persisches  Hochgeb.    Bruchstück  des  Polsters  in 

natürlicher  Gr. 


ebenfalls  zu  den  Schutzmitteln  gegen  Trockenheit  gehören;  derselbe 
ist  bei  Phanerogamen  auf  Gebiete  mit  kalten  oder  doch  kühlen,  zeit- 
weise nebeligen  Klimaten  beschränkt  und  zeigt  sich  vornehmlich  im 
Hochgebirge.  Eine  harte  Unterlage  scheint  ihn  zu  begünstigen,  ist 
aber  nicht  nothwendige  Voraussetzung,  da  Polsterpflanzen  auch  Wiesen 
und  Moore  bewohnen. 

Solche  Unterschiede  verleihen  den  xerophilen  Formationen  manch- 
mal eine  ungleiche  Physiognomie;  sie  sind  aber  nur  quantitativ, 
nicht  qualitativ,  indem  jede  natürliche  Xerophytenvereinigung  die  ver- 
schiedensten Typen,  nur  in  ungleichem  Verhältnisse  der  Mischung, 
aufweist.  Hier  sind  z.  B.  die  Succulenten,  dort  Dornsträucher  mit 
Fiederblättern,  dort  Sklerophyllen  oder  stark  behaarte  Gewächse  vor- 
herrschend; andere  Formen  sind  aber  als  Nebenbestandtheile  stets 
vorhanden. 

2* 


20 


I.   Das  Wasser. 


/' 


\ 


i 


Fig.  21. 

Taraxacum  of- 

i  male.  Links 

an  Nat.  ca.  60 

ein  lang)  im  ab- 

9^>lut    feuchten 
Raum.  Rechts 
,12—15  cml.) 
in  mittlerer  Feuchtig- 
keit.    Nach   Wiesner. 


Die  Hygrophyten. 

Wiesner  (III)  eultivirte  einige  Pflanzen  von  theils 
mehr,  theils  weniger  ausgeprägten  xerophilen  Eigen- 
schaften, namentlich  solche,  die  in  der  Natur  grund- 
ständige Rosetten  besitzen,  im  absolut  feuchten 
Räume  und  erzielte,  soweit  die  Versuchsobjekte  nicht 
erkrankten,  ganz  wesentliche  Abweichungen  von 
der  normalen  Structur.  Die  Blätter  erhielten  ausser- 
gewöhnliche  Dimensionen,  die  Rosetten  wandelten 
sich,  durch  Streckung  der  Internodien,  theilweise  in 
Langsprosse  um  (Fig.  21). 

Unter  ähnlichen  Bedingungen  wurden  in  Ver- 
suchen Lothelier's  schwach  belaubte  oder  unbelaubte 
dornige  Xerophyten  zu  reich  belaubten,  ganz  oder 
nahezu  dornlosen  Pflanzen  (Fig.  22). 

Durch  Cultur  in  sehr  feuchter  Luft 
erhalten  die  Xerophyten,  soweit  sie  letz- 
tere ertragen,  eine  ganz  abweichende, 
derjenigen  der  Hygrophyten  sich  nä- 
hernde  Structur. 

Typische  Hygrophyten  haben 
schwache  Wurzeln,  langgestreckte  Axen, 
grosse,  dünne  Laub  flächen.  Sie  sind  bei- 
nahe niemals  dornig,  indem  die  vegetativen 
Sprosse  sämmtlich  als  Laubsprosse  oder  Blätter  aus- 
gebildet sind;  sie  können  hingegen  stachelig  sein, 
da  Stacheln  keine  Reduction  der  transpirirenden 
Oberfläche  bedeuten.  Wie  die  äussere  Configura- 
tion  ist  auch  die  innere  Structur  ganz  vorwiegend 
auf  Förderung  der  Wasserabgabe  zugerichtet. 

Schutzmittel  gegen  Wasserverlust  pflegen  aller- 
dings nicht  ganz  zu  fehlen.  Die  Hymenophylleen 
feuchter  immergrüner  Wälder  vertrocknen  zwar  sehr 
schnell  in  trockener  Luft  und  sind  daher  an  eine 
stets  dampfreiche  Atmosphäre  gebunden.  Aehnliches 
gilt,  wenn  auch  in  minder  hohem  Grade,  von  an- 
deren krautigen  Gewächsen  ähnlicher  Standorte.  Die 
baumartigen  Hygrophyten  hingegen  befinden  sich 
zeitweise  in  weniger  feuchter  Atmosphäre  und  wer- 
den theilweise  durch  die  Sonnenstrahlen  direkt  ge- 
troffen, wodurch,  sogar  im  dampfgesättigten  Räume, 
die  Transpiration  bedeutend  beschleunigt  wird.   Dem- 


i.   Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 


21 


entsprechend  besitzen  manche  hygrophile  Holzgewächse,  namentlich 
solche  der  Tropen, *)  deutliche,  wenn  auch  schwach  ausgeprägte  Schutz- 
vorrichtungen gegen  Wasserverlust,  die  denjenigen  ähnlich  sehen,  welche, 
in  starker  Ausbildung,  bei  den  Xerophyten  vorkommen,  wie  eine  wasser- 
reiche Epidermis  oder  ein  dünnes  Wassergewebe,  an  den  Sonnen- 
blättern auch  eine  wohl  ausgebildete  Cuticula. 

Durch  die  eben  erwähnten  Schutzmittel  wird  in  den  heissen 
Mittagsstunden  zu  grossem  Wasserverlust  der  Palissaden  entgegen- 
gewirkt ;  gleichzeitig  sind  die  Spalt- 
öffnungen geschlossen.  Wie  not- 
wendig solche  zeitweilige  Herab- 
setzung der  Transpiration  ist,  zeigt 
das  schlaffe  Herabhängen  des  Lau- 
bes mancher  tropischen  Bäume 
und  Sträucher  in  der  Mittagssonne. 
Zu  den  anderen  Tagesstunden  oder 
bei  bedecktem  Himmel  bleibt  die 
stomatäre  Transpiration,  welche  bei 
schwächerer  Bestrahlung  die  cuti- 
culare  weit  übertrifft,  ganz  unbe- 
hindert.2) 

Die  Gefahr  zu  grosser  Tran- 
spiration ist  bei  den  Hygrophyten, 
wo  überhaupt  vorhanden,  auf  we- 
nige Stunden  des  Tages  beschränkt 
und  oft  wochenlang  nicht  vorhan- 
den; sie  kann,  im  schlimmsten  Falle, 
Welken  des  Laubes,  aber  nicht 
den  Tod  durch  Austrocknen  ver- 
anlassen. Die  Gefahr  der  Stag- 
nation   des    Transpirationsstromes 

bleibt  vorherrschend  und  kommt  in  der  Structur  der  Hygrophyten  zu 
allererst  zum  Ausdruck. 

Möglichste  Ausbreitung  der  transpirirenden  Oberfläche  ist  der  all- 
gemeinste Charakter  der  Hygrophyten.  Wie  gross  ihre  Bedeutung  ist, 
wurde  durch  vergleichende  Versuche  Noll's  mit  einer  grossblättrigen 
hygrophilen  Pflanze,  Aristolochia  Sipho8)  und  einem  kugeligen  Echino- 
cactus  nachgewiesen.  Es  ergab  sich,  dass  letzterer,  bei  gleichem  Ge- 
wichte,   eine  300 mal  kleinere  transpirirende  Oberfläche  besitzt,   als  die 


b  a. 

Fig.  22.    Ulex  europaeus.  a  in  gewöhnlicher, 
b  in  dampfgesättigter  Luft     Nach  Lothelier. 


')  Haberlandt  I. 
*)  Haberlandt  I. 
,8)  Dieselbe  ist  tropophil,  zur  Vegetationszeit  also  hygrophil. 


22 


I.   Das  Wasser. 


Aristolochia.     Käme   nur  die  Grösse  der  freien  Oberfläche  in  Betracht, 
so  würde  das  Verhältniss  der  Transpiration  beider  Arten  1 :  300  betragen. 

Die  Cactaceen  haben  aber,  ausser 
der  kleinen  Oberfläche,  noch  andere 
xerophile  Eigenschaften  (schwaches 
Intercellularsystem,  dicke  Cuticula  etc.), 
die  Aristolochia  ist  ihrerseits  nicht 
bloss  grossblätterig,  sondern  noch  mit 
anderen  Förderungsmitteln  der  Tran- 
spiration ausgerüstet  (reiches  Inter 
cellularsystem,  dünne  Cuticula  etc.) ;  so 
erklärt  es  sich,  dass  das  experimentell 
festgestellte  Verhältniss  der  Transpira- 
tion nicht  1 :  300,  sondern  1 :  6000  be- 
trägt. Diese  letzte  Zahl  giebt  von  den 
Vorrichtungen  zur  Regulirung  der 
Transpiration  eine  klarere  Vorstel- 
lung als  jede  Schilderung  und  stellt 
nicht  einmal  einen  extremen  Fall  dar, 
denn,  wenn  die  Cactaceen  auch  typi- 
sche Xerophyten  sind,  so  ist  Aristo- 
lochia keineswegs  ein  ausgeprägter 
Hygrophyt. 

Bei  vielen  Hygrophyten,  nament- 
lich solchen   der  feuchten  tropischen 
Wälder,  sind  die  dünnen  Laubflächen 
in    zweckentsprechender    Weise    ge- 
staltet und  modellirt.  Grossem  Regen- 
reichthum  entspricht  vielfach  eine  lange  „Träufel- 
spitze",   durch    welche   das   Wasser   schnell    ent- 
fernt wird1)  (Fig.  23).    Pflanzen  des  tiefen  feuchten 
Waldschattens,    und    solche,    die,    in    der  Nähe 
von  Bächen  wachsend,  oft  bespritzt  werden,  be- 
sitzen  häufig    eine   sammetartige    Oberfläche,  auf 
welcher    das  Wasser   sich   capillar    zu   einer  äus- 
serst dünnen,  schnell  verdunstenden  Schicht  aus- 
breitet (Fig.  24). 2) 

Die  Bedeutung  eines  reichen  luftfuhrenden 
Intercellularsystems ,  wie  es  sich  im  Laube  aller 
Hygrophyten  vorfindet  (Fig.  25,  26),   für  die  Be- 


Fig.  23.    Hygrophile  Structur.    Blatt  von 

Ficus  religiosa,  mit  Träufelspitze.     Nach 

Stahl. 


Fig.  24.  Hygrophile  Struc- 
tur. Kegelpapillen  der 
Blattoberseite  von  Begonia 
imperialis.  Schwach  vergr. 
Nach  Stahl. 


*)  Jungner  und  namentlich  Stahl  II. 
2)  Stahl  IV. 


I.   Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 


23 


schleunigung  der  Transpiration,  ist  augenscheinlich.     Als  Ausfuhrungs- 
gänge dienen  sehr   zahlreiche   Spaltöffnungen,   welche   nicht,    wie   bei 


Fig.  25  und  Fig.  26.     Hygrophile  Structur.     Blatt  von  Fagus  silvatica.     Links:  Querschnitt 
durch  ein  Schattenblatt.     Rechts:    Schwammparenchym  eines  Schattenblattes.     Nach  Stahl. 

den   Xerophyten,   eingesenkt,    sondern  oberflächlich,   manchmal   sogar 
auf  Kegeln  sich  befinden  und  jeder  Schutzmittel  entbehren. 

Besonders  charakteristisch  ist  für  die  Hygrophyten  sehr  feuchter 
Klimate  der  Besitz  der  Hydathoden  (Fig.  27),  der  Organe  zur  Aus- 
scheidung flüssigen  Wassers,  deren  Verbreitung,  Mannigfaltigkeit  und 
grosse  Bedeutung  erst 
durch  Haberlandt1)  klar- 
gelegt wurde.  Früh  am 
Morgen  erscheinen  im 
feuchten  Klima,  nament- 
lich in  den  Tropen,  viele 
Pflanzen ,  Kräuter  wie 
Bäume ,  von  Wasser- 
tropfen derart  bedeckt, 
dass  nicht  selten  ein 
Sprühregen  vom  Laub- 
dache des  Waldes  her- 
abfällt. 

Mit  Unrecht  hat 
man  die  Erscheinung  auf 
Thaubildung  zurückge- 
führt. Es  handelt  sich 
da  vielmehr  um  Aus- 
scheidungen der  Hyda- 
thoden, deren  Thätigkeit  bei  gehemmter  Transpiration  starke  Steigerung 
erfahrt,  während  sie  in  trockener  Luft  stille  steht. 


Fig.  27.     Hygrophile  Structur.    a  und  b  Hydathoden  eines 

Laubblattes  von  Gonocaryum  pyri  forme,    c  Hydathoden  von 

Peperomia  exigua.     Vergr.     Nach  Haberlandt 


l)  Haberlandt  H.  u.  HI. 


24  *•   Das  Wasser. 

Die  Hydathoden  sind  Epidermalbildungen  verschiedenster  Art, 
bald  einfacher,  bei  complicirter  Structur,  wie  Haare,  Drüsenzellen, 
Wasserspalten  etc.  Es  sind  theils  active,  den  Schweissdrüsen  ver- 
gleichbare Drüsen,  bald  passive  Austrittsstellen  zu  einem  einfachen 
Filtrationsprocess. 

In  sehr  feuchten  Gebieten  sind  die  Hydathoden  manchmal  recht 
zahlreich.  So  fand  Haberlandt  auf  der  Blattoberseite  von  Gonocaryum 
pyriforme  durchschnittlich  55,  an  der  Unterseite  58  Hydathoden  pro 
Quadratmillimeter. 

Noch  manche  Erscheinungen  im  feineren  Bau  der  Hygrophyten  sind 
mit  der  Förderung  der  Wasserabgabe  in  Zusammenhang  gebracht 
worden,  so  die  rothen  und  silbernen  Flecke  von  bunten  Blättern  u.  s.  w. 
Experimente  werden  zeigen  müssen,  in  wiefern  die  daran  geknüpften 
scharfsinnigen  und  anregenden  Deutungen  den  Thatsachen  entsprechen.1) 

Die  Tropophyten. 

Die  Vegetation  von  Gebieten  mit  abwechselnd  feuchtem  und 
trockenem  oder  kaltem  Klima  besitzt  abwechselnd  hygrophile  und  xero- 
phile Eigenschaften ;  sie  ist  t  r  o  p  o  p  h  i  1.  Der  Gleich werthigkeit  trockener 
und  kalter  Perioden  in  Bezug  auf  Wasserversorgung  der  Vegetation  ent- 
sprechend sind  in  beiden  Fällen  ganz  ähnliche  Anpassungen  zur  Aus- 
bildung gekommen. 

Den  meisten  Tropophyten,  sowohl  denjenigen  des  abwechselnd 
trockenen  und  feuchten  als  des  abwechselnd  kalten  und  warmen  Klimas, 
ist  die  Opferung  des  grössten  Theiles  der  transpirirenden  Flächen  bei 
Beginn  der  physiologisch  trockenen  Jahreszeit  gemeinsam.  Viele  Kräuter 
gehen  der  Gesammtheit  ihrer  oberirdischen  Glieder  verlustig  und  ziehen 
sich  auf  die  unterirdischen,  wenig  transpirirenden,  zusammen.  Andere 
behalten  nur  die  dem  Boden  zunächst  liegenden  Laubsprosse,  wie 
Rosetten  u.  dgl.     Die  meisten  Holzgewächse  werfen  ihr  Laub  ab. 

Die  periodisch  belaubten  tropophilen  Holzgewächse  haben  hygrophile 
Laubblätter ;  dagegen  xerophile  Axen  und  Knospen.  Stämme  und  Aeste 
sind  durch  Borke  oder  dicke  Korklagen,  die  Knospen  durch  harte,  oft 
lackirte  Schuppen  gegen  die  Trockenheit  geschützt.  Bei  immergrünen 
tropophilen  Bäumen  muss  sich  die  Xerophilie  auch  auf  das  Laub  er- 
strecken, da  letzteres  sonst  in  der  trockenen,  bezw.  kalten  Jahreszeit 
durch  Wassermangel  zu  Grunde  gehen  würde.  Solche  Tropophyten 
sind  daher,  mit  Ausnahme  der  jungen  Sprosse,  durchweg  xerophil  gebaut; 
sie  unterscheiden  sich  aber  dennoch  durch  ihre  Lebensbedingungen  von 
den  Xerophyten.     Beispiele   dafür   sind   in    unserer   Flora   z.  B.  Tanne 


x)  Man  vergleiche  Stahl's  Arbeit  über  bunte  Laubblätter. 


I.    Die  Vegetationsorgane  der  Landpflanzen. 


25 


und  Fichte   (nicht   die    wirklich  xerophile  Kiefer   des   trockenen   Sand- 
bodens), Stechpalme  (Fig.  28),  Preisseibeere,  Heidekraut  etc. 

Die  Abwechselung  der  sattgrünen  und  der  graubraunen  Farben- 
töne, der  saftigen,  dichten  Laubmassen  und  des  dürren,  lockeren  Ge- 
ästes, wie  sie  die  Abwechselung  der  hygrophilen  und  xerophilen 
Lebensweise  hervorruft ,  verleiht  den  Tropophytengebieten ,  trotz 
physikalisch  oft  sehr  ungleichem  Klima,  ein  ähnliches  Gepräge.  Die 
tropische  Ueppigkeit  ist  in  den  Tropen  gar  nicht  allgemein;  aus- 
gedehnte Gebiete  im  Innern  der  Continente  erinnern  in  der  Physio- 
gnomie ihrer  Vegetation,  auch  in  der  Regenzeit,  mehr  an  Mitteleuropa 
als  an  die  überwältigende  Fülle  der  regenreichen  Küstengebiete,  und 
die  trockene  Zeit  vollends  ist  einem  deutschen  Winter  in  ihrem  Ein- 
fluss  auf  die  Pflanzendecke  gar  nicht  unähnlich.  Andererseits  besitzen 
manche  extratropische  Striche  mit 
schwach  ausgeprägter  Winterkälte 
und  reichen  Niederschlägen,  wie  das 
westliche  Neu -Seeland  oder  Süd- 
Chile,  üppige,  immergrüne,  den  tropi- 
schen ähnliche  Wälder.  Hier  herrscht 
nämlich  ein  Hygrophytenklima. 

Die  periodische  Entlaubung  und 
Belaubung  ist  zwar  für  Tropophyten- 
gebiete  besonders  charakteristisch, 
weil  erstere  sehr  vollständig,  letz- 
tere sehr  üppig  zu  sein  pflegt;  sie 
ist  aber  nicht  auf  dieselben  be- 
schränkt. Viele  Xerophytengebiete 
besitzen  wohl  ausgeprägte  Jahres- 
zeiten, welche  ebenfalls  vom  Abwerfen  und  Erneuern  des  Laubes  be- 
gleitet sind;  der  periodische  Wechsel  ist  aber  weniger  in  die  Augen 
fallend,  theils  weil  die  Zahl  der  immergrünen  Holzgewächse  grösser, 
theils  weil  die  Dichtigkeit  der  Laubmasse  geringer  ist.  Auch  in  man- 
chen Hygrophytengebieten  fehlt  die  Erscheinung  nicht,  doch  handelt  es 
sich  hier  in  den  meisten  Fällen  nur  um  ein  Dünnerwerden,  nicht  um 
ein  gänzliches  Verschwinden  des  Laubes.  Zudem  ist  die  Erscheinung 
auf  die  Minderzahl  der  Bäume  beschränkt,  ausser  in  Gebieten,  die,  wie 
Ost -Java,  klimatisch  den  Tropophytengebieten  nahe  stehen  und  einen 
Uebergang  zu  denselben  bilden.  Der  Laubfall  ist  eine  Anpassung 
an  eine  physiologisch  trockene  Periode.  Es  ist  der  Versuch  gemacht 
worden,  seinen  Eintritt  überall  zu  dem  Beginn  ungenügender  Wasser- 
zufuhr, sei  es  wegen  Austrockung  oder  Erkaltung  des  Bodens,  in  ursäch- 
liche Beziehung  zu  bringen.  So  einleuchtend  diese  Erklärung  a  priori 
auch  erscheint,   so   ist  sie   zur  Zeit  noch   eine  unbewiesene  Hypothese. 


Fig.  28.     Xerophile  Structur  im    perenne- 

riden  Blatt  einer  tropophilen  Pflanze :    Ilex 

aquifolium.     Nach  Stahl. 


26  I-   Das  Wasser. 

2.  Die  Vegetationsorgane  der  Wasserpflanzen.1) 

Die  ökologischen  Bedingungen  des  Pflanzenlebens  sind  im  flüssigen 
Wasser  offenbar  zum  Theil  andere  als  in  der  Luft,  möge  die  letztere 
noch  so  reich  an  Wasserdampf  sein.  Die  Wasserpflanzen  zeigen  in  der 
That  eine  Reihe  für  sie  charakteristischer  Eigentümlichkeiten ,  die  mit 
den  physikalischen  Eigenschaften  des  Wassers  als  Flüssigkeit  zusammen- 
hängen. Andererseits  jedoch  kehren  bei  ihnen  in  schärferer  Ausprägung 
manche  Eigenschaften  wieder,  die  auch  durch  sehr  dampfreiche  Luft 
hervorgerufen  werden.  Die  chemische  Identität  des  Wassers  im  flüssigen 
und  gasförmigen  Zustande  macht  sich  in  solchen  Uebereinstimmungen 
geltend. 

Manche  der  zufällig  im  Wasser  sich  entwickelnden  Landpflanzen 
zeigen  nur  geringe  Abweichungen  von  der  normalen  Structur,  da  letztere 
durch  Erblichkeit  zu  sehr  fixirt  ist,  um  bereits  in  der  ersten  Generation 
neuen  Einwirkungen  zu  weichen.  Andere  sind  plastischer  und  erfahren 
sofort  eine  Reihe  von  Veränderungen,  durch  welche  ihre  Structur  sich 
derjenigen  echter  Wasserpflanzen  nähert.  So  fand  H.  Schenck  am  Rande 
eines  ausgetretenen  Teiches  submerse  Exemplare  von  Cardamine  pratensis, 
welche  folgende  Abweichungen  von  der  normalen  Landform  aufweisen : 
Die  sonst  sitzenden  Stengelblätter  waren  langgestielt,  ihre  Zipfel  schmäler, 
das  Mesophyll  war  dünner  und  ohne  Palissaden,  die  Rinde  dicker,  in- 
,  dem  die  Gefassbündel  nach  der  Mitte  gerückt  waren  (Fig.  29),  die  in 
der  Landform  reich  entwickelten  sklerotischen  Elemente  fehlten,  die 
Aussenwand  der  Epidermis  war  stark  verdünnt,  die  Gefässe  hatten  eine 
starke  Reduction,  die  Intercellularen  eine  Förderung  erfahren. 

Zum  grossen  Theile  sind  diese  Veränderungen  denjenigen,  die  auch 
Wasserdampf  hervorruft,  sehr  ähnlich.  In  sehr  feuchter  Luft  tritt  eben- 
falls Verlängerung  der  Blattstiele,  Schwinden  der  Wandverdickungen, 
Reduction  der  Gefässe  und  Palissaden,  Zunahme  der  Luftlücken  auf. 
Nur  zwei  nicht  besonders  hervortretende  Eigentümlichkeiten  sind  auf 
die  flüssige  Beschaffenheit  des  Wassers  zurückzufuhren :  Das  centripetale 
Rücken  der  Gefassbündel  und  die  Verschmälerung  der  Blattsegmente. 
Hierin  zeigt  sich  der  erste  Schritt  der  Umwandlung  einer 
Luftpflanze  in  eine  Wasserpfanze. 

Die  Cardamine  scheint  sich  nicht  als  Wasserpflanze  behaupten  zu 
können.  Dazu  ist  ihre  Plasticität  nicht  gross  genug.  Andere  Pflanzen, 
die  sogenannten  amphibischen,  deren  bekanntester  Vertreter  Polygonum 
amphibium  ist,  gedeihen  in  Luft  und  Wasser  gleich  gut,  indem  sie, 
dank  einer  hochgradigen  Plasticität,  dem  jeweiligen  Medium  ent- 
sprechend modificirt  werden. 


*)  H.  Schenck,  I— m.     Göbel. 


2.   Die  Vegetationsorgane  der  Wasserpflanzen.  27 

Die  Phanerogamen  und  Pteridophyten,  vielleicht 
auch  die  Moose  der  Gewässer  sind  aus  solchen  plasti- 
schen Landpflanzen  entstanden,  welche  die  Fähigkeit 
besassen,  sich  auch  als  Wasserpflanzen  zu  behaupten. 
Mit  Ausnahme  der  wenigen  amphibisch  gebliebenen  Arten  verdankten 
sie  später  dieser  Fähigkeit  ihre  Fortexistenz,  indem  sie  durch  die 
Concurrenz  vom  Lande  verdrängt,  eine  Zuflucht  im  Wasser  fanden, 
wo  sie  sich  allmählich  entsprechend  modificirten  und  die  Fähig- 
keit, auf  dem  Lande  normal  zu  gedeihen,  theilweise  oder  ganz  ein- 
büssten. 

Die  Richtungen,  in  welchen  der  modificirende  Einfluss  des  Wassers 
sich  vornehmlich  geltend  machte,  sind  folgende  gewesen:  Vergrösserung 
der  freien  Oberfläche  der  Sprosse  durch  Verlängerung  oder  Spaltung  der 
Glieder,  Unterdrückung  oder  Reduction  der  Wurzeln  bezw.  Umwandlung 
derselben  (z.  B.  in  Haftorgane),  schwache  Ausbildung  der  Cuticula,  Fehlen 
oder  Reduction  der  Spaltöffnun- 
gen, Rücken  der  Gefässbündel 
zu  einem  centralen  Strange, 
periphere  Lagerung  des  Chloro- 
phyllapparats. In  ruhigen  Ge- 
wässern tritt  ausserdem  allge- 
mein eine  Reduction  der  mecha- 
nischen Elemente  und  Zunahme 

i  i    r, /*.i  i  r    .  ii    i  Fiß.  20.  Stengel  von  Card  am  ine  pratensis.  A  Land- 

der     luftfuhrenden    Intercellula-      form     B  Wasserform.    Schwach  vergr.    Nach 
ren   ein,    die    sich   in    solchem  H.  Schenck. 

Maasse  in  stark  bewegtem  Wasser 

nicht   zeigen,  wo   die  relativ  grosse  Ausdehnung  der  Oberfläche  eben- 
falls weit  weniger  ausgeprägt  ist. 

Das  Zweckentsprechende  aller  dieser  Veränderungen  liegt  auf  der 
Hand.  Fraglich  erscheint  es  nur,  ob  sie  auf  Zuchtwahl  oder  auf  direkten 
Einfluss  des  Wassers  zurückzufuhren  sind.  Die  erste  Andeutung  einiger 
derselben  zeigt  sich  bei  der  zufällig  im  Wasser  lebenden  Cardamine, 
wo  von  Zuchtwahl  nicht  die  Rede  sein  kann.  Wahrscheinlich  sind 
beide  Gruppen  von  Einflüssen,  die  direkten  und  die  indirekten,  gleich- 
zeitig wirksam  gewesen. 

Die  Veränderungen,  die  das  Leben  im  Wasser  bei  ursprünglichen 
Landpflanzen  hervorrief,  sind  nur  zum  Theil  direkt  auf  das  Wasser 
zurückzuführen.  Im  Uebrigen  handelt  es  sich  um  andere  Factoren  des 
Pflanzenlebens,  die  durch  das  Wasser  modificirt  werden.  Einige  Eigen- 
schaften der  Wasserpflanzen  sind  auf  die  Schwächung  des  Lichtes 
zurückzufuhren  und  zeigen  sich  dementsprechend  bei  Landpflanzen  des 
tiefen  Schattens  wieder,  so  die  periphere  Lagerung  des  Chlorophyll- 
apparats und  vielleicht  die  starke  Verlängerung  im  tiefen  Wasser.     Die 


28 


I.    Das  Wasser. 


beträchtliche  Ausdehnung  der  Oberfläche  und  der  Reichthum  an  Luft- 
canälen  in  Geweben,  wo  sie  bei  Pflanzen  des  trockenen  Landes  con- 
stant  fehlen  (Rhizome,  Wurzeln),  ist  auf  die  Gefahr  des  Sauerstoff- 
mangels in  Folge  der  langsamen  Gasdiffusion  im  Wasser  zurückzuführen ; 
die  Canäle  leiten  den  bei  der  Assimilation  gebildeten  Sauerstoff*  in  die 
nicht    grünen  Glieder   hinein.     Die  Pflanzen   sehr   bewegten  und  daher 

luftreichen  Wassers,  wie  die 
Podostemaceen  der  tropischen 
Wasserfälle  und  die  grösseren 
Algen  der  Brandung  zeichnen 
sich  weder  durch  besonders 
grosse  Oberfläche,  noch  durch 
den  Besitz  von  Durchlüftungs- 
vorrichtungen vor  Landpflanzen 
aus.  Diese  Erscheinungen  sol- 
len an  späteren  Stellen  (Kap.  IV 
und  Dritter  Th.  V.)  eingehen- 
der besprochen  werden. 

Die  übrigen  Eigenschaften 
der  Wasserpflanzen  sind  als 
direkte  Wasserwirkungen  zu 
betrachten.  Drei  derselben 
sind  für  das  flüssige  Wasser 
im  Gegensatz  zum  Wasser- 
dampf charakteristisch:  Erstens 
die  Verkümmerung,  bezw.  das 
Fehlen  der  Spaltöffnungen, 
welche  die  ihnen  in  der  Luft 
zukommende  Function  des  Gas- 
wechsels nicht  mehr  verrichten, 
da  die  ganze  Oberfläche  Sauer- 
stoff und  Kohlensäure  auf- 
nimmt, bezw.  ausscheidet  und 
Transpiration  nicht  stattfindet, 
zweitens  die  centrale  Lagerung 
der  Gefässbündel ,  welche  dem  Bedürfniss  nach  Zugfestigkeit  ent- 
spricht, endlich  der  Schleim,  welcher  junge  Theile  gegen  Stoffverlust 
durch  Diffusion  schützt. l)  Andere  Eigenthümlichkeiten  zeigen  sich  in 
schwächerem  Maasse  auch  in  feuchter  Luft,  nämlich  die  Reduction  des 
Wurzelsystems,  der  Gefässe  und  Hautgewebe  entsprechend  der  im 
Wasser  fehlenden,  in  feuchter  Luft  geschwächten  Transpiration,  sowie 


Fig.  30.  Ranunculus  fluitans.  /  Wasserform.  2  Land- 
form.    2L  nat.  Grösse. 


*)  Schilling  1.  c. 


2.   Die  Vegetationsorgane  der  Wasserpflanzen. 


29 


die  geringe  Ausbildung  der  sklerotischen  Elemente,  welche  sich  übrigens 
nur  in  ruhigem  Wasser  und  in  ruhiger  Luft  zeigt. 

Die  grosse  Plasticität,  welche  die  Umwandlung  von  Landpflanzen 
in  Wasserpflanzen  ermöglichte,  hat  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
von  den  Vorfahren  auf  die  Nachkommen  vererbt.  Die  meisten  phanero- 
gamischen  und  farnartigen  Wasserpflanzen  vermögen  sich  noch  in  Land- 


« 


Fig.  31.    Ranunculus  fluitans.    Querschnitt  durch  den  Blattzipfel  a  der  Wasserform  (Vergr.  90), 
b  der  Landform  (Vergr.  60).     Nach  H.  Schenck. 


formen  umzuwandeln,  welche  sich  in  ihrer  Structur  gewöhnlichen  Land- 
pflanzen nähern  (Fig.  30).  Kürzere  Sprosse,  weniger  zertheilte  Blätter, 
Palissadenparenchym ,  Spaltöffnungen,  eine  wohl  ausgebildete  Cuticula, 
centripetale  Anordnung  des  Chlorophyllapparats  zeichnen  solche  Luft- 
formen vor  den  Wasserformen  aus.  Doch  sind  manche  der  im  normalen 
Wasserleben  erworbenen 
Eigenschaften  erblich  ge- 
worden, wie  die  centrale 
Lagerung  der  Gefassbün- 
del.  Ueberhaupt  zeigt  die 
ganze  Structur  in  unver- 
kennbarer Weise,  dass  man 
etwas  umgeprägte  Wasser- 
pflanzen vor  sich  hat. 
Solche  Flüchtlinge  der  Ge- 
wässer bleiben  meist  küm- 
merlich und  kommen  nicht 
oder  selten  zur  Blüthe,  im 

Gegensatz  zu  den  echten  amphibischen  Gewächsen,  bei  welchen  gerade 
die  Landform  häufiger  geschlechtliche  Thätigkeit  entwickelt  als  die 
Wasserform. 

Die  zu  Wasserpflanzen  gewordenen  Landpflanzen  bilden  nur  einen 
geringen  Bruchtheil  der  gesammten  Wasserflora.  Die  im  Vorhergehen- 
den nicht  berücksichtigten  Algen,  welchen  die  maassgebende  Rolle  in 
der   Vegetation    der   Gewässer  zukommt,    sind    echte   Wasserpflanzen, 


Fig.  32.  Callitriche  stagnalis.  Stammquerschnitt,  a  Land- 
form,   b  Wasserform.    Nach  Schenck.     Vergr.  67. 


7o  I.   Das  Wasser. 

deren  Ancestralformen  stets  das  Wasser  bewohnt  haben.  Auch  die 
wenigen  Luftalgen  zeigen  sich  in  höherem  Grade  vom  flüssigen  Wasser 
abhängig  als  echte  Landpflanzen.  Diese  Eigenschaften  machen  die 
Algen  weniger  geeignet,  den  Unterschied  zwischen  Wasser-  und  Land- 
pflanzen klarzustellen,  als  die  höher  organisirten  Gewächse. 


3.  Das  Wasser  und  die  Reproduction.1) 

Reiche  Wasserzufuhr  begünstigt  im  Allgemeinen  die  Entwickelung 
der  Vegetationsorgane,  Wasserentziehung  bedingt  deren  Reduction. 
Umgekehrt  wird  gewöhnlich  die  Bildung  der  Sexual- 
organe durch  grosse  Feuchtigkeit  gehemmt,  durch 
Trockenheit  gefördert.* 

Diese  praktisch  schon  längst  festgestellte  Erkenntniss  hat  ver- 
schiedene gärtnerische  Kunstgriffe  zur  Hervorbringung  reicher  Blüthen- 
bildung  herbeigeführt.  Dahin  gehört  z.  B.  das  Verfahren  des  Wurzelschnittes, 
bei  welchem  ein  Graben  um  die  Pflanze  herum  gezogen  und  der  bloss- 
gelegte  Theil  des  Wurzelsystems  abgeschnitten  wird.  Um  auf  Ceylon 
den  Weiristock  zum  Blühen  zu  veranlassen,  werden  die  Wurzeln  eine 
Zeit  lang  theilweise  blossgelegt.  Cereus  und  andere  Cacteen  erzeugen 
viel  reichere  Blüthen,  nachdem  sie  eine  Zeit  lang  stark  zusammen- 
geschrumpft gewesen  sind,  als  nach  ununterbrochen  gebliebener  Turges- 
cenz.  Viele  Pflanzen,  z.  B.  gewisse  Juncusarten,  kommen  nur  auf  relativ 
trockenem  Boden  zur  Blüthe. 

Gehemmte  Leitung  des  Wassers  in  den  Gefassen  führt  zu  ähn- 
lichen Ergebnissen.  Wird  ein  Zweig  des  Kaffeestrauches  abgebrochen, 
so  dass  er  nur  noch  durch  einen  Theil  des  Holzkörpers  mit  dem  Haupt- 
aste zusammenhängt,  so  erzeugt  er  mehr  Blüthen  und  später  mehr 
Früchte  als  ein  unversehrt  gebliebener.2)  Serehkrankes  Zuckerrohr,  dessen 
Gefässe  durch  Schleim  verstopft  sind,  blüht  regelmässig  nach  kurzer  Zeit. 

Moebius  hat  der  Frage  des  Einflusses  der  Feuchtigkeit  auf  die 
Sexualsphäre  einige  lehrreiche  Versuche  gewidmet.  Er  cultivirte  Topf- 
exemplare von  Phalaris  canariensis,  Borago  officinalis  und  Andropogon 
Ischaemum  bei  theils  reicher,  theils  eben  nur  hinreichender  Bewässe- 
rung. Ueberall  zeigte  sich  die  Blüthenbildung  durch  Trockenheit  in 
auffallender  Weise  gefördert.  Die  nass  gehaltenen  Pflanzen  hatten  sogar, 
während  der  Dauer  des  Versuches,  zum  grössten  Theile  gar  keine 
Blüthen  erzeugt. 

In  dieselbe  Gruppe  von  Erscheinungen  gehört  auch  die  Beobachtung 


*)  Reiche  Litteraturnachweise  bei  Sorauer,  Pflanzenkrankheiten  Bd.  I  und  Moebius  1.  c. 
8)  Ernst  nach  Moebius  1.  c. 


3.    Das  Wasser  und  die  Reproduction.  jl 

Wiesner's,  nach  welcher,  im  dampfgesättigten  Räume,  Capsella  bursa 
pastoris  nur  spärliche  und  kümmerliche,  Taraxacum  sogar  keine 
Blüthen  erzeugte,  während  die  vegetativen  Sprosse  beider  Pflanzen 
sich  ausserordentlich  üppig  entwickelten. 

Besonders  instructiv  sind  endlich  die  Wasserpflanzen.  Zum  grössten 
Theile  bleiben  die  Wasserphanerogamen  blüthenlos,  wenn  zu  grosse 
Tiefe  des  Wassers  das  Emportauchen  der  fertilen  Sprosse  verhindert. 
So  bleiben  im  ganz  untergetauchten  Zustande  Alisma  Plantago,  Sagit- 
taria,  Isnardia,  Hippuris,  Elatine  Aisinastrum,  Littorella  etc.  stets  steril. 
Manche  Arten  von  amphibischer  Lebensweise  wie  Marsilea,  Pilularia 
entwickeln  ihre  Sporangien  nur  oder  doch  ganz  vorwiegend  an  den 
Landformen.     Subularia  aquatica  ist  untergetaucht  kleistogamisch. 

Vegetative  Vermehrung  findet  hingegen  bei  Wasserpflanzen  in  aus- 
giebigster Weise  statt.  So  wurden  durch  die  Weiterentwickelung 
abgerissener  Zweige  unsere  Gewässer  von  der  Wasserpest,  Elodea 
canadensis,  nach  wenigen  Jahren  überwuchert. 

Die  bei  weitem  grösste  Klasse  der  Wasserpflanzen,  nämlich  diejenige 
der  Algen,  vollzieht  allerdings  ihre  geschlechtliche  und  ungeschlechtliche 
Vermehrung  unter  Wasser.  Es  sind  das  Gewächse,  deren  Ancestral- 
formen  bereits  Wasserpflanzen  waren  und  dem  Einfluss  der  Trockenheit 
stets  entrückt  geblieben  sind.  Jedoch  ist  auch  bei  einigen  Algen  mehr 
amphibischer  Lebensweise  ein  fördernder  Einfluss  der  Trockenheit  auf 
die  geschlechtliche  Vermehrung  nachgewiesen  worden,  so  durch  Klebs 
für  Vaucheria. 

Diejenigen  Wasserpflanzen,  die  von  Festlandformen  abstammen, 
wie  die  Phanerogamen  und  höheren  Kryptogamen,  haben  sich  zwar 
für  ihre  vegetative  Thätigkeit  dem  Wasser  vollkommen  angepasst ;  hin- 
gegen sind  sie,  mit  wenigen  Ausnahmen,  in  der  sexuellen  Sphäre  Luft- 
pflanzen geblieben  und  diese  Abhängigkeit  hat  sogar  wunderbare  An- 
passungen hervorgerufen,  wie  die  überall  geschilderte  und  sogar  dichte- 
risch verwerthete  Bestäubung  derVallisneria  spiralis.  Nur  wenige  Formen, 
wie  Ceratophyllum ,  Najas,  Isoetes,  einige  Moose  und  namentlich  die 
Seegräser  durchlaufen  sämmtliche  Stadien  ihrer  Entwickelung  unter 
Wasser,  wodurch  Anpassungen  an  das  letztere  hervorgerufen  wurden. 
•  Manche  Pflanzen,  welche  auch  unter  Wasser  ihre  Geschlechtsorgane 
entwickeln,  sind  in  seichtem  Wasser  fertil,  dagegen  in  tiefem  Wasser, 
bei  üppiger  vegetativer  Entwickelung  steril,  z.  B.  Potomagoton  rufescens, 
verschiedene  Podostemaceen ,  Isoetes  etc.  Es  dürfte  sich  in  diesen 
Fällen  um  Lichtwirkungen  handeln,  da  die  Bildung  der  meisten  Blüthen 
in  schwachem  Lichte  unterbleibt  (vgl.  Kap.  HI). 

Auch  strömende  Bewegung  des  Wassers  wirkt  hemmend  auf  die 
Bildung  der  Blüthen,  z.  B.  bei  Potamogeton  pectinatus.  Nach  Ver- 
suchen von  Klebs  mit  verschiedenen  Algen  erscheint  es  ausgeschlossen, 


32  I.    Das  Wasser. 

dass  es  sich  in  diesem  Falle  um  eine  Wirkung  der  Lichtschwächung, 
bedingt  durch  die  Luftblasen,  handle.  Die  Ursache  dieser  Erscheinung 
ist  zur  Zeit  nicht  aufgeklärt. 


4.  Das  Wasser  und  die  Samenverbreitung. 

Die  Pflanzenarten  der  Gewässer  und  ihrer  Ufer  besitzen  häufig  im 
Bau  ihrer  Früchte  oder  Samen  Vorrichtungen,  durch  welche  ein  längeres 
Schwimmen  und  dadurch  die  Verbreitung  durch  die  Wasserströmungen 
ermöglicht  werden.  In  hochgradig  angepassten  Fällen  besitzen  solche 
Früchte  oder  Samen  besondere  Schwimmorgane,  selten  in  der  Form 
einer  von  wasserdichter  Wand  umgebenen  Schwimmblase  (Morinda 
citrifolia,  Fig.  33),  weit  häufiger  in  derjenigen  eines 
als  dicke  Hülle  ausgebildeten  Schwimmgewebes, 
dessen  Zellen  lufthaltig  sind  und  ausserdem  oft  Luft- 
lücken zwischen  sich  lassen  (z.  B.  Früchte  von  Cocos 
nucifera,  Cerbera  Odollam,  Barringtonia  speciosa, 
Terminalia  Catappa,  Fig.  34,  Calophyllum  Inophyllum, 
Fig-  35»  Samen  von  Cycas  circinalis  etc.).  Allerdings 
entbehren  manche  Schwimmfrüchte  und  -Samen, 
Fig.  33.  a  Stein  von  darunter  einzelne ,  die  sich  sehr  lange  auf  dem 
Morinda  umbellata.  Wasser  halten  (Heritiera  littoralis  etc),  besonderer 
Nicht  schwimmend.  Anpassung,  und  verdanken  ihr  leichtes  specifisches 
^  Stein  von  M.  citri-       Gewicht     einem    iuftführenden     und    wasserdichten 

folia,  mit  Schwimm- 
blase,   c  ebensolcher,       Räume     zwischen    Fruchtschale     und    Samen     oder 

vergrössert.  Samenschale   und  Samenkern,   ähnlich   wie  manche 

Früchte  und  Samen  des  Binnenlandes,  die  in  keiner 
Weise  in  Beziehung  zum  Wasser  stehen.1). 

Die  mit  andauernder  Schwimmfähigkeit  ausgerüsteten  Früchte  oder 
Samen  zeigen  sich  namentlich  in  der  Flora  des  Meeresstrandes,  in  erster 
Linie  an  tropischen  Küsten,  wo  sie  oft  bedeutende  Grösse  erreichen 
und  innerhalb  der  wenigen  angegebenen  Typen  reiche  Mannigfaltigkeit 
entfalten. 

Die  grosse  Bedeutung  der  Meeresströmungen  für  die  Samen- 
verbreitung wurde  in  der  That  zuerst  an  tropischen  Früchten  und 
Samen  erkannt ,  so  bereits  von  Linn£ ,  welcher  auf  dem  Strande  Nor- 
wegens solche  fand,  die  der  tropisch -amerikanischen  Flora  angehörten 
und  offenbar  durch  den  Golfstrom  von  den  Antillen  gebracht  worden 
waren.     Später    wurde    durch    Beobachtungen    von    Hemsley,   Treub, 


*)  Zahlreiche  Abbildungen  von  Schwimmfrüchten  und  Schwimmsamen  in  meinem  citirten 
Werke,  Taf.  VII. 


4.   Das  Wasser  und  die  Samenverbreitung. 


33 


Guppy,   und   mir   im   indischen  und  pacifischen  Ocean  die   grosse  Be- 
deutung  der   Meeresströmungen    für    die    pflanzliche   Besiedelung   von 
Küsten  und  Inseln  nachgewiesen.    Von  dem  Aussehen  der  vom  Meere 
ausgeworfenen  Früchte   und  Samen,   wie  ich 
sie   namentlich   am   Strande   bei    Tjilatjap  [in 
Süd -Java  fand,   habe  ich  an  Ort   und  Stelle 
folgende  Schilderung  geschrieben: 

„Der  breite  sandige  Strand  ist  völlig  vege- 
tationslos und  beinahe  nackt;  ausser  einigen  vor 
Kurzem  von  der  Brandung  ausgeworfenen  Früchten, 
Muscheln,  von  der  Krakataueruption  herrühren- 
den Bimsteinfragmenten,  ist  derselbe  nur  von  den 
Fruchtständen  des  Spinifex  squarrosus  bestreut,  die 
theils  von  dem  Winde  ihre  tanzend  rollende  Bewe- 
gung ausfuhren,  theils  kurz  geschoren  im  Sande 
halbvergraben  liegen.  Hinter  dem  Strande  erheben 
sich,  unter  scharfem  Winkel  aufsteigend,  nie- 
dere Dünen,  die  ganz  von  bläulichem  Spinifex 
bewachsen  sind.  Am  Fusse  dieser  Dünen  liegen, 
durch  den  Wind  oder  hohe  Seen  dahin  ge- 
schoben, die  Driftauswürfe,1)  in  Form  langer, 
scharf  begrenzter  Streifen,  sonst  im  Aussehen 
Misthaufen  vergleichbar,  auf  welchen  allerhand 
Pflanzen  gekeimt  wären.  Die  Auswürfe  bestehen 
hauptsächlich    aus    bräunlichen,   theiJs    krautigen, 

theils  holzigen  Fragmenten  verschiedener,  mit  Ausnahme  des  Spinifex,  schwer 
zu  identificirender  Gewächse,  aus  Bimsteingeröllen,  Korallen,  Muscheln,  end- 
lich aus  den  Früchten  und  Samen,  die  da,  wo  die  Drift- 
haufen grössere  Dicke  besitzen,  zum  Theil  in  Keimung 
begriffen  sind  und  dieselben  mit  einem  frischgrünen  Rasen 
überziehen.  Diese  Früchte  und  Samen  rühren  zum  grossen 
Theil  von  Pflanzen  her,  die  man  in  der  näheren  Um- 
gebung vergeblich  suchen  würde;  einige  dürften  aller- 
dings von  der  benachbarten  Insel  Noesa  Kambangan  her- 
rühren, woher  die  anderen,  vermag  ich  nicht  anzugeben. 

Manche  der  Früchte  sehen  beinahe  so  frisch  aus, 
als  wären  sie  eben  vom  Baume  gefallen,  so  diejenigen 
von  Barringtonia  speciosa.  Andere  dagegen  tragen  die 
Spuren  einer  langen  Reise  und  sind  manchmal  bis  zur 
Unkenntlichkeit  abgerieben;  ihre  Schalen  sind  von  Ser- 
picula  überzogen,  oder  siebartig  durchbohrt,  oder  von  einer  Cirrhipediencolonie 
bewohnt;  manchmal  sind  sie  von  Thieren  ausgehöhlt  worden  (Carapa,  Cocos). 


Fig.  34.     Frucht  von   Termi- 

nalia    Katappa  aus  der  Drift. 

Nat.  Gr. 


Fig.  35-  Fruchtstein 
von  Calophyllum  ino- 
phyllum.  Geöffnet  und 
das  Schwimmgewebe 
zeigend.     Nat.  Gr. 


*)  Die  Engländer  bezeichnen  die  Gesammtheit  der  Meeresauswürfe  als  Drift;  letztere 
Bezeichnung  ist  auch  in  der  deutschen  Literatur  gebräuchlich,  sie  würde  jedoch  zweckmässig 
durch  eine  deutsche  ersetzt  werden. 

Schimper,   Pflanzengeographie.  3 


34 


I.   Das  Wasser. 


Unter  allen  diesen  Früchten  herrschen  diejenigen  von  Heritiera  littoralis 
vor,  die  wegen  ihrer  Grösse  auch  gleich  in  die  Augen  fallen.  Massenhaft 
sind  ferner  die  grossen  Früchte  von  Cerbera  Odollam,  ihrer  grünen  Schale 
ganz,  ihres  Parenchyms  theilweise  beraubt  und  die  überaus  zähe  Faserhülle, 
welche  das  für  Wasser  schwer  durchdringliche  Endocarp  (hier  das  Schwimm- 
gewebe) umgiebt,  entblösst  zeigen.  Ferner  fallen  in  die  Augen  Cocosnüsse, 
nur  noch  von  Resten  ihrer  Faserhülle  bedeckt,  seitlich  meist  mit  einem  rund- 
lichen Loche  versehen,  durch  welches  ein  mir  unbekanntes  Thier  sich  den 
Genuss  des  stets  ganz  verschwundenen  Samens  verschaffte.  Häufig  sind  auch 
die  gerippten  Früchte  von  Nipa  fruticans;  die  runzeligen  oder  auf  den  drei- 
spaltigen Stein  reducirten  eines  Canarium;  die  grossen  mitraförmigen  der 
Barringtonia  speciosa,  nebst  den  länglichen  der  Barringtonia  excelsa  und  den 
viel  kleineren,  einer  nicht  näher  bestimmten  dritten  Art;  die  bootförmigen  Steine 
von  Terminalia  Katappa  (Fig.  34),  häufig  stark  abgerieben  und,  in  der  dicken 
Schale,  von  allerhand  thierischen  Organismen,  namentlich  Cirrhipedien  be- 
wohnt; die  gleichsam  aus  Flaschenkork  herausgeschnittenen  unregelmässig 
eckigen  Samen  von  Carapa  obovata,  deren  Schale  ebenfalls  perforirt  oder 
gleichsam  angefressen  zu  sein  pflegt ;  die  grossen  eckigen  Samen  von  Pangium 
edule;  die  kugeligen  Steine  von  Calophyllum  inophyllum  (Fig.  35);  die  Früchte 
verschiedener  Pandani;  die  Hülsen  von  Pongamia  glabra;  diejenigen  von 
Cynometra  cauliflora;  die  grauen,  unregelmässig  rundlichen  Samen  von 
Caesalpinia  Bonducella;  die  flachen,  dunkeln  einer  Dioclea;  die  länglichen  von 
Erythrina- Arten;  Keimlinge  einer  Bruguiera.  Bei  genauerer  Untersuchung 
findet  man  noch  eine  Anzahl  kleiner  Früchte  und  Samen,  so  namentlich  die 
Steine  von  Lumnitzera  racemosa  oder  coccinea,  diejenigen  von  Scyphiphora, 
die  Samen  von  Ipomoea  pes  caprae. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  sind,  auch  in  abgeriebenen  Früchten,  die 
Samen  ganz  gesund  und  viele  sind  anscheinend  in  Keimung  begriffen;  dabei 
zeigt  sich  ein  auffallender  Unterschied  zwischen  den  einzelnen  Arten,  der 
wohl  in  erster  Linie  auf  die  Dauer  der  Keimfähigkeit  zurückzuführen  ist 
Junge  Cocospalmen,  Eichen,  Canarien  findet  man  gar  nicht,  Keimlinge  von 
Heritiera,  im  Verhältniss  zur  enormen  Menge  der  angeschwemmten  Früchte, 
wenige.  Etwas  häufiger  sind  die  Keimpflanzen  von  Barringtonia  speciosa  und 
B.  sp.,  viel  zahlreicher  diejenigen  von  Calophyllum  inophyllum,  Cerbera 
Odollam,  Carapa,  am  gewöhnlichsten  aber  diejenigen  von  Ipomoea  pes  caprae 
und  verschiedener  Leguminosen.  Aber  auch  Keimpflanzen  von  Arten,  deren 
nicht  keimende  Samen  ich  überhaupt  nicht  fand,  zeigen  sich  in  grosser  An- 
zahl, namentlich  Ricinus  communis  und  verschiedene  anderen  Euphorbiaceen." 

Die  Flora  des  Meeresstrandes  weist  einen  ausnehmend  hohen 
Procentsatz  weitverbreiteter,  oft  innerhalb  der  betreffenden  Klima- 
zone kosmopolitischer  Arten  auf,  welche  ihre  grossen  Areale,  wie  das 
Vorkommen  ihrer  Keimlinge  in  den  Driftauswürfen  und  Versuche  über 
die  Dauer  der  Schwimm-  und  Keimfähigkeit  der  Driftsamen  gezeigt 
haben,  offenbar  den  Meeresstömungen  verdanken. 

Versuche,  die  ich  über  die  Dauer  der  Schwimmfähigkeit  der  Samen  ver- 
schiedener malayischer  Strandpflanzen  auf  3,/2procentigem  Salzwasser  anstellte, 


Literatur. 


35 


mussten  unterbrochen  werden,  bevor  die  Objekte  sämmtiich  gesunken  waren. 
Samen  von  Suriana  maritima  schwammen  seit  143  Tagen,  solche  von  Hibiscus 
tiliaceus  seit  121  Tagen.  Andere  Samen  oder  Schliessfrüchte  hatten  zwischen 
10  und  70  Tagen  geschwommen  und  waren  dann  auf  den  Boden  gesunken. 
In  Versuchen  von  Guppy  in  Buitenzorg,  welche  schon  nach  53  Tagen  unter- 
brochen werden  mussten,  wurde  bei  einem  beträchtlichen  Theile  der  Samen 
die  Keimfähigkeit  nach  40 — 53  Tagen  unverändert  gefunden. 

Die  Verbreitung  von  Strandpflanzenarten  durch  Meeresströmungen 
hat  nicht  bloss  in  früheren  Zeiten  maassgebende  Bedeutung  für  die 
Besiedelung  von  Küsten  und  Inseln  gehabt,  sondern  sie  findet  gegen- 
wärtig noch  statt,  wie  es  Treub,  der  die  in  Folge  der  bekannten  Eruption 
völlig  pflanzenleer  gewordenen  Inseln  der  Krakataugruppe  nicht  ganz 
drei  Jahre  später  besuchte,  bestimmt  nachweisen  konnte.  Zahlreiche 
Driftsamen  lagen  da  auf  dem  Strande  und  manche  offenbar  aus  solchen 
Samen  entstandene  Pflanzen  hatten  sich  bereits  angesiedelt  und  bildeten 
den  Anfang  einer  ähnlich  zusammengesetzten  Strandflora,  wie  sie  den 
in  dieser  Hinsicht  völlig  mit  einander  übereinstimmenden  Inseln  des 
malayischen  Archipels  zukommt. 


Literatur. 

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3* 


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tropische  Laubblatt.    (I)  lieber  die  Transpiration  einiger  Tropenpflanzen. 

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—  II.    Bd.      (II)    Ueber    wassersecernirende     und     -  absorbirende    Organe. 

(1.  Abhandl.)    Ibid.  Bd.  CIH.     Abth.  I.     1894. 

—  III.    Bd.      (III)    Ueber    wassersecernirende    und    -absorbirende    Organe. 

(2.  Abhandl.)     Ibid.     Bd.  CIV.     Abth.  I.     1895. 

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38  I.   Das  Wasser. 

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Schenck,  H.     Die  Biologie   der  Wassergewächse.     Bonn  1886.     (Daselbst: 

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Literatur. 


39 


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H.  Die  Wärme. 

1.  Allgemeines.  Die  Wärme  und  die  Pflanzenstructur.  Wirkungen  des  kalten 
Klimas  auf  Form  und  Lage  der  Blätter.  Die  drei  Cardinalpunkte.  Die  Phänologie.  — 
2.  Die  Nullpunkte  des  Fflansenlebens.  §.  i.  Untere  Nullpunkte.  Widerstands- 
fähigkeit gegen  Kälte.  Kältetod  oft  Trockentod.  Die  kältesten  Punkte  der  Erde.  — 
§.  2.  Obere  Nullpunkte.  Widerstandsfähigkeit  gegen  Hitze.  Sachs'  Versuche.  Die 
Thermen.  Höchste  beobachtete  Temperaturen  in  Boden  und  Luft.  —  3.  Die  Cardinal- 
punkte der  pflanzlichen  Functionen.  Das  harmonische  Optimum.  Absolutes  und 
ökologisches  Optimum.  Schwankungen  des  harmonischen  Optimums  während  der  Ent- 
wicklung. Das  ökologische  Optimum  des  Pfirsichbaumes.  Cardinalpunkte  der  Keimung. 
Keimung,  Wachsthum,  Assimilation,  Athmung  bei  niederen  Temperaturen.  Nützliche  niedere 
Temperaturen.  Wirkungen  der  Kälte  auf  die  geschlechtliche  Reproduktion.  —  4.  Die 
Akklimatisation.  Verpflanzen  aus  warmen  in  kalte  Klimate  und  umgekehrt  Schübeler's 
und  A.  de  Candolle's  Versuche.     H.  Mayr  über  Akklimatisation  der  Waldbäume. 


1.  Allgemeines. 

Wenn  trotz  der  herrschenden  Rolle,  die  ihnen  pflanzengeographisch 
zukommt,  die  Wirkungen  der  Temperatur  hier  nicht  auch  äusserlich 
an  die  Spitze  der  pflanzengeographischen  Factoren  gestellt  worden  sind, 
so  geschah  es,  weil  das  Wesen  dieser  Wirkungen  auf  den  pflanzlichen 
Organismus  weniger  deutlich  erkennbar  ist,  als  bei  derjenigen  des 
Wassers.  Wir  können  die  Zufuhr  und  die  Ausscheidung  von  Wasser 
in  der  Pflanze  direct  beobachten,  die  dadurch  bedingten  Wirkungen 
physiologisch  erklären,  den  Transpirationsstrom  auf  seinen  Bahnen  ver- 
folgen, während  die  Wärmewirkungen  sich  in  dem  uns  ganz  verborgenen 
Moleculargebiet  des  Plasma  abspielen  und  nur  in  ihren  schliesslichen 
Ergebnissen ,  wie  Beschleunigung ,  Verzögerung ,  Aufhören  physiolo- 
gischer Vorgänge,  sichtbar  werden.  Die  ökologischen  Erscheinungen 
zeigen  ähnliche  Unterschiede.  Die  Schutzmittel  gegen  Mangel  oder 
Ueberfluss  an  Wasser  sind  der  Beobachtung  zugänglich,  diejenigen 
gegen  Kälte  und  Wärme  entziehen  sich  derselben  gänzlich.  Wir 
können   es   einer  Pflanze  direct  ansehen,  ob  sie  in  der  Natur  trockene 


i.   Allgemeines. 


41 


oder  feuchte  Standorte  bewohnt,  aber  nicht,  ob  sie  der  Flora  eines 
kalten  oder  eines  warmen  Klimas  angehört.  Vielmehr  haben  die 
Pflanzen  heisser  Wüsten  oft  eine  grosse  habituelle  Aehnlichkeit  mit 
denjenigen  der  Polarländer. 

In  neuerer  Zeit  hat  man  allerdings  einige  Unterschiede  zwischen  den  in 
hochalpinen,  bezw.  polaren  und  den  im  temperirten  Klima  gewachsenen 
Exemplaren  einiger  Pflanzenarten  nachweisen  wollen.  So  sagt  Lindberg 
in  seiner  Moosflora  von  Spitzbergen1):  „Die  meisten  hier  vorkommenden 
Moosarten  treten  nur  in  mehr  oder  weniger  unvollständigen  und  verfrorenen 
Formen  auf.  In  der  That  leiden  diese  Sporenpflanzen  in  hohem  Grade  von 
der  Ungunst  des  Klimas,  denn  gewöhnlich  nimmt  die  ganze  Pflanze  einen 
dunkelen  Farbenton  an;  die  Stengel  werden  kürzer,  reichlicher  verzweigt  und 
mehr  dichtrasig  •,  auch  die  Blätter  erhalten  eine  ver- 
änderte Form  und  Richtung,  indem  sie  mehr  gedrängt, 
kürzer,  stumpfer  und  mehr  aufrecht  oder  an- 
gedrückt und  concav  werden;  ausserdem  sind  sie  oft 
in  der  Spitze  weiss  oder  durchsichtig,  weil  das  Chloro- 
phyll erfroren  ist;  wenn  in  der  wohlausgebildeten 
Pflanze  die  Blattrippe  als  lange  haarförmige  Spitze 
ausläuft,  vermag  sie  hier  selten  über  die  Blattspitze 
hinauszutreten."  Aehnliche  Beobachtungen  hat  Berg- 
gren  gemacht2):  Was  die  Moose  betrifft,  so  liegt  die 
genannte  Eigentümlichkeit  darin,  dass  die  Blätter 
breiter,  sehr  oft  concav  sind  und  die  Tendenz  zeigen, 

kapuzenförmige  Spitzen  zu  bekommen Es  ist 

eher  als  eine  Ausnahme  zu  betrachten,  dass,  wenn 
Moose  aus  der  gemässigten  Zone  bis  nach  Spitzbergen 
verbreitet   sind,   diese  nicht  kürzere    und   demzufolge 

verhältnissmässig  breite  Blätter  haben Mitunter 

wird  der  Blattrand  gleichzeitig  zurückgeschlagen  und 
seine  Zähne  verschwinden " 

Zu  ähnlichen  Resultaten  gelang  Kjellman  für  verschiedene  höheren  Ge- 
wächse; so  für  die  Zapfen  von  Picea  excelsa  und  für  die  Blätter  einiger 
Ericineen.  Ueberall  zeigte  sich,  ähnlich  wie  bei  den  oben  geschilderten 
Moosen,  die  Neigimg  der  Blüthen,  breiter  und  kürzer  zu  werden  und  etwaige 
Unebenheiten  ihres  Randes  zu  vermindern. 

In  wie  fern  solche  Unterschiede  direkt  mit  der  Temperatur  zusammen- 
hängen, müssen  Versuche  entscheiden. 

Warming  *)  beobachtete  bei  Juniperus  communis  (Fig.  36),  sowie  bei 
Lycopodium  annotinum  und  selago  die  Neigung,  mehr  gerade  und  dem  Stengel 
angedrückte,  nicht  wie  sonst  abstehende  Blätter  zu  bilden.  Er  sieht  darin  ein 
Schutzmittel    gegen  Transpiration.     Manche  Kiefernarten   gleichen  im  Winter 


A  f* 

Fig-  36.  Juniperus  com- 
munis. A  die  Form  nana 
des  kalten  Klima.  B  die 
gewöhnliche  Form.  Nach 
Warming. 


l)  Nach  dem  Citat  Kihlman's  1.  c.  S.   156. 

*)  Desgleichen  S.  17  u.  18. 

3)  L.  c.  S.   114  u.  f.  und  Fig.   12—14. 


42  EL   Die  Wärme. 

solchen  „Kälteformen",  indem  ihre  Nadeln  sich  erheben  und  der  Axe  andrücken. 
Derartige  Wirkungen  in  Folge  grosser  Trockenheit  sind  mir  nicht  bekannt.1) 

Jede  Pflanze  ist  nur  zwischen  zwei,  bald  mehr  bald  weniger  von 
einander  entfernten  Temperaturgraden,  ihrem  unteren  und  ihrem 
oberenNullpunkt,  existenzfähig.  Ueberschreiten  des  einen  oder  des 
anderen  Nullpunkts  hat  in  kürzerer  oder  längerer  Zeit,  spätestens  aber 
nach  drei  oder  vier  Tagen,  den  Tod  zur  Folge.  Die  Nullpunkte  sind 
für  jede  Pflanzenart  verschieden,  dagegen  haben  die  Individuen  einer 
Art,  wenigstens  soweit  sie  sich  unter  annähernd  gleichen  äusseren  Be- 
dingungen entwickelt  haben,  die  gleichen  Nullpunkte.  Die  absoluten 
Grenzwerthe  des  Pflanzenlebens  sind  nicht  gleichzeitig 
diejenigen  aller  seiner  Functionen.  Vielmehr  besitzt 
jede  einzelne  Function  ihre  eigenen  Grenzwerthe  und 
ausserdem  bei  einem  bestimmten  Temperaturgrade  ein 
Optimum,  im  Ganzen  also  drei  Cardinalpunkte  oder  Cardinalgrade. 
Wie  die  Grenzwerthe  ist  auch  das  Optimum  einer  jeden  Function  für 
jede  Art  charakteristisch  und  pflegt  um  so  höher  zu  stehen,  als  das 
Minimum  einer  höheren  Temperatur  entspricht. 

Die  im  Vorhergehenden  skizzirten  Daten  bilden  die  ein- 
zige Grundlage  für  die  Untersuchung  der  Temperatureinflüsse 
auf  Verbreitung  und  Lebensweise  der  Pflanzenarten. 

Im  Gegensatz  zu  der  allein  wissenschaftlichen  Auffassung  der  Temperatur- 
wirkungen, welche  J.  Sachs  durch  sorgfältige  Experimente  einführte,  nimmt  die 
Phänologie2)  weit  einfachere  Beziehungen  zwischen  Wärme  und  Pflanzenleben 
an,  indem  nach  ihren  Lehren  ein  direkter  Zusammenhang  zwischen  der  Ent- 
wickelung  der  Pflanze  und  der  Eintheilung  des  Celsius -Thermometers  vor- 
handen sein  soll.  So  werden,  um  das  Wärmebedürfniss  einer  annuellen 
Pflanze  zu  bestimmen,  vom  Tage  der  Aussaat  bis  zu  demjenigen  der  Samen- 
reife die  mittleren  oder  auch  die  höchsten  Temperaturgrade  an  den  Tagen, 
wo  dieselben  den  Nullpunkt  nach  Celsius  überschritten,  addirt.  Die  Summe 
soll  bei  einer  und  derselben  Pflanzenart,  unter  jedem  Klima,  stets  die  gleiche 
sein.  So  will  es  wenigstens  die  Theorie,  welche,  wie  nicht  anders  zu  er- 
warten, durch  die  Thatsachen  nicht  bestätigt  wird. 

In  ähnlicher  Weise  wie  die  totale  Temperatursumme,  wird  auch  die- 
jenige einzelner  physiologischer  Vorgänge  bestimmt.  Bei  mehrjährigen  Pflanzen 
geht  man  nicht  von  der  Keimung  aus,  sondern  berechnet  die  Temperatur- 
summe gewöhnlich  vom  i.  Januar  an. 

Dass  die  Methoden  der  Phänologie  zu  exakten  Resultaten  nicht  führen 
können,  braucht  kaum  näher  beleuchtet  zu  werden.  Abgesehen  von  der 
Willkür  in  der  Auswahl  der  Temperaturgrade  und  des  Zeitpunktes  für  den  An- 
fang der  Berechnung,  wird  von  ihr  vollständig  verkannt,  dass  die  Wärmegrade 
physiologisch  sehr  ungleichwerthig  sind,  dass  in  vielen  Fällen  35 °  oder  sogar  30 ° 


*)  Johow. 

9)  Vgl.  darüber  z.  B.  Hoffmann  L  c. 


2.   Die  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens.  43 

weniger  günstig  sind  als  25 °  oder  sogar  200,  während  sie  mit  io°  oder  150  ver- 
gleichbar sind,  dass  die  verschiedenen  Organe  und  Functionen  ein  sehr  un- 
gleiches Wärmebedürfniss  haben,  dass  ungünstige  Temperaturen  eine  nach- 
trägliche Verzögerung  bewirken  und  dass  neben  der  Wärme  noch  andere 
Factoren,  namentlich  die  Feuchtigkeit,  mit  bestimmend  eingreifen.  Man  kann 
sich  nicht  wundern ,  dass  die  phänologischen  Beobachtungen  wenig  Ueber- 
einstimmung  zeigen  und  wird  ihnen  höchstens  für  die  rein  darstellende 
Pflanz engeographie ,  zur  Charakterisirung  einzelner  Gegenden,  eine  gewisse 
Bedeutung  zuerkennen  können.  Den  theoretischen  Betrachtungen  und  den 
Wärmesummen  ist  hingegen  gar  keine  Bedeutung  zuzuerkennen. 

Die  physiologischen  Versuche  über  den  Einfluss  der  Temperatur 
auf  die  Lebensvorgänge  der  Pflanze  sind  leider  noch  wenig  zahlreich. 
Namentlich  werden  für  Pflanzen,  die  weit  mehr  als  die  meisten  der  bis- 
her benutzten  Objekte,  an  bestimmte  Wärmebedingungen  gebunden 
sind,  Grenztemperaturen  und  Optima  festgestellt  werden  müssen.  Wir 
sind  z.  B.  für  die  Tropen,  die  Polarländer  und  die  alpinen  Höhen  noch 
gar  nicht  unterrichtet.  Erst  auf  Grund  einer  grossen  Anzahl  genauer 
Daten  wird  man  eine  tiefere  Einsicht  in  den  Zusammenhang  zwischen 
Temperatur  und  Pflanzenleben  unter  verschiedenen  Klimaten  zu  er- 
langen hoffen  dürfen.  Die  wenigen  diesbezüglichen  Beobachtungen, 
auch  solche,  die  der  kritischen  Prüfung  durchaus  bedürfen,  sind  im 
Folgenden  zusammengestellt. 


2.  Die  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens. 

§.  1.  Untere  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens.  Allgemein  bekannt 
ist  die  ungleiche  Fähigkeit  der  Pflanzenarten,  niedere  Temperatur- 
grade zu  ertragen.  So  fand  Molisch,  dass  eine  Reihe  tropischer  Ge- 
wächse schon  bei  Temperaturen  von  +  2  bis  -|-  5  °  C.  an  Erfrieren  zu 
Grunde  gehen,  während  andererseits  die  Flora  von  Jakutsk  und 
Werchojansk  ein  paar  Hundert  Pflanzen  umfasst,  welche  unbeschadet 
eine  Temperatur  von  — 60  °  C.  ertragen.  Namentlich  zeigen  sich  ver- 
schiedene Gewächse  in  sehr  verschiedenem  Grade  befähigt,  das  Ge- 
frieren ihres  Zellsaftes  zu  ertragen,  so  dass  den  Temperaturen  wenig 
unter  o°  C.  eine  hervorragende  auslesende  Bedeutung  zukommt. 

Im  Allgemeinen  ist  für  tropische  Gewächse  Gefrieren  auch  Erfrieren, 
während  die  Pflanzen  der  temperirten  und  kalten  Zonen,  wenigstens  die 
perennirenden ,  durch  Gefrieren  zu  Eisklumpen  werden  können  ohne 
abzusterben.  Schädlicher  als  das  Gefrieren  ist  in  solchen  Fällen  das  Auf- 
thauen,  welches,  falls  zu  schnell  vor  sich  gehend,  mehr  Pflanzen  oder 
Pflanzenglieder  tödtet,  als  die  strengste  Kälte. 

Die  klimatischen  Bedingungen  sind  nur.  in  wenigen  Gegenden  derart, 
dass   die  Vegetation  im  Stande  sein  muss,    ein  häufig  wiederholtes  Gefrieren 


44 


H.    Die  Wärme. 


und  schnelles  Aufthauen  unbeschadet  zu  ertragen.  So  betont  Kihlman  „die 
ausserordentliche  Befähigung  starke  und  schnelle  Temperatur- Oscillationen 
zu  ertragen  und  sogar  den  Gefrierpunkt  mehrmals  innerhalb  24  Stunden  zu 
passieren,  als  hervortretende  Eigentümlichkeit"  der  zwerghaften  Vegetation 
der  Tundren  in  Russisch -Lappland.  Aehnliches  zeigt  sich  auch  in  den  höchsten 
Regionen  der  Gebirge.  So  verbringen  die  alpinen  Gewächse  oberhalb  der  Schnee- 
grenze, in  den  Alpen  z.  B.  Ranunculus  glacialis  und  Gentiana  nivalis,  während 

sie  in  voller  Blüthe  stehen, 
die  Nächte  im  hartgefrorenen 
Zustande,  während  sie  am 
Tage  der  grössten  Sonnen- 
gluth  ausgesetzt  sind. 

Die  mikroskopische 
Untersuchung  gefrorener 
Pflanzentheile  ergiebt,  dass 
im  gewöhnlichen  Zustande 
luftfiihrende  Intercellularen 
Eiskrystalle  enthalten,  die 
auf  Kosten  des  Zellsaftes 
benachbarter  Zellen  ent- 
standen sind.  Der  da- 
durch bedingte  Wasser- 
verlust dürfte  in  sehr  vielen 
Fällen  die  Todesursache 
darstellen,  da,  wie  Müller- 
Thurgau  nachgewiesen  hat, 
derselbe  auch  bei  günstigen 
Temperaturen  tödtend  wir- 
ken würde.  Doch  giebt  es, 
ganz  abgesehen  davon,  wie 
namentlich  aus  den  Ver- 
suchen Molisch's  hervor- 
geht, für  das  Plasma  direkt 
schädliche  Kältewirkungen. 
Wasserarme  Pflanzen- 
theile, sowie  solche  Pflan- 
zen, die  ohne  Schaden 
grosse  Trockenheit  ertragen,  sind  gegen  Kälte  besonders  widerstands- 
fähig. So  zeigten  sich  in  Versuchen  von  C.  de  Candolle  und  R.  Pictet 
trockene  Samen,  die  einer  Temperatur  von  —  80 °  ausgesetzt  worden 
waren,  in  ihrer  Keimkraft  gar  nicht  beeinträchtigt,  während  gequollene 
Samen  schon  durch  viel  weniger  tiefe  Temperaturen  getödtet  werden. 
Aehnlich  grosse  Resistenz  gegen  Kälte  zeichnet  auch  die  Sporen  von 
Pilzen  und  anderen  Kryptogamen  aus,   sowie  solche  Gewächse,   deren 


Fig-  37-    Cochlearia  fenestrata  von  Pittlekaj.    Ein  Exem- 
plar, das  in  blühendem  Zustande  überwintert  und  nach 
Schluss  des  Winters  seine  Entwickelung  fortgesetzt  hat. 
Nat.  Gr.     Nach  Kjellman. 


2.   Die  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens.  ac 

vegetative  Organe  einen  hohen  Grad  von  Austrocknung  unbeschadet 
ertragen. 

Kältetod  ist  unzweifelhaft  in  sehr  vielen  Fällen  eine 
Wirkung  des  Wassermangels  und  nicht  der  niederen  Tem- 
peratur. So  sagt  z.  B.  ganz  richtig  H.  Mayr:  „Man  staunt,  welch' 
tiefe  Temperaturen  eine  in  Ruhe  befindliche  Holzart  zu  ertragen  ver- 
mag; bei  genügender  Feuchtigkeit  der  Luft  oder  verminderter  Eigen- 
verdunstung, wie  es  Waldesschluss,  insulares  Klima,  enge  Gebirgs-  und 
Flussthäler  mit  sich  bringen;  dagegen  werden  die  meisten  Pflanzen 
gegen  Winterfrost  um  so  empfindlicher,  je  trockener  die  Luft  ist;  neun 
Zehntel  von  allen  Fällen,  die  als  Frostbeschädigung  während  des  Winters 
bezeichnet  werden,  gehören  in  die  Categorie  der  Vertrocknungs- 
erscheinungen  bei  durch  Frost  gehinderter  oder  geminderter  Wasser- 
bewegung. So  lassen  sich  vielleicht  die  Widersprüche  erklären,  dass 
manche  Pflanzen  in  notorisch  kälterem  Klima  als  „hart"  bezeichnet  werden, 
die  in  notorisch  milderem  Klima  für  empfindlich  gelten;  wahrscheinlich 
waren  die  Pflanzen  an  ersteren  Oertlichkeiten  in  feuchterer  Luft  oder  gegen 
Verdunstung  geschützt,  während  die  empfindlichen  Pflanzen  des  wärmeren 
Klimas  gegen  Trockniss  und  Frost  zu  kämpfen  hatten."    (1.  c.  S.  368). 

Welche  die  gegen  Kälte  am  wenigsten  empfindlichen  Pflanzenarten 
sind  —  abgesehen  von  Samen  und  Sporen  —  und  welche  Kältegrade 
sie  unbeschadet  ertragen  können,  ist  noch  unbekannt.  Doch  zeigen 
einige  diesbezügliche  Beobachtungen  an  arktischen  Pflanzen,  dass  solche 
Grade  ausserordentlich  niedrig  sein  können.  So  berichtet  Kjellmann, 
der  als  Botaniker  die  Vega-Expedition  mitmachte,  das  Folgende  über 
Cochlearia  fenestrata  (Fig.  37): 

„Es  giebt  wenige  Gegenden  auf  der  Erde,  welche  ein  so  strenges  Winter- 
klima besitzen,  wie  die  Stelle,  an  welcher  die  Vega-Expedition  überwinterte. 
Die  Kälte  war  sehr  anhaltend  und  ging  auf  mehr  als  — 46  °  C.  herab.  Das 
fragliche  Exemplar  wuchs  auf  dem  Gipfel  eines  ziemlich  hohen  Sandhügels 
bei  Pittekoj,  dem  beständigen  und  scharfen  Nord-  oder  Nordostwind  aus- 
gesetzt Es  hatte  seine  Blüthe  im  Sommer  1878  begonnen,  dieselbe  aber, 
als  der  Winter  kam  und  seiner  Entwicklung  ein  Ende  bereitete,  noch  lange 
nicht  abgeschlossen.  Das  florale  System  enthielt  daher  Blüthenknospen  in 
verschiedenen  Entwickelungsstadien ,  neuerdings  geöffnete  Blüthen,  verblühte 
Blüthen  und  mehr  oder  weniger  reife  Früchte.  Von  den  Rosettenblättern 
fanden  sich  nur  unbedeutende,  zusammengeschrumpfte  Reste,  aber  die  oberen 
Blätter  waren  frisch  und  lebenskräftig.  In  diesem  Zustande  wurde  die  Pflanze 
vom  Winter  betroffen  und  seiner  ganzen  Strenge  ausgesetzt.  Man  möchte 
nun  wohl  glauben,  dass  sie  vernichtet  werden  musste,  und  dass  besonders  die 
zarten,  in  der  Entwickelung  begriffenen  Blüthentheile  vom  Frost  zerstört  und 
ausser  Stand  gesetzt  wurden,  sich  weiter  zu  entwickeln.  Dies  war  aber  nicht 
der  Fall.  Als  der  Sommer  1879  begann,  setzte  die  Pflanze  ihre  Ausbildung 
von  da  an  fort,  wo  sie  zu  Anfang  des  Winters  unterbrochen  worden  war ;  die 


46 


II.   Die  Wärme. 


Blüthenknospen  schlugen   aus,   und  aus  den  Blattachseln  der  oberen  frischen 
Stengelblätter  schössen  neue  frische  Blüthenstände  hervor." 

Dass  die  vegetativen  Organe  noch  viel  tiefere  Temperaturen  als 
die  von  Kjellmann  beobachteten  unbeschadet  ertragen  und  dass  entgegen 
einer  verbreiteten,  aber  durch  nichts  gestützten  Vorstellung,  der  Baum- 
wuchs durch  lange  andauernde  strenge  Wintertemperaturen  keineswegs 
ausgeschlossen  ist,  geht  aus  der  Thatsache  hervor,  dass  die  kältesten 
bekannten  Orte  der  Erde  sich  im  sibirischen  Waldgebiete  befinden. 
Dahin  gehören  z.  B.  Jakutsk,  wo  das  Thermometer  nicht  selten  unter 
—  62  °  fallt  und  das  womöglich  noch  kältere  Werchojansk,  dessen  Tem- 
peraturverhältnisse in  folgender  Tabelle  zusammengestellt  sind: 


Werchojansk  (Sibirien). 
67  °  34r  N.  B.,   1330  5if  O.  L.,  107  m.  ü.  M. 


Mittel 

Mittlere  Extreme 

Dezember  ....     — 48.4 

—  61.9                — 28.7 

Januar  .     . 
Februar 

—51.5 

— 46.2 

—64.1                 —31-5 
—60.5                 —24.3 

März     .     . 
April     .     . 

— 35-2 
-15.8 

—  55-7              —16.6 
—33-6                      1.9 

Mai .     . 

—  1.1 

— 17.2                    11. 9 

Juni .     . 
Juli  .     . 
August  . 
September 
October 

9.4 
15.6 

9.3 

0.4 

.     — 18.1 

—  0.7                    22.4 
5.0                   29.8 

0.4                  30-1 

—  10.3                  12.4 
—36.7              —  1.2 

November 

—39-7 

—54.4              —14.0 

Ueberhaupt  ist,  soweit  bekannt,  an  keinem  Punkte 
der  Erde  die  Temperatur  so  tief,  dass  ihr  keine  Pflanze 
widerstehen  könnte.  Das  angebliche  gänzliche  Fehlen  jeder  Land- 
vegetation in  den  antarktischen  Polargebieten  ist  nicht  die  Folge  zu 
grosser  absoluter  Kälte  —  denn  so  tief  wie  in  der  Nordpolarregion 
fällt  das  Thermometer  dort  nicht  — ,  sondern  der  beinahe  constant 
unter  dem  Minimum  für  nothwendige  Functionen  bleibenden  niederen 
Temperaturgrade. 

Kjellmann  ist  es  aufgefallen,  dass  Vorrichtungen,  die  als  Schutz 
gegen  Kälte  aufgefasst  werden  könnten,  bei  vielen  polaren  Gewächsen, 
z.  B.  bei  der  soeben  erwähnten  Cochlearia  fenestrata  fehlen.  Ueber- 
haupt erschien  ihm  die  polare  Vegetation  äusserlich  nicht  besser  gegen 
Kälteeinflüsse  geschützt,  als  diejenige  unserer  Zonen.  Wir  können  diese 
Angabe  dahin  erweitern,  dass  für  unsere  gegenwärtigen  Hülfs- 
mittel  erkennbare  Schutzvorrichtungen  gegen  Kälte  bei 
Pflanzen  nicht  vorkommen.     Die  Fähigkeit,   grosse  Kälte  zu  er- 


2.    Die  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens.  47 

tragen,  ist  eine  specifische  Eigenschaft  des  Protoplasma  gewisser  Pflanzen 
und  in  keiner  Weise  durch  äussere,  d.  h.  ausserhalb  der  Plasmamicellen 
gelegene  Schutzmittel  unterstützt. 

Man  kann  sich  auch  bei  uns  von  dem  Fehlen  des  äusseren  Kälte- 
schutzes überzeugen;  dazu  genügt  bei  Frostwetter  ein  Blick  auf  jede 
Wiese,  auf  jedes  Feld.  Da  findet  man  hartgefroren  und  brüchig  wie 
Glas  solche  zarte  Pflanzen  wie  Bellis  perennis,  Stellaria  media  etc.  Diese 
Pflanzen  sind  der  Unbill  der  Witterung  gleichsam  nackt  ausgesetzt, 
durch  keinen  Haarpelz,  durch  keine  Korkhülle,  nicht  einmal  durch  eine 
dicke  Cuticula  gegen  die  Angriffe  des  Frostes  geschützt.  Thaut  es  auf, 
so  setzen  die  Pflanzen  ihre  vegetative  Thätigkeit  ungestört  fort.  Sie 
sind  gegen  Kältegrade,  wie  sie  bei  uns  vorkommen,  unempfindlich. 

Dagegen  sind  manchen  Holzgewächsen  Schutzmittel  gegen  Kälte 
zugeschrieben  worden.  Knospenschuppen ,  Korküberzüge ,  die  dicke 
Cuticula  immergrüner  Blätter,  wurden  als  solche  früher  beansprucht. 
Thatsächlich  handelt  es  sich  nur,  wie  im  vorigen  Kapitel  gezeigt  wurde, 
um  Schutzmittel  gegen  Trockenheit.  Ein  kalter  Boden,  namentlich 
aber  ein  gefrorener,  ist,  wie  wir  bereits  wissen,  physiologisch  ein 
trockener  Boden,  so  dass  das  in  einem  solchen  wurzelnde  Gewächs  der 
Schutzmittel  gegen  Transpiration  bedarf.  Seichtwurzelnde  niedrige 
Kräuter,  die  ungefähr  denselben  Temperaturschwankungen  wie  der 
Boden  unterworfen  sind,  sind  unter  solchen  Umständen  der  Gefahr  der 
Austrocknung  weniger  ausgesetzt,  als  tiefwurzelnde  hohe  Holzpflanzen, 
und  daher  relativ  ungeschützt. 

Mehrfach  ist  die  Ansicht  ausgesprochen  worden,  dass  fettes  Oel  in  ge- 
wissen Fällen  als  Schutzmittel  gegen  Kälte  aufzufassen  sei.  So  ist  die  noch 
zu  besprechende  Erscheinung  der  winterlichen  Umwandlung  von  Stärke  in 
Oel  bei  nordischen  Baumarten  verbreiteter  als  bei  Bäumen,  die  mehr  kälte- 
empfindlich sind  (A.  Fischer).  Auch  sollen  im  gequollenen  Zustande  ölreiche 
Samen  tieferen  Temperaturen  besser  widerstehen  als  ölarme.  Es  handelt  sich 
jedoch  in  solchen  Fällen  nur  um  Vermuthungen ,  wdche  der  experimentellen 
Grundlage  entbehren  und  gegen  welche  andere  Erscheinungen  zu  sprechen 
scheinen. 

§  2.  Obere  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens.  Die  Widerstands- 
fähigkeit der  Pflanze  gegen  Hitze  ist  wie  diejenige  gegen  Kälte  specifisch 
verschieden,  jedoch  weniger  ungleich  gross. 

Einige  Gewächse  und  Gewächstheile  zeichnen  sich  allerdings  durch 
eine  ausserordentliche  Widerstandskraft  gegen  hohe  Wärmegrade 
aus,  die  sich,  wie  diejenige  gegen  Kältegrade,  häufig  mit  der  Fähigkeit 
Austrocknen  zu  ertragen,  gepaart  zeigt.  So  ist  zum  Abtödten  der 
Dauersporen  der  Spaltpilze  ein  längeres  Erwärmen  auf  1300  C.  noth- 
wendig.  Lufttrockene  Hefe  wird  erst  bei  115 — 1200  getödtet.  Luft- 
trockene Samen  verlieren  oft  bereits  bei  75  °  C.  ihre  Keimkraft,  während 


48 


II.    Die  Wärme. 


sie  im  vollkommen  trockenen  Zustande  ioo°,  vorübergehend  sogar 
i2O0  C.  ertragen. 

Die  activen,  wasserreichen  Zustände  der  Vegetation  sind  meist  mit 
weit  geringerer  Widerstandskraft  gegen  Hitze  verbunden,  als  die  ruhen- 
den, wasserarmen.  Die  höchsten  Hitzegrade  ertragen  wiederum  die 
Bacterien,1)  namentlich  der  Milzbrandbacillus,  der  sogar  nach  längerer 
Erwärmung  auf  75 — 80 °  C.  seine  infectiösen  Eigenschaften  nicht  ein- 
büsst,  während  allerdings  viele  andere  vegetativen  Bacterienformen  durch 
längere  Erhitzung  auf  45 — 50  °  C.  getödtet  werden.  Die  vegetativen 
Zustände  der  Gefasskryptogamen  gehen,  nach  den  übereinstimmenden 
Versuchen  von  Sachs  und  H.  de  Vries  bei  einer  Temperatur  von 
50 —  5 1  °  in  kurzer  Zeit  zu  Grunde ;  Jumelle  fand,  dass  seine  Versuchs- 
objecte  (Cocos  Weddelliana,  Begonia  tuberosa,  Pelargonium  zonale) 
einen  langen  Aufenthalt  in  einer  Temperatur  von  35  °  C.  unbeschadet 
ertrugen,  während  eine  Erhöhung  derselben  auf  400  nach  einigen  Tagen, 
eine  solche  auf  45  °  nach  wenigen  Stunden  tödtlich  wirkte. 

Die  Versuche  von  Sachs  mit  Nicotiana  rustica,  Cucurbita  Pepo,  Zea  Mays, 
Mimosa  pudica,  Tropaeolum  majus,  Brassica  Napus,  vorwiegend  also  mit 
Gewächsen  aus  den  wärmeren  Zonen,  führten  zu  dem  Resultat,  dass  keine 
dieser  Pflanzen  eine  Temperatur  von  mehr  als  5 1  °  C.  in  Luft  auch  nur 
10  Minuten  lang  ohne  starke  Beschädigung  oder  völlige  Tödtung  erträgt, 
während  sie  Temperaturen  zwischen  49 — 51  °  binnen  10  und  selbst  mehr 
Minuten  ertragen.  Dagegen  werden  die  Organe,  welche  die  letztgenannten 
Temperaturen  in  der  Luft  überdauert  haben,  durch  Berührung  mit  Wasser 
von  derselben  Wärme  schon  binnen  10  Minuten  getödtet;  der  höchste  er- 
trägliche Temperaturgrad  liegt  also  im  Wasser  für  gleiche  Organe  niedriger 
als  in  der  Luft.2) 

Stellen  wir  den  Ergebnissen  des  Versuchs  die  Verhältnisse  in  der 
Natur  entgegen,  so  finden  wir  nur  an  wenigen  Punkten  von  sehr  ge- 
ringer Ausdehnung,  wie  die  Kratere  und  Fumarolen  thätiger  Vulkane, 
Fehlen  jeden  Pflanzenlebens  in  Folge  zu  hoher  Temperatur. 

Bacterien  und  Spaltalgen  sind  unter  allen  Wassergewächsen  die 
resistentesten  und  auch  die  in  Thermen  zuerst  auftretenden.  In  einer 
warmen  Quelle  bei  Las  Trincheras  in  Venezuela,  die  bei  ihrem  Ur- 
sprung eine  Wärme  von  85 — 93 °  besitzt,  sollen  Spaltalgen  bei  einer 
Temperatur  von  über  80  °  gedeihen.  Dagegen  treten  sie  in  euro- 
päischen Thermen  erst  bei  stärkerer  Abkühlung  auf,  in  den  Carlsbader 
Thermen,  nach  Agardh  und  Pfeffer,  erst  wo  die  Temperatur  auf  57  °  ge- 
sunken ist,  nach  Hoppe -Seyler  am  Rande  von  Fumarolen  in  Wasser- 
dampf von  ca.  60 °  C.  Ich  selber  sah  auf  Java,  am  Rande  von  Fuma- 
rolen, auch  höhere  Gewächse,  wie  Rhododendron  javanicum,  in  heissen 


*)  Rabinowitsch  1.  c. 
*)  Abhandl.  L     S.  216. 


2.   Die  Nullpunkte  des  Pflanzenlebens.  #  aq 

Dämpfen  üppig  gedeihen ;  jedoch  kann  ich  über  die  dort  herrschenden 
unzweifelhaft  sehr  hohen  Temperaturen  nichts  genaues  angeben. 

Die  Temperatur  der  oberflächlichen  Schichten  des  Bodens  erreicht 
in  Wüsten,  unter  der  Einwirkung  der  Sonnenstrahlen,  eine  Höhe,  welche 
der  oberen  Grenze  jedes  Pflanzenlebens  nahekommt  und  nur  noch  von 
den  wasserarmen  Pflanzentheilen  ertragen  wird.     So  sagt  Kerner: 

„Die  Krustenflechten,  welche  an  den  Kalkfelsen  auf  den  schatten- 
losen Einöden  des  Karstes  in  Istrien  und  Dalmatien  haften,  sind  an 
wolkenlosen  Tagen  im  Sommer  mehrere  Stunden  lang  regelmässig 
einer  Temperatur  von  58 ° — 6o°  C.  ausgesetzt,  ohne  dadurch  Schaden 
zu  leiden  und  die  Mannaflechte  (Lecanora  esculenta)  wird  so  wie  das 
Gestein,  dem  sie  in  der  Wüste  aufgelagert  ist,  oft  genug  auf  70 °  C. 
erhitzt,  ohne  zu  verderben.  Auch  die  Samen,  welche  oberflächlich 
dem  Wüstensande  eingelagert  sind  und  hier  die  lange  Zeit  der  Dürre 
überdauern,  nehmen  ohne  Zweifel  die  Temperaturen  ihrer  Umgebung 
an.  Diese  beträgt  am  Nachmittage  regelmässig  60  ° — 70  °  G  Die 
höchste  Temperatur  in  der  oberflächlichen  Bodenschicht  wurde  nahe 
dem  Aequator  auf  der  Station  Chinchoxo  an  der  Loangoküste  be- 
obachtet. Dieselbe  überstieg  in  sehr  zahlreichen  Fällen  750,  erreichte 
oft  80  °  und  einmal  sogar  84  °.  Auch  diesem  Boden  fehlte  es  in  der 
Regenzeit  nicht  an  einjährigen  Gewächsen."  Pechuel-Lösche  fand  69  ° 
im  Sande  des  Meeresstrandes  der  Loangoküste,  neben  einer  blüthen- 
reichen  Ipomoea1). 

Auch  in  der  Luft  sind  in  Gegenden,  die  der  Vegetation  keineswegs 
entbehren,  Temperaturen  beobachtet  worden,  die  denjenigen  der  Thermen 
nur  wenig  nachstehen.  So  sind  die  absoluten  Maxima  in  Blanford's 
Meteorology  of  India  1879  (Calcutta  1881)  für  Calcutta  41,1°  C,  Benares 
47,8°,  Lahore  50,9°,  Multan  52,8°.  Wie  Hann,  dessen  Meteorologie  diese 
Angaben  entnommen  sind,  hinzufügt,  sind  Lufttemperaturen  von  500  C. 
nicht  so  selten  imPanjab,  selbst  bei  guter  Aufstellung  des  Thermometers2). 
Bei  solcher  Schattentemperatur  der  Luft  werden  die  den  Sonnen- 
strahlen ausgesetzten  Pflanzentheile  eine  Erhitzung  auf  60  °  bis  70  °  C. 
zu  ertragen  haben,  also  eine  weit  beträchtlichere,  als  der  in  den 
bisherigen  Versuchen  beobachtete  obere  Nullpunkt.  So  beobachtete 
Askenasy  bei  einer  Schattentemperatur  von  28  °  C.  eine  Erhitzung  der 
Blätter  von  Sempervivum  alpinum  in  der  Sonne  auf  52  °  C.  Derartige 
Temperaturunterschiede  zwischen  Sonne  und  Schatten  werden  allerdings 
nur  von  Fettpflanzen  aufgewiesen,  denn  derselbe  Beobachter  fand  die 
gleichzeitig  insolirten Blätter  vonGentiana  cruciata  nur  auf  3 5°C.  erwärmt. 

Vorbehaltlich   weiterer  Untersuchungen   scheint   aus   dem   Vorher- 


J)  l.  c.  s.  65. 

*)  Hann,  Handb.   1.  A.  p.  265. 
Schimper,  Pflanzengeographie. 


50 


H.   Die  Wärme. 


gehenden  hervorzugehen,  dass  das  Vermögen,  hohe  Temperaturen  zu 
ertragen,  ähnlich  wie  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  Kälte,  bei  den 
einzelnen  Arten  ungleicher  ist,  als  gewöhnlich  angenommen.  Die  von 
Sachs  festgestellten  Maximaltemperaturen  dürften  für  die  Pflanzen  extremer 
Klimate  keine  Geltung  haben. 

Schutzmittel  gegen  übermässige  Erhitzung  sind  bei  den  Pflanzen 
bis  jetzt  ebenso  wenig  nachgewiesen  worden,  als  solche  gegen  Er- 
kaltung. Die  oberirdischen  Theile  der  Pflanzen  sehr  heisser  Gebiete 
sind  in  den  meisten  Fällen,  wegen  der  Gefahr  des  Vertrocknens,  gegen 
Transpiration  geschützt  und  dadurch  des  wichtigsten  Mittels  der  Ab- 
kühlung beraubt,  wie  namentlich  die  hohen  Temperaturen  besonnter 
Succulenten  zeigen.  Viele  Pflanzen  entziehen  sich  allerdings  den  schäd- 
lichen Wirkungen  solcher  Wärmegrade  dadurch,  dass  sie  zur  Zeit  ihrer 
Herrschaft  nur  ein  unterirdisches  Leben  fuhren.  Dieses  gilt  aber 
keineswegs  von  allen  Pflanzenarten. 


3.  Die  Cardinalgrade  der  pflanzlichen  Functionen. 

Das  Leben  der  Pflanze  setzt  sich  aus  Tausenden  von  Einzelvorgängen 
zusammen,  deren  jeder  sich  innerhalb  anderer  Temperaturgrenzen  ab- 
spielt, und  bei  einem  anderen  Temperaturgrade  sein  Optimum  aufweist. 
An  den  meisten  Standorten  —  mit  Ausnahme  der  dem  Pflanzenleben 
überhaupt  sehr  ungünstigen  —  können  sich  nur  solche  Pflanzen 
im  Kampfe  um  das  Dasein  behaupten,  die  sich  in  einem  den 
äusseren  Bedingungen  entsprechenden  Gleichgewicht  ihrer  Functionen, 
dem  ökologischen  Optimum,  befindet.  Dieses  Gesammtoptimum 
setzt  sich  nicht  aus  den  Einzeloptima  sämmtlicher  Functionen  zusammen; 
manche  Functionen  sind  vielmehr,  wenn  sie  sehr  intensiv  vor  sich 
gehen,  wie  Athmung  oder  Transpiration,  der  Pflanze  schädlich.  Es 
ist  für  jede  Function  zwischen  dem  absoluten  Optimum,  welches 
der  höchsten  Intensität  einer  Function  und  dem  harmonischen 
Optimum,  welches  der  günstigsten  Intensität  derselben  entspricht,  zu 
unterscheiden.  Das  ökologische  Optimum  ist  die  Gesammt- 
heit  der  harmonischen  Optima. 

Die  Kenntniss  der  Grenztemperaturen  einer  Function  ist  pflanzen- 
geographisch wichtiger  als  diejenige  ihres  oft  schwer  zu  ermittelnden 
und  für  die  natürlichen  Existenzbedingungen  oft  ziemlich  belanglosen 
absoluten  Optimums.  Das  Letztere  hat  nur  da  pflanzengeographische 
Bedeutung,  wo  es  mit  dem  harmonischen  Optimum  nahe  zusammen- 
fällt,   z.  B.  für  die  Assimilation   und    andere  Vorgänge  der  Ernährung. 

Die  entsprechenden  Cardinalpunkte ,  namentlich  aber  die  Optima 
der    einzelnen  Functionen  weichen  bei  Pflanzen  gleichmässiger  Klimate 


3.    Die  Cardinalgrade  der  pflanzlichen  Functionen.  c\ 

nur  um  wenige  Grade  oder  Theile  von  Graden  von  einander,  wäh- 
rend sie  in  Gebieten  mit  extremen  Temperaturen  grosse  Abweichungen 
von  einander  zeigen  können.  Ja,  es  kommt  in  solchen  Klimaten  vor, 
dass  die  Temperaturcurven  bestimmter  Functionen  diejenigen  anderer 
nicht  berühren.  Schon  längst  hat  sich  die  Praxis  dieser  von  den  Phäno- 
logen  ignorirten  Thatsachen  bemächtigt  und  zieht  Tropenpflanzen  bei 
gleichmässig  hohen,  temperirte  Pflanzen  bei  abwechselnd  hohen  und 
niedrigen  Wärmegraden. 

Das  ökologische  Temperatur-Optimum  verbleibt  nicht 
während  der  ganzen  Entwickelung  einer  Pflanze  —  we- 
nigstens in  temperirten  Ländern  —  auf  gleicher  Höhe, 
sondern  weist,  wie  aus  Sachs'  Versuchen  hervorgeht,  mit 
fortschreitender  Entwickelung  eine  Steigerung,  so  dass 
z.  B.  die  Temperatur,  welche  für  die  Vorgänge  der  Kei- 
mung am  günstigsten  ist,  das  Optimum  späterer  Funk- 
tionen nicht  erreicht.  Es  ist  jedoch,  wie  das  Forciren  der  Obst- 
bäume lehrt,  nicht  eine  gleichmässige ,  sondern  eine  oscillirende  Stei- 
gerung anzunehmen.  Das  harmonische  Temperaturoptimum  der  auf- 
einander folgenden  Entwickelungsstadien  liegt  abwechselnd  höher  und 
tiefer,  allerdings  derart,  dass  die  Gesammtcurve  eine  ausgeprägte  Stei- 
gerung zeigt.  Sehr  instructiv  ist  in  dieser  Hinsicht  folgende,  von  dem 
Züchter  Pynaert  aufgestellte  Tabelle  der  günstigsten  Temperaturen  (öko- 
logisches Temperaturoptimum)  zum  Förciren  des  Pfirsichbaumes: 

Periode  Tagestemperatur     Nachttemperatur 

i.  Woche 9— io°  C.  5—7  C. 

2.  Woche 10 — 12  7 — 7 

3.  Woche 12 — 15  9 — 11 

Bis  zur  Blüthe 15 — 18  11 — 14 

Blüthezeit 8— 12  I  6 — 10! 

Nach  der  Blüthe 15 — 18  11 — 14 

Während  der  Entwickelung  des  Steines     .  12 — 15!  9 — 11! 

Nach  der  Entwickelung  des  Steines     .     .  16 — 19  12 — 15 

Reifeperiode 20 — 22  15 — 17. 

Bis  jetzt  wurden  nur  wenige  befriedigende  Versuche  gemacht,  die 
Cardinalpunkte  der  einzelnen  Functionen  aufzustellen.  Die  eingehendsten 
der  vorliegenden  Untersuchungen  beziehen  sich  auf  die  Keimung,  also 
auf  einen  Vorgang,  der  sich  aus  verschiedenen  Einzelvorgängen  zu- 
sammensetzt, wie  Quellung,  Fermentwirkungen,  Fortleitung  der  Bau- 
stoffe, Energieerzeugung,  Zelltheilung,  Zellstreckung  etc.,  von  welchen 
jeder  seine  eigenen  Cardinalpunkte  besitzt.  Die  für  die  Keimung  ge- 
wonnenen Daten  sind  daher,  rein  physiologisch  betrachtet,  nicht  sehr 
hoch  zu  schätzen,  während  diese  Complexität  ihre  Bedeutung  für  Oeko- 


5  2  H.   Die  Wärme. 

logie  und  Pflanzengeographie,  die  sich  in  erster  Linie  um  das  ökologische 
Optimum  zu  kümmern  haben,  nicht  beeinträchtigt.  Als  Beispiel  möge 
folgende,  von  Detmer1)  zusammengestellte  Tabelle,  hier  reproducirt 
werden. 


Minimum           Optimum 

Maximum 

Pinus  silvestris       .     . 

.      .      7—8                   27 

34 

Triticum  vulgare  . 

.     .     5   (zu  hoch)  28,7 

42,5 

Zea  Mais      .     .     . 

•     •     9>5                  33,7 

46,2 

Alnus  glutinosa 

.     .     7—8               24 

36 

Lepidium  sativum 

.     .     1 ,8  (zu  hoch)  2 1 

28 

Linum  usitatissimum 

.     .     .      1,8                  21 

28 

Phaseolus  multiflorus 

•     •     •     9,5                  33,7 

46,2 

Gleditschia  triacanthos    .     .     9                     28 

3* 

Cucurbita  Pepo 

•     •     .13,7                  33,7 

46,2. 

Die  Tabelle  zeigt  sehr  deutlich,  dass  die  Cardinalpunkte  der  Keimung 
für  die  Pflanzen  wärmerer  Länder  höher  liegen,  als  für  solche  kalter. 
Doch  sind  die  Zahlen  theilweise  zu  hoch  gegriffen  und  geben  noch 
keineswegs  eine  richtige  Vorstellung  der  grossen  Ungleichheit  der  für 
die  Keimung  nützlichen  Temperaturen  in  verschiedenen  Klimaten,  indem 
sie  einerseits  die  rein  tropischen  Gewächse  nicht  berücksichtigt,  anderer- 
seits für  temperirte  Pflanzen  theilweise  zu  hohe  Minima  aufweist.  In- 
structiver  sind  in  Bezug  auf  die  Minima  die  von  F.  Haberlandt  be- 
stimmten Grade.  Zwischen  o°  und  1°  C.  zeigten  in  Versuchen  dieses 
Forschers  nicht  nur  Keimung,  sondern  auch  bedeutende  Weiterent- 
wickelung: Sinapis  alba,  Camelina  dentata,  Trifolium  hybridum,  Medi- 
cago  sativa.  Von  Pflanzen  wärmerer  Zonen  keimten  zwischen  1 1  °  und 
160  C. :  Solanum  Melongena,  Nicotiana  Tabacum,  Cucurbita  Pepo,  da- 
gegen erst  über  16  °  C. :  Cucumis  sativus,  C.  Melo,  Theobroma  Cacao. 
Uloth  beobachtete  eine  allerdings  sehr  verzögerte  Keimung  bei  o°  für 
verschiedene  Gräser,  Cruciferen,  Papilionaceen.  Kerner  stellte  Glas- 
röhren mit  Erde  und  Samen  in  eine  Quelle,  deren  Temperatur  constant 
-j-20  blieb,  und  fand,  dass  zahlreiche  alpine  Pflanzen  noch  bei  dieser 
Temperatur  keimten. 

Das  Wachsthum  ist  an  ähnliche  Temperaturbedingungen  wie 
die  theilweise  aus  Wachsthumsvorgängen  bestehende  Keimung  ge- 
bunden. Es  giebt  einige  Pflanzen  in  alpinen  Höhen,  namentlich  aber 
in  den  Polargebieten,  die  bei  Temperaturen  in  der  Nähe  des  Gefrier- 
punktes bedeutendes  Wachsthum  aufweisen.  So  durchbricht  die  Blüthe 
von  Soldanella  alpina  den  Schnee  und  die  Blüthen  von  Anemone 
vernalis,  Crocus  vernus  und  anderen  Arten  schienen  mir  beinahe  ebenso 
genügsam   zu   sein ,    da   ich    sie   in   halbgeschmolzenem   Schnee    fand ; 


*)  Lehrb.  d.  Pflanzenphysiol.  S.  269. 


3-   Die  Cardinalgrade  der  pflanzlichen  Functionen.  es 

durch  direkte  Bestrahlung  dürfte,  auch  durch  dünne  Schneeschichten  hin- 
durch, eine  höhere  Temperatur  als  o°  in  solchen  Fällen  immerhin  er- 
reicht werden.  Merkwürdiger  noch  sind  die  Tange  der  arktischen 
Meere,  welche  in  einem  Wasser,  das  auch  im  Sommer  nur  wenig  über 
o  °  erwärmt  wird,  bis  20 '  lang  werden,  im  Winter  aber,  bei  einer  Tem- 
peratur von  höchstens  —  i°  C.  ihre  Geschlechtsorgane  ausbilden.  Zu 
den  schon  bei  sehr  niedriger  Temperatur  wachsenden  Pflanzen  gehören 
auch  die  namentlich  von  Wittrock  eingehender  studirten  niederen  Ge- 
wächse der  Schnee-  und  Eisflora. 

Assimilation  und  Athmung  sind  weit  weniger  complexe  und  daher 
bei  verschiedenartigen  Pflanzen  viel  eher  vergleichbare  Functionen  als 
Keimung  und  Wachsthum,  so  dass  das  geringe  Interesse,  das  bis  jetzt 
namentlich  den  Temperaturen  der  Assimilation  gewidmet  worden  ist, 
wunderlich  erscheint.  Von  grossem  Interesse  ist  die  mit  Sicherheit 
festgestellte  Thatsache,  dass  die  beiden  Formen  des  Gasaustausches 
auffallend  ungleiche  Temperaturcurven  aufweisen.  Der  untere  Null- 
punkt der  Assimilation  liegt  tiefer  als  derjenige  irgend  einer  anderen 
Function  der  Pflanze.  So  konnte  Jumelle  bei  Abies  excelsa,  Juniperus 
communis  und  Evernia  prunastri  eine  deutliche,  wenn  auch  schwache 
Assimilation  noch  bei  — 40 °  beobachten;  Boussingault  und  Kreusler 
hatten  eine  solche  bereits  in  der  Umgebung  von  o°  nachgewiesen. 
Nach  den  wenigen  vorliegenden  Beobachtungen  liegt  das  Maximum 
etwas  unterhalb  der  Tödtungstemperatur ,  das  Optimum  aber  beträcht- 
lich tiefer.  So  sind  die  betreffenden  Cardinalpunkte  bei  Hottonia  nach 
Heinrich  ca.  31  °  und  56°  C. ,  während,  nach  Böhm,  das  Optimum  bei 
der  Wallnuss  ungefähr  bei  30  °  C.  liegen  dürfte. 

Eine  merkliche  Athmung  konnte  Jumelle  bei  Fichte,  Wachholder 
und  Evernia  prunastri  unterhalb  —  10  °  nicht  mehr  beobachten,  während 
dieselben  Pflanzen  noch  bei  beträchtlich  tieferer  Temperatur  deutlich 
assimilirten.  Dagegen  steigt  die  Athmung  proportional  der  Temperatur 
bis  nahezu  zur  oberen  Lebensgrenze. 

So  fand  z.  B.  Rischawi  bei  Weizenkeimlingen  folgende  Mengen  Kohlen- 
säure bei  Temperaturen  von: 

5°  C.  =  3,30  mgr 
io°  C.  =   5,28       „ 
250  C.  =  17,82     „ 
350  C.  =  28,38    „ 
4O0  C.  =  37,60    „ 

• 
Für    die   bisher   besprochenen  Functionen   und    Com- 
plexe von  Functionen  liegen  die  Optima  bei  hohen  Tem- 
peraturen.    Es   fehlt  aber  nicht  an  physiologischen  Vor- 
gängen,   bei    welchen   nicht   bloss   die   Optima,    sondern 


54 


n.    Die  Wärme. 


auch  die  oberen  Nullpunkte  sehr  tief  liegen,  so  dass  sie 
sich  in  der  Regel  nur  im  Winter,  bezw.  im  Spätherbst  und  ersten  Früh- 
jahr abspielen  können.  Selbstverständlich  handelt  es  sich  da  nur  um 
Pflanzen  mittlerer  und  hoher  Zonen,  während  Tropengewächse  aus- 
schliesslich hochgelegene  Cardinalgrade  besitzen. 

Zu  der  Categorie  von  Functionen,  die  sich  nur  bei  niederen  Tem- 
peraturen abspielen,  gehören  u.  A.  die  wenig  bekannten,  nach  der 
Annahme  von  Sachs  anscheinend  fermentativen  Vorgänge,  durch  welche 
die  in  Winterruhe  befindlichen  Pflanzenglieder  zu  activem  Leben  zurück- 
geführt werden,  wie  z.  B.  die  Umwandlung  von  Stärke  in  fettes  Oel 
und  umgekehrt.  Das  Kapitel  über  die  periodischen  Erscheinungen  in 
den  temperirten  Zonen  wird  eine  ausfuhrliche  Darstellung  des  darüber 
Bekannten  bringen.  In  ähnlicher  Weise  wird  die  Keimfähigkeit  gewisser 
Pilzsporen  durch  Abkühlung  bis  in  die  Nähe  des  Nullpunktes  auffallend 
gefördert  (Eriksson) ;  ähnliches  soll,  nach  Fr.  Haberlandt,  von  der  mehr- 
tägigen Abkühlung  gequollener  Leinsamen  gelten. 

Gewisse  Reizbewegungen  werden  durch  niedere  Temperaturen  aus- 
gelöst, so  solche  der  Chlorophyllkörner.  Die  Nadeln  gewisser  Pinus- 
Arten  drücken  sich  bei  tiefer  Temperatur  an  die  Axen  an.  Manche 
Stoffe  werden  in  der  Kälte  erzeugt,  so  die  rothen  Oeltröpfchen,  welche 
die  winterliche  Braunförbung  vieler  Coniferen  bedingen.  Die  Aufzählung 
der  nur  bei  niederen  Temperaturen  sich  abspielenden  Functionen  der 
Pflanze  könnte  noch  erheblich  vermehrt  werden.  Jedoch  soll  nur  noch 
eine  derselben ,  wegen  ihrer  hervorragenden  pflanzengeographischen 
Bedeutung,  hier  erwähnt  werden,  nämlich  der  fördernde  Einfluss 
niederer  Temperaturen  auf  die  Geschlechtsorgane  und 
auf  die  damit  ökologisch  verbundenen  Glieder  (Blüthen- 
hüllen,  Inflorescenzaxen)  bei  vielen  Gewächsen  der  tem- 
perirten und  kalten  Zonen. 

Die  Cardinalgrade  für  das  Wachsthum  —  und  vielleicht  für  die 
Entstehung  —  der  Blüthenanlage  liegen  vielfach  viel  tiefer,  als  für  das 
Wachsthum  vegetativer  Sprosse,  so  dass  erstere  bei  relativ  niedriger, 
letztere  bei  hoher  Temperatur  in  der  Entwickelung  gefördert  werden. 
So  ist  es  eine  bekannte  Thatsache,  dass  Crocus,  Hyacinthus  und  andere 
Stauden  bei  hoher  Temperatur  ihre  Blüthen  bezw.  Blüthenstände  nicht 
strecken,  dagegen  üppig  ins  Kraut  schiessen.  Auch  bei  der  forcirten 
Cultur  von  Obstbäumen  wird  vor  und  namentlich  während  der  Blüthe- 
periode  die  Temperatur  massig  gehalten.  Aus  demselben  Grunde 
kommen  viele  Pflanzen  der  temperirten  Zonen  in  den  Tropen  nur  selten 
zur  Blüthe,  z.  B.  die  meisten  unserer  Obstbäume.  Fritz  Müller  be- 
obachtete in  Blumenau  bei  verschiedenen  europäischen  Kräutern  nie, 
oder  beinahe  nie  Blüthen,  so  bei  Carum  Carvi,  Kohl,  Rüben,  Petersilie, 
Sellerie.     Echium  vulgare   blühte   in   seinem   Garten   ein    einziges   Mal, 


3«   Die  Akklimatisation.  55 

nach  einem  ausnehmend  kalten  Winter.  Kurz  fand  in  den  Gebirgen 
Birmah's,  dass  die  Abkühlung  bei  zunehmender  Höhe  ü.  M. ,  eine 
Beschleunigung  der  Blüthenentfaltung  bei  temperirten  Pflanzenformen 
(Rhododendron,  Gentiana),  eine  Verzögerung  bei  tropischen  Formen 
bedingte.  Dass  die  Tange  in  den  arktischen  Meeren  im  Winter  fructifi- 
ciren,  wurde  bereits  erwähnt.  Derartige  Einzelbeobachtungen  könnten 
noch  mehr  gebracht  werden.  Dagegen  fehlt  es  über  diese  für  die 
Pflanzengeographie  überaus  wichtige  Frage  noch  ganz  an  consequent 
durchgeführten  umfassenden  Versuchen. 


4.  Die  Akklimatisation. 

Die  absoluten  Grenztemperaturen  des  Pflanzenlebens  sind  für  die 
einzelnen  Arten  constant,  dagegen  sind  die  Cardinalgrade  der  ein- 
zelnen Functionen  nach  den  klimatischen  Bedingungen 
wechselnd;  sie  sind  einer  begrenzten  Verschiebung  nach  oben  und  nach 
unten  fähig,  so  dass  eine  in  ein  anderes  Wärmeklima  verpflanzte  Pflanze 
sich,  wenn  letzteres  nicht  zu  verschieden,  sich  oft  den  neuen  Bedingungen 
der  Temperatur  anzupassen,  sich  zu  akklimatisiren  vermag.  Die 
Fähigkeit  der  Akklimatisation  ist  specifisch  durchaus  verschieden;  bei 
einzelnen  Arten  erscheint  sie  unter  natürlichen  Bedingungen  unbegrenzt, 
während  sie  bei  anderen  nur  zwischen  sehr  engen  Schranken  stattfindet. 

Vollkommene  Akklimatisation  ist  nur  dann  möglich,  wenn  sämmt- 
liche  Cardinalgrade  sich  entsprechend  den  neuen  Temperaturen  ändern. 
Findet  letzteres  bei  einzelnen  Functionen  nicht  oder  ungenügend  statt, 
so  erstreckt  sich  die  Akklimatisation  nur  auf  bestimmte  Vorgänge  und 
die  Pflanze  ist  entweder  nicht  lebensfähig  oder  vollzieht  nicht  ihre  ganze 
Entwickelung.  Bereits  wurde  erwähnt,  dass  viele  temperirte  Cultur- 
pflanzen  in  den  Tropen  vegetativ  vortrefflich  gedeihen,  während  sie  nur 
selten  blühen;  in  solchen  Fällen  sind  die  Cardinalpunkte  für  das  Wachs- 
thum  der  Blüthen,  vielleicht  auch  für  ihre  Anlage,  nicht  oder  doch  nicht 
genug  in  die  Höhe  gestiegen.  Auf  der  anderen  Seite  kommen  manche 
Gewächse  der  warmen  Zonen  in  den  kühlen  nicht  zur  Blüthe  oder 
nicht  zur  Frucht,  weil  das  Temperaturminimum  ihrer  Erzeugung  nicht 
erreicht  wird. 

Eine  Pflanze  kann  in  der  Cultur  und,  wie  Befunde  in  Polarländern 
und  den  Alpen  zeigen,  im  Falle  reichlicher  vegetativer  Vermehrung, 
auch  im  wilden  Zustande  existiren,  ohne  Samen  zu  bilden.  Werden 
dagegen  die  Cardinalpunkte  für  solche  unbedingt  nothwendige  Functionen 
wie  Keimung,  Wachsthum,  Ernährung  etc.  in  einem  neuen  Klima  nicht 
entsprechend  nach  unten  oder  nach  oben  geschoben,  so  ist  die  Fort- 
existenz der  Pflanze  selbstverständlich  ausgeschlossen. 


56  II.    Die  Wärme. 

Vergleicht  man  Individuen  der  selben  Art  in  ungleich  warmen 
Klimaten,  so  überzeugt  man  sich  leicht,  dass  bestimmte  Functionen 
im  wärmeren  Klima  an  höhere  Temperaturen  gebunden  sind,  als  im 
kälteren.  Die  Cardinalpunkte  der  Temperatur  sind  also  nicht  überall 
die  gleichen.  Der  Unterschied  ist  zunächst  erblich,  so  dass  z.  B.  Samen 
aus  einem  kalten  Gebiet  in  einem  wärmeren  einige  Jahre  lang  bei 
tieferen  Temperaturen  keimen,  als  solche  derselben  Art,  die  in  diesem* 
wärmeren  Gebiete  entstanden  sind  und  die  daraus  sich  entwickelnden 
Pflanzen  wachsen  rascher.  Bald  jedoch  ist  in  Folge  allmählicher  Schie- 
bung der  Cardinalgrade  nach  oben  der  Unterschied  verschwunden.  Das 
Umgekehrte  geschieht  beim  Uebergang  aus  einem  wärmeren  Gebiet  in 
kältere  Gebiete. 

„Im  Jahre  1852  wurde  der  Hühnermais  (von  Hohenheim  bei  Stuttgart) 
ausgesäet  und  geerntet  am  22.  September,  also  nach  Verlauf  von  120  Tagen 
.  .  .  Nach  und  nach  reifte  dieser  Mais  immer  früher  und  früher,  so  zwar,  dass 
derselbe  1857  nach  90  Tagen  geerntet  wurde.  Samen  desselben  Mais  von 
Breslau  in  demselben  Samen  und  in  demselben  Beete  gesäet,  brauchte 
122  Tage."1) 

Zweige  von  Holzgewächsen  zeigen  das  gleiche  Verhalten  wie  Samen. 
A.  de  Candolle  trieb  Zweige  von  Populus  alba,  Carpinus  Betulus,  Catalpa 
bignoniaefolia  und  Liriodendron  Tulipifera,  die  sich  theils  in  Montpellier, 
theils  in  Genf  entwickelt  hatten ,  vom  4.  Februar  an  in  einem  Räume, 
dessen  Temperatur  während  der  Dauer  des  Versuches  zwischen  -f~7° 
und  +  10  °  schwankte.  Die  Genfer  Zweige  entwickelten  ihre  Laub- 
knospen früher  als  die  aus  Montpellier  stammenden. 

Durch  solche  Beobachtungen  ist  das  Vorhandensein  einer  begrenzten 
Akklimatisation  mit  Sicherheit  nachgewiesen  worden.  Weiteren,  exacteren 
Untersuchungen  bleibt  es  vorbehalten,  die  Weite  der  möglichen  Oscilla- 
tion  der  einzelnen  Cardinalpunkte  zu  bestimmen. 

H.  Mayr  hat  über  die  Akklimatisation  forstlich  wichtiger  Bäume  in 
Europa,  Nordamerika  und  Japan  Erfahrungen  gesammelt,  welche  allgemeines 
Interesse  für  die  Frage  der  Naturalisation  im  Allgemeinen  beanspruchen  dürfen. 

Danach  befinden  sich  die  meisten  Holzarten  sehr  wohl,  wenn  sie  in  ein 
wenig  wärmeres  Klima  versetzt  werden,  als  die  Heimat  bietet. 

„Laubhölzer  adaptiren  sich  leicht  an  ein  wärmeres  Klima  durch  Ver- 
längerung ihres  ganzen  Entwickelungsganges ;  unsere  einheimische  Eiche 
(Quercus  pedunculata)  aus  ihrer  gemässigt  warmen  Heimat  in  das  klimatisch 
unmittelbar  sich  anreihende  Gebiet  der  subtropischen  Zone  gebracht,  z.  B. 
in  Kalifornien,  ist  in  der  ersten  Zeit  sehr  rasch  wüchsig,  erreicht  in  gleicher 
klimatischer  Zone  Australiens  in  9  Jahren  7  m  Höhe.  Die  japanischen 
Kohlholzeichen   (Quercus    glandulifera    und    serrata)    bewirthschaftet   man    in 


*)  Schübeier  1.  c.  S.  80.  —   Viele  FäUe  beschleunigter  oder  verlangsamter  Entwicke- 
lung  bei  H.  Hoffmann. 


4.  Die  Akklimatisation.  57 

grossem  Massstabe  in  der  subtropischen  Zone  Japans  als  Niederwald,  wo  sie 
schon  mit  8  Jahren  so  stark  sind  wie  mit  15  Jahren  in  ihrer  eigentlichen 
Heimath,  die  Paulownia  imperialis  im  warmen  blattwerfenden  Laubwalde  der 
Gebirge  Japans  in  seltenen  Exemplaren  wild  wachsend,  wird  des  Holzes  wegen 
in  der  subtropischen  Zone  cultivirt,  wo  sie  bei  ganz  ausserordentlich  raschem 
Wachsthum  ein  sehr  leichtes  Holz  producirt,  das  sich  nicht  wirft  und  nicht 
schwindet.  Der  Baum  rentirt  dort  seine  Cultur  besser  als  in  der  Heimath, 
aber  mit  20  Jahren  ist  er  bereits  erschöpft,  wird  hohl  und  stirbt  ab,  während 
in  der  Heimath  bis  vor  kurzer  Zeit  noch  Bäume  mit  6 — 7'  Umfang  und  48' 
bis  zu  den  Aesten  nicht  selten  waren." 

„Eben  desshalb  zeigen  auch  Pflanzen  aus  den  Subtropen  in  die  Tropen 
versetzt,  eine  gesteigerte  Wachsthumsenergie  in  den  ersten  Jahrzehnten.  Der 
japanische  Kampherbaum  z.  B.  gehört  der  subtropischen  Zone  der  Immer- 
grünen an*  in  den  Tropen  Indiens  und  Java's  wächst  er  ausserordentlich 
rasch,  seine  Wuchskraft  zertheilt  den  Schaft  in  zahllose  kräftige  Aeste,  wodurch 
der  Baum  kaum  mehr  seinen  Ahnen  gleicht  Dass  durch  dieses  beschleunigte 
Wachsthum  in  der  Jugend  ein  früherer  Verbrauch  der  Vitalität,  ein  früherer 
natürlicher  Tod  eintreten  wird,  ist  sehr  wahrscheinlich :  denn  alle  in  derartige 
Verhältnisse  gebrachte  Holzarten  kennzeichnet  ein  auffallend  frühzeitiges  und 
überreiches  Samenerträgniss.  Wird  bei  dem  Anbaue  einer  Holzart  eine 
Vegetationszone  ganz  übersprungen,  so  wachsen  die  blattabwerfenden  Laub- 
hölzer, in  die  Tropen  gebracht,  nach  den  in  Indien  und  Java  gemachten  Er- 
fahrungen, so  kümmerlich,  dass  man  sie  nicht  anbaufähig  nennen  kann.1) 

Nadelhölzer  scheinen  sich  nach  Mayr  dem  geänderten  Klima  schwieriger 
anzupassen  als  Laubhölzer.  So  sind  die  Nadelhölzer  der  kühlen  Region,  die 
Tannen,  Fichten  und  Lärchen,  europäische  wie  japanische,  in  der  subtropischen 
Region  so  kümmerlich,  vielgipfelig  und  in  die  Aeste  fahrend,  dass  sie  dort 
kaum  als  anbaufähig  gelten  können." 

„Das  Verpflanzen  aus  der  wärmeren  in  die  kühlere  Zone  gibt  im  All- 
gemeinen ungünstige  Resultate:  Alle  Holzarten  verlieren,  wenn  sie  aus  ihrer 
Heimath  (Verbreitungsgebiet)  in  eine  kühlere  Region  versetzt  werden,  ihre 
Wichtigkeit  als  Culturgewächse ,  wenigstens  vom  forstlichen  Standpunkte  aus 
wegen  Beschädigungen  aller  Axt,  Mangel  oder  Seltenheit  an  reifen  Früchten, 
geringwertige  Holzproduktion  und  dergleichen." 

„An  der  warmen  subtropischen  Küste  Südcaliforniens  können  alle  Arten 
von  Palmen  und  Bäumen  aus  der  tropischen  Region  cultiviert  werden,  aber 
nur  zu  dekorativen  Zwecken,  denn  sie  zeitigen  keine  Früchte  .  .  ." 

„Bei  dieser  Uebertragung  in  kühleres  Klima  begegnet  man  oft  merk- 
würdigen Erscheinungen;  Holzarten  werden  frostempfindlich,  von  denen  man 
es  nach  ihrer  einheimischen  Lage  nicht  erwarten  sollte ;  andere  erweisen  sich 
als  frosthart,  die  in  ihrer  Heimath,  so  lange  sie  existiren,  keine  Gelegenheit 
gehabt,  sich  gegen  Frost  zu  feien  .  .  ." 

„Bekanntlich  sind  alle  Pflanzen  gegen  Frost  während  der  Winterruhe  viel 
weniger  empfindlich,  als  während  der  Vegetationszeit  im  Frühjahre  und  Herbst ; 


*)  Vgl.  darüber  auch  in  diesem  Buche:  Theil  HI,  Abschnitt  I,  Kap.  II:  Die  periodi- 
schen Erscheinungen  in  den  Tropen. 


5  8  n.   Die  Wärme. 

wie  schwierig  es  für  eine  Pflanze  ist,  sich  an  kühleres  Klima  anzupassen, 
geht  aus  dem  Verhalten  gegen  Spät-  und  Frühfrost  hervor;  den  Beginn  der 
Entwicklung  hinauszuschieben  oder  die  Beendigung  derselben  zu  beschleunigen, 
mit  anderen  Worten  frosthart  zu  werden,  scheint  für  viele  Arten  geradezu  un- 
möglich. Die  Gleditschie  und  Robinie  sind  in  den  südlichen  atlantischen 
Staaten  zu  Hause,  einem  Gebiete,  das  hinsichtlich  der  Wärme  im  Sommer  und 
Winter,  die  Dauer  der  Vegetationszeit  unserer  wärmsten  Weinlande  übertrifft; 
beide  Bäume  werden  weit  über  ihren  Verbreitungsbezirk  hinaus  in  Amerika, 
Europa  und  Asien  cultivirt;  aber  während  der  langen  Cultur  hat  sich  keine 
Rasse  gebildet,  die  durch  eine  Verkürzung  der  Vegetationszeit  gegen  Früh- 
fröste gesichert  wäre;  dabei  stammt  bekanntlich  der  Same  der  Robinie  stets 
von  Exemplaren,  die  bereits  im  kühleren  Klima  erwachsen  sind;  die  Säm- 
linge behalten  die  Eigenschaften  der  Mutter  unverändert  bei  .  .  ."  (I.  a  S. 
365—368). 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Allgemeines. 

Ueber  Phänologie  vgl.  das  Capitel  über  Periodische  Erscheinungen 
in  den  temperirten  Zonen.  IQ.  Theil.  2.  Abschnitt  dieses  Werkes.  Eine 
Zusammenstellung  der  Litteratur  für  Mitteleuropa  in:  Drude.  Deutschlands 
Pflanzengeographie,  in  welchem  Werke  die  phänologischen  Anschauungen  ein- 
gehend und  übersichtlich  zusammengestellt  sind.  Auch:  Hof&nann,  H.  Phäno- 
logische  Untersuchungen.     Giessener  Universitätsprogramm.     1887. 

Berggren,    S.      Musci    et    Hepaticae    spetsbergenses    K.    sv.    Vet   Aka<L 

Handl.  XIII.  7.  1875. 
Kihlman.    Pflanzenbiologische  Studien  aus  Russisch  Lappland.     1890. 
L  i  n  d  b  e  r  g.      S.  O.     Förteckning  öfver  Mossor,  insamlade  under  de  svenska 

expeditionerna  tili  Spitzbergen  1858  och  1861.     Öfv.  K.  sv.  Vet.  AkacL 

förh.   1862. 
Warming,    E.      Om    Grönlands   Vegetation.      Medddelelser    om    Grönland. 

Kjöbenhavn.     1888. 

2.  Nullpunkte  des  Pflanaenlebena. 

Askenasy,  E.  Ueber  die  Temperatur,  welche  Pflanzen  im  Sonnenlicht  an- 
nehmen.    Botanische  Zeitung.  1875. 

Boussingault.     Annales  des  sciences  naturelles.     Ve  serie.     Bd.  10.    1869. 

De  Candolle,  C.  et  R.  Pictet  in  Archives  des  sciences  physiques  et 
naturelles  de  Geneve.     III«  se'rie.     Bd.  2.     S.  629. 

Cohn,  F.     Ueber  die  Flora  heisser  Thermen.     Flora  1862. 

Detmer,  W.  I.  Ueber  die  Einwirkung  niederer  Temperaturen  auf  die 
Pflanze.     Forschungen  zur  Agriculturphysik.     1888. 

—  II.  Beobachtungen  über  die  normale  Athmung  der  Pflanzen.  Berichte  der 
deutsch,  botan.  Gesellsch.     Bd.  X.     1892. 


Auswahl  der  Literatur.  59 

Göppert.     Ref.  in  Botan.  Jahresb.      1873.     S.  263. 

Hoppe-Seyler,  F.  Pflüger's  Archiv  für  die  gesammte  Physiologie. 
Bd.   11.     1875. 

Kerner,  A.  v.     Botanische  Zeitung.     1873. 

Kjellman,  F.  K.  Aus  dem  Leben  der  Polarpflanzen  in:  Nordenskjöld, 
Studien  und  Forschungen,  veranlasst  durch  meine  Reise  im  hohen  Norden. 
Leipzig  1885. 

Mayer,  H.     Die  Waldungen  von  Nord -Amerika.     München  1890. 

Middendorff,  A.  v.  Die  Gewächse  Sibiriens.  In :  Sibirische  Reise.  Bd.  IV. 
Theil  1.     Lief.  4.     1864. 

Molisch,  Hans.  Das  Erfrieren  von  Pflanzen  über  dem  Eispunkt.  Sitzb. 
d.  k.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien.     Bd.  CV.     Abth.  I.     1896. 

Pechuel-Lösche.  Die  Loango- Expedition.  3.  Abth.  1.  Hälfte.  Leipzig 
1882. 

Rabinowitsch,  Lydia.  Ueber  die  thermophilen  Bacterien.  Zeitschr.  f. 
Hygiene.     Bd.  XX. 

Sachs,  J.  Krystallbildungen  bei  dem  Gefrieren  und  Veränderung  der  Zell- 
häute bei  dem  Aufthauen  saftiger  Pflanzentheile.  Ber.  der  math.-phys. 
Klasse  der  königl.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1860  (gesammelte  Ab- 
handlungen.    1892.     I.     Seite  3). 

—  Die  vorübergehenden  Starre-Zustände  periodisch  beweglicher  und  reizbarer 

Pflanzenorgane.     Flora  1863.     (Ges.  Abh.  I.     S.  84). 

—  Ueber   die   obere  Temperaturgrenze   der  Vegetation.     Flora  1864.     (Ges. 

Abh.     I.     S.  in). 
De   V r i e s ,   H.      Mate'riaux    pour    la    connaissance    de    Tinfluence    de    la 

tempe'rature  sur  les  plantes.     Archives  nderlandaires.     Bd.  5.     1870. 
Warming,  E.     Lehrb.  d.  ökologischen  Pflanzengeographie.     1896.    S.  157. 


8.  Die  Cardinalpunkte  der  Pflanzenfanotionen. 

Askenasy,  E.  Ueber  einige  Beziehungen  zwischen  Wachsthum  und  Temperatur. 

Ber.  der  deutsch,  botan.  Gesellschaft.     Bd.  VTIL     1890. 
Böhm,   J.      Ueber   die   Respiration   von   Landpflanzen.      Sitzb.    der   Wiener 

Akad.     Bd.  67.     Abth.   1.     1873. 
Haberlandt,  F.    In  Landw.  Versuchsstationen.     Bd.  17.     S.  104.     Bd.  21. 

1878    und  wissenschaftl.-prakt.  Unters,  auf  d.  Gebiete  des  Pflanzenbaues. 

Bd.   1.     S.  109. 
J  um  eile,   H.     Recherches   physiologiques   sur   les  lichens.     Revue  gdndrale 

de  botanique.     Tome  IV. 
Kirchner,  O.     Längenwachsthum   von  Pflanzenorganen   bei  niederen  Tem- 
peraturen.    Cohn's  Beiträge  zur  Biologie  d.  Pflanzen.     Bd.  III.  1883. 
Kreusler.     Beobachtungen  über  die  Kohlensäureaufnahme  und  -Abgabe  der 

Pflanzen.     Dritte  Mittheilung.     Landw.  Jahrb.     Bd.   17.     1888. 
Pynaert,   Ed.     Les   serres   vergers.  Traite'   complet  de  la  culture  force*e  et 

artificielle  des  arbres  fruitiers.     4  c  e*d.     Gand  1888. 
Sachs,   J.      I.   Physiologische   Untersuchungen   über   die   Abhängigkeit   der 

Keimung  von  der  Temperatur.     Pringsheim's  Jahrb.     Bd.  II  p.  338. 
—  II.   Ueber    den   Einfluss   der   Temperatur    auf  das*  Ergrünen   dei    Blätter. 

Flora  1884.     (Ges.  Abh.  I.  S.   137). 
Uloth.     Flora  1871   u.   1873. 


6o  IL   Die  Wanne. 


4.  Die  Akklimatisation. 

Ca n d olle,  A.  de.  Des  effets  d'une  meme  tempe'rature  sur  une  mßme  espöce, 
au  nord  et  au  midi.  Comptes  rendus  de  l'Acad.  d.  sciences  de  Paris. 
1875.    S.  ^1369. 

Hildebrand,  F.  Die  Lebensdauer  und  Vegetationsweise  der  Pflanzen, 
ihre  Ursachen  und  ihre  Entwicklung.  Engler's  Botan.  Jahrbücher. 
Bd.  IL     1881. 

Mayr,  H.     Die  Waldungen  von  Nord -Amerika.     München  1890. 

Möbius,  M.  Welche  Umstände  befördern  und  welche  hemmen  das  Blühen 
der  Pflanzen.     Semarang  1892. 

Müller,  Fr.  Bemerkungen  zu  Hildebrandt's  Abhandlung  über  die  Lebens- 
dauer und  Vegetationsweise  der  Pflanzen.  Engler's  Botan.  Jahrbücher 
Bd.  IL  S.  391.     1882. 

Naudin.     Ann.  d.  sc.  naturelles.     Botanique.     VIe  serie.     Bd.  5.     1877. 

Schübeier,  S.     Die  Pflanzenwelt  Norwegens.     Christiania  1873 — 1875. 


m.  Das  Licht. 

1.  Allgemeines.  Bedeutung  des  Lichtes  für  die  Pflanzengeographie.  2.  Photometrische 
Methoden.  Wiesner's  Arbeiten.  3.  Das  Pflanzenleben  im  Dunkelen.  4.  Idcht- 
intensitat  und  Lichtqualität.  Wirkungen  des  Lichtes  ungleicher  Intensität  auf  verschiedene 
Functionen.  Schädlichkeit  hoher  Lichtintensitäten  und  entsprechende  Schutzmittel.  Ungleiche 
Wirkungen  ungleicher  Strahlengattungen.  Absolute  und  ökologische  Lichtoptima,  5.  Sonne 
und  Schatten.  Gesammtlicht,  Oberlicht,  Vorderlicht,  Hinterlicht,  Unterlicht.  Sonnenlicht 
und  diffuses  Licht.  Wiesner's  Bestimmungen  des  faktischen  Lichtgenusses  der  Pflanzen. 
Ungleiches  Lichtbedürfniss  der  Sonnen-  und  Schattenpflanzen.  Vorrichtungen  zur  Lichtconcen- 
tration  bei  Schattenpflanzen.  6.  Tag  und  Nacht.  Pflanzengeographische  Bedeutung  der 
ungleichen  Dauer  des  Tageslichtes.     Bonnier's  Versuche  in  continuirlicher  Beleuchtung. 


1.  Allgemeines. 

Neben  der  Feuchtigkeit  ist  das  Licht  der  mächtigste  äussere  Factor 
der  Gestalt  der  Pflanze.  Während  die  Wärme,  welche  die  pflanzliche 
Machine  in  Bewegung  setzt  und  während  der  ganzen  Dauer  ihrer 
Entwickelung  und  Thätigkeit  in  erster  Linie  regulirt,  deren  Gestaltung 
nicht  wesentlich  beeinflusst,  ist  das  Licht,  ähnlich  wie  das  Wasser,  beim 
Aufbau  des  Pflanzenkörpers  in  hervorragendem  Maasse  architektonisch 
betheiligt.  Eine  bei  Lichtabschluss  aufgezogene  Pflanze  ist  ganz  anders 
gestaltet,  als  eine  normal  beleuchtete,  und  die  Structur  ist  für  jede 
Stufe  der  Lichtintensität  eine  andere. 

Die  pflanzengeographische  Wichtigkeit  des  Lichtes  ist,  trotz  seiner 
hervorragenden  Bedeutung  für  Gestaltung  und  Leben  der  Pflanze,  eine 
geringere  als  diejenige  der  Wärme  und  der  Hydrometeore ,  indem 
die  Lichtunterschiede  klimatischer  Gebiete  gegen  die  eben  erwähnten 
Factoren  zurücktreten.  Doch  wurde  dieselbe,  bis  sie  neuerdings  von 
Wiesner  betont  wurde,  gewöhnlich  unterschätzt.  Die  ungleiche  Inten- 
sität der  Beleuchtung  in  den  verschiedenen  klimatischen  Zonen  und  die 
zunehmende  Dauer  des  Sonnenlichtes  vom  Aequator  zu  den  Polen  ver- 
fehlen nicht,  der  Vegetation  ihren  Stempel  aufzudrücken.    Weit  grösser 


62  HI.   Das  Licht. 

bleibt  allerdings  die  Bedeutung  des  Lichtes  für  die  pflanzliche  Topo- 
graphie, da  für  die  Charakterisirung  der  einzelnen  Formationen  eines 
Gebietes  die  grossen  Unterschiede  der  Beleuchtung  wichtig  sind. 

Im  Folgenden  finden  nur  diejenigen  Lichtwirkungen,  welchen  geo- 
graphische oder  topographische  Bedeutung  nachweisbar  zukommt, 
Berücksichtigung. 

2.  Photometrische  Methoden. 

Die  Methoden  zur  Messung  der  Lichtintensität  sind  weit  weniger 
vollkommen  als  die  zur  Bestimmung  der  Temperatur  und  der  Luft- 
feuchtigkeit dienenden.  Nur  für  den  sogenannten  chemischen  Theil  des 
Spectrums,  d.  h.  für  die  blauen,  violetten  und  ultravioletten  Strahlen 
ist  es  Bunsen  und  Roscoe  gelungen,  eine  Methode  ausfindig  zu  machen, 
welche  den  Ansprüchen  exacter  Forschung  einigermaassen  genügt.  Sie 
besteht  darin,  dass  ein  in  bestimmter  Weise  zubereitetes  photographisches 
Papier,  das  sogenannte  Normalpapier,  dem  Lichte  ausgesetzt  und 
die  eintretende  Verfärbung  unter  Berücksichtigung  der  erforderlichen 
Zeit  mit  einem  constanten  Farbenton,  der  Normalschwärze,  ver- 
glichen wird.  Bunsen  und  Roscoe  haben  festgestellt,  dass  gleichen 
Färbungen  der  im  Lichte  sich  tingirenden  Normal- 
papiere gleiche  Producte  aus  Lichtintensität  und  Zeit 
entsprechen. 

Als  Maasseinheit  der  chemischen  Lichtintensität 
wird  eine  Schwärzung  des  Normalpapiers  angenommen, 
welche  mit  der  Normalschwärze  übereinstimmt  und  im 
Zeitraum  einer  Secunde  erreicht  wird. 

Wenn  der  Ton  der  Normalschwärze  auf  dem  Normalpapier  in  2, 
3,  4,  5  .  .  .  n  Secunden  erreicht  wird,  so  ist  die  Intensität  des  Lichtes 
I   dividirt  durch  2,  3,  4,   5  .  .  .  n.1) 

Die  Roscoe-Bunsen'sche  Methode  wurde  von  Wiesner,  behufs  ihrer 
Anwendung  zur  Bestimmung  des  Lichtgenusses  der  Pflanzen,  weiter 
ausgebildet  und  wesentlich  modificirt.  Es  stellte  sich  nämlich  heraus, 
dass  sie  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  nur  zur  Messung  schwacher 
Intensitäten  geeignet  ist,  während  die  Bestimmung  hoher  Intensitäten 
in  Folge  zu  schnellen  Eintritts  des  Normaltones,  mit  Fehlern  behaftet 
ist.  Diesen  Uebelstand  zu  beseitigen,  bedient  sich  Wiesner  zur  Messung 
hoher  Intensitäten  einer  Scala  mehrerer  sorgfältig  abgestufter,  licht- 
beständiger Farbentöne. 

Die  bahnbrechenden  Arbeiten  Wiesner's  beschäftigen  sich  in  erster 
Linie  mit  dem  Verhältniss   des  factischen  Lichtgenusses  der  Pflanze  (i) 


')  Wiesner,  V.     S.  301 — 302. 


I.   Allgemeines.     2.   Photometrische  Methoden.  63 

zum  Gesammtlichte  (I).     in  y  wird  i  =  1  gesetzt  und  der  resultirende 

Werth,  L,  als  specifischer  Lichtgenuss  bezeichnet.    Wenn  z.  B.  I  =  0,756, 

i  =  0,252  gefunden  wird,    so  ist  y  =  ^-K  =  L  =  — • 

Bei  hoher  Lichtintensität,  wenn  z.  B.  L  1jib  oder  1/2  beträgt,  steigt 
und  fallt  der  specifische  Lichtgenuss  proportional  dem  Tageslichte;  L  bleibt 
also  constant.  Hingegen  treten  bei  sehr  geringen  Werthen  von  L  täg- 
liche Maxima  und  Minima  des  täglichen  Lichtgenusses  ein,  derart,  dass 
ein  L  (max.),  ein  L  (min.)  und  ein  L  (med.)  zu  unterscheiden  sind. 

Wird  z.  B.  von  einer  Pflanzenart  angegeben,  das  sie  bei  L:  */1#1  —  */7 
gedeiht,  so  ist  dieses  dahin  zu  verstehen,  dass  sie  bei  nahezu  voller  Intensität 
des  Tageslichtes  aber  auch  noch  bei  dem  siebenten  Theile  desselben,  jedoch 
nicht  darüber  hinaus,  fortkommt.  L(max.)  =  */6  bedeutet,  dass  zu  einer  be- 
stimmten Tageszeit  das  Licht  in  einer  Baumkrone  bis  auf  1/6  des  Gesammt- 
lichtes  steigt ;  L(min.)  =  1/50  aber,  dass  dasselbe  zu  einer  bestimmten  Tageszeit 
bis  auf  a/60  von  I  heruntersinkt. 

Die  soeben  kurz  skizzirten  Methoden  Wiesner's,  über  welche  dessen 
citirte  Arbeiten  ausfuhrliche  Angaben  bringen,  werden  in  der  Zukunft 
noch  vervollkommnet  werden  müssen  und  hoffentlich  auf  die  weniger 
brechbaren  Strahlen  ausgedehnt.  So  wie  sie  sind,  gehören  sie  bereits 
zu  den  unentbehrlichen  Hülfsmitteln  physiologisch-pflanzengeographischer 
Forschung. 

3.  Das  Pflanzenleben  im  Dunkelen. 

Es  ist,  wie  früher  gezeigt  wurde,  auf  dem  Erdball  für  das  Pflanzen- 
leben nirgendwo  zu  kalt  und  nur  an  wenigen  Punkten  sehr  geringer 
Ausdehnung  zu  heiss.  In  Bezug  auf  das  Licht  fehlt  jede  Einschränkung ; 
es  ist  nirgends  zu  dunkel,  nirgends  zu  hell,  um  jedes  Pflanzenleben 
auszuschliessen.  Die  in  den  Tiefen  der  Oceane  bei  gänzlichem  Licht- 
mangel vermodernden  Thierleichen  werden  durch  Bacterien  zersetzt; 
der  Koth  von  Höhlenthieren  verschimmelt;  der  zottigste  Pelz,  der 
dickste  Hautpanzer  schützt  den  Thierkörper  nicht  vor  den  Angriffen 
krankheiterregender  pflanzlicher  Parasiten.  Die  Vegetation  im  Dunkeln 
ist  jedoch  auf  Gewächse  beschränkt,  welche  sich  auf  Kosten  organischer 
Substanz  ernähren.  Die  Reduction  des  Kohlenstoffes  aus  der  Kohlen- 
säure durch  den  Chlorophyllapparat  ist  eine  Lichtwirkung.  Organismen, 
die  ihren  Kohlenstoffbedarf  der  Kohlensäure  entnehmen,  gedeihen  im 
Dunkeln  so  lange  als  die  organischen  Reservestoffe  reichen,  und  gehen 
dann  durch  Verhungern  zu  Grunde. 

Die  Reduction  der  Kohlensäure  ist  nicht  die  einzige  Lichtfiinction 
im  pflanzlichen  Organismus;    vielmehr  wird  noch  für  zahlreiche  andere 


64  HI-    D*s  Licht. 

Arbeiten  dieselbe  Kraftquelle  benützt.  So  ist  die  Chlorophyllbildung, 
ausser  bei  den  Kryptogamen  und  Gymnospermen,  an  die  Anwesenheit 
von  Licht  gebunden ;  gleiches  gilt  von  anderen,  namentlich  rothen  und 
blauen  Pigmenten.  Die  Assimilation  der  Nitrate  in  höheren  Pflanzen 
wird  durch  das  Licht  mächtig  gefördert.  Die  Laubblätter  bleiben  im 
Dunkeln  sehr  klein.  Viele  Bewegungen  werden  nur  durch  das  Licht 
ausgelöst,  andere  wiederum  durch  dasselbe  gehemmt. 

Im  Dunkeln  entwickelte  Sprosse  weichen  von  normalen  in  mannig- 
facher Weise  ab  und  werden  als  ver geilt  oder  etiolirt  bezeichnet. 
Sie  entbehren  des  Chlorophylls  und  sind  daher  weiss  oder  gelblich. 
Ihre  Axentheile  sind  weit  länger  als  unter  normalen  Bedingungen,  ihre 
Blätter  hingegen  —  mit  Ausnahme  derjenigen  der  Gräser  und  einiger 
anderen  Monocotylen  —  sind  sehr  klein  und  meist  verkrümmt.  Blüthen 
werden  nur  selten,  sogar  bei  hinreichender  Zufuhr  organischer  Nahrung, 
erzeugt  und  bereits  angelegte  Blüthenknospen  pflegen  bald  zu  Grunde 
zu  gehen;  etwa  sich  ausbildende  Blüthen  sind  meist  abnorm  gestaltet 
und  schwach  oder  gar  nicht  gefärbt. 

Etiolirte  Pflanzen  kommen  in  der  Natur  nur  selten  vor;  man  sieht 
sie  zuweilen  in  Höhlen.  So  fanden  wir  in  der  bekannten  Guacharro- 
höhle  bei  Caripe  in  Venezuela  den  Boden  stellenweise  von  einer  dichten, 
bis  halbmeterhohen  etiolirten  Vegetation  bedeckt,  die  aus  dem  Koth 
der  Guacharrovögel ,  der  einzigen  Bewohner  der  Höhle,  hervor- 
gegangen war. 


4.  Intensität  und  Qualität  des  Lichtes. 

Die  Wirkungen  des  Lichtes  auf  die  Pflanze  sind  je  nach  der  In- 
tensität desselben  und  je  nach  der  einzelnen  physiologischen  Function 
fördernd  oder  hemmend,  schaffend  oder  zerstörend.  Die  Intensitäten 
der  Beleuchtung,  bei  welchen  die  eine  oder  andere  Wirkung  eintritt, 
sind,  ähnlich  wie  diejenigen  der  Wärme,  specifisch  verschieden;  doch 
fehlt  es  darüber  noch  an  exakten  Angaben. 

Das  Längenwachsthum  der  Axen  und  Wurzeln  hat  bei  gänzlichem 
Lichtabschluss  sein  Optimum.  Sehr  schwache  Lichtintensitäten  üben 
bereits  eine  retardirende  Wirkung  und  grosse  Lichtintensität  ruft  völligen 
Stillstand  hervor. 

Das  Flächenwachsthum  der  Blätter  ist  im  Dunkeln  sehr  gering: 
doch  erreicht  es  bereits  bei  sehr  massiger  Lichtintensität  sein  Optimum. 
Zunahme  der  Beleuchtung  wirkt  retardirend,  schliesslich  hemmend.  Das 
Dickenwachsthum  der  Blätter  hat  sein  Optimum  bei  bedeutend  höherer 
Intensität  des  Lichtes  als  das  Flächenwachsthum,  daher  stark  beleuchtete 
Blätter  klein  und  dick  sind. 


3.  Das  Pflanzenleben  im  Dunkeln.     4.  Intensität  und  Qualität  des  Lichtes.  ßc 

Die  Entwickelung  der  Laubknospen  der  Bäume  rindet  erst  ober- 
halb einer  bestimmten,  nicht  sehr  niedrigen  Intensität  des  Lichtes  statt; 
schwache  Beleuchtung  bedingt  das  Absterben  der  Aeste,  das  sogenannte 
Reinigen  der  Bäume.     (Wiesner  V.) 

Die  Lichtwirkungen  auf  Entstehung  und  Entwickelung  der 
Reproduktionsorgane,  die  für  höhere  Pflanzen  namentlich  von 
Sachs,  Möbius  und  Vöchting,  für  niedere  Pflanzen  von  Klebs  näher  unter- 
sucht wurden,  sind  von  hervorragender  pflanzengeographischer  Be- 
deutung. Namentlich  konnte  Vöchting  für  zahlreiche  Phanerogamen 
nachweisen,  dass  bei  schwacher  Beleuchtung  die  Blüthenbildung  entweder 
ganz  unterbleibt  oder  nur  unvollkommen  ist.  Im  Innern  eines  ein- 
fensterigen  Zimmers  mit  ONO -Beleuchtung  wurden  Blüthenknospen 
meist  nur  in  geringer  Zahl  oder  gar  nicht  angelegt,  während  das 
vegetative  Wachsthum  normal  blieb  oder  sogar  (Mimulus  Tilingi)  ab- 
norme Ueppigkeit  aufwies.  Bereits  angelegte  Knospen  gingen  auf 
frühen  Stadien  zu  Grunde;  andere  entwickelten  reducirte  und  abnorm 
gestaltete  Blüthen ;  chasmogame  Blüthen  wandelten  sich  in  kleistogame 
um,  wie  überhaupt  die  Verkümmerung  viel  früher  das  Perianth  als  die 
Geschlechtsorgane  traf.  Der  störende  Einfluss  zu  schwacher  Beleuchtung 
kam  bei  Sonnenpflanzen  (z.  B.  Malva  vulgaris)  bereits  bei  höheren 
Intensitäten  des  Lichtes  als  bei  Schattenpflanzen  (z.  B.  Impatiens  parvi- 
flora)  zum  Vorscheine. 

Unter  den  vom  Lichte  bedingten  chemischen  Vorgängen  gehört 
die  Bildung  des  Chlorophylls  sowie  diejenige  der  Pigmente  brauner 
und  rother  Algen  zu  den  genügsamsten;  sie  erreicht  bereits  bei  sehr 
massigen  Intensitäten  ihr  Optimum.  Das  Lichtminimum  für  die  Re- 
duction  der  Kohlensäure  liegt  beträchtlich  höher  als  für  die  Bildung 
der  erwähnten  Farbstoffe  und  die  Intensität  des  Vorganges  steigt  pro- 
portional derjenigen  des  Lichtes.  Ein  Optimum,  nach  dessen  Ueber- 
schreitung  die  Assimilationscurve  herabsteigen  würde,  fehlt;  letztere 
scheint  vielmehr  gleichmässig  zu  steigen,  bis  die  Zerstörung  der  Pigmente, 
durch  intensives  Licht,  ihr  ein  Ende  setzt. 

Sehr  intensives  Licht  wirkt,  ganz  abgesehen  von  den  be- 
gleitenden Wärmeerscheinungen,  tödtlich  auf  das  Protoplasma.  Unter 
natürlichen  Bedingungen  sind  nur  wenige  pflanzliche  Organismen  em- 
pfindlich genug,  um  der  Gefahr  des  Lichttodes  ausgesetzt  zu  sein.  Zu 
denselben  gehören  viele  Bacterien  und  einige  grössere  Wasserpflanzen, 
namentlich  Algen,  welche  auf  sehr  schwache  Lichtintensitäten  gestimmt 
sind  und  zu  Grunde  gehen,  sobald  ihr  Standort,  z.  B.  durch  die  fort- 
schreitende Jahreszeit,  stärker  beleuchtet  wird.  Am  häufigsten  dürfte 
der  Lichttod  erst  indirekt,  nämlich  in  Folge  der  Zerstörung  der  bei  der 
Assimilation  betheiligten  Pigmente,  eintreten  indem  ganz  entfärbte 
Algen    nach   dem  Verbrauch   der  Reservestoffe,    durch  Verhungern   zu 

S  c  h  i  m  p  e  r ,  Pflanzengeographie.  5 


66 


HI.   Das  Licht. 


Grunde  gehen.  Die  Landpflanzen  sind  unter  normalen  Verhältnissen  weit 
resistenter;  Absterben  ganzer  Pflanzen  oder  auch  nur  einzelner  Glieder  als 
Folge  zu  starker  Beleuchtung  scheint  bei  ihnen  nicht  vorzukommen.  Den- 
noch erleiden  sie  häufig  eine  weitgehende  Zerstörung  ihres  Chlorophylls. 
Die  Vegetation  sehr  sonniger  Standorte  ist  niemals  rein  grün,  sondern 
zeigt  stets  eine  Beimengung  gelber  und  brauner  den  Zersetzungs- 
produkten des  Chlorophylls  entsprechender  Töne.  Es  wird  später  gezeigt 
werden,  dass  das  intensive  tropische  Licht  sogar  das  gänzliche  Ver- 
bleichen des  Laubes  bedingen  kann. 

Das  Schutzbedürfniss  der  Pflanzen,   speciell  ihrer  Chromat  ophoren, 
gegen   zu    intensives   Licht   kommt   in   zahlreichen  Vorrichtungen   zum 


Fig.  38.     Chylocladia  reflexa.     A  Oberflächenzelle  mit  kleiner  reflectirender  Platte,   von  der 
Fläche  gesehen.     B  Seitenansicht  einer  solchen  Zelle.     Vergr.  450.     Nach  Berthold. 


Vorschein,  die  namentlich  bei  den  sehr  lichtempfindlichen  Wasser- 
pflanzen grosse  Vollkommenheit  erreichen  können.1)  Lange  und  dichte 
Haarüberzüge  verhüllen  viele  Meeresalgen  wie  mit  einer  schatten- 
spendenden Wolke ;  andere  Algen  erzeugen  in  ihren  Zellen  eigenthüm- 
liche  lichtabsorbirende  Platten,  die,  ähnlich  wie  Fensterläden,  bei  starker 
Beleuchtung  die  peripherischen  Wände  bedecken,  bei  abnehmender 
Beleuchtung  aber  auf  die  Seitenwände  geschoben  werden  (Fig.  38). 
Endlich  sind  viele  Algen  in  ihrer  ganzen  Wuchsart  von  dem  Schutz- 
bedürfniss gegen  das  Licht  beherrscht.  Alle  diese  Vorrichtungen  sind 
natürlich   in  den  stark  durchleuchteten  Meeren   niederer  Zonen  stärker 


l)  Berthold  I. 


4.    Intensität  und  Qualität  des  Lichtes.  67 

ausgeprägt  als  in  den  hohen  Zonen,  wo  das  an  sich  schon  weniger 
intensive  Licht  in  Folge  des  schiefen  Einfalls  der  Strahlen,  durch  die 
Wasserfläche  in  höherem  Maasse  zurückgeworfen  wird. 

Die  Schutzmittel  gegen  Beleuchtung  sind  bei  Landpflanzen  weniger 
ausgeprägt  und  fallen  meist  mit  solchen  gegen  Transpiration  zusammen, 
so  dass  es  zur  Zeit  kaum  möglich  erscheint  zu  entscheiden,  welcher 
der  beiden  Gefahren  eine  bestimmte  Schutzvorrichtung  ihren  Ursprung 
verdankt.  Dahin  gehören  z.  B.  mannigfache  Bewegungen  und  fixe 
Lichtlagen  der  Blätter,  durch  welche  dieselben  sich  dem  direkten  An- 
prall der  Sonnenstrahlen  entziehen,  ferner  Haarüberzüge,  glatte,  stark 
reflektirende  Oberflächen,  mannigfache  Faltungen  u.  s.  w.1) 

Die  Lichtwirkungen  auf  Pflanzen  sind  nicht  bloss  von  der  Quantität, 
sondern  auch  von  der  Qualität  der  Beleuchtung  abhängig.  Die 
verschiedenen  Strahlengattungen  haben  ungleiche  physiologische  Be- 
deutung und  da  sie  von  Luft  und  Wasserdampf  in  ungleichem  Maasse 
absorbirt  werden,  so  ist  die  Frage  nach  der  Wirksamkeit  der  einzelnen 
Theile  des  Spectrums  pflanzengeographisch  nicht  unwesentlich. 

Die  schwächer  brechbare  Hälfte  des  sichtbaren  Spectrums,  vom 
Roth  bis  zum  Anfang  des  Grüns,  enthält  die  für  die  Reduction  der 
Kohlensäure  durch  das  Chlorophyll  wirksamsten  Strahlen.  Ob  die 
Wirksamkeit  im  Roth  am  grössten  ist,  entsprechend  dem  stärksten  Ab- 
sorptionsstreifen des  Chlorophylls,  oder  im  Gelb,  wie  es  viele  Versuche 
wahrscheinlich  machten,  ist  noch  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen 
und  für  die  hier  in  Betracht  kommenden  Fragen  ohne  grosse  Be- 
deutung.2) 

Die  Entstehung  des  Chlorophylls  ist  an  die  Anwesenheit  gelben 
oder  orangegelben  Lichtes  gebunden.  Die  blauen  und  violetten  Strahlen 
sind  die  bei  der  Assimilation  der  Nitrate  thätigsten. 8)  Sie  sind  es  auch, 
die  hemmend  auf  das  Wachsthum  wirken  und  die  bei  hohen  Intensitäten 
das  Chlorophyll  zerstören  und  das  Plasma  tödten. 

Die  ultravioletten  Strahlen  sind  nach  Sachs  bei  der  Blüthenbildung 
in  hervorragendem  Maasse  betheiligt.  Doch  sind  bisher  diesbezügliche 
Versuche  nur  mit  einer  einzigen  Pflanze,  Tropaeolum  majus,  angestellt 
worden. 

Neben  den  absoluten  Optima  der  Beleuchtung,  welche  für 
gewisse  Functionen  mit  sehr  ungünstigen  ökologischen  Bedingungen 
zusammenfallen  —  so  ist  das  Lichtoptimum  des  Wachsthums  der  Axen 
und    gewisser  Blätter  =  0,    d.  h.  Dunkelheit  —  giebt  es,    wie  für  die 


*)  Wiesner  II.     Johow. 

*)  Diese  Fragen  sind  auf  Grund  der  Untersuchungen  Pfeffer's,  Reinke's,  Engel- 
mann's  etc.  in  allen  Handbüchern  der  Pflanzenphysiologie  eingehend  discutirt. 

8)  Ueber  die  Assimilation  der  Nitrate  und  die  damit  zusammenhangende  Bildung  der 
organischen  Kalksalze  vgl.  Schimper  I  und  II. 


68  m.    Das  Licht. 

Wärme,  auch  für  das  Licht  ein  ökologisches  Lichtoptimum, 
welches  dem  normalen  Gesammtleben  der  Pflanze  entspricht  und  aus 
den  harmonischen  Lichtoptima  (vgl.  S.  50)  der  einzelnen  Functionen 
zusammengesetzt  ist.  Die  Pflanze  sucht  sich  in  verschiedener  Weise 
in  den  Besitz  des  ökologischen  Lichtoptimums  zu  setzen.  Viele  mit 
Cilienbewegung  versehene  Algen  sammeln  sich  an  Stellen  von  bestimmter, 
meist  massiger  Lichtintensität  und  fliehen  die  Stellen,  wo  eine  andere, 
ihnen  weniger  zusagende  Beleuchtung  herrscht.  Feststehende  und  daher 
in  ihren  Bewegungen  beschränkte  Pflanzen  und  Pflanzentheile  erstreben 
die  gleichen  Vortheile  durch  die  freien  und  beweglichen  Stellungen 
ihrer  Laubblätter  sowie  durch  die  heliotropischen  Krümmungen,  durch 
welche,  je  nach  Bedürfniss,  stärkere  oder  schwächere  Beleuchtung  er- 
reicht wird.  Aehnliches  wird  häufig  durch  Bewegungen  der  Chlorophyll- 
körner bewerkstelligt. *) 

In  der  Natur  dürften  diese  verschiedenartigen  Bewegungen  die 
Pflanze  meist  in  die  günstigsten  Bedingungen  der  Belichtung  bringen; 
doch  nicht  immer.  Vollkommenheit  wird  auch  hier  nicht  erreicht. 
Unter  den  so  ungleich  lichtbedürftigen  Functionen  gewinnt  manchmal 
die  eine  zum  Nachtheil  der  anderen  die  Oberhand.  Noch  häufiger  sind 
solche  unharmonische  Störungen  unter  künstlichen  Bedingungen,  wo 
Pflanzenarten,  die  an  ihren  natürlichen  Standorten  wohl  oft  ein  zu  wenig, 
aber  kaum  je  ein  zuviel  Licht  empfangen,  sehr  zum  Nachtheil  ihrer 
Oekologie,  ja,  zum  Theil  auf  Kosten  ihres  Lebens,  die  ihren  absoluten 
Optima  entsprechenden  Lichtintensitäten  aufsuchen. 


5.  Sonne  und  Schatten. 

Sonne  und  Schatten,  als  Bezeichnungen  für  die  Beleuchtung  pflanz- 
licher Standorte,  waren  sehr  unbestimmte  Begriffe,  bis  Wiesner  dieselben 
in  bestimmte  Formeln  des  faktischen  Lichtgenusses  der  Pflanzen  ein- 
zwängte. 

Sogar  anscheinend  sehr  gut  beleuchtete  Pflanzen  erhalten  nur  einen 
Theil  des  gesammten  Tageslichtes.  In  dem  nahezu  ungeschwächten 
Genüsse  desselben  befindet  sich  bloss,  und  zwar  zu  ihrem  Nachtheile, 
die  Vegetation  ebener  Wüsten  und  anderer  schwach  bewachsener 
horizontaler  Flächen.  Die  im  Waldschluss  wachsenden  Bäume  und  das 
Unterholz  bekommen  hauptsächlich  Oberlicht,  die  Lianen  und  Epi- 
phyten  an  Baumstämmen  und  Felswänden  Vorderlicht;  Hinter- 
licht und  Unterlicht  haben  meist  nur  geringe  Bedeutung,  doch 
sah    ich    in  Venezuela   eine  kleine  Oncidiumart  constant  die  Unterseite 


*)  Vgl.  z.  B.  Stahl  I  u.  II,  Wiesner  III,  Schimper  III. 


5-    Sonne  und  Schatten.  6q 

der  horizontalen  Aeste  des  Calebassenbaumes  (Crescentia  Cujete)  ein- 
nehmen. 

Von  den  beiden  Formen  des  Tageslichtes  ist  das  direkte  Sonnen- 
licht weniger  wichtig  für  das  Pflanzenleben  als  das  diffuse  Licht.  Die 
meisten  Gewächse  werden  nur  an  wenigen  Stellen  ihrer  Oberfläche  oder 
auch  gar  nicht  von  den  Sonnenstrahlen  getroffen;  ausserdem  pflegen 
sie  sich  deren  Einwirkung  durch  entsprechende  Stellungen  und  Be- 
wegungen ihres  Laubes  zu  entziehen. 

Die  Schwächung  der  Lichtintensität  durch  Gezweig  und  Laub  der 
Pflanze  ist  viel  beträchtlicher,  als  man  es  nach  dem  Augenschein  an- 
nehmen würde.  So  bestimmte  Wiesner *)  an  einem  sonnigen  Märztage 
(dem  27.)  in  Wien  die  Intensität  des  gesammten  Tageslichtes  auf  0.712, 
diejenige  in  Hundertschrittentfernung  vom  Rande  des  noch  unbelaubten 
Waldes  auf  0.355,  die  des  Baumschattens  auf  0.166. 

Die  Schwächung  des  Lichtes  ist  unter  belaubten  Bäumen,  nament- 
lich in  belaubten  Beständen,  natürlich  noch  weit  beträchtlicher  als 
unter  nacktem  Gezweige.  So  betrug  nach  Wiesner  die  Lichtintensität 
an  einem  sonnigen  Märztage  in  Wien  0.666,  im  Schatten  einer  8  m 
hohen ,  beinahe  bis  zum  Grunde  verzweigten  Fichte  nur  noch  0.02 1 ; 
am  selben  Tage  war  bei  I  =  0.518  unter  einem  1  m  hohen  Buxus- 
strauche  die  Lichtintensität  0.017.  Anfang  Mai  waren  die  Lichtintensi- 
täten des  Gesammtlichtes,  des  Lichtes  in  den  Kronen  eines  Rosskasta- 
nienbestandes und  des  Schattenlichtes  unter  dem  letzteren  0.500  bezw. 
0.070  und  0.017.    Diese  Werthe  verhalten  sich  zu  einander  wie  29:  21 : 1. 

In  welch'  hohem  Maasse  die  Pflanzen  sonniger  und  schattiger  Stand- 
orte durch  ihre  Gestalten  vom  Lichte  beherrscht  sind,  wurde  nament- 
lich neuerdings  durch  vergleichende  Culturversuche  Wiesner's  nach- 
gewiesen. Sempervivum  tectorum  z.  B.  ist  eine  typische  Sonnenpflanze. 
Bei  einer  mittleren  maximalen  Lichtintensität  von  0.04,  wie  sie  bei  vielen 
Standorten  von  Schattenpflanzen  normal  ist,  giebt  dasselbe  ihre  charak- 
teristische Rosettenform  auf.  Sie  verlängert  ihre  Internodien,  verkleinert 
ihre  Blätter,  verliert  einen  Theil  ihres  Chlorophylls.  Das  Optimum  für 
das  Flächenwachsthum  der  Blätter  liegt  demnach  hier  bei  einer  ziemlich 
hohen  Lichtintensität;  bei  noch  höherer  Lichtintensität  nimmt  das  letztere 
wieder  ab. 

Wiesner  cultivirte  Pflanzen  von  Sempervivum  tectorum,  theils  bei  einer 
mittleren  Lichtintensität  von  0.305  (I),  theils  bei  einer  solchen  von  0.152  (I').  Inlr 
war  die  durchschnittliche  Maximallänge  der  Blätter  3 1  mm,  ihre  Breite  1 5  mm, 
während  die  correspondirenden  Werthe   für  I    26  mm  bezw.    13.5  mm  waren. 

Noch  bei  anderen  Sonnenpflanzen,  wie  der  Kartoffel,  der  Bohne, 
wurde  von  Wiesner  eine  fordernde  Wirkung  des  Blattwachsthums  durch 

»)  IU.  S.  307. 


7o 


HI.   Das  Licht. 


Fig-  39-     Vorkeim   von  Schistotega  osmundacea  in  natür- 
licher Lage,  stark  vergrössert.     Nach  F.  Noll. 


das  Licht  bis  zu  einer  ziemlich  hohen  Intensität  beobachtet,  oberhalb 
welcher  eine  Verlangsamung  eintrat.  Für  Schattenpflanzen  liegt  das 
Optimum  bereits  bei  viel  schwächerer  Beleuchtung. 

So  erreichte    das  Blatt    von  Scolopendrium  officinarum  im  Dunkeln  eine 
Länge    von    76    mm  (Breite    11    mm),  bei  1  =  0.083  die  Maximallänge  von 

228  mm  (Breite  25  mm), 
bei  I  =  0.247  eine  Länge 
von  nur  noch  152  mm. 
(Breite  20  mm.)  Hingegen 
wirkte  überall  positive  Be- 
leuchtung hemmend  auf 
das  Wachsthum  der  Sten- 
gel. Kartoffelsprosse  rea- 
giren  schon  deutlich  bei 
1  =  0.0008,  während  erst 
bei  I  =  0.4  5 1 ,  also  bei  sehr 
intensivem  Lichte ,  Ab- 
nahme des  Blattwachsthums 
sichtbar  wird. 
Alle  diese  Werthe  werden  im  absolut  feuchten  Räume  herabgesetzt;  doch 
werden  die  Lichtwirkungen  dadurch  keineswegs  eliminirt. 

Das   Lichtminimum    der  Blüthenbildung   liegt   bei  Schattenpflanzen 
tiefer   als   bei  Sonnenpflanzen:    dennoch   pflegen   die   ersteren  weniger 

Blüthen  zu  erzeugen  als 
die  letzteren.  Das  Innere 
des  Waldes  ist  weniger 
blüthenreich  als  die  Wiese, 
und  gewisse  Gebiete  mit 
intensiver  oder  lange  an- 
dauernder Beleuchtung,  wie 
die  höchsten  Vegetations- 
regionen der  Gebirge,  die 
Polarländer ,  viele  Wüsten 
sind  durch  grossen  Blüthen- 

Fig.  40.     Optischer  Durchschnitt  einer  Protonemaselle     reichthum  ausgezeichnet, 

von    Schistotega    osmundacea,    in    der    der   Gang   der     Allerdings   wirken  in   diesen 
Lichtstrahlen   einconstruirt   ist.     S'  S'  ein  Strahl,   der     I7..11  , 

an   der   Hinterwand   total   reflektirt   wird.     P  Plasma,     Falletl     n°ch      andere     Fac~ 
c  Chlorophyll,  v  Zellsaft.     Nach  F.  Noll.  toren   mit. 

Ausser  durch  die  äussere 
Plastik  unterscheiden  sich  Sonnen-  und  Schattenpflanzen  noch  durch 
die  innere  Structur,  namentlich  ihres  Laubes.  Wie  durch  Trockenheit, 
wird  auch  durch  intensives  Licht  die  Bildung  der  Palissadenzellen  ge- 
fördert. Sonnenblätter  besitzen  Chlorophyll  nur  in  ihrem  Mesophyll, 
Schattenblätter    aber    ausserdem,    zuweilen    sogar    vorwiegend    in    der 


s' »* 


5-  Sonne  und  Schatten.  71 

Epidermis.  Besonderes  Interesse  bieten  bei  vielen  Schattenpflanzen 
die  Vorrichtungen  zur  Concentration  der  Lichtstrahlen 
auf  den    Chlorophyllapparat. 

Die  Beleuchtungsapparate  bei  Pflanzen  wurden  zuerst  von  Noll  für 
das  Protonema  von  Schistotega  osmundacea,  dem  höhlenbewohnenden 
Leuchtmoos,  nachgewiesen  und  genauer  untersucht  (Fig.  39 — 40).  Dieses 
Protonema,  welchem  allein  die  Eigenschaft  des  Leuchtens  zukommt,  ist 
tischähnlich  geformt  und  besteht  aus  einem  dünnen  Fuss,  welcher  eine 
zweilappige  Platte  trägt.  Die  Zellen  der  letzteren  sind  linsenförmig,  an 
der  Oberseite  kugelkappenähnlich  gewölbt,  unterwärts  conisch  aus- 
gebuchtet ;  die  Chlorophyllkörner  sind  im  schmalen  Basaltheil  angehäuft, 
während  der  obere  Theil  als  vollkommen  hyaline,  glasartige  Linse  wirkt. 
Wie  Noll  des  näheren  zeigt,  werden  die  in  der  Nähe  der  optischen 
Axe  einfallenden  Strahlen  so  gebrochen,  dass  sie  sich  auf  die  Chlorophyll- 
körner concentriren  und  dieselben,  da  sie  kurz  vor  dem  Brennpunkte 
der  Linse  in  der  optischen  Axe  zu- 
sammenliegen,  intensiv  beleuchten. 
Jedes  einzelne  Chlorophyllkorn  wirkt 
dann  vermöge  seines  stärkeren 
Brechungsvermögens  noch  einmal 
wie  eine  kleine  Linse  und  lässt  die 
es  treffenden,  schon  convergirenden 
Strahlen  in  seinem  Innern  stärker 
convergiren,.   sodass    die    Intensität 

der  Beleuchtung  an  seiner  hinteren  FiS4i.  Argostemma montanum, Java.  Quer- 
™..    ,  .  .  ~     .  schnitt  durch  ein  Blatt  im  tiefsten  Schatten. 

Flache   eine   weitere  Steigerung  er-  y        2QO 

fahrt.      Es    resultirt    also    aus    dem 

Gesammtstrahlengang  eine  grelle  Beleuchtung  des  Chlorophyllapparates, 
der  in  der  optischen  Axe  nahe  dem  Focus  zusammengedrängt  ist. *) 
Das  Leuchten  ist  eine  physikalisch  nothwendige,  für  die  Pflanze  be- 
deutungslose Nebenerscheinung. 

Aehnliche  Vorrichtungen  zur  Beleuchtung  des  Chlorophyllapparates 
zeigen  sich,  wenn  auch  nicht  immer  mit  solcher  Vollkommenheit,  noch 
bei  anderen  Schattenpflanzen.  Die  Papillen,  welche  die  sammetartige 
Oberfläche  vieler  tropischen  Schattenkräuter  überziehen,  wirken  con- 
centrirend  auf  die  Lichtstrahlen. 2)  Aber  auch  bei  nahezu  glatten  Blättern 
lassen  sich,  wie  die  Fig.  41  zeigt,  ähnliche  Anpassungen  nachweisen. 
Dieselbe  stellt  den  Querschnitt  des  Blattes  von  Argostemma  montanum, 
einem  im  tiefsten  Schatten  der  Gebirgswälder  Java's  häufigen  Kraute,  dar. 

Ganz  unaufgeklärt  ist  der  bläuliche,   metallene  Glanz   mancher  Pflanzen 


«)  1.  c.  S.  482. 
*)  Stahl  IV. 


72 


in.    Das  Licht. 


des  tiefen  Schattens,  der  in  intensiverem  Grade  nur  einige  tropische  Selaginella- 
und  Trichomanesarten  auszeichnet,  als  weniger  augenfällige  Erscheinung  jedoch 
ziemlich  verbreitet  und  auch  bei  uns,  z.  B.  bei  Sambucus  nigra,  nachweisbar 
ist.  Die  merkwürdige  Erscheinung  ist  an  hellen  Standorten  nie  vorhanden 
und  muss  daher  irgendwie  mit  der  schwachen  Beleuchtung  sehr  schattiger 
Plätze  zusammenlaufen. 


6.  Tag  und  Nacht 

Die  durch  das  Licht  beherrschten  Vorgänge  des  Pflanzenlebens 
sind  zum  grössten  Theile  streng  an  die  Tagesstunden  gebunden;  doch 
treten  in  gewissen  Fällen  Nachwirkungen  mehr  oder  weniger  langer 
Dauer  störend  ein.  Davon  abgesehen,  ist  das  Leben  der  Pflanze  ein 
anderes  bei  Nacht  als  bei  Tage.  Dieses  geht  schon  aus  oberflächlicher 
Betrachtung  hervor.  Die  Blätter  zahlreicher  Gewächse  nehmen  die 
Nachtstellung  ein,  welche  häufig,  aber  nicht  immer,  der  durch  intensive 
Beleuchtung  bedingten  Profilstellung  ähnlich  ist.  Viele  Blüthen  schliessen 
sich  bei  eintretender  Dunkelheit,  während  andere,  weniger  zahlreiche, 
sich  erst  dann  öffnen ;  manche  Blüthen  entwickein  nur  bei  Nacht  ihren 
Duft.  Nähere  Untersuchung  zeigt,  dass  entsprechend  der  Lichtabnahme, 
die  Assimilation  Abends  zunächst  geschwächt  und  dann  ganz  unter- 
drückt wird,  um  erst  im  Morgenlicht  wieder  anzuheben.  Der  hemmende 
Einfluss  des  Lichtes  auf  das  Wachsthum  *)  zeigt  hingegen  keine  so  un- 
mittelbare Abhängigkeit  von  der  Intensität  der  Strahlung ,  sondern  er- 
reicht seine  volle  Geltung  erst  in  den  Nachmittags-  oder  Abendstunden, 
während  das  Maximum  des  Wachsthums  meistens  nicht  Nachts,  sondern 
in  den  frühen  Tagesstunden  eintritt. 

Die  zunehmende  Dauer  des  Sonnenlichtes  vom  Aequator  zum  Pol 
wirkt  sicher  modificirend  auf  die  täglichen  Schwankungen  des  Pflanzen- 
lebens, welche  sogar  innerhalb  der  Polarkreise  ganz  aufhören  dürften, 
falls  sie  nicht  theilweise,  ähnlich  wie  andere  periodische  Erscheinungen, 
auf  inneren  Ursachen  beruhen  und  durch  äussere  Einflüsse ,  wo  solche 
vorhanden  sind,  bloss  regulirt  werden.  Auch  abgesehen  davon  ist  die 
längere,  aber  weniger  intensive  Beleuchtung  in  den  Polargebieten  ein 
pflanzengeographischer  Factor,  dessen  Bedeutung  bereits  von  Schübeier 
erkannt  und  namentlich  von  Bonnier,  Flahault,  Kjelmann  und  Curtel  * 
genauer  untersucht  wurde. 

Die  Arbeiten  der  genannten  Forscher  werden  in  dem  den  Polar- 
ländern gewidmeten  Abschnitte  eingehende  Berücksichtigung  finden. 
An  dieser  Stelle  sollen,  als  von  allgemeiner  Bedeutung,  nur  die  Experi- 
mente  berücksichtigt    werden,    die  Bonnier  über  die  Wirkung   con- 


l)  Vgl.  z.  B.  die  Arbeiten  von  Baranetzki,  Godlenski. 


6.  Tag  und  Nacht. 


73 


tinuirlicher  elektrischer  Beleuchtung  auf  die  Pflanzenent- 
wickelung  anstellte.  Um  das  elektrische  Licht  dem  Sonnenlichte 
möglichst  ähnlich  zu  machen,  wurde  der  Reichthum  des  ersteren  an 
ultravioletten  Strahlen  durch  dicke  Glasplatten  geschwächt.  Quantitativ 
war  das  benutzte  elektrische  Licht  allerdings  bedeutend  schwächer  als 
Tageslicht,  ein  Umstand,  der  auf  die  Resultate  wohl  beeinflussend,  aber, 
wie  Versuche  mit  unterbrochener  elektrischer  Beleuchtung  (12  Stunden 
hell,  12  Stunden  dunkel)  nicht 
bedingend  wirkte.  Die  Versuchs- 
objecte  waren  sehr  verschieden- 
artig, theils  holzig,  theils  krautig, 
und  wurden  durch  mehrere  Mo- 
nate cultivirt. 

Die  continuirlich  beleuchteten 
Pflanzen  unterschieden  sich  von 
den  normal  gewachsenen,  sowie 
von  den  unterbrochen  elektrisch 
beleuchteten  in  auffallendster 
Weise  durch  viel  grösseren  Reich- 
thum an  Chlorophyll;  auch  tief- 
gelegene, sonst  chlorophyllfreie 
Theile,  wie  die  Innenrinde,  die 
Markstrahlen  und  das  Mark  hol- 
ziger Axen  waren  grün.  Die  Axen 
waren  kürzer  als  unter  normalen 
Bedingungen,  die  Blätter  kleiner 
und  dicker,  die  Blüthen  normal 
ausgebildet,  aber  intensiver  ge- 
färbt. Die  innere  Structur  (Fig.  42) 
zeigte  grosse  Aehnlichkeit  mit 
derjenigen  etiolirter  Pflanzen:  so 
waren  die  Palissaden  schwach 
oder  kaum  ausgebildet,  die  Fasern 
und  verholzten  Elemente  quanti- 
tativ zurücktretend,  die  Zellwände 

sämmtlich  dünner,  der  histologische  Bau  überhaupt  weniger  differenzirt 
als  in  normal  gewachsenen  Pflanzen.  Auch  die  unterbrochen  elektrisch 
beleuchteten  Objekte  wiesen  Anzeichen  von  Vergeilung  auf,  dennoch 
waren  sie  den  im  Tageslicht  gewachsenen  weit  ähnlicher  als  die  conti- 
nuirlich beleuchteten.  Die  ununterbrochene  Dauer  der  Beleuchtung  ist  dem- 
entsprechend als  die  wesentliche  Ursache  der  Abweichungen  anzusehen. 

Manche   dieser   Abweichungen    lassen    sich   auf  Grund    bekannter 
Lichtwirkungen  erklären ;  namentlich  gilt  dieses  von  dem  Kürzerwerden 


Fig.  42.      Querschnitt    durch    die    Nadel    von 
Pinus   austriaca,      a  im    gewöhnlichen    (unter- 
brochenen),   b  im   continuirlichen   elektrischen 
Lichte.     Nach  Bonnier. 


74  HI.    Das  Licht. 

der  Axen,  von  der  intensiveren  Färbung  der  Blüthen,  vielleicht  auch 
von  der  Reduction  der  Blätter.  Andere  Erscheinungen  sind  zur  Zeit 
nicht  erklärlich,  wie  die  stärkere  Chlorophyllbildung  und  die  Verein- 
fachung der  inneren  Structur.  Ob  die  etwas  abweichende  qualitative 
Zusammensetzung  des  elektrischen  Lichtes  dabei  im  Spiele  ist,  werden 
Versuche  in  den  Polarländern  zeigen  müssen.  Zu  Gunsten  der  Ansicht, 
dass  es  sich  dabei  um  auch  für  Sonnenlicht  gültige  Wirkungen  handelt, 
scheint  der  Umstand  zu  sprechen,  dass  im  hohen  Norden  gewachsene 
Pflanzen  nach  Bonnier  einfachere  histologische  Differenzirung  als  die 
gleichen  Arten  im  mittel-  und  südeuropäischen  Hochgebirge  aufweisen, 
und  dass  Individuen  solcher  Arten,  im  continuirlichen  Licht  cultivirt,  den 
am  Pole  gewachsenen  ähnlich  werden.  (Vgl.  den  Abschnitt  über  die 
polare  Vegetation  in  Theil  III  dieses  Werkes.) 


Auswahl  der  Literatur. 


1.  Allgemeines« 


Warming,  E.    Lehrbuch  der  ökologischen  Pflanzengeographie.    Berlin  1896. 
S.  1 3  u.  f.  Ausserdem  namentlich  die  weiter  unten  citirten  Arbeiten  Wiesner's. 


2.  Photometrische  Methoden. 

Bunsen    und    Roscoe.      Photometrische    Untersuchungen.      VX    Abhandl. 

Meteorologische  Lichtmessungen.    Poggendorffs  Annalen.    Bd.  117.  1862. 
Wiesner,  J.     Untersuchungen   über   das   photochemische  Klima  von  Wien, 

Cairo  und  Buitenzorg  (Java).     Denkschriften    d.   math.-naturw.  Klasse  d. 

kais.  Akad.  d.  Wiss.     Bd.  LXIV.     1896. 


8.  Das  Fflansenleben  im  Dunkeln. 

Die  für  die  Pflanzengeographie  wenig  wichtigen  Erscheinungen  des  Pflanzen- 
lebens in  anhaltender  Dunkelheit  sind,  wegen  ihrer  grossen  physiologischen 
Bedeutung,  der  Gegenstand  zahlreicher  Arbeiten  geworden,  über  welche 
z.  B.  Pfeffer's  Physiologie  2.  A.  nachzusehen  ist 

4.  Lichtintensität  und  Lichtqualität.1) 

Baranetzki,  J.  Die  tägliche  Periodicität  im  Längenwachsthum.  Mem.  de 
l'Acad.  d.  Sc.  de  St.  Petersbourg  1879. 


*)  Aus  der  ausserordentlich  reichen  Literatur  sind  nur  solche  Arbeiten  entnommen,  die 
für  pflanzengeographische  Fragen  in  Betracht  kommen  dürften. 


Auswahl  der  Literatur. 


75 


Berthold,  G.  I.  Beiträge  zur  Morphologie  und  Physiologie  der  Meeres- 
algen.    Pringsheim's  Jahrb.     Bd.  XIII. 

—  II.  Die  Vertheilung   der  Algen    im  Golf  von  Neapel.     Mittheil.  d.  botan. 

Stat.  zu  Neapel.     1882. 
de  Candolle,  C.    Etüde  de  l'action  des  rayons  ultraviolets  sur  la  formation 

des  fleurs.    Annales  des  sciences  physiques  et  naturelles.     Gen£ve  1897. 
Deherain.       Sur    l'^vaporation    de    l'eau    et    la   ddcomposition   de   l'acide 

carbonique   par   les   feuilles   des   vdg&aux.      Annales   d.   sciences   natur. 

Botanique.     Vc  s£rie.     1869. 
Godlewski.    I.  Die  Art  und  Weise  der  wachsthumretardirenden  Lichtwirkung 

und  die  Wachsthumstheorien.    Anzeigen  der  Akademie  der  Wissenschaften 

in  Krakau.     1890.     (Rev.  g<2n.  d.  bot.     Bd.  IE.     S.  327.) 

—  IL  Ueber  die  Beeinflussung  des  Wachsthums   der  Pflanzen    durch   äussere 

Factoren.     Ibid.     1890. 

—  HI.  Ueber  die  tägliche  Periodicität  des  Längenwachsthums.     Ibid.     1889. 
Haberland,  G.     Eine  botanische  Tropenreise. 

Johow,  Fr.  Ueber  die  Beziehungen  einiger  Eigenschaften  der  Laubblätter 
zu  den  Standortsverhältnissen.  Pringsheim's  Jahrb.  f.  wiss.  Bot.  Bd.  XV. 
1884. 

Jost,  L.  Ueber  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  das  Knospentreiben  der  Roth- 
buche.    Ber.  d.  deutsch,  botan.  Gesellsch.     1894.     S.  188. 

Kern  er,  A.  v.     Pflanzenleben.     1  A.  IL     S    504  u.  f. 

Klebs,  G.  Ueber  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Fortpflanzung  der  Ge- 
wächse.    Biolog.  Centralblatt     Bd.  XIII.     1893. 

Lothelier.  Influence  de  l'dclairement  sur  la  production  des  piquants  des 
plantes.     Comptes  rendus  de  l'Acaddmie  des  sciences.     Paris.     1891. 

M  ö  b  i  u  s ,  M.  Welche  Umstände  befördern  und  welche  hemmen  das  Blühen  ? 
Mededeelingen  v.  d.  Proefstation  Midden-Java.  1892.  u.  Biolog.  Cen- 
tralblatt    1892. 

Oltmanns,  Fr.  Ueber  die  Cultur-  und  Lebensbedingungen  der  Meeres- 
algen.    Pringsheim's  Jahrb.  fiir  wiss.  Botanik.     Bd.  XXIII.     1892. 

Pringsheim,  N.  Ueber  Lichtwirkung  und  Chlorophyllfunction  in  der 
Pflanze.  Monatsb.  der  Berliner  Akademie.  1 87  9.  u.  Jahrb.  f.  wiss.  Bot. 
Bd.  xn. 

Sachs,  J.  1.  Ueber  die  Durchleuchtung  der  Pflanzentheile.  Sitzb.  der  Kais. 
Akad.  in  Wien.     Bd.  43.  Ite  Abth.     1860.     (Ges.  Abhandl.  L    S.  167.) 

—  II.  Ueber   den  Einfluss   des  Tageslichtes    auf  Neubildung   und  Entfaltung 

verschiedener   Pflanzenorgane.     Botan.   Zeit.      1863.     (Ges.   Abhandl.   1. 
S.   179.) 

—  III.  Wirkung   des  Lichtes   auf  die  Bltithenbildung   unter  Vermittlung   der 

Laubblätter.     Botan.  Zeit.     1864.     (Ges.  Abhandl.  I.     S.  229.) 

—  IV.  Wirkungen  farbigen  Lichtes  auf  Pflanzen.     Botan.  Zeit     1864.    (Ges. 

Abhandl.   I.     S.  261.) 

—  V.  Ueber  die  Wirkung  der  ultravioletten  Strahlen  auf  die  Bltithenbildung. 

Arbeiten  des  botan.  Instituts    in  Würzburg.     Bd.  III.     1887.     (Ges.  Ab- 
handl   I.     S.  293.) 

—  VI.  Ueber  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Bildung  des  Amylum  in  den 
Chlorophyllkörnern.     Botan.  Zeit.     1862.     (Ges.  Abhandl.  I.  S.  332.) 

—  VII.    Ein    Beitrag    zur    Kenntniss    der    Ernährungsthätigkeit    der    Blätter. 

Arbeit  des  botan.  Inst,  zu  Wtirzburg.     Bd.  III.     1884.     (Ges.  Abhandl. 
L    S.  354.) 


76  M-   Das  Licht. 

Schimper,   A.    F.    W.     1.   Ueber   Kalkoxalatbüdung    in   den   Laubblättern. 
Botanische  Zeitung.     1888. 

—  II.  Zur  Frage  der  Assimilation   der  Mineralsalze  durch  die  grüne  Pflanze. 

Flora  1890. 

—  III.  Untersuchungen    über   die  Chlorophyllkörper    etc.     Pringsheim's  Jahr- 

bücher.    Bd.  XVI.     1885. 
Stahl,  E.     I.   Ueber   sogenannte  Kompasspflanzen.     Jenaische  Zeitschr.    für 
Naturw.     XV.     1881. 

—  II.   Ueber   den   Einfluss   von   Richtung   und    Stärke    der  Beleuchtung   auf 

einige  Bewegungserscheinungen.     Botanische  Zeitung.     1880. 
Wiesner,   J.     I.    Untersuchungen   über   die   Beziehungen   des   Lichtes   zum 
Chlorophyll.    Sitzb.  der  Kais.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Wien.    Bd.  69.    Abth.  1. 

1874. 

—  II.  Die  natürlichen  Einrichtungen  zum  Schutz  des  Chlorophylls  der  leben- 

den Pflanze.  S.  A.  aus  Festschrift  zur  Feier  des  25  jährigen  Bestehens 
der  K.  K.  zool.-botan.  Gesellsch.  in  Wien.     1876. 

—  III.    Ueber    die  heliotropischen  Erscheinungen    im  Pflanzenreiche.     2  Ab- 

theilungen. 1878  u.  1880.  S.  A.  aus  den  Denkschriften  der  Wiener 
Akademie.     I  p.  37,  II  p.   1^3. 

—  IV.  Formänderungen  von  Pflanzen   bei  Cultur   im  absolut  dunklen  Räume 

und  im  Dunkeln.     Berichte  der  deutschen  botan.  Gesellschaft.     1891. 

—  V.    Photometrische    Untersuchungen    auf  pflanzenphysiologischem  Gebiete. 

Erste  Abhandlung.  Orientirende  Versuche  über  den  Einfluss  der  so- 
genannten chemischen  Lichtintensität  auf  den  Gestaltungsprocess  der 
Pflanzenorgane.     Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.     Bd.    102.     1893. 

—  VI.    Beobachtungen    über    die    fixe    Lichtlage    der    Blätter   tropischer    Ge- 

wächse.    Sitzb.  der  Wiener  Akad.     Bd.   103.     Abth.  I.     1894. 


5.  Sonne  und  Schatten« 

Gdneau  de  Lamarli&re,  L.  Recherches  physiologiques  sur  les  feuilles 
ddveloppdes  ä  l'ombre  et  au  soleil.  Revue  generale  de  botanique.  Tome  4. 
S.  481. 

Noll,  F.  Ueber  das  Leuchten  von  Schistostega  osmundacea  Schimp.  S.  A. 
aus  Arbeiten  des  botan.  Instituts  in  Würzburg. 

Stahl,  E.  I.  Ueber  den  Einfluss  der  Lichtintensität  auf  Struktur  und  An- 
ordnung des  Assimilationsparenchyms.     Botanische  Zeitung.     1880. 

—  II.    Ueber    sogenannte   Kompasspflanzen.     Jenaische  Zeitschrift    für  Natur- 

wissenschaft.    XV.      1881. 

—  III.    Ueber  den  Einfluss  des  sonnigen    oder    schattigen   Standorts   auf  die 

Ausbildung  der  Laubblätter.     Jenaische  Zeitschrift.     Bd.  XVI.     1883. 

—  IV.  Ueber  bunte  Laubblätter.     Ann.  du  jard.  de  Buitenzorg.     T.  XI. 
Wiesner,  J.     Bemerkungen  über   den    faktischen  Lichtgenuss   der  Pflanzen. 

Ber.  d.  deutschen  botan.  Gesellsch.   GeneralversamVnlungsheft.  Jahrg.  1894. 

—  IL    Untersuchungen  über  den  Lichtgenuss  der  Pflanzen  mit  Rücksicht  auf 

die  Vegetation  von  Wien,  Cairo  und  Buitenzorg   (Java).     Sitzb.  d.  Kais. 
Akad.  d.  Wiss.  zu  Wien.     Bd.  C.  IV.     Abth.  I.     1895. 

—  III.    Photometrische  Untersuchungen   auf  pflanzenphysiologischem  Gebiete. 

Erste  Abh.    Sitzb.  d.  Wiener  Akad.    Abth.  1.    Bd.  102.    1893.    Vergleiche 
ausserdem  die  übrigen  unter  4  citirten  Arbeiten  desselben  Verf. 


Auswahl  der  Literatur.  jj 


6.  Tag  und  Nacht. 

Baranetzki.     Die    tägliche  Periodicität    des  Längenwachsthums.     Mdmoires 

de  l'Acad.  d.  sciences  de  Sl-    Pdtersbourg.     1879. 
Godlewski.     Vergl.  unter  4,  I — III. 
Bonnier,  G.     Influence  de   la   lumiere  dlectrique   continue  sur  la  forme  ,et 

la  structure  des  plantes.    Revue  ge'ne'rale  de  botanique.   Tome  VII.    1895. 
Bonnier   et   Flahault.      Observations   sur  les  modifications    des  ve*gdtaux 

suivant  les  conditions  physiques  du  milieu.    Ann.  des  sciences  naturelles. 

Bot.     VIe  sene.     Tome  VII.     1879. 
Curtel,    G.     Recherches  physiologiques  sur  la  transpiration  et  l'assimilation 

pendant  les  nuits  norvegiennes.    Revue  ge'ne'rale  de  botanique.   Tome  IL 

1890. 
Kj  eil  mann,   F.  K.     Aus   dem  Leben  der  Polarpflanzen.     In  Nordenskjöld, 

Studien  und  Forschungen  veranlasst  durch  meine  Reise  im  hohen  Norden. 

Leipzig.     1885. 
Schübeier,  C.     I.  Die  Pflanzenwelt  Norwegens.     Kristiania  1875. 
—  II.  Nature   1891. 


IV.  Die  Luft. 

1,  Der  Luftdruck,  Wachsthum  bei  vermindertem  und  erhöhtem  Luftdruck.  Versuche 
Wieler's  und  Jaccard's.  Der  Luftdruck  im  Hochgebirge.  2.  Die  Luft  in  den  Gewässern. 
Löslichkeit,  Zusammensetzung  und  Diffusion  der  Luft  im  Wasser.  Vorrichtungen  zu  Auf- 
nahme und  Transport  des  Sauerstoffs  bei  Wasserpflanzen.  Aerenchym  und  andere  Durch- 
lüftungsgewebe. Pneumatophoren.  Versuche  G.  Karsten's  und  GreshoflPs.  3.  Der  Wind. 
§  I.  Wind  und  Baumwuchs.  Mechanische  Wirkungen.  Trocknende  Wirkungen.  Grosse 
Schädlichkeit  der  letzteren  für  den  Baumwuchs.  §  2.  Der  Wind  und  die  Reproduc- 
tion.  Anemophile  Blätter.  Ihre  Häufigkeit  an  windigen  Standorten.  Anemophile  Aus- 
säungsvorrichtungen.  Vorkommen  der  letzteren.  Bedeutung  für  Verbreitung  auf  weite  Ent- 
fernungen.    Beobachtungen  Treub's  auf  Krakataua. 

Nicht  die  endlos  mannigfachen  Beziehungen  der  Vegetation  zur 
Atmosphäre  sollen  in  diesem  Kapitel  behandelt  werden,  sondern  nur 
einige  Erscheinungen,  welche  zur  ökologischen  Charakteristik  bestimmter 
Pflanzenformationen  gehören  oder  mit  der  Verbreitung  der  Arten  zu- 
sammenhängen. 

1.  Der  Luftdruck. 

Wie  Wieler  und  Jaccard  nachgewiesen  haben,  entspricht  der  Druck 
der  Atmosphäre  innerhalb  der  von  Organismen  bewohnten  Schicht  der 
letztern  keineswegs  dem  absoluten  Optimum  des  Pflanzenwachsthums. 
Vielmehr  bedingt  eine  Abnahme  der  Partiärpressung  des 
Sauerstoffs  —  denn  nur  die  letztere  und  nicht  der  Gesammtdruck 
kommt  dabei  in  Betracht  —  eine  Beschleunigung  des  Wachsthums,  bis 
eine  für  jede  Art  constante  niedere  Druckhöhe,  nach  deren  Ueber- 
schreitung  wiederum  Verlangsamung  eintritt,  erreicht  wird.  So  ent- 
spricht das  absolute  Luftdruckoptimum  des  Wachsthums  bei  Helianthus 
annuus  einem  Druck  von  ca.  ioo  mm,  bei  Vicia  Faba  aber  einem  solchen 
von  ungefähr  200  mm.  Zunahme  des  Luftdrucks  über  760  mm 
(bezw.  der  entsprechenden  Säuerst offspannung)  bedingt  bis  ca.  21/*  At- 
mosphären Verlangsamung,  dann  aber  Beschleunigung  des  Wachsthums, 
sodass  das  letztere  zwei  absolute  Optima  des  Luftdrucks  besitzt,  welche 


i.  Der  Luftdruck.  79 

beide  in  bedeutendem  Abstände  der  in  der  bewohnten  Luftzone 
herrschenden  Druckverhältnisse  sich  befinden,  das  eine  bei  viel  nie- 
drigerer, das  andere  bei  viel  höherer  Sauerstoffspannung. 

Nach  Jaccard  bedingt  Abnahme  der  Sauerstoffspannung  nicht  bloss 
rascheres  Wachsthum,  sondern  ausserdem  reichere  Verzweigung  der 
Axen  und  Wurzeln,  sowie  Grösserwerden  der  Blätter. 

Wie  beträchtlich  die  Förderung  des  Wachsthums  durch  Verdün- 
nung der  Luft  ist,  geht  aus  folgender  Tabelle  Jaccard's  hervor,  in 
welcher  R  Wachsthum  in  Luft  von  15  cm  Druck,  O  solches  bei  nor- 
malem Luftdruck  bedeutet: 

R.        o. 

1.  Topinambur.   Knollen  mit  1  cm  langen  Trieben,  in  8  Tagen    40  cm  4.5  cm 

2.  Vicia  Faba,  3 — 4  cm  hoch,  in  8  Tagen 22  cm  0.8  cm 

3.  Oxalis  crenata,  Knollen  mit  2  hohen  Trieben      .     .     .     .    35  cm  3.5  cm 

4.  Bellis  perennis,  3 — 4  cm  hohe  Pflänzchen,  in  15  Tagen  .     10  cm  6      cm 

5.  Veilchen,  3  cm  hohe  Pflänzchen  in  15  Tagen     ....       8  cm  6      cm 

6.  Küchenzwiebel,  mit  3 — 3'/^  cm  hohen  Trieben  in  10  Tagen    16  cm  6      cm 

Schwächere  Verdünnungen  üben  entsprechend  geringere  Wirkungen 
aus  und  wurden  trotz  ihrer  grösseren  Bedeutung  für  das  Pflanzenleben 
in  der  Natur,  durch  Wieler  und  Jaccard,  kaum  oder  gar  nicht  berück- 
sichtigt. Nur  in  einem  Versuche  des  letztgenannten  Forschers  mit 
Weizenkeimlingen  kam  ein  Druck  von  35  cm  zur  Anwendung.  Die 
Versuchspflanzen  erreichten  in  23  Tagen  eine  Länge  von  20  cm  anstatt 
17^2  cm  bei  gewöhnlichem  Luftdruck. 

So  starke  Luftverdünnungen  wie  in  den  meisten  Versuchen  Wieler's 
und  Jaccard's  zeigen  sich  in  der  Natur  nur  auf  den  höchsten  Gipfeln 
des  Himalaya,  z.  B.  auf  dem  8839  m  hohen  Gaurisankar,  wo,  die  Luft- 
temperatur am  Meeresniveau  gleich  25 °  C.  gestellt,  ein  Druck  von 
26  cm  herrscht.  Der  Luftdruck  von  35  cm,  bei  welchem  der  oben 
erwähnte  Versuch  mit  Weizenkeimlingen  angestellt  wurde,  entspricht 
ungefähr  dem  Niveau  von  6000  m,  wo  im  Tibet  noch  eine  stattliche 
phanerogamische  Pflanze,  die  im  Abschnitt  über  die  Höhenvegetation 
besprochene  und  abgebildete  Saussurea  tridactyla,  ihren  normalen 
Standort  hat.  Es  erscheint  demnach  keineswegs  ausgeschlossen,  dass 
einiger  Pflanzenwuchs,  wenn  auch  nur  kryptogamischer,  noch  beträcht- 
lich höher  vorhanden  sei.  Auf  jeden  Fall  jedoch  sind  die  Pflanzen,  die  in 
solcher  Höhe  vorkommen,  dass  ihr  Wachsthum  in  Folge  des  geringeren 
Luftdrucks  eine  merkliche  Beschleunigung  gegenüber  dem  Tieflande 
erfahren  würde,  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  zu  urtheilen,  sehr 
wenig  zahlreich.  Eine  definitive  Beantwortung  der  Frage  ist  übrigens 
erst  von  Versuchen  mit  typischen  Höhenpflanzen  zu  erwarten. 

Wenn  auch  nicht  direkt,  so  haben  doch  indirekt  die  Unterschiede 
des  Luftdrucks  in  verschiedener  Höhe  hervorragende  pflanzenphysiolo- 


8o  IV.    Die  Luft. 

gische  Bedeutung,  indem  Feuchtigkeit,  Wärme  und  Licht  von  dessen 
Grösse  abhängig  sind.  Die  Modificationen ,  welche  die  letztgenannten 
Factoren  in  Folge  der  Abnahme  des  Luftdrucks  erleiden,  bedingen 
die  an  späterer  Stelle  zu  besprechenden  Einflüsse  des  Höhenklimas  auf 
die  Vegetation. 

2.  Die  Luft  in  den  Gewässern. 

Die  im  Wasser  gelöste  Luft  ist  procentig  reicher  an  Sauerstoff  und 
viel  reicher  an  Kohlensäure  als  diejenige  der  Atmosphäre.  Dennoch 
ist  die  der  Pflanze  zur  Verfugung  stehende  Sauerstoffmenge  in  ersterem 
geringer  als  in  letzterem.  Nach  Forel  enthält  ein  Liter  Wasser  an  der 
Oberfläche  des  Genfer  Sees: 


0 

N 

CO2 

bei     5°  C 

73  cc 

13.6  cc 

0.6  cc 

bei  2o°C 

5-7    „ 

10.7    „ 

0.3  ,1 

Da  die  Luft  im  Wasser  nur  sehr  langsam  diffundirt,  so  kann  bei 
fehlender  Bewegung  Sauerstoffmangel  leicht  eintreten.  Die  Pflanzen  stiller 
Gewässer  sind  dementsprechend  mit  Vorrichtungen  zur  möglichsten  Aus- 
nutzung der  erreichbaren  Sauerstoffmengen,  und  zwar  sowohl  der  im 
Wasser  gelösten  als  der  bei  der  Kohlensäureassimilation  gebildeten, 
ausgerüstet,  während  diejenigen  stark  bewegter  Gewässer,  wo  die 
Durchlüftung  eine  viel  ausgiebigere  ist,  derartige  Anpassungen  nur  in 
geringerem  Grade  aufweisen.  # 

Die  im  Verhältniss  zur  Masse  beträchtliche  Grösse  der  Oberfläche 
der  Wasserpflanzen  hängt  offenbar  in  erster  Linie  mit  den  Bedürfnissen 
der  Sauerstoffaufnahme  zusammen.  Einen  interessanten  Beleg  zu  Gunsten 
dieser  Anschauung  lernte  ich  durch  meinen  Collegen  und  Freund  Noll 
kennen.  Derselbe  cultivirte  Caulerpa  prolifera  im  stillen  Wasser  eines 
Aquariums  und  erhielt  auf  diese  Weise  vollkommen  gesunde,  aber 
höchst  eigenartig  modificirte  Pflanzen  (Fig.  43).  Die  sogenannten 
Blätter,  die  unter  normalen  Bedingungen  bekanntlich  zungenformig  und 
ganzrandig  sind,  lösen  sich  bei  solchen  Aquariumexemplaren  in  zahl- 
reiche dünne  Zipfel  auf,  wodurch  natürlich  eine  beträchtliche  Vergrösse- 
rung  der  Oberfläche  stattfindet.  Der  Unterschied  erinnert  ganz  auffal- 
lend an  den  zwischen  Wasserblättern  und  Luftblättern  vieler  Wasser- 
pflanzen existirenden. 

Die  ungünstigen  Bedingungen  der  Sauerstoffzufuhr  führten  bei  den 
Wasserpflanzen  zu  einer  beträchtlichen  Weiterentwickelung  der  bereits 
bei  den  festländischen  Ancestralformen  vorhanden  gewesenen  Luft- 
gänge. Letztere  stellen  bei  den  Wasserpflanzen  geräumige  Röhren 
dar    (Fig.  44) ,   welche   den   von   den   assimilirenden  Zellen    gebildeten 


2.   Die  Luft  in  den  Gewässern. 


81 


Sauerstoff   den  Verbrauchsorten,    d.    h.   den   nicht   grünen   athmenden 
Theilen  zuführen. l) 

Holzgewächse,  deren  Wurzeln  und  Stammbasen  sich  in  stagniren- 
dem  und  daher  schlecht  durchlüftetem  Wasser  befinden,  sind  mit  Vor- 
richtungen zur  Sauerstoffaufnahme  aus  der  Atmo- 
sphäre versehen.  So  ist  der  Stamm  mancher  sumpf- 
bewohnenden Bäume  an  seiner  Basis  stark  ange- 
schwollen und  in  Folge  des  Auseinanderreissens  der 
Gewebe,  in  der  Mitte  hohl ;  die  Höhlung  stellt  einen 
Luftspeicher  dar,  welcher  durch  Lenticellen  und  Inter- 
cellularen  mit  der  Atmosphäre  zusammenhängt.  In 
der  Regel  jedoch  stehen  bestimmte  Gewebe  oder 
sogar  ganze  Glieder  in  dem  Dienst  der  Sauerstoff- 
zufiihr  und  zeigen  eine  entsprechende  Organisation. 

Besonders   verbreitet   ist    bei   den   Holzpflanzen 
des   nassen  Bodens    das   zuerst  von  Schenck   genau 
geschilderte   und   in   seiner  Function    klar   erkannte 
Aerenchym*),   eine  dem   Kork   homologe,    aber 
von  demselben  histologisch  und  ökologisch  durchaus 
abweichende   Gewebeart.     Dasselbe   umhüllt   die   in 
nassem  Boden  steckenden  holzigen  Stammtheile  und 
Wurzeln  vieler  Pflanzen  mit  einem  mächtigen,  schwam- 
migen, rissigen  Mantel  (Fig.  45),  welcher,  anstatt   des   ganz  fehlenden 
Korks,    vom   Phellogen   begrenzt   wird.     Solches   Aerenchym   (Fig.  46) 
besteht    aus   locker    verbundenen,    zartwandigen ,    völlig   unverkorkten 
Zellen,  zwischen  welchen  breite  Inter- 
cellulargänge    ein  continuirliches    und 
reich  verzweigtes  Durchlüftungssystem 
bilden.     Die  Mündungen   der    Canäle 

grenzen  zwar  in  den  zahlreichen  Rissen         £ty    \  \       /         \\l 

direkt  an  das  Wasser,  doch  dringt  das 
letztere  in  dieselben  nicht  ein.  Das 
Aerenchym  ist  nicht  auf  die  benetzten 
Theile  beschränkt,  sondern  erstreckt 
sich  etwas  über  die  Wasseroberfläche 
hinaus.  Doch  nimmt  es  in  der  Luft 
nach  aufwärts  schnell  an  Dicke  ab 
und  geht  in  gewöhnlichen  Kork  über. 
Zuweilen   ist  die  Bildung  des  Aeren-     Fig   44     Elatine  AIsinastrum<     Stamm. 

chyms   auf  die  Lenticellen  beschränkt,       querschnitt.     Vergr.     Nach   H.    Schenck, 


Fig.  43-  Caulerpa  pro- 
lifera     im    Aquarium, 
mit    Auswüchsen   ver- 
sehen.    Nat.  Gr. 


l)  VgL  z.  B.  Schenck  I,  Göbel  II.     Bd.  2.     Wasserpflanzen. 
*)  Schenck  II. 
S  c  h  i  m  p  e  r ,  Pflanzengeographie. 


82 


IV.    Die  Luft. 


Fig.  45.  Querschnitt  durch 
den  Stengel  von  Caperonia 
heteropetaloides  Müller  Arg. 
mit  Aerenchymhülle.  Nat.  Gr. 
Nach  H.  Schenck. 


aus  welchen  es  blumenkohlartig  hervorquillt,  während  das  übrige  Phel- 
logen  auch  unter  Wasser  typischen  Kork  erzeugt. 

Die  Durchlüftungsgewebe  der  Holzpflanzen  sind  nicht  immer  phel- 
logenen  Ursprungs.  In  manchen  Fällen  übernimmt  die  mächtig  ent- 
wickelte und  von  breiten  Luftcanälen  durchzogene  primäre  Rinde  den 
Transport  des  Sauerstoffs,  welcher  theils  durch  grosse  Lenticellen  aus  der 

Atmosphäre,  theils  aus  dem  Wasser  entnommen 
wird  (Rhizophora,  Bruguiera,  Avicennia  etc.). 
Seltener  befinden  sich  die  Luftcanäle  vornehm- 
lich in  der  secundären  Rinde  (Laguncularia)  *). 
Endlich  ist  bei  verschiedenen  Leguminosen  das 
Holz  als  Luftgewebe  entwickelt  und  besteht 
aus  dünnwandigen,  luftfuhrenden ,  an  Grösse 
und  Gestalt  den  Cambiumzellen  ähnlichen  Tra- 
che'iden,  welche  durch  offene  Poren  mit  ein- 
ander communiciren.  Solches  Luftholz  bedingt 
durch  massige  Entwicklung  starke  Anschwel- 
lung der  Stammbasen. 
In  vielen  Fällen  sind  gewisse  Seitenwurzeln  als  Sauerstoff- 
pumpen ausgebildet  und  dieser  Function  entsprechend  von  anderen 
Wurzeln  abweichend  gebaut.    Derartige  Athmungswurzeln  oder  Pneu- 

matophoren  (Jost) zeigen  sich  z. B.  bei 
den  in  seichten  Gewässern  der  wärmeren 
Zonen  häufigen  Sträuchern  und  Halb- 
sträuchern  der  Gattung  Jussiaea,  wo  sie 
von  Schenck  näher  untersucht  wurden 
(Fig.  47).  Diese  Gewächse  bewohnen 
seichte,  ruhige  Stellen  der  Gewässer 
und  entwickeln  aus  ihren  im  Schlamm 
kriechenden  Rhizomen  theils  positiv 
geotropische,  normale  in  den  Boden  drin- 
gende Nebenwurzeln,  theils  anscheinend 
nicht  geotropische  schwammige  Ath- 
mungswurzeln,  die  in  Folge  ihres  Luft- 
gehalts aufrecht  im  Wasser  stehen  und 
ihr  Längenwachsthum  bei  Erreichung  der 
Oberfläche  abschliessen.  Die  Athmungswurzeln  sind  im  Gegensatz  zu 
den  Bodenwurzeln  meist  einfach,  seltener  corallenartig  verzweigt  und 
von  einem  mächtigen,  schneeweissen  Aerenchymmantel  umhüllt. 

Derartige   als  Pneumatophoren  wirkende  Seitenwurzeln  zeigen  sich 


Fig.  46.  Caperonia  heteropetaloides 
Müller  Arg.  Aerenchym  des  Stammes, 
quer.    Vergr.  96.     Nach  H.  Schenck. 


*)  Vgl.  z.  B.  Schenck  HI,  Schimper,  Karsten, 
u.  Göbel  II,  Bd.  2,  S.  263. 


-)  Schenck  m.     3)  de  Bary,    S.    514 


2.  Die  Luft  in  den  Gewässern. 


83 


in  mannigfacher  Ausbildung  noch  bei  vielen  anderen  Gewächsen.  Sie 
sind  nicht  immer  untergetaucht,  sondern  ragen  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle,  wenigstens  zeitweise,  in  die  Luft  hinein  und  besitzen  dann 
entsprechend  andere  Eigenschaften  als  unter  dem  Wasser  wachsende. 
Die  Structur  solcher  emporragender  Athmungswurzeln  ist  fest,  ihr  Durch- 
lüftungsgewebe ist  nicht  Aerenchym,  sondern  luftfiihrendes  Kork-  oder 
Rindengewebe  und  ihr  aufrechter  Wuchs  ist  nicht  passiv,  sondern 
activ  und  durch  negativen  Geotropismus  bedingt.  Derartige  Pneumato- 
phoren  stellen  häufig  sehr  stattliche  Gebilde  dar,  wie  diejenigen  von 
Eugeissona  tristis,  einer  auf  nassem  Boden  wachsenden  Palme ,    wo  sie 


Fig.  47.     Jussiaea   peruviana   L.      Mit   Pneumatophoren   (aw)   unter   dem   Wasserniveau   sp. 
Va  nat.  Gr.     Nach  H.  Schenck. 


i!/2  m  Höhe  und  3  bis  5  cm  Dicke  erreichen,  wie  die  eigenartigen 
„Kniewurzeln4 *  der  Sumpfcypresse ,  Taxodium  distichum  (Fig.  48),  die 
in  Grösse  und  Gestalt  von  Zuckerhüten  aus  dem  oft  überschwemmten 
Boden  südlich  -  nordamerikanischer  Sümpfe  hervorragen,  oder  die  in 
mannigfacher  Weise  modificirten  Wurzelbildungen  der  Sträucher  und 
Bäume  der  Mangrove,  welche  in  einem  späteren  Capitel,  im  Zusammen- 
hang mit  der  eben  erwähnten  tropischen  Formation,  geschildert  wer- 
den sollen. 

Die  ökologische  Bedeutung  der  Durchlüftungsgewebe  und  Pneuma- 
tophoren ist  bis  jetzt  vornehmlich  aus  morphologischen  Merkmalen 
gefolgert     worden     und     wäre     daher     hypothetisch     geblieben,    wenn 

6* 


84  IV.    Die  Luft. 

G.  Karsten  und  Greshoff  sie  nicht  für  einen  Fall,  nämlich  für  die  Pneu- 
matophoren  von  Bruguiera  eriopetala,  im  Botanischen  Garten  zu  Buiten- 
zorg  nachgewiesen  hätten.  Es  ergab  sich  für  den  untersuchten  Pneu- 
matophor  eine  „überaus  grosse  Arbeitsleistung",  nämlich  eine  sehr 
starke  Ausscheidung  von  Kohlensäure  (einmal  über  45  cm  in  einer 
Stunde),  welche,  wie  der  Vergleich  mit  der  Athmung  des  ganzen 
Wurzelsystems  einer  jungen  Pflanze  zeigte,  ganz  unverständlich  sein 
würde,  „wenn  man  das  erhaltene  Resultat  nur  auf  die  Thätigkeit  des 
zu  Tage  liegenden  Stücks  Wurzel  beziehen  wollte".  Nur  die  Annahme, 
dass  die  untersuchte  Wurzel  als  Austrittsstelle  für  einen  grösseren  Theil 
des  Wurzelsystems  dient,  macht  die  hohen  Zahlen  verständlich. 


3.  Der  Wind. 

Die  Vegetation  windiger  Gegenden  zeigt  manche  Eigentümlich- 
keiten, die  theils  als  unmittelbare  Windwirkungen,  theils  als  Anpas- 
sungen an  solche  aufzufassen  sind.  Derartige  Einflüsse  der  Luftbewe- 
gungen treten  sowohl  in  der  vegetativen  wie  in  der  reproduktiven 
Sphäre  zum  Vorschein. 

§  1.  Wind  und  Baumwuchs.  Landschaften  mit  beinahe  constant 
stark  bewegter  Atmosphäre,  wie  flache  Küsten  und  Inseln,  welche  den 
ersten  Anprall  des  Seewindes  erhalten,  oder  hochgelegene  freie  Stellen 
der  Gebirge,  sind  im  Allgemeinen  durch  abnormen  Baumwuchs,  wenn 
solcher  überhaupt  vorhanden,  charakterisirt,  während  die  niedrige  Vege- 
tation einen  Einfluss  des  Windes  nur  wenig  oder  gar  nicht  zeigt. 
Der  Unterschied  zwischen  baumartigem  und  niedrigem 
strauch-krautartigem  Wuchs  in  Bezug  auf  die  Wind- 
wirkungen ist  durch  die  Zunahme  der  Luftbewegung  mit 
steigender  Entfernung  vom  Boden  bedingt. 

Nach  den  Messungen  Stevenson's  in  Edinburgh  zeigen  die  Ge- 
schwindigkeiten des  Windes  folgende  Unterschiede  mit  zunehmender 
Höhe1): 


Höhe  in ' 

Geschwindigkeit 

t  in  engl. 

Meilen 

I. 

IL 

III. 

% 

6.9 

9.2 

22.2 

4 

9.8 

12.4 

25.6 

9 

10. 1 

13.8 

316 

14 

io-5 

14.3 

33-7 

25 

n-3 

J5 

37.1 

51 

12. 1 

16.3 

42.7 

Van  Bebber.     S.   152  u.  f. 


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3.  Der  Wind. 


85 


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Fig.   49*     Bananen  (Musa  sapientum).     Ceylon.     Im  Vordergrunde:    Manihot  utilissima. 

Nach  einer  Photographie. 


86  IV.   Die  Luft. 

Es  ist  auf  Grund  der  vorstehenden  Tabelle  wohl  begreiflich,  dass 
nur  wenig  über  den  Boden  sich  erhebende  Gewächse  die  Wirkungen 
der  Winde  weit  weniger  spüren,  als  hochwachsende,  also  in  erster 
Linie  als  Bäume. 

Der  Wind  wirkt  auf  dieGewächse  theils  direkt  durch 
Zug  und  Druck,  theils  indirekt,  durch  Beschleunigung 
der    Transpiration,    und    diese    Wirkungen    sind    um    so 


Fig.  50.     Links  Prunus  spinosa,    rechts  Crataegus  oxyacantha,    durch    den  Einfluss  des  See- 
windes  verbogen   und   einseitig  verzweigt.     Nordküste  von  Seeland,  Dänemark.     Nach  einer 
Photographie  von  Herrn  Prof.  Dr.  Warnring. 

stärker,    als    die    Pflanze    höheren    Wuchs    besitzt    oder 
sich   an   höherem   Standorte   befindet. 

Die  direkte  Beeinflussung  des  Pflanzenwuchses  durch  die  Winde 
zeigt  sich  meist  nur  da  in  augenfälliger  Weise,  wo  letztere  constant 
und  in  bedeutender  Stärke  wehen.  Es  ist  an  solchen  Standorten  eine 
gewöhnliche  Erscheinung,  dass  Stämme  und  Aeste  der  Bäume  durch 
die  herrschenden  Winde  von  ihrer  normalen  Wachsthumsrichtung  ab- 
gelenkt werden,  um  der  Windrichtung  zu  folgen  (Fig.  50).  Dass  solche 
Bäume  auch  direkte  Beschädigung  erleiden,  wie  Astbrüche,  Zerfetzen 
der  Blätter  u.  s.  w.,  ist  selbstverständlich.  Das  Zerfetzen  der  Blätter 
baumartiger    oder   hoher   Gewächse    und    hochgewachsener   Kräuter    in 


3.    Der  Wind. 


87 


Folge  von  Luftbewegungen  kann  jedoch  auch  als  ganz  normale  nutz- 
bringende Erscheinung  auftreten,  wie  bei  der  Banane  (Fig.  49)  und 
einigen  anderen  Pflanzen,  deren  riesige  Blätter  in  der  Jugend  ganz- 
randig  sind  und  es  an  windstillen  Orten  auch  bleiben,  an  mehr  offenen 
Stellen  dagegen  stets  zerfetzt  sind.  Die  Functionen  der  Blätter 
werden  dadurch  in  keiner  Weise  beeinträchtigt;  die  letzteren  kommen 
vielmehr  durch  die  grössere  Beweglichkeit  der  Segmente  mit  reich- 
licheren Luftmengen  in  Berührung  und  erfahren  eine  entsprechende 
Förderung  ihres  Gasaustauschs. 

Erhebliche   mechanische   Beschädigungen   durch   besonders   starke 
Stürme    sind    häufiger    in    gewöhnlich   windstillen    als    in    gewöhnlich 


Baümt]rUfppe*i^  £tm  Waldchrn  auf  <UrJn«l  Sylt 


Fig.  51.     Einfluss  des  Windes  auf  den  Baumwuchs:  Vertrocknete  Aeste.     Nach  Borggreve. 


windigen  Gegenden,  theils  weil  die  in  letzterem  Falle  von  Stamm  und 
Zweigen  angenommene  Wuchsart  einen  Schutz  bedingt,  theils  weil 
ein  continuirlicher  Zug,  wie  Hegeler  zeigte,  Zunahme  der 
Festigkeit  und  der  mechanischen  Gewebe  bedingt. 

Die  mechanischen  Wirkungen  des  Windes  sind  keineswegs  die 
für  die  Oekologie  hochwachsender,  namentlich  baumartiger  Gewächse 
am  meisten  in  Betracht  kommenden.  Sie  zeigen  sich  in  ausgeprägter 
Weise  meist  nur  da,  wo  sehr  starke  und  continuirliche  Luft- 
strömungen herrschen  und  bewirken  auch  in  solchen  Fällen  vor- 
nehmlich unschädliche  Abweichungen  von  der  normalen  Gestalt. 
Durch  die  mechanischen  Wirkungen  des  Windes  kann  der  vernich- 
tende Einfluss,   welcher  den  Baumwuchs    in    gewissen   Gegenden    ganz 


88  IV.   Die  Luft. 

ausschliesst1)  und  sich  vornehmlich  im  Winter  geltend  macht,  nicht  erklärt 
werden.  Der  Wind  muss  vielmehr,  wie  Focke  es  zuerst  aussprach, 
eine  direkt  tödtende  Eigenschaft  besitzen.  Davon  zeugen  „die  zahl- 
reichen, kurz  und  starr  aufstrebenden  Aeste,  die  in  exponirten  Lagen 
an  der  Oberseite  der  Sträucher  und  an  den  Baumkronen  und  zwar 
hauptsächlich  an  deren  Windseite  zu  sehen  sind,  ohne  jedoch  Spuren 
äusserer  Beschädigung  erkennen  zu  lassen."2)    (Fig.  51.) 

Die  direkt  tödtende  Wirkung  wird,  wie  namentlich  Kihlman  zeigte, 
durch  übermässige  Förderung  der  Transpiration  durch  den  Wind  ver- 
ursacht. Weht  der  Wind  gar  während  des  Frostwetters,  also  zu  einer 
Zeit,  wo  ein  Ersatz  des  Wasserverlustes  durch  Zufuhr  aus  dem  Boden 
und  dem  Stamm  unmöglich  ist,  so  wird  die  Wirkung  leicht  eine  ver- 
heerende. Frostschäden  sind,  wie  bereits  früher  gezeigt  wurde,3) 
meist  nicht  auf  die  Temperatur  an  sich,  sondern  auf  Austrocknung 
während  des  Frostes  zurückzuführen. 

Verdunstung  ist  allerdings  ganz  allgemein  schwächer  bei  tiefer  als 
bei  hoher  Temperatur,  doch  kommt  trockenen,  kalten  Winden  eine 
auffallend  grosse  wasserentziehende  Kraft  zu.  Ein  drastisches  Beispiel 
wird  von  Middendorff  erwähnt,  der  einen  gewaschenen,  steifgefrorenen 
Lederhandschuh  ausserhalb  des  Zeltes  bei  windigem  Frostwetter  aufhing 
und  nach  einer  Stunde  völlig  ausgetrocknet  fand. 

Die  trocknenden  Wirkungen  des  Windes  und  ihre  resultirenden 
Folgen  sind,  wie  in  einem  späteren  Kapitel4)  gezeigt  werden  soll,  von 
grosser  geographischer  Bedeutung,  indem  sie  die  Grenze  des  Baum- 
wuchses polwärts  und  in  vertikaler  Richtung  bedingen. 

§  2.  Der  Wind  und  die  Reproduktion.  Die  Flora  offener,  windiger 
Landschaften  zeigt  nicht  minder  als  in  den  vegetativen,  auch  in  den 
reproduktiven  Funktionen  den  Einfluss  der  Luftbewegungen.  Wind- 
blüthigkeit,  d.  h.  Anpassung  an  Bestäubung  durch  den  Wind  ist  an 
offenen  Standorten,  wo  die  Luft  bewegt  zu  sein  pflegt,  weit  häufiger 
als  im  windstillen  Innern  der  Wälder.  Die  Hauptmasse,  wenn  auch 
nicht  der  Artenzahl  nach,  der  Grasflur-  und  Sumpfgewächse  sind  Wind- 
blüthler,  wie  Gräser,  Seggen,  Binsen,  Arten  von  Plantago,  Sanguisorba, 
Thalictrum  etc.  Auch  hohe  Bäume  sind  in  vielen  Fällen  auf  Wind- 
bestäubung angewiesen,  wie  die  Coniferen  und  die  meisten  Amentaceen. 
Hingegen  sind  die  Sträucher  und  Kräuter  des  Waldes  vornehmlich 
Insektenblütler.  Am  klarsten  jedoch  wurde  der  Zusammenhang 
zwischen  Wind  und  Windblüthigkeit  für  die  Küsteninseln  der  Nordsee 


J)  So  sagt  z.  B.  Borggreve:  „Vielfach  hört  man  z.  B.  die  Behauptung  aufstellen,  dass 
eine  Bewaldung  der  schleswigschen  Westküsten  und  Inseln  durchaus  unmöglich  sei/4  (S.  251.) 
9)  Kihlman  S.  68. 

•)  S.  45. 

4)  Zweiter  Theil.     I.  Die  Formationen. 


3.   Der  Wind.  89 

nachgewiesen,  z.  B.  auf  Spiekeroog,  wo  W.  J.  Behrens  im  Mai  ein 
Drittel  der  blühenden  Arten  mit  anemophilen  Ausrüstungen  versehen 
fand.  Dieselben  zeigten  sich  namentlich  in  der  Nähe  des  Wattlands, 
wo  die  Winde  heftig  wehen,  während  die  insektenblüthigen  Arten, 
zusammen  mit  ihren  Bestäubern,  die  ruhigen  Standorte  bewohnten. 
Im  Kapitel  V  (Die  Thiere)  sind  die  Beziehungen  zwischen  insularen 
Standorten  und  Bestäubungsart  des  näheren  besprochen. 

Deutlicher  noch  als  bei  der  Bestäubung  zeigt  sich  bei  den  Aus- 
säungsvorrichtungen  ein  Zusammenhang  mit  dem  gewöhnlichen 
Grade  der  Luftbewegung  des  Standorts.  Anemophile  Anpassungen 
der  Samen  oder  der  die  letzteren  einschliessenden  Früchte,  wie  winzige 
Grösse,  geringes  specifisches  Gewicht,  Flügel-  und  Haaranhänge  zeigen 
sich  vornehmlich  in  weiten  ebenen  Grasfluren  (Steppen,  Savannen),  in 
Wüsten,  in  offenen  Sümpfen,  an  den  offenen  Standorten  hoher  Gebirge. 
Da  wird  man  in  der  Regel  vergeblich  nach  Beeren  suchen.  Vor- 
richtungen für  den  Transport  durch  Thiere  fehlen  zwar  nicht;  sie 
weisen  aber  nicht  auf  beerenfressende  Vögel  hin,  sondern  auf  die 
fressenden  Vierfüssler,  in  Sümpfen  auch  auf  die  thierische  Nahrung 
suchenden  Sumpfvögel,  an  welche  solche  Samen  äusserlich  hängen 
bleiben.  Dagegen  sind  unter  den  Sträuchern  und  Kräutern  der  Wälder 
und  Büsche  die  Beerenfrüchte  und  andere  Anpassungen  an  die  Thiere 
des  Waldes  gewöhnliche  Erscheinungen.  Hohe  Bäume  und  Lianen 
sind  wiederum  oft  mit  anemophilen  Aussäungsvorrichtungen  versehen, 
und  sogar  manche  der  im  Waldinnern  wachsenden  Epiphyten  zeigen 
ähnliches  Verhalten.  Die  Samen  oder  Sporen  der  letzteren  sind  jedoch 
so  klein  und  leicht,  dass  die  im  Walde  herrschenden  schwachen  vertikalen 
Strömungen  genügen,  um  dieselben  in  durchaus  zweckentsprechender 
Weise  längs  der  Stämme  und  Aeste  fortzubewegen,  bis  sie  in  Folge 
ihrer  Klebrigkeit  an  der  Rinde  hängen  bleiben  oder  sich  in  Spalten  der 
Weiterbewegung  entziehen. 

Von  der  Regel,  dass  an  sehr  windigen  Standorten  anemophile 
Aussäungsvorrichtungen  überwiegen,  bilden  die  Küsten  eine  Ausnahme. 
Das  Meer  ist  der  Vehikel  der  Samen  der  meisten  Strandhalophyten. 
Pflanzenarten,  deren  Samen  durch  den  Wind  leicht  fortbewegt  werden, 
aber  im  Meere  sinken,  würden  sich  auf  dem  Strande  schwer  behaupten 
können,  indem  ihre  Samen  bald  landeinwärts,  wo  Halophyten  sich  nicht 
behaupten  können,  bald  in  das  Meer,  wo  nur  Schwimmvorrichtungen 
vom  Untergang  retten,  fortgeweht  werden  würden.  Schwächere  Luft- 
bewegungen, welche  für  den  Transport  des  Pollens  genügen,  kommen 
den  Samen  weniger  zu  Gute,  um  so  mehr,  als  der  glatte  lose  Sand 
die  auf  den  Boden  gefallenen  anemophilen  Samen  nicht  festhält,  sondern 
dem  Spiele  des  Windes  überlässt. 

Die    pflanzengeographisch  wichtigste  der  an  die  anemophilen  Aus- 


90  IV.    Die  Luft. 

säungsvorrichtungen  sich  knüpfenden  Fragen,  diejenige  ihrer  Leistungs- 
fähigkeit, ist  für  grössere  Entfernungen  noch  nicht  endgültig  ge- 
löst worden.  A.  de  Candolle  und  Kerner  schätzen  sie,  wenigstens 
für  die  Phanerogamen ,  sehr  niedrig.  Die  Samen  der  letzteren  sollen 
durch  den  Wind  nur  auf  kurze  Entfernungen  fortgetragen  werden 
können,  während  der  erstgenannte  Forscher  für  die  Sporen  der  Kryp- 
togamen  die  Möglichkeit  eines  weiteren  Transports  zugiebt.  Danach 
wäre  die  Verbreitung  der  Samen  durch  den  Wind  zunächst  nur  eine 
lokale  Erscheinung  und  würde  erst  durch  ihre  häufige  Wiederholung 
im  Laufe  der  Generationen  geographische  Bedeutung  erlangen.  Zu 
Gunsten  dieser  Ansicht  lässt  sich  allerdings  der  Umstand  geltend  machen, 
dass  der  Transport  von  Samen  und  Sporen  durch  den  Wind  über  weite 
Wasserflächen,  z.  B.  nach  oceanischen  Inseln,  trotz  wiederholter  Behaup- 
tungen in  diesem  Sinne,  noch  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen  worden 
ist.  Andererseits  lässt  sich  die  Anwesenheit  verschiedener  Pflanzenarten 
auf  solchen  Inseln  nur  durch  die  Annahme  einer  Vermittelung  des 
Windes  erklären. 

Dass  eine  Verbreitung  von  Samen  durch  den  Wind  über  Meeres- 
arme von  mindestens  20  Seemeilen  Breite  thatsächlich  stattfindet,  wurde 
von  Treub  nachgewiesen,  welcher  im  Inneren  der  in  solcher  Entfernung 
von  Java  befindlichen  Insel  Krakätau,  drei  Jahre  nach  der  Eruption,  die 
dieselbe  mit  einer  mächtigen  Lavaschicht  überströmt  hatte,  elf  Farne, 
zwei  Compositen-  und  zwei  Grasarten  fand,  deren  Sporen,  bezw.  Samen 
nur  durch  die  Vermittelung  des  Windes  dorthin  gelangt  sein  konnten. 

Demnach  sind  es  in  erster  Linie  Farne,  welche  von  den  Nachbar- 
inseln aus  das  verwüstete  Innere  von  Krakätau  wieder  besiedeln;  es 
sind  aber  auch  Farne,  welche  die  Hauptvegetation  recenter  vulkanischer 
Inseln  in  grosser  Entfernung  von  Continenten  bilden,  z.  B.  diejenige 
von  Ascension,  welche  kleine  Insel  beinahe  ganz  von  Farnen  bedeckt 
ist.  Die  durch  Meeresströmungen  verbreiteten  Pflanzen  entbehren  in 
der  Regel  geeigneter  Vorrichtungen,  um  in  das  Innere  zu  gelangen, 
namentlich  wo  das  letztere  bergig  ist  und  weit  fliegende  beerenfressende 
Vögel  kommen,  ausser  durch  seltene  Zufälle,  erst  wenn  Bäume  vor- 
handen sind.  Nur  zwei  phanerogamische  Strandpflanzen  wurden  von 
Treub  auch  im  Innern  nachgewiesen,  Scaevola  Koenigii  und  Tournefortia 
argentea,  deren  Samen  so  klein  und  leicht  sind,  dass  der  Wind  sie 
bis  auf  die  Berge  fortbewegen  konnte.  Durch  Thiere  verbreitete  Pflanzen 
fehlten  damals  noch  ganz. 

Die  Bedeutung  der  anemophilen  Aussäungsvorrichtungen  für  die 
Entstehung  der  Inselflora  ist  durch  Treub's  wichtige  Beobachtungen 
endgültig  nachgewiesen  worden. 


Auswahl  der  Literatur.  Ol 

Auswahl  der  Literatur. 

1.  Der  Luftdruck. 

Jaccard.  De  l'influence  des  variations  de  la  pression  des  gaz  sur  le 
ddveloppement  des  v£g£taux.     Revue  generale  de  botanique.     T.  V. 

W  i  e  1  e  r ,  A.  Die  Beeinflussung  des  Wachsthums  durch  veränderte  Partiärpressung 
des  Sauerstoffs.     Arbeiten  des  botanischen  Instituts  zu  Tübingen.    Bd.  I. 

2.  Die  Luft  in  den  Gewässern. 

de  Bary,  A.     Vergleichende  Anatomie  der  Vegetationsorgane  der  Phanero- 

gamen  und  Farne.     Leipzig   1871. 
Göbel,   K.      Ueber    die   Luftwurzeln    von   Sonneratia.      Ber.   d.    deutschen 

botanischen  Gesellsch.  1886. 

—  Pflanzenbiologische  Schilderungen.     Bd.  I. 

Jost,   Q.      Ein   Beitrag    zur   Kenntniss    der   Athmungsorgane    der   Pflanzen. 

Botan.  Zeit.   1887. 
Karsten,  G.     Die  Mangrove •  Vegetation  im  malayischen  Archipel.     Kassel 

1891. 
Schenck,  H.     I.  Vergleichende  Anatomie  der  submersen  Gewächse.     Kassel 

1886. 

—  IL  Ueber  das  Aerenchym,  ein  dem  Kork  homologes  Gewebe  bei  Sumpf- 

pflanzen.    Pringsheim's  Jahrbücher  für  wissenschaftliche  Botanik.     Bd.  XX. 
1889. 

—  Ueber    die    negativ -geotropischen  Luftwurzeln  von  Avicennia  und  Lagun- 

cularia.     Ber.  d.  deutsch  botan.  Gesellsch. 
Schi mp  er,  A.  F.  W.     Die  indo-malayische  Strandflora.     Jena,  G.  Fischer. 

1891. 
Warming,  E.     Oekologische  Pflanzengeographie.     1897. 
Wilson,  W.  P.     The   production  of  aerating  organs  on  the  roots  of  swamp 

and  other  plants.    Proceedings  of  the  acad.  of  nat.  Sc.   Philadelphia  1889. 

(Ref.  Botan.  Centralblatt  S.  43.     1890). 

3.  Der  Wind. 

Behrens,  W.  J.  1880  in  E.  Low,  loc.  cit  S.  128  (Citat  ohne  Quellen- 
angabe). 

Borggreve,  B.  Ueber  die  Einwirkung  des  Sturms  auf  die  Baumvegetation. 
Abhandl.  des  naturw.  Vereins  zu  Bremen.     1872. 

de  Candolle,  A.     Geographie  botanique  raisonne'e.     Bd.  II.     S.  613. 

Focke,  W.  O.  Untersuchungen  über  die  Vegetation  des  nordwest- deutschen 
Tieflandes.     Abh.  des  naturw.  Ver.  zu  Bremen.     II.     S.  412.     1871. 

Hildebrand,  F.     Die  Verbreitungsmittel  der  Pflanzen.     Leipzig  1873. 

Kern  er,  A.  v.  Pflanzenleben.  1.  A.  B.  II.  S.  785  u.  f.  mit  vielen 
prächtigen  Figuren. 

Kihlman,  A.  O.  Pflanzenbiologische  Studien  aus  Russisch  -  Lappland. 
Helsingfors  1890. 

Loew,  E.  Blüthenbiologische  Floristik  des  mittleren  und  nördlichen  Europa 
sowie  Grönlands.     Stuttgart   1894. 


92  IV.   Die  Luft. 

Ludwig,  F.   Lehrbuch  der  Biologie  der  Pflanzen.   Stuttgart  1895.   S.  301  u.  f. 
Middendorff:    Sibirische  Reise:   Die  Gewächse  Sibiriens.     1864. 
Pfeffer,  W.     R.  Hegler's  Untersuchungen  über  den  Einfluss  von  Zugkräften 

auf  die  Festigkeit  und  die  Ausbildung  mechanischer  Gewebe  in  Pflanzen. 

Ber.   der  Kgl.   sächsischen  Gesellsch.  d.  Wissensch.     Math.-phys.  Klasse. 

7.  Dec.  1891. 
Schrenk,  H.  v.     The   trees   of  St  Louis    as  influenced  by  the  toraado  of 

1896.     Trans.  Acad.  Sei.  of  St.  Louis.     Vol.  VIII.     1898. 
Van   Bebber,   W.   J.     Lehrbuch    der   Meteorologie.     1890.     (Citiert   nach 

Kihlman). 
Warming,  E.     Oekologische  Pflanzengeographie   1897. 


V.  Der  Boden. 

1.  Die  physikalischen  Bodeneigenschaften«  Wassercapacität,  capillare  Wasser- 
leitung, Durchlässigkeit  verschiedener  Bodenarten.  2.  Chemische  Bodeneigenschaften  im 
Allgemeinen.  Wechselbeziehungen  der  physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften. 
Wirkungen  von  Lösungen  auf  die  Wasseraufhahme  durch  die  Pflanze.  Giftigkeit  concentrirter 
Lösungen.  Schutzmittel  der  Pflanzen  gegen  zunehmende  Concentration  der  Salzlösungen  in  den 
Zellen.  Verschiedene  Wirkungen  der  Salze  auf  die  Structur  der  Pflanze.  3.  Das  Chlor- 
natrinm  §.  i.  Vorkommen  und  Rolle  in  der  Pflanze.  Einfluss  des  Chlornatriums 
auf  die  Pflanzenstructur.  Xerophiler  Charakter  der  Halophyten.  Einfluss  des  Chlornatrium 
auf  die  Eiweissbildung.  Einfluss  auf  die  Structur  von  Süsswasseralgen.  §.  2.  Die  Halo- 
phyten oder  Salzpflanzen.  Salzhunger.  Vertheilung  der  Halophyten  auf  die  Familien. 
Ursprung  der  halophilen  Lebensweise.  Unfähigkeit  der  Concurrenz  im  Binnenlande.  4,  Andere 
leichtlösliche  Salze.  Alaun :  Die  Solfataren.  Salpeter.  5«  Der  Serpentin.  Serpentin- 
pflanzen.  6.  Der  Oalmei.  Galmeipflanzen.  7.  Das  Kalkcarbonat.  §.  i.  Wirkungen 
des  Kalkcarbonats  auf  Stoffwechsel  und  Structur  der  Pflanze.  Giftigkeit  für 
viele  Pflanzen.  Accommodation  an  kalkreichen  Boden.  Versuche  und  Beobachtungen  Bonnier's 
und  Anderer.  Art  des  Einflusses  auf  den  Stoffwechsel.  Experimentelle  Culturen  von  Fliehe 
und  Grandeau.  §  2.  Kalkboden  und  Florencharakter.  Kalkholde  und  kalkscheue 
oder  Kiesel-Pflanzen.  Unbeständigkeit  des  Verhaltens  der  Pflanzen  gegen  Kalk.  Thur- 
mann's  physikalische  Theorie.  Widerlegung  derselben.  Erklärung  der  Unterschiede  zwischen 
Kalk-  und  Kieselflora  und  ihrer  Unbeständigkeit  Ungleiches  Verhalten  nahe  verwandter 
Arten.  Parallelformen  auf  kalkreichem  und  kalkarmem  Boden.  Nägeli's  Theorie.  8.  Der 
Humus.  §.  I.  Chemie  und  Physik  des  Humus.  Aschenbestandtheile.  Saurer  und 
milder  Humus.  Mull  und  Torf.  §2.  Die  Mycorhiza.  Endotrophische  und  epitrophische 
Mycorhiza.  Thismia  Averoe  nach  P.  Groom.  Saprophyten.  §3.  Die  chemischen 
Unterschiede  des  Humus  und  die  Flora.  Ungleichheit  des  Florencharakters  auf 
ungleichen  Humusarten.  Grosse  Exclusivität  gewisser  Pflanzenarten.  Pflanzen  des  thierischen 
Humus.  9.  liebende  Substrate.  Die  Parasiten.  Abhängigkeit  von  der  chemischen 
Natur  des  Substrats. 


1.  Die  physikalischen  Bodeneigenschaften. 

Die  für  das  Pflanzenleben  wichtigsten  physikalischen  Eigen- 
schaften des  Bodens1)  sind  viel  weniger  dessen  früher  überschätzte 
Cohäsionskräfte ,    welche   dem   Wachsthum   der   unterirdischen   Glieder 


*)  Vgl.  namentlich  Ad.  Mayer  1.  c. 


94  V.  Der  Boden. 

einen  mehr  oder  weniger  grossen  Widerstand  entgegensetzen  als  die 
Adhäsions-  und  Capillaritätskräfte ,  welche  dessen  Wasser-  und  Luft- 
gehalt reguliren.  An  verschiedenen  Stellen  eines  Gebiets  mit  gleich- 
massigen  Niederschlägen  ist  der  Boden  trocken  oder  feucht,  in  zahl- 
reichen Abstufungen,  je  nach  seiner  Wassercapacität,  capillaren 
Wasserleitung  und  Durchlässigkeit  und  diese  Unterschiede 
bedingen  solche  der  Pflanzendecke. 

Als  volle  Wassercapacität  wird  von  Mayer  die  Menge 
Wasser  bezeichnet,  welche  vom  Boden  überhaupt  aufgenommen  wird, 
und  als  absolute  Wassercapacität  diejenige,  welche  nach  dem 
Durchsickern  des  Ueberschusses  festgehalten  wird.  Letztere,  die  für 
das  Pflanzenleben  wichtigste,  ist  in  erster  Linie  von  der  Grösse  des 
Kornes  abhängig.  Ein  grober  Sandboden  z.  B.  hat  eine  absolute 
Wassercapacität  von  13,7  °/0  Vol.,  ein  echter  Thonboden  eine  solche 
von  40,9  °/0  Vol.  Der  Wassercapacität  umgekehrt  verhält  sich  die 
Luftcapacität ,  indem  die  nicht  von  Wasser  gefüllten  Poren  luft- 
haltig sind. 

Die  Durchlässigkeit  des  Bodens  schliesst  sich  eng  an  dessen 
Wassercapacität  an.  Besonders  durchlässig  sind  die  grobkörnigen 
Bodenarten,  während  feinkörnige,  namentlich  der  Thon,  sich  durch 
grossen  Filtrationswiderstand  auszeichnen  und  über  ihre  Capacität 
Wasser  aufnehmen. 

Die  capillare  Wasserleitung  oder  wasseraufsaugende 
Kraft,  eine  nicht  minder  wichtige  Eigenschaft  des  Bodens,  wird 
gemessen  an  der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  getrocknete  Erde  sich 
bis  zu  einer  bestimmten  Höhe  mit  Wasser  vollsaugt,  wenn  sie  mit 
solchem  in  Berührung  kommt.  Den  Thonboden  kommt  die  grösste 
Fähigkeit  der  Wasserleitung  zu.  Daran  schliessen  sich  humöse  Erden 
und  Sandböden ,  während  Gyps  und  Kreide  die  geringste  wasser- 
aufsaugende Kraft  aufweisen. 

Die  Bedeutung  der  physikalischen  Unterschiede  der  Bodenarten 
für  das  Pflanzenleben  kann  in  folgenden  Sätzen  zusammengefasst 
werden : 

1)  Humusreiche  feinkörnige  Böden  mit  hinreichend 
durchlässigem  Untergrund  besitzen  eine  mittlere,  für  das 
Pflanzenleben  im  allgemeinen  günstige  Feuchtigkeit.  Auf  solchen 
Böden  kommen  Gehölz  und  Grasflur  zu  ungehinderter  Ausbildung. 

2)  Humusarmer  Sandboden  mit  durchlässigem,  z.  B.  kiesigem 
Untergrunde  lässt  zwar  bei  jedem  Regenfalle  eine  tiefgehende 
Durchnässung  zu,  trocknet  aber  beim  Aufhören  des  Regens  schnell. 
Auf  solchem  Boden  werden  daher  in  einem  Klima  von  mittlerer 
Feuchtigkeit  nur  die  weniger  wasserbedürftigen  xerophilen  Pflanzen 
wachsen. 


i.  Die  physikalischen  Bodeneigenschaften.  qc 

3)  Noch  ungünstigere  Bedingungen  stellt  humusarmer  fein- 
körniger Kalkboden  dar,  da  solchem  nur  geringe  wasser- 
aufsaugende Kraft  zukommt.  Auf  derartigem  Boden  ist  die  Vegetation 
in  der  That  ganz  ausgesprochen  xerophil,  während  auf  humusreichem 
Kalkboden  der  hygrophile  Charakter,  wenn  er  dem  Klima  entspricht, 
unbeeinträchtigt  zum  Vorschein  kommt. 

4)  Thon  besitzt  von  allen  Böden  die  grösste  wasseraufsaugende 
und  wasserenthaltende  Kraft.  In  trockenen  Gebieten,  z.  B.  in  den 
Mediterranländern,  wird  der  Thon  wegen  solcher  Eigenschaften  hoch 
geschätzt,  während  in  feuchten  Gebieten,  z.  B.  in  Westeuropa,  Boden- 
arten von  gerade  entgegengesetzten  Eigenschaften,  vorgezogen  werden, 
weil  Thonböden  bei  reichen  Niederschlägen  über  ihre  absolute  Capacität 
Wasser  aufnehmen. 

5)  Das  letztere  führt  zur  Versumpfung,  welche  auch  auf  Kalk- 
boden eintreten  kann  und  welche  namentlich  wegen  der  Stagnation 
des  Sauerstoffs1)  dem  Pflanzenleben  ungünstige  Bedingungen  bietet. 

Trotz  ihrer  hervorragenden  Bedeutung  vermag  die  rein  physi- 
kalische Bodenanalyse  die  auf  experimentellen  Culturen  beruhende 
physiologische  nicht  ganz  zu  ersetzen.  Vielmehr  vermag  nur  das 
Zusammengehen  beider  Methoden  den  Zusammenhang  zwischen  der 
physikalischen  Bodenqualität  und  dem  physiologischen  Vorgang  der 
Wasseraufnahme  aufzuklären.  Aus  der  Wassercapacität  eines  bestimmten 
Bodens  lassen  sich  noch  nicht  Schlüsse  über  die  Wassermengen,  welche 
eine  bestimmte  Pflanze  demselben  zu  entziehen  vermag,  ziehen.  So 
war  z.  B.  in  Versuchen  von  Sachs  das  Verhältniss  der  Wassercapacitäten 
eines  sandigen  Buchenhumus,  eines  Lehms  und  eines  reinen  Quarzsandes 
46:52,1:20,8,  dasjenige  der  für  eine  Tabakpflanze  disponiblen  Mengen 
aber  33,7:44,1 :  19,3.  Mit  anderen  Worten,  derjenige  Theil  der  wasser- 
anziehenden Kraft  des  Bodens,  die  von  der  Saugkraft  der  Wurzeln 
nicht  mehr  überwunden  werden  kann,  war  nach  der  Bodenart  ver- 
schieden und  verhielt  sich  wie   12,3:8:1,5. 

Diese  Verhältnisse  wurden  in  neuerer  Zeit  von  Gain  für  mehrere  Boden- 
arten und  drei  Pflanzenarten  mit  ungleichen  Ansprüchen  an  Feuchtigkeit 
(Phaseolus  vulgaris,  Erigeron  canadense,  Lupinus  albus)  näher  untersucht.  Wir 
gehen  auf  diesen  Gegenstand  hier  nicht  näher  ein,  weil  seine  Bedeutung  für 
die  topographische  Gliederung  der  Pflanzendecke  zweifelhaft  erscheint.  Aller- 
dings wird  eine  solche  Bedeutung  von  Gain  angenommen,  welcher  die  che- 
mischen Wirkungen  des  Substrats  in  weiterem  Maasse,  als  es  gewöhnlich  ge- 
schieht, auf  die  Ungleichheit  der  wasserhaltenden  Kraft  zurückführen  will.  So 
nimmt  der  genannte  Forscher  z.  B.  an,  dass  der  Wassergehalt  des  Bodens  in 
einem  geographischen  Gebiet  auf  3°/0  sinken  könnte;  dann  würden  die  zu 
den  Versuchen   benutzen  Pflanzenarten  wohl    in  Sand    oder  Gartenerde,    aber 

»)  Vgl.  S.  81. 


96  V.  Der  Boden. 

nicht  in  Humus,  Thonerde  oder  Heideerde  fortexistiren  können.  Die  An- 
nahme ist  zwar  hypothetisch  berechtigt,  für  die  Pflanzengeographie  dagegen 
bedeutungslos,  da  in  jedem  geographischen  Gebiet  zahlreiche  Bodenqualitäten 
mit  sehr  verschiedenem  Wassergehalt  vorkommen. 


2.  Chemische  Bodeneigenschaften  im  Allgemeinen. 

Chemie  und  Physik  des  Substrats  greifen  in  mannigfacher  Weise 
in  einander.  Neben  der  Grösse  des  Kornes  sind  auch  dessen  chemische 
Eigenschaften  für  die  Adhäsions-  und  Capillarkräfte  von  maassgebender 
Bedeutung.  Gleich  feinkörnige  Böden  verhalten  sich  z.  B.  ungleich, 
je  nachdem  sie  aus  Thon,  aus  Kalk  oder  aus  Quarz  bestehen.  Physi- 
kalische Wirkungen  werden  auch  durch  die  im  Bodenwasser  gelösten 
Salze  bedingt,  indem  letztere  die  osmotischen  Vorgänge  und  da- 
durch wiederum  die  Wasseraufnahme:  beeinflussen.  Wie  bereits  früher 
gezeigt  wurde,  nimmt  die  Wurzel  mehr  Wasser  in  chemisch  reinem 
Zustande  als  aus  Lösungen  und  es  giebt  für  jede  Pflanzenart  eine 
bestimmte,  3°/0  nur  selten  überschreitende  Concentration ,  oberhalb 
welcher  die  Wasseraufnahme  durch  die  Wurzel  aufhört.  Ein  an  ge- 
lösten Salzen  reicher  Boden  stellt  daher,  auch  wenn  ganz  durchnässt, 
für  das  Pflanzenleben  einen  völlig  trockenen  Boden  dar.1) 

Allerdings  mag  bei  Pflanzen,  welche  in  ihren  Zellen  hohe  Salz- 
concentrationen  unbeschädigt  ertragen,  durch  Aufnahme  von  Salzen 
aus  dem  Substrat  eine  gewisse  Accommodation  eintreten,  welche  es 
solchen  Pflanzen  ermöglicht,  ihr  Wasserbedürfniss  aus  Lösungen 
steigender  Concentration  zu  decken.  Die  Bedeutung  dieser  Eigenschaft 
für  die  Oekologie  der  Pflanzen  ist  jedoch  unter  natürlichen  Bedingungen 
geringer,  als  man  es  nach  Laboratoriumsversuchen  annehmen  könnte, 
da  die  Salzconcentration  im  Boden  starken  Schwankungen  ausgesetzt 
zu  sein  pflegt.  So  ist  z.  B.  das  Wurzelsystem  einer  Strandpflanze  bei 
Sonne  und  Regen,  Sturm  und  Windstille,  Ebbe  und  Flut  abwechselnd 
von  ausgesüsstem  und  von  reinem  oder  sogar  von  concentrirtem  See- 
wasser umspült. 

Die  gelösten  Salze  des  Bodens  üben  nicht  bloss  bei  ihrer  Auf- 
nahme, sondern  noch,  wenigstens  soweit  sie  nicht  verarbeitet  werden,  auf 
ihrem  ganzen  Wege  durch  die  Pflanze  osmotische  Wirkungen  aus,  welche 
die  Entwickelungsvorgänge  mächtig  beeinflussen  können.  So  bedingen 
bereits  massig  starke  Salzlösungen,  ähnlich  wie  Trockenheit,  das 
Schliessen  der  Spaltöffnungen  vieler  Pflanzen,  namentlich  solcher,  die 
salzarme  natürliche  Standorte    bewohnen   und   beeinträchtigen   dadurch 

l)  Vgl.  S.  6. 


I.   Chemische  Bodeneigenschaften  im  allgemeinen.  gj 

in  hohem  Grade  die  Kohlenstoffassimilation. J)  Der  vielfach  beobachtete 
retardirende  Einfluss  concentrirter  Salzlösungen  auf  das  Wachsthum  ist 
wahrscheinlich  in  erster  Linie  auf  diesen  Factor  zurückzuführen. 

Die  Unentbehrlichkeit  gewisser  Mineralstoffe  des  Bodens,  nämlich 
der  Salpeter-,  Phosphor-  und  Schwefelsäure,  des  Kali,  des  Kalks  und  der 
Magnesia,  sowie  des  Eisenoxyds  für  den  pflanzlichen  Organismus  beruht 
nicht  auf  ihren  physikalischen,  sondern  auf  ihren  chemischen  Eigen- 
schaften. Theils  werden  ihre  Elemente  zu  solchen  des  Protoplasma, 
theils  spielen  sie  eine  zwar  secundäre,  aber  doch  nothwendige  Rolle 
im  Stoffwechsel. 

Nicht  allein  die  der  Pflanze  unentbehrlichen  Stoffe  vermögen  den 
Chemismus  zu  beeinflussen.  Auch  solche,  die  durchaus  entbehrlich 
sind,  üben,  falls  sie  aufgenommen  werden,  neben  den  physikalischen, 
chemische  Wirkungen  aus,  welche  den  pflanzlichen  Organismus  bald 
in  günstiger,  bald  in  ungünstiger,  bald  in  zwar  sichtbarer,  aber 
ökologisch  anscheinend  indifferenter  Weise  beeinflussen.  Ueber  eine 
gewisse  Concentration  hinaus  sind  jedoch  alle  in  grösserer  Menge  in 
die  Pflanze  eindringenden  und  nicht  oder  nicht  alsbald  assimilirten 
Stoffe  giftig.  Der  Concentrationsgrad,  bei  welchem  eine 
Lösung  anfängt  giftig  zu  wirken,  ist  nach  der  chemischen 
Natur  derselben  und  nach  der  Pflanzenart  verschieden. 
Die  ungleiche  Widerstandsfähigkeit  der  Arten  bedingt 
zum  grossen  Theile  die  Unterschiede  der  Flora  auf  che- 
misch ungleichen  Substraten. 

Ausser  den  eben  erwähnten  relativ  einfachen  und  unmittelbaren 
physikalischen  und  chemischen  Wirkungen  üben  die  Salze  einen  bald 
mehr,  bald  weniger  sichtbaren  indirekten  Einfluss  auf  die  Structur  des 
pflanzlichen  Organismus.  Leicht  lösliche  Salze  rufen  allgemein  Schutz- 
mittel gegen  die  Transpiration  hervor,  welche  mit  den  auf  trockenem 
Boden  eintretenden  übereinstimmen  und  ökologisch  zunächst  auf  die 
erschwerte  Wasseraufnahme  zurückzuführen  sind.2)  Solche  Schutz- 
mittel zeigen  sich  zwar  sowohl,  wenn  das  gelöste  Salz  ein  Nährsalz 
ist,  wie  z.  B.  Salpeter,  als  wenn  es  nutzlos  und  nicht  assimilirbar  ist, 
wie  z.  B.  Chlornatrium.  Doch  wirken  Salze  im  letzteren  Falle  schon 
bei  schwächerer  Concentration  und  mit  grösserer  Intensität,  was  darauf 
hinweist,  dass  die  Schutzmittel  gegen  Transpiration  der  zunehmenden 
Concentration  eines  bald  giftig  wirkenden  Salzes  entgegentreten  sollen 
und  daher  bei  schädlichen  Salzen  schneller  eintreten,  als  es  die 
erschwerte  Deckung  des  Transpirationsverlustes  in  Folge  des  Salz- 
gehalts des  Substrates  für  sich  allein  nothwendig  machen  würde. 


*)  Stahl. 
*)  Vgl.  S.  6. 
Seh  im  per,  Pflaniengeographie. 


98  V.  Der  Boden. 

Während  die  Schutzmittel  gegen  Transpiration  sich  nur  in  ihrem 
früheren  oder  späteren  Eintreten  von  den  chemischen  Unterschieden 
der  aufgenommenen  Stoffe  beeinflusst  zeigen,  machen  sich  die  letzteren 
in  bestimmten  specifischen  Wirkungen  geltend,  welche  vielleicht  mit  den 
von  gewissen  Pilzen  an  ihren  Wirthspflanzen  hervorgerufenen  Ver- 
änderungen vergleichbar  sein  dürften.  Manche  der  in  solcher  Weise 
hervorgerufenen  Modificationen  der  Pflanzenstructur  haben  einen  ent- 
schieden pathologischen  Charakter  und  kommen  in  der  Natur  nur 
ausnahmsweise  oder  niemals  vor.  Andere  hingegen  beeinträchtigen  die 
Lebensfähigkeit  der  Pflanze  in  keiner  Weise  und  sind  für  das  Ver- 
ständniss  der  Florenunterschiede  auf  chemisch  ungleichem  Boden  von 
hervorragender  Bedeutung.  Zu  diesen  letzteren  Veränderungen  gehören 
diejenigen,  welche,  abgesehen  von  den  vorher  erwähnten  Schutz- 
einrichtungen gegen  Transpiration,  Chlornatrium,  Zinksalze,  Serpentin 
(ein  Magnesiasilikat)  und  Kalkcarbonat  in  der  Pflanzenstructur 
hervorrufen. 


3.  Das  Chlornatrium, 

§  I.  Vorkommen  und  Rolle  des  Chlornatrium  in  der  Pflanze. 
Dem  Chlornatrium  kommt,  wie  Culturversuche  auf  künstlichen  Nähr- 
substraten, namentlich  solche  mit  Nährlösungen  gezeigt  haben,  eine 
Bedeutung  als  Nährstoff  für  die  grosse  Mehrzahl  der  Pflanzen  nicht  zu. 
Doch  hat  sich  dasselbe  als  nothwendig  für  die  normale  Entwicklung 
von  Fagopyrum  esculentum  erwiesen  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass 
das  Gleiche  noch  von  anderen  Pflanzen  gilt,  da  die  Zahl  der  Arten, 
mit  welchen  solche  Versuche  angestellt  worden  sind,  eine  relativ 
kleine  ist. 

Die  Gewächse,  welche  ein  Bedürfniss  nach  Chlornatrium  besitzen, 
können  dasselbe  in  jedem  natürlichen  Boden  befriedigen,  indem  es 
sich  dabei  wohl  stets  um  geringe  Mengen  handelt.  Thatsächlich 
nehmen  sämmtliche  Pflanzen,  welchen  Chloride,  d.  h.  vornehmlich 
Chlornatrium,  geboten  werden,  solche  auf,  manchmal  in  nicht  un- 
beträchtlicher Menge,  auch  wenn  sie,  wie  experimentell  festgestellt, 
ohne  dieselben  ganz  normal  gedeihen. 

Die  Chloride  scheinen  in  organische  Verbindungen  nicht  ein- 
zutreten, sondern  bleiben  unverändert  im  Zellsaft  der  Parenchyme  und 
der  Oberhaut,  wo  sie  mikrochemisch  leicht  nachweisbar  sind.1) 

Geringe  Mengen  Chlornatrium  (und  Chlorkalium)  werden  anscheinend 
von  allen  Pflanzen  ohne  Schaden  ertragen.     Begiesst  man  dagegen  den 


!)  Schimper  I. 


3.    Das  Chlornatrium.  gg 

Boden  mit  einer  zwei-  bis  dreiprocentigen  Kochsalzlösung,  so  gehen 
die  meisten  Arten  in  kurzer  Zeit  zu  Grunde.  Es  persistiren  nur  die 
Halophyten,  d.  h.  die  auch  in  der  Natur  an  salzreichen  Standorten,  z.  B. 
auf  dem  Meeresstrande  wachsenden  Gewächse  und  einige  Nicht- 
halophyten  mit  ausgeprägten  Schutzmitteln  gegen  Transpiration.  Der- 
artige Gewächse  gedeihen  auf  einem  von  Meerwasser  (2,7 — 3,2  °/0 
Chlornatrium)  durchtränkten  Boden  vortrefflich  und  speichern,  nament- 
lich in  ihren  Stengeln  und  ihrem  Laube,  beträchtliche  Salzmengen  auf. 
Bei  weiter  steigender  Concentration  der  Lösung  gehen  allerdings  auch 
diese  Arten  nacheinander  zu  Grunde. 

Nach  Wolfls  Aschentabellen  wurden  für  den  procentischen  Chlorgehalt  der 
Asche  einiger  Halophyten  des  Meeresstrandes  folgende  Zahlen  festgestellt :  Armeria 
maritima  12.69  bis  *5  IO>  Artemisia  maritima  26.68,  in  der  Wurzel  jedoch 
nur  1.99;  Aster  Tripolium:  Blätter  43.00,  Stengel  49.90,  Blüthen  19,10; 
Chenopodium  maritimum  44.06,  Stengel  47.08;  Arenaria  media  36.55 ;  Plantago 
media  43.53.  Die  mikrochemische  Prüfung  auf  Chlornatrium  ergab  mir  für 
die  grosse  Mehrzahl  der  Strandgewächse  Java's1),  allerdings  nicht  für  alle, 
intensive  Reactionen. 

Der  Chlorgehalt  der  Asche  von  Binnenlandpflanzen  pflegt  5  °/0  nicht  zu 
überschreiten;  allerdings  giebt  es  Ausnahmen. 

Chlornatrium  wirkt  auf  den  pflanzlichen  Organismus  theils  physi- 
kalisch, indem  es,  wie  alle  Salzlösungen,  die  osmotische  Wasser- 
aufnahme durch  die  Wurzel  erschwert,  theils  chemisch,  indem  es  nach 
seinem  Eintritt  in  die  Zellen,  den  Stoffwechsel  beeinflusst. 

Systematisch  ausgeführte  Culturen  behufs  Untersuchung  des  Einflusses  des 
Chlornatriums  auf  die  Structur  der  Gewächse  wurden  zuerst  von  P.  Lesage 
ausgeführt,  mit  dem  Ergebnisse,  dass  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  dasselbe 
Verkleinerung  der  Blattoberfläche,  Zunahme  der  Blattdicke,  Verlängerung 
der  Palissaden  und  Reduction  der  Intercellularen  bedingte.  Auch  Zunahme 
der  Behaarung  wurde  von  Lesage  in  einigen  Fällen  beobachtet. 

Culturversuche  und  eingehende  Untersuchungen  der  malayischen  Strand- 
flora führten  mich  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  morphologischen  Eigen- 
tümlichkeiten, welche  die  Halophyten  auszeichnen,  mit 
denjenigen  ausgesprochener  Xerophyten  übereinstimmen, 
auch  da,  wo  dieselben  in  nassem  Boden,  z.  B.  in  den  Strand- 
sümpfen wachsen.2) 

Es  giebt  kaum  eine  der  zahlreichen  Eigentümlichkeiten ,  die  bei  den 
Xerophyten  trockener  Klimate  und  trockener  Böden  als  Schutzmittel  gegen 
Transpiration  aufgefasst  werden,  die  den  Halophyten  fehlte  und  zwar  ganz 
unabhängig  davon,  ob  der  Boden  mehr  oder  weniger  nass  ist,  denn  die  Menge 
des  Salzes  ist  in  solchen  Fällen  allein  maassgebend.  So  finden  wir  bei  den 
Halophyten  die  Reduction  der  transpirirenden  Oberfläche  wieder, 


»)  Schimper  II. 

*)  Vgl.  auch  S.  7  u.  f. 

7* 


IOO  V.  Der  Boden. 

die  bei  den  Xerophyten  im  bisherigen  Sinne  so  häufig  ist,  und  zwar  sowohl 
in  der  äusseren  Gestalt  als  in  der  Verkleinerung  der  Intercellularen  ausgeprägt. 
Ferner  sind  bei  den  Halophyten  mehr  oder  weniger  verbreitet:  Profil- 
stellung des  Laubes,  reiche  Behaarung,  dicke  Aussenwand 
der  Epidermis,  Speichertracheiden  in  den  Blättern,  vertiefte 
und  mit  Schutzapparaten  versehene  Spaltöffnungen,  Schleim- 
zellen, namentlich  aber  Wassergewebe.  Letzteres  ist  besonders  ge- 
eignet, schädlichen  Salzconcentrationen  in  den  assimilirenden  Zellen  vorzubeugen 
und  nimmt  dementsprechend,  mit  dem  Alter  der  Blätter  und  der  absoluten 
Zunahme  der  Salze  in  den  letzteren,  an  Mächtigkeit  zu.  Alle  diese  xerophilen 
Eigenschaften  der  Halophyten  erfahren  auf  gewöhnlichem  Boden  eine  Ab- 
schwächung,  zum  Theil  verschwinden  sie  sogar  gänzlich. 

Neben  der  osmotischen  ist  auch  eine  chemische  Beeinflussung  des 
Stoffwechsels  durch  das  Chlornatrium  unzweifelhaft  vorhanden.  Hansteen 
hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  „dass  das  Chlornatrium,  wie  auch  das 
Chlorkalium,  in  einer  gewissen  Beziehung  zu  der  Eiweissbildung  aus 
Amiden  und  Kohlehydraten  stehen. "  Diese  Rolle  ist  nicht  immer  die 
gleiche,  indem  sie  bald  in  einer  Verzögerung,  bald  in  einer  Förderung 
der  Eiweissbildung  bestehen  soll.  Jedenfalls  werden  durch  concen- 
trirtere  Chloridlösungen  abnorme  Ernährungsverhältnisse  und  schliess- 
lich schädliche  und  beträchtliche  Störungen  hervorgerufen.  Solchen 
schädlichen  Wirkungen  treten  die  Schutzmittel  gegen  Transpiration 
entgegen,  indem  sie  die  Zunahme  der  Concentration  im  Sonnenlichte 
verlangsamen.  Allerdings  nimmt  der  absolute  Gehalt  der  Blätter  an 
Salz  mit  dem  Alter  zu,  aber  gleichzeitig  wächst  auch  das  Wasser- 
gewebe und  setzt  die  Concentration  des  Zellsaftes  in  den  grünen  Zellen 
mit  steigender  Energie  herab. 

Die  Schutzmittel  gegen  Transpiration  beruhen  auf  Anpassung  und 
sind  als  nützliche  Vorrichtungen  im  Laufe  der  Zeit  allmählich  gezüchtet 
worden.  Das  Kochsalz  ruft  aber  ausserdem  mehr  unmittelbare  und 
intensive  structurelle  Veränderungen  hervor,  welche,  da  sie  sich  bei 
Pflanzen  zeigen,  die  unter  natürlichen  Bedingungen  in  Salzwasser  nicht 
vorkommen  und  denselben  einen  nachweisbaren  Nutzen  nicht  bringen,  auch 
nicht  als  Anpassungen  gelten  können.  So  beobachtete  Richter  an  Algen 
des  Süsswassers,  die  er  bei  allmählich  steigender  Concentration  in 
Kochsalzlösungen  cultivirte,  ganz  allgemein  eine  beträchtliche  Grössen- 
zunahme  der  Zellen  und  in  manchen  Fällen  Veränderungen  der  Gestalt, 
der  Wanddicke,  der  Zelltheilung  und  der  Structur  der  Chromatophoren. 
Ob  es  sich  dabei  um  specifische  Kochsalzwirkungen  handelt  oder 
ob  andere  Salze  ähnliche  Wirkungen  hervorrufen,  ist  noch  nicht 
untersucht. 

Ich  hatte  früher  angenommen,  dass  das  Kochsalz  eine  hindernde  Wir- 
kung auf  die  Assimilation,  oder  doch  wenigstens  auf  Stärke-  und  Glycosebildung 
ausübe.      Die  Annahme  hat  an  Wahrscheinlichkeit  wesentlich  eingebüsst    seit 


3.   Das  Chlornatrium.  lOI 

dem  durch  Stahl  geführten  Nachweis,  dass  nicht  halophile  Pflanzen,  wie  die- 
jenigen, mit  welchen  ich  experimentirte ,  bei  Anwesenheit  grösserer  Salz- 
mengen in  der  Nährlösung  ihre  Spaltöffnungen  schliessen  und  dadurch  eine 
wesentliche  Einbusse  der  Assimilation  erfahren.  Die  Vermuthung  Stahl's,  dass 
die  Halophyten  stets  offene  unbewegliche  Spaltöffnungen  besitzen,  ist  nach 
neueren  Untersuchungen  O.  Rosenberg's  nicht  begründet.  Ueberhaupt  dürfte 
die  Rolle  der  Spaltöffnungen  bei  der  Transpiration  weniger  gross  sein,  als  es 
Stahl  annehmen  zu  können  glaubt. 

§  2.  Die  Halophyten  oder  Salzpflanzen.1)  Der  Salzreichthum 
der  Halophyten  ist  nicht  ausschliesslich  durch  denjenigen  ihres  Substrats 
passiv  bedingt,  sondern  beruht  zum  grossen  Theile  auf  Salzhunger, 
denn  die  in  der  Natur  an  solchen  Standorten  wachsenden  Pflanzen 
pflegen  auch  auf  gewöhnlichem  Boden  grössere  Mengen  Chlornatrium 
als  die  meisten  Nichthalophyten  aufzuspeichern.  Es  giebt  allerdings, 
auch  unter  den  letzteren,  einige  Arten  mit  solcher  Neigung,  die  sich 
dann  stets  mit  der  Fähigkeit  verbunden  zeigt,  grössere  Mengen  Salz 
als  andere  Gewächse  zu  ertragen.  Manche  dieser  salzliebenden  Arten 
des  gewöhnlichen  Bodens  zeigen  sich  gelegentlich  auf  dem  Meeres- 
strand und  an  anderen  Standorten,  deren  Salzreichthum  andere  Gewächse 
fernhält. 

So  enthalten  nach  mehreren  Analysen  die  Wurzeln  von  Beta  vulgaris  bis 
35,  45  °/0  ihrer  Asche  an  Chlor.  Bei  einer  auf  Sandstein  gewachsenen  Coch- 
learia  anglica  wurden  41.7 o°/0  Chlor  gefunden;  Crambe  maritima,  auf  gedüngtem 
Boden  gezogen,  enthielt  daran  15.46°/^  Apium  graveolens  bis  22.1 4°/0, 
Asparagus  officinalis,  ein  facultativer  Halophyt,  bis  1 5  °/0 ;  Eryngium  maritimum 
bis  19.30°/^  In  der  Asche  des  Meerrettigs  wurde  allerdings  für  die  Wurzel 
nur  1.78%,  für  die  Blatter  5.54%  Chlor  in  der  Asche  gefunden.  Die  mikro- 
chemische Prüfung  auf  Chlor  der  Blätter  indischer  Halophyten,  die  im  Bota- 
nischen Garten  zu  Buitenzorg  ohne  Salz  cultivirt  sind,  ergab  eine  intensive 
Reaction  in  14  Fällen,  eine  nur  schwache  oder  keine  in  7   Fällen. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  die  Halophyten  keineswegs  gleichmässig  auf 
alle  Pflanzenfamilien  vertheilt  sind,  sondern  vielmehr  in  gewissen  Familien 
reichlich,  in  anderen  spärlich  oder  gar  nicht  auftreten.  Gewisse  Familien 
bestehen  vornehmlich  aus  Halophyten,  wie  die  Chenopodiaceen,  Frankeniaceen, 
Plumbagineen ,  oder  enthalten  solche  doch  in  sehr  grosser  Anzahl,  wie  die 
Amarantaceen,  Aizoaceen,  Cruciferen,  Tamaricaceen,  Malvaceen,  Euphorbiaceen, 
Umbelliferen ,  Rhizophoraceen ,  Lythraceen,  Papilionaceen ,  Convolvulaceen, 
Compositen.  Entschieden  salzscheu  sind  z.  B.  die  Amentaceen,  Piperaceen, 
Urticinen,  die  meisten  Polycarpier,  die  Rosaceen,  Melastomataceen,  Ericaceen, 
Orchideen,  Araceen,  Pteridophyten  und  Bryophyten. 

Nach  den  bisherigen  Untersuchungen  hat  es  den  Anschein,  als  wären 
die  Vertreter  der  zur  Halophilie  neigenden  Familien  im  Allgemeinen  chlor- 
reicher, als  diejenigen   salzscheuer  Familien.     Der  Vergleich    des   Gehalts   an 


*)  Schimper  II.     Dort  die  ältere  Literatur. 


102  V.    Der  Boden. 

Chlor  beider  Gruppen  von  Familien  in  Wolff's  Aschentabellen  spricht  zu 
Gunsten  dieser  Annahme.  Doch  ist  das  Material  nicht  reich  genug,  um  end- 
gültige Schlüsse  zn  gestatten. 

Wie  aus  dem  Vorhergesagten  hervorgeht,  vermögen  die  Halophyten 
auch  auf  gewöhnlichem  Boden,  z.  B.  in  Gartenerde,  ohne  Zusatz  von 
Kochsalz  zu  gedeihen.  Ja,  einige  der  gewöhnlichsten  Culturbäume  der 
Tropen  wachsen  unter  natürlichen  Bedingungen  nur  auf  dem  Salzboden 
des  Meeresstrandes,  z.  B.  Cocos  nucifera,  Cycas  circinalis,  Casuarina 
equisetifolia ,  Terminalia  Katappa,  Erythrina  indica,  Calophyllum 
Inophyllum  etc.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  durch  Vermittelung 
des  Windes,  der  Thiere,  der  Wasserläufe  fortwährend  Samen  von 
Halophyten  auf  nichtsalzigen  Boden  gelangen.  Sie  würden  auf  dem- 
selben günstige  Bedingungen  finden,  wenn  die  Concurrenten  ihre 
Ansiedelung  nicht  verhinderten.1)  Die  Concurrenz  stärkerer  Formen 
schliesst  aber  die  Halophyten  von  allen  Standorten,  mit  Ausnahme  der 
salzreichen  aus. 

Selbstverständlich  ist  der  Kampf  um  den  Raum  von  jeher  auf  den 
Böden,  welche  den  meisten  Pflanzenarten  günstige  Bedingungen  bieten, 
am  heftigsten  gewesen.  Im  Laufe  der  Zeit  sind  viele  Sippen  von  den 
bevorzugten  Plätzen  durch  kräftiger  gewordene  Concurrenten  verdrängt 
worden.  Manche  dieser  Besiegten  gingen  zu  Grunde,  während  andere 
ihre  Fortexistenz  bestimmten  Eigenschaften  verdankten,  durch  welche  sie 
befähigt  wurden,  ungesunde  Ländereien  zu  colonisiren.  So  vermochten 
solche  unter  den  verdrängten  Gewächsen  eine  Zuflucht  auf  Salzboden 
zu  finden,  die  bereits  auf  gewöhnlichem  Boden  die  Gewohnheit  an- 
genommen hatten,  Kochsalz  reichlich  aufzuspeichern  und  dadurch  gegen 
seine  giftigen  Wirkungen  immun  geworden  waren.  Auf  Salzboden 
gestattete  die  verminderte  Concurrenz  ihr  Fortbestehen. 

Die  Eigenschaft,  Salz  aufzuspeichern  und  auf  Salzboden  unversehrt 
zu  existiren,  macht  natürlich  an  sich  nicht  untauglich,  auch  an  mehr 
bevorzugten  Plätzen  im  Kampfe  zu  bestehen.  Thatsächlich  gibt  es 
eine  Anzahl  Pflanzenarten,  die  sowohl  an  salzreichen  wie  an  salzarmen 
Standorten  vorkommen,  wie  Asparagus  officinalis  und  Samolus  Valerandi. 


4.  Andere  leicht  lösliche  Salze. 

Chlornatrium  ist  das  einzige  leicht  lösliche  Salz,  welches  auf 
grossen  Strecken  in  concentrirteren  Lösungen  den  Boden  durchtränkt. 
Andere  Salze  von  ähnlicher  Löslichkeit  treten  nur  lokal  in  grösseren 
Mengen  auf  und  ihre  Wirkungen  auf  die  Vegetation  sind  deshalb  weniger 


*)  Vgl.    z.  B.  (Seite  90)   das  Vorkommen   von   sonst   exclusiven   Strandhalophyten   im 
Inneren  von  Krakatau,  wo  die  Concurrenz  noch  nicht  existirt. 


4.   Andere  leicht  lösliche  Salze.     5.  Der  Serpentin.  IO3 

bekannt.  Das  Vorhandensein  grosser  Mengen  Alaun  im  warmen 
sumpfigen  Boden  der  Solfataren  auf  Java  und  in  Japan  bedingt  das 
Auftreten,  mitten  in  Hygrophytengebieten,  von  xerophilen  Pflanzen, 
welche  nicht,  wie  auf  Kochsalzboden,  theilweise  eigenthümlich, 
sondern  aus  den  nächsten  Standorten  xerophiler  Pflanzen  zugewandert 
sind;  theils  sind  es  Gewächse,  die  sonst  als  Epiphyten  auf  trockener 
Rinde  wachsen,  theils  Bewohner  der  kühlen  trockenen  alpinen  Region. 
Die  Factoren ,  welche  xerophile  Structur  zur  Lebensbedingung  der 
Gewächse  machen ,  sind  offenbar  dieselben  wie  beim  Kochsalz : 
Erschwerte  Wasseraufnahme  und  Schädlichkeit  der  Salze  in  den 
assimilirenden  Zellen.1) 

Salpeter  ruft  ebenfalls  xerophile  Structur  hervor,  jedoch  erst  bei 
höherer  Concentration  und  auch  dann  noch  in  weniger  ausgeprägter 
Weise  als  Kochsalz.  Dieser  Unterschied  spricht  zu  Gunsten  der 
Annahme,  dass  die  starke  Ausbildung  der  xerophilen  Structur  bei 
Kochsalzpflanzen  theilweise  Schutz  gegen  giftige  Salzwirkungen  liefern 
soll  und  daher  früher  eintritt,  als  bei  dem  erst  in  .höherer  Concentration 
schädlichen  Salpeter.  Solche  Concentrationen  werden  an  nitratreichen 
Stellen  in  der  Regel  nicht  erreicht,  wenigstens  für  solche  Gewächse 
nicht,  welche,  wie  viele  Solanaceen,  Cruciferen,  Chenopodiaceen,  Fumaria, 
Sambucus  nigra  etc.  die  Neigung  haben,  in  ihren  Geweben  Salpeter 
zu  speichern  und  an  solchen  Stellen  besonders  luxurirendes  Wachs- 
thum  aufzuweisen  pflegen.  Die  Nitratfelder  Amerika's  dagegen 
besitzen  schon  ihrer  grossen  Trockenheit  wegen,  eine  entschieden 
xerophile  Flora. 


5.  Der  Serpentin. 

Der  Serpentin,  ein  überaus  wenig  lösliches  Magnesiasilikat  wirkt  auf 
zwei  Farnarten  Mitteleuropa's,  Asplenium  viride  und  Asplenium  Adiantum 
nigrum  derart  ein,  dass  sie  in  abweichende,  eine  Zeit  lang  für 
besondere  Arten  gehaltene  Formen  umgewandelt  werden.  Es  ist 
Sadebeck  gelungen,  durch  Cultur  auf  gewöhnlichem  Boden,  Rückkehr 
zur  Stammform  zu  erzielen,  jedoch  erst  in  der  sechsten  Generation; 
dagegen  blieb  der  Versuch,  durch  Cultur  auf  Serpentin  die  beiden 
Asplenia  zur  entsprechenden  Gestaltänderung  zu  veranlassen,  erfolglos. 
Es  handelt  sich  demnach  offenbar  um  eine  ausserordentlich  langsam 
vor  sich  gehende  Beeinflussung.  Die  Abweichungen  vom  Typus  sind 
anscheinend  rein  „morphologische"  ohne  jeden  erkennbaren  Nutzen  für 
die  Pflanze. 


*)  Vgl.  Schimper  L 


104 


V.    Der  Boden. 


Asplenium  adulterinum  Milde,  die  Serpentinform  des  A.  viride,  nimmt 
in  mancher  Hinsicht  eine  Mittelstellung  zwischen  diesem  und  A.  Trichomanes, 
z.  B.  dadurch  ein,   dass  die  Spindel  unten  braun,    oben  grün  ist     (Fig.  52.) 

Seinen  eigenartigen  Habitus  verdankt  es  der 
starken  Convexität  der  Blättchen  und  der  senk- 
rechten Lage  derselben  auf  die  Spindel ;  die  bei- 
den verwandten  Formen  haben  längliche  flache, 
der  Spindel  parallele  Blättchen.  Doch  soll  dieses 
Merkmal,  nach  Lürssen,  nicht  constant  sein. 
Asplenium  serpentini  Tausch  unterscheidet  sich 
von  dem  typischen  A.  Adiantum  nigrum  durch 
an  der  Basis  keilförmige  Segmente  und  durch 
zartere,  mehr  krautige,  glanzlose,  nicht  überwin- 
ternde Blätter. 

Beide  Formen  müssen  als  ihrem  Substrat 
vollkommen  angepasst  gelten,  denn  sie  gedeihen 
auf  demselben  in  grösster  Menge  und  Ueppig- 
keit.  Asplenium  adulterinum  verdrängt  auf  Ser- 
pentin beinahe  ganz  das  gemeine  Aspl.  Tricho- 
manes, während  die  Stammform,  Aspl.  viride, 
nur  ausnahmsweise  beobachtet  wurde;  Das  ty- 
pische Aspl.  Adiantum  nigrum  scheint  auf  Serpen- 
tin ganz  zu  fehlen.  So  sagt  Kalmus  von  dem 
Fundort  bei  Einsiedel  in  Bezug  auf  Aspl.  adul- 
terinum und  Aspl.  Trichomanes,  letzteres  sei 
ihm  wie  ein  ganz  kleines  Völkchen  erschienen, 
welches  von  dem  weit  überlegenen  Nachbar 
und  Stammesgenossen  nur  auf  Gnade  und  Un- 
gnade geduldet  wurde  und  Milde  berichtet 
über  dieselbe  Pflanze:  „Das  erste,  was  mir 
auffiel,  war  die  bedeutende  Dichtigkeit  des 
Wachsthums,  theils  bewirkt  durch  die  grossen 
Mengen,  theils  aber  auch  durch  die  colossalen 
Stöcke,  welche  die  Pflanze  oft  bildet.  Nie 
habe  ich  bei  A.  viride  und  A.  Trichomanes 
nur  im  entferntesten  eine  solche  Massenhaftig- 
Fig.  52.  Asplenium  adulterinum.  keit  des  Wachsthums  beobachtet  .  .  .  .".  (Sade- 
Nat.  Gr.     Nach  Lürssen.  beck,   1.   c). 


6.  Der  Galmei. 


Die  Wirkungen  grosser  Mengen  schwerlöslicher  Zinkerze  (Zink- 
carbonat  und  Kieselzinkerz,  gewöhnlich  als  Galmei  zusammengefasst) 
auf  die  Gewächse  sind  denjenigen  des  Serpentins  insofern  ähnlich,  als 
sie   ebenfalls   bei    einzelnen  Pflanzen,   in   diesem  Falle  Viola  lutea   und 


6.    Der  Galmei. 


I05 


Thlaspi  alpestre  erbliche  Veränderungen  hervorrufen,  deren  physio- 
logischer und  ökologischer  Zusammenhang  mit  der  Beschaffenheit  des 
Substrats  sich  jeder  Deutung  entzieht.  Die  so  modificirten  Pflanzen 
wachsen  auf  Zinkboden  in  grosser  Menge  und  Ueppigkeit  und  über- 
schreiten dessen  Grenze  nicht. 

Das  Galmeiveilchen ,  Viola  calamina- 
ria  Lej.  (V.  lutea  var.  multicaulis  Koch) 
(Fig.  52)  unterscheidet  sich  von  den  an- 
deren Formen  der  V.  lutea  durch  die 
reiche  Verzweigung,  die  längeren  Stengel, 
die  kleineren,  übrigens  in  der  Grösse 
sehr  schwankenden  Kronen.  Bei  Thlaspi 
calaminarium  Lej.  et  Court,  sind  die  Kron- 
blätter breiter  als  in  der  Stammform,  viel 
länger  als  der  Kelch,  die  Staubfäden  kürzer 
als  dieser.  Der  Zinkgehalt  des  Bodens 
hat  also  bei  der  einen  Form  Vergrösse- 
rung,  bei  der  anderen  Verkleinerung  der 
Krone  bewirkt. 

Ausser  seiner  Einwirkung  auf  die  Aus- 
bildung einzelner  Arten  ist  der  Galmei- 
boden  auch  durch  die  systematische  Zu- 
sammensetzung seiner  Flora  vor  anderen 
benachbarten  Standorten  ausgezeichnet. 
Viola  lutea  fehlt  im  Rheinland  gänzlich 
und  zeigt  sich  erst  in  der  Umgebung  von 
Lüttich.  Alsine  verna,  ebenfalls  auf  dem 
Galmeiboden  von  Aachen  häufig,  ist  von 
ihren  übrigen  Wohnorten  noch  weiter  ge- 
trennt. Armeria  vulgaris  ist  bei  Aachen 
an  Zinkboden  gebunden  und  Silene  inflata 
var.  glaberrima  fallt  durch  massenhaftes 
Auftreten  und  grosse  Ueppigkeit  an  den 
zinkreichsten  Stellen  auf. 

Die  Pflanzen  des  Galmeibodens  sind 
in  ihren  sämmtlichen  Theilen  zinkhaltig.  Risse 
fand  bei  Thlaspi  calaminare  13,  i2°/0  Zink- 
oxyd in  der  Asche  der  Blätter,  während  der  Gehalt  der  Asche  an  Zink,  von 
Wurzel,  Stengel  und  Blüthen  mit  1,66,  3,28  und  3,24%  resp.  bestimmt 
wurde.  Bei  Viola  calaminaria  und  Armeria  vulgaris  fand  Risse  die  grösste 
Menge  Zinkoxyd  in  der  Wurzel  (1,52,  resp.  3,58°/0  der  Asche). 


Fig-  53«     Viola  lutea  var.   calaminaria. 
Auf  die  Hälfte  verkl. 


7.  Das  Kalkcarbonat. 


§  I .   Wirkungen  des  Kalkcarbonats  auf  Stoffwechsel  und  Structur 
der  Pflanze.     Unter  den  Kalkverbindungen   des  Bodens   befinden   sich 


IOÖ  V.    Der  Boden. 

wichtige  Nährsalze  der  Pflanze,  wie  die  Kalksalze  der  Salpeter-,  Phos- 
phor- und  Schwefelsäure,  unlösliche,  völlig  indifferente  Körper,  wie 
die  Kalksilikate  (Labrador,  Kalkgranat  etc.)  und  ein  Salz,  welches,  ohne 
zu  den  Nährstoffen  der  Pflanze  zu  gehören,  doch  deren  Stoffwechsel 
und,  in  Folge  dessen,  Charakter  und  Gliederung  der  Pflanzendecke  be- 
einflusst,  der  kohlensaure  Kalk. 

An  Kohlensäure  gebunden  kommt  der  Kalk  in  der  Natur  als  un- 
lösliches, neutrales  Kalkcarbonat  C08Ca  und  als  lösliches  Doppel- 
carbonat,  C2OflH2Ca1)  vor.  Das  erstere  Salz  kann,  wegen  seiner  Un- 
löslichkeit, in  die  Pflanze  nicht  eindringen:  dagegen  wird  das  saure 
Salz,  welches  durch  die  Einwirkung  kohlensäurehaltigen  Wassers  auf 
das  neutrale  entsteht  und  daher  steter  Begleiter  desselben  im  Boden 
ist,  wie  Wasserculturen  zeigen,  von  der  Pflanze  aufgenommen  und  dürfte 
wahrscheinlich  unzersetzt  bis  in  die  Wasserbahnen  gelangen,  dessen 
Saft  Kalkcarbonat  zu  enthalten  pflegt.  Hingegen  ist  es  sehr  wahrschein- 
lich, dass  das  in  den  Zellmembranen  activer  Pflanzenorgane,  oft  reich- 
lich aufgespeicherte  Kalkcarbonat,  z.  B.  dasjenige  der  Cystolithen,  nach- 
träglich aus  anderen  Kalkverbindungen,  z.  B.  aus  dem  in  Zellmembranen 
stets  vorhandenen  Kalkpektat2)  oder  durch  Umsetzung  aus  den  kalk- 
haltigen Nährsalzen  (Nitrat,  Sulfat,  Phosphat)  nachträglich  entsteht.  Die 
Kalküberzüge  vieler  grüner  Wasserpflanzen  sind  dagegen  mit  Sicherheit 
auf  Umsetzung  des  Doppelcarbonats  und  Fällung  des  unlöslichen  neu- 
tralen Salzes  in  Folge  der  Assimilation  zurückzufuhren.8) 

Kalkcarbonat  ist  in  allen  Böden  und  in  allen  Gewässern  enthalten 
und  wird  in  geringer  Menge  von  allen  Pflanzen  ertragen.  Eine  nach- 
weisbare Beeinflussung  der  physiologischen  Vorgänge  ist  in  solchen 
Fällen  nicht  vorhanden.  Hingegen  ist  eine  kalkreiche  Nähr- 
lösung für  manche  Pflanzenarten  giftig,  während  sie  von 
anderen  theils  mehr,  theils  weniger  gut  ertragen  wird. 
Diejenigen  Pflanzen,  welche  grosse  Mengen  Kalkcarbonat 
ertragen,  werden  durch  solche  ebenfalls  in  ihrem  Stoff- 
wechsel beeinflusst  und  erfahren  dadurch  häufig  sicht- 
bare structurelle  Veränderungen.  Kalkcarbonat  verhält  sich 
demnach  ähnlich  wie  Chlornatrium,  Serpentin  und  die  Galmeisalze. 

Die  Giftigkeit  des  kohlensauren  Kalks  für  viele  Pflanzen  ist  am 
leichtesten  in  der  Wasservegetation  festzustellen.  Zufuhr  kalkreichen 
Wassers  genügt  z.  B.,  wie  es  schon  Sendtner  nachwies,   um  in  kurzer 


*)  Nach  anderer  Anschauung  soll  das  Doppelcarbonat  in  der  Natur  nicht  vorkommen, 
kalkhaltiges  Wasser  soll  vielmehr  einfaches  Kalkcarbonat  und  freie  Kohlensäure  enthalten. 
Die  Frage  ist  für  die  Pflanzengeographie  ohne  Bedeutung. 

8)  Die  Bildung  des  Kalkpektats  in  activen  Zellen  ist  gewiss  auf  ähnliche  Vorgänge 
zurückzuführen  wie  diejenige  des  Kalkoxalat,  Kalkmalat  u.  s.  w.     Vgl.  Schimper. 

a)  Pringsheim. 


7.    Das  Kalkcarbonat.  107 

Zeit  die  Sphagnum-Arten  zu  tödten  und  ist  für  andere  Wassermoose 
ein  nicht  minder  heftiges  Gift.  Das  gleiche  scheint,  nach  ihrem  con- 
stanten  Fehlen  in  kalkreichem  Wasser  zu  schliessen,  von  vielen,  sonst 
gemeinen  Algen  zu  gelten.  Viele  Pflanzen  des  Festlandes  sind  kaum 
weniger  empfindlich.  So  genügt,  nach  Christ,  das  blosse  Begiessen  mit 
kalkreichem  Wasser,  um  die  meisten  Begleiter  der  Torfmoose  in  Hoch- 
mooren, z.  B.  Drosera,  in  kurzer  Zeit  zu  tödten.  Von  Pflanzen  anderer 
Standorte  verhalten  sich,  nach  demselben  Forscher,  Blechnum  spicant, 
Allosoms  crispus,  Saxifraga  aspera,  Phyteuma  hemisphaericum,  Andro- 
sace  carnea  und  viele  anderen  ganz  ähnlich.  Kerner  cultivirte  verschie- 
dene Pflanzen,  die  auf  Kalkboden  nie  vorkommen,  auf  kalkreichem 
Substrat:  „Sie  kränkelten  und  starben  alsbald,  ohne  geblüht  zu  haben." 
Unter  den  Bäumen  ertragen  z.  B.  die  Edelkastanie  und  Pinus  Pinaster 
eine  kalkreiche  Bodenlösung  nicht;  auf  die  erstere  soll,  nach  Chatin, 
bereits  ein  dreiprocentiger  Kalkgehalt  des  Bodens  tödtlich  wirken. 

Diejenigen  Pflanzen,  welche  grosse  Mengen  Kalk  ertragen,  ver- 
danken, ähnlich  wie  die  Salzpflanzen,  diese  Eigenschaft  einer  Accomo- 
dation,  welche,  wie  bereits  erwähnt,  oft  mit  sichtbaren  structurellen 
Modificationen  verknüpft  ist.  Der  Zusammenhang  zwischen  solchen 
Veränderungen  und  dem  Einfluss  des  Kalkes  lässt  sich  ebensowenig, 
sei  es  causalphysiologisch,  sei  es  ökologisch  erklären,  als  bei  den  Ver- 
änderungen, die  Kochsalzlösungen  bei  Algen  hervorgerufen  oder  bei 
der  eigenartigen  Rassenbildung  gewisser  Pflanzenarten  auf  Galmei-  und 
Serpentinboden.  Vielleicht  darf  man,  wie  schon  erwähnt,  auch  gewisse 
Veränderungen  durch  parasitische  Pilze  (Euphorbia,  Anemone  etc.)  zu 
derselben   Categorie  chemischer  Beeinflussungen  rechnen. 

Die  ersten  experimentellen  Untersuchungen  über  den  Einfluss  des 
Kalkes  auf  die  Pflanzenstructur  wurden  von  Bonnier  ausgeführt,  nach- 
dem derselbe  beobachtet  hatte,  dass  Ononis  Natrix  auf  kalkarmem 
Boden  eine  andere  Physiognomie  besitzt  als  auf  Kalkboden,  welch'  letz- 
teren sie  gewöhnlich  vorzieht. 

Um  festzustellen,  ob  es  sich  bei  diesem  Unterschied  um  den  Ein- 
fluss des  Kalkes  handelte,  wurden  von  Bonnier  vergleichende  Cultur- 
versuche,  bei  welchen  Samen  eines  und  desselben  Stockes  zur  Ver- 
wendung kamen,  auf  kalkarmem  (*/,  Sand ,  x/2  Thon)  und  kalkreichem 
(78  Kalk,  1js  Sand)  Boden  angestellt.  Die  resultirenden  Pflanzen  waren 
je  nach  der  Beschaffenheit  des  Substrats  von  ungleichem  Aussehen. 
Sie  bekamen  auf  dem  kalkreichen  Boden  höhere,  weniger  ausgebreitete 
Büschel,  breitere  Blätter,  kürzere  Kelchblätter  und  eine  andere  Färbung 
als  auf  dem  kalkarmen  Boden.  Auch  histologische  Unterschiede  liessen 
sich  nachweisen.  Die  kalkarmen  Pflanzen  besassen  ein  verholztes  Mark, 
zahlreiche   Fasern    und    dichtes   Palissadengewebe    in    ihren    Blättchen, 


108  V.   Der  Boden. 

während  die  auf  Kalkboden  gewachsenen  ein  unverholztes  Mark,  weniger 
zahlreiche  Fasern  und  lockeres  Palissadengewebe  aufwiesen. 

Zahlreiche  Beobachtungen  an  natürlichen  Standorten,  namentlich 
solche  von  Fliehe  und  Grandeau,  haben  ebenfalls  eine  deutliche  Ein- 
wirkung des  Kalkes  auf  die  Pflanzenstructur  erwiesen. 

Fliehe  und  Grandeau  beobachteten  bei  der  Robinia  Pseudacacia  (Boden- 
vag) des  Waldes  von  Champfe'tu,  je  nachdem  dieselbe  auf  kalkreichem  oder 
auf  kalkarmem  Boden  gewachsen  war,  folgende  Unterschiede:  Das  Holz 
nimmt  auf  kalkarmem  Boden  nach  dem  siebenten,  auf  Kalkboden  nach  dem 
neunten  Jahre  braune  Färbung  an.  Die  Rinde  ist  auf  ersterem  dünner  und 
dichter,  der  Splint  hellbraun,  während  er  auf  Kalk  gelblich  ist,  die  Gefasse 
sind  zahlreicher  und  breiter.  Im  Holzparenchym  ist  Stärke  auf  kalkarmem 
Boden  reichlicher,  Albuminate  auf  Kalk  reichlicher.  Die  Hülsen  sind  auf 
ersterem  länger  und  namentlich  breiter,  von  hellerer  Färbung  als  auf  Kalk. 

Masclef  untersuchte  Exemplare  von  Pters  aquilina,  die  in  nächster  Nähe 
von  einander  auf  Kalk-  und  Thonboden  gewachsen  waren.  In  ersterem  waren 
die  Rhizome  kürzer,  mit  zahlreicheren,  dichteren  Wurzeln  versehen,  ihr  Reserve- 
parenehym  war  schwächer,  ihre  Schutzgewebe  stärker  entwickelt. 

Timbal-Lagrave  und  Malinvaud  fanden,  dass  Asclepias  Vincetoxicum  auf 
Kalk  und  auf  kalkarmem  Boden  durch  ungleiche  Standortsvarietäten  oder 
Rassen  vertreten  ist 

Hilgard  hat  über  den  Einfluss  des  Kalkes  auf  die  Gestaltung  der  Pflanzen 
ausgedehnte  Beobachtungen  in  Nordamerika  angestellt.  So  sind  Quercus 
ferruginea  und  Q.  obtusifolia  auf  Sandboden  und  schwarzem  Prärieboden 
niedrig,  auf  Kalkboden  hochstämmig  und  von  abweichender  Verzweigung. 
Hoher  Kalkgehalt  fördert  nach  demselben  die  Tragfähigkeit  mancher  öko- 
nomischer Gewächse,  namentlich  der  Baumwolle. 

Untersuchungen  über  die  Natur  des  Einflusses  des  kohlensauren 
Kalkes  auf  den  pflanzlichen  Stoffwechsel  liegen  bis  jetzt  nur  wenige  vor. 
Doch  bezeichnen  die  kritisch  angelegten  und  umfangreichen  Versuche 
von  Fliehe  und  Grandeau  einen  wesentlichen  ersten  Schritt  in  der  an- 
gedeuteten Richtung. 

Die  Untersuchungen  wurden  im  Walde  von  Champfötu  bei  Sens  angestellt, 
wo  auf  einem  Areal  beschränkter  Ausdehnung  Kalkboden  (Kreide)  und  Kiesel- 
boden (Sand  und  sandiger  Thon)  mit  einander  abwechseln,  indem  der  Thon 
und  Sand  als  tertiäre  Ablagerungen  der  Kreide  aufliegen  und  bald  eine  dicke, 
bald  eine  dünne  Schicht  bilden,  oder  auch  abgewaschen  sind.  Das  unter- 
suchte Gebiet  wurde  mit  verschiedenartigen  Waldbäumen  bepflanzt,  welche 
zum  grössten  Theile  auf  jedem  Substrat  gleich  gut  gediehen  sind ,  wie  Pinus 
silvestris,  Pinus  Laricio,  Lärche,  Weisstanne,  Fichte,  Eiche,  Birke  etc.,  während 
die  ebenfalls  angepflanzten  Strandkiefern  und  Edelkastanien  auf  dem  kalk- 
armen Boden  in  grosser  Ueppigkeit  wuchsen,  auf  dem  Kalkboden  aber  küm- 
merlich blieben  und  bald  zu  Grunde  gingen;  letzteres  um  so  schneller,  als 
die  kalkarme  obere  Schicht  dünner  war.  Da  wo  letztere  fehlte,  konnten  beide 
Bäume  überhaupt  gar  nicht  am  Leben  bleiben. 


7.   Das  Kalkcarbonat.  IOO 

Ausser  durch  krüppelhaftes  Wachsthum  und  Absterben  eines  grossen 
Theiles  ihrer  Zweige,  unterschieden  sich  die  Kastanien  und  Strandkiefern  des 
Kalks  von  denjenigen  des  Kieselbodens  durch  geringere  Grösse  und  mehr 
gelbliche,  bei  der  Kastanie  z.  Thl.  weisse  Farbe  ihrer  Blätter.  So  hatten  die 
Nadeln  der  Kiefer  auf  Kieselboden  eine  Länge  von  0,175  m  bis  0»I^7  m 
und  2  mm  Breite;  auf  Kalkboden  schwankte  die  Nadellänge  zwischen 
0,092  m  und  0,111  m  während  die  Breite  1,5  mm  betrug.  Bei  der  Kastanie 
waren  auf  Thon-  und  Sandboden  die  Blätter  bis  0,253  m  lang  und 
0,072  m  breit,  auf  Kalkboden  aber  höchstens  0,149  m  ^ang  und  0,056  m 
breit;  diejenigen  der  Zweigenden  waren  viel  kleiner,  oft  verkümmert, 
nahezu  weiss. 

Die  Analyse  der  Böden,  auf  welchen  die  Exemplare  von  Pinus  Pinaster 
gesammelt  wurden,  deren  Aschenzusammensetzung  nachher  mitgetheilt  werden 
soll,  ergab  folgendes: 

Kieselthonboden  Kalkboden 

Obergrund  Untergrund  Obergrund  Untergrund 

Wasser 1.75          1.66  2.90          2.46 

Organische  Stoffe  .     .     .  5.50          2.84  6.53          5.39 

Kalk 0.35          0.20  3.25  24.04 

Magnesia 0.38          0.47  0.47          1.3 1 

Kali 0.07          0.03  0.04          0.16 

Natron 0.06          0.04  0.03          0.07 

Phosphorsäure   ....  0.64          0.42  0.29         0.18 
Rest  (Kiesels.,  Thonerde, 

Eisenoxyd)       .     .     .  90.55  92.70  83.00  46.80 

Kohlensäure      ....  0.70          1.64  3.54  19.54 

100  100  100  100 

Bei  den  Analysen  der  Asche  der  auf  diesen  Böden  gewachsenen  Strand- 
kiefern kamen  ungefähr  gleiche  Volumina  Holz,  Rinde  und  Blätter  zur  Ver- 
wendung. Vergleichsweise  wurde  die  kalkholde  Pinus  Laricio  des  Kalk- 
bodens mit  analysirt 

Pinus   Pinaster  P.  Laricio 


Kieselb. 

Kalkb. 

Phosphors.    .     . 

9.00 

9.14 

"•33 

Kiesels.    .     .     . 

9.18 

6.42 

714 

Kalk    .     .     .     . 

40.20 

56l4 

49.13 

Eisenoxyd     . 

3.83 

2.07 

3-29 

Magnesia 

20.09 

18.80 

13.49 

Kali     .     .     . 

16.04 

4.95 

i356 

Natron     .     . 

1.91 

2.52 

2.24 

Zusammen     . 

.    100.25 

100.04 

100.18 

Aschengehalt  °j{ 

>        132 

i-535 

2.45 

Die  analysirten  Kastanien  wuchsen  auf  den  gleichen  Böden,  wie  die  Strand- 
kiefer.    Hier  kamen  Blätter  und  Holz  getrennt  zur  Untersuchung. 


IIO 

V. 

Der  Boden. 

Castanea  vesca. 

Blätter 

Holz 

Kieselb. 

Kalkb. 

Kieselb. 

Kalkb. 

Kieselsäure 

5-79 

1.46 

3.08 

1.36 

Phosphorsäure  . 

12.32 

12.50 

4-53 

4.27 

Kalk.     .     .     . 

45-37 

74.55 

73.26 

87.30 

Magnesia     .     . 

6.63 

3-70 

3-99 

2.07 

Kali  .... 

21.67 

5-76 

11.65 

2.69 

Natron    .     .     . 

3.86 

0.66 

0.00 

0.28 

Eisenoxyd   . 

1.07 

0.83 

2.04 

1.27 

Schwefelsäure  .     . 

2.97 

0.00 

1-43 

0.64 

Chlor      .     .     . 

0.30 

0.52 

— 

0.08 

Zusammen   .     . 

.     99.98 

99.98 

99.98 

99.96 

Asche  in  °/0 

4.80 

7.80 

4.74 

5.71 

Was  in  diesen  Tabellen  zunächst  auffällt,  ist  der  grosse  Unterschied 
im  Gehalt  an  Kalk  und  Kali.  Die  auf  Kieselboden  ge- 
wachsenen Bäume  sind  viel  reicher  an  Kali  und  viel 
ärmer  an  Kalk  als  diejenigen  des  Kalkbodens. 

Die  Verfasser  ziehen  aus  diesen  Befunden  den  Schluss,  dass  Kalk- 
reichthum  des  Bodens  die  Au fn ahme  des  Kali  beeinträchtigt, 
während  es  diejenige  des  Kalks  befördert  und  hiermit 
einen  anomalen,  für  die  Pflanze  schädlichen  Zustand 
schafft. 

Bedeutsam  ist  vielleicht  auch  der  Unterschied  der  Aschen  im  Gehalt 
an  Eisenoxyd,  obwohl  er  wegen  der  geringen  in  Betracht  kommenden  Menge 
weniger  auffallt.  Strandkiefer  und  Kastanie  sind,  namentlich  in 
ihren  Blättern,  auf  Kalkboden  viel  ärmer  an  Eisenoxyd  als 
auf  Kieselboden.  Zieht  man  dabei  den  geringeren  Gehalt  der  Blätter 
an  Chlorophyll  auf  Kalkboden  in  Betracht,  so  wird  man  mit  Wahrscheinlichkeit 
schli essen  dürfen,  dass  bei  kalkfeindlichen  Pflanzen,  die  auf  Kalkboden  wachsen, 
die  Aufnahme  des  Eisens,  bezw.  seine  Fortleitung  beeinträch- 
tigt, und  damit  die  Chlorophyllbildung  eine  Einbusse  er- 
fährt Auch  Contejean  hat  unter  solchen  Umständen  stets  gelbliche  Färbung 
beobachtet,  so  bei  Sarothamnus,  Ulex,  Calluna,  Anthoxanthum  Puellii. 

Die  physiologischen  Ursachen  des  schädlichen  Einflusses  des  Kalk- 
carbonats  auf  gewisse  Pflanzenarten  sind  durch  die  Untersuchungen 
von  Fliehe  und  Grandeau  unserem  Verständniss  näher  gerückt ;  dagegen 
bleibt  das  ungleiche  Verhalten  der  Arten  ganz  unerklärt.  Eine 
Affinität  der  „kalkholden"  Gewächse  zum  Kalkcarbonat,  ähnlich  der- 
jenigen der  Halophyten  zum  Chlornatrium,  der  Nitrophyten  zum 
Salpeter  scheint  hier  nicht  in  Betracht  zu  kommen;  die  von  den 
einzelnen  Pflanzenarten  aus  demselben  Boden  aufgenommenen  Kalk- 
mengen sind  zwar  in  der  Regel  sehr  ungleich,  aber  ohne  merklichen 
Zusammenhang  mit  der  grösseren  oder  geringeren  Fähigkeit,  auf  kalk- 
reichem Substrat  zu  gedeihen. 


7.   Das  Kalkcarbonat.  III 

So  wachsen  z.  B.  im  künstlichen  Wald  von  Champfötu  auf  kalkarmem 
Boden  (0,35  °/0  CaO)  gemeinschaftlich  der  in  der  Natur  Kalkholde  Cy- 
tisus  Laburnum,  mit  27,1 5  °/0  CaO),  der  kalkfeindliche  Ulex  europaeus 
mit  25,97  CaO,  der  ebenfalls  kalkfeindliche  Sarothamnus  scoparius  mit 
25,03  CaO,  und  die  indifferente  Robinia  Pseudacacia  mit  58,97%  CaO 
in  der  Asche.  Zieht  man  in  Betracht,  dass  der  Goldregen  nur  die 
halbe  Aschenmenge  der  übrigen  Arten  enthält,  so  ergiebt  sich,  dass 
derselbe,  obwohl  kalkhold,  kalkärmer  ist  als  seine  kalkfeindlichen  Ver- 
wandten. 

§  2.  Kalkboden  und  Florencharakter.  Die  Flora  einer  Gegend, 
deren  Krume  theils  aus  sehr  kalkarmen  Gesteinen  wie  Granit,  Sand- 
stein oder  Schiefer,  theils  aus  kalkreichem  Gesteine  hervorgegangen 
ist,  zeigt  einen  sofort  in  die  Augen  fallenden  Unterschied  in  der 
floristischen  Zusammensetzung  der  Vegetationsdecke  beider  Bodenarten, 
obwohl  viele  Gewächse  sowohl  das  kalkreiche ,  wie  das  kalkarme 
Substrat  bewohnen.  Streng  an  kalkarmen  Boden  gebunden  sind  z.  B. 
in  Deutschland:  Calluna  vulgaris,  Vaccinium  Myrtillüs,  Sarothamnus 
scoparius,  Scleranthus  perennis,  Rumex  Acetosella,  Digitalis  purpurea, 
während  man  u.  a.  folgende  Arten  nur  auf  Kalkboden  antreffen  wird : 
Prunus  Mahaleb,  Aster  Amellus,  Hippocrepis  comosa,  Teucrium 
montanum,  T.  botrys,  Globularia  vulgaris,  Epipactis  rubiginosa  etc. 
Manche  Arten  zeigen  nur  eine  ausgesprochene  Vorliebe  für  die  eine 
oder  die  andere  Bodenart,  ohne  sich  so  streng  an  dieselbe  zu  halten. 
So  zeigt  sich  der  so  gemeine  Adlerfarn  nur  selten  auf  Kalkboden, 
Anthyllis  Vulneraria  und  Scilla  bifolia  selten  auf  kalkarmem  Boden,  — 
wobei  als  kalkarm  ein  Boden  zu  bezeichnen  ist,  der  weniger  als  3°/0 
Kalk  enthält. 

Nach  dem  im  Vorhergehenden  nachgewiesenen  schädlichen  Einfluss 
des  Kalkcarbonats  auf  gewisse  Pflanzenarten,  ist  das  Fehlen  der  letzteren 
auf  kalkreichem  Substrat  wohl  verständlich.  Nicht  minder  begreiflich 
erscheint  es,  dass  manche  Arten,  obwohl  nicht  besonders  kalkbedürftig, 
auf  Kalkboden  beschränkt  sind.  Aehnlich  wie  die  Halophyten,  sind  es 
Flüchtlinge  des  Kampfes  ums  Dasein,  die  sich  auf  Kieselboden  gegen 
stärkere  Concurrenten  nicht  zu  behaupten  vermögen,  aber  Kalkboden 
besser  als  sie  vertragen. 

Dass  der  eigenartige  Florencharakter  des  Kalk- 
bodens in  erster  Linie  mit  dessen  chemischen  Eigen- 
schaften zusammenhängt,  wäre  nie  in  Zweifel  gezogen 
worden,  wenn  die  gleichen  Pflanzenarten  immer  gleiches 
Verhalten  zeigten;  dieses  ist  jedoch  nur  in  beschränktem 
Maasse  der  Fall.  Nur  solche  Arten,  für  welche  der  Kalk  giftig 
ist,  bleiben  von  Kalkboden  constant  fern.  Im  Uebrigen  ist  der 
Unterschied    zwischen   Kalkflora    und   Kieselflora    nicht 


112  V.   Der  Boden. 

constant,  wie  zwischen  Halophyten  und  Nichthalophyten, 
sondern  nach  dem  Gebiet  wechselnd.  In  einer  Gegend  mit 
verschiedenen  Bodenarten,  aber  sonst  gleichen  Existenzbedingungen 
der  Vegetation  werden  sich  stets  bestimmte  Pflanzenarten  nur  auf 
Kalkboden,  andere  nur  auf  Kieselboden  zeigen,  während  eine  dritte 
Gruppe  mehr  oder  weniger  indifferent  sein  wird.  Listen  der  drei 
Gruppen  in  dieser  einen  Gegend  werden  für  eine  zweite  Gegend  nur 
theilweise  ihre  Gültigkeit  bewahren.  Manche  kalkscheue  Art  der  ersten 
Gegend  ist  in  der  zweiten  kalkhold,  oder  umgekehrt  und  viele  der  in 
einer  Gegend  bodensteten  Arten  zeigen  sich  in  einer  anderen  auf  jeder 
Bodenart. 

Beispielsweise  fand  Bonnier,  dass  die  Listen  der  mehr  oder  weniger 
bodensteten  Arten,  die  für  die  Schweizeralpen  aufgestellt  worden  sind, 
im  Dauphin^  keine  volle  Gültigkeit  mehr  besassen.  Noch  weniger 
lassen  sich  dieselben  auf  die  Karpathen  oder  auf  Skandinavien  über- 
tragen. So  bevorzugt  die  Lärche  in  der  Schweiz  und  in  Tirol  das 
kalkarme  Urgestein  und  ist  auf  Kalk  selten,  während  sie  in  Baiern 
und  Salzburg  ganz  allgemein  auf  Kalkboden,  aber  nicht  auf  Kiesel- 
boden vorkommt  und  in  den  Karpathen  gleichmässig  auf  allen  Boden- 
arten wächst. 

Die  Literatur  weist  eine  ziemlich  grosse  Anzahl  ähnlicher  Fälle  auf: 
„Pinus  montana  Mill.  ist  in  ihren  Formen  uncinata  und  Pumilio  eine  ent- 
schiedene Kalkpflanze,  sie  wechselt  dort  (d.  h.  in  den  Schweizeralpen)  auf- 
fallend je  nach  der  Unterlage  mit  Alnus  viridis.  Die  Legföhre  bildet  auf 
den  Geröllhalden  der  Kalkgebirge  ihre  Buschwälder,  während  die  Erle  die 
Abhänge  des  Urgebirges  bekleidet.  In  den  Karpathen  hingegen  ist  das 
Krummholz  bodenvag."  (Christ).  —  Folgende  Arten  sind  nach  Wahlenberg  in 
den  Karpathen  kalkstet,  in  der  Schweiz  nach  Christ  bodenvag :  Dryas  octopetala, 
Saxifraga  oppositifolia,  die  meisten  Alpenleguminosen,  Gentiana  nivalis,  G.  tenella 
G.  verna,  Erica  carnea,  Chamaeorchis  alpina,  Carex  capillaris.  —  Bupleurum 
stellatum  und  Phaca  alpina  sind  in  den  Karpathen  kalkstet,  in  der  Schweiz 
kieselhold.  —  Geum  reptans  ist  nach  Bonnier  in  Savoien  (Mt.  Blanc)  exclusive 
Kalk-,  im  Dauphin^  exclusive  Kieselpflanze;  in  der  Schweiz  scheint  sie  boden- 
vag zu  sein. 

Angesichts  solcher  Erscheinungen,  welche  sich  mit  jeder  Unter- 
suchung vermehrten,  so  dass  die  Zahl  der  wirklich  bodensteten  Arten 
mehr  und  mehr  zusammenschrumpfte,  fing  man  in  der  Mitte  des  Jahr- 
hunderts an,  allmählich  einen  chemischen  Einfluss  des  Bodens  auf  den 
Florencharakter  in  Zweifel  zu  ziehen  und  die  Unterschiede  der  Kalk- 
und  der  Kieselflora  auf  physikalische  Factoren  zurückzuführen.  Der  aus- 
gezeichnete schweizerische  Forscher  Thurmann  siegte  eine  Zeit  lang  mit 
seiner  „physikalischen  Theorie",  welche  den  chemischen  Einfluss  nicht 
bloss  der  Kieselsäure,  sondern  auch  des  Kalkcarbonats  vollständig  ver- 


7.   Das  Kalkcarbonat.  j  j  3 

neinte  und   die  Unterschiede   der  Flora   ausschliesslich   auf  solche   der 
Feuchtigkeit  und  des  Aggregatzustandes  des  Bodens  zurückführte. 

Thurmann  theilte  die  Gesteine  ein  in  eugeogene,  welche  einen  reichen 
Detritus  liefern,  und  dysgeogene,  welche  nur  wenig  oder  gar  nicht  in 
Detritus  zerfallen.  Die  Hygrophyten  sind  an  eugeogenen,  die  Xerophyten  an 
dysgeogenen  Boden  gebunden.  Nach  der  physikalischen  Beschaffenheit  des 
Detritus  unterschied  Thurmann  weiter  pelogene  Bodenarten,  von  sehr  fein- 
körniger, erdiger  Beschaffenheit  und  psammogene,  von  mehr  oder  weniger 
grobkörniger,  sandiger  Beschaffenheit.  Nach  dem  Grade  ihrer  Zertheilung 
wurden  die  pelogenen  Böden  weiter  eingetheilt  in  perpelische,  hemi- 
pelische,  oligopelische  und  die  psammischen  ganz  ähnlich  in  per- 
psammische  u.  s.  w.  Zwischenformen  beider  Hauptgruppen  wurden  als 
pelopsammisch  unterschieden. 

Die  sogenannten  Kieselpflanzen  sind  nach  Thurmann  Hygrophilen; 
die  Kalkpflanzen  Xerophilen.  Nicht  die  Anwesenheit  von  Kieselsäure  oder 
Kalk,  sondern  diejenige  grösserer  oder  geringerer  Wassermengen  ist  für  ihr 
Auftreten  maasgebend,  während  die  anderen  physikalischen  Unterschiede  feinere 
Nuancen  in  der  Zusammensetzung  der  Pflanzendecke  hervorrufen  sollen. 

Dass  die  eben  kurz  skizzirte  Theorie  sich  lange  Zeit  so  allgemeiner  Zu- 
stimmung erfreute  und  die  chemische  beinahe  in  Vergessenheit  geriet,  wurde 
von  Nägeli,  der  1865  zu  Gunsten  der  letzteren  in  einer  geistreichen  Ab- 
handlung auftrat,  wesentlich  auf  den  Umstand  zurückgeführt,  dass  „die  Be- 
hauptungen der  physikalischen  Theorie  sich  in  einer  gewissen  Unbestimmtheit 
bewegen,  so  dass  die  Kritik  nirgends  eine  feste  Handhabe  zur  Widerlegung 
hat,  und  nichts  schwieriger  ist,  als  eine  vage  Vorstellung  zu  berichtigen." 

Dennoch  sind  Nägeli  viele  Bekehrungen  nicht  gelungen,  wohl  schon  des- 
halb nicht,  weil  die  besseren  Kräfte  beinahe  ganz  durch  die  Laboratoriumarbeit 
in  Anspruch  genommen  waren,  während  die  anderen  solchen  allgemeinen 
Fragen  damals  glücklicherweise  fern  blieben.  Erst  seit  1880  hat  es  wieder 
angefangen,  auf  dem  Gebiete  rege  zu  werden,  mit  dem  Ergebniss,  dass  die 
sogenannte  chemische  Theorie,  gestützt  auf  eine  richtige  Auffassung  des 
Problems  sowie  durch  ein  besseres  Material  an  Beobachtungen  in  der  Natur, 
sowie  Bodenanalysen  und  Culturen,  jetzt  unerschütterlich  feststeht. 

Eine  Hauptursache  des  Discredits,  in  welchen  die  chemische  Theorie  ge- 
rathen  war,  ist  in  der  damals  herrschenden  falschen  Auffassung  des  Boden- 
einflusses zu  suchen.  Es  wurde  angenommen,  dass  die  Kalkpflanzen  des 
Kalks,  aber  nicht  der  Kieselsäure,  die  Kieselpflanzen  dagegen  der  Kieselsäure, 
aber  nicht  des  Kalks  zur  Ernährung  bedurften.  Es  braucht  nicht  mehr  betont 
zu  werden,  dass  solche  Anschauungen,  welche  merkwürdigerweise  jetzt  noch 
von  einigen  Pflanzengeographen  gehegt  werden,  der  Wirklichkeit  nicht  ent- 
sprechen. 

Die  Unhaltbarkeit  der  sogenannten  physikalischen  Theorie  ergiebt 
sich  schon  mit  grösster  Sicherheit  daraus,  dass  auch  bei  gleichen  physi- 
kalischen Eigenschaften  des  Substrats,  die  Flora  nach  dessen  chemischen 
Eigenschaften  wechselt.  Auf  den  Felsen  eines  Stromes  im  kalkarmen 
Granitgebirge  wird  man  nach  Boulay  z.  B.  beobachten:    Hypnum   dila- 

Schimper,  Pflanxengeographie.  8 


1 14  V.   Der  Boden. 

tatum,  H.  ochraceum,  Brachythecium  plumosum,  Amblystegium  irriguum, 
Fontinalis  squamosa ,  Rhacomitrium  aciculare ,  Pterigophyllum  lucens. 
Vergeblich  wird  man  nach  diesen  Arten  im  Kalkgebirge  suchen.  Hin- 
gegen wird  man  in  den  Gewässern  des  letzteren  viele  dem  Kiesel- 
gestein fehlende  Arten,  z.  B.  solche  von  Cinclidotus  finden. 

Nicht  minder  wesentlich  verschieden  ist  in  kalkreichem  und  kalk- 
armem Wasser  die  Algenflora,  auch  die  freischwebende  (z.  B.  die 
Desmidiaceen). 

In  allen  solchen  Fällen  kann  der  Unterschied  nur  mit  dem  Kalk- 
gehalt des  Wassers  zusammenhängen,  denn  die  physikalische  Beschaffen- 
heit des  Substrats  ist  für  die  oberflächlich  befestigten  Moose  gleich- 
gültig und  kommt  für  freischwebende  Algen  erst  recht  nicht  in  Betracht. 

Sehr  instructiv  ist  auch  der  Unterschied  in  der  Flora  von  Hoch- 
und  Wiesenmooren.  In  beiden  Fällen  ist  das  Substrat  Torf,  im  ersten 
Falle  aber  ist  es  von  kalkarmem,  im  letzteren  Falle  von  kalkreichem 
Wasser  durchtränkt.  Die  Flora  beider  Moore  ist  aber  eine  sehr  un- 
gleiche. Nur  auf  Hochmooren  findet  man  Sphagnum ,  Viola  palustris, 
Spergula  pentandra,  Drosera,  Vaccinium  uliginosum  und  V.  Vitis  idaea, 
Calluna  vulgaris,  Rhododendron  ferrugineum,  Pedicularis  silvatica,  Carex 
dioica,  Aira  flexuosa,  Pteris  aquilina  etc.  etc.,  nur  auf  Kalkmooren  hin- 
gegen: Spergula  nodosa,  Pedicularis  palustris,  Erica  carnea,  Primula 
auricula,  Carex  Davalliana,  Sesleria  coerulea  etc. 

Grosse  Unterschiede  zeigen  sich  auch  zwischen  den  Moosen  und  Flechten, 
die  an  der  Oberfläche  von  Felsen  wachsen,  je  nachdem  diese  kalkarm  oder 
kalkreich  sind,  während  für  die  meisten,  wenn  auch  nicht  für  alle  Arten,  die 
physikalische  Beschaffenheit  irrelevant  ist.  So  sind  die  Arten  von  Andraea 
sämmtlich  kalkfeindlich,  ferner  viele  Arten  von  Rhacomitrium,  Grimmia,  Dicra- 
num  etc.,  während  schon  aus  der  Anwesenheit  bestimmter  anderer  Formen, 
namentlich  solcher  von  Barbula,  Pottia,  Desmatodon,  Encalypta,  Gymnosto- 
mum  etc.  mit  Sicherheit  auf  Kalkstein  als  Unterlage  geschlossen  werden  darf. 
Viele  Flechten  der  Felsen  zeigen  eine  ähnliche  Abhängigkeit  von  der  che- 
mischen Beschaffenheit  der  Unterlage,  während  für  andere,  namentlich  sich 
sehr  langsam  entwickelnde,  grosse  Dauerhaftigkeit  des  Substrats,  also  eine 
physikalische  Eigenschaft,  maassgebend  sein  soll.  Flechten  der  letzteren  Art 
findet  man  vorwiegend  auf  Granit  oder  Porphyr,  aber  auch  auf  sehr  festem 
krystallinischem  Kalkgestein. 

Ein  Quarzsand  besitzt  ganz  ähnliche  physikalische  Eigenschaften  wie  ein 
krystallinischer  Kalksand,  und  doch  haben  beide  ihre  durchaus  charakteristischen 
Moose,  ersterer  z.  B.  Brachythecium  albicans,  letzterer  Barbula  inclinata.  Nicht 
weniger  verschieden  ist  die  Moosflora  des  Lehms,  je  nachdem  derselbe  kalk- 
arm oder  kalkreich  ist,  obwohl  die  physikalischen  Eigenschaften  nur  wenig 
verschieden  sind.    So  lernte  Sendtner  Ephemerum  serratum,  Phascum  crispum, 

')  C.  fontinaloides  ist  nach  Limpricht  in  Schlesien  kalkscheu. 


7.   Das  Kalkcarbonat  1 1  5 

Pleuridium  subulatum  etc.,  als  so  kalkfeindlich  kennen,  dass  er  ihr  Dasein 
als  geeignet  hielt,  einen  zur  Ziegelbrennerei  geeigneten  Lehm  anzuzeigen. 

Die  die  Basis  der  ganzen  physikalischen  Bodentheorie  bildende 
Annahme,  dass  die  Kalkpflanzen  xerophil,  die  Kieselpflanzen  hyprophil 
seien,  entbehrt  jeder  Annahme.  Kalkreiche  und  kalkarme  Gewässer 
sind  auch  physiologisch  gleich  nass,  Hochmoore  und  Wiesenmoore 
gleich  feucht.  Aber  auch  auf  erdigem  Boden  giebt  es  Hygrophilen  auf 
Kalkboden,  Xerophilen  auf  kalkarmem  Boden.  Ja,  auf  Basalt  kehrt  sich 
das  Verhältniss  geradezu  um,  indem  die  Kieselpflanzen  dann  das  wenig 
zersetzte  Gestein  als  Xerophyten,  die  Kalkpflanzen  die  Feinerde  als 
Hygrophyten  bewohnen.  Beispiele  von  ausgesprochenen  Hygrophilen 
des  Kalkbodens  sind  z.  B. :  Ranunculus  lanuginosus ,  Arabis  alpina, 
Moehringia  muscosa,  Bellidiastrum  Michelii,  Campanula  pusilla  etc. 

Grösste  Abhängigkeit  von  der  chemischen  Beschaffenheit  des  Sub- 
strats contrastirt  manchmal  sogar  in  auffallendster  Weise  mit  grösster 
Gleichgültigkeit  in  Bezug  auf  die  rein  physischen  Bedingungen.  So 
schreibt  Schultz:  „Eine  Reihe  von  Pflanzen  hat  die  Eigenschaft,  auf  jedem 
Standorte,  vom  dürrsten  Felsboden  bis  zur  sumpfigen  Torfwiese  leben  zu 
können.  Die  meisten  von  diesen  sind  eigenartigerweise  kalkbedürftig, 
z.  B.  Polygala  comosa,  P.  amara,  Astragalus  danicus,  Phyteuma  orbicu- 
lare,  Gentiana  cruciata,  Prunella  grandiflora,  Orchis  militaris,  Carex 
flacca  etc."  (1.  c.  p.  43)  So  wächst  nach  Boulay  Hypnum  chrysophyllum 
an  allen  kalkreichen  Standorten,  in  Sümpfen,  auf  Dolömitsand,  auf 
trockenen  Steinen  und  auf  Wiesen.  Hingegen  wachsen  Grimmia  leuco- 
phaea  und  Gr.  trichophylla  auf  beinahe  allen  von  Thurmann  unter- 
schiedenen Bodenarten,  unter  der  einzigen  Bedingung,  dass  sie  kalkarm 
sind.  Achillea  moschata  und  A.  atrata,  die  in  den  Gegenden,  wo  sie 
gemeinschaftlich  wachsen,  ausgesprochen  bodenstet  sind,  erstere  auf 
Kieselboden,  letztere  auf  Kalkboden,  sind  in  Bezug  auf  die  physikalischen 
Eigenschaften  ganz  bodenvag. 

Nach  dem  Gesagten  muss  in  den  chemischen  Eigenschaften  des 
Bodens  allein  oder  doch  in  erster  Linie  die  Ursache  des  Unterschieds 
zwischen  Kalk-  und  Kieselflora  liegen.  Auch  hier  muss  daher  der 
Schlüssel  der  räthselhaften  Erscheinung,  dass  die  gleiche  Pflanzenart  nach 
der  Gegend  ungleiches  Verhalten  der  chemischen  Bodenbeschaffenheit 
gegenüber  zeigt,  gesucht  werden.  Die  Ursache  solches  un- 
gleichen Benehmens  ist  offenbar  dadurch  bedingt,  dass 
eine  auf  kalkreichem  Substrat  gewachsene  Pflanze,  wie 
oben(S.  I07u.f.)  gezeigt  wurde,  einen  anders  beschaffenen 
Organismus  darstellt  und  daher  andere  physiologische 
Eigenschaften  und  eine  andere  Oekologie  besitzt,  als 
eine  auf  kalkarmem  Substrat  gewachsene. 

Ungleiche     pflanzliche     Organismen     verhalten     sich 

8* 


n6 


V.    Der  Boden. 


aber,  sogar  oder  vielmehr  gerade  bei  sehr  naher  Ver- 
wandtschaft, äusseren  Einwirkungen  gegenüber  ungleich. 
Was  der  Kalkform  einer  Art  zu  gute  kommt,  wird  daher  oft  die  Kiesel- 
form weniger  begünstigen  oder  ihr  sogar  schaden.  Die  äusseren 
Bedingungen  wechseln  aber  nach  den  Gegenden.1)  In 
einer  Gegend  ist  die  Kieselform,  in  einer  anderen  die 
Kalk  form  den  Bedingungen  besser  angepasst,  während 
in  einer  dritten  Gegend  beide  Formen  sich  im  Kampf 
ums  Dasein  zu  erhalten  vermögen.  Dementsprechend 
ist    ein    und    dieselbe    Art    im    ersten   Gebiet    kalkscheu, 

im      zweiten      kalk- 
hold,    im     dritten 
bodenvag. 
>^Ci /  /,-  W       \lm*  E*n  instructives  Bei- 

spiel der  ungleichen 
physiologischen  Eigen- 
schaften der  Kalkform 
und  Kieselform  derselben 
Pflanzenart  zeigt  z.  B. 
Pinus  uncinata.  Als  Kalk- 
form sucht  diese  Kiefer, 
wenigstens  in  der  Schweiz 
und  in  Baiern,  trockenes 
Gerolle  auf,  während  sie 
als  Kieselform  steinige, 
trockene  Standorte  flieht 
und  nur  in  Mooren  vor- 
kommt. In  anderen  Ge- 
bieten, bei  anderem  Klima 
werden  möglicherweise 
die  beiden  Formen  an- 
deres Verhalten  zeigen. 
Nägeli  und  Christ  haben  für  nahe  verwandte  Arten  von  Gentiana, 
Achillea  und  Rhododendron  nachgewiesen,  dass  nahe  übereinstimmende 
pflanzliche  Organismen  sich  in  Bezug  auf  die  chemische  Qualität  des 
Substrats  sehr  ungleich  verhalten.  So  ist  z.  B.  in  der  Schweiz  Gen- 
tiana acaulis  kalkhold,  während  die  nahe  verwandte  und  meist  nur 
als  Varietät  der  ersteren  aufgeführte  Gentiana  excisa  kalkscheu  ist 
(Fig.  54);    ganz   exclusiv   ist   keine  von  beiden.     Aehnliche,    allerdings 


Fig.  54.    1  Gentiana  excisa  Presl.    Kalkscheu.   2  Gentiana 
acaulis  L.  ex  p.     Kalkhold.     a/3  nat  Gr. 


l)  Die  ausserordentlich  grosse  Empfindlichkeit  des  pflanzlichen  Organismus  gering- 
fügigen äusseren  Einflüssen  gegenüber  geht  u.  A.  aus  Wettstein's  schönen  Untersuchungen 
über  Gentiana  und  Euphrasia  hervor. 


7.   Das  Kalkcarbonat. 


117 


weniger  ähnliche  Paare  sind  Achillea  atrata  und  moschata  (Fig.  55), 
Rhododendron  hirsutum  und  Rh.  ferrugineum,  Androsace  pubescens 
und  glacialis,  Juncus  Hostii  und  trifidus  etc.,  wobei  die  erstgenannte 
Art  die  kalkliebende  ist.  Kerner  hat  eine  lange  Liste  solcher  Parallel- 
arten aufgestellt.1) 


Fig.   55-     /  Achillea  atrata.     Kalkhold.     2  Achillea  moschata.     Kalkscheu.     Nat.  Gr. 

Die  Parallelformen  sind  in  der  Regel  bodenstet  in  den  Gegenden, 
wo  beide  vorkommen  und  bodenvag,  wo  die  eine  fehlt.  Nägeli  hat 
dieses  ungleiche  Verhalten  in  scharfsinniger  Weise  an  dem  Beispiel 
von  Achillea  atrata  und  moschata  gedeutet. 

Achillea   moschata    verdrängt  A.  atrata    auf  Kieselboden    und    wird    von 


»)  Kerner  I. 


1 1 8  V.    Der  Boden. 

ihr  auf  Kalkboden  verdrängt.  Dagegen  wächst  die  eine  sowohl  als  die  andere 
mit  A.  Millefolium  zusammen.  Offenbar  machen  die  beiden  erstgenannten 
wie  sie  äusserlich  einander  höchst  ähnlich  sind,  analoge  Ansprüche  an  die 
Aussenwelt.  A.  Millefolium  dagegen,  welche  von  beiden  ferner  steht,  con- 
currirt  nicht  mit  ihnen,  weil  sie  auf  andere  Existenzbedingungen  angewiesen 
ist.     Fehlt  die  eine  der  beiden  Arten,  so  wird  die  andere  bodenvag. 

„Im  Bernina-Heuthal  (Oberengadin)  kommen  A.  moschata,  A.  atrata  und 
A.  Millefolium  in  Menge  vor;  A.  moschata  und  A.  Millefolium  auf  Schiefer, 
A.  atrata  und  A.  Millefolium  auf  Kalk.  Wo  der  Schiefer  mit  Kalk  wechselt, 
da  hört  auch  immer  A.  moschata  auf  und  A.  atrata  beginnt.  Es  sind  also 
hier  die  beiden  Arten  streng  bodenstet ;  und  so  habe  ich  es  an  verschiedenen 
Orten  in  Bündten  beobachtet,  wo  sie  beide  vorkommen.  Mangelt  aber  eine 
Art,  so  ist  die  andere  bodenvag.  A.  atrata  bewohnt  dann  ohne  Unterschied 
Kalk  und  Schiefer;  und  ebenso  findet  man  A.  moschata,  obgleich  dieselbe, 
wie  es  scheint,  nicht  so  leicht  auf  den  Kalk,  wie  jene  auf  den  Schiefer  geht, 
doch  neben  dem  Urgebirge  auch  auf  ausgesprochener  Kalkformation  mit  der 
dieser  eigentümlichen  Vegetation.  Im  Bernina-Heuthal  traf  ich  mitten  auf 
dem  Schiefer,  der  mit  A.  moschata  bevölkert  war,  einen  grossen  herab- 
gestürzten Kalkblock,  kaum  mit  zolldicker  Krumme  bedeckt  Auf  demselben 
hatte  sich  eine  Colonie  von  A.  moschata  angesiedelt,  weil  hier  die  Concurrenz 
der  A.  atrata  ausgeschlossen  war." 


8.  Der  Humus. 

§  i.  Chemie  und  Physik  des  Humus.1)  Nur  wenige  natürliche 
Böden  bestehen  ausschliesslich  aus  Mineralstoffen,  —  nur  solche 
nämlich,  die  des  Pflanzenwuchses  ganz  entbehren.  Sobald  sich  auf  einem 
mineralischen  Substrat  Gewächse  angesiedelt  haben,  seien  es  auch  nur 
Bacterien,  einzellige  Algen  und  langsam  wachsende  Flechten,  so  ent- 
stehen durch  ihr  Absterben  und  ihre  Zersetzung  feinkörnige  organische 
Stoffe,  welche  sich  durch  Vermittelung  des  Regens  und  der  Thiere  des 
Bodens  allmählich  innig  mit  den  Mineralstoffen  zu  der,  äusserlich  durch 
ihre  nahezu  schwarze  Färbung  von  rein  mineralischem  Detritus  sofort 
unterscheidbaren  dunkeln  Erde  oder  Ackererde  vermengen. 

Die  organischen  Zersetzungsprodukte  von  Thier  und  Pflanze  werden 
Humus  genannt.  Während  des  Vorgangs  der  Humification  werden 
auf  Kosten  der  pflanzlichen  oder  thierischen  Leiche  durch  Oxydation 
Kohlensäure  und  Wasser  erzeugt,  letzteres  aber  in  viel  grösserer  Menge 
als  erstere,  so  dass  der  Rest  viel  kohlenstoffreicher  wird,  als  der 
lebende  Organismus  es  war.  Bei  hinreichendem  Luftzutritt  findet  auf 
Kosten  der  Proteinstoffe  Bildung  von  Ammoniak  und  Salpetersäure 
statt;    doch    bleibt   der    grösste   Theil   des   Stickstoffs   in   schwer   zer- 

l)  Vgl.  namentlich  Ad.  Mayer  und  P.  Müller. 


8.  Der  Humus.  1 19 

setzlichen  organischen  Verbindungen  erhalten.  Das  Nachstehende 
bezieht  sich  zunächst  nur  auf  den  allverbreiteten  und  wichtigen  pflanz- 
lichen Humus;  der  thierische  Humus  hat  für  die  Gliederung  der 
natürlichen  Pflanzendecke  nur  ganz  lokale  Bedeutung  und  wird  besonders 
behandelt  werden. 

Wie  aus  dem  Vorhergehenden  sich  ergiebt,  ist  der  Humus  reich 
an  zwei  der  wichtigsten  Elemente  der  Pflanzensubstanz  und  zwar  solchen, 
welche  im  anorganischen  Nährmedium  nur  in  sehr  starker  Verdünnung 
enthalten  sind,  Kohlenstoff  und  Stickstoff.  Diese  Nährstoffe  sind  je- 
doch, in  der  Form  welche  sie  im  Humus  bekleiden,  für  die  grünen 
Pflanzen,  ja  für  alle  höheren  Pflanzen  unverwerthbar.  Nur  gewisse 
Bacterien  und  Pilze  vermögen  sie  mehr  oder  weniger  zu  assimiliren 
oder  in  einfachere  Verbindungen  zu  spalten.  Manche  Phanerogamen 
und  Farne  haben  sich  diese  Eigenschaft  niederer  Pflanzen  zu  Nutze 
gemacht  und  vermögen  dadurch  indirekt  dem  Humus  Kohlenstoff  und 
Stickstoff  zu  entziehen;  im  Allgemeinen  jedoch  werden  diese  Stoffe 
nicht  dem  Humus,  sondern  der  Kohlensäure  der  Luft  und  den  Nitraten 
des  Bodens  entnommen. 

Von  allgemeinerer  Wichtigkeit  als  Kohlenstoff  und  Stickstoff  sind 
für  die  meisten  Pflanzen  die  Aschenbestandtheile,  welche  der  Humus 
in  grösserer  Concentration  und  in  besserer  mechanischer  Zertheilung 
enthält,  als  die  rein  mineralischen  tieferen  Schichten.  Der  Reichthum 
des  Humus  an  nutzbaren  Aschenbestandtheilen  hängt  theils  mit  dem 
Gehalt  der  verwesenden  Pflanzentheile  an  solchen,  theils  mit  der 
Thätigkeit  der  Regenwürmer  zusammen,  die  Bodenbestandtheile  aus 
der  Tiefe  nach  oben  befördern  und  in  ihrer  Verdauungsröhre  mit  dem 
Humus  innig  vermengen  und  zerkleinern.  Fügt  man  zu  den  erwähnten 
Eigenschaften  noch  die  früher  erwähnte  Absorptionsfähigkeit  hinzu,  so 
wird  man  die  günstigen  Wirkungen  des  Humus  auf  die  Vegetation 
wohl  begreifen.  Allerdings  ist,  wie  nachher  gezeigt  werden  soll,  nicht 
jeder  Humus  solcher  Eigenschaften  theilhaftig  und  ein  gutes  Substrat 
des  Pflanzenlebens. 

Die  organischen  Bestandteile  des  Humus  sind  noch  sehr  un- 
vollkommen bekannt.  Die  einen  haben  Säurecharakter  und  gehen  mit 
Alkalien  lösliche,  mit  alkalischen  Erden  unlösliche  dunkelfarbige  Ver- 
bindungen ein.  Die  braunen  Humusstoffe  werden  unter  dem  Collektiv- 
namen  Ulminsäure,  die  mehr  schwarzen  als  Huminsäure  zu- 
sammengefasst.  Die  in  Alkalien  unlöslichen  indifferenten  Bestandtheile 
des  Humus  werden  Humus,  wenn  sie  schwarz,  Humin  wenn  sie  braun 
gefärbt  sind,  genannt. 

Erschwerte  Zufuhr  von  Sauerstoff  begünstigt  die  Bildung  und 
Anhäufung  der  sauren  Verbindungen  und  dadurch  die  Bildung  des 
sauren  Humus,  der  im  Gegensatz  zu  dem  bei  reichlichem  Sauerstoff- 


120  V.   Der  Boden. 

zutritt  entstehenden  milden  Humus  eine  üppige  und  formenreiche 
Vegetation  nicht  aufkommen  lässt. 

Der  milde  Humus  ist  meist  locker  und  heisst  dann  Mull.  Er  ist 
mit  mineralischen  Bodenbestandtheilen  innig  vermengt  und  geht  durch 
deren  Zunahme,  ohne  scharfe  Grenze,  in  den  rein  mineralischen  Unter- 
grund über.  Mull  zeigt  sich  nur  auf  massig  feuchtem  frischem  Boden 
und  erreicht  seine  vollkommenste  Ausbildung  in  schattigen  Wäldern, 
wo  ihn  Regenwürmer  fortwährend  ihren  Verdauungscanal  durchziehen 
lassen  und  in  Form  loser  lockerer  Ballen  ausscheiden.  Der  Mull- 
boden der  Wälder  besteht  thatsächlich  ganz  aus  Wurmexcrementen 
und  verdankt  diesem  Umstände  seine  ausgezeichneten  Eigenschaften. 
Die  reiche  Durchlüftung  des  Mulls  fuhrt  zur  Bildung  hochoxydirter 
neutraler  Stoffe;  Säuren  bilden  nur  etwa  den  sechzehnten  Theil  seiner 
organischen  Substanz. 

Der  saure  Humus  ist  gewöhnlich  als  T  o  r  f  ausgebildet.  Letzterer 
stellt,  im  Gegensatz  zum  Mull,  eine  zusammenhängende,  compakte  Kruste 
dar,  welche  den  mineralischen  Bodenschichten  nur  aufliegt,  ohne  in  die- 
selben allmählich  überzugehen.  Nur  die  im  Torf  reichlich  entstehenden 
wasserlöslichen  Humussäuren  dringen  in  den  Mineralboden  ein  und 
verleihen  ihm  eine  dunkele  Färbung.  Im  Gegensatz  zum  Mull,  welcher 
sich  im  Regen  schnell  durchfeuchtet,  ist  der  Torf  wenig  durchlässig, 
sodass  das  Regenwasser  sich  in  Pfützen  auf  demselben  ansammelt. 
Bei  anhaltendem  Regen  jedoch  saugt  er  sich  voll  wie  ein  Schwamm, 
ohne  an  den  unterliegenden  Mineralboden  Wasser  abzugeben. 

Saurer  Humus  entsteht,  wo  immer  die  Sauerstoffzufuhr  nur  schwach 
ist,  namentlich  auf  dem  Boden  stagnirender  Gewässer,  aber  auch  an 
trockenen,  sonnigen  Standorten,  wo  die  Regenwürmer  selten  sind,  welche 
das  Zusammenbacken  des  Humus  verhindern.  Aus  demselben  Grunde 
fehlen  im  Torf  die  Mineralbestandtheile  des  Untergrunds,  welche  durch 
die  wühlende  Thätigkeit  der  Mullbewohner  innig  mit  dem  Humus  ver- 
mengt werden. 

Nasser  Torf,  der  Torf  im  gewöhnlichen  Sinne,  ist  charakteristisch  für 
die  Moore,  trockener  Torf  für  die  Haiden.  Letzterer  kann  daher  zum 
Unterschied  vom  Moortorf  als  Haidetorf  bezeichnet  werden.  Man  sieht 
trockenen  Torf  auch  in  Wäldern  entstehen,  sobald  in  Folge  von  Ausforstung 
der  Boden  ausgetrocknet  und  die  Würmer  ausgestorben  sind ;  damit  ist 
auch  die  erste  Stufe  der  Umwandlung  von  Wald  in  Haide  gegeben. 

Abgesehen  vom  Wassergehalt  dürfte  der  Unterschied  zwischen 
Haidetorf  und  Moortorf  nicht  sehr  beträchtlich  sein.  Erhöhte,  weniger 
nasse  Stellen  der  Moore  tragen  im  Wesentlichen  die  gleiche  Vegetation, 
wie  echte  Haiden  auf  trockenem  Boden. 

§  2.  Die  Mycorhiza.  Mull  und  Torf  sind  von  einem  ausserordent- 
lich reichen  Gewirr  von  Mycelfäden,  welche  verschiedenen,  jedoch  nur 


8.   Der  Humus. 


121 


in  seltenen  Fällen  ermittelten  Pilzformen  angehören  und  in  den  ver- 
schiedenen Humusarten  verschieden  zu  sein  scheinen,  durchwuchert.  Diese 
Pilze  vermögen  sowohl  als  Parasiten  wie  als  Saprophyten  zu  existiren 
und  bilden,  indem  sie  die  Wurzeln  höherer  Pflanzen  umhüllen,  die  so- 
genannte Mycorhiza,  welcher  für  die  Ernährungsphysiologie  vieler 
Wald-  und  Haidegewächse  eine  grosse  Bedeutung  zuzukommen  scheint; 
es  ist  nämlich  wahrscheinlich,  dass  der  Pilz  die  organischen  Humus- 
bestandtheile  des  Humus  verarbeitet  und  dieselben  theilweise  in  assimilir- 
barer  Form  der  Wurzel  zufuhrt.     (Fig.   56 — 60), 

Die  Mycorhiza  wurde  von  Kamienski  bei  Monotropa  Hypopitys 
(Fig.  56 — 57)  und  Fagus  silvatica  (Fig.  58)  entdeckt  und  in  ihrer  Be- 
deutung erkannt.  Später  wurde  von  Frank,  sowie  von  Wahrlich,  Johow, 
Schlicht,  Oliver,  Gro'om,  Janse  und  Anderen  das  constante  Vorkommen 


1 


Fig.   56.    Monotropa  Hypopitys.     Theil  einer 
jungen  Pflanze,  2  mal  vergr.    Nach  Kamienski. 


Fig.  57-   Oberhaut  u.  Mycorhizapilz  von  Mono- 
tropa Hypopitys.  Vergr.  450.  Nach  Kamienski. 


der  „Pilzwurzel"  bei  vielen  anderen,  theils  grünen,  theils  nicht  grünen 
Phanerogamen  und  Pteridophyten  nachgewiesen  und  angenommen,  dass 
diese  Gewächse  derselben  zu  normalem  Gedeihen  bedürfen.  Die  Be- 
zeichnung Mycorhiza  rührt  von  Frank  her. 

Der  Pilz  der  Mycorhiza  bildet  entweder  als  blosser  Epiphyt  eine 
dichte  Hülle  um  die  in  solchen  Fällen  der  Wurzelhaare  entbehrende 
Wurzel  herum,  oder  er  lebt  als  Endophyt  im  Inneren  derselben.  In 
beiden  Fällen  stehen  die  Hyphen  in  Zusammenhang  mit  im  Boden 
wuchernden  Pilzmycelien,  deren  Zugehörigkeit  zu  bekannten  Formen  in 
mehreren  Fällen  nachgewiesen  wurde.  So  erkannte  Wahrlich  in  den 
Wurzelpilzen  gewisser  Orchideen  Arten  von  Nectria  (N.  Vandae  und 
N.  Goroschankiniana),  während  Noack,  Reess  und  Fisch  in  Elaphomyces 
granulatus,  Noack  ausserdem  in  Arten  von  Geaster,  Agaricus,  Lactarius 
und  Cortinarius  und  im  bekannten  Fliegenpilze  die  Wurzelpilze  unserer 
Waldbäume  nachwiesen. 


122 


V.   Der  Boden. 


Das  Verhältniss  zwischen  Pilz  und  Wurzel  ist  wenigstens  bei  der 
endophytischen  Mycorhiza  ein  mutualistisches ,  d.  h.  beiden  Theilen 
nützliche«,  denn  es  geht  aus  P.  Groom's  Beobachtungen  an  Thismia 
mit  Wahrscheinlichkeit  hervor,  dass  die  Anwesenheit  des  Pilzes  fördernd 
auf  die  Bildung  der  Proteinstoffe  in  den  Wurzelzellen  wirkt  und  dass 
zwischen  beiden  Theilen  ein  Austausch  von  Nährstoffen,  allerdings  un- 
bekannter Natur,  stattfindet. 

Die  Beziehungen  zwischen  Pilz 
und  Wurzel  sind  in  der  epitrophischen 
Mycorhiza  sehr  einfache,  in  der  endo- 
trophischen  hingegen  oft  recht  com- 
plicirt.  Als  Beispiel  der  letzteren 
möge  die  von  P.  Groom  näher  studirte 
Mycorhiza  von  Thismia  Aseroe  etwas 
näher  geschildert  werden  (Fig.  59).  Das 
korallenartig  verzweigte  Wurzelsystem 
hat  eine  fein  papillöse  Oberfläche.  Die 
zartwandigen  stärkefreien  peripheren 
Gewebe,  welche  Verf.  als  Scheide  (s/i.) 
bezeichnet,  sind  der  Länge  nach  von 
einigen  zarten  Pilzfäden  durchzogen. 
Innerhalb  der  Scheide  befindet  sich 
zunächst  eine  scharf  differenzirte  Zell- 
schicht (e.c),  deren  Zellen  sämmtlich 
einen  knäuelartig  gewundenen,  ge- 
schwollenen Pilzfaden  enthalten.  Diese 
Pilzfäden  sind  äusserlich  von  Cyto- 
plasma  überzogen.  Auf  den  Exocortex 
folgt  die  Grenzschicht  (/./.),  in  deren 
Zellen  zarte,  dünne  Pilzfaden  stellen- 
weise in  dicken,  von  Proteinstoffen  an- 
gefüllten Schläuchen  schwellen.  Die 
innerste  Lage  der  Rinde  (Mediocortex, 
m.  c.)  ist  zwei  oder  dreischichtig,  stärke- 
reich und  durch  den  Besitz  todter, 
gelber  Pilzmassen  in  sämmtlichen 
Zellen,  mit  Ausnahme  der  Raphidenschläuche,  ausgezeichnet.  Endodermis  und 
Centralcylinder  sind  pilzfrei. 

Beim  Eintritt  aus  der  Scheide  in  die  tiefergelegenen  Zellen  wächst  die 
Spitze  des  Pilzfadens  direkt  auf  den  Zellkern.  In  der  Marklage  der  Rinde 
(Mediocortex),  wo  die  Verhältnisse  am  klarsten  sind,  löst  sich  alsbald  die 
Stärke  der  inficirten  Zelle  vollständig  auf,  um  erst  später,  nach  dem  Tode 
des  Pilzes,  wieder  aufzutreten.  Letzterer  aber  bildet,  sobald  er  mit  dem 
Zellkern  in  Contakt  gelangt  ist,  einen  ei-  oder  birnenförmigen  Schlauch, 
der  sich  mit  Cystoplasma  und  Zellkernen  füllt.  (Fig.  60.)  Nach  einiger 
Zeit  wird  der  Inhalt  des  Schlauches  desorganisirt  und  in  eine  gelbe,  körnige 


Fig.    58.      Fagus    silvatica.      Mycorhiza    mit 
Pilzhyphen.     9  mal  vergr.     Nach  Kamicnski. 


8.    Der  Humus. 


123 


Masse  umgewandelt.  Der  Zellkern  hat  in  der  Zwischenzeit  seinen  Platz  in 
der  Zelle  gewechselt,  die  Spitze  des  Pilzfadens  aber  folgt  ihm  und  bildet, 
in  Contakt  mit  ihm,  zu  wiederholten  Malen  neue  Schläuche.  In  der  äusseren 
Schicht  der  Rinde  leben  die  Hyphen  länger  und  zeigen  weniger  deutliche 
oder  (Scheide)  keine  Beziehungen  zum  Zellkern.  Groom  fuhrt,  unzweifelhaft 
mit  Recht,  das  Wachsthum  der  Hyphenspitze  in  der  Richtung  des  Nucleus 
auf  Chemotropismus  zurück.  Aehnliches  kommt  bei  unzweifelhaft  parasitischen 
Pilzen,  z.  B.  bei  Puccinia  asarina 
und  bei  Hemileia  vastatrix,  dem  Pilz 
der  Kaffeekrankheit,  vor  und  ist  bei 
der  endotrophischen  Mycorhiza  ganz 
allgemein.  Es  handelt  sich  offenbar 
um  ein  vornehmlich  in  den  inneren 
Rindenschichten  entstehendes  Produkt 
des  Zellkerns.  Die  Anschwellung  ist 
auf  kräftige  Ernährung  zurückzu- 
führen, da  eine  ähnliche  Erscheinung 
auch  bei  Pilzculturen  in  Nährlösung 
eintritt,  wenn  die  Concentration  der 
letzteren  zunimmt.  Dass  die  Lösung 
der  Stärke  mit  der  Bildung  der 
Proteinstoffe  in  den  Schläuchen  zu- 
sammenhängt, braucht  nach  dem  Vor- 
hergehenden nicht  betont  zu  werden. 
Es  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  der  Pilz 
seiner  Wirthpflanze  gewisse 
Nährstoffe  entzieht.  Dass  um- 
gekehrt aus  dem  Pilze  Stoffe 
in  die  Wirthzelle  übertreten, 
zeigt  sich  beim  Absterben 
der  Schläuche,  die  unter  Ab- 
gabe von  Flüssigkeit  zusam- 
menschrumpfen. Was  letztere 
in    Lösung    enthält  und  woraus   die 

körnige    Masse    besteht,    die    im   todten    Schlauche   verbleibt  und  seitens  der 
Wirthpflanze  nicht  benutzt  wird,  konnte  nicht  festgestellt  werden. 

Die  meisten  der  mit  Mycorhiza  versehenen  Gewächse  erhalten 
durch  dieselbe  jedenfalls  nur  einen  Theil  ihres  Kohlenstoffbedarfs. 
Doch  sind  einige  Pflanzen,  namentlich  solche  des  tiefen  Waldschattens, 
von  der  Mycorhiza  ganz  abhängig  geworden  und  haben  ihr  Chlorophyll 
verloren.  Dieselben  werden,  ähnlich  wie  die  sich  direkt  aus  dem  Humus 
ernährenden  Pilze,  Saprophyten  genannt.  Gewächse  welche  wohl 
Chlorophyll  enthalten,  und  doch  nachweisbar  der  organischen  Bestand- 
theile    des   Humus   bedürfen,    bilden   die   Hemisaprophyten,    eine 


Fig.  59.  Thismia  Aseroe.  Rinde  der  Mycorhiza. 
Nach  P.  Groom. 


124 


V.    Der  Boden. 


Mittelstufe  zwischen  echten  Saprophyten  oder  Holosaprophyten 
und  den  ganz  autotrophen  Gewächsen.  Die  Saprophyten  sind  in 
einem  späteren  Abschnitt  behandelt. 

§  3.  Die  chemischen  Unterschiede  des  Humus  und  die  Flora. 
Milder  und  saurer  Humus  ernähren  eine  ganz  ungleiche  Flora.  Manche 
Arten  können  geradezu  als  Leitpflanzen  des  einen  oder  des  anderen  be- 
zeichnet werden,  so  z.  B.  für  den  milden  Humus  Asperula  odorata,  Mer- 
curialis  perennis,  Milium  effusum,  Melica  uniflora,  Stellaria  nemorum  etc., 
für  den  sauren  aber  Aria  flexuosa,  Majanthemum  bifolium,  Melam- 
pyrum  pratense  und  verschiedene  Moose  wie  Hylocomium  triquetrum, 

Polytrichum  formosum,  Leucobryum  etc.  Auf 
dem  sehr  sauren  Humus  der  Hoch- 
moore nimmt  die  Vegetation  ent- 
schieden xerophilen  Charakter  an, 
indem  die  Humussäuren  die  Absorp- 
tion des  Wassers  durch  die  Wurzeln 
erschweren. 

Milder  und  saurer  Humus  sind  Collektiv- 
bezeichnungen  für  zahlreiche,  namentlich  nach 
der  Natur  der  verwesenden  Pflanzen  wechselnde 
Humusarten,  deren  Unterschiede  von  dem  feinen 
Chemismus  der  Pflanze  leichter  empfunden 
werden,  als  von  dem  groben  Chemismus  unserer 
Laboratorien.  Jede  Humusart  hat  ihre  cha- 
rakteristischen Pflanzenarten.  Es  giebt  in  Be- 
zug auf  die  verschiedenen  Humusarten,  wie  auf 
die  mineralischen  Bodenbestandtheile ,  boden- 
stete und  bodenvage  Pflanzen. 

Manche  Pflanzenarten  wachsen  nur  auf 
dem  Humus  der  Nadelwälder,  z.  B.  Goodyera 
repens  und  der  nordamerikanische  Saprophyt 
Schweinitzia  odorata.  Monotropa  Hypopitys  tritt  in  Laubwäldern  bei- 
nahe nur  in  ihrer  kahlen,  in  Nadelwäldern  in  ihrer  behaarten  Form 
auf.  Wir  haben  hier  also  einen  Parallelfall  zu  der  kalkholden  Gentiana 
acaulis  und  ihrer  kalkscheuen  Verwandten,  Gentiana  excisa. 

Die  Wahl  des  Substrats  geht  bei  manchen  Humuspflanzen  noch 
viel  weiter,  namentlich  bei  niederen  Kryptogamen.  Die  Phanerogamen 
und  Pteridophyten  sind  weniger  exclusiv,  doch  fand  ich  das  im  tro- 
pischen Amerika  weit  verbreitete  Trichomanes  sinuosum  stets  nur  auf 
Baumfarnen  und  das  nordamerikanische  Epidendrum  conopoeum  zieht 
die  Rinde  der  Magnolien  anderen  Rinden  vor. 

Bei  den  Moosen  des  Humus  zeigen  sich  alle  Uebergänge  zwischen 
Vorliebnehmen  mit  jeder  humosen  Erde  und  ganz  ausgesprochener,  oft 


Fig.    60.       Thismia    Aseroe. 

Zwei  Zellen    der   Mycorhiza. 

Nach  P.  Groom. 


8.   Der  Humus.  I2C 

höchst  eigenartiger  Exclusivität.  Faulende  Baumstämme  haben  ihre 
bestimmten  Moosarten,  wie  Plagiothecium  silesiacum  und  Buxbaumia 
indusiata,  die  auf  lebenden  Baumstämmen  nicht  vorkommen. 

Letztere  haben  wiederum  eine  reiche  Moosflora  (z.  B.  Leucodon 
sciuroides,  viele  Orthotrichum- Arten  etc.),  deren  Bestandteile  sich  an 
anderen  Standorten  nicht  zeigen.  Die  meisten  epiphytischen  Moose 
sind  nicht  wählerisch,  doch  sind  manche  an  bestimmte  Baumsippen 
gebunden.  So  kommt  Orthotrichum  leucomitrium  nur  auf  Nadelhölzern 
vor,  während  die  Zygodon-Arten  und  Barbula  latifolia  sich  nur  auf 
Laubhölzern  zeigen.  Noch  wählerischer  sind  z.  B.  Ulota  Drummondii, 
die  nur  auf  Sorbus  aucuparia  beobachtet  wurde ,  Orthotrichum  gym- 
nostomum,  das  ausschliesslich  Populus  tremula  bewohnt,  das  seltene 
Anacamptodon  splachnoides,  das  bisher  nur  in  der  von  abgefallenen 
Aesten  hinterlassenen  Höhlungen  der  Rothbuche  aufgefunden  wurde. 
Die  Splachnaceen  bewohnen  beinahe  ausschliesslich  thierischen  Humus 
und  sind  meist  sehr  wählerisch:  So  kommt  Tayloria  splachnoides  auf 
den  verschiedensten  modernden  Thierkörpern  vor  und  Tetraplodon 
mnioides  auf  den  verschiedensten  Excrementen,  dagegen  Tayloria 
serrata  nur  auf  faulendem  Menschenkot,  Tayloria  Rudolphiana  auf  dem 
Kot  von  Raubvögeln  im  Geäste  der  Bäume,  Tetraplodon  urceolatus  auf 
Kot  von  Schafen,  Ziegen  und  Gänsen,  Splachnum  ampullaceum  auf 
Rinderkot,  Splachnum  luteum  und  Spl.  rubrum  auf  Rennthierkot. 

Die  saprophytischen  Pilze  zeigen  ähnliches  Verhalten  wie  die  Moose. 
Manche  derselben  zeigen  sich  überall,  wo  Pflanzen-  oder  Thierreste  in 
Verwesung  übergehen,  andere  wiederum  sind  an  bestimmte  Substrate 
gebunden.  So  kommen  die  Marasmius-  Arten  nur  auf  abgefallenen 
Fichtennadeln  vor,  Antennatula  pinophila  nur  auf  abgefallenen  Tannen- 
nadeln, Hypoderma  Lauri  nur  auf  abgefallenen  Lorbeerblättern,  Septoria 
Menyanthis  nur  auf  den  unter  WaSser  faulenden  Blättern  des  Bitterklees, 
Poronia  punctata  nur  auf  Kuhfladen ,  Gymnoascus  uncinatus  nur  auf 
faulendem  Mäusekot,  Chenomyces  serratus  nur  auf  verwesenden  Gänse- 
federn ,  Onygena  corvina  nur  auf  Raubvogelgewölle ,  Onygena  equina 
nur  auf  faulenden  Hufen  etc. 


9.  Lebende  Substrate:  Die  Parasiten. 

Manche  Pflanzen  wachsen  rein  epiphytisch  auf  lebenden  Substraten, 
ohne  denselben  Stoffe  zu  entziehen.  Letzteres  ist  dagegen  bei  den 
Parasiten  oder  Schmarotzern  der  Fall,  deren  Lebensweise  und  Er- 
nährungsmodus in  einem  späteren  Abschnitt  geschildert  sind.  Hier 
sollen  nur  ihre  Beziehungen  zu  der  chemischen  Natur  des  Substrats 
berücksichtigt  werden. 


126  v-    Der  Boden. 

Pflanzliche  Parasiten  kommen  sowohl  auf  Thieren  wie  auf  Pflanzen 
vor,  aber  durchweg  in  ungleichen  Arten.  Im  Uebrigen  zeigen  sich  die 
Parasiten,  wie  die  Humuspflanzen,  theils  sehr  ausgeprochen,  theils  wenig 
wählerisch  in  Bezug  auf  die  chemische  Natur  des  Substrats.  Die  ge- 
wöhnliche Mistel,  Viscum  album,  kommt  sowohl  auf  Nadel-  wie  auf 
Laubbäumen  vor,  allerdings  gewöhnlich  in  ungleichen  Varietäten;  die 
typische  Form  mit  weissen  Beeren  bevorzugt  die  Laubbäume,  eine  Form 
mit  gelben  kleineren  Früchten  (V.  laxum)  ist  dagegen  mehr  oder 
weniger  an  die  Nadelbäume  gebunden.  Loranthus  europaeus  befallt 
Eichen  und  Kastanien;  Arceuthobium  Oxycedri  ist  in  Europa  an  Juni- 
perus Oxycedrus  gebunden,  in  Nordamerika  an  gewisse  Pinus-Arten. 

Die  verschiedenen  Orobanche-Arten  zeigen  sehr  ungleiches  Ver- 
halten. So  wurde  O.  minor  von  G.  Beck  auf  58,  O.  ramosa  auf  35 
verschiedenen  Pflanzenarten  gefunden,  während  viele  andere  Arten 
dieser  Gattung  an  eine  bestimmte  Wirthspflanze  gebunden  sind,  z.  B. 
O.  rapum  an  Sarothamnus  scoparius. 

Viele  Pilze  befallen  unterschiedslos  Pflanzen  oder  Thiere  der  ver- 
schiedensten Verwandtschaftskreise,  andere  haben  einen  grösseren  oder 
einen  kleineren  Kreis  nahe  verwandter  Wirthspecies ,  wie  Claviceps 
purpurea  auf  Gräsern,  Cordyceps  cinerea  auf  Carabus- Arten.  Noch 
andere  sind  streng  an  eine  Wirthspecies  gebannt,  wie  Peronospora 
Radii  auf  Pyrethrum  inodorum,  Laboulbenia  Baeri  auf  der  Stubenfliege. 

Soweit  untersucht,  sind  solche  exclusive  Beziehungen  auf  die 
natürlichen  Bedingungen  beschränkt.  So  gelang  es  Brefeld,  viele  streng 
parasitischen  Pilze  als  Saprophyten  gedeihen  zu  lassen  und  Möller  die 
Flechten  ohne  Algen  zu  cultiviren,  ebenso  gut  wie  es  gelingt,  die 
in  der  Natur  streng  an  salzreichen  Boden  gebundenen  Halophyten  im 
Garten  auf  gewöhnlichem  Boden  zu  ziehen. 

Im  Grossen  und  Ganzen  zeigen  Parasiten  und  Saprophyten  in 
Bezug  auf  die  Wahl  ihres  Substrats  ähnliche  Unterschiede,  wie  die  in 
Mineralböden  bewurzelten  Gewächse,  und  der  Vergleich  zwischen  beiden 
Klassen  ist  für  die  Frage  nach  der  Bedeutung  der  chemischen  Be- 
schaffenheit des  Substrats  sehr  lehrreich.  Wir  haben  unter  den 
Pflanzen  des  Mineralbodens  solche  kennen  gelernt,  die  sich  ganz 
bodenvag  verhalten,  solche  die  eine  mehr  oder  weniger  ausgesprochene 
Bevorzugung  chemisch  bestimmter  Bodenarten  aufweisen,  und  solche, 
die  an  die  Anwesenheit  grosser  Mengen  gewisser  Mineralstoffe,  wie 
Kochsalz  oder  Kalkcarbonat  durchaus  gebunden  erschien.  Das  gleiche 
wiederholt  sich,  mutatis  mutandis,  bei  den  Pflanzen  organischer  Sub- 
strate, nur  in  grösserer  Mannigfaltigkeit. 

Wir  begegneten  namentlich  bei  den  Kalkpflanzen  der  beim  ersten 
Blick  verwirrenden  Erscheinung,  dass  ein  und  dieselbe  Art  in  ungleichen 
Gebieten   ganz   ungleiche  Ansprüche   an    die   chemische  Beschaffenheit 


9.   Lebende  Substrate:    Die  Parasiten.  127 

des  Substrats  macht.  Das  Gleiche  zeigt  sich  aber  auch  bei  manchen 
Parasiten.  Die  Mistel  befallt  in  manchen  Gegenden  nur  die  Kiefer, 
in  anderen  nur  Laubbäume.  Loranthus  europaeus  wächst  in  Böhmen 
nur  auf  der  Eiche,  im  Orient  ausserdem  auf  der  Kastanie.  Puccinia 
sessilis  auf  Convallaria  majalis,  P.  Digraphidis  auf  Polygonatum  multi- 
florum  und  Majanthemum,  P.  Paridis  auf  Paris  quadrifolia  sind  in  vielen 
Gegenden  streng  an  ihre  erwähnten  gewöhnlichen  Wirthpflanzen 
gebunden,  während  sie  in  anderen  durcheinander  auf  Convallaria, 
Polygonatum,  Majanthemum,  Paris  wachsen,  also  bodenvag  werden 
(Magnus).  Aehnliches  gilt  noch  von  vielen  anderen  Pilzen.  Dass 
es  sich  dabei,  wie  bei  den  Wirkungen  des  Kalks  und  anderer  Mineral- 
salze, um  Unterschiede  der  Organisation  handelt,  welchen  wiederum  un- 
gleiche Ansprüche  an  die  Lebensbedingungen  entsprechen,  kann  wohl 
einem  Zweifel  nicht  unterliegen.  Solche  Veränderungen  der  Organisation 
sind  dem  Auge  nicht  immer  erkennbar,  da  sie  in  manchen  Fällen  auf 
die  feinste,  unseren  Untersuchungsmitteln  unzugängliche  Plasmastructur 
beschränkt  sind.  Giebt  es  doch  Pilzarten,  die  auf  einzelnen  Ent- 
wickelungsstadien  mit  einander  ganz  übereinstimmen,  auf  anderen  aber 
deutlich  und  constant  abweichen  und  sogar  rein  „physiologische"  Rost- 
pilzarten,  welche  sich  durch  kein  morphologisches  Merkmal  trennen 
lassen  und  doch  in  dem  Gebundensein  an  ungleiche  Wirthpflanzen, 
ohne  jede  Möglichkeit  gegenseitiges  Austausches,  einen  ausgeprägten 
specifischen  Charakter  zeigen  (Eriksson). 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Physikalische  Eigenschaften. 

Gain,  Ed.  Action  de  l'eau  du  sol  sur  la  vdgdtation.  Revue  gdndrale  de 
botanique.     Tome  VII.     1895. 

—  Recherches  sur  le  röle  physiologique  de  Teau  dans  la  v^gdtation.  Ann. 
des  sciences  naturelles.     Botanique.     7®  s£rie.     Tome  XX.     1895. 

Hoffmann,  H.  Untersuchungen  zur  Klima-  und  Bodenkunde  mit  Rück- 
sicht auf  die  Vegetation.     Beilage  zur  Botanischen  Zeitschr.     1863. 

Mayer,  Ad.  Die  Bodenkunde.  4.  Auflage.  1895.  (Lehrb.  der  Agri- 
culturchemie.     Zweiter  Theil.     1.  Abth.). 

Sachs,  J.  Ueber  den  Einfluss  der  chemischen  und  physikalischen  Beschaffen- 
heit des  Bodens  auf  die  Transpiration  der  Pflanzen.  Landw.  Versuchs- 
stationen  1859  u.  gesammelte  Abhandl.     Bd.  I.     S.  417   u.  J. 

Thurmann,  J.     Essai  de  phytostatique  appliquee  ä  la  chaine  du  Jura. 


128  V.  Der  Boden. 


2.  Chemische  Eigenschaften  des  Bodens  im  allgemeinen. 

Burgerstein,    A.      Einfluss    äusserer    Bedingungen    auf  die    Transpiration. 

Wien  1876. 
Schimper,  A.  F.  W.     I.  Zur  Frage  der  Assimilation  der  Mineralsalze  durch 

die  grüne  Pflanze.     Flora  1890. 
—  IL    Ueber   Schutzmittel    des  Laubes   gegen  Transpiration   vornehmlich    in 

der  Flora  Java's.     Monatsberichte  der  Berliner  Akademie.     Juli  1890. 
Stange,  B.    Beziehungen  zwischen  Substratconcentration,  Turgor  und  Wachs- 

thum  bei  einigen  phanerogamen  Pflanzen.     Botan.  Zeitung  1892. 
Vesque,  J.     Influence  des  matieres  salines  dissoutes  sur  Tabsorption.     Ann. 

Sc.  nat.     6C  s.     T.  9. 


8.  Das  Chlornatrium. 

Battandier.  Quelques  mots  sur  les  causes  de  la  localisation  des  especes 
d'une  rdgion.  Bullet  d.  la  Soci&e'  botanique  de  France.  Tome  XXXIV.  1887. 

Brick,  C.  Beiträge  zur  Biologie  und  vergleichenden  Anatomie  der 
baltischen  Strandgewächse.  Schriften  der  naturf.  Ges.  zu  Danzig.  Neue 
Folge.     Nr.  7. 

Hansteen,  B.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Eiweissbildung  und  der  Be- 
dingungen der  Realisirung  dieses  Processes  im  phanerogamen  Pflanzen- 
körper.    Ber.  d.  deutschen  botan.  Gesellschaft.     Bd.  XIV.     1896. 

Heinrich.  Die  Zusammensetzung  der  Asche  der  oberirdischen  Theile. 
von  Chrysanthemum  segetum.  Landw.  Annalen  des  Mecklenburg.  Patriot 
Vereins.     Jahrg.  XXIV.     1885. 

Hoffmann,  H.  Ueber  Kalk  und  Salzpflanzen.  Landw.  Versuchsstat 
Bd.  XIII.     1870. 

Lesage,  P.  Recherches  expe'rimentales  sur  les  modifications  des  feuilles 
chez  les  plantes  maritimes.    Revue  g^ndrale  de  botanique.   Tome  II.    1890. 

Richter,  A.  Ueber  die  Anpassung  der  Süsswasseralgen  an  Kochsalzlösungen. 
Flora  1892. 

Rosenberg,  O.  Ueber  die  Transpiration  der  Halophyten.  Oefversigt 
af  Kongl.  Vetensk.-Akad.  Förhandl.     Stockholm  1897. 

Schimper,  A.  F  W.  I.  Ueber  Schutzmittel  des  Laubes  gegen  Transpi- 
ration, vornehmlich  in  der  Flora  Java's.  Monatsber.  der  Berliner  Academie 
der  Wissenschaften.     1890. 

—  IL  Die  indomalayische  Strandflora.     Jena  1891. 

—  III.  Zur  Frage  der  Assimilation  der  Mineralsalze  durch  die  grüne  Pflanze. 

Flora  1890. 
Schultz,     A.      Die    Vegetationsverhältnisse     der     Umgebung     von     Halle. 

Halle  1888. 
Stahl,  E.     Einige  Versuche  über  Transpiration  und  Assimilation.     Botanische 

Zeitung  1894. 

4.  Andere  leicht  lösliche  Salae. 

Junghuhn.    Java  etc.,  deutsch  v.  Hasskarl.    1852.    Bd.  I.    S.  453  (Fumarolen) 
Mayr,  H.     Aus  den  Waldungen  Japan's.     1891.     S.  27   (Fumarolen). 
Schimper.     Vergl.  3.     (Nitrate  etc  in  III,  Fumarolen  in  I.  u.  II). 


Auswahl  der  Literatur.  I2Q 

5.  Der  Serpentin. 

L ürs sen.    Ch.      Die    Farnpflanzen    oder   Gefässkryptogamen.      Rabenhorst's 

Kryptogamen- Flora.     Bd.  III.     Leipzig  1889. 
Milde.     Filices  criticae:  Aspl.  adulterinum.     Botan.  Zeitung  1868. 
Sadebeck.     I.  Ueber  Asplenium  adulterinum.     Verhandl.  des  botan.  Vereins 

für  die  Prov.  Brandenburg,     Bd.  XIII.     1872. 
—  U.  Ueber   die   generationsweise   fortgesetzten  Aussaaten   und  Culturen  der 

Serpentinformen  der  Farngattung  Asplenium.     Berichte  über  die  Sitzungen 

der  Gesellschaft  für  Botanik  in  Hamburg.     III.  Heft.  S.  4.     1887. 


6.  Der  Galmei. 

Baumann,  A.     Das  Verhalten  von  Zinksalzen  gegen  Pflanzen  und  im  Boden. 

Landw.  Versuchsstationen.     Bd.  31.     1885.     S.  r. 
Hoffmann,  H.     I.  Bot  Zeit.     1875. 
—  II.    Untersuchungen  über  Variation.     Bot.  Zeit.     1877. 
Sachs,  Handbuch  der  Experimentalphysiologie  der  Pflanzen.     Leipzig  1865. 
Wirtgen,  Ph.     Une   petite    excursion   dans   les  terrains  calaminaires   de  la 

Vieille  Montagne.    Extr.  des  Bulletins  de  la  Societe  royale  de  botanique 

de  Belgique.     Vol.  IV.     1865. 


7.  Der  kohlensaure  Kalk. 

Bonnier,  G.  I.  Quelques  observations  sur  les  relations  entre  la  distribution 
des  Phandrogames  et  la  nature  chimique  du  sol.  Bullet,  de  la  Societe 
botanique  de  France.     T.  XXVI.     1879. 

—  II.  Etudes   sur   la   Vegetation   de   la  valiee  de  Chamonix  et  de  la  chaine 

du  Mont  Blanc.     Revue  generale  de  botanique.     T.  I.     1889. 

—  III.  Remarques  sur  les  diffdrences  que  präsente  TOnonis  natrix  cultive  sur 

un    sol    calcaire   ou   sur   un   sol   sans    calcaire.      Bullet,    de   la   Societe 

botanique  de  France.     T.  41.     S.  59.     1894. 
B  o  u  1  a  y ,  N.     Etüde  sur  la  distribution  gdographique  des  Mousses  en  France. 

1877. 
de  Candolle,  A.     Geographie  botanique  raisonne*e.     Tome  I.    p.  422  u.  f. 

1855. 
Chat  in,  Ad.     Le  Chätaignier.     Etüde  sur  les  terrains  qui  conviennent  ä  sa 

culture.     Bullet,  de  la  societe  botanique  de  France.     1870.     S.   194. 
Christ     Das  Pflanzenleben  der  Schweiz.     Basel   1879. 
Contejean.     Geographie  botanique.     1 8 8 1 . 
Drude,  O.     Ueber   die   Standortsverhältnisse   von  Carex  humilis  Leyss.    bei 

Dresden,  als  Beitrag  zur  Frage  der  Bodenstetigkeit.  Berichte  der  deutschen 

botanischen  Gesellschaft.     1887.     S.  286. 
Fliehe,  P.  etGrandeau,  L.     I.  De  l'influence  de  la  composition  chimique 

du    sol    sur    la    Vegetation    du    Pin   maritime    (Pinus    Pinaster    Soland.) 

Annales  de  chimie  et  de  physique.     4e  serie.     Tome  29.     1873. 

—  De    l'influence    de    la   composition    chimique   du  sol  sur  la  Vegetation  du 

chätaignier.     Ibid.     5C  serie.     T.  2.     1874. 

—  HL  Recherches  chimiques  sur  les  Papilionacees  ligneuses.    Ibid.    5C  serie. 

T.  18.     1879. 

Schira per,  Pflanzengeographie.  9 


130 


V.   Der  Boden. 


G  i  1 1  o  t ,  F.  X.  Influence  de  la  composition  mindralogique  des  roches  sur  la 
vdgdtation.  Colonies  ve'ge'tales  hdt^rotopiques.  Bulletin  de  la  Socidte 
botanique  de  France.     Tome  41.     S.  XVI.     1894. 

Hilgard,  E.  W.  Ueber  den  Einfluss  des  Kalkes  als  Bodenbestandtheil  auf 
die  Entwickelungsweise  der  Pflanzen.  Wollny's  Forschungen  auf  dem 
Gebiete  der  Agriculturphysik.     1888. 

Kern  er,  A.  I.  Ueber  das  sporadische  Vorkommen  sogenannter  Schiefer- 
pflanzen im  Hochgebirge.  Verh.  d.  K.  K.  Zoolog,  botanischen  Gesell- 
schaft in  Wien.     Bd.  XIII.     1863. 

—  II.  Pflanzenleben.     Bd.  U.     S.  490.     1891. 

Kohl,  G.     Ueber  Kalk  und  Kieselsäure  in  der  Pflanze.     Marburg  1889. 
Magnin,  Ant    La  ve'ge'tation  de  la  rdgion  lyonnaise  et  de  la  partie  moyenne 

du  bassin  du  Rhone.     Lyon  1886. 
Masclef,  A.     Sur  Tadaptation  du  Pteris  aquilina  aux  sols  calcaires.    Revue 

gdndrale  de  botanique  1892. 
Mo  hl,  H.  v.     Ueber  den  Einfluss  des  Bodens  auf  die  Vertheilung  der  Alpen- 
pflanzen.    Vermischte  Schriften  botanischen  Inhalts.     1845.     S.  393. 
Nägeli,  C.  v.      Ueber   die  Bedingungen   des  Vorkommens   von  Arten   und 

Varietäten   innerhalb    ihres   Verbreitungsbezirkes.      Sitzungsber.    der    Kgl. 

bayrischen  Akademie.     1865.     S.  367. 
Pari  so  t.     Bulletin  de  la  Socidte*  botanique  de  France.     1858. 
Pfeffer,  W.    Bryogeographische  Studien  a.  d.  rhätischen  Alpen.    Chur  1869. 
P 1  a  n  c  h  o  n.     Ve'ge'tation  speciale  des  dolomies.     Bullet  de  la  soc.  botanique 

de  France.     Tome  I. 
Richard,  O.  D.     Note  au  sujet  des  voies  romaines.     Bulletin  de  la  soci&e' 

des  antiquaires  de  l'ouest.     Poitiers  1891. 
Röthe,  C.      Ueber   das  Vorkommen   der  Herniaria  glabra  auf  Dolomitsand. 

Ber.  des- naturhistorischen  Vereins  in  Augsburg.     1869. 
Schimper,   A.   F.   W.      I.   Ueber   Kalkoxalatbildung   in   den  Laubblättern. 

Botan.  Zeitung.     1888. 

—  II.  Zur  Frage   der  Assimilation  der  Mineralsalze  durch  die  grüne  Pflanze. 

Flora  1890.     (In  beiden  Arbeiten  Litteratur  über  Vorkommen  und  Rolle 

des  Kalks  in  den  Pflanzen). 
Sendtner.     Die  Vegetationsverhältnisse  Süd -Bayerns.     1854. 
Timbal-Lagrave,   Malinvaud.     Bullet,     de    la    Soci&e'    botanique    de 

France.     Tome  33.  p.  XLV.     1886. 
Unger,   Fr.     Ueber   den  Einfluss   des  Bodens   auf  die  Verteilung  der  Ge- 
wächse, nachgewiesen  in  der  Vegetation  des  nordöstlichen  Tirols. 
Vallot,   Recherches  physico-chimiques  sur  la  terre  v£g£tale  et  ses  rapports 

avec  la  distribution  gdographique  des  plantes.     Paris  1883. 
Weddell.    I.   Remarques  sur  le  röle  du  substratum  dans  la  distribution  des 

lichens   sacicoles.     Ann.   d.   sciences   nat     Botan.     VIe  serie.     Tome  I. 

S.  394.     1875. 

—  III.     Sur  le  röle  du  substratum  dans  la  distribution  des  lichens  saxicoles. 

Comptes  rendus  de  l'Acad.  de  sciences  de  Paris.     I.     76.     1873. 

8.  Der  Humus. 

de  Bary,  A.     Vergl.  Morphologie  und  Biologie  der  Pilze.     Mycetozoen  und 

Bacterien.     Leipzig  1884. 
Boulay,   l\Abbe\     Etudes   sur   la    distribution  ge'ographique  des  Mousses  en 

France.  187J.  p.  30  u.  f. 


Auswahl  der  Literatur.  131 

Burgerstein,  Alf.  Ueber  den  Einfluss  äusserer  Bedingungen  auf  die 
Transpiration  der  Pflanzen.     Wien  1876.     (Humusverbindungen). 

Christ,  H.     Das  Pflanzenleben  der  Schweiz.     S.  186  u.  f. 

Frank,  A.  B.  Berichte  der  deutschen  botanischen  Gesellschaft  1885,  1887, 
1888  und  Lehrbuch  der  Botanik.     1892.     Bd.  I.     S.  260  u.  548. 

Groom,  P.  I.  On  Thismia  Aseroe  (Beccari)  and  its  Mycorhiza.  Annais  of 
Botany.     Vol.  IX.     1895. 

—  IL  On  a  new  saprophytic  Monocotyledon.     Ibid.  1895. 

Janse.      Les    endophytes  radicaux  de  quelques  plantes  javanaises.     Ann.  du 

jardin  botanique  de  Buitenzorg.     T.  XTV.     1896. 
Kamenski,  Fr.     Les  organes  ve'ge'tatifs  du  Monotropa  hypopitys.     Me'm.  de 

la  soci&e'  natur.  d.  sciences  de  Cherbourg  1882. 
Müller,  P.  E.     Studien  über  die  natürlichen  Humusformen  und  deren  Ein- 
wirkung auf  Vegetation  und  Boden.     Berlin  1887. 
Noack,  Fr.     Ueber  mykorhizenbildende  Pilze.     Botanische  Zeitung  1889. 
Schlicht       Beitrag   zur  Kenntniss   der  Verbreitung  und  der  Bedeutung  der 

Mykorhizen.     Landwirth.  Jahrbücher  1889. 
Vogel.    Zur  Charakteristik  der  Hoch-  und  Wiesenmoore.   Sitzb.  der  bayrischen 

Akademie.     1865.     Bd.  I.     S.   104 
Wahrlich.     Beitrag   zur   Kenntniss   der   Orchideenwurzelpilze.      Botanische 

Zeitung  1886. 
Vergl.  ausserdem  die  Literatur   über  Saprophyten  im  zweiten  Theil  III.     Die 

Genossenschaften  und  über  Torfmoore :  Dritter  Theil.    Zweiter  Abschnitt 

—  VIII.     Edaphische  Formationen  in  den  temperirten  Zonen. 


9.  Lebende  Substrate:  Parasiten. 

Bary,    A.    de.      Vergleichende   Morphologie    und   Biologie    der   Pilze    etc. 

Leipzig  1884. 
Eriksson,  J.     Der  heutige  Stand  der  Getreiderostfrage.     Ber.  d.  deutschen 

botan.  Gesellsch.     1897. 
Laurent,    Em.      Influence   de    la   nature   du   sol   sur   la  dispersion  du  gui 

(Viscum  album).     Bullet  de  la  socie'te'  royale  de  botanique  de  Belgique. 

Tome  29.     1890. 
Magnus,  P.     In  Hedwigia.     Bd.  XXXIII.     S.  81  u.  f. 
Vergl.    ausserdem   die   Literatur   über  Parasiten   im   zweiten  Theile.     II.    Die 

Genossenschaften. 


VI.  Die  Thiere. 

1.  Geographische  Verbreitung  der  BestäubungBvorriohtungen.  §  i.  Orni- 
thophile  Blüthen.  Fr.  Müller's  und  Th.  Belt's  Entdeckung  der  Kolibriblüthen.  Die 
Honigvögel  als  Bestäuber.  Scott -Elliot's  Beobachtungen  in  Süd -Afrika.  Ornithophilie  in 
Neu-Seeland.  Feijoa,  eine  Pflanze  mit  süssen  Blumenblättern.  —  §2.  Entomophile 
Blüthen.  Ungleiche  Bestäuber  im  Tiefland  und  im  Hochgebirge.  Herrn.  Müller's  Be- 
obachtungen. Abnahme  der  Entomophilie  in  arktischen  Ländern.  Inselfloren  und  ihre 
Bestäuber.  Langröhrige  Falterblüthen  für  die  Tropen  charakteristisch.  Specielle  Anpassungen : 
Yucca  und  ihre  Bestäubung  durch  Motten.  Bulbophyllum-Arten  bei  Singapore.  2«  Pflansen 
und  Ameisen.  §  i.  Die  Ameisen  als  Pilzzüchter.  Die  Blattschneiderameisen  im 
tropischen  Amerika.  Ihre  Nester  und  Pilzgärten.  Andere  pilzzüchtende  Ameisen.  —  §  2. 
Myrmecophilie.  Th.  Belt's  Entdeckung  der  Ameisenpflanzen.  Acacia  cornigera  und 
sphaerocephala.  Cecropia  adenopus.  Nachweis  des  Nutzens  der  Ameisen  als  Pflanzen- 
beschützer. Andere  Pflanzen  mit  axialen  Wohnräumen.  Pflanzen,  bei  welchen  Blätter  die 
Wohnräume  liefern.     Die  extrafloralen  Nektarien. 

Die  Anpassungen  der  Pflanzen  an  die  Thierwelt  bilden  eines  der 
umfangreichsten  und  am  meisten  bebauten  Gebiete  der  Oekologie;  die 
geographischen  und  topographischen  Gesichtspunkte  sind  jedoch  bis 
jetzt  nur  wenig  berücksichtigt  worden,  obwohl  es  keinem  Zweifel  unter- 
liegen kann  und  für  bestimmte  Fälle  nachgewiesen  ist,  dass  Unterschiede 
der  Thierwelt  solche  der  Pflanzenwelt  bedingen.  Für  die  Bestäubungs- 
vorrichtungen und  für  die  Beziehungen  zwischen  Pflanzen  und  Ameisen  ist 
in  neuester  Zeit  ein  viel  versprechender  Anfang  nach  der  erwähnten 
Richtung  gemacht  worden.  In  Bezug  auf  die  Aussäungsvorrichtungen 
ist  wohl  ein  Zusammenhang  zwischen  der  Verbreitung  gewisser  Thiere 
und  Pflanzen  in  einzelnen  Fällen  behauptet  worden,  dagegen  ist  die 
Frage  nach  den  Beziehungen  von  Grösse ,  Gestalt ,  Geschmack ,  Farbe 
und  anderen  Eigenschaften  der  Früchte  zu  den  Eigenthümlichkeiten  der 
sich  von  denselben  ernährenden  Thierarten  noch  gar  nicht  berührt 
worden.  Die  vielfachen  Schutzmittel  der  Pflanzen  gegen  Zerstörung 
durch  Thiere  sind,  ausser  betreffs  der  Ameisen,  höchstens  in  ganz 
hypothetischer  Weise  zur  Charakteristik  der  Gebiete  und  ihrer  einzelnen 
Formationen  herangezogen  worden ;  allerdings  haben  die  diesbezüglichen 


i.    Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtangen.  133 

Erscheinungen  bis  jetzt  nur  ausnahmsweise  den  Gegenstand  ernster 
wissenschaftlicher  Forschung  gebildet.  Stahl's  ausgezeichnete  Arbeit 
über  „Pflanzen  und  Schnecken"1)  wird  hoffentlich  zu  ferneren  Unter- 
suchungen anregen,  bei  welchen  die  Berücksichtigung  geographischer 
Fragen  gewiss  zu  lohnenden  Ergebnissen  fuhren  würde. 


1-  Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtungen. 

Durch  die  Untersuchungen  K.  Sprengel's  und  Darwin's,  welchen 
solche  von  Fr.  und  H.  Müller,  Delpino,  Hildebrand  und  vielen  anderen 
Forschern  ergänzend  hinzutraten,  ist  endgültig  der  Nachweis  geliefert 
worden,  dass  viele  Blüthen  zu  ihrer  Bestäubung  der  Mitwirkung  gewisser 
Thiere,  zumal  Insekten,  seltener  Vögel  bedürfen  und  diesem  Umstände 
viele  ihrer  Eigenthümlichkeiten  verdanken. 

Zahlreiche  Blüthen  werden  von  den  mannigfachsten  Besuchern 
ausgebeutet  und  bestäubt,  indem  ihr  Pollen  und  Nektar  jedem  frei 
oder  doch  leicht  zugänglich  zur  Verfügung  steht.  Andere  Blüthen 
sind  in  mehr  oder  weniger  hohem  Grade  an  bestimmte  Sippen  an- 
gepasst,  sei  es,  dass  ihre  Lockmittel  charakteristische  Liebhabereien 
voraussetzen,  sei  es,  dass  der  Zugang  zum  Nektar  nur  beim  Besitze 
gewisser  Körperformen  oder  gewisser  Fähigkeiten  möglich  sei.  Sind 
Anpassungen  der  letzteren  Art  an  Thiersippen  beschränkter  Verbreitung 
gebunden,  so  ist  ihr  Vorhandensein  oder  Fehlen  für  die  Vegetation 
bestimmter  Gebiete  charakteristisch. 

§  I.  Ornithophile  Blüthen.  Das  grösste  pflanzengeographische 
Interesse  wenigstens  beim  gegenwärtigen  Standpunkt  unserer  Kenntnisse, 
ist  den  Anpassungen  der  Blüthen  an  Bestäubung  durch  Vögel  zu- 
zuschreiben, indem  blüthenbesuchende  Vögel  auf  bestimmte  Gebiete 
beschränkt  sind.  Vornehmlich  drei  Klassen  von  Vögeln  kommen  dabei 
in  Betracht,  die  Kolibris  (Trochiliden),  die  Honigvögel  (Nektariniden) 
und  die  Honigsauger  (Meliphagiden),  obwohl  einzelne  Vögel  anderer 
Verwandtschaftsgruppen  ebenfalls  als  Bestäuber  eine  Rolle  spielen. 

Die  Kolibris  sind  auf  Amerika  beschränkt.  Nur  in  der  Phantasie 
gewisser  Blüthenbiologen  sieht  man  sie  zuweilen  die  Blüthen  Afrika's 
und  Asien 's  umschwärmen.  Ihre  Bedeutung  als  Blüthenbestäuber  wurde 
zuerst  von  Delpino  hypothetisch  ausgesprochen,  aber  erst  durch 
Fr.  Müller  im  Jahre  1870  nachgewiesen,  welcher  Kolibris  als  Bestäuber 
von  Combretum-,  Manettia-  und  Passiflora-Arten  in  St.  Catharina  be- 
obachtete. Th.  Belt  gab  bald  darauf,  auf  Grund  sorgfältiger  Beobachtungen 
in  Nicaragua,    die   erste   ausfuhrliche  Beschreibung  von  Kolibriblüthen : 

*)  Jena  1888. 


134 


VI.   Die  Thiere. 


„Man  konnte  unter  diesen  Bäumen  kleine  Schaaren  von  Vögeln  be- 
obachten ;  einen  grünen  mit  rothem  Kopfe  (Calliste  Laviniae  Cass.),  einen  anderen, 
glänzend  grün  mit  schwarzem  Kopfe  (Chlorophanes  guatemalensis)  und  einen 
dritten  schön  schwarz,  blau  und  gelb  mit  gelbem  Kopfe  (Calliste  larvata,  Du 
Bus.).  Diese  Vögel  und  noch  viele  Anderen  waren  mit  Sicherheit  zu  erwarten, 
wo  die  kletternde  Marcgravia  umbellata  ihre  merkwürdigen  Blüthen  trug. 
Die  Blüthen  dieser  hochstämmigen  Liane  sind  kreisförmig  geordnet  und  herab- 
hängend, wie  ein  umgekehrter  Kandelaber.  Von  der  Mitte  des  Blüthenkreises 
hängt  eine  Gruppe  eimerförmiger  Gebilde  herab,  welche  zur  Blüthezeit  eine 
süsse  Flüssigkeit  enthalten.  Diese  Flüssigkeit  wirkt  als  Lockmittel  für  Insekten 
und  diese  wiederum  für  eine  grosse  Anzahl  insektenfressender  Vögel,  ein- 
schliesslich   der    vorhin    erwähnten    und    zahlreichen   Kolibris.      Die    Blüthen 

sind  derart  gestellt, 
dass  ihre  herabhän- 
genden Staubgefasse 
durch  Vögel,  welche 
die  Nektarien  er- 
reichen wollen,  ab- 
gebürstet werden;  so 
wird  der  Pollen  von 
einer  Bltithe  auf  die 
andere  getragen.  Bei 
einer  zweiten ,  von 
mir  bei  San  Domingo 
beobachteten  Marc- 
gravia-Art  befinden 
sich  die  Eimer  in 
nächster  Nähe  der 
Blumenstiele  und  die 
Blüthen  sind  nach  oben 
gerichtet,  so  dass  der 
Pollen  durch  die  Brust 
des  Vogels  abgebürstet 
wird."  (S.  128—129.) 
Auch  für  eine  Ery- 
thrina-Art  wurde  bereits  durch  Belt  die  Ornithophilie  nachgewiesen.  .  .  . 
„Viele  Blüthen  sind,  wie  diejenigen  von  Marcgiavia,  der  Bestäubung  durch 
Vögel  angepasst.  Unter  diesen  zog  der  „palo  sabre,"  Erythrina  sp.,  ein  kleiner 
rothblühender  Baum,  oft  meine  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Der  Baum  blüht 
im  Februar  und  ist  zur  Blüthezeit  laublos,  so  dass  die  grossen  rothen  Blüthen 
in  weiter  Entfernung  leuchten.  Jede  Blüthe  besitzt  ein  grosses,  langes  und 
ziemlich  fleischiges  Blumenblatt  (die  Fahne),  welches  gefaltet,  seitlich  ab- 
geflacht und,  mit  Ausnahme  einer  kleinen  Oeffnung,  durch  welche  die  Staub- 
gefasse herausragen,  geschlossen  ist.  Nur  winzige  Insekten  können  in  das 
Innere  der  Blüthe  gelangen ,  deren  Grund  eine  honigartige  Flüssigkeit  aus- 
scheidet Zwei  langgeschnäbelte  Kolibriarten  besuchen  die  Blüthe;  die  eine, 
Heliomaster  pallidiceps  Gould,    ist  ziemlich  selten;   die  andere,   Phoethornis 


Fig.  61.    Blüthenstand  von  Marcgravia  umbellata,  der  Bestäubung 
durch  Kolibris  angepasst.     Nat.  Gr.     Nach  Flora  Brasiliensis. 


I.   Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtungen.  ijc 

longirostris  de  Latt.,  konnte  bei  Beobachtung  des  Baumes  während  nur  weniger 
Minuten  mit  Sicherheit  gesehen  werden." 

Seit  der  klassischen  Schilderung  Belt's  und  den  leider  sehr  kurzen 
Mittheilungen  Fr.  Müller 's  hat  die  Kenntniss  der  Kolibriblüthen  erheb- 
liche Fortschritte  nicht  aufzuweisen,  denn  die  fern  von  der  Heimath  der 
Kolibris  aufgestellten  Vermuthungen  verschiedener  Biologen  können  als 
solche  nicht  gelten.  Der  Antheil,  der  den  Kolibris  an  den  Eigen- 
thümlichkeiten  vieler  amerikanischer  Blüthen  sicher  zukommt,  wird  erst 
auf  Grund  sorgfaltiger  und  kritischer  Untersuchungen  an  Ort  und  Stelle 
nachgewiesen  werden  können.  Unzweifelhaft  haben  diese  lebhaft  ge- 
färbten Bestäuber  eine  Vorliebe  für  die  rothe,  speciell  die  brennend 
rothe  Farbe;  in  kolibrireichen  Gegenden,  z.  B.  auf  den  Antillen,  habe 
ich  selten  eine  in  rothem  Blüthenschmuck  an  der  Sonne  prangende 
Holzpflanze  gesehen,  ohne,  bei  einiger  Geduld,  auch  Kolibris  an  der- 
selben beobachten  zu  können.  Namentlich  ist  es  mir  in  lebhafter  Er- 
innerung, die  mit  .scharlachrothen  Nectarien  prangende  Norantea  guia- 
nensis  auf  Trinidad  von  Kolibris  umschwärmt  gesehen  zu  haben. 
Auch  an  den  höchst  eigenartigen  grossen  tief  carminrothen  Blüthen  von 
Couroupita  guianensis  habe  ich  solche  Besucher  beobachtet.  In  dem 
Garten  eines  von  mir  an  der  Küste  von  Massachussets  im  Sommer 
bewohnten  Hauses  konnte  ich  alltäglich  die  einzige  dortige  Kolibriart 
(Trochilus  colubris)  einen  tiefcarminroth  blühenden  Weigeliastrauch  be- 
suchen sehen.  Diese  Bevorzugung  für  rothe  Farbe  schliesst  jedoch  den 
Besuch  anders  gefärbter  Blüthen  nicht  aus ;  so  haben  die  Blüthen  der 
mir  bekannten  Marcgravia-Arten  matte,  bräunliche  Färbung. 

Kerner  will  den  Reichthum  der  amerikanischen  Flora  an  rothblühenden 
Pflanzen  in  ursächlichem  Zusammenhang  mit  der  Anwesenheit  der  Kolibris 
bringen.  Wie  verhält  es  sich  aber  mit  diesem  Reichthum?  Allerdings  würde 
der  Unkundige,  der  in  einem  tropisch  -  amerikanischen  Hafen  landet  und  das 
Flammenmeer  der  blühenden  Poinciana  regia  erblickt,  nach  berühmtem  Muster, 
zu  berichten  geneigt  sein,  dass  die  Bäume  im  tropischen  Amerika  roth  blühen. 
Nur  ist  dieser  glänzendste  aller  rothblühenden  Bäume  ostindischen  Ursprungs, 
ähnlich  wie  viele  anderen  Pflanzen  mit  scharlachrothen  Schauapparaten,  welche 
in  wannen  Zonen  allgemein  als  Zierpflanzen  cultivirt  werden.  Ich  habe  nicht 
den  Eindruck  gehabt,  dass  die  rothe  Farbe  in  der  amerikanischen  Flora  mehr 
hervortritt  als  etwa  in  der  malayischen. 

Da  die  Honigvögel,  welche  den  grössten  Theil  Afrika's,  das  tropische 
Asien  und  Australien  bewohnen,  ebenfalls  als  Blüthenbestäuber  nachgewiesen 
sind,  und  ähnliche  Vorliebe  für  rothe  Farbe  besitzen,  so  könnte  man  sich 
allerdings  die  Frage  stellen,  ob  der  thatsächlich  grössere  Reichthum  an 
leuchtend  rothen  Blüthen  und  Bracteen,  der  die  warme  Zone  vor  der  nord- 
temperirten  auszeichnet,  mit  der  Ornithophilie  zusammenhängt.  Zu  den,  in 
in  solcher  Weise  ausgezeichneten  Blüthen  gehören  in  Amerika  u.  a.  zahlreiche 
Bromeliacen,    namentlich  Arten   von  Aechmea   und  Vriesea,    im  malayischen 


136  VI.    Die  Thiere. 

Archipel  Zingiberaceen  an;  ich  habe  aber  niemals  irgend  welche  Vögel  in 
der  Nähe  dieser  Pflanzen  gesehen.  Die  Bromeliaceen  mit  bunten  Bracteen 
bewohnen,  soweit  ich  sie  an  ihren  natürlichen  Standorten  gesehen  habe,  nur 
schattige  Plätze,  wo  die  sonnenliebenden  Kolibris  selten  gesehen  werden  und 
die  malayischen  Zingiberaceen  kommen  aus  dem  tiefsten  Waldschatten,  wo 
Honigvögel  vergeblich  gesucht  werden  würden,  nicht  heraus. 

Eine  ganz  ähnliche  Rolle  wie  die  Kolibris  in  der  neuen  Welt 
spielen  die  Nectariniiden  oder  Honigvögel  in  der  warmen  Zone  der 
alten,  doch  treten  sie  wohl  nur  im  tropischen  und  südlichen  Afrika  in 
ähnlicher  Zahl  der  Arten  und  Individuen  auf.  Die  Beziehungen  der 
Honigvögel  zu  den  Blüthen  wurden  in  Südafrika  von  Scott-Elliot  unter- 
sucht, dessen  vortreffliche  Arbeiten  uns  zuerst  eine  nähere  Einsicht  in 
die  Structur  ornithophiler  Blüthen  eröffnet  haben. 

Die  südafrikanischen  Honigvögel  sind  nach  Scott-Elliot  ausgezeich- 
nete Bestäuber,  da  sie,  ähnlich  wie  Bienen,  bei  den  Blüthen  einer  Art 
verharren. 

Nectarinia  chalybea  und  bicollaris,  Promerops  caper  sind  bei  Cape- 
Town  die  wichtigsten  Arten;  Promerops  Gurneyi  vertritt  Pr.  caper  im  öst- 
lichen Theile  der  Cap-Colonie  und  in  Natal;  Nectarinia  famosa  lebt  vom 
December  bis  April  in  der  Karoo,  sonst  in  den  Gebieten  der  Knysna  und 
East- London. 

Wie  die  Kolibris,  zeigen  auch  die  südafrikanischen  Honigvögel  Vor- 
liebe für  die  rothe  Blüthenfarbe ,  und  zwar  zeichnet  eine  bestimmte 
rothe  Nuance,  welche  den  Brustfedern  verschiedener  Arten  dieser 
Vögel  zukommt,  verschiedene  ornithophile  Blüthen  aus.  Labiaten,  Aloe- 
Arten,  Irideen  und  Leguminosen  nehmen  diese  sonst  seltene  Blüthen- 
farbe an,  wenn  sie  sich  der  Bestäubung  durch  Honigvögel  anpassen. 
Charakteristische  Merkmale  der  ornithophilen  Blüthen  des  Kaplandes 
sind  ferner  in  vielen  Fällen  ein  bürstenartiges  vielgliedriges  Androeceum 
und  hervorragende  Griffel.  Aehnliches  beobachtet  man  auch  bei  Kolibri- 
blüthen,  z.  B.  denjenigen  der  Margraviaceen  und  von  Couroupita. 

Zu  den  ornithophilen  Blüthen  gehören  ferner  viele  Arten  von  Pro- 
tea,  deren  grosse  kopfige  Blütenstände  von  steifen  Bracteen  umgeben 
sind,  an  deren  Grund  der  Honig  sich  ansammelt ;  die  Vögel  sitzen  auf 
dem  Rand  des  Bechers  und  streifen  die  pollenbedeckten  hervorragenden 
Griffel  (Fig.  61).  Auch  viele  Kap -Eriken  sind  an  Vogelbestäubung 
angepasst,  nicht  minder  manche  Leguminosen,  wie  die  Erythrina  caffra, 
welche  wohl  keine  anderen  Besucher  als  Honigvögel  besitzt.  Die 
Banane  ist  in  Natal ,  Ravenala  madagascariensis  in  ihrem  Heimathland 
vornehmlich,  jedoch  nicht  ausschliesslich,  ornithophil. 

Der  merkwürdigste  unter  den  südafrikanischen  ornithophilen  Blüthen- 
apparaten  kommt  der  in  unseren  Gewächshäusern  häufig  cultivierten 
Strelitzia  reginae  (Fig.  62)    zu.      Die    drei   äusseren  Perigonblätter  sind 


Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtungen. 


137 


Fig.   61.    Protea  speciosa  L.    Blüthenköpfchen.    Bestäubung  durch  Honigvögel.    Nat.  Grösse. 


hier  von  lebhafter  Orangenfarbe,  von  den  drei  innern  ist  das  eine  als 
grosses  azurblaues  pfeil förmiges  Labellum  ausgebildet,  während  die 
beiden  anderen  klein  sind,  und  über  dem  Eingang  zur  Nektarhöhle  eine 


138 


VI.   Die  Thiere. 


Wölbung  bilden.  Eine  das  Labellum  der  Länge  nach  durchziehende 
Rinne  umschliesst  die  Staubgefässe  und  den  Griffel,  dessen  Gipfel  sammt 
der   Narbe    frei   hervorragt.     Der  Vogel   wandelt    auf  dem   Rande    des 

Labellum  und  saugt  den 
unter  der  Wölbung  be- 
findlichen Nektar,  dabei 
zuerst  die  Narbe,  dann 
die  Staubgefässe  berüh- 
rend. Die  schönen  Farben 
der  Blüthe  entsprechen 
vollständig  denjenigen 
ihres  Bestäubers,  Necta- 
rinia  Afra. 

Auch  in  Neu-Seeland 
ist  die  Bestäubung  von 
Blüthen  durch  Vögel  be- 
obachtet worden,  so  na- 
mentlich von  Thomson 
bei  Clianthus  puniceus, 
Sophora  tomentosa,  Me- 
trosideros  lucida,  Fuchsia 
excorticata ,  Loranthus 
Colensoi,  Dracophyllum 
longifolium ,  Phormium 
tenax.  Diese  Blüthen  sind 
zum  Theile  roth  gefärbt. 
Anpassung  an  andere 
Vogelgruppen  ist  nur  für 
einen  Fall  nachgewiesen, 
nämlich  für  Feijoa  Schen- 
ckiana,  eine  baumartige 
Myrtacee ,  welche  Fritz 
Müller  im  Oberland  von 
St.  Catharina  entdeckte 
und  in  seinen  Garten  zu 
Blumenau  verpflanzte,  wo 
ich  sie  zur  Blüthezeit  zu 
beobachten  Gelegenheit 
Die  Structur  der  Blüthe  ist  von  Fritz  Müller  trefflich  geschildert 
worden.  Höchst  eigenartig  sind  die  vier  schneeweissen  Blumenblätter, 
welche  eingerollt  sind,  so  dass  nur  ein  schmaler  Spalt  oberwärts  oder 
etwas  seitlich  sichtbar  bleibt.  Diese  Blumenblätter  sind  fleischig-saftig 
und  von  süssem  Geschmack.     Wie  bei  den  meisten  Vogelblüthen  sind 


Fig.  62 
reginae. 


hatte. 


Eine  Kapländische  Honigvogelblüthe,  Strelitzia 
/  Kelchblätter,  /  Blumenblätter,  g  Griffel  und 
Narbe,  st  Staubgefässe. 


%  nat.  Gr. 


i.    Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtungen. 


139 


auch  die  Staubgefässe  schön  roth,  zahlreich,  steifbürstenartig  und  von 
dem  Griffel  überragt.  Der  einzige  mit  Sicherheit  nachgewiesene  Be- 
stäuber ist  ein  ziemlich  grosser,  schwarzer,  leider  nicht  bestimmter 
Vogel,  welcher  die  Blumenblätter  gierig  frisst. 


Fig-  63.    Feijoa  Schenckiana.    Eine  ornithophilc  Myrtacee  aus  St.  Catharina,  Brasilien.   Nat.  Gr. 


§  2.  Entomophile  Blüthen.  Die  Anzahl  der  an  Bestäubung 
durch  Insekten  angepassten  Blüthen  ist  weit  grösser  als  diejenige  der 
ornithophilen ,  auch  da  wo  ausgezeichnete  Bestäuber  unter  den  Vögeln 
vorkommen.  Während  aber  Ornithophilie  eine  beschränkte  Verbreitung 
zeigt,  ist  Entomophilie  in  allen  Floren,  bis  zu  den  Grenzen  der 
Phanerogamenvegetation  überhaupt ,  nachgewiesen.  Nur  drei  Ab- 
theilungen  von  Insekten   sind   an  der  Bestäubung  hervorragend  thätig, 


140 


VI.    Die  Thiere. 


die  Dipteren,  Lepidopteren  und  Hymenopteren ,  während  andere  In- 
sekten entweder  keine  oder  doch  nur  eine  nebensächliche  Bedeutung 
besitzen  und  keine  ihnen  speciell  angepasste  Blüthenform  hervorgerufen 
zu  haben  scheinen.  Die  drei  wichtigsten  Bestäubergruppen  sind  aller- 
dings überall,  wo  es  Blüthen  giebt,  vertreten  und  haben  überall 
Anpassungen  gezüchtet;  ihre  relative  Menge  ist  aber  oft  sehr  ungleich 
und  dieser  Unterschied  wiederholt  sich  in  der  relativen  Zahl  der 
Dipteren-,  Lepidopteren-  und  Hymenopteren-Blüthen.  Ein  Vergleich  von 
kalten,  temperirten  und  warmen  Gebieten  oder  von  Inseln  mit 
Continenten  ist  in  dieser  Hinsicht  oft  sehr  lehrreich. 

Die  hohen  Regionen  der  Alpen  sind  wohl  insektenärmer  als 
die    umgebenden   Niederungen;    doch    werden,    wie   H.    Müller   zeigte, 

ihre  Blüthen  nicht  minder  häufig  be- 
sucht als  in  der  Ebene.  Wichtiger 
als  die  Abnahme  der  Gesammtmenge 
der  Insekten  ist  das  ganz  veränderte 
Zahlenverhältniss  der  einzelnen  Grup- 
pen. So  nehmen,  nach  dem  ge- 
nannten Forscher,  in  vertikaler 
Richtung  die  Apiden  rasch  ab,  mit 
Ausnahme  der  Hummeln.  Eine  be- 
trächtliche Zunahme  zeigen  dagegen 
die  Falter.  Dementsprechend  nehmen 
mit  der  Höhe  die  Bienenblüthen  ab 
und  die  Falterblüthen  zu.  Letzteren 
kommen  nach  Low  in  den  Alpen 
53 ,  in  der  westfälischen  Niederung 
dagegen  nur  36  Arten  zu. 

Manche  Gattungen  sind  in  der 
Ebene  durch  Arten  mit  Apiden- 
blüthen,  in  den  Alpen  aber  durch 
solche  mit  Falterblüthen  vertreten,  z.  B.  Gentiana,  Rhinanthus,  Viola. 
Ein  und  dieselbe  Art  kann  sogar  entsprechende  Variationen  erfahren. 
Die  Blüthen  von  Viola  tricolor  (Fig.  64,  2)  sind  in  der  Ebene  kurz- 
gespornt, entsprechend  der  Kürze  des  Rüssels  der  Bienen,  ihrer  Be- 
stäuber; die  Var.  alpestris  ist  langgespornt,  entsprechend  dem  langen 
Falterrüssel.  Die  rein  alpine  Viola  calcarata  hat  langgespornte  Falter- 
blüthen (Fig.  64,  /.).  Primula  farinosa  hat,  nach  H.  Müller,  in  der 
Ebene,  wo  ihre  Bestäuber  Bienen  sind,  einen  bedeutend  weiteren 
Blütheneingang  als  auf  den  alpinen  Höhen,  wo  sie  wesentlich  nur  durch 
Falter  aufgesucht  wird. 

Die  Pyrenäen   sind    ärmer   an  Schmetterlingen  als  die  Alpen,    da- 
gegen reicher  an  Insekten,   welche  bestimmte  Blüthenformen  nicht  ge- 


Fig.  64.     /  Viola  calcarata.     Falterblüthe, 

langgespornt.      2   Viola    tricolor.      Bienen- 

blüthe,  kurzgespornt.     Nat  Gr. 


i.    Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtungen.  141 

züchtet  haben;  Falterblüthen  treten  dementsprechend  stark  zurück 
(Mac  Leod).  Das  norwegische  Hochland  ist  wegen  der  Kürze  und 
nassen  Witterung  seines  Sommers  insektenarm;  die  Anpassungen  an 
Fremdbestäubung  haben  dadurch  eine  beträchtliche  Einschränkung 
erlitten. 

Von  den  76  alpinen  und  arktischen  Arten  des  Dovrefjeld  sind,  nach 
einer  Zusammenstellung  Löw's,  2  anemophil  (Oxyria  digyna  und  Thalictrum 
alpinum),  während  die  74  entomophilen  folgende  Einrichtungen  aufweisen: 
Stets  oder  meist  verhinderte  Selbstbestäubung  haben  12  Arten  =  i6,2°/0, 
Selbstbestäubung  neben  Fremdbestäubung  zeigt  sich  bei  40  =  54%  und  regel- 
mässig oder  leicht  eintretende  Selbstbestäubung  bei  22  =  29,7%. 

Im  Vergleich  zu  den  Hochalpen  zeigen  die  Hochgebirgspflanzen  Nor- 
wegens eine  deutliche  Abnahme  allogamer  Blütheneinrichtungen  (um  ca.  1  o  ü/0), 
sowie  eine  noch  stärkere  Zunahme  von  Autogamie  (um  ca.  i5°/0). 

Die  Verhältnisse  der  Bestäubung  in  hocharktischen  Ländern 
wurden  von  Warming  für  Grönland  näher  untersucht.  Insektenbesuche 
schienen  in  sehr  geringer  Anzahl  stattzufinden.  Dementsprechend  sind 
Windblüthigkeit  und  Autogamie  stark,  Entomophilie  schwach  entwickelt. 
Manche  sonst  ausgesprochene  Insektenblüthen  zeigen  grössere  Neigung 
zur  Selbstbestäubung,  z.  B.  diejenigen  von  Mertensia  maritima,  deren 
Blüthen  in  Grönland  kleiner  sind  als  in  Skandinavien,  Azalea  procum- 
bens,  Vaccinium  vitis  idaea  var.  pumila,  Bartsia  alpina,  Thymus  Ser- 
pyllum,  Menyanthes  trifoliata,  Pirola  grandiflora  etc.  Trotz  der  Insekten- 
armuth  sind,  im  Gegensatz  zu  einer  vielfach  ausgesprochenen  Ansicht, 
die  Lockmittel  nicht  stärker  ausgeprägt  als  beim  Vorhandensein  einer 
reichen  Insektenfauna. 

Die  vegetative  Vermehrung  ist  in  Grönland  stark  entwickelt, 
namentlich  bei  Pflanzen  mit  verminderter  oder  erschwerter  Selbst- 
bestäubung: „Je  mehr  in  dem  insektenarmen  Grönland  eine  Art  ento- 
mophil  ist,  desto  mehr  passt  sie  sich  der  Vermehrung  auf  vegetativem 
Wege  an,  während  die  autogamen  Pflanzen  diese  Art  der  Fortpflanzung 
entbehren  können  und  thatsächlich  auch  entbehren"  (Warming). 

Die  Bedingungen  der  Bestäubung  sind  vielfach  zur  Erklärung  der 
Eigenthümlichkeiten  der  Inselfloren  herangezogen  worden ;  nament- 
lich hat  Wallace  versucht,  die  Anwesenheit  oder  das  Fehlen  bezw.  die 
Seltenheit  lebhaft  gefärbter  Blüten  auf  Inseln  mit  der  Fauna  in  Zu- 
sammenhang zu  bringen.  So  sind  auf  den  Inseln  im  östlichen  Teile 
der  Südsee,  z.  B.  auf  Tahiti,  die  Insekten,  namentlich  Lepidopteren  und 
Bienen  selten;  diesem  Umstände  soll  die  Armuth  der  dortigen  Flora 
an  Insektenblüthen,  namentlich  an  lebhaft  gefärbten,  und  das  Ueber- 
handnehmen  der  Farne  zugeschrieben  sein.  Auf  den  westlichen  Inseln, 
z.  B.  auf  Fidji,  sind  die  Schmetterlinge  zahlreicher  und  haben  eine 
grössere  Anzahl   schön   gefärbter  Blüthen  gezüchtet.     Die  Pflanzen  der 


142  VI.    Die  Thiere. 

Galapagos  haben  so  unscheinbare  Blüthen,  dass  Darwin  sich  erst  nach 
längerer  Zeit  überzeugen  konnte,  dass  sie  beinahe  sämmtlich  zur  Zeit 
seines-  Aufenthalts  blühten.  In  der  That  sind  kleine  Dipteren  und 
Hymenopteren  die  einzigen  Vertreter  der  Insektenwelt  auf  diesen 
Inseln. 

Solche  Versuche  sind  unzweifelhaft  interessant  und  anregend ;  doch 
braucht  kaum  betont  zu  werden,  dass  die  erwähnten  Eigenthümlich- 
keiten  nicht  durch  die  Verhältnisse  der  Bestäubung  allein,  sondern  nur 
unter  Heranziehung  historischer  und  klimatischer  Momente  erklärbar 
sind.  Zudem  beruhen  Wallace' s  Anschauungen  grösstenteils  auf  den 
lückenhaften  Berichten  und  Sammlungen  anderer,  der  Sache  fernstehen- 
der Forscher  und  sind  für  mehrere  besonders  prägnante  Fälle  bereits 
widerlegt  worden.  So  hatte  Wallace  der  neuseeländischen  Flora  beinahe 
ausschliesslich  unscheinbare,  grünliche,  geruchlose  Blüthen  zugeschrieben 
und  das  vermeintliche  Fehlen  lebhaft  gefärbter  oder  duftender  Blüthen 
mit  der  vermeintlichen  Insektenarmuth  in  Zusammenhang  gebracht.  In 
Wirklichkeit  jedoch  sind  weder  schöne  Blüthenfarben ,  noch  Insekten 
mit  ausgeprägtem  Farben-  und  Geruchssinn  auf  Neuseeland  so  selten, 
als  es  Wallace  annahm. 

Von  433  neuseeländischen  Blüthenpflanzen  hat,  nach  G.  M.  Thomson, 
kaum  die  Hälfte  (49%)  unscheinbare  Blüthen  und  2  2°/0  der  Arten  sind 
duftend.  Auf  Kreuzung  durch  Insekten  sind  über  23%  angewiesen,  selbst 
fertil  sind  48%,  anemophil  29 ° /0  Arten.  Die  wichtigsten  Bestäuber  sind 
hier  Dipteren ;  die  unscheinbaren  Insektenblüthen  werden  von  anderen  Insekten 
kaum  oder  gar  nicht  besucht.  Auch  manche  der  zahlreichen  Käfer  (ca.  1300 
Arten)  nehmen  an  der  Bestäubung  theil.  Unter  den  Schmetterlingen  kommt 
den  zahlreichen  Noctuiden  grössere  Bedeutung  zu,  als  den  wenigen  Tagfaltern 
(18  Arten).  Von  Bienen  kommen  nur  10  Arten  vor.  Endlich  sind,  wie  bereits 
erwähnt,  Vögel  die  hauptsächlichen  oder  ausschliesslichen  Bestäuber  mancher 
grosser  Blüthen.  Was  sich  aus  dieser  Darstellung  entnehmen  lässt,  ist  nur,  dass 
die  relativ  grosse  Anzahl  unscheinbarer  Blüthen  möglicherweise  mit  dem  Vor- 
wiegen der  Dipteren  zusammenhängt. 

Während  die  meisten  Inselfloren  durch  ihre  Armuth  an  schön 
blühenden  Pflanzen  auffallen,  ist  der  kleine  Juan-Fernandez-Archipel  im 
Gegentheil  durch  die  Farbenpracht  seiner  Flora  ausgezeichnet;  manch- 
mal sind  die  Blüthen  einheimischer  Arten  sogar  auffallender  als  die- 
jenigen verwandter  Arten  des  Continents.  Nach  Wallace  hätten  zwei 
endemische  Kolibri-Arten  die  schönen  Blüthenfarben  gezüchtet.  Johow, 
welcher  die  Oekologie  der  Juan-Fernandez-Vegetation  an  Ort  und  Stelle 
studieren  konnte,  hält  allerdings  die  Bestäubung  mancher  Arten  durch 
Kolibris  für  wohl  möglich  (Rhaphithamnus ,  Escallonia ,  Myrceugenia 
fernandeziana) ;  er  betont  aber  andererseits,  dass  die  Insektenarmuth 
keineswegs  so  gross  ist,  als  Wallace  angenommen  zu  haben  scheint. 
So  sind  verschiedene  Lepidopteren  ausserordentlich  häufig  und  Dipteren 


i.    Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungs Vorrichtungen. 


143 


wurden  von  Johow  auf  den  Blüthen  von  Dendroseris,  Robinsonia,  Eryn- 
gium  bupleuroides  etc.  beobachtet.  Die  Ansicht  Wallace's  darf,  obwohl 
allgemein  adoptirt,  bis  zu  ihrer  Bestätigung  an  Ort  und  Stelle  wissen- 
schaftliche Berechtigung  nicht  beanspruchen. 

Nur  sorgfältige  und  lange  fortgesetzte  Beobachtungen  werden  die 
Bedeutung  der  Blüthenbestäubung  für  die  Zusammensetzung  und  die 
Physiognomie  der  Inselflora  aufklären  können.    Für  einige  Küsteninseln 


Fig.  65.     Angraecum  eburneum  Thou,   am   natürlichen  Standorte.     Seychellen.     Rechts  eine 
Zingeberacea.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  A.  Brauer. 


der  Nordsee  sind  in  neuester  Zeit  durch  Behrens,  VerhoefT,  Alfken  und 
Knuth  Untersuchungen  begonnen  worden,  aus  welchen  brauchbare  Re- 
sultate hervorzugehen  versprechen.  Diese  Inseln  entbehren  allerdings 
der  einheimischen  Elemente  und  sind  überhaupt  in  vieler  Hinsicht 
weniger  interessant  als  die  oceanischen  Inseln ;  aber  gerade  ihre  recente 
Bildung,  die  Nähe  des  Continents,  der  sicher  nachweisbare  Ursprung 
ihrer  Flora  und  Fauna  erscheinen  geeignet,  manche  Unterschiede  der 
insularen  und  continentalen  Existenzbedingungen  aufzuklären  und  die 
Deutung  complicierter  Verhältnisse  auf  oceanischen  Inseln  anzubahnen. 


VI.    Die  Thiere. 


Fijj,66,  Blüthevon 
Macroplectmm  se- 
squipedale ,  das 
Perigon  mit  Aus- 
nahme des  Sporns 
entfernt.  B,  G.Hei- 
delberg,    Nat.  Gr. 


Wie  auf  den  oceanischen  Inseln 
ist  auch  auf  den  Küsteninseln 
der  Reichthum  an  insektenblüthi- 
gen  Arten  geringer  als  auf  dem 
Continent;  die  blosse  Abtrennung 
von  letzterem  hat  demnach  das 
Verschwinden  eines  Theils  dieser 
Arten  zur  Folge.  Gleichzeitig  ist 
auch  eine  Abnahme  der  Insekten 
bemerkbar.  Beide  Erscheinungen 
sind  auf  die  Sturmwinde  zurück- 
zuführen, welche  einerseits  die 
Zahl  der  Insekten  und  der  an 
dieselben  gebundenen  Pflanzen- 
arten vermindern,  während  sie 
andererseits  die  Windblüthen  be- 
günstigen. *) 

Die  bisherigen  Untersuchungen 
über  Blüthenbestäubung  sind,  mit 
wenigen  Ausnahmen,  nur  in  den 
temperirten  Zonen  angestellt  wor- 
den. In  den  Tropen  wurden  bis 
jetzt  nur  wenige  und  vorwiegend 
fragmentarische  Beobachtungen 
ausgeführt,  obwohl  viele  tropische 
Blüthen  formen  an  ganz  bestimmte 
Bestäuber  angepasst  zu  sein  schei- 
nen; es  braucht  in  dieser  Hin- 
sicht nur  an  die  Orchideen  er- 
innert zu  werden.  Die  Schönheit 
und  der  Duft  vieler  tropischer 
Schmetterlinge  weisen  auf  einen 
entsprechend  entwickelten  Farben- 
und  Geruchsinn  hin  und  die 
grossen  blauen  Morphos  Süd- 
Amerika's,  die  vogelähnlichen  glän- 
zenden Ornithopteren  Malayens 
sind  in  ihren  Heimathländern  recht 
häufig.  Aber  noch  andere  Eigen- 
thümlichkeiten  mancher  tropischer 


J)  Vgl.  S.  88. 


Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtungen. 


145 


Fiß,  6S.  Tropische 
langröhrigc  Nacht- 
firttefblftthen  (Hu- 
btaceaf).  t  Exu- 
sttftDii    flonliundum 

(Sw  )    Rom,   et 

Schult     (Antillen). 

2    Püfoqucm   hir* 

3  Öiyanthus 

***—"*"»     Hott  ho* 

ftat,  Gr. 


Schimper,  Pflanzengeographie. 


146 


VI.    Die  Thiere. 


Schmetterlinge  kommen  hier  in  Betracht.  So  haben  manche  tropische 
Blüthen  ungeheuer  lange  Röhren,  in  deren  Grund  der  Nektar  sich  be- 
findet (Fig.  66 — 68),  der  nur  von  Schwärmern  mit  entsprechend  langem 
Rüssel  ausgebeutet  werden  kann.  Die  längsten  Gebilde  dieser  Art  sind 
die  spornähnlichen  Aussackungen  des  Labellum  von  Macroplectrum 
sesquipedale  Pfitzer,  einer  madagassischen  Orchidee,  welche  5  dem  lang 
werden  (Fig.  67).  Einige  im  botanischen  Garten  zu  Buitenzorg  eultivirte 
tropische  Rubiaceen  fielen  mir  durch  die  ungewöhnliche  Länge  ihrer 
Röhren  auf  (Fig.  68);   Schwärmer  mit  hinreichend  langem  Rüssel,    um 


Fig.  69.     Bliithe  von  Yucca  filamentosa  und  (nach  Kerner)  die  Motte.     Nat.  Gr. 


den  in  deren  Grund  befindlichen  Nektar  zu  saugen,  kommen  in  Europa 
und  wohl  in  der  nördlichen  temperirten  Zone  überhaupt,  nicht  vor. 

Macroplectrum  sesquipedale  dürfte  zu  denjenigen  Arten  gehören, 
deren  sehr  beschränkte  geographische  Verbreitung  an  diejenigen  einer 
sie  bestäubenden  Insektengattung  oder  -Art  gebunden  ist.  Einen 
unzweifelhaften  Fall  letzterer  Art  stellen  verschiedene  Yucca-Arten 
Nord-Amerika's  dar,  welche  ausschliesslich  durch  Motten  der  Gattung 
Pronuba  bestäubt  werden.  So  ist  die  in  unseren  Gärten  häufig  eultivirte, 
aber  stets  steril  bleibende  Yucca  filamentosa  für  ihre  Befruchtung  von 
Pronuba  yuccasella  abhängig  (Fig.  69).  Da  das  Insekt  für  seine  Ver- 
mehrung von  der  Yucca  ebenso  abhängig  ist,  so  ist  es  schwer  zu  sagen, 


2.   Pflanzen  und  Ameisen. 


147 


welcher    der   beiden    Organismen    die   geographische   Verbreitung   des 
anderen  vorwiegend  bestimmt  (Fig.  69). 

Der  Vorgang  der  Bestäubung  ist  bei  Yucca  ein  höchst  eigenartiger.  Die 
Motte  legt  ihre  Eier  in  den  Fruchtknoten,  in  welchem  die  Larven  sich  auf 
Kosten  junger  Samen  entwickeln  sollen.  Um  die  Entwickelung  der  letzteren 
zu  ermöglichen,  vollzieht  sie  die  Bestäubung,  indem  sie  Pollen  in  die  Narbe 
hineinschiebt.  Da  viele  Samen  und  nur  wenige  Larven  erzeugt  werden,  so 
haben  beide  Organismen  gleichen  Vortheil. 

Andere  Yucca -Arten  werden  durch  andere  Arten  von  Pronuba  bestäubt, 
z.  B.  Yucca  Whipplei  in  Kalifornien  durch  Pronuba  maculata,  Yucca  brevifolia 
in  der  Mohawewüste  durch  Pronuba  synthetica  etc. 

Die  Abhängigkeit  bestimmter  Pflanzen  von  ihren  Bestäubern  zeigt 
sich  in  auffallender  Weise  auch  beim  rothen  Klee,  welcher,  an  Be- 
stäubung durch  Hummeln  gebunden,  in  Neu-Seeland,  wo  solche  Insekten 
fehlen,  steril  bleibt,  so  dass  in  neuester  Zeit,  bloss  zu  diesem  Zwecke, 
Hummeln  nach  dort  importirt  worden  sind.     (Belt.) 

Unzweifelhaft  werden  fernere  Beobachtungen,  namentlich  in  mög- 
lichst ursprünglich  gebliebenen  Gegenden,  den  Zusammenhang  zwischen 
dem  Vorkommen  bestimmter  Insektensippen  und  an  dieselben  speciell 
angepasster  Blüthen  in  zahlreichen  Fällen  nachweisen.  Interessant  ist 
in  dieser  Hinsicht  auch  die  von  Ridley  festgestellte  Thatsache,  dass  die 
Bulbophyllum-Arten  der  Umgebung  von  Singapore  an  die  Bestäubung 
durch  eine  bestimmte  Fliege  von  sehr  specialisirter  Geschmackrichtung 
angepasst  sind;  von  nicht  einheimischen  Orchideen  wurde  nur  Den- 
drobium  superbum  von  dieser  Fliege  besucht. 


2.  Pflanzen  und  Ameisen. 

Die  Ameisen  spielen  in  den  temperirten  Zonen  eine  unwesentliche, 
in  den  Tropen  hingegen  eine  Hauptrolle  im  Haushalt  der  Natur.  Sie 
sind  die  häufigsten  und  emsigsten  Vertreter  der  tropischen  Insekten- 
welt; überall  sind  sie  vorhanden,  im  Beutesuchen  unermüdlich,  dabei 
meist  ganz  unerschrocken  und  zum  Angriff  stets  bereit,  wozu  ihnen 
scharfe  Gebisse  oder  Giftstacheln  zur  Verfugung  stehen.  Im  östlichen 
Theile  der  Tropen  sind  sie  für  die  Vegetation  wenig  schädlich,  indem 
sie  sich,  ähnlich  wie  in  den  temperirten  Ländern,  vornehmlich  mit  ab- 
gestorbenen Pflanzenresten  oder  mit  den  süssen  Ausscheidungen  der  an 
Laubblättern  befindlichen  Nektarien,  auf  welche  zurückzukommen  sein 
wird,  begnügen.  Im  tropischen  Amerika  hingegen  sind  die  sogenannten 
Blattschneider  oder  Schlepper,  Ameisen  der  Gattung  Atta,  geradezu  als 
die  gefahrlichsten  Feinde  der  Vegetation  zu  bezeichnen. 

10* 


148 


VL    Die  Thiere. 


Fig.   70.    Schnitte  an  Cuphea-Blättern,  in  5  bezw. 

4  Minuten  von  Atta  discigera  ausgeführt.    Nat.  Gr. 

Nach  Alf.  Möller. 


Fig.  72.     Ein  Blatt  der  Aipimpflanze,   an 

welchem  Atta  discigera  thätig  war.    Schliess- 

Fig.  71.    Atta  discigera,  mit  Schnittstücken  an       lieh  wäre  das  ganze  Blatt  auf  den  gleichen 

einer  geplünderten  Aipimpflanze  herabsteigend.       Zustand,  wie  rechts  unten  an  der  Mittelrippe, 

Nat.  Gr.     Nach  Alf.  Möller.  reducirt  worden.   Nat.  Gr.  Nach  Alf.  Möller. 


2.   Pflanzen  und  Ameisen. 


149 


§.  1.  Die  Ameisen  als  Pilzzüchter.  Die  Raubzüge  der  Schlepp- 
ameisen im  tropischen  Amerika  sind  jedem  Reisenden  wohl  bekannt 
und  häufig  geschildert  worden.  Ein  grüner  Strom  zieht  quer  durch 
den  Waldpfad,  —  wandernde  Blattstücke  von  Groschengrösse,  jedes  auf 
dem  Kopf  einer  Ameise  senkrecht  stehend.  Bei  gewissen  Arten  be- 
gleiten grossköpfige  unbeladene  Soldaten  den  Zug.  Letzterer  kommt 
von  einer  Pflanze,  auf  welcher  die  keineswegs  furchtsamen  Thierchen 
bei  ihrer  Arbeit  leicht  beobachtet  werden  können.  Ein  Stück  aus  dem 
Blattrande  wird  mit  den  scheerenartigen  Kinnbacken  in  wenigen  Minuten 
herausgeschnitten  (Fig.  70)  und  mit  ruckartiger  Bewegung  auf  den  Kopf 


Fig.  73.     In  der .  Gefangenschaft  innerhalb  dreier  Tage  auf  einem  Teller  erbauter  Pilzgarten 
der  Schlepperameise  (Atta  IV).     Nat.  Gr.     Nach  Alf.  Möller. 


gestellt.      So    beladen    schliesst    sich   die   Ameise   der   heimkehrenden 
Schaar  an  (Fig.  71). 

Die  heimgesuchte  Pflanze  wird  manchmal,  jedoch  nicht  immer,  erst 
verlassen,  nachdem  sämmtliches  Laub  mit  Ausnahme  besonders  harter 
Rippen  und  Stiele  fortgeschleppt  worden  ist.  Es  ist  merkwürdig,  dass 
die  Schlepper  ihre  Beute  so  häufig  in  grösserer  Entfernung  holen,  ob- 
wohl ihnen  zusagende  Pflanzen  in  der  Nähe  sind ;  Belt  fand  sie  manch- 
mal eine  halbe  englische  Meile  weit  von  ihrem  Neste  beschäftigt.  Wahr- 
scheinlich hängt  dieses  damit  zusammen,  dass,  wie  Alf.  Möller  feststellte, 
die  gleiche  Pflanzenart  abwechselnd  verschmäht  und  aufgesucht  wird,  was 
nur    dadurch    erklärlich   erscheint,    dass    es   darauf  ankommt,    ein   be- 


I  50  VI.   Die  Thiere. 

stimmtes  Gemisch  herzustellen,  bezw.  in  seinen  unbrauchbar  gewordenen 
Bestandtheilen  zu  erneuern.  Nicht  bloss  Blätter,  sondern  auch  Blüthen, 
Früchte  und  Samen,  bezw.  Theile  solcher  werden  eingeheimst. 

Die  Schleppameisen  verschwinden  mit  ihrer  Beute  in  die  Eingangs- 
öffnungen ihrer  Nester,  welche  entweder  in  einer  flachen,  natürlichen 
Höhlung,  wie  bei  den  besonders  gut  untersuchten  Atta  discigera  und 
A.  hystrix  Südbrasiliens  liegt  oder  in  festen  Boden  gegraben  ist,  wie  bei 
Atta  coronata  und  wahrscheinlich  den  meisten  Arten.  Was  mit  den 
in  so  grosser  Menge  eingeheimsten  Blattstücken  geschieht,  ist  bis  vor 
Kurzem  ein  ungelöstes  Räthsel  geblieben.  Bates  Hess  dieselben  zum 
Ueberziehen  der  Wände  verwenden,  Mac  Cook  glaubte  an  die  Erzeugung 
einer  Art  Papier  zu  inneren  Constructionen ,  Th.  Belt  aber  sprach  die 
abenteuerlichste  Vermuthung  aus,  dass  nämlich  die  Ameisen  auf  den 
faulenden  Blattmassen  Pilzzucht  betreiben.  Der  geniale  „Naturforscher 
in  Nicaragua*'  hatte,  wie  immer,  das  Richtige  getroffen.  Alf.  Möller 
hat  in  einer  Untersuchung,  welche  ein  auf  dem  Gebiete  der  Oekologie 
seltenes  Beispiel  von  mit  Kritik  verbundenem  Scharfsinn  darstellt,  die 
Richtigkeit  des  stets  bestrittenen  oder  bespöttelten  Belt'schen  Satzes:44 
I  believe  ....  that  they  are,  in  reality  mushroom  growers  and  eaters"1) 
endgültig  nachgewiesen. 

Die  heimgebrachten  Blattstücke  dienen  nur  zum  kleinen  Theile  zur 
Bedeckung  der  Nester.  Die  Hauptmasse  wird  von  den  Ameisen  weiter 
zerschnitten  und  mit  Füssen  und  Kinnbacken  derart  weich  geknetet, 
dass  nur  noch  wenige  Zellen  unversehrt  bleiben.  So  zubereitet,  werden 
die  nun  formlosen  Klümpchen  einer  grobporigen  schwammigen  Masse 
hinzugefugt,  welche  das  Innere  des  Nestes  ausfüllt  und  den  Pilzgarten 
darstellt  (Fig.  73). 

Die  Klümpchen,  deren  anfänglich  grüne  Farbe  zunächst  ins  blau- 
schwärzliche und  schliesslich  ins  gelbbraune  übergeht,  sind  von 
zarten  Pilzfäden  zusammengehalten  und  durchzogen.  Bei  genauerer  Be- 
trachtung entdeckt  man  ausserdem  zahllose  weisse  Körperchen  von 
höchstens  1j%  mm.  Grösse,  die  den  Pilzfäden  seitlich  entspringen  und 
von  Möller  Kohlrabihäufchen  genannt  werden  (Fig.  74).  Sie  be- 
stehen aus  einer  Gruppe  kurzer  Aeste  mit  knotenförmig  oder  kugelig 
erbreitertem  Ende  und  sehr  reichem  Plasmagehalt.  Die  Kohlrabi- 
häufchen  bilden  die  wichtigste,  wenn  nicht  die  einzige 
Nahrung  der  Ameisen  und  stellen  eine  durch  deren 
Züchtung  entstandene  Neubildung  dar. 

Die  Kohlrabihäufchen  treten  an  dem  frischen  Klümpchen  bereits 
nach  kurzer  Zeit  und  verschwinden,  wenn  letztere  eine  braungelbe 
Färbung   annehmen.     Möller  hat  durch  sinnreiche  Versuche  das  ganze 


*)  „Ich  glaube,  dass  sie  in  Wirklichkeit  Pilzzüchter  und  Esser  sind." 


2.    Pflanzen  und  Ameisen.  je  i 

Treiben  der  Ameisen  in  ihren  Pilzgärten  klargestellt  und  gezeigt,  wie  die 
kleinsten  Arbeiterinnen  alle  fremden  Organismen  fernhalten,  derart,  dass 
die  Klümpchen  ohne  weiteres  zu  Reinculturen  verwendet  werden  konnten 
und  wie  dieselben  durch  fleissiges  Abbeissen  der  Luftfäden  das  nachher 
zu  schildernde  „ins  Kraut  schiessen"  verhindern;  er  hat  auch  das 
Verzehren  der  Kohlrabihäufchen  in  zahlreichen  Fällen  direkt  be- 
obachtet und  festgestellt,  dass  Fehlen  derselben  den  Tod  der  Ameisen 
durch  Verhungern  herbeiführt. 

Der  Pilz  verbleibt  in  der  Regel  auf  dem  eben  geschilderten  rein 
vegetativen  Zustande.  Nur  ausnahmsweise  und  unter  unbekannten  Be- 
dingungen entwickeln  sich  aus  dem  Mycel  stattliche  hutförmige  Frucht- 
körper von  reinem  Agaricineentypus  und  krönen  den  Gipfel  des  Ameisen- 
nestes, —  eine  um  so  mehr  in  die  Augen  fallende  Erscheinung,  als 
grosse  Hutpilze  im  tropischen 
Regenwalde  selten  sind.  Der- 
artige Befunde  haben  es  Möller 
möglich  gemacht,  die  systema- 
tische Stellung  des  Pilzes  voll- 
kommen sicher  zu  ermitteln.  Der- 
selbe stellte  sie  als  neue  Art 
der  Gattung  Rozites  dar,  R.  gon- 
gylophora  Moll.  ^ 

Die   vier  bei  Blumenau  vor- 
kommenden Atta -Arten  cultiviren 

4    \^  *       ^       ■  ■Fl    I  Jl^" 

dieselbe  Pilzart ;  hingegen  ist  die-  .,  ^    . 

j  Fig.  74.     Kohlrabihäufchen   von  Rozites  gon- 

selbe  ausserhalb  der  Ameisen-  gy^ora  Moll.,  dem  Pilze  der  stidbrasilian^ 
nester   nie   gefunden  worden.      Es       sehen  Atta-Arten.   Vergr.  150.    NachA.  Möller. 

handelt   sich   demnach  um  einen 

hochentwickelten  Fall  der  gegenseitigen  Anpassung  ungleicher  Organismen. 

Die  Entfernung  der  Ameisen  aus  dem  Pilzgarten  hat  nach  wenigen 
Tagen  das  Auftreten  eines  sehr  reichen  Luftmycels  zur  Folge,  an 
welchem  zweierlei  Conidien  abgeschnürt  werden.  Das  üppige  Wachs- 
thum  bedingt  nicht  bloss  rasche  Erschöpfung  des  Substrats,  sondern 
auch  die  Entleerung  der  Kohlrabihäufchen,  bezw.  das  Ausbleiben  der 
Bildung  derselben. 

Möller  konnte  durch  Cultur  in  Nährlösung  den  Pilz  zur  Bildung  von 
Kohlrabihäufchen  veranlassen,  welche  mit  denjenigen  der  Pilzgärten 
identisch  waren  und  ebenso  gerne  wie  diese  von  den  Ameisen  verzehrt 
wurden.  Die  eigenartigen  Bildungen  stellen  demnach  keineswegs 
Ameisengallen  dar,  sondern  sind  ein  Produkt  der  Cultur,  vergleichbar 
dem  Kohlrabi.  Der  phylogenetische  Ausgangspunkt  ihrer  Bildung  ist  in 
der  Neigung  des  Pilzes  zu  suchen,  allerlei  Anschwellungen  zu  erzeugen. 

Die  Schlepper  sind  nicht  die  einzigen  pilzzüchtenden  Ameisen.    Eine 


152 


VI.   Die  Thiere. 


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der  Töchter  Fritz  Müller's,  Frau  Brockes,  hat  dieselben  Gewohnheiten 
bei  einer  zweiten  Ameisengattung,  Apterostigma,  in  der  Umgebung  von 
Blumenau  entdeckt,  und  Alf.  Möller  hat  die  Pilzgärten  dieser  durch  reiche 
Behaarung  ausgezeichneten  und  daher  Haarameisen  genannten  Thier- 
chen  näher  untersucht.  Die  letzteren  gehören  zu  vier  verschiedenen 
Arten:  Apt.  Mölleri  Forel,  Apt.  pilosum  Mayr,  Apt.  Wasmanni  Forel 
und  einer  noch  unbenannten  Art,  Apt.  IV.  Sie  leben  in  viel  kleineren 
Gesellschaften  als  die  Atta-Arten  und  bauen  entsprechend  kleinere  Gärten, 
zu  welchen  sie  vornehmlich  das  durch  die  Thätigkeit  von  Insektenlarven 
gebildete  Holzmehl  und  die  Excremente  der  letzteren  verwenden. 

Endlich    lernte    Möller   auch    die   Höckerameisen,    Arten    der 
Gattung  Cyphomyrmex  (C.  auritus  Mayr  und  C.  strigatus  Mayr)  als  Pilz- 
züchter kennen.   Ihre  Pilzgärten  sind  denjenigen  der  Haarameisen  ähnlich. 
Die   Pilze    der   Haarameisen    und   Höckerameisen   sind   unter   sich 

sowohl  als  von  dem  Atta -Pilze 
specifisch  verschieden,  dagegen 
züchten  die  verschiedenen  Arten 
einer  jeden  Ameisengattung  die 
gleiche  Pilzart.  Der  Apterostigma- 
und  der  Cyphomyrmex  -  Pilz  er- 
zeugt, wie  der  Atta-Pilz,  Kohlrabi, 
doch  von  etwas  abweichender 
Struktur  und  bildet  ebenfalls,  nach 
Entfernung  der  Ameisen,  ein  üp- 

Fig.  75.  Kohlrabihäufchen  des  Pilzes  einer  PJ&  wucherndes,  Conidien  abschnü- 
südbrasilianischen  Höckerameise,  Cyphomyrmex       rendes  Luftmycel.      Leider  Wurde 

strigatus.    Vergr.  270.    Nach  Alf.  Möller.        die  höchste  Fruchtform  nicht  be- 
obachtet,   so   dass   die   systema- 
tische Stellung  der  unzweifelhaft  zu  den  Basidiomyceten  und  wahrschein- 
lich zu  den  Agaricinen   gehörigen  Pilze  der  Haar-  und  Höckerameisen 
noch  nicht  genau  festgestellt  ist. 

Die  Kohlrabihäufchen  der  verschiedenen  Ameisen  -  Arten  sind  in 
hohem  Grade  instructiv,  indem  sie  auf  ungleichen  Stufen  der  Züchtung 
verbliebene  Gebilde  darstellen.  Das  vollkommenste  Produkt  haben  die 
Atta- Arten  erzielt  (Fig.  74).  Etwas  weniger  vollkommen  sind  die  Kohlrabi- 
häufchen von  Apterostigma  Wasmanni,  indem  die  einzelnen  Kohlrabiköpfe 
niemals  die  Gestalt  von  Kugeln,  sondern  diejenige  angeschwollener  Keulen 
besitzen  und  zu  weniger  bestimmten  Häufchen  gruppiert  sind.  Ausser- 
dem wachsen  sie,  im  Gegensatz  zu  denen  des  Atta-Pilzes,  in  Nährlösung 
regelmässig  zu  gewöhnlichen  Fäden  aus  und  bekunden  dadurch,  dass 
sie  ihre  Fadenform  weniger  eingebüsst  haben.  Noch  auf  etwas  nied- 
rigerer Stufe,  trotz  besser  begrenzter  Gesammtgestalt ,  finden  wir  die 
Kohlrabihäufchen    des   Cyphomyrmex    strigatus   (Fig.    75);    die   unvoll- 


2.   Pflanzen  und  Ameisen.  IC 3 

kommensten  Bildungen  zeigen  sich  aber  in  den  Gärten  von  Cypho- 
myrmex  auritus,  Apterostigma  pilosum,  Apt.  Mölleri,  Apt.  IV,  wo  die 
Anschwellungen  noch  keinen  bestimmten  Ort  der  Vorkommens  am 
Faden  und  kein  bestimmtes  Maass  ihrer  Stärke  aufweisen. 

Ein  so  verheerender  Factor,  wie  ihn  die  Schleppameisen  im  tro- 
pischen Amerika,  namentlich  am  Aequator  und  nördlich  desselben  dar- 
stellen, kann  nicht  ohne  Einfluss  auf  den  Charakter  der  Vegetation 
geblieben  sein.  Das  Schicksal  der  eingeführten  Gewächse  ist  in  dieser 
Hinsicht  lehrreich.  Manche  derselben  werden  derartig  bevorzugt,  dass 
ihre  Cultur  da,  wo  Schlepper  sehr  häufig  sind,  ganz  unmöglich  ist, 
wie  die  Rosen,  Orangen,  Kaffee,  Cichorien,  Mango,  Kohl;  andere 
hingegen  bleiben  verhältnissmässig  ganz  verschont,  wie  Eucalyptus, 
die  Ramiepflanze  (Böhmeria),  Gramineen,  Heliotrop,  Magnolien,  Lorbeer, 
Cucurbitaceen,  Wermuth,  Rettig,  Petersilie,  Sellerie  etc.1) 


ß 

Fig.  76.    Acacia  sphaerocephala.    /  Stammstück  mit  Stacheln  und  einem  Blatte,  letzteres  mit 

den    Belt'schen    Körperchen    F.     Auf   dem    Blattstiel    bei   N  ein   Nectarium.     Verkleinert. 

II  Einzelnes  Blattfiederchen,  etwas  vergr.     B.  L. 

Aehnliches  ist  von  der  tropisch-amerikanischen  Vegetation  vor  dem 
Auftreten  der  Schlepper  anzunehmen.  Sie  umfasste  einerseits  besonders 
häufig  heimgesuchte,  anderseits  selten  oder  gar  nicht  berücksichtigte 
Arten.  Die  ersteren  wurden,  wenn  sie  nicht  zu  den  am  schnellsten 
wachsenden  und  häufigsten  Arten  gehörten,  entweder  vollständig  ver- 
nichtet, oder  sie  persistierten  nur  in  solchen  Exemplaren,  welche  irgend 
einer  Eigenschaft  individuelle  Immunität  verdankten.  Diese  Eigenschaft 
wurde  sodann  im  Kampfe  gegen  die  Schlepper  gezüchtet. 

Die  schützenden  Eigenschaften  dürften  in  manchen  Fällen  histo- 
logischer Natur   sein,    so  bei  faserreichen  Gewächsen,   wie  Gramineen, 


*)  MöUer  1.  c.  S.  83.    Diese  Angaben  gelten  zunächst  nur  für  Südbrasilien.    Die  Atta- 
Arten  am  Aequator  mögen  z.  Th.  andere  Neigungen  haben. 


IJ4  VI-   Die  Thiere. 

Palmen,  Bromeliaceen ,  die  zu  den  am  seltensten  oder  gar  nicht  zer- 
schnittenen Gewächsen  gehören.  Im  anderen  Falle  handelt  es  sich  wahr- 
scheinlich um  scharf  schmeckende  und  riechende  oder  giftige  Stoffe, 
oder  uni  kautschukreichen,  sehr  zähen  Milchsaft,  welch  letzterer  jedoch 
nicht  immer  schützt  (Manihot).  Die  Zahl  der  aromatischen  Pflanzen  ist 
sowohl  unter  den  bevorzugten  als  unter  den  beinahe  stets  verschmähten 
relativ  sehr  gross,  was  darauf  hinzuweisen  scheint,  dass  bestimmte  aethe- 
rische Oele  die  Schleppameisen  anziehen,  während  andere  dieselben 
abstossen.  Solche  Erscheinungen  geben  Winke  bezüglich  der  Bahnen, 
welche  die  natürliche  Zuchtwahl  im  Kampfe  der  Vegetation  gegen  die 
Schlepper  befolgt  haben  muss. 

Während  die  in  der  Pflanze  selbst  befindlichen  Schutzmittel,  welche 
bedingen,  dass  viele  Arten  ganz,  andere  mehr  oder  weniger  von  den 
Blattschneidern  verschont  werden,  zur  Zeit  nur  den  Gegenstand  von 
Hypothesen  bilden  können,  ist  für  gewisse  Arten  der  Nachweis  geliefert 
worden,  dass  sie,  um  ihre  Angreifer  abzuwehren,  ein  symbiotisches  Ver- 
hältniss  mit  bestimmten  kampflustigen  Ameisen  eingegangen  sind  und 
dadurch  einen  nahezu  vollkommenen  Schutz  erhalten  haben. 

§  2.  Myrmecophilie.  Mit  Anpassungen  zum  Anlocken  von  Ameisen 
versehene  Gewächse  werden  myrmecophil  genannt.  Wie  das 
Vorkommen  solcher  Vorrichtungen  in  den  Tropen  der  alten  Welt 
beweist,  ist  die  Myrmecophilie  auch  gegen  andere  Feinde  der  Vege- 
tation zur  Ausbildung  gelangt  und  zwar  vornehmlich  zum  Schutze  der 
Blüthen  gegen  Insektenfrass.  Hingegen  sind  in  der  temperirten  Zone, 
entsprechend  der  relativ  geringen  Häufigkeit  der  Ameisen,  für  die 
letzteren  bestimmte  Lockmittel  nur  bei  wenigen  Pflanzen  als  schwache 
Andeutung  vorhanden.  Die  typische  Myrmecophilie  gehört  zu  den 
Eigenthümlichkeiten  der  tropischen  Flora. 

Als  eigentlicher  Entdecker  der  Myrmecophilie  muss  Th.  Belt 
gelten,  wenn  auch  Delpino  auf  Grund  eines  viel  weniger  beweisenden 
Materials,  ungefähr  gleichzeitig  und  selbständig  die  gleiche  Idee  aus- 
sprach. Belt  lernte  in  Nicaragua  und  am  Amazonas  mehrere  Ameisen- 
pflanzen kennen,  in  erster  Linie  jedoch  beschäftigte  ihn  die  Acacia 
cornigera,  welche,  nebst  der  sehr  ähnlichen  Ac.  sphaerocephala  seitdem 
mehrfach  wieder  untersucht,  jetzt  zu  den  best  bekannten  Beispiele^ 
für  diese  Gruppe  von  Erscheinungen  gehört  (Fig.  76).  Beide  Acacien 
und  mit  ihnen  noch  mehrere  andere  Arten  besitzen  grosse,  hohle, 
relativ  dünnwandige  Stipulardornen ,  welche  einer  bestimmten  Art 
bissiger  Ameisen,  die  sich  in  der  Nähe  der  Spitze  eine  Eingangsöffnung 
durchbohrt,  als  Wohnung  dienen.  An  den  Enden  der  Blättchen,  meist 
aber  nur  in  der  oberen  Hälfte  des  Blatts,  befinden  sich  kleine  ei-  oder 
birnförmige  Gebilde,  welche  von  den  Ameisen  eifrig  gesammelt  und 
verzehrt  werden.    Diese  nach  ihrem  Entdecker  Belt'sche  Körperchen 


2.   Pflanzen  und  Ameisen. 


155 


genannten  Nahrungskörper  sind  morphologisch  wohl  als  umgebildete 
Drüsen  zu  betrachten.  Sie  unterscheiden  sich  jedoch  von  allen  be- 
kannten Drüsen  durch  bestimmte  Merkmale,  welche,  mit  der  in  solchen 
Dingen  überhaupt  möglichen  Gewissheit,  als  Anpassungen  an  die 
Ameisen  betrachtet  werden  dürfen,  nämlich  durch  bedeutendere  Grösse, 
längere  Dauer,  Reichthum  an  Eiweissstoffen ,  leichtes  Abfallen  beim 
Berühren.  Zudem  ist  eine  secernirende  Thätigkeit,  wenigstens  auf  den 
späteren  Stadien  der  Entwickelung  nicht  vorhanden.  Besonders  fällt 
aber  der  Umstand  ins  Gewicht,  dass  ganz  ähnliche  Körperchen  bei  der 
Moraceengattung  Cecropia  und  der  Acanthaceengattung  Thunbergia 
ebenfalls  im  Zusammenhang  mit  Schutzameisen  vorkommen.  Derartiges 
ist  bei  anderen  Pflanzen  nie  beobachtet  worden.  Ausserdem  bietet 
ein  an  der  Basis  des  Blattstiels  befindliches  Nektarium  zuckerreiche 
Flüssigkeit. 

Unter  allen  Ameisenpflanzen  sind  bisher  keine  so  gründlich  nach 
allen  Beziehungen  untersucht  worden,  wie  einige  Arten  der  Gattung 
Cecropia,  namentlich  die  südbrasilianische  C.  adenopus. 

Die  Cecropien  (trumpet  trees,  bois  canot,  pao  de  imbaüba) 
gehören  zu  den  am  meisten  in  die  Augen  fallenden  Bäumen  des 
tropischen  Amerika.  Sie  sind  weit  verbreitet  und  überall  häufig,  in 
den  Regenwäldern  wie  in  den  dünnen  Waldstrichen  der  xerophilen 
Gebiete  und  in  den  jungen  Wäldern  (capoeiras  der  Brasilianer),  welche, 
in  regenreichen  Gebieten,  verlassenen  cultivirten  Boden  bald  bedecken 
oder  zerstörten  Urwald  ersetzen.  Ueberall  erheben  sich,  kandelaber- 
ähnlich, ihre  schlanken,  von  kurzen  Stelzwurzeln  getragenen  Stämme, 
welche  sich  oberwärts  in  wenige,  einfache  oder  nur  wenig  zertheilte 
Aeste  spalten;  die  grossen,  handförmig  gelappten  Blätter  sind  nur  an 
den  Astenden  vorhanden. 

Stets  laufen  einige  emsige  Ameisen  auf  Aesten  und  Blattstielen 
der  Cecropia  adenopus.  Berührt  man  aber  den  Baum  etwas  unsanft, 
so  stürzt  aus  winzigen  Oeffnungen  des  Stammes  und  der  Zweige  ein 
Ameisenheer  hervor  und  greift  den  Ruhestörer  wüthend  an.  In 
St.  Catharina  ist  es  stets  dieselbe  Ameisen-Art,  Azteca  instabilis  und 
dieselbe  kommt  anscheinend  nur  in  den  Cecropien  vor.  Sie  gehört  zu 
den  kampflustigsten  der  mir  bekannten  Ameisen  und  zu  denjenigen, 
deren  Stich  am  empfindlichsten  ist.  Sie  übertrifft  in  beiden  Richtungen 
die  Ameisen,  welche  ich  als  Bewohner  anderer  Pflanzen  kennen  lernte, 
namentlich  auch,  trotz  der  wohl  übertriebenen  Schilderungen  der 
Reisenden,  diejenigen  der  „lebenden  Ameisennester**  des  malayischen 
Archipels,  Myrmecodia  und  Hydnophytum,  die  nachher  geschildert 
werden  sollen. 

Die  gefährlichsten  Feinde  des  Imbaubabaums  sind  die  Blatt- 
schneiderameisen,   d.  h.  sie  würden  es   sein,    wenn  sie  nicht  durch  die 


156 


VI.   Die  Thiere. 


stammverwandte  Schutzarmee  ferngehalten  werden  würden.  Sie  haben 
für  das  Cecropialaub  eine  solche  Vorliebe ,  dass  Fritz  Müller  und  ich 
bei  Blumenau  niemals  einen  der  selten  vorkommenden  unbewohnten 
Bäume  fanden,  dessen  Blätter  nicht  bis  auf  die  Rippen  zerschnitten 
worden  wären,  während  kein  Baum  mit  Schutzarmee  die  Spuren  solcher 
Thätigkeit  aufwies.  Nur  während  der  niedrigsten  Wintertemperaturen 
ist  der  Baum  dem  Feinde   preisgegeben,    da   die  Schutzameisen  gegen 

Kälte  weit  empfindlicher 
sind  als  die  Schlepper. *) 
Andere  Thiere  werden, 
wie  es  scheint,  nicht  fern- 
gehalten. Raupen  kom- 
men auf  dem  Baume  vor, 
allerdings  ohne  grossen 
Schaden  zu  verrichten,  und 
das  Faulthier  zeigt  für 
denselben  eine  solcheVor- 
liebe,  dass  es  in  Brasilien 
nach  ihm  (imbaüba)  ge- 
nannt wird.  Keiner  dieser 
Feinde  kann  sich  aber 
an  verheerender  Thätig- 
keit mit  den  Schlepp- 
ameisen messen. 

Die  nähere  Unter- 
suchung lehrt,  dass  der  Im- 
baubabaum  seinen  Gästen 
Wohnung  und  Nahrung 
bietet.  Die  Mitte  des  Stam- 
mes ist  von  einer  quer  ge- 
fächerten Höhlung  durch- 
zogen, welche  sich  von 
unten  nach  oben,  ent- 
sprechend der  Breiten- 
zunahme des  wachsenden 
Gipfels,  trichterförmig  er- 
weitert, so  dass  die  obersten  Stammkammern  viel  geräumiger  sind  als 
die  in  unseren  Abbildungen  dargestellten.  Die  Höhlung,  also  der 
Wohnraum  der  Ameisen,  stellt  trotz  seiner  eminenten  Brauchbarkeit, 
keine  Anpassung  an  die  Gäste  dar ;  vielmehr  zeigt  sich  die  gleiche  Er- 
scheinung bei  vielen  anderen  Gewächsen  und  ist  auf  das  mechanische 


Fig.  77.     Längsgespaltenes  Stück    eines  jungen   Stammes 

von  Cecropia  adenopus.    Centrale  Höhlung  mit  durch  die 

Ameisen   durchbohrten   Querfiichern   und   Ameisenbauten. 

Nat.  Gr. 


*)  Möller  1.  c.  S.  82. 


2.   Pflanzen  und  Ameisen. 


157 


Bauprincip  der  Biegungsfestigkeit  bei  kleinstem  Aufwand  von  Baumaterial 
zurückzuführen.  Die  Wohnung  hat  dem  Zusammenleben  präexistirt  (Fig.  77). 

Mit  der  Thüre  verhält  es 
sich  anders.  Hier  zeigt  sich 
eine  unzweifelhafte  Anpassung. 
Oberhalb  einer  jeden  Blattin- 
sertion  läuft  nahezu  bis  zum 
nächsten  Knoten  eine  flache 
Rinne,  deren  Gipfel  bei  amei- 
senfreien Bäumen  oder  an 
jungen,  noch  nicht  bewohnten 
Internodien  eine  rundliche 
Vertiefung  zeigt  (Fig.  78).  Da 
der  äusseren  eine  innere  Ver- 
tiefung entspricht,  so  ist  an 
dieser  Stelle  die  Wand  sehr 
dünn  und  stellt  nur  ein  Dia- 
phragma durch  eine  Röhre  dar 
(Fig.  79).  Das  Diaphragma 
weicht  in  seiner  histologischen 
Zusammensetzung  wesentlich 
von  den  benachbarten  Wand- 
theilen  ab,  denn  es  entbehrt 
der  harten  und  zähenElemente, 
wie  Gefassbündel,Collenchym, 
verholztes  Parenchym ,  die 
eine  Hauptmasse  der  Gewebe 
an  allen  anderen  Stellen  bil- 
den. Die  Gefässbündel  ent- 
stehen hinter  der  Rinne  erst 
nachträglich;  sie  hören  aber 
dicht  unterhalb  des  Dia- 
phragma auf.  Das  Diaphragma 
ist  die  vorgezeichnete  Thüre ; 
stets  wird  nur  an  dieser  Stelle 
gebohrt. 

Die  Untersuchung  der  Ent- 
wicklungsgeschichte zeigt, 
dass  das  erste  Auftreten  der 
Vertiefung  auf  den  Druck  der 
kleinen  Axillarknospe  zurück- 
zufuhren ist ,  welche  auf  unserem  Bilde  an  der  Basis  des  Internodium 
sichtbar  ist  (Fig.  78).    Dieser  Druck  findet  während  des  ganzen  Längen- 


Fig.  78.     Cecropia  adenopus.     Gipfel  eines   jungen 
Stammes.   Am  Internodium,  a  eine  noch  nicht  durch- 
bohrte Eingangsstelle;  in  b  ist  dieselbe  durchbohrt. 
Nat.  Gr. 


Ij8  VI.   Die  Thiere. 

wachsthums  des  letzteren  statt  und  bedingt  die  Entstehung  der  Rinne. 
Die  Gewebe  hinter  derselben  werden  denjenigen  der  nicht  eingedrückten 
Theile  gleich,  mit  Ausnahme  des  zuerst  entstandenen  Grübchens,  das 
nach  Aufhören  des  Drucks  an  Umfang  zunimmt  und  gleichsam  weiter 
modellirt  wird. 

Bei  dem  phylogenetischen  Beginn  des  Zusammenlebens  bohrten  die 
Ameisen  ihre  Eingangsöffnung  offenbar  in  der  Rinne,  weil  die  Wand 
dort  etwas  dünner  war,  und  zwar,  entsprechend  einer  mit  inneren  Ein- 
richtungen zusammenhängenden  Gewohnheit,  die  sich  beinahe  überall 
wiederzeigt,  möglichst  im  oberen  Teile  ihrer  Wohnung.  Alle  das  Durch- 
bohren dieser  Stelle  erleichternden  Eigenschaften  mussten  im  Kampfe 
ums    Dasein    erhalten    und    weiter    gezüchtet    werden.1)      Sie    führten 


Fig«  79«     Cecropia   adenopus.     Theil   des  Querschnitts   einer  Internodiumwand   mit   der  ver- 
dünnten Stelle.     Schwach  vergr. 

schliesslich    zur    Ausbildung    des    geschilderten    dünnen    und    weichen 
Diaphragma. 

Die  Cecropia-Ameisen  geben  sich  in  ihren  Wohnräumen  mit  Aphiden- 
zucht  ab  und  würden  dieselben  wenig  verlassen  und  das  Laub  selten 
oder  nicht  aufsuchen,  wenn  dasselbe  nicht  eine  fortwährende  Besich- 
tigung lohnte.  Die  Basis  der  Blattstiele  ist  nämlich  an  der  Rückseite 
von  einem  braunsammetenen  Haarüberzug  bedeckt ,  auf  welchem ,  bei 
unbewohnten  Bäumen,  eiähnliche,  etwa  2  mm  lange  Körperchen  von 
weisslicher  Farbe  ganz  lose  liegen  (Fig.  80).  Die  Anwesenheit  solcher 
Gebilde,  die  nach  ihrem  Entdecker,  Fritz  Müller,  Müller'sche  Körper- 
chen   genannt  werden,    ist   ein   sicheres  Zeichen,    dass   der  Baum    un- 


*)  Ich  habe  auf  den  Bergen  zwischen  den  Provinzen  Rio  und  Minas  eine  Cecropia- 
Art  beobachtet,  welche  auf  tieferer  Stufe  der  Anpassung  verblieben  zu  sein  scheint,  unter 
anderen  dadurch,  dass  die  „Thüre"  bei  jungen  Pflanzen  fehlte.  Doch  blieben  die  Beob- 
achtungen sehr  fragmentarisch. 


2.    Pflanzen  und  Ameisen. 


159 


bewohnt  ist ;  so  sind  sie  in  unseren  Gewächshäusern  stets  sichtbar.  Den 
bewohnten  Bäumen  fehlen  sie  an  der  Oberfläche  der  Polster  gänzlich, 
indem  sie  fortwährend  von  den  ewig  nach  ihnen  fahndenden  Ameisen, 
ähnlich  wie  bei  Acacia  cornigera,  sofort  eingeheimst  und  verzehrt 
werden.  Die  Müllerschen  Körperchen  bestehen  wie  die  Belt'schen  aus 
zartem,  eiweiss-  und  fettreichem  Parenchym. 

Wie  die  Ameisenpilze  und  die  genannten  Acacien,  stellt  auch 
Cecropia  den  Ausnahmefall  eines  Preisgebens  von  Eiweissstoffen,  sogar  in 
relativ  reichlicher  Menge,  seitens  einer  Pflanze  dar,  denn  die  Müller'schen 
Körper  werden  fortwährend 
und  in  reichlicher  Menge 
erzeugt.  Durchschneidet  man 
den  braunen  Sammetüber- 
zug  (Fig.  81),  so  sieht  man, 
zwischen  den  Haaren  ver- 
borgen, zahlreiche  dicht  ge- 
drängte Gebilde  der  ge- 
schilderten Art  in  den 
verschiedensten  Stadien  der 
Entwickelung.  Zur  vollen 
Grösse  herangewachsen,  lö- 
sen sie  sich  an  der  Basis 
ab  und  werden  durch  den 
Druck  der  seitlich  ausein- 
ander gedrängten  elastischen 
Haare  nach  der  Oberfläche 
geschoben. 

Die  Entwicklungsge- 
schichte sowie  die  Anwesen- 
heit einer  Spaltöffnung  am 
Gipfel  zeigt,  dass  die  Müller'- 
schen Körperchen,  ähnlich 
wie  die  Belt'schen,  als  meta- 

morphosirte  Drüsen  aufzufassen  sind;  Drüsenfunktion  kommt  ihnen 
jedoch,  auch  in  den  Anfangsstadien,  gar  nicht  mehr  zu.  Während 
normale  Blattdrüsen  sonst  nur  an  jungen  Blättern  vorhanden  sind  und 
alsbald  absterben,  werden  die  in  Nahrungskörper  für  Ameisen  umge- 
wandelten Drüsen  der  Cecropia  während  der  ganzen  Lebensdauer  des 
Blattes  fortwährend  neu  gebildet  und  fortwährend,  strotzend  mit  Ei- 
weissstoffen, abgelöst. 

Die  Annahme,  dass  die  Eingangsthüre  und  die  Müller'schen  Körperchen 
Anpassungen  an  Ameisen  darstellen,  wurde  in  überraschender  Weise  be- 
stätigt durch  die  Entdeckung  auf  dem  Corcovado  bei  Rio  de  Janeiro,  einer 


Fig.  80.    Cecropia  adenopus.    Blattstielbasis  mit  Polster 
und  Müller'schen  Körperchen.     Nat.  Gr. 


i6o 


VI.   Die  Thiere. 


Cecropia-Art,  welche  sowohl  der  Ameisen  als  auch  der  vor- 
gebildeten Eingangsthüre  und  der  Müller'schen  Körperchen 
entbehrt  (Fig.  82).  Auch  hier  drückt  die  junge  Axillarknospe  auf  das 
Internodium  und  bedingt  die  Entstehung  zunächst  einer  isodiametrischen 
Vertiefung,  die  sich  später,  dem  Längen wachsthum  entsprechend,  zu 
einer  Rinne  fortsetzt.  Aber  die  zuerst  entstandene  Vertiefung  unter- 
scheidet sich  weder  äusserlich,  noch  in  der  Beschaffenheit  der  hinter 
ihr  befindlichen  Gewebe,  von  der  Rinne,  deren  oberstes  Ende  sie  bildet. 
Trotz  dem  Fehlen  der  Schutzarmee  zeigte  sich  die  ameisenfreie 
Cecropia  ganz  unverletzt,  anscheinend  weil  der  Wachsüberzug  des 
Stammes  das  Hinaufklettern  der  Blattschneider  verhindert.  Es  ist  näm- 
lich experimentell  nachgewiesen,  dass  ein 
Wachsüberzug  ein  unüberwindliches  Hinder- 
niss  darstellt.1) 

Cecropia  adenopus,  welcher  sich  wohl 
die  Mehrzahl  der  anderen  Arten  der  Gattung 
anschliesst,  stellt  eine  höhere  Stufe  der  An- 
passung dar,  als  Acacia  cornigera  u.  A.  sphae- 
rocephala,  indem  sie  ausser  den  Nahrungs- 
körperchen  noch  die  vorgebildete  Bohrstelle 
als  Anpassung  aufweisen  kann.  In  letzterer 
Hinsicht  schliesst  sich  das  von  Beccari  auf 
Borneo  entdeckte  Clerodendron  fistulosum 
den  Cecropien  an.  Andere  Arten  sind  hin- 
gegen noch  einen  Schritt  weiter  gelangt, 
indem  es  bei  ihnen  zur  Bildung  einer  Oeff- 
nung  durch  die  Wand  des  hohlen  Inter- 
nodium gekommen  ist.  Die  Ursachen,  die 
zur  Bildung  einer  Oeffnung  fuhren,  sind  noch 
nicht  aufgeklärt ;  es  dürfte  sich  in  gewissen  Fällen  um  die  Folgen  einer 
Spannung,  in  anderen  vielleicht  um  Absterben  der  Gewebe  an  einer 
circumscripten  Stelle  handeln. 

Die  Oeffnung  ist  bald  schmal  spaltenartig,  so  dass  sie  von  den 
Ameisen  erbreitert  werden  muss  (Duroia  hirsuta,  nach  Schumann),  bald 
ist  sie  von  Anfang  an  mehr  rundlich,  lochartig,  so  dass  sie  der  späteren 
Verwendung  vollkommen  entspricht  (Fig.  83  ,   1 — 3). 

Das  spontane  Auftreten  einer  Oeffnung  in  der  vorher  intakten 
Wand  hohler  Internodien  wurde  zuerst  von  Bower  für  Humboldtia  lauri- 
folia,  sodann  von  Schumann  für  mehrere  Arten  wahrscheinlich  ge- 
macht. Zu  vollkommener  Sicherheit  darüber  kam  ich  im  botanischen 
Garten    zu    Buitenzorg,     wo     ich    ganz    ameisenfreie    Exemplare    von 


Fig.  81.  Cecropia  adenopus. 
Theil  des  Sammetüberzuges  an 
der  Blattstielbasis  mit  Müller'schen 
Körperchen  in  verschiedenen 
Entwickelungsstadien.  Schwach 
vergr. 


l)  Schimper  1.  c.  S.  66. 


2.  Pflanzen  und  Ameisen. 


161 


der 
und 


im 
ver- 


Humboldtia  laurifolia,  Triplaris  americana  und  der  bisher  als  Ameisen- 
pflanze noch  nicht  erkannten  Ficus  inaequalis1)  mit  einer  wohl  aus- 
gebildeten Eingangsöffnung  am  oberen  Ende  der  meisten  oder  aller 
Internodien  beobachtete. 

Von  den  drei  letzterwähnten  Fällen  ist  derjenige 
äquatorialen  Südamerika  verbreiteten  Triplaris  americana , 
wandter  Arten  derselben  Gattung,  der  ein- 
fachste. Hohle  Axen  sind  bei  der  Familie 
der  Polygonaceen  häufig ;  die  Wohnung  ist 
hier  also  ebensowenig  als  bei  Cecropia 
eine  Anpassung  an  die  Ameisen.  Dagegen 
dürfte  die  Eingangsöffnung  mit  Sicherheit 
als  solche  beansprucht  werden.  Nahrungs- 
körperchen,  denjenigen  von  Cecropia  und 
Acacia  cornigera  vergleichbar,  fehlen,  da- 
gegen sind  extraflorale  Nektarien  an  den 
Blättern  vorhanden.  Das  Vorkommen  der 
letzteren  Bildungen ,  d.  h.  von  Zucker  se- 
cernirenden  Drüsenorganen  ausserhalb  der 
Blüthen  und  ohne  ökologischen  Zusammen- 
hang mit  der  Bestäubung,  ist  bei  den  von 
Ameisen  bewohnten  Pflanzen  eine  sehr  häu- 
fige Erscheinung. 

Bei  Ficus  inaequalis,  welcher  sich  eine 
Anzahl  anderer  nachgewiesenermaassen  von 
Ameisen  bewohnten  Gewächse  anschliesst 
(z.  B.  Duroia-Arten),  ist  nicht  bloss  die  Oeff- 
nung,  sondern  anscheinend  auch  der  Hohl- 
raum als  Anpassung  entstanden,  denn  der 
letztere  ist  nur  an  einem  Theile  der  Inter- 
nodien vorhanden  und  nimmt  nur  die  obere 
Hälfte  des  betreffenden  Internodiums  ein,  so 
dass  das  Princip  der  Biegungsfestigkeit  auf 
ihn  keine  Anwendung  mehr  finden  kann. 
Ob  Humboldtia  laurifolia  sich  dem  letzt- 
erwähnten oder  dem  Triplaris -Typus  an- 
schliesst, muss  ich  dahingestellt  lassen.    Hier 

sind  an  den  Blättern  und  Nebenblättern  zahlreiche  schönrothe  Nektarien 
vorhanden.  Cordia  nodosa  (Fig.  84),  von  welcher  ich  zahlreiche  Exemplare 
bei  Pernambuco   wild   wachsend   beobachten   konnte,   gehört  wiederum 


Fig.  82.  Stammstück  einer  ameisen- 
freien Cecropia- Art  des  Berges  Cor- 
covado  bei  Rio  de  Janeiro.  Nat.  Gr. 


')    Allerdings    bleibt    an    natürlichem    Standorte    der   Nachweis  zu    liefern ,     dass   die 

Höhlungen   von   Ameisen    bewohnt   sind.     Im   botanischen   Garten    zu  Singapore   waren  die 
meisten  bewohnt 

Schimper    Pflanzengeographie.  II 


IÖ2  VI.  Die  Thiere. 

einem  anderen  Typus  an.  Hier  trägt  das  lange  untere  Internodium 
des  in  seinem  oberen  Theile  straussartig  gestauchten  fertilen  Sprosses, 
dicht  unterhalb  der  Blätter  und  Inflorescenzen  eine  seitliche  Blase,  zu 
welcher  zwischen  den  Blattstie laxen  eine  kleine  vorgebildete  Oeffnung 
fuhrt.  Ich  fand  die  Blase  stets  von  winzigen  Ameisen  bewohnt.  Hier 
zeigt  sich  sehr  deutlich  die  Beziehung  der  Wohnräume  der  Ameisen  zu 
den  Blüthen  und  ähnliches  wiederholt  sich  in  zahlreichen  anderen  Fällen, 


Fig.   83.  Myrmecophilen.    /  Ficus  inaequalis  (Hort.  Singapore).    2  Triplaris  americana,  1.  jung. 
Hort.    Bogor.,   r.  T.    Caracasana,    alt:    Caracas.     3   Humboldtia   laurifolia.      (Hort.    Bogor.) 

Nat.  Gr.     R.  Anheisser  del. 

z.    B.    bei    der    Lauracee    Pleurothyrium    macranthum,     wo     nur    die 
Inflorescenzaxen  hohl  und  von  Ameisen  bewohnt  sind. 

Die  berühmten  Ameisenpflanzen  des  malayischen  Archipels,  Arten 
von  Myrmecodia  und  Hydnophytum  (Fig.  85  und  86),  stellen  einen 
von  den  vorigen  ganz  abweichenden  Typus  axialer  Höhlungen  dar. 
Es  handelt  sich  hier  nicht  mehr  um  eine  einzige  centrale  Höhlung  in 
einem    cylindrischen    holzigen    Internodium,     sondern     um     zahlreiche 


2.    Pflanzen  und  Ameisen. 


163 


schwammartig  communicirende  Räume  in  einem  saftigen  Knollen, 
welcher  wohl,  da  die  betreffenden  Pflanzen  Epiphyten  sind,  in  erster 
Linie  als  Wasserspeicher  dient.  Das  Wasser  befindet  sich  im  Parenchym 
der  mehr  oder  weniger  dünnen  Scheidewände;  die  Räume  selbst  sind 
lufthaltig  und  von  Ameisen  bewohnt.  Ziemlich  zahlreiche,  aber  sehr 
kleine  Oeffnungen  vermitteln  den  Verkehr  nach  aussen.  Aus  ihnen 
stürzen  die  Thierchen  angriffbereit  hervor,  sobald  der  Knollen  berührt 
wird.  Ich  habe  Myrmecodia  echinata  und  Hydnophytum  montanum 
an  verschiedenen  Stellen  auf  Java  wildwachsend  beobachtet  und  die 
Knollen  stets  bewohnt  gefunden.  Der  grösste  von  mir  beobachtete 
Knollen  ist  Fig.  86  auf  ein  Drittel  verkleinert,  nach  dem  in  Alkohol 
conservirten  Exemplar  abgebildet. 


Fig.  84.     Cordia  nodosa.     Scheinwirtel  mit  Blüthenstandstiel  und  Blase,     '/a  nat.  Gr. 


In  ausgezeichneter  Weise  wurde  durch  Treub  Structur  und  Ent- 
wickelung  der  Knollen  von  Myrmecodia  und  Hydnophytum  dargestellt. 
Er  lieferte  den  Nachweis,  dass  die  von  Rumphius  und  späteren  Be- 
obachtern als  eine  Art  Ameisengallen  aufgefassten  Bildungen,  mit  allen 
ihren  Eigenthümlichkeiten  ohne  jede  Mitwirkung  der  Ameisen  zu  Stande 
kommen.  In  Bezug  auf  die  Function  drückte  sich  Treub  sehr  vor- 
sichtig aus;  doch  glaubt  er  nicht  in  den  Knollen  Anpassungen  an 
Ameisen  erblicken  zu  dürfen,  sondern  ist  eher  geneigt,  den  Nutzen 
der  Innenräume  mit  der  Durchlüftung  in  Beziehung  zu  bringen.  Die 
Mehrzahl  der  Forscher,  die  sich  mit  den  von  Ameisen  bewohnten 
Pflanzen  beschäftigt  haben  und  in  bestimmten  Fällen  Gewissheit  über 
Anpassungen    an    die    letzteren    erlangt   haben,    werden    es   vorziehen, 


164 


VI.    Die  Thiere. 


Myrmecodia   und   Hydnophytum    zu    den   Myrmecophilen    zu   rechnen. 
Ein  Beweis  für  diese  Ansicht  ist  jedoch  nicht  geliefert  worden. 

Die  als  Ameisenwohnungen  dienenden  Phyllombildungen  sind 
noch  beträchtlich  mannigfaltiger  als  die  in  solcher  Weise  benutzten  Axen- 
theile  und  zum  Theil  höchst  eigenartig;  dennoch  handelt  es  sich  in 
allen  zu  dieser  Gruppe  gehörigen  Fällen  höchstens  um  muthmaassliche 
Myrmecophilie.     Auch  bei  den  sicher  myrmecophilen  Acacien  sind  nur 


Fig.  85.    Myrmecodia  ec  hin  ata.    Knollen  der  Länge  nach  geschnitten,  unterwärts  mit 
epiphytischem  Farn.     West- Java.     Nat.  Gr. 


die  Nahrungskörperchen,  nicht  die  hohlen  Stipulardornen,  als  unzweifel- 
hafte Anpassungen  zu  beanspruchen. 

Bei  manchen  Pflanzen  ist  die  Umgestaltung  eines  Blatts  oder  Blatt- 
stiels zu  einem  kammerförmigen,  als  Ameisengehäuse  geeigneten  und 
thatsächlich  als  solches  dienenden  Gebilde,  nachweisbar  auf  ganz 
andere  Factoren  zurückzufuhren,  z.  B.  bei  epiphytischen  Farnen, 
Asclepiadaceen  und  Bromeliaceen ,  wo  solche  Kammern  zur  Auf- 
speicherung von  Wasser  und  erdigen  Stoffen  dienen. 

Eher  dürfte  man  bei  den  in  Fig.  87  und  88  abgebildeten  Ge- 
wächsen,   die  ich  im  botanischen  Garten    zu  Buitenzorg  kennen   lernte, 


2.   Pflanzen  und  Ameisen. 


165 


an  Myrmecophilie  denken.     Bei  Capura   alata   sind    die    grossen   löffei- 
förmigen Stipulae   eines  jeden  Blattes  derart   gekrümmt,    dass   sie   zu- 


Fig.  86.     Hydnophytum  montanum.     Noesa  Kambangan,  Süd- Java.     ljz  nat.  Gr. 


sammen  einen  kammerförmigen  Raum  umschliessen,  deren  Randlücke  die 
Ameisen,   bis   auf  eine  Eingangsöffnung,    durch    eine  Art  Spinngewebe 


166 


VI.    Die  Thiere. 


verschliessen.  Ich  fand  die  Kammern  beinahe  stets  von  Ameisen  be- 
wohnt. Noch  eigenartiger  und  der  morphologischen  Untersuchung 
bedürftig  erwiesen  sich  die  Verhältnisse  bei  einem  als  Actinodaphne  sp. 
bezeichneten,  vom  Salak  herrührenden  Baum,  wo  als  Schlussgebilde  sämmt- 
licher  Zweige,  oberhalb  der  winzigen  Endknospe,  ein  Quirl  kleiner  Nieder- 
blätter durch  Krümmung  nach  innen,  eine  geräumige  Kammer  umschliesst. 
Die  hier  als  Niederblätter  bezeichneten  Phyllome  unterscheiden  sich  von 
den  Laubblättern  durch  viel  geringere  Grösse,  Fehlen  des  Stiels  und  ab- 
weichende Gestalt.  Stets  fand  ich  die 
Kammern  von  Ameisen  bewohnt,  welche 
einer  auch  sonst  im  Garten  massen- 
haft auftretenden  Art  zu  gehören  schie- 
nen. Dass  so  geeignete  Bildungen  von 
Ameisen  bewohnt  werden,  ist  kein  Wun- 
der; weit  merkwürdiger  erscheint  es, 
dass  die  mit  Eingangsöffnung  versehe- 
nen hohlen  Stengel  von  Triplaris  und 
Humboldtia  im  Garten  zu  Buiten- 
zorg,  wenigstens  soweit  meine  Beob- 
achtungen reichen,  ameisenfrei  bleiben. 
Weiter  noch  gehen  die  Abweichun- 
gen von  der  gewöhnlichen  Blattstructur 
bei  tropisch- amerikanischen  Melasto- 
maceen  aus  den  Gattungen  Tococa, 
Maieta,  Calophysca,  Myrmedone  und 
Microphysca,  sowie  nach  Schumann,  bei 
den  Rubiaceen  Remijia  physophora  und 
Duroia  saccifera  und  der  tropisch-afrika- 
nischen Isterculiacee  Cola  Marsupium.  M 
Hier  befinden  sich  an  der  Basis  der  Blatt- 
spreite, beiderseits  des  Hauptnerven  oder 
auch  am  Stiele,  zwei  mit  je  einer  Oeff- 
nung  versehene  Aussackungen  (Fig.  891, 
welche  bei  den  Melastomaceen  an  der 
Blattunterseite  gelegen  und  als  umgestaltete  Domatien  zu  betrachten 
sind,  während  sie  bei  Duroia  der  Oberseite  gehören  und  morphologische 
Neubildungen  darstellen. 

Alle  die  eben  erwähnten  Gewächse  und  noch  andere  von  Ameisen 
bewohnte  Pflanzen  sind,  wie  zuerst  Schumann  betonte,  mit  einer  reich- 
lichen braunrothen  Behaarung  versehen,  welche  in  irgend  einer  Weise 
zu  der  Symbiose  in  Beziehung  zu  stehen  scheint. 


Fig.  87.     Capura   alata.     Myrmecophi! 
(Hort.  Bogor.)     Nat.  Gr. 


')  Vgl.  über  alle  diese  Pflanzen  namentlich  Schumann  I. 


2.   Pflanzen  und  Ameisen. 


167 


Die  meisten  der  mit  Ameisenwohnungen  versehenen  Pflanzen  bieten  ihren 
Schutzthieren  gleichzeitig  Nährstoffe^  gewöhnlich  eine  zuckerreiche  Flüssigkeit 
in  extrafloralen  Nektarien.  Eine  sehr  grosse  Anzahl  Pflanzenarten,  namentlich 
in  den  Tropen1)  sind  im  Besitze  solcher  Nektarien,  ohne  gleichzeitig  den 
Ameisen  Wohnräume  zu  bieten.  Nichtsdestoweniger  erblicken  einige  Forscher, 
namentlich  Delpino,  in  allen  derartigen  Bildungen  Lockmittel  für  Schutz- 
ameisen, eine  Ansicht,  welche  in  dieser  Allgemeinheit  und  bei  der  Spärlich- 
keit der  Beobachtungen  über  den  durch  Nektarien  erzielten  Ameisenschutz, 
sicher  unhaltbar  ist  Dass  letzterer  in  gewissen  Fällen  verliehen  wird,  ist 
allerdings    nachgewiesen.     So    konnte   ich  bei  Blumenau  in  Süd -Brasilien  be- 


Fig.  88.     Actinodaphne  sp.     (Salak.)     (Hort.  Bogor.)     Nat.  Gr. 


obachten,  wie  Ameisen,  die  dort  ungemein  häufig  Cassia  neglecta  aufsuchten, 
um  die  durch  Nektarien  an  der  Basis  der  Blattstiele  ausgeschiedene  süsse 
Flüssigkeit  aufzusaugen,  und  die  zur  Plünderung  kommenden  Blattschneider- 
ameisen in  die  Flucht  schlugen, *)  während  sie  einen  gewöhnlich  anwesenden 
Käfer  unbelästigt  Hessen.  Ebenso  konnten  R.  von  Wettstein  bei  Jurinea 
mollis  und  Burck  bei  verschiedenen  Pflanzen  des  botanischen  Gartens 
zu  Buitenzorg  experimentell  feststellen,  dass  durch  die  Ameisen  unberufene 
Besucher   von   den  Blüthen  ferngehalten  werden.     Andererseits  ist  es  mir  bei 


l)  Ausfuhrliche  Verzeichnisse  bei  Delpino. 
*)  Schimper  1.  c.  S.  68  u.  f.  Fig.  9,  Taf.  III. 


168 


VI.   Die  Thiere. 


einigen   mit   extrafloralen  Nektarien   versehenen  Pflanzenarten   nicht  gelungen, 
Ameisenbesuch  zu  constatiren. 

Die  wahrscheinlichste  Ansicht  dürfte  zur  Zeit  die  sein,  dass  die  extrafloralen 
Nektarien  eine  von  den  Ameisen  unabhängige,  noch  unbekannte  Function,  die 

irgendwie   mit    einem    warmen 
A  ß  Klima  zusammenhängt,  zu  ver- 

richten haben  und  erst  secun- 
där  zu  myrmecophilen  Organen 
geworden  sind,  in  ähnlicher 
Weise  wie  die  Belt'schen  und 
Müller'schen  Körperchen  sowie 
die  ebenfalls  eiweissreichen  Ge- 
bilde, welche  Burck  bei  Thun- 
bergia  entdeckt  hat 

Die  als  Lockmittel  für 
Ameisen  gezüchteten  und  ent- 
sprechend umgestalteten  extra- 
floralen Necktarien  wird  man 
in  erster  Linie  unter  den  durch 
Grösse,  auffallende  Färbung, 
reichliche  Ausscheidung,  An- 
häufung in  der  Nähe  der  Blü- 
then,  namentlich  aber  fleissigen 
Ameisenbesuch  ausgezeichneten 
derartigen  Gebilden  vermuthen 
dürfen;  jedoch  wird  nur  der 
Nachweis,  dass  die  Ameisen  der  Pflanze  einen  wesentlichen  Schutz  gewähren,  der 
Hypothese  einen  festen  Grund  verschaffen.  Andererseits  wird  es  hoffentlich  ge- 
lingen aufzufinden,  welche  ursprüngliche  Bedeutung  den  Nektarien  zukam  und  in 
vielen  Fällen  wohl  noch  ausschliesslich  zukommt.  Dass  es  sich  dabei  um  eine 
sehr  wesentliche  Function  nicht  handeln  kann,  zeigten  Versuche  mit  Pflanzen 
von  Cassia  neglecta,  die  ich  sämmtlicher  Nektarien  beraubte,  ohne  dadurch  irgend 
welche  Störung  zu  veranlassen.  Die  Wunden  vernarbten  schnell  und  schieden 
keinen  Zucker  aus,  so  dass  die  betreffende  Function  als  vollkommen  unterdrückt 
betrachtet  werden  durfte.  Leider  fehlte  es  an  Zeit  um  festzustellen,  ob  die 
nektarfrei  gewordenen  und  nicht  mehr  von  Schutzameisen  besuchten  Pflanzen 
den  Blattschneidern  zum  Opfer  fielen. 


Fig.  89.    Tococa  lancifolia.    Blattbasis  mit  Schläuchen. 

A  von  unten  gesehen,  die  Eingänge  (a)  zeigend.   B  von 

oben.     Nat.  Gr.     Nach  K.  Schumann. 


Auswahl  der  Literatur. 


1.  Geographische  Verbreitung  der  Bestäubungsvorrichtungen. 

Belt,    Th.     I.   The    naturalist    in   Nicaragua.     1874.     2d   edition.     London. 

1888. 
—  II.  Bees  and  clove.  Nature.     1876. 


Auswahl  der  Literatur.  ißg 

B  r  i  q  u  e  t ,  J.     Etudes  de  biologie  florale.  Bullet,  du  laborat.  de  bot.  generale 

de  l'univ.  de  Geneve.  ,  Vol.  I.     1896 — 1897. 
Delpino.     Ulteriori    osservazioni   sulla   dicogamia  nel  regno  vegetale.     Atti 

d.  Soc.  Italiana  di  Milano.     Vol.  XI.— XIII.     1868. 
A.  E.  Ex  ton.     First  report  of  the  naturalist  attached  to  the  Transit-of- Venus 

expedition    to    Kerguelen's    Island.     Proceedings    of  the   royal   society. 

Vol.  23.     1876. 
Ekstram,    O.      Zur   Kenntniss   der   Blüthenbestäubung    auf  Novaja   Semlja. 

OefVers.  Svensk.  Vetensk.  Acad.  Förhandl.  1894.    (Nur  in  Ref.  zugänglich.) 
G  a  1  p  i  n ,  E.  E.     The  fertilisation  of  flowers  by  birds.     Gardeners  Chronicle. 

Vol.  IX.     3.  ser.     1891. 
Johow,  Fr.     Estudios  sobre  la  flora  de  las  islas  de  Juan  Fernandez.  Santiago 

de  Chile.     1896.     (Bestäubung  S.  255.) 
Knuth,  P.     I.  Blumen   und  Insekten    auf  den   nordfriesischen  Inseln.     Kiel 

und  Leipzig.     1894. 

—  II.  Neue  Beobachtungen  über  fledermausblüthige  Pflanzen.     Bot.  Centralbl. 

Bd.  72.     1897. 

Lindman,  C.  A.  M.  Blühen  und  Bestäubungseinrichtungen  im  skandina- 
vischen Hochgebirge.     Bot.  Centralbl.  Bd.  30.     1887. 

Loew,  E.     Blüthenbiologische  Floristik.     Stuttgart,   1894. 

Ludwig,  F.  Zur  Biologie  der  phanerogamischen  Süsswasserflora  in:  Zacharias, 
O.    Die  Thier-  und  Pflanzenwelt  des  Süsswassers.    Leipzig  1891.    Bd.  IL 

Mac  Leod,  J.  Pyreneenbloemen  en  hare  bevruchting  door  insecten;  eene 
bijdrage  tot  de  bloemengeographie.     Dodonaea.     Bd.  III.     1891. 

Mosel ey.  Further  notes  on  the  plants  ofKerguelen,  with  some  remarks  on 
the  insects.     Journ.  of  the  Linnean  Society.     Vol.  15.     1876. 

Müller,  Fr.  Botanische  Notizen  aus  einem  Briefe  Fritz  Müller's.  Mitgetheilt 
von  Hildebrand.     Botan.  Zeitung  1870. 

—  Feijoa.     Ein  Baum,  der  Vögeln  seine  Blumenblätter  als  Lockspeise  bietet. 

Kosmos  I. 
Müller,  H.     I.  Ueber  die  Bestäubung  der  Primula  farinosa.     Verhandl.  des 
botan.  Vereins  der  Provinz  Brandenburg.     Bd.  XX.     1878. 

—  IL  Alpenblumen.     Ihre  Befruchtung  durch  Insekten  und  ihre  Anpassungen 

an  dieselben.     Leipzig  1881. 
R  i  d  1  e  y ,  N.  N.     On  the  method  of  fertilization  in  Bulbophyllum  macranthum 

and  allied  Orchids.     Annais  of  botany.     Vol.  IV.     1889 — 1891. 
Riley,  C.  V.     The  Yucca    moth    and  Yucca   pollination   in:    3d   Ann.  rep. 

Missouri.    Bot  Gard.  for  1891.    St.  Louis  1892.    (Nur  in  Ref.  zugänglich.) 
Scott- Elliot,    G.    F.     I.  Ornithophilous    flowers    in   South   Afrika.     Annais 

of  botany.     Vol.  4.     1889  — 1891. 

—  II.  Notes    on   the   fertilisation    of  south   african  and  Madagascar  flowering 

plants.     Annais  of  botany.     Vol.  V.      1890 — 1891. 

Thomson,  G.  M.  Fertilization  of  New  Zealand  flowering  plants.  Trans- 
actions  and  proceedings  of  the  New  Zealand  Institute.    Vol.  VIII.    1880. 

Verhoeff,  C.  Blumen  und  Insekten  der  Insel  Norderney  und  ihre  Wechsel- 
beziehungen etc.     Nova  Act.  Acad.  Leop.  Carol.     Bd.  LXI.     1893. 

Wallace,  A.  R.  On  the  peculiar  relations  of  plants  as  exhibited  in  Islands. 
Nature  1876. 

—  Die  Tropenwelt   nebst   Abhandlungen  verwandten  Inhalts.     Deutsche  Aus- 

gabe. Braunschweig  1879.    (Insulare  Pflanzen  und  Insektenarten.    S.  281). 

—  Island  life.     2d   edition      London  1892. 


170  VI.    Die  Thiere. 

Warming,    E.      Om    Grönlands    Vegetation.     Meddelelser    om    Grönland. 
Kjöbenhavn  1888. 

2.  Pflanzen  und  Ameisen. 

B  e  c  c  a  r  i ,  O.     Piante  ospitatrici  ossia  piante  formicarie  della  Malesia  e  della 

Papuasia.     Malesia.     Bd.  II. 
Belt,   Th.     The   naturalist   in  Nicaragua.     London  1874.     2d   edit,     1888. 
Burck.     Beitr.  z.  Kenntniss  d.  myrmecoph.  Pflanzen  etc.    Ann.  du  jardin  de 

Buitenzorg.     T.  X. 
Darwin,  Fr.      On    the    glandulär    bodies    of  Acacia    sphaerocephala   and 

Cecropia  peltata  serving  as  food  for  ants  with  an  appendix  on  the  nectar- 

glands   of  the   common   brake   fern,   Pteris  aquilina.     Linnean   society's 

Journal.   Botany.     Vol.  XV. 
Delpino,   F.     I.  Rapporti    tra   insetti    e   tra   nectarii  estranuziali   in  alcune 

plante.     Bullettino  entomoligico.     Anno  VI. 

—  II.  Weitere  Bemerkungen  über  myrmecophile  Pflanzen.     Monatl.  Mittheil. 

aus   dem  Gesammtgeb.   der  Naturw.   etc.,   herausgegeben   von  E.  Huth. 
5.  Jahrg.  1887. 

—  III.  Funzione  mirmecofila  nel  regno  vegetale.   Prodromo  d'una  monografia 

delle  piante  formicarie.     Parte  prima.     Bologna  1886. 
Forbes,   E.     Wanderungen   eines   Naturforschers   im   malayischen  Archipel. 

Jena  1886. 
Goebel,  K.     Morphologische   und  biologische  Studien.     Ann.  du  jardin  de 

Buitenzorg.     Tome  VII. 
H  u  t  h ,  E.     I.  Ameisen  als  Pflanzenschutz.     Verzeichniss  der  bisher  bekannten 

myrmecophilen  Pflanzen.     Berlin  1886. 

—  II.  Myrmecophile  und  myrmecophobe  Pflanzen.     Berlin  1887. 
Lundström,  A.  N.     Die  Anpassungen  der  Pflanzen  an  die  Thiere.     Upsala 

1887. 
Möller,   Alf      Die   Pilzgärten    einiger   südbrasilianischer   Ameisen.     Botan. 

Mittheil,  aus  den  Tropen.     Heft  6. 
Müller,  Fritz.   Die  Imbauba  und  ihre  Beschützer.   Kosmos.   Bd.  8.    1880. 
Rumphius,  Amboin'sche  Kruidboek.     6e   deel.     1750. 
S  c  h  i  m  p  e  r ,  A.  F.  W.   Die  Wechselbeziehungen  zwischen  Pflanzen  und  Ameisen 

im  tropischen  Amerika.     Botan.  Mittheil.  a.  d.  Tropen.     Heft  1.     1888. 
Schumann,  K.     I.  Einige   neue  Ameisenpflanzen.     Pringsheim's  Jahrb.    für 

wiss.  Botanik.     Bd.  XIX.     1888. 

—  II.    Einige   weitere   Araeisenpflanzen.     Abhandl.    des    Botan.   Vereins   der 

Prov.  Brandenburg.     Bd.  XXXI. 

—  III.   Rubiaceae  in:   Engler,  Natürl.  Pflanzenfam.     IV.  4. 

—  IV.  Ueber  afrikanische  Ameisenpflanzen.    Ber.  d.  deutchen  botan.  Gesellsch. 

Bd.  IX.     1891. 
Treub,   M.     I.  Sur  le  Myrmecodia  echinata  Gaudich.     Ann.   du  jardin   de 
Buitenzorg.     Bd   III. 

—  IL  Nouvelles  rech,  sur  le  Myrmecodia  de  Java.     Ibid.     Bd.  VII.     1888. 
Wallace,   A.   R.     Die  Tropenwelt   nebst  Abhandlungen  verwandten  Inhalts. 

Uebers.  v.  D.  Brauns.      1879. 
W  a  r  b  u  r  g ,  O.   Ueber  Ameisenpflanzen  (Myrmecophyten).  Biologisches  Central- 

blatt.     Bd.  XII.     1892. 
Wettstern,  R.  v.     Sitzb.  d.  Wien.     Akad.     Bd.  XCVII.     iA.     1888. 


ZWEITER  THEIL. 

FORMATIONEN 

UND 

GENOSSENSCHAFTEN. 


I.  Die  Formationen. 

1.  Klimatische  und  edaphische  Faotoreru  Allgemeiner  Vegetationstypus  durch 
die  Hydrometeore ,  allgemeiner  Florentypus  hauptsächlich  durch  die  Wärme  bedingt,  feine 
Gliederung  durch  edaphische  Einflüsse.  Die  Formationen.  Haupt-  und  Nebenbestandtheile. 
Unterscheidung  klimatischer  und  edaphischer  Formationen.  —  2.  Die  klimatischen  For- 
mationen. §  l.  Ei nth eilung.  Charakteristik  des  Gehölzes  und  der  Grasflur.  Ihr 
Kampf.  Invasion  malayischer  Waldgebiete  durch  die  Alangsteppe.  Verkümmerung  von  Ge- 
hölz und  Grasflur  zur  Wüste  führend.  Charakteristik  der  Wüste.  —  §2.  Das  Gehölz- 
klima. Klimatische  Existenzbedingungen  der  Bäume.  Hygrophile  und  xerophile  Bäume. 
Die  Baumgrenze.  Das  Niederholz.  Charakteristik  des  Gehölzklimas.  —  §3.  Das  Gras- 
flurklima.  Klimatische  Existenzbedingungen  der  Gräser.  Charakteristik  des  Grasflur- 
klimas. —  §  4.  Meteorologische  Tabellen.  Was  sie  bringen  und  was  sie  bringen 
sollten.  —  3.  Die  edaphischen  Formationen.  §  1.  Edaphische  Einflüsse  im 
Allgemeinen.  —  §  2.  Durch  Grundwasser  bedingte  edaphische  For- 
mationen. —  §  3.  Offene  edaphische  Formationen.  Felsen,  Gerolle,  Sand- 
boden. —  §  4.  Uebergang  der  edaphischen  Formationen  in  klimatische. 
Krakatan.   Der  Vulkan  Guntur.   Die  Camargue.   4.  Das  Zusammenleben  in  Formationen. 


1.  Klimatische  und  edaphische  Factoren. 

Betrachtet  man  eine  im  Urzustände  verbliebene  ebene  Gegend  von 
grosser  Höhe,  etwa  von  dem  Gipfel  eines  Berges  oder  noch  besser 
von  einem  Luftballon  herab,  so  erscheint  ihr  Vegetationscharakter  in 
der  Regel  gleichartig  und  zwar  als  Gehölz,  Grasflur  oder  Wüste.  Wohl 
zeigen  sich  bereits  in  grosser  Entfernung  einige  Unterbrechungen  der 
herrschenden  Eintönigkeit.  Wo  beispielsweise  ein  Fluss  die  Grasflur- 
landschaft durchfliesst ,  sind  seine  Ufer  häufig  von  einem  Waldsaum 
eingenommen  oder  die  dürre  Wüste  zeigt  Flecken  und  Streifen  mit 
üppiger  Vegetation.  Es  handelt  sich  da  jedoch  nur  um  Accidentien, 
die  dem  Gesammtcharakter,  welcher,  ausser  in  Grenzgebieten,  stets  dem 
einen  oder  dem  andern  der  erwähnten  drei  Typen  angehört,  keinen 
Eintrag  thun. 

Gebirgsketten  stellen  häufig  Grenzmauern  zwischen  Gebieten  un- 
gleicher Vegetationstypen  dar.  So  ist  das  Waldgebiet  Nordafrika's 
durch    den  Atlas    von    der   Wüste   Sahara,    dasjenige    des    nördlichen 


174 


I.    Die  Formationen. 


Venezuela  durch  die  Cordillere  von  den  Grasfluren  der  Llanos,  der 
Wald  Brasiliens  und  Argentiniens  durch  die  Anden  von  den  Wüsten 
Peru 's,  Bolivia's  und  Nordchile's  getrennt.  In  anderen  Fällen  ist  ein 
allmählicher  Uebergang  vorhanden.  Das  östliche  nordamerikanische 
Waldgebiet  geht  allmählich  nach  Westen  in  das  Grasflurgebiet  der 
Prärie  über  und  das  letztere  wird  in  westlicher  Richtung  allmählich 
wüstenartig ;  ähnliches  zeigt  sich  beim  Uebergang  des  russischen  Wald- 
gebiets in  die  südrussische  Steppe  und  von  der  letzteren  in  die 
kaspische  Wüste. 

Möge  der  Wechsel  ein  plötzlicher  oder  ein  allmählicher  sein  ,  er 
entspricht  stets  einem  Wechsel  der  klimatischen  Feuchtigkeit.  Die 
Menge  und  Vertheilung  der  Regen,  die  atmosphärische 
Feuchtigkeit  und  die  für  die  Vegetation  wesentlich  nur 
durch  ihre  trocknenden  Wirkungen  maasgebenden  Be- 
wegungen der  Atmosphäre  sind  die  Factoren,  welche  in 
den  tropischen  und  temperirten  Zonen  den  Vegetations- 
typus bedingen,  während  der  floristische  Typus,  soweit 
er  von  jetzigen  Factoren  bestimmt,  in  erster  Linie  auf 
die  Wärme  zurückzuführen  ist,  namentlich  wenn  nicht 
Gruppen  unteren  Ranges  (Gattungen  und  Arten),  sondern 
solche  höheren  Ranges  (Ordnungen  und  Familien)  in 
Betracht  gezogen  werden.  Nur  in  den  polaren  Ländern  kommt 
die  Temperatur  als  klimatische  Ursache  eines  Vegetationstypus,  der 
Kälte  wüste  oder  Tundra,  zur  Geltung. 

In  grösserer  Nähe  erscheint  der  einheitliche  Charakter  der  Pflanzen- 
decke eines  Gebiets  weit  weniger  deutlich,  da  den  schon  in  der  Ferne  sicht- 
baren Unregelmässigkeiten  eine  Menge  neuer  hinzutreten,  wie  z.B.  kleine, 
von  Schilf  bedeckte  Stellen  mitten  im  Walde,  oder  spärlich  bewachsenes 
Gerolle  etc.  Ausserdem  zeigen  sich  Gehölz,  Grasflur  und  Wüste  inner- 
halb des  Typus  reich  nüancirt ;  hier  ist  der  Charakter  mehr  hygrophil, 
dort  mehr  xerophil  in  zahllosen  Abstufungen.  Endlich  ist  auch  die 
floristische  Zusammensetzung,  die  in  der  Ferne  meist  gar  nicht  zur 
Geltung  kam,  einem  mehr  oder  weniger  raschen  Wechsel  unterworfen. 
Solche  feine  Gliederung  der  Vegetation  und  der  Flora  innerhalb  eines 
klimatischen  Gebiets  ist  in  erster  Linie  durch  den  Boden  bedingt.  Nur 
bei  Anwesenheit  grösserer  Unebenheiten  macht  sich  ausserdem  die  Un- 
gleichheit der  Bestrahlung  durch  die  Sonne  geltend.  Doch  ist  die 
Wirkung  dieses  Factors  demjenigen  der  physikalischen  und  chemischen 
Bodenbeschaffenheit  stets  untergeordnet. 

Die  Gliederung  der  Pflanzendecke  der  Erde  ist  nach 
dem  Vorstehenden  von  drei  Factoren  beherrscht:  Wärme» 
Hydrometeore  (mit  Einschluss  des  Windes)  und  Boden. 
Die  Wärme  liefert  die  Flora,  die  klimatische  Feuchtigkeit  die  Vegetation, 


1.   Klimatische  und  edaphische  Factoren.  175 

der  Boden  sortirt  und  nüancirt  in  der  Regel  nur  das  von  den  beiden 
klimatischen  Factoren  gelieferte  Material  und  fugt  einige  Details  aus 
Eigenem  hinzu. 

Die  nüancirende  Thätigkeit  des  Bodens  fuhrt  zu  einer  Gliederung 
in  bald  kleinere,  bald  grössere  Parcellen  von  einheitlichem  ökologischen 
und  floristischen  Typus,  deren  Eigenthümlichkeiten  sich  bei  gleich- 
bleibendem Klima  auf  gleichen  Bodenarten  genau  wiederholen,  während 
gleiche  Bodenarten  eine  ungleiche  Pflanzendecke  tragen.  Man  nennt 
die  durch  die  Bodenqualitäten  bedingten  Pflanzenvereine 
Formationen. 

In  jeder  Formation  zeigt  sich  eine  Pflanzenart  oder  eine  Gruppe 
von  Pflanzenarten  maasgebend ;  nur  vereinzelt  auftretende  Pflanzen  sind 
für  die  Formation  unwesentlich  und  häufigere  Nebenbestandtheile  können 
nur  eine  verschiedene  Facies  der  Formation  bedingen.  So  kennt 
man  bei  uns  eine  Formation  des  Buchenwalds,  wo  Fagus  silvatica  vor- 
herrscht, und  wenigstens  zwei  Facies  derselben  mit  ungleicher  krautiger 
Vegetation.1)  Aendert  sich  die  Zusammensetzung  der  Vegetation  bei 
gleichbleibender  Beschaffenheit  des  Bodens,  so  ist  dies  ein  sicheres 
Anzeichen  des  Uebergangs  in  ein  anderes  Klima.  Ein  rascher  Wechsel 
der  Formationen  bei  gleichbleibender  Bodenqualität  zeigt  sich  nur  in 
Gebirgen,    entsprechend   dem   raschen  Wechsel  des  Klimas. 

Jede  Formation  ist  zwar  in  ihrem  floristischen  und  ökologischen 
Charakter  ein  Produkt  von  Klima  und  Boden,  jedoch  in  ungleichem 
Verhältniss  der  verschiedenen  Factoren.  Der  Einfluss  des  Bodens 
ist  demjenigen  des  Wärmeklimas  stets  untergeordnet,  während  er 
unter  Umständen,  allerdings  nur  lokal,  denjenigen  der  Hydrometeore 
aufhebt.  So  zeigt  sich  an  manchen  Standorten  Gehölz,  wo  das 
Klima  Grasflur  bedingen  würde,  oder  umgekehrt,  und  üppiger  Wald 
gedeiht  stellenweise  im  niederschlagsärmsten  Wüstenklima.  Ausser- 
dem können  bestimmte  Eigenschaften  des  Bodens  einen  Vegetations- 
charakter hervorrufen,  der  keinem  der  klimatischen  Typen  ange- 
hört. Letztere  setzen  nämlich  eine  günstige,  dem  Gedeihen  der 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Pflanzen  zusagende  Bodenbeschaffenheit 
voraus.  Extreme,  für  das  meiste  Pflanzenleben  ungünstige  Bodeneigen- 
schaften entziehen  die  Vegetation  dem  maassgebenden  Einfluss  der 
Hydrometeore.  Dieselbe  trägt  daher  beispielsweise  auf  Felsen,  Gerollen, 
und  Sümpfen  in  erster  Linie  das  ökologische  Gepräge  des  Substrates 
und  dieses  Gepräge  bleibt  unter  sehr  verschiedenen  Bedingungen  der 
klimatischen  Feuchtigkeit,  welche  in  solchen  Fällen  nur  noch  nüancirend 
wirkt,  in  der  Hauptsache  das  Gleiche. 

Nach    dem    Vorhergehenden    sind    zwei    ökologische 

')  Vgl.  S.  124. 


176  *•   Die  Formationen. 

Formationsgruppen  zu  unterscheiden,  die  klimatischen 
oder  Gebiets formationen,  deren  Vegetationscharakter 
durch  die  Hydrometeore  beherrscht  und  die  edaphischen 
oder  Standortsformationen,  wo  derselbe  in  erster  Linie 
durch  die  Bodenbeschaffenheit  bedingt  ist. 

2.  Die  klimatischen  Formationen. 

§  1.  Eintheilung.  Die  klimatischen  Formationen  lassen  sich  auf 
drei  Haupttypen  zurückfuhren:  Gehölz,  Grasflur  und  Wüste. 

Das  Gehölz  besteht  wesentlich  aus  Holzgewächsen  und  heisst 
Wald,  wenn  Bäume  in  geschlossenem  Stande  wachsen,  Buschwald 
oder  Gebüsch,  wenn  die  Sträucher  so  reich  entwickelt  sind,  dass  die 
Baumkronen  einander  nicht  berühren  und  Gesträuch,  wenn  Sträucher 
die  Gesammtphysiognomie  bedingen.  Kräuter  sind  in  den  Gehölzen 
stets  vorhandep,  aber  nur  als  accessorische  Bestandtheile ;  sie  sind  in 
ihrer  Oekologie  vollständig  von  den  Holzgewächsen  beherrscht. 

Die  Grasflur  besteht  wesentlich  aus  büschelartig  wachsenden, 
perennirenden  Gräsern.  Andere  Kräuter  stellen ,  auch  wenn  sie 
ebenso  zahlreich  sind  als  die  Gräser,  doch  nur  Begleiter  der  letzteren 
dar,  da  die  Existenz  der  Formation  in  erster  Linie  auf  ihrer  Grasnarbe 
beruht.  Die  hygrophilen  und  tropophilen  Grasfluren  heissen  Wiesen, 
die  xerophilen  Steppen,  xerophile  Grasflächen  mit  einzeln  wachsen- 
den Bäumen  Savannen. 

Gehölz  und  Grasflur  stehen  einander  gegenüber  wie 
zwei  feindliche,  gleich  mächtige  Völkerschaften,  die  im 
Laufe  der  Zeiten  zu  wiederholten  Malen  um  die  Herr- 
schaft des  Bodens  gegen  einander  gekämpft  haben.  Die 
jetzigen  Klimate  haben  jedem  der  beiden  Gegner  seine  Domänen  ab- 
gegrenzt, aber  geringe  klimatische  Veränderungen  würden  genügen, 
um  den  Kampf  wieder  zu  entfachen.  In  Gebieten,  die,  im  nachher  zu 
erläuternden  Sinne,  weder  ausgeprägtes  Gehölzklima  noch  ausgeprägtes 
Grasflurklima  besitzen,  genügt  dazu  der  Eingriff*  des  Menschen.  So 
findet  gegenwärtig,  in  Folge  der  Ausrodung  des  Waldes,  in  Ostjava 
und  an  einigen  anderen  Punkten  des  malayischen  Archipels  eine  Invasion 
früher  von  Gehölz  eingenommener  Gegenden  durch  die  Grasflur  statt. 
Obwohl  ich  selber  Zeuge  dieses  Kampfes  gewesen  bin,  so  will  ich 
doch  dessen  Schilderung  in  den  Worten  des  langjährigen  Kenners  der 
malayischen  Vegetation,  Junghuhn,  wiedergeben,  da  es  kaum  möglich 
sein  würde,  demselben  an  Anschaulichkeit  gleich  zu  kommen. 

Bleibt  der  Boden,  nach  Ausrodung  der  Wälder,  unbebaut,  „dann 
tritt  gewöhnlich  zuerst  das  gesellig  und  gedrängt  wachsende  Alang- 
gras    (Imperata    Koenigii    Palis)     an     die   Stelle    der    verschwundenen 


2.   Die  klimatischen  Formationen.  177 

Wälder,  dann  werden  Flächen,  die  sich  meilen-,  ja  wohl  tagereisenweit 
ausdehnen,  in  einförmige,  trockene  Grasfelder,  in  Wildnisse  von  3  bis 
5f  hoch  aufgeschossenem  Grase  verwandelt,  während  an  Berggehängen 
dasselbe  Gras  seine  ursprüngliche  Zone  weit  überschreitet  und  fast 
unempfindlich  für  Temperatur  Verschiedenheiten,  6  bis  7000'  hoch,  Alles 
überziehend,  hinausragt." 

„Seine  seidenhaarigen  Samen,  so  leicht  wie  der  zarteste  Flaum, 
werden  von  dem  leisesten  Athem  des  Windes  millionenweise  in  der 
Luft  herumgeweht  und  begünstigen  in  hohem  Maasse  seine  allgemeine 
Verbreitung,  während  seine  kriechenden  und  tief  eindringenden  Wur- 
zeln die  Ausrodung  schwierig  machen,  da,  wo  das  lebenszähe  Gras 
sich  einmal  angesiedelt  hat.  Ich  habe  Grund,  zu  glauben,  dass  das 
Alanggras  während  des  ursprünglichen  Zustandes  des  Landes  auf  einige 
unfruchtbare,  dürre,  wasserleere  Flächen  der  heissen  Zone  angewiesen 
und  besonders  auf  schweren,  leicht  austrocknenden,  harten  und  eisen- 
schüssigen Thonboden  beschränkt  war,  dass  aber  gegenwärtig  überall, 
wo  man  dieses  Gras  auf  einem  fruchtbaren  lockeren  Boden  und  an 
Berggehängen,  oberhalb  der  Zone  von  2000'  antrifft,  dies  ein  Zustand 
ist,  der  erst  durch  Menschenhände  hervorgerufen  wurde  ....  Im  nörd- 
lichen Sumatra,  besonders  in  den  durch  Krieg  verödeten  Batta-Ländern 
sind  dadurch  Graswüsten  in's  Dasein  getreten,  die  in  ihrer  furchtbaren 
Einförmigkeit  Alles  weit  und  breit  bedecken  und  Flächen,  Berg  und 
Thal  mit  ihrem  weisslich-grünen  Kleide  überziehen.4*1) 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass,  wenn  der  Mensch  nicht  wieder  ein- 
greift, die  Alangsteppe  im  Laufe  der  Zeit  wieder  dem  Wald  weichen 
wird,  da  die  klimatischen  Bedingungen  solchem  immerhin  mehr  ent- 
sprechen, als  der  Grasflur.  Im  ausgeprägten  Waldklima,  z.  B.  an  der 
Küste  Brasiliens,  folgt  auf  den  zerstörten  Wald  rasch  wieder  Wald, 
allerdings  zunächst  solcher  mehr  xerophilen  Charakters,  die  sogenannte 
Capoeira. 

Sind  die  klimatischen  Bedingungen  wegen  zu  grosser  Trockenheit 
oder  Kälte,  jedem  Pflanzenleben  abhold,  so  tritt  Verkümmerung  des 
Gehölz-  und  Grasflurtypus  ein  und  ihre  Unterschiede  verwischen  sich, 
denn  der  Kampf  hört  auf.  Der  Boden  wird  dann  von  solchen  holzigen 
und  krautigen  Gewächsen  in  Beschlag  genommen,  die  den  Kampf  gegen 
die  Unbill  des  Klimas  noch  mit  Erfolg  fuhren  können. 

So  entsteht  als  dritter  Haupttypus  derjenige  der  Wüste.  Ueber- 
gangsformen  zwischen  Wüste  einerseits,  Gehölz  oder  Grasflur  anderer- 
seits werden  Halbwüsten  genannt. 

Im  Gehölz  und  in  der  Grasflur  können  nur  solche  Gewächse  be- 
stehen,  die  sich  in  Bezug  auf  alle  Factoren  im  ökologischen  Optimum 


«)  l.  c.  Bd.  I.    S.  153. 

Schi m per,  Pflanz engeographie. 


178  I.    Die  Formationen. 

befinden,  da  sie  sonst  im  Kampfe  gegen  stärkere  Mitbewerber  zu  Grunde 
gehen  würden.  In  der  Wüste  ist  dieses,  da  der  Kampf  der  Pflanzen 
unter  sich  aufhört,  nicht  mehr  Bedingung.  Gehölz  und  Grasflur  sind 
geschlossene  Formationen,  wenigstens  im  ökologischen  Sinne;  mehr 
Bestandtheile  können  in  dieselben  nicht  aufgenommen  werden  und 
zahllose  Keimlinge  gehen  im  gegenseitigen  Kampfe  fortwährend  unter. 
Die  Wüste  hingegen  ist  ökologisch  eine  offene  Formation.  Die  meisten 
Samen  keimen  in  ihr  nicht  und  die  Keimlinge  erliegen  häufig  der 
klimatischen  Unbill.  Andere  fristen  eine  kümmerliche  Existenz.  Viele 
Pflanzen  sterben  ab  und  ihr  Platz  wird  nicht  eingenommen.  Es  sind 
in  der  Wüste  stets  viele  leere  Stellen  zu  besetzen.1) 

Die  Grasflur,  wie  es  vielfach  geschieht,  als  den  Ausdruck  eines 
„schlechten  Klimas",  als  ein  Armutszeugniss  der  Natur,  eine  Uebergangs- 
stufe  zwischen  Wald  und  Wüste  zu  betrachten,  ist  vom  Standpunkte 
des  Forstmanns  allenfalls  begreiflich,  aber  weder  wissenschaftlich  noch 
praktisch  berechtigt.  Vielmehr  sind  gewisse  Formen  der  Gehölze,  wie 
später  gezeigt  werden  soll,  klimatisch  weit  genügsamer  als  die  Gras- 
flur. Der  Sieg  im  Kampfe  zwischen  Gehölz  und  Grasflur 
gehört  demjenigen  der  beiden  Gegner,  dem  die  gegebenen 
klimatischen  Bedingungen  am  besten  entsprechen. 

Genaue  Kenntniss  der  Erfordernisse,  welche  einerseits  die  Holz- 
pflanzen, andererseits  die  Gräser,  an  die  Hydrometeore ,  die  Luft- 
bewegungen und  die  Wärme  stellen,  werden  uns  die  Elemente  liefern, 
aus  welcher  ein  Gehölzklima  und  ein  Grasflurklima  sich  zu- 
sammensetzen. 

§.  2.  Das  Gehölzklima.  Betrachten  wir  zunächst  die  Holzpflanze 
in  ihrer  vollkommensten  Entwickelung,  als  Baum.  Im  Baum  befindet 
sich  die  transpirirende  Oberfläche  in  grösserer  Entfernung  von  den 
Wasservorräthen  des  Bodens,  als  beim  Strauch  und  beim  Kraut ;  ausser- 
dem haben  die  dieselbe  umgebenden  Luftschichten  zum  Theil  andere 
Eigenschaften  als  die  tiefer  befindlichen;  endlich  ist  sie,  wenigstens  in 
vielen  Fällen,  im  Verhältniss  zur  Bodenoberfläche,  grösser  als  beim 
Strauch  oder  Kraut. 

Andererseits  steht  dem  Baume  ein  mächtiges  Wurzelsystem  zur 
Verfügung,  welches  auch  sehr  tiefliegende  Wasservorräthe  auszunützen 
im  Stande  ist  und  häufig  vornehmlich  solche  verwendet,  indem  seine 
Wurzelspitzen  sich  in  grösster  Menge  in  beträchtlicher  Entfernung  der 
Oberfläche  befinden. 

Unsere  jetzigen  Kenntnisse  der  Baumphysiologie  sind  beinahe  aus- 
schliesslich  auf  die  mitteleuropäische  Flora  beschränkt,   deren  Bäume 


*)  Nicht   zu  verwechseln  mit  klimatischen  Wüsten   sind  kümmerlich  bewachsene 
Standorte  im  Gehölz-  und  Grasflurklima,     s.  3.    Die  edaphischen  Formationen. 


2.   Die  klimatischen  Formationen.  '  179 

sämmtlich,  wenn  auch  in  ungleichem  Grade,  stark  transpiriren  und  dem- 
entsprechend sehr  wasserbedürftig  und  während  der  Vegetationszeit 
hygrophil  sind 

Die  umfassendsten  und  brauchbarsten  Untersuchungen  über  die 
Transpiration  unserer  Waldbäume  sind  von  R.  v.  Höhnel  angestellt 
worden,  dessen  Arbeit  die  folgenden  Daten  entnommen  sind*; 

Verf.  benutzte  „5 — 6jährige,  50 — 80  cm  hohe  Bäumchen,  die  in  16  cm 
hohe  und  31/2  bis  5  Kilogramm  Erde  fassende  gewöhnliche  Gartentöpfe  ver- 
setzt wurden,  die  derartig  von  weiten  Zinkblechhüllen  luftdicht  umgeben  waren, 
dass  nicht  nur  eine  Begiessung  der  Pflanzen  möglich  war  und  ein  vollkommener 
Abschluss  des  Topfes  bewirkt  wurde,  sondern  auch  der  Culturboden  nirgend 
mit  dem  Zinkblech  in  direkte  Berührung  kam.  Auf  diese  Weise  wurde  ein 
Wasserverlust  aus  dem  Boden  vollständig  verhindert  und  eine  genaue  Be- 
stimmung der  Transpirationsgrösse  ermöglicht.  Ferner  wurde  dafür  gesorgt, 
dass  die  Töpfe  von  der  Sonne  nicht  direkt  beschienen  werden  konnten,  und 
im  Wesentlichen  die  Bodentemperatur  annehmen  mussten.  Ebenso  wurde 
dafür  Sorge  getragen,  dass  sich  die  Versuchsbäumchen ,  die  im  Mariabrunner 
Forstgarten  standen ,  unter  äusseren  Verhältnissen  befanden ,  die  denen  der 
verschiedenen  Partien  der  Baumkrone  im  Walde  wenigstens  annähernd  ähn- 
lich waren." 

Mittlere   Transpirationsgrössen   vom    1.  Juni   bis  Ende  November. 

(Die  Zahlen  bedeuten  Gramme  Wasserverlust  auf  100  Gramm  Trockengewicht 
der  Blätter,  resp.  Nadeln  bezogen.) 

Birke 67987      Stiel-  und  Steineiche  .     .     .  28345 

Linde 61  519      Zerreiche 25  333 

Esche 56689      Feldahorn 24683 

Weissbuche 56251 

Rothbuche 47  246      Rothfichte 5  847 

Spitzahorn 46287      Weissföhre 5802 

Bergahorn 43  577      Edeltanne 4402 

Feldulme 40731      Schwarzföhre 3207 

Von  Höhnel  gelangte  in  Bezug  auf  den  Wasserverbrauch  eines  Hektars 
115jährigen  Buchenhochwaldes  zu  dem  Ergebniss,  dass  derselbe,  „je  nach 
verschiedenen  Annahmen,  3587000  bis  5  380000  Kilogramm  Wasser  in  der 
Vegetationsperiode  verbraucht.  Ein  50-  bis  60 jähriger  Buchenbestand  ver- 
dunstet im  Vegetationshalbjahre  pro  Hektar  2  330  900  Kilogramm  und  ein 
Stangenbuchengehölz  von  30 — 40  Jahren  in  der  gleichen  Zeit  etwa  680  000 
Kilogramm." 

Da  nun  die  Regenmenge,  gering  genommen,  im  Laufe  des  ganzen  Jahres 
7  Millionen  Kilogramm  beträgt,  so  ergiebt  sich  eine  vorzügliche  Ueber- 
einstimmung  derselben  mit  den  Transpirationsresultaten.1) 

Ausser  den  wenigen  in  der  Vegetationszeit  hygro- 
philen    Bäumen,    wie   sie    allein   bei   uns   vorkommen,    giebt   es 

>)  s.  290. 

12* 


l8o  !•   ^>ie  Formationen. 

auch  ausgesprochen  xerophile,  ja  sogar  solche ,  die  auf  dem 
trockensten  Wüstenboden  noch  gedeihen.  Es  dürfte  zu  den  interessan- 
testen Aufgaben  zukünftiger  botanischer  Reisenden  gehören,  die  Existenz- 
bedingungen dieser  ausgeprägt  xerophilen  Bäume,  die  z.  B.  in  grosser 
Mannigfaltigkeit  in  trockenen  Savannen  und  in  Wüsten  der  Tropen  vor- 
kommen, genauer  zu  erforschen. 

Die  Tiefe  ihres  Wurzelsystems  ermöglicht  es  den 
Bäumen,  inGegenden  üppigzu  gedeihen,  woandauernde 
Trockenzeiten  bei  grosser  Hitze  periodisch  wieder- 
kehren, wie  in  den  Mittelmeerländern,  in  Vorderindien,  im  Sudan. 

Die  Unrichtigkeit  der  vielfach  vertretenen  Ansicht,  dass  der  Wald 
zu  gedeihlicher  Entwickelung  der  Niederschläge  zu  jeder  Jahreszeit, 
namentlich  aber  zur  Vegetationszeit,  bedürfe,  geht  aus  dem  Vor- 
kommen in  Gegenden  mit  trocken-heissen  Perioden  zur  Genüge  hervor. 

Von  Wichtigkeit  für  den  Baumwuchs  ist  nicht  grosse 
Häufigkeit  der  Niederschläge,  auch  nicht  eine  regen- 
reiche Vegetationsperiode,  sondern  dauernde  Anwesen- 
heit eines  Wasservorraths  im  Bereich  der  Wurzelenden, 
also  in  beträchtlicher  Bodentiefe.  In  welchen  Jahres- 
zeiten dieser  Vorrath  erneuert  wird,  ist  gleichgültig.  Es 
giebt  Waldgebiete  mit  Regen  zu  allen  Jahreszeiten  und 
solche  mit  Trockenperioden.  Im  letzteren  Falle  kann  die 
Regenperiode  gleichzeitig  hauptsächlich  oder  ausschliesslich 
Vegetationsperiode  sein,  wie  in  den  Tropen  und  im  Innern 
Argentiniens,  oder  die  Regenperiode  fällt  mit  einer  rela- 
tiven Ruhezeit  der  Vegetation  zusammen,  wie  in  den  extra- 
tropischen Waldgebieten  mit  Winterregen  (Mediterranländer,  südliches 
Caspigebiet,  Chile,  Californien,  Südwest-  und  Süd  -  Australien). 

Die  Bäume  der  Waldgebiete  mit  trockener  Vegetationsperiode  sind 
auf  die  während  der  Winterszeit  entstandenen,  in  grosser  Tiefe  befind- 
lichen Wassermengen  angewiesen  und  mit  entsprechenden  Eigenschaften 
versehen.  Ihr  Wurzelsystem  ist  besonders  tiefgehend  und  stark  ent- 
wickelt, Stamm  und  Wurzeln  sind  häufig  mit  Vorrichtungen  zur  Auf- 
speicherung von  Wasser  versehen,  das  Laub  ist  gegen  raschen  Wasser- 
verlust in  der  trockenheissen  Luft  geschützt.  In  den  Gebieten  ohne 
ausgesprochene  Trockenperiode  oder  wo  dieselbe  gleichzeitig  Ruhezeit 
der  Baumvegetation  ist,  besitzt  letztere  weniger  vollkommene  Auf- 
nahme- und  Schutzvorrichtungen.  Das  Laub  ist  zart  und  transpirirt 
reichlich,  der  ganze  Charakter  ist  hygrophil,  trotzdem  leisten  auch 
hygrophile  Bäume  in  abnormen  Trockenperioden,  wie  überhaupt  alle 
tiefwurzelnden  Pflanzen  im  Gegensatz  zu  den  seichtwurzelnden,  erstaun- 
lichen Widerstand. 

So   entwickelte   sich   während   der   regenfreien  Vegetationsperiode 


2.    Die  klimatischen  Formationen.  l8l 

des  Jahres  1893  am  Rhein  und  in  der  westlichen  Schweiz  das  Wiesen- 
gras nur  zu  ganz  geringer  Höhe  und  trocknete  sammt  den  meisten 
Wiesenstauden  schon  vor  Ende  des  Juni  aus.  Ueber  dem  niedrigen 
strohgelben  Rasen  der  Wiesen  erhoben  sich  Luzerne,  Esparzette  und 
andere  tiefwurzelnde  Stauden  als  frische,  saftgrüne,  üppige  Büsche.  Das 
Laub  der  Bäume  wurde  erst  im  Juli  theilweise  trocken  und  das  Obst 
füllte  sich,  wie  gewöhnlich,  mit  Saft  und  wuchs  zu  normaler  Grösse 
heran.  Es  waren  also  im  Boden,  den  tiefwurzelnden 
Pflanzen  allein  zugänglich,  noch  bedeutende,  von  dem 
Winterregen  herrührend  e  Wasservorräthe  erhalten  ge- 
blieben. Doch  handelte  es  sich  in  diesem  Falle  um  eine  während  des 
Sommers  hygrophile  Vegetation ,  die  unter  normalen  Umständen  einer 
mit  hoher  Temperatur  verbundenen  Trockenheit  nicht  ausgesetzt  ist. 

Wichtige  Beobachtungen  über  die  Bedeutung  der  Regenmenge  und  der 
Winterregen  für  den  Wald  werden  von  Woeikof  mitgetheilt: 

.  .  .  „Ich  will  den  Einfluss  der  Sommerregen  auf  die  Wälder,  wie  auf 
andere  Arten  der  Vegetation  nicht  leugnen,  nur  sind  Niederschläge  der  kalten 
Jahreszeit,  vorzüglich  wenn  sie  als  Schnee  auftreten,  bei  Weitem  wichtiger. 
Die  Wälder  brauchen  einen  beständigen  Vorrath  von  Wasser  in  der  Schicht, 
wo  ihre  Wurzeln  stehen,  um  der  beständigen  Evaporation  der  Blätter  zu 
genügen.  Je  kühler  die  Jahreszeit  ist,  während  welcher  die  Niederschläge 
fallen,  desto  feiner  sind  diese,  desto  regelmässiger  vertheilt,  desto  mehr  Wasser 
dringt  in  die  tieferen  Bodenschichten  ein,  anstatt  rasch  über  den  Boden  zu 
laufen  und  die  Flüsse  zu  erreichen.  Noch  besser  für  die  Vegetation  ist  eine 
Schneedecke.  Ist  er  früh  oder  spät  gefallen,  der  Schnee  schmilzt  immer  im 
Frühling,  wenn  die  Vegetation  am  meisten  Wasser  braucht.  Die  permanente 
Schneedecke  des  Winters  ist  die  Hauptursache  der  Bewaldung  Nordrusslands 
und  Schwedens,  trotzdem  die  jährliche  Menge  des  Niederschlags  viel  geringer 
ist,  als  in  Westeuropa.  Im  Süden,  in  der  Steppe,  ist  die  Menge  des  fallenden 
Schnees  viel  geringer,  und  auch  der,  welcher  gefallen  ist,  wird  durch  die 
heftigen  Winde  weggefegt  und  sammelt  sich  in  den  Schluchten,  während  hohe 
Orte  schneelos  bleiben/'1) 

„Einen  Beweis,  dass  Lignosen  ohne  Sommerregen  fortkommen,  bieten 
die  ohne  künstliche  Bewässerung  kultivirten  Bäume  in  Süd -Europa,  wo  im 
Sommer  oft  Monate  lang  kein  Tropfen  Regen  fällt,  und  doch  selbst  der 
Weinstock  reichlich  Frucht  trägt,  wozu  natürlich  viel  WTasser  nötig  ist  An 
der  Südktiste  der  Krim  z.  B.  achten  die  Winzer  gar  nicht  auf  Sommerregen, 
er  hat  keinen  Einfluss  auf  die  Vermehrung  der  Ernte,  denn  er  netzt  den 
Boden  zu  oberflächlich.  Ganz  anders  die  Regen  im  Spätherbst  und  Winter, 
welche  ergiebig  genug  sind,  um  den  Boden  ein  Meter  tief  zu  durchnässen, 
und  einen  Vorrath  für  den  ganzen  nächsten  Sommer  zu  liefern." 

„Nicht  allein  Winzer,  sondern  alle,  welche  sich  mit  Acker-  und  Garten- 
bau beschäftigen,  wissen  sehr  wohl,  dass  häufige,  aber  schwache  Regen  wenig 

')  1.  c.  S.  243. 


l82  I.   Die  Formationen. 

oder  gar  nichts  nützen,  und  dass  es  besser  ist,  wenn  im  Monate  zwei  Regen- 
tage in  15  Tagen  Abstand  je  20  mm  Regen  geben,  als  wenn  dieselbe  Menge 
in  14  Tagen  zu  je  3  mm.  per  Regentag  fällt,  denn  in  ersterem  Falle  wird 
der  Boden  auf  eine  grössere  Tiefe  benetzt,  in  letzterem  aber  bleibt,  wenn 
schon  früher  Trockenheit  herrschte,  das  Regenwasser  fast  ganz  in  der  obersten 
Bodenschicht."1) 

„Die  Betrachtung  der  Wolgagegenden  und  des  östlichen  Kaukasus  hat 
mir  den  nahen  Zusammenhang  zwischen  der  Cultur  von  Winterkorn  und  der 
Waldung  gezeigt.  In  Gegenden  mit  einem  kalten  Winter  (unter  o)  ist  eine 
beständige  Schneedecke  nöthig,  damit  der  Boden  im  Frühling  stark  durch- 
feuchtet wird,  Sommerregen  können  den  Schnee  nicht  ersetzen,  wegen  der  Un- 
regelmässigkeit ihres  Auftretens  und  der  grossen  Menge,  welche  auf  einmal 
herabfallt  und  abläuft,  ohne  dem  Boden  zu  nutzen. 

„In  südlicheren  Gegenden  sind  regelmässige  Winterregen  nöthig,  um  die 
Cultur  der  Winterfrüchte  zu  ermöglichen.  Sind  die  Regen  spärlich,  so  wird 
Getreide  wachsen  und  sichere  Ernten  geben,  aber  kein  Wald  existiren  können. 
Dies  sehen  wir  z.  B.  auf  der  Halbinsel  Apscheron.  Dort  wird  überall  Winter- 
weizen gesäet,  er  gibt  sehr  ungenügende,  aber  sichere  Ernten,  denn  der 
Weizen  braucht  nur  Feuchtigkeit  in  der  obersten  Bodenschicht  Weiden  die 
Niederschläge  des  Herbstes  und  Winters  reichlicher,  so  kann  auch  die  Wald- 
vegetation gedeihen.  Dies  sehen  wir  z.  B.  bei  Leukoran.  Etwas  nördlich 
von  der  Stadt  sind  einige  Colonien  russischer  Sectirer,  die  ausschliesslich 
Winterweizen  und  Gerste  säen.  Der  Ertrag  ist  ausgezeichnet,  aber  Sommer- 
früchte kann  man  nicht  bauen,  der  Boden  trocknet  schon  im  Mai  so  ein, 
dass  das  Blühen  unmöglich  wird.  In  dieser  Gegend  gibt  es  Wälder  mit 
grossen,  hochstämmigen  Bäumen.  Der  Wasservorrath,  welcher  im  Winter  ge- 
sammelt wird,  genügt,  um  die  Evaporation  des  Sommers  zu  decken."2) 

Je  grösser  die  Wassermenge  des  Bodens,  möge  dieselbe  von 
Regen  oder  durchsickerndem  tellurischen  Wasser  herrühren,  desto 
grösser  wird  im  Allgemeinen  die  Höhe  der  Bäume,  desto  reicher  ihre 
Belaubung.  Allerdings  sind  die  höchsten  bekannten  Bäume,  wie  die 
Sequojen  Californiens  und  die  Eucalypten  Australiens,  nicht  Bewohner 
besonders  feuchten  Bodens;  specifische  Eigenschaften  spielen  hier  eine 
grosse  Rolle.  Bei  abnehmender  Wassermenge  im  Boden  nimmt  die 
Höhe  der  Bäume  und  die  Oberfläche  ihres  Laubes  im  Allgemeinen  ab, 
doch  trifft  man  noch  auf  trockenem  Boden,  z.  B.  in  den  tropischen 
Savannen,  manche  stattlichen  Bäume.  Die  trockensten  Gebiete  besitzen 
nur  noch  Zwergbäume.  Der  Baumwuchs  wird  jedoch  nur 
durch  solche  Grade  der  Trockenheit  ganz  sistirt,  die 
jeden  Pflanzenwuchs  mit  Ausnahme  niederer  Krypto- 
gamen,  ausschliessen. 

Die  zum  Gedeihen  hygrophiler  Bäume  nöthige  Wassermenge  steigt 
natürlich  mit  der  Temperatur.     In  temperirten  Zonen   gedeihen  hygro- 

J)  II.  Bd.  2.    s.  255. 
2)  I.  S.  243. 


2.   Die  klimatischen  Formationen.  183 

phile1)  Bäume  bei  einer  Bewässerung,  die  in  den  Tropen  nur  xero- 
philen Bäumen  genügen  würde.  Näheres  darüber  ist  in  den  speciellen 
klimatischen  Kapiteln  für  die  einzelnen  Zonen  mitgetheilt.  Hier  mag 
jedoch  schon  erwähnt  werden,  dass  hygrophiler  Baumwuchs  in  den 
Tropen  mindestens  150  cm  jährliche  Regenmenge  erfordert,  —  mit 
Ausnahme  natürlich  der  Ufer  von  Wasserflächen,  —  während  in  den 
kühlen  Gebieten  der  temperirten  Zone  60  cm  ausreichend  sind.  Das 
Vorkommen  hoher  xerophiler  Bäume  ist  weniger  an  die  Regenmenge, 
als  an  specifische  Eigenschaften  gebunden. 

Ein  anderer  wichtiger  Factor  des  Baumwuchses  ist  der  Gehalt 
der  Atmosphäre  an  Wasserdampf,  wobei  natürlich  nicht  die 
absolute,  sondern  die  relative  Dampfspannung  ins  Gewicht  fallt.  Die 
Bäume  befinden  sich  in  dieser  Hinsicht  unter  weniger  günstigen  Be- 
dingungen als  niedrige  Gewächse,  denn  ihre  transpirirende 
Oberfläche  liegt  in  höheren,  also  trockeneren  undmehr 
bewegten  Schichten  der  Atmosphäre.  Grössere  hygrophile 
Bäume  bedürfen  zur  Zeit,  wo  sie  belaubt  sind,  einer  durchschnittlichen 
relativen  Feuchtigkeit  von  etwa  8o°/0,  die  nur  in  wenigen  Stunden  des 
Tages  auf  6o°/0  herabfallt.  Xerophile  Bäume  begnügen  sich  mit 
geringerer  Luftfeuchtigkeit,  und  einzelne  Arten  scheinen,  sogar  im  be- 
laubten Zustande,  eine  Trockenheit  von  3O°/0  auf  einige  Zeit  ohne 
Schaden  ertragen  zu  können. 

Ganz  wesentlich  ist  es  für  den  Baumwuchs,  wie  in  einem 
früheren  Kapitel  gezeigt  wurde2),  ob  Ruhe  oder  Bewegung  in 
den  umgebenden  Luftschichten  herrscht,  indem  der  Wind 
eine  mächtige  Zunahme  der  Transpiration  bedingt. 

Trockene  Winde  bei  Frostwetter  bedingen,  wie 
Kihlman  bestimmt  zeigte,  die  polare  Grenze  des  Baum- 
wuchses. Vor  der  endgültigen  Darstellung  dieses  Forschers  herrschten 
in  der  Pflanzengeographie  höchst  unklare  Vorstellungen  über  die  Ur- 
sachen des  Aufhörens  der  Baumvegetation  in  der  arktischen  Zone.  Bald 
wurde  dieselbe  in  der  Kälte,  bald  in  der  Kürze  der  Vegetationszeit, 
bald  in  der  Combination  beider  Factoren  gesucht,  obwohl  keine  in  der 
Physiologie  des  Baumes  begründete  Eigenschaft  solche  Annahmen 
stützen  konnte.  Dass  grosse  und  andauernde  Winterkälte  mit  Baum- 
wuchs nicht  unvereinbar  ist,  geht  schon  aus  der  Thatsache  hervor,  dass 
die  tiefsten  überhaupt  bekannten  Kältegrade  sich  im  sibirischen  Wald- 
gebiete zeigen.8) 

Die  Bedeutung  des  Windes  für  den  Baumwuchs  wurde  schon  von  Midden- 


')  D.  h.  zur  Vegetationszeit. 

-)  S.  86. 

*)  Vgl.  S.  46. 


184 


I.   Die  Formationen. 


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er 


2.    Die  klimatischen  Formationen.  185 

dorff  erkannt,  wenn  auch  nicht  physiologisch  begründet,  wie  aus  folgender 
Stelle  seines  sibirischen  Werkes  hervorgeht:  „Ich  wage  sogar  auszusprechen, 
dass  im  Hochnorden  ein  günstig  gestalteter  Windschutz  von  vielfach  grösserer 
Bedeutung  ist,  als  die  geographische  Breite  oder  die  Höhenlage  über  dem 
Meere.  Ein  Windschutz  von  wenigen  Klaftern  Höhe  fördert  dort  den  Baum- 
wuchs mehr  als  fünfzig-  bis  hunderttausend  Klafter  minder  nördliche  Lage 
des  Ortes.1) 

Bekanntlich  stellt  die  nordpolare  Baumgrenze  nicht  eine  scharfe 
Linie  zwischen  Wald  und  baumloser  Tundra  dar.  Der  Baumwuchs 
erleidet  vor  seinem  gänzlichen  Verschwinden  eine  allmähliche  Reduction, 
die  von  Middendorff  und  namentlich  von  Kihlman  anschaulich  ge- 
schildert worden  ist. 

Der  erst  genannte  Autor  gibt  die  Erscheinung  in  ihren  allgemeinen  Zügen 
wieder,  ohne  auf  ihre  Ursachen  einzugehen:  „Verfolgen  wir  die  Baumgrenze 
über  grosse  Länderstrecken  fort  und  betrachten  wir  uns  alle  die  verschiedenen 
Baumarten,  welche  rings  um  den  Nordpol  an  dieselbe  herantreten,  so  sehen 
wir  alle  in  gleichem  Maasse  verkümmern  und  zu  Krummholz  ausarten :  sowohl 
Laubholz  als  Nadelholz  werden  schliesslich  zu  Greisen  von  2,  ja  1  Fuss  Höhe 
herabgedrückt2) 

Die  Verkrüppelungen,  die  der  Baumwuchs  in  der  Nähe  seiner 
polaren  Grenze  erleidet,  rühren,  wie  Kihlman  zeigt,  von  der  winter- 
lichen Austrocknung  her,  deren  Zunahme  in  nördlicher  Richtung 
schliesslich  jedem  Baumwuchs  Einhalt  thut. 

„Verfolgt  man  die  Entwickelung  des  Wachholders,  wie  sie  in  der 
oberen  Waldregion  oder  in  der  inneren  Tundra  verläuft  (Fig.  91),  so  findet 
man,  dass  die  Spitze  des  geraden  Stammes  regelmässig  abstirbt,  sobald  sie 
eine  gewisse,  etwas  variable  Höhe  über  dem  Boden  erreicht  hat.  Die  Seiten- 
zweige wachsen  dagegen  schief  aufwärts  oder  fast  horizontal  weiter,  bis  ihre 
Spitzen  in  der  einmal  gegebenen,  verhängnissvollen  Höhe  ebenfalls  absterben. 
Da  dem  Wrachholder  das  Vermögen  zur  Wurzelsprossbildung  oder  auch  zu 
einem  nachträglichen  Ausschlag  an  der  Stammbasis  vollständig  abgeht,  kommt 
dadurch  ein  niedriges,  tischähnliches  Bäumchen  zu  Stande,  dessen  dichte 
schirmförmige  Krone  ein  Diameter  von  3 — 4  m.  erreicht,  und  dessen  cen- 
traler, cylindrischer  Stamm  bei  einem  Alter  von  300 — 400  Jahren  einen  Durch- 
messer von  mehr  als  30  cm  haben  kann.  Die  Höhe  des  ganzen  Gebildes 
beträgt  durchschnittlich  etwa  1  m,  kann  aber  hin  und  wieder  beinahe  2  m 
erreichen  .  .  .  Wenn  das  als  Brennholz  sehr  gesuchte  Stämmchen  lange  genug 
stehen  bleibt,  kommt  früher  oder  später  ein  Zeitpunkt,  wo  die  Wurzel- 
befestigung dem  wachsenden  Windfang  der  Krone  nicht  mehr  entspricht;  das 
Bäumchen  fällt  um  und  wird  in  schräger  Richtung  von  der  nunmehr  abwärts 
gerichteten  Hälfte  der  Krone  gehalten,  während  die  obere  Hälfte  derselben 
längs  der  kritischen  Linie  rasch  abstirbt  und  verschwindet. 


*)  1.  c.  S.  683. 
*)  1.  c  S.  675. 


l86  !•   Die  Formationen. 

Die  Linie,  oberhalb  welcher  alle  Zweige  zu  Grunde  gehen,  wird  durch 
die  durchschnittliche  Höhe  der  Schneedecke  zu  Anfang  der  Schmelze  be- 
stimmt ...  Im  April  1889  konnte  ich  mich  überall  davon  überzeugen,  dass 
die  lebendigen  Wachholderäste  bis  dicht  unter  die  Oberfläche  des  erweichen- 
den Schnees  reichten,  oder  dass  sie  höchstens  einige  cm  über  demselben 
hervorragten.  Ich  habe  die  Ansicht  gewonnen,  dass  der  Wachholder  in 
Russisch -Lappland  überhaupt  nur  unter  der  Bedingung  den  Winter  aushält, 
dass  er  mehrere  Monate  hindurch  vollständig  mit  Schnee  bedeckt"  ist.1) 

.  .  .  „Auch  die  Birke  bildet  tisch  -  oder  heckenförmig  geschorene  Sträucher, 
die,  der  massenhaften  Verbreitung  dieser  Baumart  ausserhalb  der  Waldgrenze 
entsprechend,  für  die  innere  Tundra -Landschaft  geradezu  charakteristisch 
sind.2)" 

Als  extremsten  Fall  endlich  erwähnt  Kihlman  die  Bildung  von  Matten, 
„welche  nur  die  Höhe  des  umgebenden  Flechten-  und  Reiserfilzes  erreichen, 
die    aber    in    dem    Horizontalplan    mitunter   recht    ansehnliche   Dimensionen 

erreichen  .  .  .     Besonders 
V    j.    *J  -*>  ,  schön     kann     die     leicht 

wurzelnde  Fichte  (Fig.  92) 
tin  dieser  Wuchsform    auf- 
treten; längs  dem  Tundra- 
saum   bei  Orlow    sah    ich 
Fichtenmatten   von    1    bis 
5  m  Länge,  deren  dünne, 
sterile     Zweige     in     dem 
Fig.  91.     Von  der  Baumgrenze.     Plattgewachsenes  Bäum-       Flechtenfilz  umherkrochen 
chen  von  Juniperus  communis.     Nach  Kihlman.  und     offenbar     einer     ein- 

zigen Keimpflanze  ent- 
stammten .  .  .  Bei  allen  diesen  Matten  findet  man  die  Jahrestriebe,  in- 
soweit sie  sich  über  dem  Niveau  der  umgebenden  Moos-  und 
Flechtenpolster   erheben,    vertrocknet   und    entblättert"8) 

Wie  in  einem  späteren  Kapitel  (Dritter  Theil,  Abschnitt  IV)  ge- 
zeigt werden  soll,  sind  auch  für  die  vertikale  Grenze  des  Waldes  die 
Verhältnisse  der  Luftbewegung  maassgebend. 

Es  erscheint  zweckmässig,  Sträucher  und  Zwergbäume  als  Nieder- 
holz zusammen  zu  fassen. 

Auch  für  das  Niederholz  ist  die  Menge  des  Grundwassers  maass- 
gebend und  die  Zeit,  wo  letzteres  erneuert  wird,  gleichgültig.  Die 
zum  Gedeihen  des  Niederholzes  nöthige  Wassermenge  ist  geringer  als 
für  den  Baumwuchs;  wird  sie  grösser,  so  tritt  letzterer  auf.  Wie  das 
Hochholz,  gedeiht  das  Niederholz  besser  in  feuchter  als  in  trockener, 
besser  in  ruhiger  als  in  bewegter  Luft;  es  ist  aber  in  jeder  Hinsicht 
genügsamer,  als  das  erstere. 


>)  1.  c.  S.  71. 
-)  1.  c  S.  73. 
a)  S.  68-69. 


2.   Die  klimatischen  Formationen. 


187 


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42 

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igg  I.   Die  Formationen. 

Ein  gutes  Gehölzklima  setzt  sich,  nach  dem  Vorher- 
gehenden, aus  folgenden  Elementen  zusammen:  Warme 
Vegetationszeit,  beständig  feuchter  Untergrund,  feuchte 
und  ruhige  Luft,  namentlich  im  Winter.  Irrelevant  für 
die  Gehölze  ist  es,  ob  die  Grundfeuchtigkeit  vomRegen 
oder  von  tellurischen  Gewässern  geliefert  wird,  ob  die 
Niederschläge  häufig  oder  selten  sind,  ob  sie  während 
der  activen  Periode  oder  der  Ruheperiode  fallen.  Dem 
Optimum  des  Gehölzklimas  entspricht  der  hygrophile 
Baum,  den  geringeren  Graden  des  Gehölzklimas,  in  ab- 
steigender Reihe,  der  tropophile  Baum,  der  xerophile 
Baum  und  das  Niederholz.  Gehölzfeindlich  ist  in  höheren 
Breiten  ein  Klima  mit  trockenen  Wintern,  da  die  Bäume 
während   des  Winters   den  Transpirationsverlust  nicht  decken  können. 

§  3.  Das  Grasflurklima.  Ganz  anders  sind  die  Ansprüche,  welche 
die  Grasflur  an  das  Klima  stellt.  Das  Maassgebende  in  der  Grasflur 
ist,  wie  schon  erwähnt,  die  Grasnarbe.  Grasfreie  oder  grasarme 
Staudenformationen  vermögen  den  Kampf  gegen  die  Gehölze  nicht 
mit  Erfolg  zu  fuhren  und  zeigen  sich  nur  in  Wüsten  (die  sogenannten 
Artemisiasteppen  u.  s.  w.),  wohl  meist  mit  Beimischung  von  Niederholz. 

Die  krautigen  Gräser  sind  vorwiegend  Gewächse  der  temperirten 
Länder.  In  den  Tropen  sehen  wir  grasreiche  üppige  Grasfluren  vor- 
nehmlich auf  den  zeitweise  kühlen  Hochebenen,  z.  B.  im  Innern  Bra- 
siliens, in  Central- Afrika ,  und  nur  dürftigen  Graswuchs  da,  wo  in  der 
Vegetationszeit  die  Temperatur  während  der  Tagesstunden  30  °  C 
dauernd  übersteigt.  Warum  hohe  Temperaturen  den  meisten  krautigen 
Gramineen  wenig  zusagen,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht  angeben.  Während 
der  Vegetationsruhe  schaden  auch  die  höchsten  in  der  Natur  vor- 
kommenden Temperaturen  der  ausgedörrten  Grasnarbe  nicht. 

Im  Vergleich  zu  den  Holzpflanzen  und  vielen  Stauden  sind  die 
Gräser  der  Grasflurnarbe  seichtwurzelnde  Gewächse  und  leiden 
daher  durch  längere  Dürreperioden  während  der  Vegetationszeit.  Es 
wurde  vorhin  erwähnt,  welchen  verderblichen  Einfluss  die  trockene 
Vegetationszeit  des  Jahres  1893  auf  die  Gräser  im  Gegensatz  zu  den 
Holzpflanzen  und  den  tiefwurzelnden  Stauden  ausgeübt  hatte,  und  auch 
Woeikof  hat  ähnliche  Beobachtungen  aufgezeichnet.  Ein  Klima,  in 
welchem  die  Trockenheit  gleichzeitig  warme  Jahreszeit  ist,  wie  dasjenige 
der  Mittelmeerländer,  ist  demnach  dem  Graswuchs,  also  auch  der 
Grasflur,  ungünstig.  So  sah  ich  im  August  1886  bei  Lissabon  die 
Gräser  und  die  meisten  Stauden  völlig  verdorrt,  während  tiefwurzelnde 
Disteln  fröhlich  blühten  und  die  Bäume  in  unversehrtem  Laube  prangten. 

Feuchtigkeit  des  Untergrunds  kommt  also  für  die 
Grasnarbe    wenig    in    Betracht;    wesentlich    ist    ihr    nur 


2.   Die  klimatischen  Formationen.  189 

Feuchtigkeit  des  Obergrundes.  Da  letztere  aber  durch  Ver- 
dunstung und  Filtration  rasch  verloren  geht,  so  sind  zu  ihrer  Erhaltung 
häufige,  wenn  auch  schwache  Niederschläge,  nöthig.  Während  der 
Ruheperiode  können  die  Gräser  grosse  Trockenheit  unbeschadet 
ertragen. 

Die  Gräser  erheben  sich  weit  weniger  als  die  Bäume  über  die 
Oberfläche  des  Bodens  und  befinden  sich  demnach  in  feuchteren 
Schichten  der  Atmosphäre.  Grosse  Lufttrockenheit  ist  ihnen  übrigens, 
während  der  Ruheperiode,  ebenso  unschädlich  wie  Regenlosigkeit. 

Die  tiefsten  atmosphärischen  Schichten  sind  auch  die  ruhigsten, 
so  dass  die  Gräser  von  der  austrocknenden  Wirkung  des  Windes 
weniger  als  Holzpflanzen  zu  leiden  haben.  Die  dem  Baumwuchs  so 
schädlichen  Winde  der  Trockenzeiten  und  des  Winters  sind  für  die 
Gräser  ohne  Bedeutung. 

Nach  dem  Vorhergehenden  sind  die  Elemente  eines  guten  Grasflur- 
klimas: Häufige,  wenn  auch  nur  schwache,  die  Feuchtig- 
keit des  Obergrundes  erhaltende  Niederschläge  in  der 
Vegetationszeit  und  gleichzeitige  massige  Wärme.  Bei- 
nahe irrelevant  sind  für  die  Grasflur  die  Feuchtigkeit 
des  Untergrundes  (ausser  bei  grosser  Capillarität  des 
Obergrundes),  Trockenheit  der  Luft,  namentlich  in  den 
Ruheperioden  (Trockenzeit,  Winter)  und  Winde.  Grasflur- 
feindlich  ist  in  höheren  Breiten  Trockenheit  in  der  Haupt- 
vegetationszeit der  Gräser  (Frühjahr,  Frühsommer.) 

Gehölzklima  führt  zum  Sieg  des  Gehölzes,  Grasflur- 
klima zum  Sieg  der  Grasflur.  In  Uebergangsklimaten 
entscheiden  edaphische  Einflüsse  den  Sieg.  Stärkere 
Abweichungen  vom  Gehölzklima  und  vom  Grasflurklima 
rufen  die  Wüste  hervor. 

Dass  das  Innere  der  Continente,  namentlich  ausserhalb  der  Wendekreise, 
weniger  reichen  Baumwuchs  aufweist  als  die  Küstengebiete,  ist  in  erster  Linie 
auf  die  zeitweise  herrschende  grosse  Lufttrockenheit,  namentlich  des  Winters, 
zurückzuführen.  Ueber  den  nachtheiligen  Einfluss  des  Continentalklimas  bringt 
namentlich  MiddendortT  Belege. 

„Unter  derselben  Breite,  unter  welcher  ich  mich  am  Jenisöj,  in  die 
Waldungen  Sibiriens  versenkte,  unter  58  °  n.  Br.,  erreichen  auf  Sitcha  Nadel- 
hölzer, welche  den  sibirischen  so  nahe  stehen,  dass  sie  nur  vom  Fachkenner 
artlich  unterschieden  werden,  eine  Höhe  von  160'  bei  7'  bis  10 '  Durch- 
messer .  .  .  Von  Jenisejsk  nordwärts  möchte  man,  dem  in  Livland  gewonnenen 
Augenmaasse  zufolge,  den  Waldungen  kaum  mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert 
geben,  nie  ein  ganzes1)  .  .  .  Auch  ausserhalb  des  Bereichs  vom  Eisboden  sehen 
wir,  unter  den  günstigsten  Verhältnissen,  in  Süd -Sibirien  die  dort  vorkommen- 

')  S.  631. 


190 


I.   Die  Formationen. 


den  Baumarten  keine  ausserordentliche  Grösse  erreichen,  ja  nicht  einmal  die- 
jenige, zu  welcher  dieselben  oder  deren  Repräsentanten  in  Europa  gelangen.1) 

.  .  .  Wenigstens  99/100  aller  scheinbar  erwachsenen  Bäume  des  Waldes, 
sogar  an  günstigen  Oertlichkeiten  Südsibiriens,  besassen  nicht  mehr  als  1  bis 
ft/4  Fuss  Dicke  .  .  .  Drei  oder  vier  Jahrhunderte  scheinen  sogar  in  Süd- 
sibirien die  äusserste  Lebensdauer  zu  sein,  welche  die  bevorzugten  Stämme 
des  Waldes  durchschnittlich  erreichen.  Die  durchschnittliche  Lebensdauer 
der  Bäume  eines  sibirischen  Balkenwaldes  muss  ich  noch  beträchtlich  geringer 
schätzen.  *)  . . .  Ueberschauen  wir  die  im  vorhergehenden  Abschnitte  gewonnenen 
Anschauungen,  so  können  wir  nicht  umhin,  uns  dafür  auszusprechen,  dass 
das  excessive  Continentalklima  dem  Baumwuchse  ungünstig 
ist,  und  derselbe  sein  Maximum  nur  im  Seeklima  erreichen 
könne."8) 

Das  Gehölzklima,  in  seinen  verschiedenen  Abstufungen,  und  das 
Grasflurklima  bleiben  in  allen  Zonen  qualitativ  die  gleichen,  weichen 
aber  quantitativ  von  einander  ab,  sodass  ihre  Elemente  sich  nur  für 
einzelne  Zonen  zahlenmässig  ausdrücken  lassen.  Dementsprechend 
sind  die  klimatischen  Tabellen,  die  die  hier  entwickelten  Anschauungen 
näher  begründen,  in  speciellen  Kapiteln  des  dritten  Theils  enthalten. 

§  4.  Klimatische  Tabellen.  Die  Zahl  der  Gebiete  für  welche  wirk- 
lich brauchbare,  vollständige  und  über  längere  Zeiträume  ausgedehnte  meteoro- 
logische Beobachtungen  vorliegen  ist  noch  nicht  gross.  Immerhin  giebt  es 
bereits  für  mehrere,  klimatisch  wie  in  Bezug  auf  ihre  Vegetation  wohl  charak- 
terisirte  Gebiete  nach  beiden  Richtungen  genügende  Daten,  um  Schlüsse  auf 
die  Allgemeinheit  zu  gestatten.  Allerdings  werden  von  den  Meteorologen 
nicht  immer  alle  Factoren  berücksichtigt,  die  für  die  klimatische  Erkenntnis 
der  Vegetation  in  Betracht  kommen;  dieses  ist  aber  zum  Theil  auf  die 
Pflanzengeographen  zurückzuführen,  die  früher,  entsprechend  ihrer  Verkennung 
der  Bedeutung  mancher  klimatischer  Elemente,  sehr  bescheidene  Forderungen 
an  die  Meteorologie  stellten. 

Eine  pflanzengeographisch  wirklich  brauchbare  Tabelle  müsste,  meiner 
Ansicht  nach,  folgende  Rubriken  enthalten: 

Ort: 
Lage  in  Länge-  und  Breitegraden.  —  Höhe.  —  Mittlerer  Luftdruck,  (nur  bei 

Höhenstationen). 
Temperatur  Regen       Relat.  Feuchtig. 


Monate    mittleres 
Minimum 
Jan.     I, 
Febr.  | 
März   | 


mittleres 
Maximum 


Menge  j  Tage 


mittleres 
Minimum 


mittleres 
Maximum 


Sonnen- '  Wind- 


schein. 
Stunden 


stärke 


Ver- 
dunst 


U.S.W.| 

Mittlere  Jahresextre 

me 

1)  S.  632. 

2)  S.  632. 

3)  S.  640. 

3.   Die  edaphischen  Formationen.  IQI 

Die  von  den  Meteorologen  sorgfältig  notirten  Schwankungen  des  Luft- 
druckes sind  für  die  Vegetation  ohne  Belang.  Von  den  Daten  über  die  Tempe- 
ratur sind  diejenigen  über  die  täglichen  Minima  und  Maxima  die  wichtigsten, 
ja  vollkommen  genügend.  Angaben  über  die  Stunden  sind  kaum  nötig,  da 
die  Minima  Nachts,  die  Maxima  am  Tag  auftreten.  Erstere  geben  uns 
die  Temperaturen,  bei  welchen  die  Wachsthumsvorgänge  hauptsächlich  vor 
sich  gehen,  die  Maxima  sind  namentlich  als  Factoren  der  Transpiration  von 
Wichtigkeit.  Die  mittlere  Tagestemperatur  ist  pflanzengeographisch  werthlos, 
wenn  nicht  wenigstens  die  Grösse  der  täglichen  Schwankung  mit  gegeben  ist. 
Mittlere  Jahresextreme  sind  zwar  nicht  für  die  Formationenlehre,  wohl  aber 
für  die  Artenareale  zuweilen  von  Wichtigkeit,  die  mittlere  Jahrestemperatur 
ist  ohne  jede  Bedeutung. 

Angaben  über  die  absolute  Regenmenge  sind  sehr  wichtig,  aber  an  sich 
noch  nicht  hinreichend.  Es  hängt  viel  davon  ab,  ob  der  Regen  in  relativ 
seltenen  aber  starken  oder  in  häufigen  aber  leichten  Güssen  fällt.  Darüber 
belehren  die  Rubriken  Regentage  (Regenstunden  wären  ausserdem  erwünscht, 
sie  werden  aber  beinahe  nie  erwähnt)  und  Sonnenstunden.  Letztere  gehören 
ausserdem  zu  den  Factoren  der  Transpiration. 

Zu  den  wichtigsten  Rubriken  gehört  diejenige:  Relative  Luftfeuchtigkeit. 
Grosse  Feuchtigkeit  wirkt  fördernd  auf  das  Wachsthum  und  setzt  die  Trans- 
piration herab,  geringe  Feuchtigkeit  wirkt  im  entgegengesetzten  Sinne. 

Den  Winden  kommt  wegen  ihrer  trocknenden  Wirkung  grosse  Wichtig- 
keit zu.  Die  Rubrik  „Verdunstung"  ermöglicht  direkte  Schlüsse  auf  die  Grösse 
der  Transpiration. 


3.  Die  edaphischen  Formationen. 

§  I.  Edaphische  Einflüsse  im  Allgemeinen.  Der  Einfluss  der 
Unterschiede  in  der  physikalischen  und  chemischen  Beschaffenheit  des 
Bodens  beschränkt  sich  in  der  Regel,  wie  früher  bereits  erwähnt  wurde, 
auf  die  feine  Gliederung  innerhalb  des  durch  das  Klima  bestimmten 
Vegetations-  und  Florentypus.  Solche  edaphische  Nüancirung  ist  nicht 
selten  ausserordentlich  reich,  indem  viele  Arten  auf  eine  Constellation 
äusserer  Factoren  so  genau  gestimmt  sind,  dass  schon  geringe  Ab- 
weichungen derselben  ihr  Heraustreten  aus  dem  ökologischen  Optimum 
und  hiermit  ihre  Niederlage  im  Kampfe  mit  den  Mitbewerbern  bedingt. 

Man  betrachte  z.  B.  eine  etwas  unebene  Wiese.  Da  sind  aller- 
dings manche  der  vorherrschenden  Arten,  namentlich  unter  den  Gräsern, 
überall  vorhanden,  so  dass  eine  solche  Wiese  als  eine  Formation  be- 
zeichnet werden  darf.  Andere  Arten  zeigen  sich  dagegen  an  ganz  be- 
stimmte Qualitäten  des  Bodens  gebunden ,  so  dass  die  Wiese  ein  ge- 
flecktes Aussehen  erhält.  Das  ist  namentlich  der  Fall,  wo  zwei  oder 
mehr  verwandte  Arten  sich  in  den  Boden  zu  theilen  haben.  Sind  z.  B. 
Primula  officinalis  und  Pr.  elatior  vorhanden,   so  wird  man   an  der  un- 


IQ2  I.   Die  Formationen. 

gleichen  Farbe  der  Blüthen  schon  von  Weitem,  die  von  der  ersteren 
bewohnten  trockeneren  Stellen  von  den  feuchten,  welche  die  zweite 
inne  hat,  unterscheiden. 

Niemals  wird  man  sie  gesellschaftlich  wachsen  sehen.  In  ähnlicher 
Weise  bezeichnen  Ranunculus  bulbosus,  acris  und  repens  oft  drei  Stufen 
zunehmender  Feuchtigkeit.  Auf  dem  Simplon  bewohnen  zwei  zwergige 
Senecio -Arten,  S.  incanus  und  S.  uniflorus,  die  trockenen  alpinen 
Wiesen,  oft  dicht  beieinander,  aber  niemals  durcheinander.  Ich  fand 
den  grossköpfigen  Senecio  uniflorus  nur,  wo  der  Wiesenboden  sich  als 
dünner  Ueberzug  über  Steine  und  Felsen  ausdehnte,  während  S.  incanus 
ausschliesslich  tiefere  Bodenstellen  bewohnte.  Der  Bastard  zwischen 
beiden  Arten  zeigte  sich  an  die  Zwischenräume  beider  Standorte  ge- 
bunden. 

Eine  derartige  Parcellirung  wird  durch  chemische  Unterschiede  des 
Substrats  weit  seltener  als  durch  die  physikalischen  bedingt,  indem  die 
letzteren  einen  viel  rascheren  Wechsel  und  eine  grössere  Mannigfaltig- 
keit als  die  ersteren  zu  zeigen  pflegen. 

Weit  stärker  als  in  Fällen  der  eben  geschilderten  Art  kommen  die 
Wirkungen  des  Bodens  in  den  edaphischen  Formationen  zum 
Vorschein,  wo  der  Vegetationstypus  nicht  durch  das  Klima,  sondern 
durch  den  Boden  bestimmt  ist,  sodass  er  in  Gehölz-  und  Grasflur- 
gebieten sich  wesentlich  gleich  bleibt.  Das  Klima  wirkt  in  den  eda- 
phischen Formationen  blos  nüancirend,  ähnlich  wie  der  Boden  iö  den 
klimatischen  Formationen. 

Maassgebend  für  das  Zustandekommen  gewisser  edaphischer  For- 
mationen ist  Anwesenheit  reichlichen  Bodenwassers  in  Folge  der  Infiltra- 
tion dauernder  Wasseransammlungen,  für  andere  aber  die  mechanische 
Beschaffenheit  des  Substrats.  Die  chemischen  Unterschiede  des  Bodens 
haben  meist  bloss  eine  nüancirende  oder  differenzirende  Wirkung. 
Nur  reiche  Mengen  leicht  löslicher  Salze,  namentlich  Kochsalz  oder 
freie  Humussäuren  vermögen  das  klimatische  Gepräge  zu  verwischen 
und  z.  B.  im  Hygrophytenklima  Xerophytenformationen  hervorzurufen. 

§  2.  Durch  Bodenwasser  bedingte  edaphische  Formationen. 
Der  Boden  bleibt  in  der  Nähe  der  Gewässer  beständig  bis  zu  grosser 
Tiefe  feucht,  auch  im  Grasflurklima,  wo  die  Regen  nur  den  Obergrund 
benetzen.  Dementsprechend  sehen  wir  im  Bereiche  der  Infiltration  die 
Ufer  von  Flüssen  und  Seen  von  Gehölzen  bedeckt.  Letztere  sind  oft 
gebüschartig,  nicht  selten  jedoch  als  üppige,  denjenigen  des  besten 
Waldklimas  nicht  nachstehende  Wälder  (Gallerie Wälder)  entwickelt 
(Fig.  93).  Derartige  edaphische  Gehölze  unterscheiden  sich  von  den 
klimatischen  natürlich  stets  durch  ihre  Abhängigkeit  von  Wasser- 
ansammlungen, mögen  die  letzteren  eine  freie  Oberfläche  haben  oder, 
wie  in  den  Oasen  ganz  unterirdisch  sein. 


3.   Die  edaphischen  Formationen.  IQj 

Stagnirendes  Wasser  bedingt  die  Ausbildung  der  als  Sümpfe 
bezeichneten  Formationen,  die  wiederum  in  mehrere  Gruppen  ein- 
getheilt  werden,  von  welchen  die  torf haltigen  Moore  und  die  Man- 
groven  des  tropischen  Strandes  am  besten  charakterisirt  sind.  Die 
Sumpfformationen  werden  durch  die  Hydrometeore  wenig  beeinflusst 
und  zeigen  daher  im  Gehölz-  und  Grasflurklima  wesentlich  die  gleiche 
Vegetation,  dagegen  sind  ihre  beiden  erwähnten  auffallendsten  Formen, 
Moor  und  Mangrove  von  der  Wärme  abhängig,  letztere  aus  noch  nicht 
bekannten  Gründen,  ersteres,  weil  die  chemischen  Vorgänge,  auf  welchen 
die  Torfbildung  beruht,   sich  nur  bei  tieferen  Temperaturen  abspielen. 

§  3.  Offene  edaphische  .Formationen.  An  vielen  Standorten  ist 
die  mechanische  Bodenbeschaffenheit  derartig,  dass  sie  das  Aufkommen 
geschlossener  Formationen  nicht  zulässt.  Was  in  der  Wüste  durch  das 
Klima,  wird  hier  durch  die  Beschaffenheit  des  Bodens  bedingt.  Der 
[etztere  gehört  den  Gewächsen,  die  sich  auf  demselben,  den  ungünstigen 
Bedingungen  zum  Trotz,  anzusiedeln  vermögen.  Es  sind  deren  wenige 
und  die  Formation  bleibt  eine  durchaus  offene,  wo  es  noch  Raum  für 
viele  Pflanzen  giebt  und  wo  dementsprechend  der  Kampf  zwischen 
Mitbewerbern  fehlt.  Solche  Standorte  besitzen,  das  Klima  möge  sein 
wie  es  wolle,  weder  Gehölz-  noch  Grasflurcharakter,  sondern  tragen 
Holzpflanzen  und  Kräuter  in  buntem  Gemisch  und  in  voller  Unabhängig- 
keit von  einander. 

Zu  den  offenen  Formationen  der  geschilderten  Art  gehören  in 
erster  Linie  diejenigen  der  Felspflanzen.  Der  nackte  Fels  bleibt, 
nach  seiner  Erkaltung  aus  feuerflüssigem  Zustande  oder  seiner  Los- 
trennung von  einer  grösseren  Felsmasse,  mehr  oder  weniger  lange  Zeit 
jeder  Vegetation  baar.  Früher  oder  später,  im  feuchten  Klima  früher 
als  im  trockenen,  kommen  Pflanzen  auf  seiner  Oberfläche  zur  Ent- 
wickelung,  zuerst  kleine  Algen  und  Flechten,  später,  nachdem  diese 
genügsamsten  Gewächse  etwas  Humus  erzeugt  haben,  Moose  und 
höhere  Pflanzen.  Die  Vegetation  der  Fels-  und  Steinoberfläche  soll 
diejenige  der  Lithophyten  genannt  werden.  Die  Felsspalten,  in 
welchen  sich  mehr  feinkörnige  Bestandtheile  und  mehr  Wasser  an- 
sammeln, als  an  der  Oberfläche,  erhalten  eine  etwas  üppigere  Vegetation, 
diejenige  der  Chasmophyten.  Eine  Felspflanzenformation  besteht 
entweder  nur  aus  Lithophyten,  nämlich  wenn  der  Fels  spaltenlos  ist, 
oder  aus  solchen  und  Chasmophyten. 

Die  Lithophyten  sind  niedrige  flachausgebreitete  Gewächse,  deren 
Flächenentwickelung  bald  hauptsächlich  durch  die  Wurzeln,  bald  durch 
die  Sprosse  selbst  bedingt  ist,  welche  sich ,  in  diesem  Falle,  vermittelst 
kurzer  Wurzeln,  —  bezw.  bei  Thallophyten  durch  Rhizoiden,  —  auf  dem 
harten  Substrat  befestigen.  Moose  und  Phanerogamen  nehmen  häufig 
Polsterform  an.     Die  Chasmophyten  sind  im  Gegensatz  zu  den  Litho- 

Schimper,  Pflanzengeographie.  13 


IQA  I.    Die  Formationen. 

phyten,  lang  gestreckte  Gewächse,  da  ihr  Substrat  sich  oft  in  grosser 
Entfernung  von  der  Mündung  der  Spalte  und  hiermit  vom  Lichte  be- 
findet. Viele  Chasmophyten  besitzen  in  Folge  dessen  ungeheuer  lange 
Rhizome  und  Wurzeln,  doch  zeigen  sich  solche  extremen  Formen  weniger 
in  Felsspalten  als  auf  den  Gerollen,  welche  durch  Zertrümmerung 
der  Felsen  unter  der  Einwirkung  der  Atmosphärilien  entstehen  und  am 
Fusse  der  Felsmassen,  von  welchen  sie  heruntergefallen,  oder  als  Moränen 
längs  der  Gletscher,  grosse  Haufen  zu  bilden  pflegen.     Hier  treten  die 


Fig.  94.  Steinfeld  im  Bette  des  Craiguburn-Flusses  in  der  Nähe  seiner  Mündung  in  den 
Pearson-See,  im  Waldgebiet  Neu-Seelands,  Süd-Insel.  Ozothamnus  depressus  Hook.  f.  und  Epi- 
lobium  melanocaulon  Hook.  f.    600  m  ü.  M.     Nach  einer  Photogr.  des  Herrn  L.   Cockape. 

Lithophyten  gegen  die  Chasmophyten  stark  zurück  und  letztere  zeigen 
die  vorher  erwähnte  oft  ungeheuere  Längsstreckung. 

Die  Felstrümmer  gerathen  theilweise  in  die  Wasserläufe,  wo  gegen- 
seitige Reibung  sie  theils  zu  Kies,  theils  zu  Sand  zerkleinert  und  wo 
die  verwitterten  Feldspäthe  zu  feinkörnigem  erdigem  Thon  zerrieben 
werden.  Der  Wechsel  des  Wasserniveaus  fuhrt  zur  Ablagerung  in  den 
Flussbetten  und  an  ihren  Ufern  von  Kies-,  Sand-  und  Thonmassen,  die 
theilweise  häufiger,  theilweise  seltener  oder  nur  ausnahmsweise  von 
Wasser  wieder  bedeckt  werden.  Solche  Ablagerungen  tragen  eine  bald 
mehr   vergängliche,    bald    länger  andauernde  offene  Vegetation,    deren 


3.    Die  edaphischen  Formationen.  ige 

Arten    zum   grossen   Theile   für   solche  Standorte   charakteristisch    sind 
(Fig.  94—96). 

Durch  die  Wasserläufe  gelangen  die  Felstrümmer  schliesslich  in 
das  Meer.  Sind  die  Ufer  des  letzteren  flach,  so  werden  durch  Sturm- 
fluthen  Sand,  Thon  und  kleiner  Kies  bis  mehr  oder  weniger  weit 
jenseits  der  gewöhnlichen  Fluthgrenze  auf  das  Land  getragen  und  diese 
Ablagerungen  erhalten,  wenn  sie  nicht  durch  die  Winde  zu  sehr  durch- 
wühlt oder  vom  Meere  wieder  fortgetragen  werden,  schon  nach  wenigen 


Fig.    95-     Grand    Canon   des   Colorado.     Arizona.     Steiniges  Flussbett.    Im  Hintergrund  die 
dem  Klima  entsprechende  Wüste.     Nach  einer  Photographie. 


Monaten  einige  Vegetation.  Kann  die  letztere  sich  behaupten,  so  werden 
solche  Neubildungen  allmählich  befestigt  und  definitiv  dem  Festlande 
angegliedert. 

Unter  den  Strandablagerungen  sind  die  sandigen  die  am  stärksten 
entwickelten,  indem  der  Wind  den  Sand  tiefer  in  das  Land  hineintreibt 
als  Thon  oder  Kies  und  denselben  oft  zu  Dünen  häuft.  Die  Forma- 
tionen des  sandigen  Strands  und  der  Dünen  erscheinen  geeignet  als  Bei- 
spiele für  die  Vegetation  der  Psa mm ophyten  oder  Sandpflanzen,  die 
hier  besonders  stark  entwickelt  auftritt,  zu  dienen.  Diese  sandigen  Küsten- 
striche am  Meere  gliedern  sich  gewöhnlich  in  drei  Zonen,  die  Schorre, 

13* 


196 


I.    Die  Formationen. 


zwischen  den  gewöhnlichen  Grenzen  von  Ebbe  und  Fluth,  den  flachen 
Mittelstrand,  oberhalb  der  gewöhnlichen  Fluthlinie,  und  die  Dünen, 
welche  sich  hügelartig  zwischen  Strand  und  Binnenland  erheben. 

Dünen  sind  nicht  immer  vorhanden.  Manchmal  erhebt  sich  das  sandige 
Ufer  ganz  allmählich  und  sanft  und  geht  ohne  scharfe  Grenze  in  Gehölz-  oder 
Grasflurland  über  oder  das  Land  erhebt  sich  hinter  dem  flachen  Strande  zwar 
plötzlich,  aber  ohne  Dünencharakter  anzunehmen.  Derartiges  zeigt  sich  theils  an 
relativ  windstillen  Küstenstrichen,  theils  wo  der  Sand  grobkörnig,  bezw.  stark 
mit  Kies  vermengt  ist  und  daher  vom  Winde  schwerer  fortbewegt  wird. 


Fig.  96.     Nebraska.     Sandige    Ablagerungen    mit    offener    gemischter   Pflanzenformation   in 

einem  Flussbett.     Im  Hintergrund   die   dem  Klima   entsprechende   Grasflurformation  (Prärie) 

und  nackte  Felsen.     Photogr.  des  geolog.  Depart.  der  Universität  von  Nebraska. 


Folgende  Darstellung  der  Vegetation  auf  dem  sandigen  Meeres- 
strande Java's  kann  für  die  Vegetationsverhältnisse  an  solchen  Stand- 
orten   überhaupt    Gültigkeit    beanspruchen. 

Die  Südküste  Java's  ist  stellenweise  von  ganz  ähnlichen  Dünen- 
landschaften bedeckt,  wie  sie  z.  B.  an  der  Nordsee  so  verbreitet  sind. 
Hinter  dem  sandigen,  hier  kalkreichen  Strande  erhebt  sich  eine  erste 
pflanzenarme  Dünenreihe ,  hinter  welcher  mehr  bewachsene  Dünen  den 
Uebergang  zur  Binnenlandvegetation  vermitteln.  Nur  der  flache  Strand  und 
die  dem  Meere  zunächst  gelegenen  Dünen  zeigen  in  ihrer  Vegetation  die 
charakteristischen  Einflüsse  der  Standorte.  Erschwerte  Befestigung  am 
losen  Substrat,    erschwerte  Wasserversorgung,   Kampf  gegen    den  See- 


3.    Die  edaphischen  Formationen.  \gy 

wind  oder  Benutzung  desselben  zum  Transport  der  Früchte  auf  der 
glatten  Sandfläche  lassen  sich  aus  den  merkwürdigen  Gestalten  gerade- 
zu herauslesen. 

In  klarster  Weise  vereinigen  sich  die  erwähnten  Anpassungen  bei 
Spinifex  squarrosus,  einem  steifen  bläulichen  Gras  mit  grossen  kuge- 
ligen Blüthen-  und  Fruchtständen,1)  welch*  letztere  aus  langen  radial 
geordneten  Nadeln ,  den  sehr  langen  Tragblättern ,  zusammenge- 
setzt erscheinen.     Spinifex  bedeckt  manchmal    für   sich   allein,  in  zahl- 


Fig.  97.     Sand-Dünen   bei   Neu-Brighton   an   der    Ostktiste    der   Südinsel   Neu -Seelands  mit 
Desmoschoenus  spiralis  Hook.  f.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  L.  Cockayne. 

losen,  anscheinend  selbständigen  Stöcken,  die  äussersten  Dünen  am 
indischen  Meere;  nähere  Untersuchung  ergiebt  in  vielen  Fällen,  dass 
auch  weit  von  einander  entfernte  Stöcke  durch  federkiel-  bis  fingerdicke, 
im  Sande  mehr  oder  weniger  vergrabene  Stolonen  verbunden  sind,  die 
an  ihren  Knoten  Wurzeln  und  Blattbüschel  erzeugen.  Letztere  verdanken 
ihr  fahles  Aussehen,  ähnlich  wie  unsere  Sandgräser,  einem  Wachsüberzug. 
Die  Vortheile,  welche  eine  solche  Vegetationsweise  an  derartigen 
Standorten  mit  sich  bringt,  sind  einleuchtend.    Die  kriechenden,  durch 


M  Vgl.  die  Abbildung  des  ganz  ähnlichen  Fruchtstands  von  Spinifex  hirsutus  im  Kapitel 
über  die  edaphischen  Formationen  der  temperirten  Zonen  (Dritter  Theil,  zweiter  Abschnitt). 


198 


I.   Die  Formationen. 


zahlreiche,  tiefeindringende  Wurzeln  festgeankerten  Sprosse  bieten  dem 
Winde  weit  besseren  Trotz  und  laufen  weit  weniger  die  Gefahr,  aus 
ihrem  lockeren  und  beweglichen  Substrat  herausgerissen  zu  werden, 
als  aufrechte  Pflanzen.  Es  ist  daher  kein  Wunder,  dass  viele  anderen 
Strandgewächse  sich  in  ihrem  Lebensmodus  dem  Spinifex  anschliessen, 
wie  die  in  den  Tropen  nahezu  ubiquitäre  Remirea  maritima  oder  die  noch 
häufigere  und  verbreitetere  Ipomoea  pes  caprae  (I.  biloba),  deren  un- 
geheuer lange  und  weit  bewurzelte  kriechende  Sprosse  mit  einem  eng- 


Fig.  98.     Strand  von   Garden  Island ,    Lake   of  the  woods,  Minnesota.     Salix  fluviatilis  vor- 
herrschend.    Ausserdem :  Capnoides  micranthum,  Chenopodium  album,  Polygonum  ramosissi- 
mum  etc.     Nach  einer  Photogr.  von  Herrn  Prof.  MacMillan. 


maschigen  Netze  den  Sand  bedecken  und  festhalten,  oder  auch  die 
physiognomisch  mit  der  Ipomoea  pes  caprae  nahe  übereinstimmen- 
den Canavalia  -  Arten  u.  s.  w.  In  der  nördlichen  temperirten  Zone 
befestigt  der  Helm,  Psamma  arenaria,  durch  seine  ungeheuer  langen 
und  reich  verzweigten  Rhizome  den  lockeren  Sand  der  Dünen,  zu- 
sammen mit  anderen  Gräsern,  wie  Elymus  arenarius,  Agropyrum  jun- 
ceum  u.  s.  w.  Allen  diesen  Gewächsen  kommt  die  wichtige  Eigen- 
schaft zu,  wenn  sie  verschüttet  werden,  aus  dem  Sande  wieder 
herauszuwachsen. 

Noch  in  manchen  anderen  Hinsichten  zeigt  sich  bei  Spinifex  squar- 


3.    Die  edaphischen  Formationen. 


199 


rosus  ein  enger  Zusammenhang  zwischen  Structur  und  Lebensweise, 
z.  B.  im  Bau  der  Blätter,  deren  Wachsüberzug  und  Structur  die 
Schwierigkeit  der  Wasserversorgung  auf  den  hohen,  durchlässigen, 
zudem  salzigen  Dünen  zum  Ausdruck  bringt.  Ganz  besonderes  Inter- 
esse beansprucht  jedoch  der  nahezu  kopfgrosse,  aus  steifen  Borsten 
gebildete  sphärische  Fruchtstand.  Zur  Zeit  der  Reife  bricht  er  von  den 
abgetrockneten  Stengeln  ab  und  wird  ein  Spiel  des  Windes.  Rollend 
und  tanzend  schnellt  er  auf  der  glatten  Sandfläche  dahin  und  lässt 
seine  Früchte  herunterfallen.    Allmählich  werden  die  Borsten  abgenutzt 


Fig.  99'  Dünen  auf  der  Isle  aux  Sables,  Lake  of  the  woods,  Minnesota.  Populus  tremu- 
loides,  Juniperus  communis,  Prunus  pumila  im  Vordergrund  und  links;  Elymus  canadensis 
und  Artemisia  im  Hintergrund.  Auf  dem  Gipfel  der  Düne  Zwergbäumchen  von  Celtis 
occidentalis   und  Cerasus   pennsylvanica.      Nach   einer  Photogr.   des   Herrn  Prof.  MacMillan. 


und  der  schwer  beweglich  gewordene  Fruchtstand  wird  im  Sande, 
mit  dem  Reste  der  Früchte,  vergraben. 

Spinifex  squarrosus  gehört  nach  seiner  Wachsthumsweise  zu  einem 
sehr  verbreiteten  Typus.  Einen  Typus  für  sich  bilden  dagegen  die 
Pandanus-Arten  des  sandigen  Strandes,  welche  sich  durch  elastische, 
von  den  Aesten  herabwachsende  Stützwurzeln  im  beweglichen  Sande 
festankern  (Fig.  122). 

Bei  vielen  Gewächsen  des  sandigen  Meeresstrandes,  allerdings  vor- 
nehmlich bei  solchen,   die   geschütztere  Standorte  bewohnen,   kommen 


200  !•   Die  Formationen. 

solche  in  die  Augen  fallenden  Anpassungen  nicht  vor.  Doch  sind  sie 
im  Vergleich  zu  anderen  Pflanzen  stets  aussergewöhnlich  reich  und  tief 
bewurzelt. 

Sandige  Strandformationen  ähnlich  denjenigen  des  Meeres  zeigen 
sich  auch  an  vielen  salzigen  oder  süssen  Binnenseen;  doch  pflegt 
die  Dünenbildung,  entsprechend  der  geringeren  Windstärke  und  Sand- 
menge, schwächer  ausgeprägt  zu  sein.  Sehr  eingehend  und  in  in- 
structiver  Weise  sind  die  betreffenden  Formationen  von  C.  MacMillan 
für  den  „Lake  of  the  Woods,"  einen  zwischen  Minnesota  und  Canada 
gelegenen  mittelgrossen  See  (ca.  1500  engl.  Quadratmeilen)  dargestellt 
worden.  Die  Ufer  sind  theils  felsig,  theils  lehmig,  theils  sandig,  theils 
von  Humus  bedeckt.  Das  Bild  Fig.  98  zeigt  den  sandigen,  flachen 
Strand  mit  einer  hauptsächlich  aus  Weiden  bestehenden  Vegetation, 
Fig.  99  niedere,  mit  verschiedenartigen  Gräsern  und  Sträuchern  be- 
wachsene Dünen. 

Selbstverständlich  unterscheidet  sich  der  sandige  Strand  an  Süss- 
wasserseen  von  demjenigen  am  Meere  durch  Armuth  an  Kochsalz 
und  verleiht  der  Vegetation  daher  nur  auf  höheren  Dünen  xerophilen 
Charakter. 

§  4.  Uebergang  der  edaphischen  Formationen  in  klimatische. 
Zwischen  dem  nackten  und  harten  Felsen  und  dem  aus  solchem  schliess- 
lich hervorgehenden  feinkörnigen  Boden,  um  dessen  Besitz  Gehölz  und 
Grasflur  sich  streiten,  schalten  sich,  nach  dem  Vorhergehenden,  eine 
Reihe  offener  Uebergangsformationen  ein,  die  weder  Gehölz-  noch 
Grasflurcharakter  besitzen,  auch  im  ungleichen  Klima  wesentlich  gleiches 
Gepräge  aufweisen  und  ihre  Eigenart  vornehmlich  der  mechanischen 
Bodenbeschaffenheit  verdanken.  Die  Umwandlung  solcher  vorüber- 
gehenden Formationen  in  die  definitiven  der  Gehölze  und  Grasfluren 
vollzieht  sich  fortwährend  unter  unseren  Augen,  allerdings  so  langsam, 
dass  wir  nur  einen  Theil  der  Vorgänge  direkt  zu  beobachten  im 
Stande  sind  und  nur  durch  Vergleich  ungleich  alter  Zustände  ihre 
Aufeinanderfolge  ungefähr  errathen  können.  Trotz  dem  hohen  Interesse 
der  Entwickelungsgeschichte  der  Formationen  ist  ihr  bisher  nur  wenig 
Aufmerksamkeit  gewidmet  worden. 

Eine  hervorragende  Leistung  auf  diesem  Gebiete  ist  Treub's  Dar- 
stellung der  Vegetation  auf  Krakatau  drei  Jahre  nach  dem  be- 
kannten Ausbruch,  welcher  die  ganze  Insel  mit  einem  glühenden  Bim- 
stein-  und  Asche  -  Ueberzug  bedeckte. 

Wie  bereits  früher  (S.  90)  gezeigt  wurde,  bestand  die  Vegetation 
Krakatau's  zur  Zeit  von  Treub's  Besuch  ganz  vorwiegend  aus  Farnen 
(elf  Arten),  während  die  Phanerogamen  sich  nur  vereinzelt  und  beinahe 
ausschliesslich  auf  dem  Meeresstrande  zeigten.  Die  Farne  bilden  dem- 
nach  die   erste  Vegetation   auf  vulkanischen  Inseln,  —  jedoch  nur  die 


3.    Die  edaphischen  Formationen. 


20I 


erste  makroskopische  Vegetation.  Ihnen  geht  eine  mikroskopische 
Cyanophyceenvegetation  voraus,  welche  in  dünner  Schicht 
die  ganze  Oberfläche  von  Asche  und  Bimstein  überzieht 
und  den  Boden  für  die  Entwickelung  der  Farne  vor- 
bereitet. 

Auf  den  Rath  meines  verehrten  Freundes  Treub  besuchte  ich  den 
Vulkan  Guntur  (Westjava),    der   durch    die  Eruption   von   1843  bis  zur 


Fig.    100.     Beginnende  Vegetation   auf   neuem    vulkanischen    Boden  (Bimstein,    Asche  etc.) 
in  Westjava.     Nach  einer  Photographie. 


Basis  von  mächtigen  glühenden  Trümmerhaufen  bedeckt  worden  war.1) 
Ich  fand  natürlich  eine  viel  weiter  entwickelte  Stufe  der  Vegetation, 
als  Treub  auf  Krakatau ,  jedoch  war  dieselbe  noch  ganz  offen  und  im 
Ganzen  dürftig.  Bäume  fehlten  noch  gänzlich,  während  strauchige  und 
krautige  Gewächse  sehr  verschiedener  Arten  vorhanden  waren.  Farne 
waren,  wie  auf  Krakatau,  an  Arten  und  Individuen  recht  zahlreich,  je- 
doch   ohne   die   Hauptmasse   der  Vegetation   zu   bilden.      Die   wesent- 


J)  Vgl.  Junghuhn  Bd.  II,  S.  392  u.  f. 


202  I.   Die  Formationen. 

lichste  Rolle  spielten  Gewächse,  die  in  den  benachbarten  Wäldern  als 
Epiphyten  wachsen,  nämlich  ausser  verschiedenen  Farnen  auch  viele 
Orchideen  und  das  strauchige  Rhododendron  javanicum,  welche  hier 
eine  Anzahl  ihnen  zusagender  Bedingungen,  wie  hartes  Substrat,  feuchte 
Luft  und  reiche  Beleuchtung  fanden  und  ungestört  durch  Mitbewerber 
den  Boden  in  Beschlag  nehmen  konnten.  Interessant  war  auch  das 
Vorkommen  einer  Nepenthes  in  zahllosen  Exemplaren,  deren  Urnen 
Wasser  und  Insekten   in   so   reicher  Menge   enthielten,    dass  das  Fort- 


Fig.  ioi.  Aus  der  Camargue.  Horizontale  sandige  Strandflächen  im  Ueberschweinmungs* 
gebiet   der  Sturmflathen   mit   erster  Vegetation   aus   Salicornia  macrostachya.     Nach  Flahaolt 

et  Combels. 

kommen  der  üppigen  und  nicht  merklich  xerophilen  Pflanze  auf 
derartigem  Boden  nicht  wunderlich  erschien. 

Flahault  und  Combres  haben  für  das  über  14000  h  sich  aus- 
dehnende sandige  und  lehmige  Tiefland  der  Camargue  in  dem  Rhöne- 
delta  die  allmähliche  Umwandlung  des  nackten  Bodens  im  Bereich  der 
Sturmfluthen  in  anfangs  offene,  später  geschlossene  Pflanzenformationen 
dargestellt. 

Ist  ein  flaches  Strandgebiet  längere  Zeit  dem  Einfluss  der  Wellen 
entzogen  geblieben,  so  erhält  es  als  erste  Vegetation  einzelne,  in 
weiten  Zwischenräumen  wachsende  Stöcke  von  Salicornia  macrostachya 


3-   Die  edaphischen  Formationen. 


203 


(Fig.  101).  Häufig  wird  ein  solcher  eben  bewachsener  Strand  durch  die 
Winterstürme  überschwemmt  und  wieder  jeder  Vegetation  beraubt ;  zu- 
weilen jedoch  vermögen  sich  die  ersten  Ansiedler  zu  behaupten  und  sam- 
meln zwischen  und  an  ihren  buschigen  Aesten  Sand,  in  zwar  geringer, 
jedoch  genügender  Menge,  um  das  Auftreten  einiger  neuer  Pflanzen, 
nämlich  Salicornia  sarmentosa,  Atriplex  portulacoides  und  Dactylis  sarmen- 
tosa,  zu  ermöglichen.  Sand  und  allmählich  auch  Humus  häuft  sich  um  solche 
Pflanzengruppen  an,  sodass  dieselben  nach  einiger  Zeit  die  Mitte  kleiner, 
nur  etwa  ein  dem.  hoher  Sandhügel,  der  sogenannten  „touradons"  bilden. 


Fig.   102.     Aus   der   Camargue.     Wald   von   Pinus   Pinea   mit  Juniperus  phoenicea  etc.    als 

Unterholz.     Die   Depression  in  der  Mitte    ist   hauptsächlich   von   psammophilem   Graswuchs 

bedeckt.     Nach  Flahault  et  Combres. 


Die  „touradons"  besitzen  bereits,  dank  dem  Filze  der  Wurzeln  und 
Stolonen,  eine  erhebliche  Widerstandsfähigkeit  und  können  auch  den 
winterlichen  Ueberschwemmungen  Stand  halten.  Jedes  Jahr  bedingt 
eine  Zunahme  derselben  in  die  Breite,  sodass  sie  nach  einigen  Jahren 
I — 2  m  Durchmesser  erreichen  und  bereits  an  20  Halophyten -Arten 
tragen,  u.  a.  Inula  crithmoides,  Juncus-,  Statice-,  Plantago -Arten,  ver- 
schiedene Gramineen  etc.  Langsam,  im  fortwährenden  Kampfe  gegen 
die  Ueberschwemmungen,  bedingen  die  „touradons"  eine  allmähliche 
Hebung  des  Bodens,  während  die  Regen  den  letzteren  immer  mehr 
aussüssen  und  für  das  Gedeihen  von  Nichthalophyten  geeignet  machen. 


204  *•   ^e  Formationen. 

Sehr  lehrreich  sind  in  der  Camargue  auch  die  Dünen,  welche 
an  einzelnen  Küstenstrichen  parallele,  durch  ursprüngliches  Ueber- 
schwemmungsgebiet  sammt  den  noch  erhaltenen  Touradons  thalartig 
getrennte  Reihen  darstellen,  deren  Vegetation  nach  dem  Binnenlande 
hin  allmählich  zunimmt.  Offenbar  hat  einmal  eine  Gesammterhebung 
des  Bodens  bestanden  und  Dünen  und  „touradons"  sind  gleichsam  als 
Petrefakten  erhalten  geblieben.  Die  Reihenfolge  der  Dünen  zeigt  alle 
Zwischenstufen,  von  dem  ersten  Anfange  der  Vegetation  auf  den  äussersten 
Dünen  bis  zu  den  geschlossenen  Formationen  der  innersten,  wo  der 
psammophytische  Charakter   sich   nur   noch   schwach   ausgeprägt  zeigt. 

Die  Vegetation  der  äussersten  Dünen  ist  dürftig,  aber  sehr 
charakteristisch.  Da  zeigen  sich  verschiedenartige  Gräser,  Seggen  und 
Binsen,  nebst  einigen  anderen  Gewächsen,  mit  weit  kriechenden  und 
an  den  Knoten  bewurzelten  Rhizomen  (z.  B.  Juncus  maritimus,  Cynodon 
Dactylon,  Scirpus  Holoschoenus,  Agropyrum  -Arten,  Ephedra  distachya, 
Eryngium  maritimum  etc.),  neben  Pflanzenarten  mit  ungeheuer  tiefen 
Rhizomen  und  Wurzeln  (z.  B.  Ammophila  arenaria,  Echinophora  spinosa, 
Clematis  Flammula  etc.).  Die  meisten  Arten  haben  hier  ausser  dem 
psammophilen  auch  halophilen  Charakter. 

Auf  den  ältesten  Dünen,  aber  auch  auf  flacheren  Erhebungen 
(„radeaux")  gleichzeitigen  Ursprungs  treten  die  edaphischen  Einflüsse 
stark  zurück.  Bäume  und  hohe  Sträucher  treten  auf  und  die  meisten 
Arten  sind  dort  solche,  wie  sie  auch  fern  vom  Meere  und  auf  ver- 
schiedenen Bodenarten  vorkommen.  Doch  zeigt  immerhin  das  Fehlen 
mehrerer  sonst  häufiger  Arten,  dass  es  sich  um  verhältnissmässig  neuen 
Boden  handelt. 

Die  Fig.  102  stellt  ein  Bild  aus  älteren  Dünen  dar.  Die  höheren 
Stellen  sind  von  einem  Pinienbestande  eingenommen,  dessen  reiches 
Unterholz  hauptsächlich  von  Juniperus  phoenicea,  ausserdem  aber  von 
anderen  charakteristischen  Sträuchern  der  Mediterranländer  gebildet  ist, 
wie  Rosmarinus  officinalis,  Phillyrea  angustifolia ,  Cistus  salviaefolius 
etc.   Die  tieferen  Stellen  tragen  hauptsächlich  psammophilen  Graswuchs. 


4.  Das  Zusammenleben  in  den  Formationen. 

Die  verschiedenen  Gewächse,  die  zu  einer  Formation  zusammen- 
treten, stehen  unzweifelhaft  in  den  mannigfachsten  Wechselbeziehungen 
unter  einander,  sowie  zu  den  die  Formation  bewohnenden  Thieren 
(Würmer,  Insekten,  Vögel  u.  s.  w.).  Die  Frage  nach  der  Natur  und 
den  Wirkungen  dieser  Beziehungen  verspricht  die  wichtigsten  Auf- 
schlüsse für  das  ökologische  Verständniss  der  Formationen  zu  liefern; 
doch  ist  sie  bis  jetzt  nur  selten  und   nur  für  einzelne  Fälle  in  Angriff 


4.   Das  Zusammenleben  in  den  Formationen.  205 

genommen  worden.  ')  Die  floristische  Richtung  in  der  Pflanzengeo- 
graphie hat  hingegen  indirekt  durch  das  Aufstellen  von  Listen  der 
constant  zusammenwachsenden  Arten  wichtige  Beiträge  geliefert.  So 
zeigen  sich,  nach  Flahault,  in  Gesellschaft  der  Quercus  Hex  in  Frank- 
reich stets  noch  dreizehn  andere  Pflanzenarten,  namentlich  Cistus  mons- 
peliensis  und  albidus,  Lavandula  latifolia,  Thymus  vulgaris  u.  s.  w., 
während  Fagus  silvatica  sich  stets  von  folgenden  Arten  begleitet  zeigt: 
Vaccinium  Myrtillus,  Rubus  idaeus,  Oxalis  acetosella,  Mercurialis 
perennis  u.  s.  w.  Hoeck  hat  für  mehrere  deutsche  Formationen 
solche  Listen  aufgestellt.  Dieselben  haben  natürlich  nicht  für  alle  Ge- 
biete oder  für  alle  Bodenarten  Geltung,  indem  jeder  Constellation 
äusserer  Factoren  eine  bestimmte  Gruppirung  entsprechen  muss.  Da- 
durch ist  natürlich  der  Werth  solcher  Zusammenstellung  wenigstens, 
wenn  sie  von  genauen  Angaben  über  Klima  und  Boden  begleitet  sind, 
nicht  vermindert. 

In  dieselbe  Categorie  von  Fragen  gehört  diejenige  nach  der  Ur- 
sache des  geselligen  Wachsthum  gewisser  Arten  und  des  stets  isolirten 
Auftreten  anderer.  Auf  die  Hypothesen,  welche  darüber  aufgestellt 
worden  sind,  näher  einzugehen,  erscheint  überflüssig,  da  dieselben,  ausser 
für  einige  später  zu  besprechende  tropische  Formationen,  der  sicheren 
Grundlagen  noch  entbehren.2) 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Die  klimatischen  Formationen, 

Fliehe.     Un  reboisement     Annales  agronomiques.     1888. 

Henry,    Ed.     La   Vegetation  foresti&re  en  Lorraine   pendant    l'annde   1893. 

Revue  g^ndrale  de  botanique  T.  7.     1895. 
Junghuhn.     Java.     Deutsch   von  Hasskarl.     Bd.    1    und  2.     Leipzig  1854. 
Kihlman,  A.  O.    Pflanzenbiologische  Studien  aus  Russisch-Lappland.    Acta 

Söc  pro  Fauna  et  Flora  fennica.     1890. 
Koorders,   S.   H.      I.   Waarnemingen   over    spontane    reboisatie    op   Java. 

Teysmannia  1894. 

—  IL     Jets  over   spontane   reboisatie   van  verlaten  Koffietuinen  op  het  Mi- 

dangan-gebergte   etc.     Tijdschrift   voor   Nijverheid   en  Landbouw.     Deel 
XL1X.     Afl.  5  en  6.     1894. 

—  III.     Beobachtungen   über   spontane    Neubewaldung    auf  Java.     Forstlich- 

Naturw.  Zeitschr.  1895. 
Woeikof,    A.   v.     Beiträge   zur  Kenntniss    der  Wald-   und  Regenzonen  des 
Kaukasus.     Zeitschr.  d.  Gesellsch.  für  Meteorologie.     1871.     Bd.  VI. 


*)  Schimper  1.  c. 

*)  Vgl.  darüber  z.  B.  de  Candolle  1.  c,  Warming  1.  c.  S.  106,  namentlich  Brandis  1.  c. 


206  I-   Die  Formationen. 

Man  vergleiche  ausserdem  die  Kapitel :  Gehölzklima  und  Grasflurklima 
in  den  Tropen,  Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  temperirten  Zonen, 
die  Wüsten  der  temperirten  Zonen  im  dritten  Theile. 


2.  Die  edaphischen  Formationen« 

Altenkirch,  G.  Studien  über  die  Verdunstungserscheinungen  in  der 
trockenen  Geröllflora  Sachsen's.     Engler's  Botan.  Jahrb.  Bd.  XVIII. 

Buchenau,  F.  Ueber  die  Vegetationsverhältnisse  des  „Helms"  (Psamma 
arenaria)  und  der  verwandten  Dünengräser.  Abhandl.  d.  naturw.  Vereins 
zu  Bremen.     Bd.  X.     1889. 

Drude,  O.  Ueber  die  Principien  in  der  Unterscheidung  von  Pflanzen- 
formationen.    Engler's  Botan.  Jahrb.  Bd.  XI.     1889. 

—  Deutschlands  Pflanzengeographie.     I.  Theil.     1895. 

Erikson,  Joh.  Studier  öfver  sandfloran  i  östra  Skäne.  Bihang  tili  k. 
svenska  vet.-akad.  Handlingar.  Bd.  22.  Afd.  III.  1896.  Mit  deutschem 
Resume'  (Xerophile  Structur  der  Sandpflanzen). 

—  Ueber  negativ  -  geotropische  Wurzeln  bei  Sandpflanzen.    Botanisches  Cen- 

tralblatt  Bd.  LXI.     1895. 
Flahault,    Ch.      Distribution   des   ve'ge'taux    dans   un   coin   du   Languedoc. 

Montpellier  1893. 
Flahault,    Ch.   et   Combres,   P.      Sur   la   flore   de    la  Camargue  et  des 

alluvions  du  Rhone.    Bullet,  de  la  societe*  botanique  de  France.    T.  41. 

1894. 
Graebner,    P.      Studien   über    die    norddeutsche   Heide.      Engler's    Botan. 

Jahrb.  Bd.  XX.     1895. 
MacMillan,  C.     I.    On   the    formation    of  circular   muskeag   in  Tamarack 

swamps.     Bullet,  of  the  Torrey  Botanical  Club.     Vol.  23.     1896. 

—  II.  Observations  on  the  distribution  of  plants  along  shore  at  Lake  of  the 

Woods.     Minnesota  Botanical  studies.     Geolog,  and  Nat  hist  survey  of 
Minnesota.     Minneapolis  1897. 
Nägeli,  C.     I.    Bedingungen    des  Vorkommens    von    Arten    und   Varietäten 
innerhalb    ihres    Verbreitungsbezirkes.     Sitzb.    d.    k.    bayr.    Ak.    d.    Wiss. 
München  1865. 

—  II.  Verdrängung  der  Pflanzenformen   durch   ihre  Mitbewerber.  Ibid.   1872. 
Schimper,  A.  F.  W.     Die  indo-malayische  Strandflora.     Botan.  MittheiL  a. 

d.  Tropen.     Jena   1891. 
Sendtner,  O.     Die  Vegetationsverhältnisse  Südbayerns.     1854. 
Treub,  M.     Notice   sur   la  nouvelle  flore  de  Krakatau.     Annales  du  jardin 

bot.  de  Buitenzorg.     Vol.  VII.     1888. 
Warming,  E.     I.  De  psammofile  Vegetationer   i  Danmark.     Vidensk.  Med- 

delelser  naturh.  Forening.     Kjöbenhavn   1890. 

—  II.    Exkursionen    til    Fanö   og  Blaavand   i  Juli   1893.     Bot.  Tidsskr.  XDC 

—  III.     Lehrbuch    der   ökologischen    Pflanzenanatomie    etc.     Deutsche   Aus- 

gabe von  Knoblauch.     Berlin  1896. 

Vergleiche  ausserdem  die  Kapitel:  Edaphische  Wirkungen  in  den 
Tropen  und:  Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen  im 
dritten  Theile. 


Auswahl  der  Literatur.  207 


3.  Das  Zusammenleben  in  den  Formationen. 

Brandis,  D.    (Gesellig  wachsende  Holzgewächse).    Sitzungsber.  d.  Niederrh. 

Ges.  für  Natur-  und  Heilk.  zu  Bonn.     5.  März  1894. 
de  Candolle,   A.     Geographie  botanique  raisonnde.     Tome  I.     S.  460. 
Flahault,    Ch.     Projet   de    carte   botanique,   forestifcre    et    agricole   de   la 

France.     Bullet  de  la  soc.  botanique  de  France.     T.  XLI.     1894. 

—  Au    sujet   de   la   carte   botanique,   foresti&re   et   agricole   de   France  etc. 

Annales  de  g^ographie.     1896. 
Hock,  F.     I.  Pflanzen  der  Schwarzerlenbestände  Norddeutschlands.    Engler's 
Botan.  Jahrbücher  Bd.  22. 

—  IL     Die  Flora  der  Nadelwälder  Norddeutschlands.     Die  Natur.     1892. 

—  HI.     Laubwaldflora  Norddeutschlands.    Forschungen  zur  deutschen  Landes- 

und Volkskunde.    IX.     Stuttgart  1896. 

—  IV.     Begleitpflanzen  der  Buche.     Botan.  Centralbl.  1892. 

—  V.      Begleitpflanzen    der    Kiefer    in    Norddeutschland.      Ber.   d.    deutsch. 

botan.  Gesellsch.     XL     1893. 
Seh  im  per,  A.  F.  W.     Die  epiphytische  Vegetation  Amerika's.    Jena  1888. 
VVarming,  E.    Lehrbuch  der  ökologischen  Pflanzengeographie.   1896.  S.  105. 


n.  Die  Genossenschaften. 

1.  Die  Lianen.  Spreizklimmer ,  Wurzelkletterer,  Windepflanzen,  Rankenpflanzen. 
Geographische  Verbreitung  der  Lianen.  2.  Die  Epiphyten.  Oekologische  Existenz- 
bedingungen. Uebergang  der  terrestrischen  in  die  epiphytische  Lebensweise.  Aussäungsvor- 
richtungen.  Geographische  Verbreitung  der  Epiphyten.  3.  Die  Saprophyten«  Veitheilung 
auf  die  Pflanzenfamilien.  Zusammenhang  zwischen  Structur  und  Lebensweise.  Geographische 
Verbreitung.  Hemisaprophyten.  4.  Die  Parasiten.  Hemiparasiten  und  Holoparasiten. 
Aehnlichkeit  mit  den  Saprophyten.  Absorptionsorgane :  Die  Haustorien.  Vertheilung  auf  die 
Familien.     Geographische  Verbreitung. 

Zerstreut  unter  den  Gewächsen,  welche  den  Boden  in  Beschlag 
nehmen  und  die  eigentlichen  Formationsbildner  darstellen,  befinden  sich 
beinahe  stets  solche  abweichender  Lebensweise,  welche  unterschiedslos 
als  accessorische  Bestandtheile  der  verschiedensten  Formationen  auftreten, 
ohne  jemals  für  sich  solche  zusammenzustellen.  Sie  vermögen  in  der 
That  das  letztere  nicht,  da  sie  für  ihre  Existenz  von  anderen  Pflanzen 
abhängig  sind.  Jeder  dieser  Gruppen  von  Gewächsen  kommt  eine  charak- 
teristische, mit  der  Lebensweise  zusammenhängende  Tracht  zu,  welche 
zwar  unter  dem  Wechsel  der  äusseren  Bedingungen  manche  Modi- 
ficationen  erfahrt,  aber  in  den  Hauptzügen  stets  die  gleiche  bleibt. 
Solche  ökologischen  Gruppen  werden  Genossenschaften1)  genannt.  Eis 
sind  deren  vier:  Die  Lianen,  die  Epiphyten,  die  Saprophyten 
und  die  Parasiten. 

Der  Uebergang  zwischen  den  Formationsbildnern  und  den  Genossen- 
schaften ist  durch  die  im  vorhergehenden  Capitel  besprochenen  Litho- 
phyten  vermittelt,  welche  für  sich  Formationen  bilden,  aber  auch  als 
Nebenbestandtheile  anderer  Formationen,  auf  zerstreuten  Felsblöcken 
und  Steinen  auftreten.  Die  Lithophyten  zeigen  namentlich  zu  den 
Epiphyten  nahe  Beziehungen  und  viele  Gewächse  kommen  sowohl  auf 
Felswänden  wie  auf  Baumrinden  vor. 

*)  Schimper  1.  c.  S.  8. 


i.   Die  Lianen.  209 

1.  Die  Lianen.1) 

Während  man  früher  nur  kletternde  Holzgewächse  als  Lianen  be- 
zeichnete, fasst  H.  Schenck  unter  dieser  Bezeichnung  alle  Gewächse  zu- 
sammen, „die  im  Erdboden  wurzeln  und  mit  langgliedrigen  Stengeln  sich 
anderer  Gewächse  als  Stützen  bedienen,  um  ihr  Laubwerk  und  ihre 
Blüthen  vom  Boden  zu  erheben  und  in  eine  zum  Licht  günstige  Lage  zu 
bringen.  Sie  umfassen  sowohl  Holzpflanzen  mit  immergrünen  Blättern, 
als  auch  laubabwerfende  Klettersträucher,  ferner  Formen  mit  krautigen 
Stengeln,  welche  nur  eine  Vegetationsperiode  aushalten  oder  mit  unter- 
irdischen Organen  perenniren."*)  Dass  die  Stützen  andere  Pflanzen  sein 
müssen,  ist  nur  dadurch  bedingt,  dass,  in  der  Natur,  nur  solche  die  für  das 
Klettern  der  meisten  Lianen  nöthige  Gestalt  besitzen ;  auf  die  letztere 
allein  kommt  es  an  und  nicht  auf  die  chemische  Natur  der  Stütze, 
welche,  wie  es  die  Culturen  zeigen,  aus  dem  verschiedensten  Material 
bestehen  kann.  Uebrigens  kommen  gewisse  Lianenformen  in  der  Natur 
auch   an  Felsen   kletternd  vor;    doch  ist  ihre  Zahl  eine  relativ  geringe. 

Die  Lianen  können  nach  dem  Klettermodus  in  vier  Gruppen  ein- 
geteilt werden,  nämlich  in  Spreizklimmer,  Wurzelkletterer, 
Windepflanzen  und  Rankenpflanzen. 

Die  Spreizklimmer  sind  der  Mehrzahl  nach  Sträucher,  die  sich 
von  anderen  Sträuchern  im  einfachsten  Falle  nur  durch  die  langen 
spreizenden  Zweige  unterscheiden,  welche  ohne  active  Befestigung  sich 
auf  andere  Zweige  stützen.  Vielfach  wird  das  Klettern  dieser  Gewächse 
durch  Stacheln  oder  Dornen  unterstützt,  ohne  dass  man  die  letzteren  als 
Anpassungen  an  kletternde  Lebensweise  deuten  dürfte,  z.  B.  bei  Rosen 
und  Brombeeren.  Während  die  meisten  Spreizklimmer  die  unterste  Stufe 
der  Lianen  darstellen,  gibt  es  unter  ihnen  auch  Formen  mit  sehr  voll- 
kommenen, wenn  auch  passiven  Vorrichtungen,  wie  die  Palmlianen  der 
Tropenwälder,  die  an  anderer  Stelle  geschildert  werden  sollen. 

Die  Wurzelkletterer  bilden  eine  kleine  Gruppe,  deren  Ver- 
treter durch  Vermittelung  am  Substrat  befestigter  Luftwurzeln  empor- 
wachsen. Solche  Haftwurzeln  sind  in  manchen  Fällen  kurz  und  dünn, 
z.  B.  beim  Epheu.  In  anderen  Fällen  erreichen  sie  die  Dicke  eines 
Federkiels  bei  einer  Länge  von  2—3  dem  und  umklammern  reif- 
artig cylindrische  Stützen.  So  starke  Entwickelung  der  Haftwurzeln 
zeigt  sich  nur  bei  tropischen  Formen,  wie  Vanilla,  vielen  Araceen 
(Monstera,  Philodendron)  etc. 

Bei  den  Wind e pflanzen  wachsen  die  Axen  vermöge  eines  ein- 


l)  H.  Schenck  I  u.  II. 
*)  Schenck  I.     S.  2. 
3)  Schenck  I.     S.  5. 
Schimper,  Pflanzengeographie.  14 


2IO 


I.    Die  Genossenschaften. 


seitigen  Transversal geotropismus,  der  später  in  negativen  Geotropismus 
übergeht,  schraubenartig  um  dünne  Stützen  empor.  Zu  ihnen  gehören 
eine  Menge  allbekannter  krautiger  Kletterpflanzen,  wie  Hopfen,  Bohnen, 
Winden,  aber  auch  viele  Holzlianen,  z.  B.  das  Geisblatt,  Lonicera  peri- 
clymemum,  die  viel  cultivirte  Wistaria  sinensis  (Glycine),  Aristolochien  etc. 
Die  formenreichste  Gruppe  ist  diejenige  der  Rankenpflanzen, 
in  welcher  reizbare,  bei  Berührung  mit  einer  Stütze  sich  um  dieselbe 
krümmende  Organe,  das  Klettern  ermöglichen.  Morphologisch  sind 
die  Ranken  Blätter  oder  Axen.  Oekologisch  sind  sie  überaus  ver- 
schiedenartig, sodass  man,  mit  Schenck,  die  Rankenpflanzen  im  weitesten 
Sinne  nach  dem  Modus  des  Kletterns  in  sechs  Untergruppen  eintheilen  kann. 

Bei  den  Blatt- 
kletterern ist  ein 
Theil  (Stiel ,  Spreite) 
des  im  Uebrigen  nicht 
modificirten  Blattes  mit 
der  zum  Ranken  nö- 
thigen  Reizbarkeit  aus- 
gestattet; so  ist  z.  B. 
Clematis  Vitalba  ein 
Blattstielkletterer ,  Fu- 
maria  officinalis  in  ihren 
Var.  Wirtgenii  und  vul- 
garis ein  Blattspreiten- 
kletterer ,  Flagellaria 
indica,  eine  in  den 
Tropen  der  alten  Welt 
häufige  Monocotyle,  ein 
Blattspitzenkletterer. 

Bei    den    Blatt- 

fadenrankern      ist 

das   Blatt   oder   ein  Theil   desselben    als    fadenförmiges,    nur   noch   als 

Ranke   dienendes  Organ   ausgebildet.     Die  Erbse   und   andere  Vicieen, 

die  Cucurbitaceen  etc.  sind  Blattfadenranker. 

Die  Gruppe  der  Zweigkletterer *)  stellt  wie  diejenige  der  Blatt- 
kletterer eine  phylogenetisch  tiefe  Stufe  dar.  Die  kletternden  Zweige 
unterscheiden  sich  in  den  am  wenigsten  angepassten  Fällen  von  ge- 
wöhnlichen Zweigen  nur  durch  ihre  Reizbarkeit  und  sind  mit  normalen 
Seitenzweigen  und  Blättern  versehen  (Fig.   103 — 104). 

Die  Zweigkletterer  sind  auf  die  Tropen  und  die  Grenzgebiete  der- 


Fig.  103.    Securidaca  Sellowriana  Klotzsch.   Rankende  Seiten- 
zweige.    2/3  nat.  Gr.     Nach  H.  Schenck. 


l)  Diese  und  die  folgende  Gruppe  wurden  zuerst  von  Fr.  Müller  unterschieden  und  ge- 
schildert. 


i.    Die  Lianen. 


211 


Fig.    104.     Dalbergia    variabilis    Vag.     Alter, 

stark   verdickter   gerenkter   Ast.     2/8   nat.    Gr. 

Nach  H.  Schenck. 


selben    beschränkt.     Beispiele    befinden    sich   unter   der   Polygalaceen, 
Papilionaceen,  Mimosaceen,  Connaraceen  etc. 

Auch  die  beiden  folgenden 
Gruppen  sind  tropisch  und  entbeh- 
ren allgemein  bekannter  Vertreter. 

Die  Kletterorgane  der  Ha- 
kenklimmer1)  sind  metamor- 
phosirte  Dornen  oder  Blüthen- 
stiele,  die,  nach  dem  Erfassen 
der  Stütze,  eine  beträchtliche 
Verdickung  erfahren.  Beispiele : 
Manche  Anonaceen ,  Logania- 
ceen ,  Dipterocarpaceen ,  Rubia- 
ceen  etc.    (Fig.  105). 

Die  Uhrfederranker2) 
haben  dünne,  spiralig  eingerollte 
nackte  Kletterorgane,  welche  in 
Folge  des  Contaktreizes  dicker 
und  härter  werden.  Beispiele: 
Mehrere   Rhamnaceen,   Sapjndaceen  etc.  (Fig.   106 — 107). 

Die  umfangreichste  Gruppe  unter  den  mit  Achsenranken  versehenen 
Gewächsen  ist  diejenige  der  Ach- 
senfadenranker,  deren  Klet- 
terorgane mit  den  Blattfadenranken 
äusserlich  sowie  in  den  physiolo- 
gischen Eigenschaften  oft  nahe 
übereinstimmen ;  doch  verräth 
sich  ihre  Achsennatur  manchmal 
ausser  durch  die  Stellung  noch 
durch  die  Anwesenheit  rudimen- 
tärer Blätter  (z.  B.  Weinstock). 
Die  Gruppe  umfasst  viele  Arten 
namentlich  aus  den  Familien  der 
Vitaceen,  Passifloraceen  etc. 

Der  Lianenstamm  ist  stets  nach 
demselben  ökologischen  Princip  ge- 
baut; sein  Holzkörper  ist  nicht 
wie  im  Baumstamm  compakt  und 
glatt,  sondern  in  mannigfacher 
Weise   zerklüftet   oder   sogar    in  einzelne   Stränge   aufgelöst 


Fig.  105.    Strychnos  triplinervia  Mart.    Aeltere, 
verholzte  und  verdickte  Kletterhaken. 


Dadurch 


l)  Namentlich  von  Treub  untersucht. 
*)  Zuerst  von  Schenck  unterschieden. 


14' 


212 


II.    Die  Genossenschaften. 


kommen  mannigfache  Anomalien  zu  Stande,  von  welchen  die  Fi- 
guren 108 — no  eine  Vorstellung  geben  mögen.  Auf  näheres  Eingehen 
auf  dieselben  muss  an  dieser  Stelle  verzichtet  werden.  *) 

Ausgezeichnet  sind  die  Lianen  ferner  durch  die  beträchtliche  Länge 
und  Breite  ihrer  Leitungsröhren,  Gefasse  wie  Siebröhren,  wodurch  die 

Leitung  des  Rohsafts  in  den 
ersteren  und  der  Eiweisstoffe 
in  den  letzteren  in  dem  oft 
ungeheuer  langen  Stamme 
erleichtert  wird. 

Lianen  gedeihen  beinahe 
unter  allen  Klimaten;  sie 
fehlen  nur  in  den  polaren  Ge- 
bieten und  in  der  alpinen 
Region  der  Hochgebirge,  wo 
gewisse  klimatische  Ele- 
mente der  Erzeugung  langer 
Axen  ungünstig  sind.  (Vgl. 
Thl.  m  Abschnitt  3  und 
4.)  Die  Genossenschaft  be- 
wohnt demnach  ein  un- 
geheures Areal,  jedoch  in 
sehr  ungleichmässiger  Weise. 
Bei  weitem  der  Mehrzaihl 
nach  sind  die  Lianen  Be- 
wohner der  Tropen  und 
einiger  Nachbargebiete  von 
tropischem  Klima  (Südbra- 
silien, Südflorida  etc.).  Nach 
einerSchätzung,  welche,  nach 
Schenck,  unter  der  Wirk- 
lichkeit bleiben  dürfte,  wür- 
den etwa  10/ 11  der  Lianen 
tropisch  sein.  Auch  in  den 
Tropen  ist  die  Verteilung 
der  Lianen  eine  sehr  un- 
gleiche; die  meisten  statt- 
lichen holzigen  Formen  zeigen  sich  nur  in  den  feuchten  Regenwäldern 
und  Monsunwäldern,2)   während  trockene  Gehölze   und  Savannen   bei- 


§H 


Fig.   106.     Zweig   von  Bauhinia   sp.    (Blumenau)    mit 
Uhrfederranken.     2/a  nat.  Gr.     Nach  H.  Schenck. 


*)  Dieselben  sind  von  Schenck  (H)  eingehend  geschildert  und  prächtig  illustrirt  worden. 
Eine  kurze  Darstellung  im  Lehrbuch  der  Botanik  3  A.    S.  112  u.  f. 
*)  Vgl.  Thl.  III   1.  Absch.  III. 


2.   Die  Epiphyten. 


213 


nahe  nur  dünnstämmige,  vornehmlich  aber  krautige  Formen  aufzuweisen 
haben. 

Ausserhalb  der  Tropen  treten  Lianen  vornehmlich  in  den  tempe- 
rirten  Regenwäldern  auf  (Süd- Japan,  Neu-Seeland,  Süd-Chile),  seltener 
und  weniger  formenreich  in  sehr  feuchten  Sommerwäldern1)  (Mitteljapan, 
Atlantisches  und  mittleres  Nordamerika),  ohne  auch  nur  annähernd 
solche  Mannigfaltigkeit  zu  zeigen,  wie  in  den  Tropen. 


Fig.    107.     Gouania    urticaefolia  Reiss. 

Mit  Uhrfederranken.    2/8  nat.  Gr.    Nach 

H.  Schenck. 


Fig.   108.    Querschnitt  durch  den  Stamm 
von  Anisosperma  Passiflora  Marso.     3,'2/1. 


Fig.   109.    Querschnitt  durch  den  Stamm 

von  Dalechampia  ficifolia  Lam.    Nat  Gr. 

Nach  H.  Schenck. 


2.  Die  Epiphyten.2) 

Epiphyten  nennt  man  Gewächse,  die  auf  anderen  Pflanzen  keimen 
und  sich  entwickeln,  ohne,  wie  die  echten  Schmarotzer  oder  Parasiten, 
mit  welchen  sie  oft  verwechselt  werden,  sich  auf  Kosten  der  Substanz 
ihres  Wirthes  zu  ernähren. 


»)  Vgl.  Thl.  KT.  2.  Abschn.     2)  Schimper  1.  c. 


214  H.   Die  Genossenschaften. 

Bei  solcher  Lebensweise  ist  die  Beschaffung  der  nöthigen  Nähr- 
stoffe mit  grossen  Schwierigkeiten  verknüpft.  Noch  mehr  als  der  Ge- 
fahr des  Verhungerns  sind  die  Epiphyten,  als  ganz  oberflächliche  Ge- 
wächse, derjenigen  des  Austrocknens  ausgesetzt  und  sind  daher  auf 
Gebiete  beschränkt,  wo  lange  andauernde  Trockenheit  unbekannt  ist, 
ausser  wenn  sie  mit  dem  Vermögen  ausgestattet  sind,  im  lufttrocknen 
Zustande  zu  existiren,  eine  Eigenschaft,  welche  vielen  Moosen  und 
Flechten  zukommt,  dagegen  den  Farnen  und  Phanerogamen,  trotz  der 
Fähigkeit  einiger  Arten,  weitgehenden  Wasserverlust  zu  ertragen,  allge- 
mein zu  fehlen  scheint.  Die  ephiphytische  Genossenschaft  zeigt  da- 
her, je  nach  dem  Klima,  ungleiche  systematische  Zusammensetzung, 
Mannigfaltigkeit  und  Ueppigkeit. 

Gebiete,  in  welchen  ein  Vertrocknen  der  Gewächse  durch  Wasser- 
mangel ausgeschlossen  ist,  sind  auf  die  Tropen  beschränkt.  Die  Regen- 
wälder der  Tropen  sind  immer  feucht ;  schon  weit  weniger  gilt  dasselbe 
von  den  Regenwäldern  der  warmtemperirten  Zonen  und  gar  nicht 
mehr  von  den  Sommerwäldern  höherer  Breiten,  denn  die  Winterkälte 
stellt  eine  Periode  physiologischer  Trockenheit  dar,  welche,  auch  bei 
reichsten  Niederschlägen,  der  Wasserversorgung  mehr  entgegenwirkt, 
als  mit  Wärme  verbundene  grosse  Trockenheit.  Im  letzeren  Falle  ist 
die  Verdunstung  zwar  noch  grösser,  aber  die  Wasseraufnahme  ist 
nicht  verhindert  und  der  nächtliche  Thau  kommt  den  oberflächlichen 
Wurzeln  der  Epiphyten  direkt  zu  gute,  während  im  letzteren  Falle  dem 
Wasserverlust  des  Epiphyten  gar  keine  Wasserzufuhr  entgegensteht,  da 
die  gefrorene  oder  doch  wenigstens  sehr  kalte  frei  liegende  Wurzel 
wohl  verdunstet,  aber  nichts  aufnimmt. 

Solchen  Existenzbedingungen  entsprechend,  gehört  die  grosse 
Masse  der  Epiphyten  den  tropischen  Regenwäldern  an.  Nur  da  über- 
ziehen sie  in  üppiger  Fülle  Stämme  und  Aeste,  manchmal  sogar  die 
Blätter  der  Bäume,  und  erreichen  häufig  baumartige  Dimensionen.  In  den 
Gebieten  mit  ausgeprägten  Trockenperioden  und  auf  den  einzelnen  Bäumen 
der  Savannen  sind  die  Ephiphyten  entweder  gar  nicht  oder  nur  spärlich 
und  in  relativ  wenigen  Formen  vorhanden.  Letztere  sind  Flüchtlinge  der 
Regenwälder  und  ihre  Anwesenheit  ist  stets  ein  Zeichen,  dass  die 
Trockenperiode  nicht  lang  oder,  wie  in  den  Monsunwäldern,  mit  reicher 
Thaubildung  verknüpft  ist. 

Die  Entstehung  der  Epiphytengenossenschaft  in  den  tropischen 
Regenwäldern  dürfte  in  folgender  Weise  vor  sich  gegangen  sein: 
Manche  Pflanzen  des  Waldbodens  vermögen  auch  auf  rissigen  Stämmen, 
in  Gabelungen  der  Aeste  und  an  anderen  Stellen,  wo  sich  Humus  an- 
sammelt, sich  anzusiedeln  und  zu  gedeihen.  So  verhalten  sich  in  den 
Tropen  z.  B.  verschiedene  Solanaceen,  Melastomaceen,  Farne  u.  s.  w.  Aus 
solchen  zufälligen  Epiphyten  gingen   die  echten  Epiphyten  hervor,   in- 


2.    Die  Epiphyten. 


215 


dem  manche  dieser  Pflanzen  ihre  Existenz  dieser  Fähigkeit  verdankten, 
welche  ihnen  einen  sicheren  Hort  ausserhalb  des  Kampfplatzes  ver- 
schaffte. Auf  den  Bäumen  blieb  nämlich  die  Concurrenz  auf  wenige 
Arten  beschränkt,  indem  die  Fähigkeit,  als  Epiphyt  existiren  zu  können, 
bestimmte  und  keineswegs  verbreitete  Eigenschaften  voraussetzt.  So 
keimen  auf  den  Bäumen  natürlich  nur  solche  Pflanzen,  deren  Samen  nicht 
bloss  der  horizontalen,  sondern  auch  der  vertikalen  Verbreitung  fähig 
sind,  und  letztere  setzt  Anpassungen  an  die  baumbewohnenden  Thiere 
und  an  den  Wind  voraus.  Ferner  müssen  die  Samen  sehr  klein  sein, 
damit  sie  in  enge  Spalten  eindringen  können  und,  im  Falle  der  Ver- 
breitung durch  den  Wind,  ausserordentlich  leicht,  da  die  vertikalen 
Luftströmungen  im  Walde  schwach  sind.  Die  Samen  der  Epiphyten 
entsprechen  thatsächlich  allen  diesen  Bedingungen;  sie  sind  stets  klein 
und  entweder  von  saftigen 
Hüllen  umgeben  (z.  B.  Ara- 
ceen,  viele  Bromeliaceen,  Ru- 
biaceen ,  Melastomataceen, 
Feigen,  Cactaceen,  Gesnera- 
ceen  etc.)  oder  sie  sind  von 
aussergewöhnlicher  staub- 
artiger Leichtigkeit,  wie  die 
Sporen  der  Farne  oder  die 
Orchideensamen ,  oder  sie 
sind,  trotz  sehr  geringer 
Dimensionen,  mit  den  ge- 
eignetsten Flugapparaten  ver- 
sehen (Rhododendron,  viele 
Bromeliaceen ,  Asclepiada- 
ceen,   Gesneraceen,   Rubia- 

ceen  etc.).  Ferner  sind  alle  Gewächse  von  Anfang  an  im  Vortheil, 
die  viele  Nebenwurzeln  erzeugen  und  die  mit  relativ  wenig  Wasser 
vorlieb  nehmen.  So  war  die  Zahl  der  Arten,  die  ihre  Zuflucht  auf  den 
Bäumen  finden  konnte,  eine  relativ  geringe  und  der  Sieg  gegen  die 
Concurrenten  von  anderen  Bedingungen,  als  auf  dem  Boden,  abhängig. 
Bei  denjenigen  Arten,  welche  sich  auf  dem  Boden  gar  nicht  mehr  be- 
haupten und  daher  nur  noch  als  Epiphyten  ferner  existiren  konnten, 
wurden  natürlich  die  Eigenschaften  gezüchtet,  welche  für  Lebensweise 
auf  Bäumen  besonders  geeignet  waren ;  sie  wurden  der  letzteren  an- 
gepasst.  Namentlich  wurde  jede  Eigenthümlichkeit ,  die  einen  Epiphyt 
in  den  Stand  setzte,  nach  aufwärts,  d.  h.  nach  dem  Lichte,  fort- 
zuschreiten, erhalten  und  weiter  ausgebildet.  In  erster  Linie  handelt 
es  sich  dabei  um  Schutzmittel  gegen  Wasserverlust,  da  jede  Etappe 
des  Wegs   von   der   Basis   zum   Gipfel   des   Baumes   nicht   bloss   mehr 


Fig.   110.     Querschnitt  durch  den  Stamm  von  Securi- 
daca  lanceolata  St.  HiL    Nat.  Gr.    Nach  H.  Schenck. 


2l6 


II.    Die  Genossenschaften. 


Fig.   m.     Eine   epiphytische  Orchidee,  Jonopsis  sp.,   auf  einem  Orangenzweig.     Blumenau, 

S. -Brasilien.     Nat.  Gr. 


Licht,  sondern  auch  mehr  Trockenheit  bringt.  Die  auf  der  Basis  der 
Baumstämme  im  Regenwalde  wachsenden  Epiphyten  sind  hygrophil, 
die   auf  den   höchsten   Baumästen   befindlichen   xerophil.      Das    Ganze 


2.    Die  Epiphyten.  2IJ 

zeigt  das  Gepräge  des  allmählichen  Steigens  aus  dem  tiefen  Schatten 
zum  Sonnenlichte,  aus  der  nasskühlen  Luft  des  Waldinnern  in  die 
trockenheisse  der  Waldoberfläche. 

Die  xerophilen  sonnenliebenden  Epiphyten  der  Baumgipfel  ver- 
mögen, obwohl  sie  Nachkommen  hygrophiler  Schattenpflanzen  darstellen, 
den  Regenwald  zu  verlassen.  Dank  ihrer  veränderten  Eigenschaften  sind 
sie  im  Stande,  ganz  offene  Gegenden  zu  bewohnen.  So  wanderten  sie 
aus  den  Regenwäldern  aus  und  colonisirten  die  Gebiete  mit  ausgeprägten 
Trockenzeiten,  namentlich  Monsunwälder,  Savannen  und  Savannen- 
wälder. Nur  da  wurde  ihrem  Gedeihen  eine  Schranke  gestellt,  wo  die 
Trockenheit  viele  Monate  dauerte,  ohne  durch  reichliche  Thaufälle  regel- 
mässig unterbrochen  zu  werden;  doch  vermochten  sie  sich  auch  da 
noch  am  Rande  der  Gewässer  dauernd  anzusiedeln.  Vollkommener 
wurde  der  Wanderung  der  tropischen  Epiphyten  durch  die  Winterkälte 
Halt  geboten.  Nur  einzelne  mit  besonders  grosser  Resistenz  gegen 
Trockenheit  und  Kälte  ausgerüstete  Arten,  wie  Tillandsia  usneoides  und 
Polypodium  incanum  in  Nordamerika,  vermochten  die  Gebiete  der  kalten 
Winter  eben  noch  zu  betreten. 

Die  tropischen  Regenwälder  sind  die  bei  weitem  wichtigsten  Bil- 
dungsheerde  der  Epiphytengenossenschaft  gewesen  und  ihre  Erzeugnisse 
sind  bis  weit  in  die  warmtemperirten  Zonen  Nordamerikas,  Argentiniens, 
Japans,  Australiens  eingedrungen.  Jedoch  finden  wir  auch  in  den  tem- 
perirten  Zonen  zwei  allerdings  kleine  autochthone  Bildungsheerde 
höherer  Epiphyten,  nämlich  in  den  wenig  ausgedehnten  temperirten 
Regenwäldern  Süd-Chiles  und  Neu-Seelands.  Hier  sind  aus  temperirten 
Phanerogamen  und  Farnen  wirklich  temperirte  höhere  Epiphyten 
hervorgegangen. 

Ausserhalb  dieser  Gebiete  findet  man  als  autochthone  Epiphyten 
nur  kleine  Algen,  Flechten  und  Moose,  d.  h.  Gewächse,  welche,  dank 
ihrer  Fähigkeit,  im  lufttrockenen  Zustand  monatelang  zu  existiren,  sogar 
den  trocknenden  Wirkungen  andauernder  Winterkälte  widerstehen. 
Aber  auch  sie  zeigen  sich  nur  in  feuchten  Gebieten,  namentlich  im 
nebelreichen  Klima,  oder  in  der  Nähe  der  Gewässer,  reich  und  üppig 
entwickelt.  Bodenpflanzen  kommen,  wie  in  den  Tropen,  auch  bei  uns,  ge- 
legentlich in  Höhlungen  alter  Bäume  vor ;  sie  befinden  sich  aber  nur  da, 
wo  grössere  Erdmengen  die  Entwickelung  echter  Bodenwurzeln  ermög- 
lichen und  dürfen  in  keiner  Weise  zu  den  Epiphyten  gerechnet  werden. 

Die  mannigfachen  Vorrichtungen,  durch  welche  höhere  Epiphyten 
sich  an  ihre  Lebensweise  anpassten,  sind  mit  den  Existenzbedingungen 
in  den  Regenwäldern  so  eng  verknüpft  und  für  dieselben  so  charak- 
teristisch, dass  sie  erst  mit  ihnen  zur  Behandlung  kommen  sollen.  Es 
sei  nur  noch  erwähnt,  dass  dieselben  in  erster  Linie  zu  den  Farnen  und 
Orchideen,  in  Amerika  noch  ganz  besonders  zu  den  Bromeliaceen  gehören. 


2l8  H.   Die  Genossenschaften. 

3.  Die  Saprophyten. 

Als  Saprophyten  wird  eine  Gruppe  von  Gewächsen  bezeichnet,  die 
des  Chlorophylls  entbehren  und  daher  auf  organische  Nährstoffe  an- 
gewiesen sind.  Sie  schöpfen  die  letzteren  aus  todter  pflanzlicher  und 
thierischer  Substanz  und  zwar,  bald  in  mehr,  bald  in  weniger  fort- 
geschrittener Zersetzung  derselben,  je  nach  der  Art. 

Die  Saprophyten  gehören  der  überwiegenden  Mehrzahl  nach  zu 
den  Bacterien,  Myxomyceten  und  Pilzen,  im  Übrigen  zu  den  Phanero- 
gamen.  Andere  Pflanzenklassen  sind  unter  ihnen  nicht  vertreten.  Der 
Art  ihrer  Ernährung  entsprechend,  müssen  sie,  vielleicht  mit  Ausnahme 
der  Bacterien,  von  grünen  assimilirenden  Pflanzen  abstammen.  Bei  den 
Phanerogamen  knüpfen  noch  zahlreiche  Abstufungen  die  rein  an- 
organische Ernährung  mit  der  rein  organischen.  Die  erste  Stufe  ist  in 
dem  Auftreten  der  Mycorhiza  bezeichnet,  durch  welche  die  Phanero- 
gamen und  Farne  erst  in  den  Stand  gesetzt  wurden,  die  organischen 
Humusbestandtheile  zu  verwerthen.  Zunehmende  Abhängigkeit  vom 
Mycorhiza  -  Pilze ,  dessen  Rolle  von  derjenigen  eines  blossen  Stickstoff- 
lieferanten zu  derjenigen  eines  Gesammtlieferanten  überging,  führte 
durch  zahlreiche  Zwischenstufen  zu  der  rein  saprophytischen  Lebensweise. 
Die  letztere  verlieh  den  betreffenden  Gewächsen  die  Fähigkeit,  Stand- 
orte zu  besiedeln,  an  welchen  wegen  ungenügender  Beleuchtung,  grüne 
Pflanzen  nur  noch  kümmerlich  oder  gar  nicht  mehr  existiren  können. 
Wie  die  Halophyten,  die  Epiphyten  etc.  sind  auch  die  Saprophyten 
Flüchtlinge  des  Kampfes  ums  Dasein. 

Trotz  der  weiten  Verbreitung  der  Mycorhiza  haben  nur  eine  relativ 
geringe  Zahl  von  Phanerogamen  aus  wenigen  Familien  die  rein  sapro- 
phytische  Lebensweise  angenommen.  Der  Mehrzahl  nach  sind  es 
Monocotylen  und  zwar  vorwiegend  Orchideen ;  ausserdem  ist  die  kleine 
Familie  der  Burmanniaceen  vorwiegend,  diejenige  der  Triuridaceen 
ausschliesslich  saprophytisch.  Unter  den  Dicotylen  besitzen  nur  die 
Gentianaceen  und  Monotropeen  saprophytische  Arten. 

Die  Veränderung  der  Ernährungsweise  bedingte  solche  der  Structur 
und  der  Oekologie  der  Pflanze.  Als  unnütz  gewordener  Bestandtheil 
wurde  das  Chlorophyll  unterdrückt  oder  in  andere,  anscheinend  mit  dem 
Chlorophyll  verwandte,  braune,  gelbe  oder  ziegelrothe  Pigmente  um- 
gewandelt, welche  vielen  Saprophyten  eine  lebhafte,  in  ihrer  öko- 
logischen Bedeutung,  falls  eine  solche  überhaupt  vorhanden  ist,  noch 
nicht  erkannte  Färbung  verleihen.  Gleichzeitig  mit  dem  Chlorophyll 
wurden  die  mit  demselben  functionell  zusammenhängenden  Organe 
reducirt,  nämlich  die  Laubflächen,  die  bei  den  Saprophyten  nur  noch 
kleine  Schuppen  darstellen,  die  Spaltöffnungen,  welche  sogar  bei  einigen 
Arten   verschwanden,   die   trachealen   Bahnen,    deren    Stelle   nur   noch 


3»   Die  Saprophyten.  2 IQ 

wenige  enge  Gefasse  und  Tracheiden  einnehmen.  Das  unterirdische 
System  ist  entsprechend  der  verminderten  Transpiration  schwächer  ent- 
wickelt, als  bei  grünen  Pflanzen  und  besitzt  in  vielen  Fallen  ein  korallen- 
artiges Aussehen.  Die  Mycorhiza  ist  in  ihm  wohl  entwickelt.  Die 
Blüthen  weichen  begreiflicherweise  von  denjenigen  der  nichtsaprophy- 
tischen  Verwandten  nicht  wesentlich  ab ;  ihre  Farbe  stimmt  häufig  mit 
derjenigen  der  Vegetationsorgane  überein.  Die  Eigenthümlichkeiten 
der  Samen  sind  ökologisch  noch  nicht  aufgeklärt.  Dieselben  sind  sehr 
zahlreich,  von  winziger  Grösse  und  besitzen  einen  ungegliederten  wenig 
entwickelten  Keim. 

Die  Saprophyten  sind  nicht  wie  die  Lianen  und  namentlich  die 
Epiphyten  an  bestimmte  klimatische  Bestimmungen  geknüpft,  sondern 
zeigen  sich,  wenigstens  in  ihren  systematisch  niederen  Formen,  in  allen 
Klimaten,  während  höhere  Formen  die  feuchteren  Klimate  vorziehen 
und  hauptsächlich  schattige  Plätze  bewohnen.  Ihre  grösseren  Formen 
zeigen  sich  ganz  vornehmlich  in  Wäldern,  in  welchen  Saprophyten  über- 
haupt einen  wesentlichen,  wenn  auch  nur  theilweise  leicht  sichtbaren 
Theil  der  Vegetation  bilden.  Die  am  meisten  in  die  Augen  fallenden 
und  häufigsten  Saprophyten  sind  bei  uns  die  Hutpilze;  viel  seltener 
sind  die  Phanerogamen.  Aber  erst  genauere  Untersuchung  lehrt,  dass 
der  Humus  von  feinen  Mycelfäden  ganz  durchsetzt  ist  und  dass  alle 
todten  Stämme,  Aeste  und  Blätter  eine  reiche  saprophytische  Thal- 
lophytenflora  ernähren. 

Die  Hemisaprophyten  nähern  sich  in  ihrer  Gesammtstructur 
den  echten  Saprophyten  um  so  mehr,  als  ihr  Chlorophyllapparat  mehr 
reducirt  ist.  Coralliorrhiza  innata  und  Limodorum  abortivum,  zwei  chloro- 
phyllarme Humusorchideen ,  sind  durch  ihre  auf  Schuppen  reducirten 
Blätter,  die  erstere  auch  durch  ihr  korallenartiges  wurzelloses  Rhizom, 
das  zweite  durch  seine  violette  Färbung,  Holosaprophyten  sehr  ähnlich. 
Das  letztere  gilt  in  noch  höherem  Grade  von  der  chlorophyllarmen 
Lecanorchis  javanica ,  die  ich  auf  Java  beobachtete.  Die  Gentianacee 
Obolaria  virginica  möchte  ich  hingegen  als  zu  einer  tieferen  Stufe  des 
Uebergangs  zur  saprophytischen  Lebensweise  gehörig  betrachten.  Ich 
fand  das  zierliche  Pflänzchen  häufig  auf  dem  tiefen  Humus  sehr 
schattiger  Wälder  bei  Baltimore  und  es  fiel  mir  auf,  dass  sie,  im 
Gegensatz  zu  anderen  Schattenpflanzen,  einen  fleischigen  Stengel  und 
sehr  kleine  Blätter  besass. 

4.  Die  Parasiten. 

Die  Parasiten  oder  Schmarotzer  entnehmen  ihre  Nährstoffe  theil- 
weise oder  ausschliesslich  anderen  lebenden  Organismen,  Pflanzen  oder 
Thieren.     Mit  den  Saprophyten  theilen  sie  die  Eigenthümlichkeit,  dass 


220 


IL   Die  Genossenschaften. 


sie  ihren  Kohlenstoff  theilweise  oder  ganz  in  organischen  Verbindungen 
erhalten  und  die  Kohlensäure  der  Luft  in  entsprechendem  geringem 
Maasse,  bezw.  gar  nicht  assimiliren.  Der  letztere  Umstand  hat  in  beiden 
Fällen  ähnliche  Folgen  für  die  der  Verarbeitung  der  Kohlensäure 
dienenden  Glieder  gehabt.  Wie  die  Hemisaprophyten ,  sind  auch  die 
Hemiparasiten,    welche    nur    einen    Bruchtheil    ihres   Kohlenstoff- 

bedarfs  in  organischer 
Form  decken,  in  Bezug 
auf  Chlorophyllgehalt 
und  Laubbildung  auto- 
trophen  Gewächsen  noch 
mehr  oder  weniger  ähn- 
lich, während  die  Ho- 
loparasiten,  die  ganz 
und  gar  auf  Kosten  der 
organischen  Substanz 
ihres  Wirthes  leben, 
ähnlich  wie  die  Holo- 
saprophyten ,  chloro- 
phyllfrei sind  und,  falls 
sie  Phanerogamen  sind, 
an  Stelle  der  Laub- 
blätter Schuppenblätter 
entwickeln.  Alle  mög- 
lichen Abstufungen  ver- 
binden die  beiden  Haupt- 
gruppen der  Parasiten. 
Das  Fehlen,  bezw. 
die  Reduction  der  sonst 
der  Assimilation  des 
Kohlenstoffs  dienenden 
Organe  verleiht  den  Ho- 
losaprophyten  und  Holo- 
parasiten  eine  grosse 
habituelle  Aehnlichkeit. 
Doch  hat  der  Parasitis- 
mus in  einigen  Fällen 
einen  noch  weitergehenden  modificirenden  Einfluss  auf  den  pflanzlichen 
Organismus  gehabt,  als  der  Saprophytismus.  So  giebt  es  parasitische 
Phanerogamen,  welche  auf  Wurzeln  und  Blüthen  reducirt  sind  (Rafflesia- 
ceen,  Pilostyles  etc.),  solche  von  pilzartiger,  an  diejenige  von  Blüthenpflanzen 
gar  nicht  mehr  erinnernden  Gesammtgestalt  (Balanophoraceen,  Lennoa- 
ceen).  Derartige  extreme  Formen  zeigen  sich  auch  in  Blüthen-  und  Frucht- 


Fig.  112.  In  der  Mitte  ein  Weidenzweig,  umwunden  von 
der  schmarotzenden  Cuscuta  europaea.  b  reducirte  Blätter, 
Bl  Blüthe.  Links:  Verbindung  des  Schmarotzers  mit  der 
Wirthpflanze.  W  H\  die  Haustori en,  v  c  s  die  Gefässbündel 
des  Wirths.     Rechts:  Keimlinge.     B.  L. 


4.    Die  Parasiten.  221 

bildung  durch  die  parasitische  Lebensweise  derartig  verändert,  dass  ihre 
systematische  Stellung,  obwohl  es  sich  um  die  Nachkommen  autotropher 
Pflanzenformen  handelt,  nicht  mehr  mit  Sicherheit  ermittelt  werden  kann. 

Begreiflicherweise  sind  die  Absorptionsorgane,  bei  Phanerogamen 
die  Wurzeln,  durch  die  parasitische  Lebensweise  am  tiefsten  modificirt 
worden.  Da  nur  zeigt  sich  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den 
Saprophyten,  die  ihre  organische  Nahrung  aus  todter  Substanz  durch  die 
Mycorhiza,  und  den  Parasiten,  die  dieselbe  aus  lebender  Substanz  durch 
Saugorgane  aufnehmen.  Die  Saugorgane  oder  Haustorien  der 
Parasiten  sind  in  manchen  Fällen  kleine  Auswüchse  sonst  normaler 
Wurzeln,  z.  B.  bei  zahlreichen  bodenbewohnenden  Hemiparasiten  aus 
den  Gattungen  Euphrasia,  Rhinanthus  und  anderen  Scrophulariaceen, 
sowie  aus  den  Gattungen  Thesium  und  Santalum  unter  den  San- 
talaceen.  Die  Haustorien  legen  sich  der  Nährpflanze  zunächst  fest  an 
und  treiben  dann  in  dieselbe  Fortsätze,  welche  die  eigentlichen  Saug- 
organe darstellen. 

In  anderen  Fällen  ist  ein  grösserer  Theil  des  Wurzelsystems  oder 
auch  dessen  Gesammttheil  in  der  Wirthpflanze  eingeschlossen.  In  noch 
anderen  Fällen  gehen  die  Wurzeln  früh  zu  Grunde  und  die  Haustorien 
entwickeln  sich,  anscheinend  Adventivwurzeln  homolog,  an  den  Axen 
(Cuscuta,  Cassytha).     (Fig.  112.) 

Die  Lebensweise  der  phanerogamischen  Parasiten  ist  eine  sehr 
verschiedenartige.  Die  einen  sind  Bodenbewohner  und  entweder  auf- 
rechte, im  Boden  wurzelnde  Kräuter  wie  Euphrasia,  Thesium  etc.  unter 
den  Hemiparasiten,  Orobanche,  Lathraea  etc.  unter  den  Holoparasiten, 
oder  Holzgewächse,  wie  Santalum  album.  Andere  sind  wurzellose  Lianen, 
wie  die  Arten  der  Convolvulaceengattung  Cuscuta  und  der  Lauraceen- 
gattung  Cassytha,  beide  unbelaubte  und  theils  mehr  (Cuscuta),  theils 
weniger  (Cassytha)  chlorophyllarme  Schlingkräuter.  Andere  noch  sind 
Epiphyten,  wie  die  Mistel,  Viscum  album,  Loranthus  europaeus  und 
zahlreiche  andere  Loranthaceen ,  sowie  verschiedene  Santalaceen  des 
extratropischen  Südamerika.  Die  epiphytischen  Formen  sind  sämmtlich 
Hemiparasiten  mit  Ausnahme  von  Loranthus  aphyllus  (Johow).  Manche 
sind  gleichzeitig  kletternd.  Endlich  nehmen  diejenigen  Formen,  die, 
mit  Ausnahme  der  Reproductionsorgane,  in  der  Nährpflanze  verborgen 
sind,  ökologisch  eine  Sonderstellung  ein. 

Bei  den  Pilzen  zeigen  sich  noch  grössere  Unterschiede  der  Lebens- 
weise, schon  deswegen,  weil  sie  nicht,  wie  die  Phanerogamen,  auf 
pflanzliche  Substrate  beschränkt  sind,  sondern  auch  Thiere  befallen, 
sodann  weil  manche  Arten  mehrere  Entwickelungsformen  auf  ver- 
schiedenen Nährpflanzen  besitzen. 

Wie  die  Saprophyten,  gehören  auch  die  Parasiten  einer  verhält- 
nissmässig  kleinen  Zahl  systematischer  Gruppen   an.    Am  zahlreichsten 


222  E.   Die  Genossenschaften. 

zeigen  sie  sich,  ähnlich  wie  die  ersteren,  unter  den  Pilzen  und  Bac- 
terien,  während  die  Algen  nur  wenige  Holoparasiten  neben  zahl- 
reicheren Hemiparasiten  aufzuweisen  haben.  Holoparasiten  fehlen,  ähn- 
lich wie  Holosaprophyten  unter  den  Moosen,  Pteridophyten  und  Gym- 
nospermen. Die  Analogie  zwischen  den  beiden  ökologischen  Gruppen 
erstreckt  sich  nicht  auf  die  Angiospermen.  Obwohl  es  einen  Parasiten 
giebt  (Melampyrum  pratense),  der  anscheinend  auch  saprophytisch  exis- 
tiren  kann  (L.  Koch),  so  zeigen  sich  die  beiden  Modi  der  orga- 
nischen Ernährung  doch  systematisch  scharf  getrennt.  Die  Holosapro- 
phyten gehören  der  Mehrzahl  nach  zu  den  Monocotyledonen,  welche  der 
Parasiten  ganz  entbehren  und  die  Familien,  welchen  Vertreter  der  letzteren 
gehören,  haben  keine  Saprophyten  aufzuweisen.  Nicht  nur  die  Bala- 
nophoraceen,  Rafflesiaceen,  Orobanchaceen  und  Lennoaceen,  die  aus- 
schliesslich aus  Holoparasiten  und  die  Loranthaceen  und  Santalaceen, 
die  ganz  vorwiegend  aus  Hemiparasiten  bestehen,  sondern  auch  die 
Convolvulaceen  (Cuscuta),  Scrophulariaceen  (Melampyrum,  Euphrasia, 
Rhinanthus  etc.)  und  Lauraceen  (Cassytha),  welche  nur  in  einzelnen  Gat- 
tungen parasitisch  sind,  entbehren  der  Saprophyten.  Sogar  Hemisa- 
prophyten  gehen  den  letzterwähnten  Familien  ab. 

Die  Parasiten  sind  nicht  an  bestimmte  klimatische  Bedingungen 
gebunden  und  zeigen  sich  daher  in  allen  Zonen  und  Gebieten.  Sie 
besitzen  daher  geographisch  nur  wenig  Interesse  und  haben  nur  des- 
halb hier  Berücksichtigung  gefunden,  weil  sie  manchmal  einige  Züge 
zur  ökologischen  Charakteristik  von  Formationen  liefern. 


Auswahl  der  Literatur. 

1«  Die  Lianen. 

Die  zahlreichen  Abhandlungen  über  Lianen  haben  zum  grössten  Theile 
nur  die  anatomischen  Merkmale  oder  die  physiologischen  Eigenschaften 
zum  Gegenstande.  Sie  sind  von  Schenck  (v.  u.)  sorgfaltig  zusammen- 
gestellt worden.  Oekologisch-pflanzengeographisches  Interesse  haben  folgende 
Werke: 

Müller,   F.     I.   Notes    on   some   of  the  climbing  plants    near    Desterro   in 

South  Brazil.     Linnean  Soc.  Journ.  IX. 
—  II.  Zweigklimmer.  Kosmos,  Bd.  VI.  1887. 
Schenck,   H.     I.   Beiträge    zur   Biologie    und   Anatomie    der    Lianen,   im 

Besonderen   der   in   Brasilien    einheimischen  Arten.     I.  Theil.     Beitrage 

zur  Biologie   der  Lianen.     Botan.  Mittheil.  a.  d.  Tropen.    Heft  4.    Jena 

1897. 


Auswahl  der  Literatur. 


223 


Schenck,  H.  II.  Beiträge  etc.  (v.  o.)  II.  Theil.  Beiträge  zur  Anatomie 
der  Lianen.     Ibid.  Heft.  5.     Jena  1893. 

Treub,  M.  L  Sur  une  nouvelle  cat^gorie  de  plantes  grimpantes.  Annales 
du  jard.  botanique  de  Buitenzorg.  Vol.  III.  1882. 

—  II.  Observations  sur  les  plantes  grimpantes  du  jardin  botanique  de  Buiten- 
zorg.    Ibid.  1883. 

Westermaier,  M.  and  Ambronn,  H.  Beziehungen  zwischen  Lebens- 
weise und  Structur  der  Schling-  und  Kletterpflanzen.     Flora  1881. 


2.  Die  Epiphyten. 

Das  über  die  Epiphyten  Gesagte  stützt  sich  auf  folgendes  Werk: 

Seh  im  per,   A.   F.   W.      Die   epiphytische   Vegetation    Amerika's.      Botan. 
Mittheil.  a.  d.  Tropen.     Jena  1888. 

Man  vergleiche  ausserdem  die  Literatur  zum  Kap.  IV  des  1.  Abschnitts 
des  dritten  Theils  für  die  Epiphyten  und  für  die  Epiphyten  der  temperirten 
Zonen  diejenige  zum  Kap.  IV  des  zweiten  Abschnitts. 

8.  Die  Saprophyten. 

Die  Literatur  über  Saprophyten  steht  im  allgemeinen  der  in  diesem 
Buche  behandelten  Frage  ferne.  Gute,  allgemein  gehaltene,  namentlich  auch 
die  ökologischen  und  pflanzengeographischen  Fragen  berücksichtigende  Ar- 
beiten hat  Johow  veröffentlicht;  dort  auch  die  historische  Literatur.  Für 
die  Pilze  bleibt  de  Bary's  Hauptwerk  die  wichtigste  Quelle.  Vgl.  ausserdem 
die  Litteratur:  Thl.  III.  1.  Abschn.  IV. 

de  Bary,  A.     Vergleich.  Morphologie   und  Biologie  der   Pilze,   Mycetozoen 

und  Bacterien.     Leipzig  1884. 
Johow,  F.     I.   Die  chlorophyllfreien  Humusbewohner  West-Indiens.     Prings- 

heims  Jahrb.  Bd.  XVI.  1885. 
—  II.   Die    chlorophyllfreien   Humuspflanzen    nach    ihren    biologischen   und 

anatomisch-entwickelungsgeschichtlichen  Verhältnissen.    Pringsheim's  Jahrb. 

Bd.  XX.  1889. 


4.  Die  Parasiten. 

Von  der  Literatur  über  Parasiten  gilt  Aehnliches  wie  für  diejenige  über 
Saprophyten.  Johow's  Arbeit  berücksichtigt  namentlich  ökologische  und  geo- 
graphische Verhältnisse  und  giebt  eine  Zusammenstellung  der  Literatur.  In  Be- 
zug auf  Morphologie  u.  s.  w.  sind  ausserdem  in  erster  Linie  Engler's  Natür- 
liche Pflanzenfamilien  zu  benutzen.  Im  folgenden  sind  nur  einige  grund- 
legende Arbeiten  erwähnt. 

Brown,  R.     An  aecount  of  a  new  genus  of  plants,  named  Rafflesia.  Trans. 

Linn.  Soc.  XIII.  1820. 
Hart  ig,  R.     Zur   Kenntniss    von   Loranthus    europaeus    und  Viscum    album. 

Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen.  VIII.   1873. 


224 


II.   Die  Genossenschaften. 


J  o  h  o  w ,  F.     Die  phanerogamen  Schmarotzerpflanzen.    Verhandl.  d.  deutschen 

wissensch.  Vereins  zu  Santiago  1890. 
Koch,  L.     Die  Klee-  und  Flachsseide.     Heidelberg  1880. 

—  II.  Ueber   die  direkte  Ausnutzung   vegetabilischer    Reste  durch  bestimmte 

chlorophyllhaltige  Pflanzen.     Ber.  d.  deutsch,  bot  Gesellschaft  1885. 

—  III.  Die  Entwicklungsgeschichte  der  Orobanchen.  Heidelberg   1887. 
Marti us,  Th.     Ueber   die  Vegetation   der   echten   und  unechten    Parasiten, 

zunächst  in  Brasilien,  Münchener  Gel.  Anzeigen.    1842. 
Solms-Laubach,  H.  Gr.  zu.     Ueber  den  Bau  und  die  Entwickelung  der 
Ernährungsorgane    parasitischer   Phanerogamen.     Pringsh.   Jahrb.    Bd.  VI. 
1867—68. 


DRITTER  THEIL. 


ZONEN  UND  REGIONEN. 


Schimper,  Pflanzengeographie.  1 5 


Einleitung. 

Die  Isothermen  des  Sommers  und  Winters  gliedern  die  Pflanzen- 
decke der  Erde  in  mehr  oder  weniger  parallele  Zonen  ungleichen 
systematischen  Charakters.  Gewisse  Ordnungen  und  Familien  der  Ge- 
wachse sind  an  constant  hohe  Temperaturen,  wie  sie  nur  in  den  Tropen 
herrschen,  gebunden  und  gehen  beim  Gefrierpunkt  des  Wassers  oder 
schon  bei  einigen  Graden  über  demselben  zu  Grunde  (Makrothermen), 
während  der  Entwicklungsgang  anderer  abwechselnd  niedere  und  höhere 
Temperaturen  verlangt  (Mesothermen).  Die  zweite  Categorie  von  Ge- 
wachsen zeigt  wiederum  Unterschiede  in  der  Empfindlichkeit  gegen 
Temperaturen  unter  dem  Nullpunkt  und  diese  Unterschiede  bedingen 
solche  des  floristischen  Charakters  bei  zunehmender  Breite.  Die  polaren 
Zonen  endlich  sind  von  Gewächsen  bewohnt,  die  nicht  bloss  sehr  tiefe 
winterliche  Temperaturen,  sondern  auch  Frostwetter  während  der  Vege- 
tationszeit unbeschadet  ertragen  und  ihren  Entwickelungsgang  in  kurzer 
Zeit  zu  vollenden  vermögen  (Mikrothermen). 

Eine  ähnliche  Abnahme  der  Temperatur,  wie  vom  Aequator  zu 
den  Polen,  zeigt  sich  in  vertikaler  Richtung  auf  den  die  Grenze  des 
ewigen  Schnees  überragenden  Gebirgen.  Hier  sind  aber  die  Isotherm- 
gürtel viel  schmäler,  so  dass  z.  B.  der  ca.  6000  m  hohe  Kilimandscharo 
am  Fuss  äquatoriales,  auf  dem  Gipfel  ein  in  Bezug  auf  Lufttemperatur 
polar  zu  nennendes  Klima  besitzt. 

Die  Aehnlichkeit  zwischen  der  Veränderung  des  Klimas  vom  Aequator 
zu  den  Polen  und  vom  Fusse  der  Gebirge  zu  ihren  Gipfeln  ist  auf  die 
Lufttemperatur  beschränkt;  die  vertikal  zunehmende  Luft  Verdünnung 
verleiht  den  übrigen  klimatischen  Factoren  ein  sehr  charakteristisches 
und  demjenigen  der  Tieflandzonen  keineswegs  vergleichbares  Gepräge. 
Es  empfiehlt  sich  dementsprechend  nicht,  die  klimatischen  Gürtel  der 
Gebirge,  wie  es  neuerdings  manchmal  wieder  geschieht,  als  Zonen  zu 
bezeichnen,  da  dadurch  eine  partielle  Analogie  einen  übertriebenen  und 
Verwirrung   schaffenden  Ausdruck   erhält;    vielmehr   ist   dafür   die   von 

15* 


228  Einleitung. 

früheren  Pflanzengeographen  u.  a.  von  Grisebach  gebrauchte  Bezeichnung 
von  Regionen  beizubehalten. 

Die  Temperaturzonen  besitzen  keineswegs  rings  um  den  Erdball 
den  gleichen  floristischen  und  pflanzenökologischen  Charakter;  vielmehr 
zeigen  sie  sich  einem  mehr  oder  weniger  raschen  Wechsel  unterworfen, 
welcher,  bezüglich  der  Flora,  zum  Theil  auf  historische  Ursachen,  zum 
Theil  auf  das  ungleiche  Feuchtigkeitsklima,  für  die  Vegetation  aber  aus- 
schliesslich auf  das  letztere  zurückzuführen  ist.  Je  nach  der  Constellation 
der  Hydrometeore  herrscht  entweder  der  Gehölztypus,  oder  der  Gras- 
flurtypus oder  der  Wüstentypus  und  ändert  seinen  Charakter,  abgesehen 
von  standortlichen  Bodeneinflüssen,  nur  beim  Uebergang  in  andere 
Feuchtigkeitsklimate.  Die  durch  letztere  abgegrenzten  Landtheile 
sollen  Gebiete  genannt  werden.  Die  einzelnen  Vegetationsgebiete 
zeigen  im  Gegensatz  zu  den  Florenzonen,  sehr  unregelmässige  Ver- 
teilung und  sehr  ungleiche  Areale. 

Die  Hochgebirge  weichen,  wie  bezüglich  der  Temperatur,  auch 
bezüglich  der  Feuchtigkeit  von  den  klimatischen  Verhältnissen  des 
Tieflandes  ab.  Die  Regionen  der  Temperatur  sind  gleichzeitig  solche  der 
Hydrometeore. 

Bei  den  grossen  Unterschieden  zwischen  den  Vegetationsverhältnissen 
der  Gebirge  und  Tiefländer  und  bei  den  vielfachen  ökologischen  Be- 
ziehungen der  ersteren  unter  einander,  erscheint  es  zweckmässig,  die 
Behandlung  der  Höhenregionen  von  derjenigen  der  Zonen  und  Gebiete 
zu  trennen  und  zum  Gegenstand  eines  besonderen  Abschnitts  zu  machen. 
Die  Abschnitte  über  Zonen  sind  daher,  ausser  in  Fällen  wo  das  Aus- 
schüssen niederer  Gebirge  oder  der  unteren  Regionen  der  Gebirge 
widernatürlich  wäre,  nur  den  Tiefländern  gewidmet. 


Erster  Abschnitt: 

Die  tropischen  Zonen. 


L  Allgemeine  Charakteristik 

des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen 

auf  Vegetation  und  Flora. 

L  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  des  Tropenklimas.  §  i.  Die  Hydro  - 
meteore.  Regen,  relative  Feuchtigkeit,  Bewölkung.  —  §  2.  Die  Wärme.  Lufttempe- 
ratur. Erhitzung  durch  direkte  Sonnenstrahlung.  —  §3.  Das  Licht  und  Ultraviolett. 
Intensität  der  chemischen  Lichtstrahlen.  2.  Einige  allgemeine  Wirkungen  des  tro- 
pischen TTHTWM  auf  das  Pflanzenleben.  §  1.  Vornehmlich  durch  Wärme  be- 
einflusste  Vorgänge.  Cardinalpunkte.  Fälle  raschen  und  langsamen  Wachsthums. 
Transpiration  in  Sonne  und  Schatten.  —  §  2.  Pflanzenphysiologische  Wirkungen 
des  Tropenlichtes.  Schutzmittel  gegen  intensives  Licht.  Zerstörung  des  Chlorophylls. 
Stellung  der  Laubblätter.  Lichtgenuss  der  Schattenflora.  —  §  3.  Pflanzenphysio- 
logische Wirkungen  der  Hydrometeore.  Maassgebender  Einfluss  für  den  Vege- 
tationscharakter und  die  periodischen  Vorgänge.  Ombrophilie  und  Ombrophobie.  3,  Floristi- 
scher Charakter  der  Tropenaone.     Uebersicht  der  megathermen  Formenkreise. 

1.  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  des  Tropenklimas. 

§  1.  Die  Hydrometeore.  Die  jährliche  Regenmenge  schwankt  in 
der  tropischen  Zone  zwischen  5  m  und  darüber  an  einigen  Punkten 
der  Gebirge  und  wenigen  cm  in  den  Wüstengebieten.  Sie  ist  durch- 
schnittlich am  grössten  im  Aequatorialgürtel  (5  NB  —  5  SB)  und  nimmt 
in  nördlicher  Richtung  schneller  ab,  als  in  südlicher.  Die  Wüsten- 
gebiete innerhalb  der  Wendekreise  gehören,  mit  wenigen  Ausnahmen, 
den  Grenzgürteln  an  und  stellen  nur  die  tropische  Fortsetzung  der 
ausgedehnten  subtropischen  Wüsten  dar. 

Mindestens  ebenso  wichtig  wie  die  Menge  der  Niederschläge  ist 
für  das  Pflanzenleben   ihre  zeitliche  Verth  eilung.     Das  Jahr  zer- 


230  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

fällt  im  grössten  Theile  der  tropischen  Zone  in  eine  Trockenzeit,  die 
meist  mit  den  Wintermonaten,  und  eine  Regenzeit,  die  mit  den  Sommer- 
monaten zusammenfällt.  Einige  aequatoriale  Gebiete  (z.  B.  Guiana) 
besitzen  zwei  ungleich  lange  Regenzeiten  und  einige  andere  lassen 
eine  jahreszeitliche  Unterscheidung  von  Regenzeiten  nicht  zu  (z.  B. 
Singapore).  Der  Unterschied  zwischen  Regenzeit  und  Trockenzeit  ist 
im  Binnenlande,  namentlich  in  Ebenen,  stärker  ausgeprägt  als  an  den 
Küsten  und  im  Gebirge,  wo  er  sich  auf  das  Pflanzenleben  oft  nicht 
mehr  geltend  macht.  Mit  welchen  Monaten  Regenzeit  und  Trocken- 
zeit zusammenfallen,  ist,  ausser  in  einigen  Grenzgebieten  geringer 
Ausdehnung,  bei  den  meist  sehr  geringen  Unterschieden  der  Winter- 
und  Sommertemperaturen,  für  die  Physiologie  der  Gewächse  ohne 
Bedeutung. 

Die  relative  Luftfeuchtigkeit  entspricht  im  Allgemeinen 
der  Regenmenge  und  ist  natürlich  grösser  in  der  Regenzeit  als  in  der 
Trockenzeit.  Wiederum  sind  Küstengebiete,  Inseln,  Gebirgsländer  durch 
hohe  Grade  der  relativen  Luftfeuchtigkeit  ausgezeichnet  (im  Jahres- 
durchschnitt 80  °  und  darüber).  Die  letztere  steigt  Nachts  und  in  den 
Frühmorgensstunden  bis  zum  Sättigungspunkt,  fallt  aber  während  des 
Tages,  bei  sonnigem  Wetter  tief  genug  herab  (65 — 7o°/0),  um  erheb- 
liche trocknende  Wirkungen  auf  die  Pflanzenwelt  auszuüben.  In  den 
Gebieten  mit  ausgeprägten  trockenen  Jahreszeiten  fällt  die  Luft- 
feuchtigkeit während  der  letzteren  im  Durchschnitt  meist  auf  55 — 65%, 
in  Wüstengebieten  jedoch  viel  tiefer.  Manche  Gebiete  mit  Trocken- 
zeiten besitzen  während  der  letzteren  eine  sehr  reichliche  und  für  die 
Vegetation  wichtige  nächtliche  Thaubildung. 

Die  Bewölkung  ist  in  manchen  Gebieten  während  der  Regen- 
zeit eine  andauernd  vollständige,  so  dass,  nach  Hann,  ein  schwerer 
finsterer  Wolkenhimmel  monatelang  nicht  weicht  Dieses  ist  jedoch 
keineswegs  überall  der  Fall  und  stimmt  nicht  zu  meinen  eigenen  Er- 
fahrungen über  tropische  Regenzeiten  (Trinidad,  Java),  während  welcher 
die  meisten  Tage  mehrere  sonnige  Stunden  brachten.  Fehlte  es  auch 
nicht  an  ganz  regnerischen  Tagen,  so  waren  andererseits  ganz  heitere 
Tage  nicht  seltener.  In  Buitenzorg  pflegt  der  Himmel  während  der 
Regenzeit  in  den  Vormittagsstunden  ganz  heiter  zu  sein  und  die  Regen- 
güsse, welche  die  hohe  jährliche  Regenmenge  bedingen  (ca.  41/*  m), 
fallen  meist  nur  während  einiger  Nachmittagsstunden,  allerdings  mit 
einer  bei  uns  unbekannten  Heftigkeit.  Die  Trockenzeit  ist  in  vielen 
Gebieten  durch  andauernd  wolkenlosen  Himmel  ausgezeichnet,  während 
sie  in  anderen  eine  kaum  oder  gar  nicht  schwächere  Bewölkung  als 
die  Regenzeit  aufweist. 

Folgende,  von  Hann  nach  J.  Murray  und  S.  Arrhenius  zusammen- 
gestellte Tabelle  giebt  eine  Vorstellung   der   mittleren  Vertheilung   der 


I.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        23  I 

Hydrometeore   in   der  Tropenzone   und   in   den   benachbarten  Gürteln 
der  temperirten  Zonen.1) 


N  45° 

35° 

25°       15°       5°       5°       i5° 
Regenmenge,  Centimeter. 

25° 

35° 

45°  S 

57 

*55 

68         95      197      198        123 
Bewölkung,  Prozent. 

*65 

70 

106 

54 

46 

*4o         43        55       59          52 
Relative  Feuchtigkeit,  Prozent. 

*45 

49 

61 

74 

♦70 

71          76        79        81          88 

*77 

79 

81 

§  2.  Die  Wärme.  Die  Lufttemperatur  schwankt  im  Jahres- 
mittel zwischen  200  und  280  und  ist  im  Vergleich  zu  höheren  Breiten, 
sehr  beständig;  selbst  die  Unterschiede  der  höchsten  und  tiefsten 
Temperatur  des  Jahres  gehen  ins  Aequatorialgebiet  nicht  viel  über  die 
Grenzen  der  täglichen  Schwankung  hinaus  und  betragen  im  Durch- 
schnitt etwa  10 — 130  C,  aber  oft  viel  weniger,  z.  B.  50. 

„Der  Temperaturunterschied  zwischen  dem  wärmsten  und  kältesten  Monat 
hält  sich  in  der  Nähe  des  Aequators  zwischen  1  °  und  5  °  C.  und  über- 
schreitet dieses  Maass  auch  nicht  im  Innern  der  Continente  (Ladö  5  °  N. 
4,8°,  Iquitos  3,7°  S.  2,4°,  Equatorville  am  Kongo  1,2°).  Aber  selbst  gegen 
die  Wendekreise  hin  und  in  den  extremsten  Klimaten,  die  innerhalb  der 
Tropen  vorkommen,  überschreitet  die  jährliche  Schwankung  kaum  13  °  (Kal- 
kutta 10,3°,  Hongkong  13,4°,  Veracruz  6,5°,  Habana  5,8°,  Chartum  12,9°). 
Die  jährliche  Wärmeschwankung  ist  daher  an  vielen  Orten  kleiner  als  die 
tägliche,  für  welche  man  vielleicht  als  Grenzen  annehmen  darf  50  und  13  ° 
(z.  B.  Equatorville  8°,  Batavia  6,5°  [August  7,7°],  Chinchoxo  Jahr  6,4°, 
Juli  7,3°,  Kuka  in  der  Trockenzeit  n,  40;  Lado'  [Differenz  2h. — 7  h.]  Jahr 
7,7°,  Trockenzeit  n,i°;  Bakel  12,4°)."*) 

Nur  an  wenigen  Punkten ,  ganz  in  der  Nähe  der  Grenzen  der 
Zone,  z.  B.  in  Süd-China,  wird  der  Nullpunkt  gelegentlich  erreicht  oder 
sogar  etwas  nach  unten  überschritten.  Die  durchschnittlichen  Maxima 
schwanken  gewöhnlich  zwischen  30  und  35°  C.  und  bleiben  unterhalb 
der  in  aussertropischen  Gebieten  beobachteten  Extreme. 

Die  meteorologischen  Berichte  bringen  leider  nur  ausnahmsweise 
Angaben  über  die  durch  die  direkte  Sonnenstrahlung  hervorge- 
rufenen Temperaturen,  obwohl  letztere  an  Bedeutung  für  das  organische 
Leben  der  Luftwärme  wenigstens  gleich  kommen.8)  Entsprechend  der 
Lage  der  Sonne  am  Zenith  oder   in  geringer  Entfernung  desselben  ist 


l)  1.  c.  Bd.  n.  s.  37. 

a)  Hann  1.  c.  Bd.  II.  S.   12. 

*)  Es   sei   an   die  Gefährlichkeit  des  Sonnenstichs  in  Vorderindien  und  anderen  tropi- 
schen Continentalgebieten  erinnert 


232  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

die  Intensität  ihrer  Wärmestrahlung  während  eines  bestimmten  Zeit- 
raumes, z.  B.  in  einer  Stunde,  grösser  in  den  Tropen  als  in  der 
höheren  Zone  und  muss  eine  entsprechend  höhere  Erwärmung  hervor- 
rufen. In  der  That  fand  Pechuel-Lösche  in  Chinchoxo  (Loango)  sehr 
oft  eine  Erwärmung  des  Bodens  auf  750,  manchmal  auf  8o°,  einmal 
sogar  auf  820.  G.  Haberlandt  hingegen  hat  an  einem  Solarthermo- 
meter zu  Buitenzorg,  während  der  nassen  Jahreszeit,  nur  ähnliche  Tem- 
peraturgrade, wie  sie  in  Graz  während  des  Augusts  gewöhnlich  sind, 
beobachtet,  nämlich  550 — 56,7°  zur  Mittagszeit.  Augenscheinlich  ist  die 
relativ  geringe  Wirkung  der  Sonnenstrahlung  in  diesem  Falle  eine  Folge 
des  sehr  reichen  Gehalts  der  Luft  an  Wasserdampf  gewesen.  In 
Continentalgebieten  sind,  während  der  Trockenzeit  wenigstens,  weit 
höhere  Temperaturen  die  Regel.  Die  Erkaltung  der  Vegetation  durch 
nächtliche  Wärmeausstrahlung  ist  in  tropischen  Continentalgebieten 
während  der  Trockenzeit  jedenfalls  beträchtlich  und  dürfte  von  wesent- 
licher pflanzengeographischer  Bedeutung  sein,  ist  es  doch  bekannt,  dass 
in  Bengalen  dünne  Wasserschichten  während  der  Nächte  der  Trocken- 
zeit zu  Eis  gefrieren.  In  Küsten-,  Wald-  und  Berggebieten  ist  die 
nächtliche  Abkühlung  durch  Wärmeausstrahlung,  dank  des  reichen  Ge- 
halts der  Luft  an  Wasserdampf,  ein  weit  geringerer,  wenn  auch  physio- 
logisch keineswegs  bedeutungsloser. 

Folgende  Tabelle  giebt  eine  Uebersicht  der  mittleren  Temperatur 
auf  den  Parallelkreisen  der  Tropenzone. 

Mittlere  Temperatur  nach  Spitaler1). 

Breite       25  20  15  10        5  Aeq.        5  10 

Januar  18.4  21.7  23.9  25.7    26.2  26.2    26.1  25.9 

Juli       28.0  28.1  27.9  26.7    26.1  25.5    24.9  24.0 

Jahr      23.7  25.7  26.3  26.4  26.1  25.9    25.5  25.0 

§  3.  Das  Licht  und  Ultraviolett.  Wie  die  Intensität  der  Wärme- 
strahlen ist  natürlich  auch  diejenige  der  Lichtstrahlen  innerhalb  der 
Wendekreise  grösser  als  ausserhalb  derselben  und  der  tropische  Tag 
ist  heller  als  der  temperirte  oder  polare.  Diese  Eigenthümlichkeit 
kommt  in  den  stärkeren  Reflexen  der  Wasserspiegel  und  des  vom 
Regen  benetzten  Laubes  direkt  zum  Vorschein  und  macht  sich  auch 
beim  Photographiren  bemerkbar.  Das  gleiche  wie  von  dem  leuchtenden, 
gilt  auch  von  dem  ultravioletten,  noch  chemisch  wirksamen  Theil 
des  Spectrums. 

In  den  mir  bekannten  tropischen  Gebieten  Amerika's  und  des  insularen 
Asiens  ist  die  Lichtintensität  allerdings  nicht  so  stark,  wie  in  Ostafrika,  über 
dessen  Lichterscheinungen  P.  Reichard  folgendes  berichtet:    „In  der  uns  um- 


*5 

20 

2S 

25-7 

25.2 

24.7 

22.6 

2O.5 

18.1 

24.2 

22J 

20.9 

*)  Hann,  L  c.  Bd.  II.  S.   17. 


L  Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        233 

gebenden  Natur  fällt  in  erster  Linie  die  blendende  Helle  der  Luft  auf.  Die 
in  den  Tropen  höher  stehende  Sonne  sendet  eine  weit  grössere  Fülle  Lichtes 
herab  als  bei  uns.  Im  Anfang  ist  die  Lichtfülle  dem  Auge  beinahe  unerträg- 
lich, sodass  man  unwillkürlich  zur  blauen  Brille  greift  und  den  Hut  tief 
über  die  Augen  zieht  .  .  ." *) 

Direkte  vergleichende  Messungen  über  die  Intensität  der  leuchten- 
den Strahlung  in  verschiedenen  Breiten  liegen  nicht  vor,  dagegen  sind 
über  die  chemischen  Strahlen  einige  Versuche  angestellt  worden.  So 
ergaben  gleichzeitige  Messungen  zu  Kew  und  zu  Para  an  drei  April- 
tagen  des  Jahres  1866  für  letzteren  Ort  eine  nahezu  zwanzigmal  grössere 
Intensität  der  chemischen  Wirkung  als  für  letzteren;  im  August  war 
sie  noch  3,3  mal  grösser  zu  Para  als  zu  Kew. 

2.  Einige  allgemeine  Wirkungen  der  tropischen  Klimate 
auf  das  Pflanzenleben. 

§  1.  Vornehmlich  durch  Wärme  beeinflusste  Vorgänge.  Nach 
dem  Vorhergehenden  unterscheiden  sich  die  tropischen  Klimate  von 
denjenigen  höherer  Zonen  wesentlich  durch  die  gleichmässige  und 
hohe  Temperatur  der  Luft  und  durch  die  grössere  Wirksamkeit  der 
Wärme-  und  Lichtstrahlen.  Die  Hydrometeore  zeigen  weder  in  der 
Intensität  noch  in  der  zeitlichen  Reihenfolge  wesentliche  Unterschiede 
gegenüber  der  temperirten  Zone,  wo  stellenweise  ebenso  grosse  Regen- 
mengen wie  an  den  regenreichsten  Punkten  der  Tropen  sich  zeigen 
und  wo  ausgedehnte  Gebiete  eine  ähnliche  Abwechselung  von  Trocken- 
und  Regenzeiten  aufweisen.  Dass  nichtsdestoweniger  die  Hydrometeore 
noch  grössere  Bedeutung  für  die  Oekologie  der  tropischen  Gewächse 
als  für  diejenige  der  temperirten  besitzen  und  eine  Reihe  charakteristi- 
scher Eigentümlichkeiten  der  ersteren  hervorruft,  ist  theils  durch  die 
Combination  grosser  Wärme  mit  grosser  Feuchtigkeit,  theils  durch  die 
Ungleichmässigkeit  der  letzteren  im  Gegensatz  zur  Gleichmässigkeit  der 
ersteren  verursacht. 

Bei  der  grossep  Gleichmässigkeit  und  beträchtlichen  Höhe  der 
Temperatur  in  den  Tropen  sind  viel  geringere  Unterschiede  der  har- 
monischen Optima  und  in  Folge  dessen  eine  viel  grössere  Gleichmässig- 
keit der  das  ökologische  Optimum  darstellenden  Temperaturcurve 2)  als 
in  höheren  Breiten  zu  erwarten.  Genaueres  ist  darüber  zur  Zeit  nicht 
bekannt,  da  die  physiologischen  Cardinalpunkte  der  Temperatur  sowie 
die  ökologisch  günstigsten  Grade  derselben  bis  jetzt  nur  für  temperirte 
Pflanzen  festgestellt  worden  sind,   bei  welchen  dieselben,  entsprechend 


')  Deutsche  Rundschau.     October  1894.     Citirt  bei  Hann  1.  c.  Bd.  II.     S.  40. 
*)  Vgl.  S.  50. 


234 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


den   natürlichen   Bedingungen,   weit   auseinander   liegen.     Doch  ist  es, 
soweit  Untersuchungen  noch  nicht  vorliegen,  unzulässig,  aus  den  Grenz- 


Fig.   1 1 3.      Dendrocalamus    giganteus    im    Botanischen    Garten    zu    Peradenyia    auf  Ceylon. 

Nach  einer  Photographie. 


temperaturen  der  Luft  Schlüsse  auf  die  Cardinalpunkte  der  Vegetation 
in  den  Tropen  ziehen  zu  wollen,  da  die  nächtliche  Abkühlung  durch 
Strahlung,     welche     in     den    Trockenzeiten     diejenige    der    Luft   be- 


I.    Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        235 

deutend  überschreitet,  sowie  die  starke  Erhitzung  durch  direkte  Sonnen- 
strahlung, bei  manchen  physiologischen  Vorgängen  eine  maassgebende 
Rolle  spielen  dürfte. 

Unter  den  pflanzenphysiologischen  Vorgängen  mit  hohem  physio- 
logischen Temperaturoptimum  nimmt  das  Wachsthum,  wenigstens  nach 
der  Keimungsperiode,  eine  hervorragende  Stelle  ein.  Es  wäre  lehrreich, 
Vergleiche  mit  Pflanzen  einer  und  derselben  Art  in  den  Tropen  und 
in  den  temperirten  Zonen,  unter  sonst  möglichst  gleichen  äusseren  Be- 
dingungen* anzustellen-  Bis  jetzt  Hegen  nur  ganz  vereinzelte  Beobach- 
tungen über  die  Waehsthiunsgeschwindigkeit  tropischer  Gewächse  vor, 
aus  welchen  sich  nur  entnehmen  lässt,  dass  gewisse  tropischen  Ge- 
wächse alle  bekannten  temperirten  an  Geschwindigkeit  des  Wachs th ums 
Obertreffen, 

Zu  den  am  schnellsten  wachsenden  Vertretern  des  Pflanzenreichs 
dürften  gewisse  Bambusen  gehören.  Bereits  Wallich  erwähnt,  dass  ein 
Spross  von  Bambusa  arundinacea  in  31  Tagen  um  7  m  85  cm  an 
Länge  zugenommen  hatte.  Doch  sind  genauere  Beobachtungen  darüber 
erst  in  neuester  Zeit  und  zwar  durch  Kraus  an  einer  Dendrocalamus-Art 
des  botanischen  Gartens  zu  Buitenzorg  angestellt  worden. 

wurden  u«  a«  folgende  Zuwachse  innerhalb  fünf  Tage  ("4.-8.  Dec») 
festgestellt ; 


Länge 

in  cm 

Zuwachs 
Ta^  und  Nacht 

1 

Vor*  u,   Nachniittn|» 

4,  December  (    6  \  orra, 

164 

Tag    10*5    cm 
Nacht   16   cra 

Tag  5.0  cm 
}  Nacht    1 5   rm 

Tag   8  cm 
}  Nacht    1 6   cm 
1  Tag  8.5  cm 
}  Nacht    j  2,5   cm 
\  Tag    12   cm 

* 

\ 
t 

t 

\ 
t 

* 

* 
* 

f 

l 

' 

: 

Vorm.   7-5  cm 

,j 

11 

"71  5 

Nachm.   3,0  cm 

1  « 

Ab. 

I74S 

mber 

1  6 

1f 

190-5 

[2 

IJ 

iga 

Vormt    1.5   cm 

6 

H 

i9S 

Nachm,   3  cm 

6.  December 

6 

Pf 

210 

la 

n 

"5 

Vorm,   5   cm 

6 

n 

2*8 

X.uhin.    3    cm 

7.  December 

6 

*i 

234.0 

" 

tf 

^8-5 

VqWq.  4.5  cra 

* 

u 

*4*-5 

Na<  hm»    4   cm 

g*  December 

6 

pi 

=55 

" 

TJ 

261 

\iirni,    6    cm. 

1    6 

•  » 

2(n 

Nachm,   fi   cm 

Die    nachfolgende    Tabelle    giebt    das    stündliche   Wachsthum    in 
Millimetern  für  Tag  und  Nacht. 


236  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Spross  II 

4.  Dec. 

5.  Dec. 

6.  Dec. 

7.  Dez. 

8.  Dec. 

9.  Dec 

Tag 

15.4 

6.6 

8.4 

2.9 

9.2 

6.3 

Nacht 

12.4 

13.0 

16.6 

12. 1 

i7,S 

138 

Spross  III 

Tag 

8.8 

3.8 

6.6 

7.i 

10.0 

10.4 

Nacht 

13-3 

12.5 

13-3 

10.2 

11.0 

10.4 

Der  stündliche  Zuwachs  ist  demnach  im  Mittel  am  Tag  7J  mm, 
in  der  Nacht  13  mm  gewesen. 

Der  tägliche  mittlere  Zuwachs  betrug  während  der  zweimonatlichen 
Beobachtungszeit : 

Für  Rohr  Nr.   1   in   58  Tagen  22.9  cm  pro  Tag 
„     Nr.   2   in  60        „        19.0  cm     „ 
„     Nr.  3  in  60       „        19.9  cm     „ 

Der  grösste  Zuwachs  innerhalb  24  Stunden  fand  statt: 

bei  Nr.  1  mit  57   cm  am  22.  December 
„    Nr.  2     „42     „      „       3.  Januar 
„  Nr.  3     ,.45     „      „      4. 

Sehr  schnell  wachsende  Pflanzenarten  sind  in  den  Tropen,  wenig- 
stens in  regenreichen  Gebieten,  keine  seltene  Erscheinung.  Ich  habe 
im  botanischen  Garten  zu  Buitenzorg  einige  Messungen  an  jungen 
Trieben  und  Blättern  von  Holzpflanzen,  die  dem  Augenscheine  nach 
sehr  schnell  wuchsen,  vorgenommen.  So  maass  ich  am  15.  Nov.  ein 
noch  gefaltetes  Blatt  von  Amherstia  nobilis  und  fand:  Rhachis  6  cm, 
ein  Blättchen  2,9  cm.  Am  24.  Nov.  wurde  für  dieselbe  Rhachis  und 
dasselbe  Blättchen  31  cm  bezw.  19,5  cm  gefunden,  d.  h.  eine  Längen- 
zunahme auf  das  Fünf-  bezw.  das  Siebenfache  in  9  Tagen  oder  eine 
tägliche  Längenzunahme  von  4,1  cm.  bezw.  1,8  cm.  Für  ein  etwas 
älteres  Blatt  desselben  Triebes  waren  die  entsprechenden  Werthe  am 
15.  Nov.   10,8  cm  und  3,5  cm,  am  24.  Nov.  36  cm.  und  19,7  cm. 

Bei  Brownea  sp.  war  die  Länge  einer  eben  sich  öffnenden  Knospe 
am  15.  Nov.  8  cm;  am  20.  Nov.  war  der  junge  Spross,  dessen  Blätter 
noch  eingerollt,  i&lj9  cm  lang,  am  24.  Nov.,  mit  flach  ausgebreiteten 
Blättern,  29  cm  lang  bis  zur  äussersten  Blattspitze.  Die  Gesammt- 
länge hatte  demnach  in  9  Tagen  um  mehr  als  das  3'/2  fache  zugenommen 
und  zwar  um  21  cm  oder  2,6  cm  pro  Tag.  Neue  Messungen  an  den 
sich  entwickelnden  jungen  Trieben  von  Urostigma  glabellum  sollen 
nachher,  im  Zusammenhang  mit  dem  Laub  Wechsel  des  Baumes,  mit- 
getheilt  werden. 

Haberlandt  erwähnt  mehrere  Beispiele  schnellen  Wachsthums  auf 
Java:  „Beim  Gymnasium  Willem  HI.  in  Batavia  wurde  1874  ein  Exem- 
plar  der   auf  Timor  einheimischen  Eucalyptus   alba   angepflanzt;    nach 


I.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.         237 

drei  Jahren,  war  bereits  ein  15  m  hoher  Baum  daraus  geworden.  Im 
Culturgarten  zu  Tjikömöh  bei  Buitenzorg  besitzen  zweijährige  Maha- 
gonibäumchen  eine  Höhe  von  4a/2  m,  dreijährige  Exemplare  von 
Swietenia  macrophylla  sind  5 — 6  m  hoch.  Geradezu  fabelhaft  räch 
wächst  Albizzia  moluccana,  dieser  beliebte  Schattenbaum,  dessen  zartes 
Fiederlaub  durchaus  nicht  den  Eindruck  besonderer  Fülle  und  Leistungs- 
fähigkeit macht.  Schon  einjährige  Exemplare  erreichen  eine  Höhe  von 
5 — 6  m,  sechsjährige  sind  bereits  25  m  hoch,  wobei  ihr  Stamm  in 
Mannshöhe  einen  Durchmesser  von  20 — 25  cm  aufweist."1) 

Maxwell  hat  in  Honolulu  einige  Untersuchungen  über  das  Wachsthum 
der  Bananenblätter  angestellt.  Die  Resultate  der  Messungen  stellt  er  folgender- 
maassen  zusammen: 


Fig.  1 14.     Taeniophyllum  Zollingeri  Rchb.  f.     Nat.  Gr.     (Nach  Wiesner.) 

Länge  des  Blattes  =  Länge  des  fertigen  Blattes,  nach  Abzug  der  Länge 
des  Blattes  bei  der  ersten  Messung.  Tag:  7.30  a.  m.  bis  5.50  p\  m. ; 
Nacht:  5.30  p.  m.  bis  7.30  a.  m.;  Zeit:  26.  I.  bis  9.  III.  —  Englische  Zoll. 
Temperatur  nach  Fahrenheit. 


Blatt- 

Blatt- 

Blatt- 

Mittl. 

Mittl. 

Mittl. 

Mittl. 

Mittl. 

länge 

breite 

fläche 

L.-  Wachsth. 

L. 

-Wachsth. 

Wachsth. 

Oberflw. 

Temp. 

inch. 

I.Periode 

Nach  1 .  Periode 

T.+  N. 

T.  +  N. 

I. 

*94/« 

14 

413 

— 

— 

47* 

59 

72.50 

IL 

357, 

M 

497 

— 

— 

4V, 

62.0 

72.0 

IIL 

43 

15 

645 

3 

i1/. 

41/. 

64.5 

70.0 

IV. 

477, 

17 

803 

*2/* 

i1/. 

3% 

66.9 

71.70 

Sehr  schnelles  Längenwachsthum  scheint  auch  den  oft  ungeheuer 
lang  werdenden  Nährwurzeln  gewisser  Lianen  und  Epiphyten  zuzu- 
kommen. Went  fand  an  denjenigen  von  Philodendron  melanochrysum 
einen  Gesammtzuwachs  von  44  mm  in  48  Stunden. 

Die  vorstehenden  hohen  Werthe  für  das  Längenwachsthum  von 
Axen,  Blättern  und  Wurzeln  dürfen   keineswegs   dahin   verallgemeinert 


*)  Reise  S.   115. 


Lichtgenuss. 

%  in 

29 

Tagen 

2.37 

mm  in   24 

/l8     » 

29 

;i 

3-47 

„     >.     24 

/8        '» 

3° 

» 

8-55 

»     „     24 

/5       »» 

3i 

» 

6.80 

ff     »     24 

7*       » 

3i 

»» 

2.50 

»     »     24 

238  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

werden,  dass  dasselbe  um  ein  Beträchtliches  das  Längenwachsthum  in 
den  temperirten  Zonen  übertrifft.  Dieselben  beziehen  sich  ausschliess- 
lich auf  Gewächse,  bei  welchen  das  Wachsthum  auffallend  schnell  vor 
sich  ging  und  daher  zur  näheren  Untersuchung  veranlasste.  Dass  es 
sogar  in  regenreichem  Tropengebiet  an  ausserordentlich  langsam 
wachsenden  Pflanzen  nicht  fehlt,  hat  Wiesner  an  Taeniophyllum  Zol- 
lingeri,  einer  beinahe  nur  aus  grünen  Luftwurzeln  bestehenden,  unbe- 
laubten epiphytischen  Orchidee  (Fig.   114),  nachgewiesen. 

Die  für  das  Wachsthum  verschiedener  Pflanzen  des  Taeniophyllum 
an  natürlichen  Standorten  beobachteten  Zahlen  sind  in  der  folgenden 
Tabelle  zusammengestellt,  die  auch  Angaben  über  den  in  dieser  Hin- 
sicht wichtigen  Lichtgenuss  bringt: 


0.1172  „ 

„        0.2830  „ 

0.2266  „ 

„        0.0806  „ 

Verglichen  mit  dem  grössten  täglichen  Zuwachs  des  Bambus- 
rohres (nach  G.  Kraus)  verhält  sich  der  grösste  Zuwachs  von  Taenio- 
phyllum wie  570:0.283  mm  =  2013:1.  Das  von  Kraus  untersuchte 
Bambusrohr  wächst  also  rund  2000  mal  schneller  als  die  Luftwurzeln 
von  Taeniophyllum  Zollingeri. 

Transpiration.  Die  grosse  pflanzenphysiologische  Bedeutung 
der  Erhitzung  durch  Insolation  ist  bezüglich  der  Transpiration  sehr 
leicht  zu  beobachten  und  hat  in  neuester  Zeit  den  Gegenstand 
genauerer  Untersuchungen  gebildet.  Die  Wirkung  der  Insola- 
tion ist  stärker  bei  grossem  als  bei  geringerem  Dampf- 
gehalt der  Luft,  da  Trockenheit  der  letzteren  das  Schliessen  der 
Spaltöffnungen  bedingt,  und  zeigt  sich  daher  am  auffallendsten  in  den 
feuchten  Gebieten. 

Jedem  Besucher  des  botanischen  Gartens  zu  Buitenzorg  ist  bekannt, 
dass  viele  Gewächse  in  den  späten  Stunden  des  meist  sonnigen  Vor- 
mittags deutliche  Zeichen  beginnenden  Welkens  zu  zeigen  pflegen 
und  dass  letzteres  bis  zum  Eintritt  des  nachmittäglichen  Regenschauers 
rasch  und  bis  zum  ganz  schlaffen  Herabhängen  vieler  Blätter  fort- 
schreitet, obwohl  letztere  der  Schutzeinrichtungen  gegen  Transpiration 
nicht  entbehren. ')  Als  während  meines  Aufenthaltes,  mitten  in  der 
Regenzeit,  vierzehn  regenlose  heitere  Tage  aufeinander  gefolgt  waren, 
bot  die  Vegetation  ein  Bild  des  Verdurstens,   wie  es  bei  uns  nach  der 

n  vgl.  s.  21. 


I.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        239 

dreifachen  Zeit  kaum  eintreten  würde,  die  Culturen  wurden  gefährdet 
und  die  Bevölkerung  suchte  durch  geeignete  lärmende  Ceremonien  sich 
den  Regengott  gewogen  zu  machen.  Die  Luft  blieb  während  dieser 
Trockenzeit  fortwährend  sehr  feucht  und  die  reiche  nächtliche  Thau- 
bildung  wäre  in  einem  weniger  sonnigen  Klima  nicht  so  unwirksam 
geblieben. 

Wiesner  hat  in  Buitenzorg  den  Einfluss   des  direkten  Sonnenlichts 
auf  die  Transpiration  von  Reispflanzen  zahlenmässig  festgestellt.  >) 

Reispflanze  A. 


Versuchszeit,  Uhr  a.  M. 

Temperatur 

Relative 
Feuchtigkeit 

Transpiration 
Beleuchtung2)           pro  Stunde. 

6-5°—  7-5° 

22.O — 22. 50 

95— 96 

diffus                    o.Big. 

7.50—   9.17 

22.5— 23.8° 

89—95 

(70     Min.  diffus  1 

\i7        „    So— S2/     2'32 

7.20 — 10.10 

25.O  — 25. 2° 

82—94 

So— S2               7.45 

10.11  — 10.19 

25  2  —  28,50 

73—72 

S3— S4             10.57 

Reisp 

flanze  B. 

Versuchszeit,  Uhr 

Relative                                 Transpiration 
Temperatur      Feuchtigkeit      Beleuchtung       pro  Stunde 

8.43 —   9.00 

26.2° 

82 

Sonne           15.35  g 

9       —   9.15 

27° 

70 

diffus             0.09 

9.18—    9.34 

27. 2° 

> 

Sonne            8.91 

9.39— 10.10 

27° 

74 

diffus             2.85 

Eine  Versuchsreihe  an  einem  sonnigen  Vormittage  mit  einem 
jüngeren  (rothen)  und  einem  älteren  (grünen)  Blatte  von  Amherstia 
nobilis,  —  die  Versuchsobjecte  standen  mit  dem  Stiel  in  Wasser  — 
ergaben  folgende  Grössen  der  Transpiration  in  Gramm  pro  100  g 
Lebensgewicht : 


Amherstia 

Rothes  Blatt 

Grünes  Blatt 

Bedeckter  Vorraum 

1.22 

1.00 

Freie  Exposition  S  0 

1.88 

2.56 

n             »          ^  2 

2.40 

5^33 

»              v           S  4 

3-" 

8.44 

Wie  gross  die  Transpiration  in  Buitenzorg  sein  kann,  geht  auch  aus  den 
folgenden  Beobachtungen  Wiesner's  hervor.  Derselbe  Hess  mehrere  krautigen 
Pflanzen  (ein  Coleus,  ein  Adiantum,  eine  Jatropha,  Mimosa  pudica)  eintopfen 
und  an  einem  offenen,  dem  Regen  vollkommen  zugänglichen  Orte  des  Gartens 
in   den    Boden    eingraben.     Während    mehrerer   Tage    erhielten    die    Pflanzen 


*)  Mitgetheilt  von  Burgerstein  1.  c. 

*)  Bedeutung  der  Zeichen  fiir  die  Sonnenbedeckung:  So  Sonne  vollständig  bedeckt; 
S,  Sonne  nur  als  heller  Schein  am  Himmel  sichtbar;  Sä  Sonne  als  Scheibe  zu  sehen;  S3 
Sonne  nur  von  leichtem  Dunst  oder  von  einem  zarten  Wolkenschleier  bedeckt;  S4  Sonne 
voUkommen  unbedeckt. 


240  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

täglich,  zum  Theil  sehr  starken  Regen.  „Der  29.  December  war  ein  vollkommen 
regenfreier  Tag ;  der  Vormittag  war  sonnig  und  am  Mittag  war  die  Sonne  voll- 
kommen unbedeckt.  An  diesem  Tage  gingen  alle  Versuchspflanzen  (welche 
auch  an  diesem  Tage  nicht  begossen  wurden)    durch  Verdorren  zu  Grunde." 

Giltay  machte  vergleichende  Versuche  über  die  Grösse  der  Transpiration 
von  Helianthus  tuberosus  zu  Buitenzorg  und  zu  Wageningen  in  Holland.  Es 
ergab  sich,  dass  der  tägliche  Wasserverlust  in  beiden  Fällen  der  gleiche  war, 
nämlich  im  Durchschnitt  0,6  g  pro  Stunde,  doch  scheint  auch  hier  die 
Transpiration  während  der  heissen  Mittagsstunden  in  Buitenzorg  bedeutend 
stärker  gewesen  zu  sein  als  in  Holland. 

Wie  eingehende  Versuche  ergaben,  die  von  G.  Haberlandt  zu  Buitenzorg 
im  Januar,  also  mitten  in  der  Regenzeit  und  zu  Graz  während  heisser 
Augusttage  angestellt  wurden,  ist  im  Schatten  die  Transpiration  im 
feuchten  tropischen  Klima  weit  schwächer  als  in  Mitteleuropa. 

Die  Luftfeuchtigkeit  schwankte  zur  Zeit,  in  der  Haberlandt  seine  Ver- 
suche anstellte  (December,  Januar),  zwischen  70  —  97  °/0.  „Das  Minimum 
(70  —  80  °/0)  trat  um  die  Mittagszeit,  oft  erst  um  1  Uhr  Nachmittag  ein. 
Dann  nahm  die  Feuchtigkeit  bei  eintretendem  Regen  rasch  zu,  um  schon 
zwischen  3  und  4  Uhr  Nachmittag  eine  Höhe  von  90  —  95%  zu  erreichen. 
Von  geringen  Schwankungen  abgesehen ,  die  selten  mehr  als  5  °/0  betrugen, 
erhielt  sich  die  Curve  bei  typischem  Verlaufe  von  Abend  an  bis  circa  7  Uhr 
früh  in  der  Höhe  von  93  —  97  °/0,  um  dann  allmählich  bis  Mittag  wieder  zu 
sinken." *)  Die  Temperatur  während  der  Versuchszeit  zeigte  eine  tägliche 
Schwankung  von  6 — 8°C. 

„Die  tägliche  Temperaturcurve  zeigte  in  der  Regel  folgenden  Verlauf: 
Morgens  zwischen  6  und  7  Uhr  war  die  Temperatur  am  niedrigsten.  Das 
Minimum  schwankte,  von  extremen  Fällen  abgesehen,  zwischen  2 1  und  2  3  °  G 
Während  des  Vormittags  stieg  die  Temperatur  erst  rasch,  dann  etwas  lang- 
samer bis  auf  29  —  30.5°  C.  Dieses  Maximum  wird  selten  schon  zur  Mittags- 
zeit, gewöhnlich  erst  zwischen  1  und  2  Uhr  Nachmittags,  erreicht  Nun  sinkt 
die  Temperatur  nach  Maassgabe  der  nachmittägigen  Umwölkung,  beziehungs- 
weise der  Ausgiebigkeit  und  Dauer  des  Regenfalles  bald  rascher,  bald  lang- 
samer auf  23  —  25°  herab." 

Transpirationsgrösse  der  Blätter  in  Buitenzorg  und  in  Graz. 

Nach  G.  Haberlandt. 

(Pro  Tag  und  1   dm  in  Gramm.) 

I.    Buitenzorg. 

Conocephalus  ovatus 0.29 

Musa  Ensete 0.45 

Gonocaryum  pyriforme 0.45 

Daemonorops  oblongus 0.47 

Xanthophyllum  vitellinum 0.58 

Carica  Papaya 0.62 

Pterocarpus  saxatilis 0.71 

J)  I.  S.  6. 


I.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        24 1 

Cocos  nucifera 0.89 

Grammatophyllum  speciosum 0.89 

Bactris  speciosa 1.00 

Theobroma  Cacao 1.06 

Albizzia  moluccana 1.19 

Ficus  elastica 1.52 

Sanchezia  nobilis 1.56 

Loranthus  pentandrus 1.86 

Phönix  spec 2.60 

Acalypha  tricolor 3.25 

IL    Graz. 

Aesculus  Hippocastanum 1.37 

Syringa  vulgaris 2.03 

Acer  pseudoplatanus 2.03 

Corylus  Avellana 3.33 

Coraus  sanguinea 4.09 

Pyrus  communis 5.97 

III.    Nach   N.  J.  C.  Müller. 

Pappel 2.42 

Eiche 2.89 

Buche 3.50 

Birke 3.65 

Weide 4.22 

Hainbuche 4.36 

Erle 7.96 

§  2.  Pflanzenphysiologische  Wirkungen  des  Tropenlichtes.  Bei 
den  bekannten  Wirkungen  des  Lichtes  auf  Wachsthum  und  Trans- 
piration ist  mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  das  Tropenlicht,  seiner 
grösseren  Intensität  entsprechend,  die  erwähnten  Vorgänge  auch  stärker 
beeinflusst,  als  das  schwächere  Licht  hoher  Breiten.  In  der  That  ist 
das  Längenwachsthum  der  Bambuse  ganz  auffallend  geringer  in  den 
Tages-  als  in  den  Nachtstunden,  das  Längenwachsthum  der  Luftwurzeln 
von  Taeniophyllum  Zollingeri  hört  schon  bei  relativ  sehr  massigen  Inten- 
sitäten des  Tageslichtes  ganz  auf,  jedoch  auch  bei  sehr  schwacher  Be- 
leuchtung, und  die  verhältnissmässig  starke  Transpiration,  welche  das 
schlaffe  Herabhängen  des  Laubes  vieler  Tropenpflanzen  in  den  hellsten 
Stunden  bedingt,  ist  zum  Theil  als  eine,  wenn  auch  indirekte  Wirkung 
der  leuchtenden  Strahlen  aufzufassen. 

Der  Antheil  des  Lichtes  an  den  eben  erwähnten  Vorgängen  ist 
noch  nicht  zahlenmässig  festgestellt  worden.  Dagegen  ist  namentlich 
durch  Beobachtungen  Wiesner's  in  Buitenzorg  ein  Einblick  in  ver- 
schiedene specifische  Lichtwirkungen  eröffnet  worden. 

Die  Licht  läge  der  Blätter  tropischer  Gewächse  weicht,  nach 
Wiesner's  Untersuchungen,   im  allgemeinen  von  derjenigen   temperirter 

Schimper,   Pflanzengeographie.  l6 


242  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Gewächse  ab,  indem  sie  nicht,  wie  bei  diesen,  überall  senkrechte 
Stellung  zum  stärksten  diffusen  Licht  erstrebt,  sondern  solches  Ver- 
halten nur  im  inneren,  lichtarmen  Theile  der  Krone  zeigt,  an  der 
Peripherie  des  Baumes  hingegen  vor  den  Strahlen  hohen  Einfalls  aus- 
weicht. Hier  sind  also  die  Blätter  durch  das  direkte  Sonnenlicht  in 
ihrer  Lage  fixirt. 

Durch  die  eben  geschilderte  Lichtlage  der  den  Sonnenstrahlen 
direkt  ausgesetzten  Blätter  wird  einerseits  der  starken  Erhitzung  und 
dadurch  der  übermässigen  Transpiration,  anderseits  der  Zerstörung 
des  Chlorophylls  durch  intensives  Licht  vorgebeugt.  Mehrere 
Eigenthümlichkeiten  des  tropischen  Laubs  scheinen  speciell  zu  letzterem 
Zwecke  erworben  oder  doch  demselben  nebenher  zu  dienen ,  wie  Be- 
wegungen der  Blättchen  gefiederter  Blätter,  starke  Lichtreflexion  der 
Blattflächen,  langes  Beibehalten  des  turgorlosen  Zustands  und  dadurch 
bedingtes  schlaffes  Herabhängen  junger  Blätter,  Faltungen,  Haarüber- 
züge u.  s.  w.  *)  Trotz  aller  derartiger  Schutzvorrichtungen  ist  die  Zer- 
störung des  Chlorophylls  durch  das  intensive  Tropenlicht  eine  sehr  in 
die  Augen  fallende  und  verbreitete  Erscheinung.  So  sind  die  Blätter 
der  als  Zierbaum  häufig  cultivirten  Pisonia  alba  in  der  Jugend  auf- 
recht und  saftgrün;  später  stellen  sie  sich  senkrecht  zur  Richtung  des 
intensivsten  Tageslichts  und  erleiden  eine  so  vollkommene  Zerstörung 
ihres  Chlorophylls,  dass  sie  beinahe  rein  weiss  werden2).  Ueberhaupt  sind 
gelbliche  Verfärbungen  des  Laubs  an  sonnigen  Standorten  der  Tropen 
ganz  allgemein. 

Die  grössere  Intensität  des  Tropenlichtes  ermög- 
licht auch  eine  üppigere  Entwickelung  der  Schattenflora 
als  in  den  höheren  Zonen.  Hier  jedoch  wirkt  die  Eigenschaft 
der  Gewächse,  bei  höheren  Temperaturen  weniger  lichtbedürftig  zu  sein, 
im  gleichen  Sinne  verstärkend  mit.  Wiesner  hat  in  der  That  tropische 
Pflanzen  bei  einer  Schwäche  der  Beleuchtung  gedeihen  sehen,  die  bei 
uns  jedes  grüne  Pflanzenleben  ausschliessen  würde.  Es  wäre  von 
grosser  Wichtigkeit,  die  Schattenvegetation  des  Urwaldes  nach  den  von 
Wiesner  eingeführten  Gesichtspunkten  und  Methoden  näher  zu  untersuchen. 

So  hat  der  genannte  Forscher  ein  javanisches  Gras,  Orthopogon  Wiesneri 
Schiffher,  „in  spurenweisen  Anflügen  im  Schatten  einer  Myristica  moschata 
bei  h.  =  lll00  (L  max.  =  0.016),  aber  nicht  mehr  im  Schatten  des  tiefsten 
Palmendickichtes,  nämlich  bei  L.  =  V120  (*•  niax.  =  0.011,    L  med.  =0.003). 

Unter  allen  krautigen  nicht  epiphytischen  Dicotylen  fand  Wiesner  Geo- 
phila  reniformis  Don.  am  tiefsten  in  den  Schatten  gehend.  Sie  blüht  noch 
bei  L.=  l/61  (L  max.  =  0.026;  L  med.  =  0.011).  Blüthenlos  erträgt  sie  eine 
beinahe  ebensogrosse  Abschwächung  des  Lichtes  wie  Orthopogon  WiesnerL 


x)  Vgl.  Wiesner,  Johow,  Haberlandt  L  c.     *)  Wiesner. 


L  Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        243 

Die   Intensität   der  Sonnenstrahlung   in   den  Tropen    ist   so   gross,    dass 
manche  Culturpflanzen,  namentlich  Caffee  und  Cacao,  wenigstens  in  der  Jugend, 


Fig.    115.     Pandanus  Sechellarum  Balf.  f.  Seychellen.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Dr.  A.  Brauer. 


der  Beschattung  bedürfen.  Man  benutzt  zu  diesem  Zwecke  Bäume  mit  lichter 
Krone,  vornehmlich  solche  mit  gefiederten  Blättern,  auf  Java  namentlich 
Albizzia    moluccana  Miq.,   auch    Cedrela  serrulata  Miq.,    Cedrela  odorata  L., 

16* 


244  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Pithecolobium  Saman  Benth.  Im  tropischen  Amerika  finden  zu  solchem  Zwecke 
hauptsächlich  Erythrina  -  Arten  Verwendung.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich 
dabei  weniger  um  Abhaltung  der  leuchtenden  und  der  chemischen  Strahlen, 
als  der  Wärmestrahlen,  welche  zu  grosse  Erwärmung  und,  in  Folge  dessen, 
zu  grosse  Transpiration  bedingen  würden. 

Wiesner  hat  über  die  Lichtintensität  unter  den  Schattenbäumen  im  Ver- 
suchsgarten zu  Tjikömöh  bei  Buitenzorg  einige  Messungen  angestellt  und  fand: 

Albizzia  moluccana  Miq 1/2.81 

Cedrela  serrulata  Miq 1/3.3 

Cedrela  odorata  L 1/3.7 

Pithecolobium  Saman  Benth    .     .     .  1/4.2 

§  4.  Pflanzenphysiologische  Wirkungen  der  Hydrometeore.  Die 
Unterschiede  in  der  Oekologie  tropischer  Gewächse  stehen  in  erster 
Linie  mit  denjenigen  der  Hydrometeore  im  Zusammenhang.  Dieselben 
bedingen  für  sich  allein,  meist  ohne  jede  auch  nur  indirekte  Mitwirkung 
der  Temperatur,  die  Herrschaft  von  Gehölz  oder  Grasflur,  den  hygro- 
philen,  tropophilen  oder  xerophilen  Charakter  der  Vegetation  und  die 
periodischen  Erscheinungen.  Dementsprechend  sind  auch  die  Unter- 
schiede der  klimatischen  Feuchtigkeit  für  die  Areale  der  Arten  innerhalb 
der  Tropen  maassgebend. 

Den  durch  die  Verschiedenheit  der  Hydrometeore  bedingten  ver- 
schiedenen Typen  der  Gehölze  und  Grasfluren,  wie  sie  die  in  den  Tropen 
und  den  klimatischen  Bedingungen  ihres  Vorkommens  sind,  ebenso 
wie  den  periodischen  Erscheinungen,  besondere  Kapitel  gewidmet. 

Wiesners  Untersuchungen  über  Ombrophilie  und  Ombrophobie 
der  tropischen  Vegetation  mögen  an  dieser  Stelle  Berücksichtigung 
, finden,  da  die  Untersuchungen  noch  zu  unvollständig  sind,  um  bei  der  Charak- 
.terisirung  der  einzelnen  klimatischen  Gebiete  Verwendung  zu  finden  Nach 
^denselben  besitzt  die  grosse  Mehrzahl  der  Gewächse  im  feucht- 
warmen westlichen  Theile  von  Java  ausgesprochen  ombro- 
philes  Laub  und  dieser  Befund  lässt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  auf 
die  Vegetation  im  stets  feuchten  tropischen  Klima  überhaupt  ausdehnen.  Da- 
gegen dürfte  in  denjenigen  Theilen  der  heissen  Zonen,  wo  lange  regenlose 
Perioden  regelmässig  auftreten,  das  Verhältniss  sich  zu  Gunsten  der  ombrophoben 
Arten  ändern.  Diesbezügliche  Untersuchungen  liegen  zwar  nicht  vor,  a^er 
die  Häufigkeit  in  solchen  Gebieten  von  Succulenten  und  anderen  Gewächsen 
mit  unbenetzbaren  Ueberzügen  spricht  zu  Gunsten  solcher  Ansicht. 

Manche  entschieden  ombrophoben  Gewächse  gedeihen  allerdings  auch 
im  immerfeuchten  Klima;  so  macht  Wiesner  mit  Recht  auf  die  gute  Ent- 
wickelung  verschiedener  Opuntia-  und  Cereus- Arten  im  Botanischen  Garten 
zu  Buitenzorg  aufmerksam.  Diese  Pflanzen  sind  aber  auf  sehr  offene,  sonnige 
Standorte  beschränkt,  wo  stark  ombrophile  Pflanzen  unter  zu  grosser  Transpiration 
leiden  würden.  Hingegen  ist  auf  Ombrophobie  das  schlechte  Gedeihen  vieler 
Gewächse    trockenerer   Klimate    in   Westjava    und    in    anderen   sehr    feuchten 


I.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        245 

Tropengebieten  zurückzuführen.  Nachgewiesen  wird  dieses  von  Wiesner 
namentlich  für  die  Rosen,  welche  in  tropischen  Gärten  beinahe  stets  sehr 
dürftigen  Habitus  besitzen.  Ihr  Laub  ist  schwach  entwickelt  und  hinfällig; 
ihre  Corollen  sind  klein  und  unregelmässig.  Uebrigens  sind  die  verschiedenen 
Rosenarten  ungleich  ombrophob  und  gedeihen  dementsprechend  ungleich 
schlecht,  bezw.  gar  nicht. 

Zu  den  einheimischen  ombrophoben  Gewächsen  immerfeuchter  Gebiete 
gehören  namentlich  solche  mit  zartem  gefiederten  Laube,  die  sich  durch  ihre 
Bewegungen  dem  Anprall  des  Regens  mehr  oder  weniger  entziehen,  wie 
Mimosaceen,  Oxalis- Arten  u.  dgl.  Solche  Formen  treten  aber  hier,  nament- 
lich im  Walde,  sehr  zurück;  ihre  starke  Entwickelung  ist  für  die  Vegetation 
trockenerer  Klimate  charakteristisch. 

Der  Ombrophilie  entsprechend,  ist  das  Laub  im  immerfeuchten  Klima 
in  der  Regel  leicht  benetzbar;  übrigens  wird,  wie  Wiesner  zeigt,  sehr  häufig 
schwer  benetzbares  Laub  durch  anhaltende  Befeuchtung  leicht  benetzbar  und 
umgekehrt.  Die  jungen  Blätter  sind  in  der  Regel  unbenetzbar  und  ombro- 
phob; sie  werden  später  benetzbar  und  ombrophil  um,  in  höherem  Alter, 
wieder  die  Eigenschaften  ihrer  Jugend  anzunehmen.  Dann  gehen  sie  in  Folge 
starker  Regen  leicht  zu  Grunde  und  fallen  ab,  indem  sie  im  Gegensatz  zu 
jungen  Blättern,  durch  ihre  Lage  gegen  den  Regen  nicht  geschützt  sind. 

Viele  Bäume  der  periodisch  trockenen  Gebiete  werfen  ihre  Blätter  noch 
während  der  Regenzeit  ab;  es  liegt  nahe  hierin  eine  Folge  der  mit  dem 
Alter  fortschreitenden  Ombrophobie  zu  erblicken.  Andererseits  bin  ich  in 
Reiseberichten  hin  und  wieder  der  Angabe  begegnet,  dass  gewisse  Bäume 
oder  sogar  ganze  Wälder  auf  der  Höhe  der  Regenzeit  laublos  werden.  Es 
ist  überhaupt  sehr  wahrscheinlich,  dass  in  manchen  Fällen  nicht  Trockenheit, 
sondern  grosse  Nässe  dem  periodischen  Laubfalle  in  der  Natur  zu  Grunde 
liegt  Es  wäre  wünschenswerth,  dass  im  Anschluss  an  Wiesner's  Versuche  die 
Ursache  des  Laubfalles  in  den  Tropen  näher  untersucht  würde. 


3.  Floristischer  Charakter  der  Tropenzone. 

Die  von  den  Wendekreisen  eingeschlossenen  Zonen  besitzen,  mit  Aus- 
nahme einiger  Grenzgebiete  von  meist  geringer  Ausdehnung,  wo  die 
Wintertemperatur  regelmässig  auf  den  Gefrierpunkt  fallt ,  eine  ausge- 
prägte Megathermenflora ,  welche  stellenweise,  z.  B.  in  Südflorida  und 
Südbrastlien ,  etwas  über  die  Wendekreise  hinausgreift.  Doch  zeigt 
sich  in  solchen  Fortsätzen  die  Megathermenflora  bereits  beträchtlich 
verarmt,  indem  die  jährliche  Temperaturcurve  dem  ökologischen  Opti- 
mum vieler  Arten  nicht  mehr  entspricht.  Namentlich  fehlt  es  häufig  an 
den  zur  Fruchtreife  nöthigen  Temperaturen. 

Die  folgende  Uebersicht  soll  die  megathermen  Floren  im  Allge- 
meinen charakterisiren,  indem  sie  die  in  den  tropischen  Tiefländern 
vertretenen   Familien   in   systematischer   Reihenfolge   auffuhrt   und    die 


246  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Rolle,  welche  dieselben  durch  Arten-  und  Individuenzahl  spielen,  kurz 
skizzirt.  Die  Wasserpflanzen  bleiben,  da  ihnen  ein  besonderer  Ab- 
schnitt gewidmet  ist,  unberücksichtigt. 

Thallophyten. 

Die  Algen  haben  zwar  in  der  tropischen  Zone  als  Landpflanzen 
nur  eine  ganz  untergeordnete  Bedeutung;  letztere  ist  jedoch,  wenig-* 
stens  in  regenreichen  Gebieten,  immerhin  grösser  als  in  anderen 
Zonen.  Viele  Arten  leben  als  Epiphyten,  namentlich  auf  Blättern.  Die 
Pilzfloren  der  Tropen  sind  noch  ganz  ungenügend  erforscht.  Doch 
scheint  jetzt  schon  festzustehen,  dass  die  in  Europa  nachgewiesenen 
grösseren  Ordnungen  sämmtlich  vertreten  sind.  Es  fehlt  im  Uebrigen 
an  tiefgreifenden  Unterschieden  nicht  und  manche  der  bei  uns  besonders 
hervortretenden  Gruppen,  namentlich  unter  den  Hymenomyceten,  treten 
in  den  heissen  Zonen  sehr  zurück. 

Die  folgenden  Angaben  Alf.  'Möller's  über  die  Pilzvegetation  des  süd- 
brasilianischen Küstenwaldes  gelten  von  allen  mir  bekanntenTropenwäldern : 

„An  feuchten  Herbsttagen  findet  man  in  unserem  deutschen  Walde  weit 
mehr  für  das  blosse  Auge  auch  des  nicht  besonders  danach  suchenden  Be- 
obachters auffallige,  das  Waldbild  merklich  beeinflussende  Pilze,  als  jemals 
im  brasilianischen  Urwalde.  Dort  giebt  es  nichts,  was  sich  mit  den  bunten 
Trupps  unserer  zahlreichen  Hutschwämme  des  Waldbodens  vergleichen  liesse. 
Der  Eindruck,  den  der  unbefangene  Reisende  im  brasilischen  Urwald  em- 
pfangen muss,  ist  zunächst  der,  dass  es  dort  sehr  wenig  Pilze  zu  geben 
scheint.  In  Wirklichkeit  freilich  ist  das  nicht  zutreffend,  die  Pilzflora  ist 
eine  ungeheuer  reiche,  aber  vorzugsweise  sind  in  grossen  Massen  die  kleinen 
Formen  vertreten,  welche  man  nur  sieht,  wenn  man  aufmerksam  danach 
sucht,  und  die  grösseren  Formen  werden  meist  nur  vereinzelt  getroffen.  *) 

Unter  den  Flechten  spielen  die  Ascolichenen,  wenigstens  was 
Zahl  und  Grösse  der  Individuen  betrifft,  eine  weit  geringere  Rolle  als 
bei  uns.  Stattliche  und  massenhaft  auftretende  Formen,  wie  Usneen 
u.  s.  w.  zeigen  sich  erst  im  Hochgebirge,  also  ausserhalb  des  Mega- 
thermenklimas.  Cora  pavonia,  welche  für  sich  allein  die  Klasse  der 
Hymenolichenen  bildet,  ist  ausschliesslich  tropisch  und  scheint  innerhalb 
der  Wendekreise  kosmopolitisch  zu  sein.  Sie  zeigt  sich  in  ihren  ver- 
schiedenen Wuchsformen,  namentlich  jedoch  in  der  eigentlichen  Cora- 
form  massenhaft  auf  feuchtem  Boden  und  auf  Baumrinden. 

Bryophyten. 

Die  Megathermen  sind  unter  den  Moosen,  namentlich  unter  den 
Laubmoosen  selten  und  stellen  meist  kleine  unscheinbare  Arten  dar,  die 

l)  1.  c  S.   154. 


I.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        247 

ausser  an  kühlen,  feuchten  Standorten  spärlich  und  für  das  Vegetations- 
bild ganz  irrelevant  sind.  Um  so  reichlicher  treten  sie  in  den  kühlen 
Regionen  der  tropischen  Hochgebirge  auf  (vgl.  Abschnitt  IV). 

Pteridophyten. 

Die  Farne  entwickeln  in  den  Tropen  einen  ausserordentlichen 
Formenreichthum  und  variiren  in  ihren  Dimensionen  von  kleinen  moos- 
artigen Gestalten  bis  zu  Baumgrösse.     Die  meisten  sind  hygrophil  und 


Fig.  116.     Waldlandschaft   auf  den   Seychellen.     Im  Vordergrund:    Gleichenia  linearis.     Im 

Hintergrund:   Palmen   (wahrsch.  Roscheria  melanochaetes  H.  Wendl),   Pandanus   etc.     Nach 

einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  A.  Brauer. 


schattenliebend,  so  dass  nur  feuchte  Wälder  einen  grossen  Farnreich- 
thum  aufweisen.  Ausserdem  sind  sie  der  Mehrzahl  nach  nicht  ausge- 
sprochen megatherm,  sondern  ziehen  ein  mildes,  wenn  auch  möglichst 
gleichmässiges  Klima  vor,  so  dass  die  grösste  Massenentwickelung  der 
Farne,  namentlich  auch  diejenige  der  baumartigen  Formen,  sich  weniger 
im  Tieflande  als  in  kühleren  Gebirgslandschaften  zeigt. 

Drei  Farnordnungen  sind  ausschliesslich  tropisch,  die  Gleicheniaceen, 
Schizaeaceen ,  und  Marattiaceen.  Die  Gleicheniaceen  sind  wiederholt 
dichotomisch  verzweigte,  sehr  eigenartig  aussehende  Farne,  die  im 
Gegensatz  zu  den  meisten  ihrer  tropischen  Verwandten,  offene  sonnige 


248 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Standorte,  und  zwar  meist  in  grossen  Gesellschaften  bewohnen.  Nament- 
lich gilt  das  letztere  von  der  in  der  Tropenzone  beinahe  kosmopolitischen 
und  überall  gemeinen  Gleichenia  linearis  (Fig.  1 16  im  Vordergrund). 

Die  Schizaeaceen  (z.  B.  Aneimia,  xerophile  Gattung,  vornehmlich 
im  Inneren  Brasiliens ;  Lygodium- Arten,  in  Regenwäldern  kletternd)  und 
die  Marattiaceen  (z.  B.  Angiopteris  evecta,  riesige  krautige  Form  mit 
kopfgrossem,  rundem,  oberirdischem  Stamm,  in  Ostasien)  sind  niemals 
Hauptbestandtheile  von  Formationen. 


Fig.  117.     Dioon  edule.    Mexico :  Cerro  colorada,  s.  ö.  v.  Jalapa.    Nach  einer  Photographie 

des  Herrn  Prof.  Dr.  Stahl. 


Vorwiegend,  jedoch  nicht  ausschliesslich  tropisch  sind  die  Cya- 
theaceen,  zu  welchen  beinahe  sämmtliche  Baumfarne  gehören  (Arten 
von  Cyathea,  Dicksonia,  Alsophila)  und  die  Hymenophyllaceen, 
kleine,  oft  moosartige  Kräuter  mit  durchsichtigem  Laube,  welche  in 
feuchten,  schattigen  Wäldern  Baumstämme  und  Felsen  überziehen,  ähn- 
lich wie  bei  uns  die  Moose. 

Die  grosse  Masse  der  tropischen  Farne  gehört  zu  der  auch  bei 
uns  vornehmlich  vertretenen  Ordnung  der  Polypodiaceen  und  zum 


1.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        24Q 

beträchtlichen  Theile  zu  denselben  Gattungen,  namentlich  Polypodium, 
Aspidium,  Asplenium,  Pteris  etc.  Nur  wenige  und  seltene  Polypodia- 
ceen  sind  baumartig. 

Die  Lycopodiaceen  sind  weit  weniger  hervortretend  als  die 
Farne,  aber  immerhin  von  grösserer  Bedeutung  als  in  den  temperirten 
Floren.  Selaginella-Arten  bilden  oft  die  hauptsächliche  Bedeckung  des 
Waldbodens,  Lycopodium  cernuum  ist  an  lichten  Stellen  ungemein 
häufig,  andere  Arten  von  Lycopodium,  sowie  solche  von  Psilotum  sind 
stellenweise  häufige  Epiphyten. 


Fig.   118.     Cocos    nucifera   am   Strande.     Seychellen.     Nach   einer   Photographie   von  Herrn 

Dr.  A.  Brauer. 


Die  Equisetaceen  sind  nicht  stärker  entwickelt  als  in  den  tem- 
perirten Zonen. 

Gymnospermen. 

Die  Gymnospermen  haben  für  die  Megathermenfloren  eine  ganz 
untergeordnete  Bedeutung.  Die  Coniferen  fehlen  gänzlich ;  sie  finden 
sich  zwischen  den  Wendekreisen  nur  im  Hochgebirge,  jenseits  des 
tropischen  Klimas.  Die  Cycadeen  (Fig.  117)  bilden  zwar  sehr  charak- 
teristische, aber  der  Zahl  der  Arten  und  Individuen  nach  untergeordnete 
Erscheinungen  und    das  letztere,   aber   nicht    das  erstere  gilt  auch  von 


250 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


den   in   ihren   vegetativen   Organen   mit   Dicotyledonen    ganz   überein- 
stimmenden Gnetumarten. 


Monocotylen. 

Die  Monocotylen  liefern  die  charakteristischsten  Erscheinungen  der 
Tropenflora.     In  erster  Linie   gilt   dieses  von   den  Palmen,   die  ihre 

überwiegende  Be- 
deutung für  tro- 
pische Landschaf- 
ten allerdings  zum 
grösseren  Theile  der 
Cultur  verdanken. 
Das  letztere  gilt 
namentlich  von  der 
Cocospalme,  Cocos 
nucifera,  deren  die 
meisten  tropischen 
Küsten  bedeckende 
Haine  wohl  nur  aus- 
nahmsweise ohne 
Mitwirkung  desMen- 
schen entstanden 
sind.  (Fig.  118  und 
224).  —  In  den 
tropischen  Cultur- 
ländern  wird  man 
ferner  stets  die  aus 
den  Antillen  und 
Südflorida  stam- 
mende Königspal- 
me, Oreodoxa  regia, 
die  stattlichste  ihres 
Geschlechts,  ange- 
pflanzt finden.  Be- 
rühmt sind  die  von 
Oreodoxa  regia  ge- 
bildeten Alleen  in  Rio  de  Janeiro  und  auf  Ceylon.  Zu  den  gewöhn- 
lichsten Culturpalmen  gehört  ferner  die  nur  als  Nutzpflanze  hervor- 
ragende Arenga  saccharifera.  In  Ostasien,  namentlich  im  malayischen 
Archipel,  wird  man  schon  von  ferne  an  dem  Auftreten  der  Betelpalme 
Areca  Catechu  (Fig.  123),  die  Anwesenheit  menschlicher  Ansiedelungen 
erkennen.     Der   dünne,   aber   hohe   und    pfeilgerade  Stamm  trägt  eine 


Fig.   119.     Oreodoxa  regia.     Junges  Exemplar  im  tropischen 
Regenwald  Südflorida's.     Aus  „Garden  and  Forest". 


I.    Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        2  5  I 

kleine  Krone  smaragdgrüner  Blätter.  Vornehmlich  als  Zierbaum  endlich 
sieht  man  die  eigenartige  Caryota  urens,  deren  doppeltgefiederte  Blätter 
dreieckige  Fiedern  tragen  und  einigermaassen  an  Adiantum  erinnern. 
Noch  eine  grosse  Anzahl  anderer  Palmen  werden  als  Nutz-  oder  Zier- 
bäume cultivirt,  jedoch  ohne  so  allgemein  verbreitete  Erscheinungen  dar- 
zustellen, z.  B.  zahlreiche  Fächerpalmen,  die  Sagopalmen  (Metroxylon 
Rumphii  Mart.  und  M.  laeve  Mart),  Phytelephas  macrocarpa  etc. 

In  den  natürlichen  Landschaften  sind  die  Palmenarten  nach  den 
einzelnen  Gebieten  sehr  wechselnd,  oft  derart,  dass  eine  der  baumartigen 
die  anderen  sehr  überwiegt.  (Vgl.  z.  B.  Fig.  116  und  121).  Neben  den 
Bäumen  sind   auch  Lianen  (Calamus,  Desmoncus)   sowie   kurzstämmige 


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Fig.    120.     Wäldchen   von  Phoenix  silvestris  auf  sumpfigem  Boden  bei  Bombay.    Nach  einer 
Photographie  von  Herrn  Prof.  Dr.  Deichmüller. 


(z.  B.  Geonoma-Arten)  oder  stammlose  Formen  in  den  Wäldern  selten 
fehlend.  Palmen  wachsen  auch  zerstreut  in  Savannen  (z.  B.  Hyphaene- 
Arten,  Copernicia  tectorum  etc.).  Eigene  Formationen,  Palmenhaine,  bilden 
sie  vornehmlich  auf  sumpfigem  oder  häufig  überschwemmtem  Boden, 
z.  B.  Mauritia  setigera  auf  Trinidad,  andere  Mauritia-Arten  im  nördlichen 
Süd-Amerika,  Phoenix  silvestris  in  Vorderindien  (Fig.  120),  Nipa  fruticans 
in  der  ostasiatischen  Mangrove  (Fig.  224  u.  225). 

Nächst  den  Palmen  gehören  die  baumartigen  Gräser,  namentlich 
Arten  von  Bambusa  und  Dendrocalamus  (Fig.  113)  zu  den  charakte- 
ristischsten Formen  tropischer  Landschaften.  Allerdings  fehlen  sie 
ebenso  wie  die  Palmen,  nicht  ganz  in  den  subtropischen  Zonen  und 
gehen  in  Japan  bis  in  die  kühle  gemässigte  Zone  hinein.  Die  Bam- 
busen  verdanken  ihr  massenhaftes  Vorkommen  im  grösseren  Theile 
der  Tropenzone   (Afrika  ist  daran  arm)   vorwiegend  der  Cultur.     Doch 


252 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


sind  sie  auch  im  wilden  Zustande  häufig.  Die  grössten  Formen 
wachsen  zerstreut  im  Walde  zwischen  anderen  Bäumen  oder  bilden 
selbständige  Wälder  (Fig.  205);  kleinere  Formen  sind  als  Unter- 
holz häufig. 

Sehr  eigenartige  und  stellenweise  sehr  häufige,  jedoch  selten  massen- 
haft auftretende  Formen  der  megathermen  Floren  sind  die  Pandanus- 
Arten  (Fig.  115,  116,  122).  Sie  sind  auf  die  alte  Welt  beschränkt  Vor- 
nehmlich sieht  man  sie  auf  dem  Meeresstrande,  jedoch  auch  in  Wäldern ; 
nur  sehr  selten  bilden  sie  selbständige  Bestände. 


Fig.   121.     Lodoicea   Seychellarum ,   wildwachsend.     Insel   Praslin,   Seychellen.     Nach    einer 
Photographie  des  Herrn  Dr.  A.  Brauer. 


Die  Araceen  pflegen  in  tropischen  Waldlandschaften  durch  ihr 
massenhaftes  Auftreten  und  die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Arten  einen  hervor- 
ragenden Platz  einzunehmen.  Man  findet  unter  ihnen  Lianen  (z.  B. 
Philodendron- ,  Monstera- ,  Pothos- Arten) ,  Epiphyten  (z.  B.  Anthurium-, 
Philodendron-Arten) ,  und  viele,  oft  gesellig  wachsende  Bodenkräuter. 
Zu  ihnen  gehören  einige  der  merkwürdigsten  Erzeugnisse  der  Tropen, 
wie  beispielsweise  der  gigantische  Amorphophallus  Titanum  auf  Sumatra. 
Araceen  sind  auch  wichtige  Bestandtheile  der  Sumpfflora  (Colocasia-, 
Alocasia-Arten  etc.). 

Die  Scitamineen    sind   als   manneshohe   Stauden   häufige    und 


I.    Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        253 

hervorragende  Bestandtheile  der  Waldflora.  Die  Bananen  (Musa  para- 
disiaca  und  M.  sapientum)  (Fig.  49)  gehören  nicht  bloss  zu  den  all- 
gemeinsten und  auffälligsten  Culturpflanzen,  sondern  sind,  in  Asien,  auch 
im  Walde  häufig.  Für  den  tropisch-amerikanischen  Wald  sind  nament- 
lich die  Heliconien,  für  den  asiatischen  verschiedene  Zingiberaceen 
charakteristisch.  Madagascar  besitzt  die  einzige  baumartige  Form  der 
Ordnung,  Ravenala  madagascariensis,  den  Baum  der  Reisenden,  welcher 
in  allen  tropischen  Culturländern  als  Zierbaum  gezogen  wird  (Fig.  123). 

Endlich  sind  unter  den  als  Florenbestandtheile  hervortretenden 
Monocotylen- Familien  die  Or- 
chideen zu  nennen,  die  na- 
mentlich als  Epiphyten  eine 
erstaunliche  Formenmannigfal- 
tigkeit entwickeln,  und  für  das 
tropische  Amerika,  die  ebenfalls 
vorwiegend  epiphytisch  leben- 
den Brom  eliaeeen.  Die  gras- 
artigen Eriocaulaceen  sind, 
namentlich  in  Arten  der  Gattung 
Paepalanthus ,  wesentliche  Be- 
standtheile der  südamerikani- 
i  n  Grasflurgebiete  und  die, 
wie  die  letzterwähnte  Familie 
zu  der  Ordnung  der  E  n  a  n  t  i  o  - 
b  lasten  gehörenden  Comme- 
Hnaceen  sindy  namentlich  in 
Arten  der  Gattung  Commelina, 
s-ehr  verbreitet, 

Mehrere  der  für  die  tem- 
perirten  Zonen,  wichtigsten  mo- 
nocotylen Familien,  wie  Cype- 
raeeen ,  Juncaceen ,  Liliaceen, 
Amaryllidaceen  haben  abgesehen 

von  einzelnen  nicht  ausschliesslich  tropischen  Gattungen  (Smilax,  Agave, 
Fourcroya  etc.)  meist  nur  untergeordnete  Bedeutung. 


Fig.   122.     Pandanus  sp.    Botanischer  Garten  zu 

Buitenzorg.    Nach  einer  Photographie  von  Herrn 

Dr.  G.  Karsten. 


Dicotylen. 

Die  Dicotylen  überwiegen  in  der  Tropenflora, die  Monocotylen  um 
ein  Beträchtliches  und  die  Zahl  der  rein  tropischen  Familien  ist  unter 
ihnen  beträchtlich  grösser.  Ihre  Merkmale  sind  jedoch  weit  weniger 
augenfällig,  so  dass  ein  wesentlich  nur  von  Dicotylen  zusammengestelltes 
Vegetationsbild  einem  solchen  der  temperirten  Zonen  häufig  sehr  ahn- 


254 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


lieh  aussieht.  Wo  hervorstechende  Eigentümlichkeiten  zum  Vorschein 
treten  (eigenartige  Verzweigung,  abweichende  Stellung  der  Blätter  zum 
Horizont,  Plankengerüste,  Luftwurzeln,  Epiphyten  etc.)  sind  dieselben  in 
der  Regel  nicht  Familienmerkmale,  sondern  in  den  verschiedensten 
Formenkreisen  wiederkehrende  ökologische  Anpassungen. 

Die  Verbreitung  der  Amentaceen  in  den  Tropen  ist  derjenigen 
der  Coniferen  vergleichbar,  indem  sie  in  höheren  Gebirgsregionen  ien- 


Fig.   123.     Aus   dem   botanischen  Garten   zu  Singapore.     Die  Palme  links:    Areca  Catechu. 
Rechts:    Ravenala  madagascariensis.     Nach   einer  Photographie   des  Herrn  Prof.  Kükenthal. 


seits  des  Megathermenklimas  ein  beträchtliches  Contingent  der  Flora 
liefern,  während  sie  für  das  Tiefland  bedeutungslos  sind.  Sie  gehen 
dem  letzteren  doch  nicht,  wie  die  Nadelhölzer,  vollständig  ab ;  es  giebt 
vielmehr  einige  megatherme  Eichen,  z.  B.  in  Mexiko  und,  nach  eigenen 
Beobachtungen,  in  den  Wäldern  bei  Singapore. 

Die  Urti einen  haben  für  die  tropische  Zone  ganz  hervorragende 
Bedeutung,    die  Moractfen  in  »erster  Linie  durch  die  Gattung  Ficus  mit 


I.   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        255 

ihren  zahlreichen  baumartigen  und  strauchartigen  Arten,  sodann  durch 
die  Gattung  Artocarpus,  zu  welcher  einige  der  häufigsten  Culturbäume 
der  Tropen  gehören  (Artocarpus  incisa,  der  Brotbaum;  A.  integrifolia, 
der  Jackbaum),  die  Urticaceen  durch  zahlreiche  Gattungen  meist  strauchiger 
und  krautiger  Arten. 

Unter  den  Polygoninen  sind  die  Piperaceen  ausschliesslich  mega- 
therm.  Sie  sind  namentlich  in  den  Regenwäldern  durch  viele  strauchige 
und  krautige  Bodenpflanzen,  sowie  durch  wurzelkletternde  Lianen  und 
Epiphyten  vertreten.  Die  Polygonaceen  sind  auf  wenige,  vorwiegend 
baumartige  Arten  beschränkt. 

Die  Familien,  welche  bei  uns  die  Centrospermen  vornehmlich 
repräsentiren ,  nämlich  die  Caryophyllaceen  und  Chenopodiaceen  sind 
beinahe  ausschliesslich  mesotherm  und  für  die  Tropen  bedeutungslos. 
Dagegen  sind  Amarantaceen  als  unscheinbare  Kräuter,  seltener  als  Holz- 
gewächse sehr  häufig.  Die  Phytolaccaceen  und  Nyctaginaceen  sind  vor- 
wiegend tropisch  amerikanisch. 

Die  für  die  nördliche  temperirte  Zone  wichtigste  Familie  unter 
den  Polycarpiern,  diejenige  der  Ranunculaceen ,  ist  meso-  und 
mikrotherm  und  daher  zwischen  den  Wendekreisen  nur  im  Hochgebirge 
vertreten.  Auch  die  Magnoliaceen  treten  gegenüber  der  nordtemperirten 
Zone  zurück.  Die  für  die  Tropen  wichtigste  Familie  ist  diejenige  der 
Lauraceen,  zu  welcher  zahlreiche  Waldbäume,  auch  Sträucher  und  der 
häufige  krautige  Parasit  Cassytha  gehören.  Die  rein  tropischen  Familien 
der  Anonaceen,  Myristicaceen,  Monimiaceen  sowie,  im  Gegensatz  zu  den 
verwandten  mesothermen  Berberidaceen,  die  Familie  der  Menisperma- 
ceen  steuern  zahlreiche  Holzpflanzen  bei. 

Die  Rhoeadinen  zeigen  sich  beinahe  auf  die  Capparidaceen 
beschränkt.     Die  wenigen  Cruciferen  sind  meist  Bergbewohner. 

Unter  den  Cistifloren  befinden  sich  mehrere  rein  megatherme, 
in  den  Tropen  reich  vertretene  Familien  von  Holzpflanzen,  wie  die 
Clusiaceen,  Dilleniaceen,  Ochnaceen,  Dipterocarpaceen,  Bixaceen,  ferner 
die  auch  Mesothermen  umfassenden  Ternstroemiaceen  und  die  aus 
tropisch-amerikanischen  Lianen  und  Epiphyten  bestehenden  Marcgravia- 
ceen.  Auch  die  tropischen  Violaceen  sind  vorwiegend  holzig,  zum  Theil 
baumartig.  Unter  den  krautigen  Familien  haben  die  Nepenthaceen  für 
die  östlichen  Tropen  hervorragende  Bedeutung. 

Unter  den  Columniferen  ragen  die  rein  megathermen  Bombaca- 
ceen  durch  mächtige  Dimensionen,  namentlich  durch  beträchtliche  Dicke 
ihrer  Stämme,  sowie  durch  prächtigen  Blüthenschmuck  hervor.  Die  ver- 
wandten Malvaceen,  die  Tiliaceen  und  die  rein  tropischen  Sterculiaceen 
sind  sowohl  in  holzigen,  wie  in  krautigen  Arten  wichtige  Bestandtheile 
der  tropischen  Floren. 

Die   Gruinales   haben   geringere  Bedeutung.     Die  Oxalidaceen, 


2C6  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Tropaeolaceen  und  die  in  Ostindien  sehr  häufigen  Balsaminaceen  sind 
meist  durch  Kräuter  vertreten;  die  Geraniaceen  fehlen. 

Die  Terebinthinen  besitzen  namentlich  für  die  Gehölzflora 
trockenerer  Gebiete  hervorragende  Bedeutung.  Ihre  Familien  sind  aus- 
schliesslich (Meliaceen,  Simarubaceen,  Burseraceen)  oder  nur  theilweise 
(Rutaceen,  Anacardiaceen,  Zygophyllaceen)  megatherm. 

Unter  den  Aesculinen  sind  die  Sapindaceen  ganz  vorwiegend 
megatherm,  die  Malpighiaceen  sind  es  ausschliesslich  und  namentlich 
unter  den  Lianen  häufige  Erscheinungen.  Die  Erythroxylaceen  und 
Vochysiaceen  (Amerika)  sind  ebenfalls  megatherm,  aber  weniger  arten- 
reich, die  Polygalaceen  sind  vertreten,  die  Aceraceen  fehlen. 

Die  Frangulinen  liefern  in  ihren  Familien  der  Celastraceen, 
Hippocrateaceen  (beinahe  rein  megatherm),  Aquifoliaceen ,  Vitaceen 
(namentlich  Cissus)  und  Rhamnaceen  eine  grosse  Anzahl  Holzgewächse, 
namentlich  Lianen. 

Die  Trikokken  sind  in  ihrer  wichtigsten  Familie  der  Euphor- 
biaceen,  vorwiegend  megatherm  und  steuern  zu  der  tropischen  Flora 
eine  grosse  Anzahl  baumartiger,  strauchiger  und  krautiger,  namentlich 
zu  der  grossen  Gattung  Croton  gehöriger  Arten  bei. 

Die  grösste  Familie  der  Umbellifloren,  diejenige  der  Um- 
belliferen,  ist  beinahe  ausschliesslich  mesotherm,  so  dass  sie  sich  zwischen 
den  Wendekreisen  wohl  auf  den  Gebirgen,  aber  nur  mit  sehr  wenigen 
Arten  in  den  Tiefländern  zeigt.  Die  Cornaceen  sind  ebenfalls  nur  im 
Hochland  vertreten,  während  die  Araliaceen  auch  im  Tiefland  Vertreter 
aufweisen. 

Die  Saxi fraginen,  nämlich  die  Crassulaceen  Saxifragaceen, 
Hamameüdaceen,  Platanaceen,  und  Podostemaceen  sind,  mit  Ausnahme 
der  letztgenannten,  nur  aus  Wasserpflanzen  bestehenden  Familie,  ganz 
vorwiegend  mesotherm  und  für  die  Tropen  von  geringer  Bedeutung. 

Die  für  sich  allein  die  Ordnung  der  Opuntinen  bildende  ameri- 
kanische Familie  der  Cactaceen  hat  in  den  trockenen  Gebieten  des 
tropischen  Amerika  zahlreiche  Vertreter,  in  den  Regenwäldern  gehören 
ihr  einige  häufige  Epiphyten  und  Lianen. 

Die  Passi florinen  sind  beinahe  ausschliesslich  megatherm  und 
in  erster  Linie  durch  die  Passifloraceen,  Begoniaceen  und  Flacourtiaceen, 
ferner  durch  die  Loasaceen  (Amerika),  Samydaceen,  Turneraceen,  Cari- 
caceen,  in  theilweise  häufigen  und  hervorragenden  Arten  vertreten. 

Die  Myrtifloren  bestehen  in  den  Melastomaceen,  Combretaceen 
und  Rhizophoraceen  ausschliesslich  aus  megathermen  Arten,  von  welchen 
diejenigen  der  erstgenannten  Familie,  als  schön  blühende  Sträucher  und 
Kräuter,  namentlich  in  Amerika  eine  wesentliche  Rolle  zu  spielen  pflegen, 
während   zu   den   beiden   letzteren   die   meisten   Sträucher   und  Bäume 


L   Allgemeine  Charakteristik  des  tropischen  Klimas  und  seiner  Wirkungen.        257 

der  Mangroven1)   gehören.     Auch   die  Oenotheraceen  und  Lythraceen 
fehlen  nicht. 

Unter  den  Rosifloren  sind  die  Chrysobalaneen  ausschliesslich 
megatherm,  während  die  anderen  Gruppen  der  Rosaceen  beinahe  aus- 
schliesslich aus  Mesothermen  bestehen  und  daher  zwischen  den  Wende- 
kreisen nur  als  Gebirgspflanzen  auftreten. 

Die  drei  Familien  der  Leguminosen,  die  Mimosaceen,  Caesal- 
piniaeeen  und  Papilionaceen  gehören  zu  den  allerwichtigsten  Formen- 
kreisen der  tropischen  Flora.  Sie  umfassen  Bäume,  Sträucher  und 
Kräuter,  die  häufig  klettern  und  sind  für  feuchte  und  trockene  Gebiete, 
für  Gehölze  und  Grasfluren  gleich  bedeutungsvoll ;  viele  sind  durch  schöne 
Blüthen  ausgezeichnet.)  (Die  verschiedenen  vorläufig  als  Hysterophyten 
zusammengestellten  Familien  sind  ganz  vorwiegend  makrotherm  und  ent- 
halten manche  der  eigenartigsten  Erzeugnisse  der  tropischen  Floren, 
namentlich  unter  den  Aristolochiaceen,  RafFlesiaceen  und  Balanophoraceen. 

Die  Eric  inen  sind  mit  wenig  Ausnahmen  mesotherm  und  daher  für  die 
eigentliche  Tropenflora  ganz  bedeutungslos.  Hingegen  haben  sie  zahlreiche 
Arten  in  den  Gebirgsfloren  aufzuweisen  (Vaccinieen,  Rhododendron  etc.). 

Unter  den  Primulinen  sind  die  Myrsinaceen  ausschliesslich  tropisch, 
während  die  Plumbaginaceen  nur  eine  Jdeine  Anzahl  megathermer 
Arten  enthalten  und  die  wenigen  Primulaceen  Hochgebirgspflanzen  sind. 

Die  Familien  der  Diospyrinen  (Ebenaceae,  Diospyraceae, 
Sapotaceae)  bestehen  beinahe  ausschliesslich  aus  tropischen  Holzge- 
wächsen.    Mehrere  Sapotaceen  werden  allgemein  eultivirt. 

Unter  den  Contorten  sind  die  Loganiaceen,  Apocynaceen  und  As- 
cleptadaceen  in  vielen  Arten  der  verschiedensten  Wuchsform  vorhanden, 
während  die  Oleaceen  und  Gentianaceen,  als  mesotherme  Familien,  nur 
Gebirgsbewohner  aufzuweisen  haben. 

Die  Tubifloren  besitzen  viele  megatherme  Arten  unter  den 
Convolvulaceen  und  die  durch  Beerenfrüchte  ausgezeichnete  Asperi- 
folieengruppe  der  Cordieen  ist  rein  tropisch. 

Die  für  die  Tropen  wichtigste  Familie  in  der  Ordnung  der  Per- 
sonaten ist  diejenige  der  Solanaceen,  zu  welcher  sehr  zahlreiche 
Kräuter  und  Sträucher  und  einige  kleine  Bäume  gehören.  Die  ganz 
vorwiegend  megathermen  Familien  der  Bignoniaceen,  Gesneraceen  und 
Acanthaceen  haben  zahlreiche  Vertreter  und  die  Lentibulariaceen  sind 
namentlich  mit  Utricularia-Arten  vorhanden.  Dagegen  sind  die  Scro- 
phulariaceen  sehr  schwach  entwickelt. 

Unter  den  Labiatifloren  haben  die  Verbenaceen,  zu  welchen 
sowohl  baumartige,  als  strauchige  und  krautige  Arten  gehören,  grössere 
Wichtigkeit  als  die  relativ  schwach  entwickelten  Labiaten. 


*)  Vgl.  über  die  Mangroven  Kapitel  VI  dieses  Abschnitts. 
Schimper,  Pflanzengeographie.  17 


258  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Die  megathermen  Campanulinen  sind  auf  die  Lobeliaceen,  Goo- 
deniaceen  und  Cucurbitaceen  beschränkt;  die  Campanulaceen  sind 
mesotherm  und  in  den  Tropen  daher  nur  Bergbewohner. 

Die  Rubiaceen,  die  grösste  der  drei  Familien  der  Rubiinen, 
gehören  durch  die  grosse  Zahl  der  Arten  und  durch  die  wesentliche 
Rolle,  welche  viele  ihrer  Vertreter  durch  ihre  Häufigkeit  spielen,  zu 
den  wichtigsten  Formengruppen  der  tropischen  Vegetation.  Dagegen 
sind  die  Caprifoliaceen  im  tropischen  Tiefland  äusserst  spärlich  und  die 
Valerianaceen  fast  gar  nicht  vorhanden. 

Die  Compositen  haben  für  die  tropische  Zone  ungefähr  die  gleiche 
grosse  Bedeutung  wie  für  die  temperirten  Zonen ;  megatherm  sind  nur 
wenige  Ligulifloren,  hingegen  zahlreiche,  theilweise  besondere  Gruppen 
bildende  Tubulifloren.  Die  meisten  tropischen  Compositen  sind  Kräuter, 
aber  auch  Lianen  und  kleine  Bäume  kommen  unter  ihnen  vor.  Die 
Dipsacaceen,  welche  mit  den  Compositen  und  der  kleinen  Familie  der 
Calyceraceen  die  Ordnung  der  Aggregaten  bilden,  sind  meist  meso- 
therm und  in  den  Tropen  beinahe  nur  Gebirgspflanzen. 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Die  Klimate. 

Die   allgemein    klimatischen    Angaben    sind    vornehmlich    aus:    Hann, 
Handbuch  der  Meteorologie.     2.  Aufl.  Stuttgart  1897   entnommen. 
Burgerstein,  Alf.     Ueber  die  Transpirationsgrösse  von  Pflanzen    feuchter 

Tropengebiete.   Berichte  d.  deutschen  botan.  Gesellsch.   15.  Jahrg.   1897. 
Giltay,  E.    Vergleichende  Studien   über  die  Stärke  der  Assimilation  in  den 

Tropen  und  im  mitteleuropäischen   Klima.     Pringsheim's  Jahrbücher   für 

wissensch.  Botanik.  Bd.  30.   1897. 
Haberlandt,  G.    Ueber  die  Grösse  der  Transpiration  im  feuchten  Tropen- 
klima.    Pringsheim's  Jahrb.  für  wissensch.  Botanik.  Bd.  XXXI.   1897. 
Johow,  Fr.     Ueber   die  Beziehungen  einiger  Eigenschaften  der  Laubblätter 

zu   den  Standortsverhältnissen.     Pringsheim's  Jahrbücher.    Bd.  XV.   1884. 
Kraus,  G.     Das  I^ängenwachsthum  der  Bambusrohre.     Ann.  du  jard.  botan. 

de  Buitenzorg.    Vol.  XII  (nur  in  Ref.  zugänglich). 
Maxwell,  W.     The   rate    of  growth    of   banana    leaves.      Botan.   Centralbl. 

Bd.  6   7.    1896. 
Stahl,  E.     Einige  Versuche  über  Transpiration  und  Assimilation.  Botanische 

Zeitung   1894. 
Wallace,  A.  R.     Die  Tropenwelt   nebst  Abhandlungen   verwandten  Inhalts. 

Deutsch  von  D.  Brauns.     Braunschweig   1879. 
\V  i  e  s  n  e  r ,  J.    I.  Ueber  den  vorherrschend  ombrophilen  Charakter  des  Laubes 

der  Tropengewächse.      Sitzb.    d.    k.   Akad.   zu  Wien.     Bd.   103.   1   Abth. 

1894. 


Auswahl  der  Literatur. 


259 


Wiesner,  J.  II.  Photometrische  Untersuchungen  auf  pflanzenphysiologischem 
Gebiete.  Erste  Abhandlung.  Orientirende  Versuche  über  den  Einfluss 
der  sogenannten  chemischen  Lichtintensität  auf  den  Gestaltungsprocess  der 
Pflanzenorgane.     Sitzungsb.  d.  k.  Akad.  zu  Wien.     Bd.   102.   1893. 

—  III.  Beobachtungen  über  die  fixe  Lichtlage  der  Blätter  tropischer  Gewächse. 

Sitzungsb.  d.  k.  Akad.  zu  Wien.     Bd.   103.   Abth.   1.    1894. 

—  IV.  Untersuchungen  über  den  Lichtgenuss  der  Pflanzen  mit  Rücksicht  auf 

die  Vegetation  von  Wien,    Cairo  und  Buitenzorg  Qava).  Sitzungsb.  d.  k. 
Akad.  zu  Wien.     Bd.   104.  Abth.   1.   1895. 

—  V.  Beiträge  zur  Kenntniss  des  tropischen  Regens.    Ibid.:  Bd.  104.  Abth.  1. 

1895. 

2.  Die  Floren. 

Die  Angaben  über  Vorkommen  und  Fehlen  der  Familien  in  den  Tropen 
sind  in  erster  Linie  dem  Werke  Engl  er' s  und  Prantl's,  fortges.  von 
Engler.     Die  natürlichen  Pflanzenfamilien,   entlehnt. 

Benutzt  wurden  ausserdem: 
Christ,  H.     Die  Farnkräuter  der  Erde.     Jena,  G.  Fischer,  1897. 
Möller,  A.     Ueber  einige  besonders  auffallende  Pilze  Brasiliens.  S.  A.  S.  1. 

1898. 


17* 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  der 
Vegetation  in  den  Tropen. 

1.  Allgemeinheit  der  Periodioitat  in  den  Functionen  der  Pflanzen.  Keine 
absolute  Ruhezeit,  sondern  nur  Ruhezeit  einzelner  Vorgänge.  Vorkommen  der  Periodicitit 
in  der  tropischen  Vegetation.  2.  Periodioitat  in  der  vegetativen  Sphäre.  §  i.  Laub- 
wechsel.  Häufigkeit  des  periodischen  Laubfalls  in  den  Tropen.  Verschiedenartiges  Aus- 
sehen der  Bäume  in  den  Trockenzeiten.  Jahreszeiten  und  Vegetation  in  den  Campos.  §  2. 
Wachsthum.  Periodisches  Laubabwerfen  bei  gewissen  Arten  von  der  Jahreszeit  un- 
abhängig. Individuelle  Periodicität  der  einzelnen  Sprosse  vieler  Tropengewächse.  Tem- 
perirte  Holzgewächse  in  den  Tropen.  3.  Periodioitat  in  der  sexuellen  Sphäre. 
§  1.  Allgemeines.  Zeitliche  Trennung  der  vegetativen  und  reproductiven  Thätigkeit. 
§  2.  Immer  feuchte  Gebiete.  Ungleichzeitiges  Blühen  der  verschiedenen  Zweige  bei 
Holzpflanzen.  Gleichzeitiges  Blühen  aller  Stöcke  einer  Art  ohne  Beziehung  zur  Jahreszeit. 
Beziehungen  zwischen  Blüthenbildung  und  Laubfall.  §  3.  Periodisch  trockene  Ge- 
biete. Blüthenreichthum  in  den  trockenen  Jahreszeiten  und  zu  Beginn  der  nassen,  Blüthen- 
armuth  auf  der  Höhe  der  nassen  Jahreszeiten.  Die  nasse  Jahreszeit  die  Zeit  der  Fruchtreife. 
§4.  Specielle  Belege.  Klima  und  Blüthezeit  auf  Java,  im  nordwestlichen  Indien,  auf 
Ceylon,  in  British  -  Guiana.  4.  Die  Caesalpiniaeeen  im  Botanischen  Garten  su 
Buitensorg. 


1.  Allgemeinheit  der  periodischen  Erscheinungen. 

Die  periodischen  Erscheinungen  der  tropischen  Vegetation  sind 
bisher  wenig  untersucht  worden.  Als  Ergebniss  der  spärlichen  und 
meist  unrichtigen  Angaben  der  Reisenden  hat  sich  ziemlich  allgemein 
die  Vorstellung  eingebürgert,  dass  in  immerfeuchten  tropischen  Ge- 
bieten die  vegetative  und  reproductive  Thätigkeit  ununterbrochen  vor 
sich  geht,  während  die  wohl  ausgeprägten  Trockenzeiten  anderer  Ge- 
biete Ruhezeiten  der  Vegetation  hervorrufen  sollen. 

Beobachtungen  in  tropischen  Gebieten  mit  reich- 
lichem Regen  zu  allen  Jahreszeiten  haben  mich  gelehrt, 
dass  auch  da  die  Lebensvorgänge  in  der  Pflanze  eine 
rhythmische   Abwechselung  von   Perioden  der  Ruhe  und 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen.  26 1 

Bewegung  aufweisen.  Allerdings  beruht  diese  Anschauung  auf 
einer  von  der  gewöhnlichen  abweichenden  Auffassung  der  Ruhezeiten. 

Neuere  Untersuchungen,  namentlich  diejenigen  von  Sachs  und 
Müller -Thurgau  haben  zur  Genüge  erwiesen,  dass  es  Ruhezeiten 
der  gesammten  Lebensvorgänge  nicht  giebt,  sondern 
nur  Ruhezeiten  für  bestimmte  Functionen.  Die  Pflanze  ist 
während  der  „Winterruhe"  keineswegs  inactiv.  Stärke  wird  ig  manchen 
Bäumen  in  Oel  umgewandelt;  die  Chlorophyllkörner  der  Coniferen  er- 
zeugen rothe  Farbstoffe;  die  Epidermis  der  Blätter  vieler  Kräuter 
bildet.  Cyanophyll;  die  Wurzeln  setzen  ihr  Längenwachsthum  fort; 
die  Winterknospen  erhalten,  in  Folge  unsichtbarer  Vorgänge,  die  Fähig- 
keit der  Fortentwickelung,  die  ihnen  in  der  warmen  Jahreszeit  fehlte 
u.  s.  w.  Stillstand  herrscht  dagegen  meist  in  Bezug  auf  Anlage, 
Langen-  und  Dickenwachsthum  der  Sprosse,  doch  giebt  es  hierin  Aus- 
nahmen. Die  Assimilation  erleidet  eine  Abschwächung,  aber  nur  bei 
starkem  Frostwetter  eine  gänzliche  Unterbrechung. 

Im  Frühjahr  hört  in  temperirten  Zonen  die  Ruhezeit  für  die 
Wachsthumsvorgänge  auf;  Laubsprosse  und  Blüthen  werden  ausge- 
bildet; die  Functionen  der  Ernährung,  namentlich  der  Umsatz  schon 
assimilirten  Materials,  treten  in  lebhafte  Thätigkeit.  Dagegen  stellt  sich 
für  die  an  niedere  Temperaturen  gebundenen  Functionen  Ruhezeit  ein. 

Im  Sommer  herrscht  grösste  Bewegung  auf  dem  Gebiete  der  Er- 
nährung, namentlich  in  Bezug  auf  Assimilation  der  Rohstoffe.  Das 
Dickenwachsthum  der  Axen,  das  Dicken-  und  Längenwachsthum  der 
Wurzeln  sind  in  voller  Thätigkeit,  dagegen  herrscht,  nach  der  Fertig- 
stellung der  Winterknospen,  in  der  Regel  Ruhe  in  den  Gipfelmeristemen 
der  Sprosse.  Auf  dem  Gebiete  der  Reproduction  ist,  je  nach  der  Art, 
Bewegung  oder  Ruhe. 

Der  Herbst  ist  eine  Zeit  der  Abschwächung,  der  beginnenden 
Ruhe  auf  den  meisten  Gebieten.  Bei  einigen  Arten  jedoch  tritt  erst 
während  desselben  die  reproductive  Thätigkeit  aus  der  Ruhe  heraus. 

Es  giebt  demnach  in  den  temperirten  Zonen  keine 
Jahreszeit,  die  nicht  gewisse  Functionen  des  Pflanzen- 
lebens in  Bewegung  setzen,  andere  dagegen  zur  Ruhe 
bringen  würde.  Allerdings  wiegt  während  des  Herbstes  und  des 
Winters  der  Stillstand,  während  des  Frühjahrs  und  des  Sommers  die 
Bewegung  vor,  so  dass  man  von  einer  relativen  Ruhe-  und  Vege- 
tationszeit sprechen  darf,  doch  ist  in  keiner  Jahreszeit  der  eine  Zustand 
allein  vorhanden. 

Die  tropischen  Gewächse  sind  ebenso  wie  diejenigen 
kühler  und  kalte  r  Zonen  der  periodisch  en  Abwec  hselung 
von  Ruhe  und  Bewegung  unterworfen.  Wo  eine  scharfe 
klimatische  Periodicität  herrscht,  zeigen  sich  die  Functionen  des  pflanz- 


2Ö2  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

liehen  Organismus  auch  in  den  Tropen,  von  ihr  wesentlich  beeinflusst. 
So  wirken  trockene  Jahreszeiten  in  mancher  Hinsicht  wie  kalte.  Je 
weniger  ausgeprägt  die  Periodicität  des  Klimas,  desto 
unabhängiger  ist  die  Periodicität  in  der  Pflanze  von 
ihrem  Einfluss.  Innere  Ursachen  sind  in  dem  nahezu 
gleichmässigen  Klima  für  die  Abwechselung  von  Ruhe 
und  Bewegung  vorwiegend  oder  allein  maassgebend.  Aufge- 
geben wird  solche  Rhythmik  jedoch  niemals,  denn  sie  ist 
im  Wesen  des  Organismus  und  nicht  in  den  äusseren  Be- 
dingungen begründet.  Ihr  Zusammenhang  mit  den  letzteren  ist 
eine  seeundäre  Erscheinung,  eine  Anpassung. 

So  ist  auch  das  Bild  allgemeiner  und  continuirlicher  Bewegung, 
welches  die  meisten  Reisenden  von  der  Vegetation  in  immerfeuchten 
Tropenregionen  mitgenommen  haben,  ein  Trugbild.  Dem  aufmerk- 
samen Beobachter  zeigt  sich  überall  neben  der  Bewegung,  die  Ruhe, 
und  beide  Zustände  vertauschen  ihre  Plätze  fortwährend,  wie  die  Theile 
eines  Kaleidoskops.  Der  Unterschied  zwischen  einer  solchen  Vege- 
tation und  einer  dem  Einfluss  abwechselnd  günstiger  und  ungünstiger 
Jahreszeiten  unterworfenen,  beschränkt  sich  darauf,  dass  im  ersteren 
Falle  die  Summe  von  Ruhe  und  Bewegung  in  jedem  Zeitabschnitte  an- 
nähernd die  gleiche  bleibt,  während  sie  im  zweiten  Falle  periodisch  zu- 
und  abnimmt. 

2.  Periodicität  in  der  vegetativen  Sphäre. 

§  i.  Laubwechsel.  Trotz  zahlreicher  anderslautender  Angaben  der 
Reisenden  ist  die  Anschauung  immer  noch  vorherrschend,  dass  die 
Tropenwälder  weitaus  zum  grössten  Theile  immergrün  sind  und 
wesentlich  nur  immerfeuchte  Gebiete  bewohnen,  während  Gebiete 
mit  ausgesprochenen  Trockenzeiten  nur  an  den  Ufern  der  Gewässer 
Waldwuchs  aufweisen  sollen.  Diese  unrichtige  Vorstellung  hängt  mit 
der  nicht  minder  unrichtigen  Annahme  zusammen,  dass  trockene  Jahres- 
zeiten dem  Walde  unzuträglich  sind. 

In  der  Wirklichkeit  sieht  die  Sache  ganz  anders  aus.  Der  tro- 
pische Wald  ist  zum  grössten  Theile  aus  periodisch  un- 
belaubten Bäumen  zusammengesetzt  und  ist,  wie  früher  (S.  180) 
gezeigt  wurde,  sogar  von  Gebieten  mit  sehr  dürren  und  heissen  Jahres- 
zeiten keineswegs  ausgeschlossen.  Die  indischen  Forstbotaniker,  nament- 
lich Brandis  und  Kurz  haben  uns  zuerst  mit  den  unterscheidenden 
Eigenthümlichkeiten  der  immergrünen  und  der  regengrünen  Wälder 
bekannt  gemacht.  Die  Gehölze  in  Gebieten  mit  periodischen  noch  aus- 
geprägten Trockenzeiten  bieten  während  der  letzteren  mehr  Aehnlich- 
keit  mit  unseren  Gehölzen  im  Winter  als  mit  den  dichten  und  üppigen 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen.  263 

Regenwäldern,  als  welche  gewöhnlich  die  Tropenwälder  im  Allgemein 
dargestellt  werden.  Allerdings  ist  das  Bild  der  Ruhe,  wie  es  die 
Trockenzeit  hervorruft,  weit  weniger  gleichmässig,  als  dasjenige  einer 
Winterlandschaft  in  temperirten  Zonen. 

So  behalten  die  Gehölze  in  der  Nähe  der  Gewässer  vielfach,  auch 
während  der  Trockenzeit,  ihre  gesammte  Belaubung  oder  doch  einen 
grossen  Theil  derselben  und  stellen  grüne  Streifen  und  Flecken  in  dem 
sonst  vorwiegend  braunen  und  grauen  Landschaftsbilde.  Auch  ausser- 
halb des  Bereichs  der  Wasserinfiltration  machen  sich  Unterschiede  der 
chemischen  und  physikalischen  Beschaffenheit  des  Bodens  auf  Zeit  und 
Ergiebigkeit  des  Laubfalls  geltend.  So  verzögert  grössere  Feuchtigkeit 
des  Bodens  das  Ablösen  der  Blätter  und  beschleunigt  die  Entfaltung 
der  Laubknospen.  Auch  hat  Warming  beobachtet,  dass  die  auf  Kalk- 
boden wachsenden  Gehölze  kahler  werden,  als  auf  anderen  Bodenarten. 

Ausserdem  kommen  specifische  Unterschiede  der  Holzgewächse 
zur  Geltung.  Unter  gleichen  äusseren  Bedingungen  werden  einige  der- 
selben schon  vor  Ende  der  Regenzeit  entlaubt,  andere  werfen  ihre 
Blätter  am  Anfang  der  Trockenzeit,  wieder  andere  thun  es  ganz  all- 
mählich, im  Laufe  mehrerer  Monate,  andere  endlich  bleiben  bis  zur 
Entfaltung  der  Ruheknospen  belaubt.  Bei  einigen  Bäumen  soll  sogar, 
nach  Warming,  der  Laubfall  in  manchen  Jahren  ganz  ausbleiben.  Die 
Buntheit  des  Bildes  wird  noch  dadurch  erhöht,  dass  einzelne  immer- 
grüne Bäume  im  laubabwerfenden  Walde  eingesprengt  zu  sein  pflegen. 

Solche  Unterschiede  zeigen  sich  allerdings  wesentlich  nur  da,  wo 
die  Trockenzeiten  nicht  sehr  lang  oder  nicht  ganz  regenlos  sind.  Die 
dürren  Savannenwälder  an  der  Grenze  der  Llanos  von  Venezuela  (Prov. 
Maturin)  fand  ich,  abgesehen  von  einer  kleinen  immergrünen  Baumart, 
Rhopala  complicata,  ebenso  vollkommen  entlaubt,  wie  im  deutschen 
Wald  im  Winter;  sie  bildeten  den  auffallendsten  Contrast  zu  den 
schmalen,  aber  dichten  Waldstreifen  längs  der  Wasserläufe,  die  ihre 
Belaubung  beibehalten  hatten. 

Die  Grasflur  in  den  Tropen,  meist  als  Savanne  (S.  176)  auftretend, 
zeigt  sich  während  der  Trockenzeit,  falls  nicht  durch  die  üblichen 
Brände  verkohlt,  von  strohartig  trockenen  Gräsern  bedeckt,  zwischen 
welchen  nur  vereinzelte  Pflanzen  grün  sind  und  blühen.  Einen  auf- 
fallenden Contrast  bilden  zu  solcher  Grasnarbe  trockene  und,  in  der 
Sonne,  brennend  heisse  Felsblöcke,  mit  ihrer  Vegetation  von  Succu- 
lenten  und  anderen  immergrünen  Xerophyten,  wie  Cacteen,  Bromelia- 
ceen,  Orchideen,  die  gerade  in  der  Trockenzeit  zu  blühen  pflegen. *) 

Warming  stellt  folgendermassen  den  Zusammenhang  zwischen  Vegetation 
und  Jahreszeit  für  die  Campos  von  Minas  Geraes  in  Brasilien  dar: 


*)  Eigene  Beobachtung  in  Venezuela. 


264  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Winter  (Mai — Juli.  Grösste  Kälte  und  Trockenheit).  Gras  der  Cam- 
pos strohartig.  Der  Laubfall  beginnt,  setzt  sich  aber  in  den  Frühjahrsmonaten 
fort.  Einige  Bäume  verlieren  schon  ihr  ganzes  Laub,  einige  thun  es  erst  im 
Frühjahr.  Der  Laubfall  ist  weit  stärker  und  allgemeiner  in  den  Campos 
(Savannen)  als  in  den  Wäldern. 

Frühjahr  (August — Oktober).  Zunnahme  der  Feuchtigkeit  und  Wärme; 
im  Oktober  beginnen  meist  die  Regen.  Der  Laubfall  setzt  sich  fort  und  wird 
allgemeiner.  Während  dieser  Monate  verlieren  die  meisten  Bäume  ihr  Laub, 
jedoch  zeigen  sich  gleichzeitig,  oder  schon  etwas  früher,  die  jungen  Blätter, 
so  dass  der  Wald  stets  grün  bleibt.  Die  meisten  Blätter  verbleiben  12 — 14 
Monate  an  den  Bäumen,  etwas  länger  im  Wald  als  im  Campo.  Einige  Stämme 
behalten  ihr  Laub  24  Monate  oder  noch  länger.  Im  Ganzen  betrachtet  dauert 
die  Laubbildung  über  ein  halbes  Jahr;  bei  den  einen  Arten  länger,  bei  anderen 
weniger  lang.   Die  neuen  Blätter  entwickeln  sich  vor  dem  Beginne  der  Regen. 

Sommer  (November — Januar).  Regenzeit.  Der  Laubfall  hat  aufgehört 
Manche  Arten  erzeugen  zum  zweiten  Male  Blätter.  Einige  scheinen  drei 
Generationen  von  Trieben  zu  bilden. 

Herbst  (Februar — April.  Fortsetzung  der  Regenzeit  nach  einer  trockenen 
Unterbrechung  im  Januar — Februar).  Der  Laubfall  beginnt  im  März,  vor 
Schluss  der  Regenzeit 

Je  reicher  die  Regenzeit  an  Niederschlägen,  desto  mehr  herrschen 
die  immergrünen  Bäume  über  die  periodisch  laubabwerfenden  vor.  In 
den  dichten  Wäldern  immerfeuchter  Gebiete  findet  Entlaubung  nur  noch 
bei  den  Riesen  statt,  deren  Kronen  sich  kuppenartig  über  dem  all- 
gemeinen Laubdach  erheben  und  daher  der  Trockenheit  mehr  aus- 
gesetzt sind.  Zu  diesen  periodisch  kahlen  Riesen  gehören  namentlich 
Feigenbäume;  auch  die  Rasamala  (Altingia  excelsa),  der  höchste  Baum 
der  von  Feuchtigkeit  triefenden  Wälder  Java's,  ist  bei  Beginn  des 
trockenen  Ostwinds  auf  kurze  Zeit  entlaubt. 

In  allen  Tropen  gebieten  mit  sehr  schwacher  klimatischer  Periodi- 
cität  giebt  es  Holzgewächse,  die  ohnejede  Beziehung  zur  Jahres- 
zeit, in  grösseren  oder  kürzeren  Intervallen  (1 — 6  mal  jähr- 
lich) ihr  Laub  abwerfen,  derart,  dass  Bäume  derselben 
Art,  unter  denselben  äusseren  Bedingungen,  sich  zu  un- 
gleicher Zeit  belauben  und  entlauben. 

So  sah  ich  z.  B.  in  Singapore  Flamboyant-Bäume  (Poinciana  regia) 
mit  und  ohne  Laub  durcheinander  wachsen,  und  ähnliches  Verhalten  habe 
ich  mancherorts  für  Terminalia  Katappa  constatirt.  Aehnliches  berichtet 
Haberlandtvon  Palaquium  macrophyllum  zu  Buitenzorg.  Die  Zeit,  während 
welcher  solche  Bäume  unbelaubt  bleiben,  ist  meist  sehr  kurz,  I  —  2  Tage 
z.  B.  bei  Excoecaria  Agallocha,  Acer  niveum,  vielen  Urostigma-Arten  *). 

Ich  habe  im  botanischen  Garten  zu  Buitenzorg  Urostigma  glabellum, 
einen   riesigen   Baum,    der   ungefähr    alle    zwei    Monate    seine    Blätter 


!)  Koorders  en  Valeton  1.  c. 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen.  265 

abwirft  und  neues  Laub  erzeugt,  des  Näheren  beobachtet.  Am  10.  De- 
cember  1889  fiel  das  ganze  Laub,  im  vollkommen  grünen  Zustande, 
im  Laufe  des  Tages  ab,  so  dass  der  noch  am  Morgen  ganz  frisch  aus- 
sehende Baum ,  am  Abend  wie  winterkahl  dastand.  Am  20.  December 
war  die  Laubmasse  wieder  nahzu  ausgewachsen.  Einer  der  in  der 
Zwischenzeit  gebildeten  jungen  Sprosse,  der  ohne  Wahl  gepflückt  wurde, 
war  von  der  Basis  bis  zur  äussersten  Blattspitze  26  cm  lang,  die  Axe 
allein  12  cm  lang,  die  Spreite  des  drittältesten  Blattes  13  cm  lang,  die 
des  jüngsten  8  cm. 

Solche  Fälle  von  der  Jahreszeit  unabhängiger  Ent-  und  Belaubung 
können  nur  auf  innere  Ursachen  zurückgeführt  werden.  In  manchen 
Fällen  ist  solcher  Laubfall  ein  Anzeichen,  dass  der  Baum  sich  zum 
Blühen  vorbereitet.  Bei  Urostigma  glabellum  und  bei  manchen  anderen 
Arten  ist  jedoch  solcher  Zusammenhang  nicht  oder  doch  nicht  noth- 
wendig  vorhanden. 

Die  Vermuthung  liegt  nahe,  dass  in  solchen  Fällen  die  anschwellenden 
Knospen  den  Wasserstrom  an  sich  ziehen;  doch  sind  noch  keine  Versuche 
darüber  angestellt  worden. 

In  den  eben  geschilderten  Fällen  zeigten  sämmtliche  Theile  der 
Laubkrone  gleiches  Verhalten.  In  anderen  Fällen  entlauben  und 
belauben  sich  die  einzelnen  Zweige  zu  ungleichen  Zeiten. 
Ich  habe  solches  Verhalten  bei  tropischen  Bäumen  nur  in  Zusammen- 
hang mit  der  Blüthezeit  beobachtet  und  werde  dasselbe  daher  erst 
nachher  besprechen. 

§  2.  Wachsthum.  Die  immergrünen  Holzge wachse  in 
den  Gebieten  mit  Niederschlägen  zu  allen  Jahreszeiten 
sind  nicht  in  fortwährendem  Wachsthum  begriffen,  son- 
dern, ebenso  wie  die  laubabwerfenden,  der  periodischen 
Abwechselung  von  Ruhe  und  Bewegung  unterworfen.  Sehr 
in  die  Augen  fallend  ist  der  vegetative  Rhythmus  bei  Bäumen,  deren 
Laub  in  der  Jugend  sehr  helle,  im  Alter  dagegen  dunkele  Färbung  be- 
sitzt. Da  steht  ein  Baum  wochen-,  ja  monatelang  im  dunkelen  Laub- 
kleide; seine  sämmtlichen  Endknospen  sind  im  ruhenden  Zustande. 
Auf  einmal  zeigt  sich  der  dunkele  Grund  weiss  oder  hellroth  getupft; 
die  L^ubknospen  haben  sich  entfaltet.  Häufiger  als  gleichzeitige 
Verjüngung  der  ganzen  Krone  ist  der  ungleichzeitige 
Uebergang  der  Endknospen  einzelner  Zweige  oder  Zweig- 
systeme aus  dem  ruhenden  in  den  activen  Zustand.  Solche 
Bäume  bilden  dann  allerdings,  im  ganzen  betrachtet,  ein  Bild  ununter- 
brochenen Treibens;  doch  ist,  wenngleich  mehr  versteckt,  die  allen 
Lebensprocessen  gemeinsame  Abwechselung  von  Ruhe  und  Bewegung 
auch  bei  ihnen  vorhanden. 

Die   Unabhängigkeit    einzelner   Sprosssysteme   zeigt   sich   z.   B.   in 


266  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

auffallender  Weise  beim  Mangobäume.  Sein  röthliches  junges  Laub 
erscheint  nicht  auf  einmal  auf  der  ganzen  Oberfläche  der  mächtigen, 
schwarzgrünen  Krone,  sondern  nur  an  einer  Stelle  oder  an  zwei  Stellen, 
entsprechend  dem  Verzweigungssystem  eines  dickeren  Astes,  deren  End- 
knospen sich  sämmtlich  entfalten,  während  diejenigen  anderer  Aeste 
in  Ruhe  verharren. 

Meist  geht  jedoch  die  Individualisirung  der  Zweige  noch  viel  weiter. 
Als  typisches  Beispiel  für  die  Mehrzahl  der  immergrünen  Holzgewächse 
immerfeuchter  Tropengebiete  mag  die  viel  cultivirte  Caesalpiniacee 
Amherstia  nobilis  gelten.  Hier  sind,  wie  in  vielen  anderen  Bäumen, 
alle  Glieder  des  Verzweigungssystems  von  einander  unabhängig,  so  dass 
stets,  im  buntesten  Wechsel,  Zweige  mit  ruhenden  Endknospen  und 
solche  mit  wachsenden  Trieben  in  allen  Stadien  der  Entwickelung  durch- 
einander stehen. 

§  3.  Temperirte  Holzgewächse  in  den  Tropen.  Alle  Lehrbücher 
wiederholen  die  Angabe  Humboldts,  dass  die  Weinrebe  bei  Cumanä 
(Venezuela)  das  ganze  Jahr  belaubt  sei  und  Früchte  trage.  Ich  ziehe  die 
Richtigkeit  dieser  Beobachtung  nicht  in  Zweifel;  dagegen  ist  die  daran 
geknüpfte  Vorstellung,  dass  diese  Rebe  immergrün  geworden  sei,  im 
selben  Sinne  etwa  wie  eine  Tanne,  höchst  wahrscheinlich  unrichtig. 

Ich  habe  Gelegenheit  gehabt,  die  periodischen  Erscheinungen  bei 
Bäumen  aus  den  temperirten  Zonen  in  einem  Klima  näher  zu  unter- 
suchen, das  zu  den  gleichmässigsten  der  Erde  gehören  dürfte,  nämlich 
in  dem  immer  feuchten  und  kühlen  Hochgebirge  Westjava's.  Der  bei 
ca.  1 500  m  ü.  M.  gelegene  botanische  Garten  zu  Tjibodas  enthält  Holz- 
gewächse aus  Europa,  aus  dem  temperirten  Asien  und  aus  Nord-Amerika, 
welche  in  der  Heimath  winterkahl,  hier,  wie  die  berühmte  Weinrebe 
von  Cumand,  „immergrün"  geworden  sind.  Ich  lernte  sie  im  December 
und  Januar  kennen,  also  zu  einer  Zeit,  wo  sie  unter  ihren  natürlichen 
Bedingungen  winterkahl  gewesen  wären ;  sie  waren  jedoch  alle  reichlich 
mit  Laub,  zum  Theil  auch  mit  Blüthen  und  Früchten  versehen. 

Diese  Bäume  haben  nichtsdestoweniger  ihre  Periodicität  beibehalten, 
nur  sind  die  einzelnen  Aeste  in  mehr  oder  weniger  hohem 
Grade  von  einander  unabhängig  geworden,  so  dass,  zur 
Zeit  meines  Aufenthalts,  manche  Bäume  gleichzeitig 
winterliche,  frühjahrliche,  sommerliche  und  herbstliche 
Sprosse  trugen,  die  anderen  aber  meist  wenigstens  das 
Bild  von  zwei  Jahreszeiten  in  ihrem  Gezweige  aufwiesen. 

Die  Unabhängigkeit  von  der  Jahreszeit  in  der  rhythmischen  Abwechse- 
lung von  Belaubung  und  Entlaubung,  die  Selbständigkeit  der  einzelnen  Spross- 
systeme eines  Baumes  treten  bei  den  in  die  Tropen  verpflanzten  jungen 
Bäumen  erst  im  Laufe  der  Jahre  auf;  der  bereits  erlittene  Einfluss  der  Jahres- 
zeiten auf  die  periodischen  Erscheinungen   macht   sich   noch  lange  als  Nach- 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen.  267 

wirkung  geltend,  um  erst  allmählich,  durch  ungleiche  Verschiebungen  in  den 
verschiedenen  Zweigen,  verloren  zu  gehen. 

Die  im  Garten  zu  Tjibodas  cultivirten  nordtemperirten  Bäume  waren  zur 
Zeit  meines  Aufenthalts,  soweit  meine  Beobachtungen  reichen,  folgende :  Mag- 
nolia  Yulan,  Magnolia  sp.,  Liriodendron  Tulipifera,  Diospyros  Kaki,  Pirus 
Malus,  P.  communis,  Quercus  pedunculata,  Rhus  succedanea,  Olea  europaea, 
Amygdalus  communis. 

Magnolia  Yulan,  z.  B.,  wies  folgendes  Bild  auf:  Einzelne  entlaubte  Zweige 
mit  Blatt-  und  theilweise  Blüthenknospen ;  andere  mit  jungen  Blättern  und 
offenen  Blüthen;  andere  mit  ausgewachsenen,  lederartigsteifen  Blättern  und 
vertrockneten  Blüthenresten  —  Fruchtbildung  trat  nicht  ein,  —  andere  mit 
einzelnen,    „herbstlich"  verfärbten,   bei  Berührung  leicht  abfallenden  Blättern. 

Bei  Magnolia  sp.  waren  die  „sommerlichen"  Zweige  mit  Früchten  ver- 
sehen. Der  in  mehreren  stattlichen  Exemplaren  vertretene  Baum  zeigte  an 
seinen  einzelnen  Zweigen  weniger  grosse  Unterschiede;  dieselben  stehen  in 
grösserer  Abhängigkeit  von  einander.  Dagegen  waren  die  einzelnen  Bäume 
auf  ungleichen  Stadien  der  jährlichen  Entwickelung.  Die  einen  waren  in  der 
Tracht  des  ersten  Frühjahres,  mit  ganz  jungen  Blättern;  andere  waren  früh- 
sommerlich,  mit  noch  frischem  Laube  und  jungen  Früchten;  andere  noch 
trugen  reife  Früchte  und  alte  Blätter. 

Liriodendron  Tulipifera  und  Quercus  pedunculata  zeigten  an  ihren 
einzelnen  Aesten  Winter,  Frühjahr  und  Sommer.  Bei  Pyrus  malus  und  com- 
munis, denen  übrigens  anscheinend  das  Klima  nicht  zusagte,  waren  alle  vier 
Jahreszeiten  auf  demselben  Stämmchen  vereinigt.  Ein  Strauch  von  Rhus  succe- 
danea war  an  seiner  Basis  frühjahrlich,  am  Gipfel  sommerlich;  ein  anderer, 
grösserer  derselben  Art  prangte  an  einzelnen  Aesten  in  den  zartrothen  Farben 
des  Frühjahrs  und  in  den  dunkelrothen  des  Herbstes,  während  andere  winter- 
lich kahl  waren.     Amygdalus  communis  war  im  reinen  Frühjahrskleid. 

In  weniger  gleichmässigen  tropischen  Klimaten  scheinen  die  periodischen 
Erscheinungen  der  aus  temperirten  Zonen  stammenden  Holzgewächse  sich  an 
die  neuen  Jahreszeiten  anzupassen.  Da  fallen  die  winterlichen  und  frühjahr- 
lichen Erscheinungen  mit  der  Trockenzeit,  die  sommerlichen  und  herbstlichen 
mit  der  Regenzeit  zusammen.  So  sagte  mir  Herr  Nock,  der  Curator  des  bei 
c.  1800  m  ü.  M.  gelegenen  Versuchsgartens  zu  Hakgalla  auf  Ceylon,  dass 
die  europäischen  Bäume  den  grössten  Theil  ihres  Laubs  noch  während  des 
nassen  Stidwestmonsuns  verlieren,  während  der  massig  feuchten  Herbstmonate 
aber  junge  Blätter  und  Blüthen  entwickeln.  Genauere  Beobachtungen  über 
diese  interessanten  Erscheinungen  liegen  nicht  vor. 


3.  Periodicität  in  der  sexuellen  Sphäre. 

§  1.  Allgemeines.  Blüthen  und  Laub  weisen  bei  den  meisten 
Pflanzen  einen  gewissen  Antagonismus  auf  und  pflegen  sich  entweder 
zeitlich  oder  räumlich  getrennt  zu  entwickeln.  Bei  den  krautigen  Pflanzen 
ohne  Knollen  und  Zwiebeln  kommt  es  meist  erst  dann  zu  einer 
üppigen    Entwickelung    in   der    reproductiven    Region,    nachdem    das 


268  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Laub  ganz  oder  nahezu  ganz  ausgewachsen  ist.  Man  könnte  in  diesem 
Falle  allerdings  die  Erscheinung  dahin  deuten,  dass  dem  Laube  die 
Rolle  zufällt,  Nährstoffe  für  die  Erzeugung  von  Blüthen  und  Früchten 
zu  bilden.  Bei  den  Rhizompflanzen  und  Holzgewächsen  ist  jedoch  eine 
solche  direkte  Abhängigkeit  nicht  vorhanden  und  wir  sehen  in  der 
That  die  Blüthenbildung  der  Laubbildung  oft  vorausgehen,  indem 
sie  auf  Kosten  vorjähriger  Reservestoffe  stattfindet.  Letzteres  geschieht 
wohl  auch  häufig  da,  wo  Blüthen  und  Laub  weit  von  einander  entfernt 
sind,  wie  bei  caulifloren  Gewächsen. 

In  den  Zonen  mit  kalten  Wintern  zerfällt  die  Entwickelung  der 
Blüthe  bei  vielen  Gewächsen,  namentlich  bei  holzbildenden,  in  zwei 
durch  eine  Ruhezeit  getrennte  Abschnitte,  einen  der  Anlage  und  einen 
des  Wachsthums.  In  wiefern  ähnliches  auch  in  den  Tropen  vorkommt, 
ist  nicht  ermittelt.  Die  folgenden  Betrachtungen  beziehen  sich  daher 
nur  auf  die  späteren,  für  das  blosse  Auge  leicht  erkennbaren  Ent- 
wickelungsstadien.  Die  Blüthen  haben  weit  mehr  Berücksichtigung  ge- 
funden als  die  Früchte,  indem  sie  sowohl  von  früheren  Beobachtern, 
als  auch  von  mir,  genauer  ins  Auge  gefasst  wurden.  So  stellt  sich  das 
hier  gegebene  von  vornherein  als  ein  blosses  Fragment  dar. 

Die  Holzpflanzen  sollen  in  erster  Linie  betrachtet  werden,  indem 
etwaige  äussere  Einflüsse  auf  die  Blüthenentwickelung  sich  bei  ihnen 
deutlicher  bemerkbar  machen,  als  bei  den  meisten  Kräutern,  wo  die 
unmittelbare  Abhängigkeit  der  reproductiven  Sphäre  von  der  Ernährungs- 
thätigkeit  des  Laubs  solchen  Beeinflussungen  störend  entgegentritt. 

Die  zeitliche  Trennung  des  blühenden  und  des  rein  vegetativen 
Zustands  wird  dadurch  erreicht,  dass  beide  an  ungleiche  Jahreszeiten 
gebunden  sind.  Auch  in  den  Tropen  macht  sich  ein  Einfluss  der 
letzteren  überall  geltend,  wo  ein  scharf  ausgeprägter  Klimawechsel  vor- 
handen ist,  doch  ist  dieser  Einfluss  im  Allgemeinen  schwächer,  als  in 
den  Zonen  mit  kalten  Wintern.  Die  Zahl  der  das  ganze  Jahr  blühen- 
den Arten  ist  grösser  und  die  Zeit,  während  welcher  blühende  Exemplare 
einer  Art  angetroffen  werden,  ist  im  Allgemeinen  länger  in  den  Tropen 
als  da,  wo  die  Jahreszeiten  sehr  grosse  Temperaturunterschiede  auf- 
weisen, und  die  im  letzteren  Falle  beinahe  nur  als  Anomalie  auftretende 
Erscheinung  des  wiederholten  Blühens  in  kurzen  Intervallen,  ist  bei 
vielen  tropischen  Gewächsen  eine  normale  und  regelmässige  Erschei- 
nung. Solche  Unterschiede  stellen  sich  am  auffallendsten  dar,  wenn 
die  Holzgewächse  der  temperirten  und  tropischen  Zonen  miteinander 
verglichen  werden. 

§  2.  Immerfeuchte  Gebiete.  Die  Blüthezeiten  tropischer 
Gewächse  sind,  wie  Belaubung  und  Entlaubung,  von  den 
Jahreszeiten  um  so  weniger  abhängig,  je  weniger  letztere 
klimatisch    von    einander    abweichen.      Die    das    ganze    Jahr 


IL   Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen.  269 

blühenden  Arten  sind  in  den  Gebieten  mit  nahezu  gleichmässigem 
Klima  am  häufigsten.  Die  in  den  tropischen  Floren  vielfach  anzu- 
treffende Bemerkung:  „Blüht  das  ganze  Jahr"  ist  jedoch  in  der  Regel 
keineswegs  so  zu  verstehen,  dass  ein  und  derselbe  Stock  immer 
Blüthen  trägt,  sondern  bedeutet  lediglich,  dass  blühende  Stöcke  zu 
jeder  Zeit  angetroffen  werden.  Unter  den  Arten,  die  zur  Kategorie  der 
stets  blühenden  gehören,  befinden  sich  manche,  deren  einzelne  Stöcke 
nur  einmal  jährlich  oder  sogar  nicht  jedes  Jahr  Blüthen  tragen.  So 
verhalten  sich  namentlich  viele  Bäume  feuchter  Urwälder,  die  man  nur 
selten  blühend  antrifft.  Andererseits  giebt  es  auch  Arten,  deren  ein- 
zelne Stöcke  eine  sehr  lange  Blüthezeit  besitzen,  oder  die  letztere  in 
kurzen  Intervallen  wiederholen,  so  dass  die  Zahl  ihrer  blühenden  Exem- 
plare zu  jeder  Jahreszeit  diejenige  der  nichtblühenden  überwiegt.  Der- 
artiges zeigt  sich  namentlich  an  offenen,  sonnigen  Standorten  und 
in  den  Strandwäldern.  Rhizophora-  und  Avicennia  -  Arten ,  besonders 
aber  Hibiscus  tiliaceus,  haben  auffallend  lange  Blüthezeiten  und  werden 
meistens  blühend  angetroffen.  Ob  es  langlebige  Gewächse  giebt,  deren 
einzelne  Stöcke  ununterbrochen  Blüthen  tragen,  kann  ich  nicht  angeben, 
da  dazu  mehrjährige  Beobachtungen  gehören  würden,  an  welche  noch 
Niemand  gedacht  hat.  Jedoch  halte  ich  es,  namentlich  für  reichver- 
zweigte Holzgewächse,  nicht  für  ausgeschlossen;  einige  viel  cultivirte 
und,  wie  mir  schien,  stets  blühende  Hibiscus-Arten ,  sowie  Ricinus 
dürften  sich  zur  bequemen  Feststellung  der  Frage  eignen.  Doch 
würde,  auch  in  diesem  Falle,  die  Abwechselung  der  Ruhezeiten  und 
Bewegungszeiten  in  der  Blüthenbildung  nicht  fehlen.  Wir  haben  bei 
den  Erscheinungen  der  Laubbildung  gesehen,  in  welch  hohem  Grade 
die  einzelnen  Aeste  vieler  tropischer  Holzgewächse  individualisirt  sind. 
Das  gleiche  gilt  vielfach  von  der  Erzeugung  von  Blüthen.  Häufig 
steht  ein  einzelner  Ast  in  Blüthe,  während  die  übrigen  Aeste  in  rein 
vegetativer  Thätigkeit  verharren,  zu  anderen  Zeiten  aber  Blüthen  tragen. 
Sehr  auffallend  ist  die  Erscheinung  z.  B.  beim  Mangobaum  und  bei 
Eriodendron  anfractuosum ,  dem  „Silkcottontree" ,  wo  eine  mehr  oder 
weniger  grosse,  dem  Bereich  eines  grossen  Astes  entsprechend  Stelle 
der  Krone  allein  Blüthen  trägt,  um  zur  andern  Zeit  von  einer  andern 
Stelle  abgelöst  zu  werden.  Fritz  Müller  erwähnt  eines  bei  Blumenau 
wachsenden  riesigen  Feigenbaums,  dessen  verschiedene  Aeste  zu  ver- 
schiedenen Jahreszeiten  Frucht  tragen.1)  In  anderen  Fällen  ist  die  Er- 
scheinung weniger  in  die  Augen  fallend,  indem  nicht  das  ganze 
Gezweige  eines  dicken  Astes  auf  einmal,  sondern  kleinere  Zweig- 
systeme höherer  Ordnung  oder  sogar  einzelne  Zweige  in  Bezug  auf 
die  reproductiven  Vorgänge  abwechselnd  Ruhe  und  Bewegung  aufweisen. 

*)  1.  c.  s.  392. 


270  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Dass  aber  ein  und  derselbe  Spross  ununterbrochen  blüht  und  fruchtet, 
kommt  gar  nicht  vor. 

Diejenigen  Gewächse,  deren  Blüthezeit  von  der  Jahreszeit  un- 
abhängig ist,  entfalten  ihre  Blüthen  begreiflicherweise  meist  zu  ungleichen 
Zeiten,  so  dass  man  häufig  einen  in  vollem  Blüthenschmucke  prangenden 
Baum  neben  einem  anderen  derselben  Art,  der  nur  reife  Früchte  trägt, 
sehen  kann. 

Doch  zeigt  sich  bei  wenigen  Arten  mit  kurzer  Blüthezeit  die  räthsel- 
hafte  Erscheinung,  dass  innerhalb  eines  mehr  oder  weniger 
ausgedehnten,  häufig  viele  Quadratkilometer  umfassen- 
den Gebietes,  sämmtliche  Stöcke  einer  Art  am  selben 
Tage  aufblühen. 

Der  erste,  der  eine  Thatsache  dieser  Art  kennen  lehrte,  war,  wie 
bei  so  vielen  anderen  Erscheinungen  des  tropischen  Pflanzenlebens, 
Fritz  Müller,  der  dieselbe  an  drei  Arten  der  Iridaceen-Gattung  Marica 
mit  verschiedenen  Blüthezeiten,  nachwies.  Später  theilte  mir  M.  Ridley 
in  Singapore  mit,  dass  eine  dortige  Orchidee  sich  ähnlich  verhielte. 
Endlich  machte  mich,  während  meines  Aufenthalts  in  Buitenzorg,  Herr 
Dr.  Treub  auf  das  Verhalten  von  Dendrobium  crumenatum,  einer  in 
West-  und  Mitteljava  überaus  häufigen  epiphytischen  Orchidee  aufmerksam. 
Am  13.  December  1889  sah  ich  alle  Exemplare  der  Pflanze  in  Buiten- 
zorg und  Umgebung  (West- Java)  ihre  sämmtlichen  Blüthenknospen 
öffnen.  Am  19.  Januar  1890  wohnte  ich  in  Samarang  (Mittel-Java)  der 
gleichen  Erscheinung  bei.  Wie  ich  erfuhr,  hatte  das  Dendrobium  nahezu 
zur  selben  Zeit  auch  in  Buitenzorg  geblüht.  Am  19.  Februar  sah  ich 
das  gleiche  in  Garut,  auf  dem  Hochplateau  des  Preanger,  am  4.  März 
wiederum  in  Buitenzorg.  Noch  einige  andere,  weniger  häufige  Orchideen, 
scheinen  ein  ähnliches  Verhalten  zu  zeigen. 

Mit  den  eben  geschilderten  räthselhaften  Erscheinungen  dürfte  viel- 
leicht das  Verhalten  gewisser  Bambuseen  vergleichbar  sein,  welche  nur 
in  mehrjährigen  Zeiträumen  blühen,  dann  aber  innerhalb  eines  grossen 
Bezirkes  alle  gleichzeitig.  So  blühen  die  Bambusen  in  den  süd- 
brasilianischen Provinzen  St.  Catharina  und  Rio  Grande  do  Sul  in 
Zwischenräumen  von  etwa  13  Jahren,  an  der  Westküste  von  Vorder- 
indien (Bambusa  arundinacea)  in  solchen  von  32  Jahren,  z.  B.  1804, 
1836,  1868 1).  Nach  Ridley  blühen  zwei  Arten  von  Hopea  (H.  inter- 
media und  H.  Mengarawan)  und  vier  Arten  von  Shorea  (S.  leprosula, 
parvifolia,  pauciflora  und  macroptera)  mit  grosser  Regelmässigkeit  jedes 
sechste  Jahr.  Diese  Perioden  sollen  mit  sehr  trockenen  Jahren  zusammen- 
fallen2). 


')  Brandis  bei  Hackel  1.  c.  S.  90. 
-)  Brandis  II.  S.  20. 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen.  271 

In  den  meisten  Fällen  herrscht  während  des  grösstenTheils 
der  reproduktiven  Periode  eine  Verlangsamung  oder  so- 
gar eine  Stockung  in  der  vegetativen  Region,  welche  sich 
auf  das  ganze  Geäst  erstreckt,  wenn  dasselbe  auf  einmal  zur  Blüthe 
übergeht,  andernfalls,  je  nach  dem  Grade  der  Individualisirung ,  auf 
grössere  oder  kleinere  Aeste  beschränkt  bleibt.  Die  Einwirkung  auf 
die  vegetative  Region  ist  vielfach  auf  das  Ausbleiben  der  Laubtrieb- 
bildung beschränkt ;  die  vegetativen  Knospen  ruhen.  In  manchen  Fällen 
geht  jedoch  der  Antagonismus  zwischen  vegetativen  und  reproduktiven 
Functionen  weiter.  Der  zum  Blühen  sich  anschickende  Baum 
oder  Strauch  wirft  sein  Laub  ab,  jedoch  meist  nur  an  den 
blühenden  Aesten,  während  die  rein  vegetativ  gebliebenen 
ihr  Laub  zu  behalten  pflegen. 

Auf  welchem  Stadium  der  Entwicklung  der  Blüthen  die  Erscheinung 
eintritt,  habe  ich  leider  festzustellen  unterlassen;  auch  die  Litteratur  bringt 
darüber  nichts.  Hier,  wie  bei  der  Entlaubung  von  Urostigma  glabellum 
(£.  265)  ist  dieselbe  vielleicht  auf  Ablenkung  des  Wasserstroms  zu  Gunsten 
der  Blüthenknospen  zurückführen.  Das  neue  Laub  entsteht  bald  schon  zu 
Anfang,  bald  auf  späteren  Stadien  der  Fruchtbildung. 

Bereits  Crüger  hatte  auf  Trinidad  beobachtet ,  dass  Erythrina  im 
unbelaubten  Zustande  blüht  und  dass  blüthenlos  verbliebene  Zweige 
ihr  Laub  behalten.  Ich  habe  häufig  Gelegenheit  gehabt,  diese  Angabe 
bestätigt  zu  sehen  und  das  gleiche  hin  und  wieder  auch  bei  Schizolobium 
giganteum ,  auf  Java ,  beobachtet.  Aehnliche  Erscheinungen  fand  ich 
im  botanischen  Garten  von  Tjibodas  (Java),  wo  ich  auf  dieselben  mehr 
achtete,  z.  B.  bei  Paraspondias  parviflora,  deren  reich  blühende  Zweige 
den  grössten  Theil  ihrer  Blätter  abwarfen,  während  die  nur  wenige 
Blüthen  tragenden  entsprechend  mehr  belaubt  blieben,  ferner  bei  einer 
Ardisia  und  bei  Juannuloa  aurantiaca,  wo  die  blühenden  Zweige  ganz 
oder  nahezu  entlaubt  waren,  während  eine  Abnahme  der  Belaubung 
sich  an  den  rein  vegetativ  gebliebenen  Zweigen  nicht  zeigte. 

Bei  manchen  auch  sonst  laubabwerfenden  Bäumen  fand  ich,  dass 
die  blühenden  Zweige  später  belaubt  werden  alsdierein 
vegetativen.  So  sah  ich  (21.  November  1889)  im  botanischen  Garten 
zu  Buitenzorg  zwei  Bäume  von  Firmiana  colorata  mit  jungem  Laube 
und  Blüthen.  Letztere  waren  bei  dem  einen  Baume  reichlich,  beim 
anderen  spärlich  vorhanden,  bei  beiden  aber  auf  einzelne  Zweigsysteme 
beschränkt.  An  den  blühenden  Aesten  waren  die  Laubblätter  noch  sehr 
klein  und  blass,  an  den  sterilen  bereits  gross  und  lebhaft  grün.  Nach 
der  Blüthezeit  (13.  XII.)  war  derjenige  Baum,  der  reich  geblüht,  von 
dem  anderen  leicht  an  seiner  weniger  entwickelten  Belaubung  erkennbar. 
Bei  Meliosma  lanceolata,  im  selben  Garten,  sah  ich  am  21.  November 
junges  Laub   nur   an   sterilen  Aesten,    während    die  mit  Fruchtständen 


272  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

oder  jugendlichen  Blüthenständen  versehenen  Zweige  noch  keine  Spur 
von  Belaubung  zeigten. 

Manche  Bäume  sind  in  der  Jugend,  so  lange  sie  noch 
nichtBlüthen  erzeugen,  immergrün,  während  sie  später, 
vor  der  jemaligen  Blüthezeit,  ihr  Laub  abwerfen.  So  ver- 
hält sich  z.  B.  Schizolobium  giganteum,  wenigstens  auf  Java. 

Man  ersieht  aus  dem  Vorhergehenden,  dass  wie  Laubbildung  und 
Laubfall,  auch  die  Blüthenentwickelung  an  einen  periodisch  wieder- 
kehrenden inneren  Zustand  gebunden  ist.  Ebensowenig  wie  Sprosse, 
mit  ununterbrochener  Laubbildung  giebt  es  solche  mit  ununterbrochener 
Blüthenbildung.  Auch  auf  dem  reproductiven  Gebiet  ist  eine 
durch  innere  Ursachen  bedingte  rhythmische  Abwechselung 
von  Ruhe  und  Bewegung  vorhanden. 

§3.  Periodisch  trockene  Gebiete.  Wie  die  Rhytmik  der  Laub- 
bildung zeigt  auch  diejenige  der  Blüthenbildung  einen 
Zusammenhang  mit  den  Jahreszeiten,  sobald  letztere 
scharfe  Unterschiede  aufweisen.  Auch  für  die  repro- 
ductive  Sphäre  ist  diese  Abhängigkeit  eine  secundäre 
Erscheinung,  eine  Anpassung  physiologisch  nothwendiger  Vorgänge 
an  äussere  Factoren.  In  den  Tropen  zeigt  sich  ein  Einfluss  der  wech- 
selnden Temperatur  nur  in  den  Grenzgebieten,  so  dass  derselbe  hier 
vernachlässigt  werden  kann.  In  dem  grössten  Theile  der  heissen 
Zonen  drückt  sich  der  Unterschied  der  Jahreszeiten,  soweit  er  für  das 
Pflanzenleben  in  Betracht  kommt,  nur  in  den  Hydrometeoren  aus,  nament- 
lich in  Regenmenge  und  Luftfeuchtigkeit. 

Ueberall  in  den  Tropen  fällt  der  Reichthum  blühen- 
der Holz-  und  Knollenpflanzen,  also  solcher  Gewächse,  deren 
Blüthenbildung  nicht  in  direkter  Abhängigkeit  vom  Laube  steht, 
während  der  Trockenzeiten  oder  unmittelbar  nach  den- 
selben auf.  Manchmal  finden  wir  es  in  den  Berichten  von  Reisenden 
als  eine  merkwürdige  Erscheinung  berichtet,  dass  viele  Bäume  gerade 
in  der  Trockenzeit  blühen.  So  erwähnt  es  Belt  für  Nicaragua,  Crüger 
für  Trinidad,  Schweinfurth  für  Nubien  und  Kurz  sagt  von  den  laubab- 
werfenden Wäldern  in  Pegu,  dass  die  meisten  ihrer  Bäume  während 
der  trockenheissen  Zeit  blühen,  dass  gleichzeitig  eine  Menge  von 
Rhizom-  und  Knollenpflanzen  (Scitamineen,  Amaryllideen,  Orchideen, 
Ochna  suffruticosa,  etc.)  sich  mit  Blüthen  bedecken,  dass  die  ent- 
laubten, verdorrten  Zweige  der  Bäume  blühende  Ochideen  in  Fülle 
tragen. 

Aus  eigener  Anschauung  lernte  ich  den  Blüthenreichthum  tro- 
pischer Trockenzeiten  in  den  Savannenwäldern  Venezuela's  kennen. 
Die  meisten  Bäume  waren  während  meines  Aufenthalts  (März  1883) 
entlaubt ;  keine  Spur  von  vegetativer  Thätigkeit  trat  an  ihnen  zum  Vor- 


IL    Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen.  273 

schein,  und  doch  waren  viele  derselben,  namentlich  Cassia-Arten  und 
andere  Leguminosen,  über  und  über  von  Blüthen  besäet.  Auch  epi- 
phytische  Bromeliaceen  und  Orchideen  blühten  reichlich.  Dagegen  war 
die  Bodenvegetation  beinahe  blüthenlos ;  dieselbe  war  allerdings  vor- 
nehmlich von  Gräsern  und  anderen  Kräutern  gebildet,  deren  Nährstoffe 
sich  vornehmlich  im  Laube  ansammeln  und  daher  noch  während  der 
Vegetationszeit,  d.  h.  der  Regenzeit,  zur  Blüthenbildung  Verwendung 
finden  müssen.     Jetzt  war  das  Laub  strohartig  trocken. 

Ein  oft  noch  reicherer  Blüthenflor,  namentlich  von  Stauden,  begleitet 
die  ersten  Regen  nach  der  Trockenzeit.  Dagegen  nimmt  derselbe  mit 
dem  Fortschreiten  der  Regenzeit  immer  mehr  ab,  namentlich  für  Holz- 
gewächse und  Knollenpflanzen,  und  sinkt  am  Ende  derselben  auf  ein  Mini- 
mum zurück,  während  das  Wachsthum  der  Laubtriebe  noch  lange  fort- 
dauert, das  secundäre  Dickenwachsthum  die  grösste  Intensität  aufweist, 
die  Assimilation  und  andere  Vorgänge  der  Ernährung  im  Maximum  sind. 
Die  Früchte  vieler  Holzgewächse,  die  in  der  Trockenzeit  geblüht 
haben,  gelangen  in  der  darauf  folgenden  Regenzeit  zur  Reife;  andere 
brauchen  eine  längere  Zeit.  Doch  scheint  die  Reifezeit  der  meisten 
Früchte,  so  weit  sie  überhaupt  an  eine  bestimmte  Jahreszeit  gebunden 
ist,  vorwiegend  die  Regenzeit  zu  sein.  Dementsprechend  giebt  es  in 
der  Trockenzeit  nur  wenig  Obst. 

Die  fördernde  Wirkung  der  Trockenzeit  auf  das  Blühen  ist  keines- 
wegs eine  überraschende  Erscheinung.  Im  Gegentheil,  das  Ueber- 
raschende  ist  eher,  dass  gewisse  Pflanzenarten,  die  allerdings,  nament- 
lich wenn  nur  die  Holzgewächse  in  Betracht  gezogen  werden,  sehr  in 
der  Minderzahl  sind,  gerade  auf  der  Höhe  und  gegen  Ende  der  Regen- 
zeit blühen.  Es  ist  in  einem  früheren  Kapitel  gezeigt  worden,  dass 
Wasserarmuth  des  Bodens  und  der  Atmosphäre  Anlage  und  Wachs- 
thum der  Blüthen  begünstigen.  Das  Blühen  in  der  Trockenzeit  oder  gleich 
nachher  ist  eine  physiologisch  begreifliche  Erscheinung.  Warum  dasselbe 
in  anderen,  allerdings  seltenen  Fällen,  umgekehrt  durch  die  grosse  Nässe 
der  Regenzeit  herbeigeführt  wird,  ist  bei  den  Holzgewächsen  vielleicht 
auf  besondere  Anpassungen,  z.  B.  an  bestimmte  Bestäuber  und  dgl., 
zurückzuführen.  Dass  aber  viele  Kräuter  ohne  persistirende  Reserve- 
stoffbehälter  während  der  Regen  blühen,  ist  eine  nothwendige  Folge 
der  unmittelbaren  Abhängigkeit  der  Blüthen  vom  Laube. 

§  4.  Specielle  Belege.  Um  zu  sicheren  und  zahlen  massigen  Er- 
gebnissen über  den  Einfluss  der  tropischen  Jahreszeiten  auf  die  Blüthen- 
bildung zu  gelangen,  habe  ich  in  einigen  Florenwerken  die  diesbezüglichen 
Angaben  für  die  einzelnen  Arten  zusammengestellt.  Es  konnten  nur  solche 
Werke,  welchen  mehrjährige  Erfahrungen  an  Ort  und  Stelle  zu  Grunde 
liegen,  in  Betracht  kommen;  in  anderen  wird  man  ganz  gewöhnlich 
als  Blüthezeit  den  Monat  angegeben  finden,  in  welchem  das  betreffende 

Schimper,  Pflanzengeographie.  lg 


274 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Exemplar  zufällig  gesammelt  wurde.  Allerdings  ist  die  gelegentliche 
Verwendung  solcher  Sammlerangaben  in  einem  Theile  der  von  mir  be- 
nutzten Werke  nicht  ausgeschlossen;  doch  kann  den  Angaben  Brandis' 
in  dessen  Forest  Flora  of  N.  W.  u.  C.  India  unbedingtes  Vertrauen 
geschenkt  werden  und  Koorders  und  Valeton,  die  Herausgeber  einer 
in  Lieferungen  erscheinenden  Baumflora  Java's,  haben  dieser  Frage 
kritische  Sorgfalt  gewidmet.  Ausser  diesen  Werken  wurden  die  drei 
erschienenen  Bände  von  Trimen's  Flora  of  Ceylon  und  Schom- 
burgk's  Verzeichniss  der  Flora  von  Guiana  benutzt.  Aus  allen 
diesen  Werken  gab  sich  der  fördernde  Einfluss  der 
Trockenzeiten  auf  die  Blüthenentwickelung  in  deut- 
lichster Weise  zu  erkennen.  Die  Blüthezeit  der  Mehrzahl  der 
Arten,  namentlich  aus  schon  erwähnten  Gründen  diejenige  der  Holz- 
gewächse, fällt  mit  dem  Ende  der  Trockenzeit  und  dem  ersten  Anfang 
der  Regenzeit  zusammen. 

Koorders'  und  Valeton's  Werk  verspricht,  nach  seiner  Vollendung,  die 
wichtigste  Quelle  für  die  Erforschung  des  Zusammenhangs  zwischen  Blüthezeit 
und  Jahreszeit  darzustellen,  einerseits  wegen  der  Sorgfalt,  mit  welcher  die 
Aufzeichnungen  gesammelt  werden,  andererseits  weil  auf  Java  die  Temperatur- 
unterschiede gar  nicht  in  Betracht  kommen.  Soweit  also  das  Klima  auf 
Java  die  Blüthezeit  mitbestimmt,  kann  es  sich  nur  um  die  Unterschiede  der 
Hydrometeore  handeln. 

Von  228  Arten,  deren  Blüthezeit  angegeben  ist,  ist  letztere  bei  53  auf 
das  ganze  Jahr  gleichmässig  vertheilt,  bei  12  fängt  sie  in  der  nassen  Jahres- 
zeit (Dec. — März)  an  und  setzt  sich  in  die  trockene  fort;  bei  65  Arten  oder 
ca.  2  9  °/0  haben  also  die  Hydrometeore  einen  deutlichen  Einfluss  auf  die 
Blüthezeit  nicht.  Bei  142  Arten,  d.  h.  nahezu  63%,  ist  die  Blüthezeit  auf 
die  Trockenzeit  (April — November)  entweder  ganz  oder  doch  vornehmlich 
beschränkt  Nur  etwa  18  Arten  oder  nicht  ganz  8°/0  blühen  nur  während 
der  Regenzeit. 

Die  beigegebene  Tabelle  giebt  diese  Verhältnisse  in  übersichtlicher 
Darstellung. 

Tabelle  I. 


Klima  ur 

id  B1 

üthezeiten  auf  Java. 

MitteltempJ[Dec. 

Jan. 

Febr.  |  März 

April 

Mai  1  Juni 

JuH 

25-7 

Aug.  |  Sept.  1  Oct.     Nov. 

Batavia     ;       , 
(Jahr  25.8)  ;!25-6 

25-3 
19 

25-4 

25.8 

26.3 

26.4 

26.0 

•         ! 
26.0 1  26.3   26.4 ,  26.1 

Regenmengel 
in  °/o         !    II 
West -Java  1 

12 

13 

8 

5 

6 

4 

3 

1     -    ' 
5        6    ,    9 

Ost -Java    ,|  16 

22 

18 

12 

8 

5    1     7 

3 

i-4  |  0.5 !    2       4 

Blüthe-     ,i      R  6    ,,    0/        I 

zeiten  in  %,|     Regen-   OI    2    /o     | 

Arten      jl  8  u/n  | 


Regen:  38V,  °/o 


*9°/o 


63% 


II.    Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen. 


275 


Das  im  Brandis'schen  Werke  behandelte  Gebiet  ist  insofern  weniger  in- 
structiv,  als,  namentlich  im  nordwestlichen  Theile,  die  Temperaturunterschiede 
der  Jahreszeiten  nicht  unbeträchtlich  sind.  Doch  sind  sie  während  der  trocken- 
heissen  Zeit  und  während  der  Regenzeit  immerhin  noch  nicht  sehr  gross, 
während  der  Unterschied  in  den  Blüthezeiten  sehr  zu  Gunsten  der  ersteren 
fällt.  Die  geringe  Menge  von  Blüthen  während  des  Winters  dürfte  auf  die 
niedere  Temperatur  zurückzuführen  sein.  Die  Rubrik  „Blüthezeiten"  giebt 
die  Zahl  der  Arten  an,  die  in  dem  betreffenden  Monate  blühend  angetroffen 
werden.  Es  ist  also  ein  und  dieselbe  Art  in  mehreren  Monaten  aufgeführt, 
wenn  ihre  Blüthezeit  sich  auf  mehrere  Monate  erstreckt 


Tabelle  IL 
Temperatur,  Regen  und  Blüthezeit  in  NW.-  und  Central-Indien. 


NW. 

Peschawar 

(Pendjab) 

(mm  Regen) 

Jan. 

Febr. 

März 

April 

Mai  1  Juni 

Juli 

Aug. 

Sept. 
17 

Oct. 

Nov. 

Dec. 

42 

40 

40 

50 

18 

5 

44 
177 

65 

7 

25 

19 

Lahore  (id) 
Delhi  (id)  i 

14 

34 

26    !    18 

20    |    41 

124 

55   i   17    |     4 

15 

22 

16 

21 

1 1 

19    |    72 

213 

183 

112 

26.4 

2 

II 

Agra 
(Temp.) 

'S* 

24.7 

3I.I 

343 

30.6 

29.1 

2O.9 

C.        1 
Nagpur     i 
(Regen)     i 

17 

12 

16 

13 

22 

218 

322 

229 

190     54 
1 

8 

IO 

Indore  (id) 
Jubbulpoor 

(Regen) 
Jubbulpoor  i 

(Temp.) 

8 

9 

0 

2 

8 

*54 

289 

255 

218  1   17 

I 

4 

16 

13 

12 

6 

10 

198 

45° 

357 

217     36 

7 

5 

16.6 

243 

29.3 

32.6 

26.0 

1  25.4  23.4 
1         1 

18.7  i 

1 

Regenmittel  ] 
der  6  Orte      2° 

21 

19 

18 

16 

ii5 

249 

202 

1 
135     25 

8    ,   11 

Blüthezeiten  l  64 

"3 

23I 

293 

269 

189 

in  1  78 

49   1   43 

49   i   54 

°/0  Regen 

°'0  Blüthen- 

zeiten 

2.4 

2-5 

2-3 

2.2 

1.9 

13.7 

29.7 

24.1 

16.0  |  3.0 

1.0 

i-3 

41 

7-3 

14.9 

18.9 

174 

12.2 

7.2 

5-° 

3.1 

2.1 

31 

3.4 

Aus  Trimen's  Flora  of  Ceylon  habe  ich  nur  die  Arten  des  Tieflands 
entnommen,  weil  für  dieses  allein  mir  zuverlässige  meteorologische  Daten 
vorliegen.  Die  Insel  gliedert  sich  in  einen  kleineren  westlichen  und  südwest- 
lichen sehr  regenreichen,  und  einen  grösseren  östlichen  und  nördlichen  weniger 
regenreichen  Theil.  Nähere  Daten  über  das  Klima  giebt  die  beiliegende 
Tabelle. 


13" 


276 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Tabelle  III. 
Klima  von  Ceylon:   Tiefland. 

Meteorol.  Zeitschr.   1886.  S.  272  u.  f. 


I.  Feuchtes| 

Jan.| 

Febr.  | 

März  |  April 

Mai  '  Juni  1  Juli   1 

Aug.  1  Sept.  1 

Oct.J 

Nov. 

Dec. 

Gebiet.    | 

A.  Westen.i 
Colombo 
Temperatur 

26.1 

26.7 

27.8 

28.3 

28.1 

273 

27.0 

1 
26.9 

27.1 

26.8 

26.5 

26.2 

Rel.  Feucht 

78 

77 

77 

80 

5-5 

233 

27.6 
~86~ 

81 

83 

82 

83    | 

81 

82       82    |    80 

Bewölkung 

4.9 

41 

4.0 

6.8 

7.4 

6.8 

7.0 

6.8 

6.8 

6.3  1  5-6 

1 

334  j  169 

Regenfali 

mm 
(Jahr  2219) 

81 

47 

142 

328 

191 

137 

I20 

121 

316 

B.  Süden. 
Galle.     I| 
Temperatur  l  25.3 

26.1 
87 
49 

27.1 

~8<r 

27.4 

26.7 

26.3 
90 
6.5 

26.4 

91 
6.6 

26.4 
9i 
6.5 

26.2 

1 

i 
25-9   25.5 

Rel.  Feucht.'|  89 

88 

91 
7.0 

91       91    |   90 

Bewölkung    1  5.6 

5-° 

6.0 

6.7 

284 

6.7 

7.0  1  5.6 

Regenfall      || 
(Jähr2273)j109 

89 

124 

232 
28.1 

200 

137 

142 
27.9 

191 

313 

291  ,  161 

II.  Trocke- 
nes Gebiet. 
A.  Osten. 
Batticaloa. 
Temperatur 

1 
124.9 

25-7 
5-9 

26.8 

28.6 

28.4 

28.3 

27.7 

27.0 

1 

1 

1 

1 

25.7  1  248 

Rel.  Feucht.  |    88 

84 

82 

79 
6.8 

79 
6.8 

82 
~678~ 

83 
52 

87 

1  89  1  92 

Bewölkung 

6.9 

85 

_5:6_ 
42 

41 

6.7      7.2      6.8 

Regenfall 
(Jahr  1332) 

206 

91 

32 

17 

72 

146 

33i 

1 

f  2I7 

1 

1 

25-2 

87 

B.Norden.  1 
Jaffna.     | 
Temperatur  ,1  25.3 

26.2 

77 

28.1 
79 

34 

29-5 

29-3 

28.7 
86 

28.1 

85 

27.9 

27.8 

27.4 

26.1 

Rel.  Feucht,  i1  81 

82 

85 

86 

87 

86   '   88 

Regenfall 
(Jahr  121 5) 

II 

34 

58 

53 

1 

11 

14 

3i 

65 

227  |  37 5  ,  262 

i 

Ceylon. 

Vertheilung   der   Regenmenge   nach   Procenten. 


Ost-Ceylon   ;(  12 
West- Ceylon     4 


Jan.  j  Febr.    März  1  April  |   Mai  l  Juni  I  Juli   I  Aug.  1  Sept.  !  Oct.  '  Nov.     Dec 

2.5   I      6 


2.7 


3_ 


1A. 
9 


1 1 


14     14 


7 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  der  Vegetation  in  den  Tropen. 
Mitteltemperaturen    in    Celsius-Graden. 


277 


Jan.  1  März 

April 

Mai  |  Juli 

Sept. 

Oct. 

Nov. 

Jaffna  (trocken)    25.6 

28.6 

29.9 

29.7  1  28.4 

28.2 

27.8 

26.6 

Galle  (feucht) 

25-7 

27.3 

27.8 

27.7 

26.6 

26.7 

26.6 

26.2 

77    —    Mai    49 
—   Oktober    20 


Wie  man  sieht,  darf  hier,  wie  auf  Java,  der  Einfluss  der  Temperatur 
vernachlässigt  werden. 

Es  ist  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass  in  Trimen's  Flora  die  „Blüthe- 
zeiten"  vielfach  nur  „Sammelzeiten"  bedeuten.  Nichts  destoweniger  weisen 
sie,  namentlich  bei  den  Holzgewächsen,  den  fördernden  Einfluss  der  Trocken- 
zeit in  schärfster  Weise  auf,  und  zwar  entsprechen  den  beiden  Trockenzeiten 
zwei  Maxima  der  Bltithezeiten ,  ein  grosses  im  Frühjahr,  ein  kleineres  im 
Spätsommer. 

Die  Blüthezeiten,  soweit  sie  nicht  das  ganze  Jahr  dauern,  vertheilen  sich 
auf  Ceylon  in  folgender  Weise  auf  die  Monate: 

1.  Feuchtes  Gebiet     Holzgewächse. 

Januar  81  —  Februar  126  —  März  183  —  April  159  —  Mai  88  — 
Juni  67  —  Juli  74  —  August  66  —  September  104  —  Oktober  36  — 
November  38  —  December  62. 

2.  Trockenes  Gebiet.     Holzgewächse. 

Januar  57  —  Februar  92  —  März  97  —  April 
Juni  48  —  Juli  83  —  August  79  —  September  61 
November  25  —  December  39. 

3.  Feuchtes  Gebiet.     Kräuter. 

Januar  86  —  Februar  109  —  März  83  —  April  50  —  Mai  40  — 
Juni  41  —  Juli  52  —  August  60  —  September  67  —  Oktober  49  — 
November  51   —  December  80. 

4.  Trockenes  Gebiet     Kräuter. 

Januar  117  —  Februar  147  —  März  105  —  April  45  —  Mai  34  — 
Juni  35  —  Juli  59  —  August  73  —  September  57  —  Oktober  37  — 
November  48  —  December  89. 

Die  drei  bisher  erschienenen  Bände  der  Flora  von  Ceylon  umfassen  die 
Dicotylen  mit  Ausnahme  der  Euphorbiaceae,  Urticaceae  und  Cupuliferae.  Es 
sind  25  Holzpflanzen  und  72  Kräuter  als  das  ganze  Jahr  blühend  aufgeführt, 
doch  sind  diese  Zahlen  gewiss  zu  klein.  Es  ist  nämlich  in  den  Tropen  keine 
seltene  Erscheinung,  dass  während  die  grosse  Mehrzahl  der  Stöcke  einer  Pflanze 
blüthenlos  dastehen,  eine  kleine  Anzahl  in  Blüthe  sind.  So  genau  werden 
die  Jahreszeiten  nicht  eingehalten.  In  den  sorgfaltigen  Aufzeichnungen 
Koorder's  finden  wir  denn  eine  relativ  bedeutend  grössere  Zahl  Arten,  die  das 
ganze  Jahre  blühen,  aber  vielfach  mit  der  Angabe,  dass  dieselben  vorwiegend 
in  einer  bestimmten  Jahreszeit,  —  meist  dem  Ostmonsun  —  in  Blüthe  sind. 
Von    107    Baumarten   Java's    der    beiden    ersten   Lieferungen    deren    Blüthe- 


278 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


zeit  als  ganz  sicher  bekannt  angenommen  werden  kann,  finde  ich  22  als 
das  ganze  Jahr  blühend  aufgeführt.  Nach  Schomburgk  würden  in  Britisch 
Guiana  172  Dicotylen  und  36  Monocotylen  das  ganze  Jahr  blühen. 

In  Schomburgk's  Catalog  der  Flora  von  Guiana  wurden  nur  die  Dico- 
tylen des  Waldgebiets  berücksichtigt,  weil  die  Monocotylen  beinahe  nur 
Kräuter  aufweisen.  Die  Beziehungen  zwischen  Klima  (Georgetown)  und  Blüthe- 
zeiten  zeigen  folgende  Tabelle: 

Tabelle  IV. 
Klima  und  Blüthezeiten  in  Britisch  -  Guiana. 


Jan. 


Temperatur  ||  25.8 
Regenmenge!  1  174 


Blüthezeiten    164 


Febr. 
148 


*74 


März 
26.1 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

Aug. 

Sept. 

Oct 

Nov. 

Dcc. 

26.4 

26.3 

26.1 

26.1 

26.5 

27.2 

273 

26.9 

26.1 

185 
1  73 

186 

357 

353 

274 

189 

66 

63 

142 

273 

I9I 

108 

"5 

79 

170 

184 

168 

81 

58 

Die  wasserreichsten  Monate  Mai,  Juni,  Juli  und  December  sind  blüthen- 
arm  im  Vergleich  zu  den  massig  feuchten  Monaten  Januar,  Februar  und  April 
und  den  trockenen  Monaten  September  und  Oktober.  Die  Blüthenarmuth  des 
März  ist  aus  dem  Klima  nicht  zu  erklären. 


4.  Die  Caesalpiniaceen  im  Garten  zu  Buitenzorg. 


Als  Beispiel  der  verwirrenden  Erscheinungen,  wie  sie  die  Periodi- 
cität  in  den  Tropen  aufweist,  seien  aus  meinen  Reisenotizen  folgende, 
die  Abtheilung  der  Caesalpiniaceen  im  Botanischen  Garten 
zu  Buitenzorg  (Java)  betreffende  Stellen  mitgetheilt: 

11.  November  1889.  Obwohl  die  Familie  zu  denjenigen  gehört, 
die  periodisch  laubabwerfende  Bäume  in  grosser  Zahl  besitzt,  so 
sind  doch  beinahe  sämmtliche  Bäume  mehr  oder  weniger  belaubt. 
Die  Section  stellt  sich  in  der  Ferne,  als  eine  Laubmasse  in  ver- 
schiedenen Schattirungen  von  grün  dar.  Bei  näherer  Betrachtung 
lernt  man  jedoch  ein  Bild  kennen,  wie  es  in  keinem  europäischen 
Garten  ein  Analogon  bieten  könnte,  —  eine  eigenartige  Vermischung 
aller  Jahreszeiten. 

Inmitten  der  von  der  Mehrzahl  der  Bäume  gebildeten  Laubmasse 
erheben  sich  andere  im  unbelaubten  Zustande.  Zu  diesen  gehört  eines 
von  zwei  Exemplaren  des  aus  Brasilien  stammenden  Schizolobium  excel- 
sum,  welches  allerdings  einen  beblätterten  sterilen  ganz  jungen  Zweig 
trägt,  während  die  anderen  Zweige  Blüthenstände  besitzen  und  laublos 
sind.  Der  andere  Baum  ist  ganz  belaubt  und  trägt  einige  alte  Früchte. 
In  der  Heimath  ist  der  Baum  während  des  Winters  (Süd-Brasilien)  kahl 
und  blüht  am  Ende  desselben. 


Auswahl  der  Literatur. 


279 


Wenige  Bäume  befinden  sich  in  einem  Zustande,  den  man  mit 
demjenigen  unserer  Bäume  vergleichen  könnte.  Zu  ihnen  gehören 
Phanera  maculata  und  Ph.  Richardiana,  die  mit  ihrem  ganz  jungen  Laube, 
ihren  grossen,  rosenrothen  Blüthen  ein  Bild  des  Frühjahrs  darstellen. 
In  ihrer  Nähe  erheben  sich  mehrere  mächtige  Bäume,  Hymenaea 
Courbaril  und  H.  verrucosa,  deren  Aussehen  als  herbstlich  bezeichnet 
werden  kann;  der  Boden  unter  ihnen  ist  dicht  mit  trockenen  Blättern 
bedeckt,  ihr  Laub  ist  zum  grössten  Theile  vergilbt  oder  kupferfarbig; 
an  der  ganzen  Oberfläche  der  Krone  zeigen  sich,  an  langen  Stielen, 
die  rundlichen  reifen  Früchte.  An  vielen  Stellen  schimmert  jedoch 
schon,  durch  das  vergilbte  Laub,  das  frische  Grün  junger  Triebe.  Aehn- 
lich  verhält  sich  Poliostigma  acidum.  Maniltea  gemmipara  ist  in  dem 
grösseren  Theile  ihrer  Krone  dunkelgrün,  hat  aber  einzelne,  weisse, 
schlaffherabhängende  junge  Triebe.  Ihr  vergleichbar  sind  Jonesia 
declinata,  Cynometra  sp.  Amherstia  nobilis  zeigt  alle  möglichen  Zu- 
stände von  der  Ruheknospe  bis  zum  schlaff  herabhängenden,  noch 
rothen  jungen  Triebe  und  demjenigen,  der  sich  versteift  und  grün 
wird;  auch  Blüthenstände  sind  in  allen  Stadien  vorhanden,  dagegen 
fehlen  Früchte,  die  hier  überhaupt  nicht  gebildet  werden.  Die  Laub- 
krone von  Jonesia  minor  ist  derjenigen  von  Amherstia  ähnlich ;  am 
Stamme  sieht  man  Inflorescenzen,  von  den  ersten  Anfängen  bis  zu  den 
fertigen,  orangegelben  Dolden  und  Früchte  von  dem  Augenblicke,  wo 
sie  aus  der  Corollen röhre  eben  hervorragen,  bis  zu  der  überreifen,  auf- 
gesprungenen Hülse. 


Auswahl  der  Literatur. 

Belt,  Th.     The  naturalist  in  Nicaragua.     2d  edition.     London  1888. 
Brandis,   Sir  D.  I.      The   forest   flora    of  North- West    and    Central  India. 
London   1874. 

—  II.    Bambusen   in   Hackel,    Gramineae.     Die   natürlichen   Pflanzenfamilien, 

H.  Theil,  2te  Abtheil.     1887. 

—  III.  Die  Familie  der  Dipterocarpaceen  und  ihre  geographische  Verbreitung. 

Sitzb.  d.  niederrhein.  Gesellschaft.     1896. 
Crtiger,  H.    Westindische  Fragmente.    I.    Ueber  Periodicität  in  der  Pflanze. 

Botanische  Zeitung  1854.    ps.  8. 
Ernst,  A.     Botanische  Miscellaneen.     Botan.  Zeitung  1876.    S.  38. 
Haberlandt,  G.     Eine  botanische  Tropenreise.     Leipzig   1893. 
Johow,  Fr.     I.    Zur  Biologie    der   floralen    und    extrafloralen  Schauapparate. 

Jahrb.  des  Königl.  botan.  Gartens  zu  Berlin.     Bd.  III.     1884. 

—  II.   Vegetationsbilder   aus   Westindien   und   Venezuela.     III.    Ein    Ausflug 

nach  der  Höhle  del  Guacharo.    Kosmos.     Bd.  II.     1885. 


280  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Koorders,  S.  H.  en  Valeton,  Th.  Bijdrage  tot  de  kennis  der  boom- 
soorten  van  Java.  No.  i  1894.  No.  2  1895.  No.  3  u.  4  1896  (Mede- 
deeligen  uit  's  Lands  Plantentuin).     Batavia. 

Müller,  Fr.  Bemerkungen  zu  Hildebrand's  Abhandlung  über  die  Lebens- 
dauer und  Vegetationsweise  der  Pflanzen.  Engler's  Botan.  Jahrbücher. 
Bd.  II.     S.  391.     1882. 

Schomburgk,  R.  Versuch  einer  Fauna  und  Flora  von  Britisch  -  Guiana. 
Leipzig  1848. 

Schwein furth.     Zeitschr.  für  Erdkunde.     1865. 

Trimen,  H.  A  Handbook  to  the  flora  of  Ceylon.  London.  Erschienen 
sind  Bd.  I  bis  IV. 

Warming,  E.  Lagoa  Santa.  Et  Bidrag  til  den  biologiske  PlantegeografL 
Kjobenhavn   1892. 


IQ.   Gehölzklima  und  Grasflurklima 
in  den  Tropen. 

1.  Tropische  klimatische  Formationsgruppen.  2.  Klimatische  Bedingungen 
tropischer  Hochwälder.  Klima  des  malayischen  Archipel  nach  Woeiko.  Regen- 
verhaltnisse anderer  tropischen  Hochwaldgebiete.  Regenwald  und  Monsunwald  in  Vorder- 
indien. Luftfeuchtigkeit  und  Temperatur.  Klimatische  Tabellen  aus  tropischen  Hochwald- 
gebieten. 3.  Domwaldklima  in  Vorderindien.  4.  Gehölzklima  und  Savannenklima 
in  Brasilien.  Küstengebirge  und  Campos  von  S.  Paulo.  Campos  und  Wälder  in  Minas 
geraes.  Xerophiles  Gehölzklima  des  Sertäo.  6.  Klima  des  nördlichen  Süd- Amerika 
und  der  Antillen.  6.  Klima  des  tropischen  Afrika.  Westküste.  Centralarrikanische 
Hochlandsavannen.  —  Rückblick. 


1.  Tropische  klimatische  Formationsgruppen. 

Die  Gehölze  der  Tropen  können,  so  weit  ihr  Charakter  auf  das 
Klima  und  nicht  auf  bestimmte  Bodeneinflüsse  zurückzufuhren  ist,  in 
drei  Gruppen  eingetheilt  werden:  Regenwälder,  Monsunwälder, 
Savannenwälder  und  Dornwälder.  Geschlossene  Gesträuch- 
formationen sind  bei  günstigen  physikalischen  und  chemischen  Eigen- 
schaften des  Bodens  selten;  wo  das  Klima  für  den  Wald  zu  trocken 
ist,  wird  derselbe  durch  offene,  halbwüsten-  und  wüstenartige  Forma- 
tionen ersetzt,  in  dem  xerophile  Sträucher  die  Hauptrolle  spielen,  aber 
auch  Bäume  nicht  immer  fehlen. 

Der  Regenwald  ist  immergrün,  von  hygrophilem  Charakter,  wenig- 
stens 30  m  hoch,  aber  meist  bedeutend  höher,  reich  an  dickstämmigen 
Lianen  und  an  holzigen,  sowie  krautigen  Epiphyten. 

Der  Monsunwald  ist  während  der  Trockenzeiten,  namentlich  gegen 
Ende  derselben,  mehr  oder  weniger  unbelaubt,  von  tropophilem  Charakter, 
meist  weniger  hoch  als  der  Regenwald,  reich  an  Holzlianen,  reich  an 
krautigen,  aber  arm  an  holzigen  Epiphyten. 


282  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Der  Savannenwald  ist  während  der  Trockenzeiten  mehr  oder 
weniger  unbelaubt,  selten  immergrün,  von  xerophilem  Charakter,  meist 
unter  20  m  hoch,  oft  viel  niedriger,  parkartig,  sehr  arm  an  Unterholz, 
Lianen  und  Epiphyten,  reich  an  Bodenkräutern,  namentlich  an  Gräsern. 

Der  Dornwald  verhält  sich  in  Bezug  auf  Belaubung  und  Ge- 
sammthöhe  wie  der  Savannenwald,  er  ist  noch  mehr  xerophil  als  der 
letztere,  sehr  reich  an  Unterholz  und  dünnstämmigen  Lianen,  arm  an 
Bodenkräutern,  namentlich  an  Gräsern  und  meist  ohne  Epiphyten.  Dornige 
Gewächse  sind  in  ihm  stets  reichlich  vorhanden. 

Die  verschiedenen  Waldtypen  sind  durch  Uebergänge  miteinander 
verbunden,  ausserdem  zeigen  sich  solche  namentlich  zwischen  Savannen- 
wäldern und  Savannen,  sowie  zwischen  Dornwäldem  und  offenen  Ge- 
büschformationen, welche  als  Zwischenformen  die  Gehölz-  und  Wüsten- 
formationen verbinden. 

Die  Gras  flu r  ist  in  den  Tropen,  da  wo  sie  vom  Menschen  nicht 
erheblich  modificirt  ist,  vornehmlich  als  Savanne,  weniger  als  Steppe 
ausgebildet.  Das  Vorkommen  von  Wiesen,  d.  h.  von  hygrophilen  oder 
mesophilen  Grasfluren  in  den  Tropen  ist  selten  und  stets  durch  ganz 
lokale  Standortsfactoren  bedingt. 

Die  Vegetation  der  tropischen  Wüsten  besteht  aus  Niederholz 
(d.  h.  aus  Zwergbäumen  und  Sträuchern  oder  nur  aus  letzteren),  aus 
Succulenten  und  Stauden.  Die  meisten  tropischen  Wüsten  befinden 
sich  in  der  Nähe  der  Wendekreise  und  hängen  mit  den  weit  aus- 
gedehnteren warmtemperirten  Wüsten  zusammen.  Nur  wenige  Wüsten 
und  zwar  bloss  solche  von  geringer  Ausdehnung  sind  ganz  in  den 
Tropen  eingeschlossen,  so  in  Süd-Indien.  Ueber  das  Klima  dieser 
letzteren  Wüste  liegen  mir  keine  Daten  vor,  die  anderen  sind  in  einem 
späteren  Abschnitt  mit  den  temperirten  zusammen  behandelt. 


2.  Klimatische  Bedingungen  des  tropischen  Hochwaldes. 

Sir  Dietrich  Brandis,  früher  General-Forstinspektor  der  Wälder  Eng- 
lisch-Indiens  und  Begründer  einer  rationellen  Forstwirtschaft  in  diesem 
ungeheuren  Gebiete,  spricht  sich  dahin  aus,  dass  wirklich  gut 
gedeihende  Wälder  nur  da  auftreten,  wo  der  Regen  fall 
40  Zoll  (ca.  1  m)  beträgt  und  eine  üppige,  reiche  Vegetation 
auf  diejenigen  Gürtel  beschränkt  ist,  wo  die  Regenmenge 
eine  weit  grössere  ist. 

Die  vorliegenden  meteorologischen  Tabellen  für  tropische  Gebiete 
weisen  für  die  von  Hochwald  (Regenwald  und  hohen  Monsunwald)  be- 
deckten oder  bedeckt  gewesenen  Gegenden  eine  jährliche  Regenmenge  von 
mindestens  180  cm  auf,  ausser  in  der  Nähe  grosser  Wasserflächen,  wo  die 


Fig.   124.     Tropischer  Regenwald:   Urwald  bei  Pedro  da  Onza,  Brasilien. 
Etwas  schematisch.     Nach  Martius. 


284  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Bodenfeuchtigkeit  den  Regen  ersetzt.  Innerhalb  des  ausgedehntesten 
Waldgebiets  der  Tropen,  des  indomalayischen,  mit  Einschluss  Neu- 
Guineas,  ist  eine  jährliche  Regenmenge  von  über  2  m  die  Regel;  da 
wo  viel  weniger  als  2  m  Regen  fallen,  besteht  die  ursprüngliche  Vege- 
tation, soweit  bekannt,  aus  weniger  hochstämmigen  Gehölzen,  so  an 
manchen  Punkten  Ostjavas,  oder  aus  Savannen,  wie  auf  Timor  (Koepang 
auf  Timor  145  cm).  Andererseits  fallen  an  vielen  Punkten  mehr  als 
300  cm,  an  mehreren  mehr  als  400,  in  Buitenzorg  sogar  499  cm. 

Woeikof  hat1)  auf  Grund  der  vorzüglichen  Aufzeichnungen  der  zahl- 
reichen meteorologischen  Stationen  Holländisch-Indiens,  die  Regenverhältnisse 
einer  grossen  Zahl  der  dortigen  Ortschaften  zusammengestellt  Für  Java 
werden  für  62  Stationen  die  jährlichen  Regenmengen  aufgeführt;  nur  für  12 
derselben  betragen  sie  weniger  als  200,  für  5  weniger  als  150,  für  keine 
weniger  als  100  cm  (Minimum  113  cm,  Probolingo).  Mehrere  der  erwähnten 
Ortschaften  sind  mir  aus  eigener  Anschauung  bekannt,  so  z.  B.  Probolingo, 
die  regenärmste  derselben,  die  sich  im  Osten  Javas  befindet,  entfernt  von 
jeder  Waldung;  in  der  Wildniss  fand  ich,  abgesehen  von  der  Mangrove  nur 
dorniges  Niederholz  von  xerophilem  Charakter.  Ganz  ähnlich  wie  bei  Probo- 
lingo ist  die  Vegetation  in  der  Nähe  des  ebenfalls  regenarmen  Pasoeroean. 
Wie  die  ursprüngliche  Vegetation  in  diesen  von  Zuckerrohrfeldern  bedeckten 
Gegenden  war,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht  mehr  erkennen.  Bäume  in  Cultur 
sind  an  beiden  Orten  häufig.  Die  Umgebung  von  Buitenzorg  (499  cm  Regen), 
Malang  (450  cm),  Tjilatjap  (463  cm)  ist  ebenfalls  des  Waldwuchses  entblösst; 
die  dort  angepflanzten  Bäume  zeigen  aber  grösste  Ueppigkeit  In  der  Nähe 
von  Depok  (334  cm)  ist  etwas  Wald,  nicht  gerade  von  grosser  Ueppigkeit, 
erhalten.  Borneo  und  Sumatra  Sind  bekanntlich  ganz  bewaldet.  Von 
22  Stationen  auf  Sumatra  weist  nur  eine,  Kotta  Badja,  weniger  als  200  cm 
(175  cm)  auf.  Hingegen  besitzen  vier  Stationen  mehr  als  400  cm.  Die  sieben 
für  Borneo  aufgeführten  weisen  alle  mehr  als  200,  zum  Theil  mehr  als  300  cm  auf. 
Celebes,  mit  Ausnahme  der  Südküste  (Kema  163  cm),  die  Molukken  mit 
Ausnahme  von  Timor  (145  cm)  und  Soembawa  (109  cm)  sind  ebenso  regen- 
reich, wie  die  grossen  Inseln.  Von  Timor,  sagt  Forbes,  dass  der  Pflanzen- 
wuchs „sehr  verschieden  von  dem  war,  was  ich  bis  jetzt  auf  den  reich  be- 
wachsenen westlichen  Inseln  und  den  feuchten  Molukken  gesehen  hatte.  Ich 
kann  kaum  behaupten,  dass  es  wirklichen  Wald  gab,  denn  die  Baumkronen 
berührten  sich  selten  und  der  Boden  war  hinreichend  mit  dünnem  Gras  be- 
wachsen, um  ein  parkartiges  Ansehen  zu  zeigen."  Diese  Schilderung  ent- 
spricht dem  Bilde  eines  typischen  Savannenwaldes. 

Neu-Guinea  scheint,  nach  den  allerdings  spärlichen  bisherigen  Aufzeich- 
nungen, in  Bezug  auf  Regenreichthum  den  malayischen  Inseln  nicht  nach- 
zustehen. So  wurden  für  Hatzfeldhafen  248,  für  Constantinhafen  296,  für 
Finschhafen  288  cm  angegeben.2) 

Aehnliche  Regenmengen  wird  wohl  auch  die  Halbinsel  Malakka  besitzen 


*)  Zeitschr.  d.  Ges.  f.  Meteor.   1885. 
a)  Met.  Zeitschr.   1891.     S.  277. 


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tu 


III.   Gehölzklima  und  Grrasflurklima  in  den  Tropen. 


285 


Singapore,  auf  einer  kleinen,  durch  einen  schmalen  Meeresarm  von  der  Halb- 
insel getrennten  Insel,  besitzt  240  cm  jährliche  Regenmenge.  Die  Insel  ist 
entwaldet,  mit  Ausnahme  einer  Anhöhe,  auf  welcher  die  Regenmenge  eine 
noch  grössere  sein  dürfte.  Ueberall  zeigen  die  auf  der  Insel  angepflanzten 
Bäume  sehr  üppigen  Wuchs.  Kwala  Lumpur,  im  Staat  Selangor,  auf  der 
Halbinsel  selbst,  hat  jährlich   243  cm. 

Die  Niederschläge  im  malayischen  Waldgebiet  sind  nirgends  gleich- 
massig  auf  das  Jahr  vertheilt,  sondern  man  unterscheidet  eine  feuchte 
Jahreszeit  (im  Sommer)  und  eine  trockene  (im  Winter),  oder  auch  zwei 
Regenzeiten.  Der  Unterschied  in  den  Jahreszeiten  ist  bald  grösser,  bald 
kleiner,  doch  niemals  so  stark  ausgeprägt,  wie  in  Vorderindien. 


Tabelle  I. 

Vertheilung  der  Regenmenge   in  Procenten  der  Jahresmenge 
im  malayischen  Archipel. 

(Nach  Woeikof.) 


W,Java(Ge-     g    j 
dehgruppe) 
NO.-Ja^a 

Sumatra 
(Paday) 


Dec.  i  Jan.    Febr.  \  März  j  April     Mai  i  Juni      Juli  |  Aug.    Sept.  1  Oct. 

7    j     6    |     6    i     5    '     8    !     8 
3       14 


Nov. 


IO 


16 


12 

W.-Borneo    ,   10 


22      18       12 
10        0    i    11 


10 


11 


8 


0.5 


8 


8 


SW.-Celebes    23  1  25      16  i   12   •     5 


2.4 

4 

9 

9 

12 

1 1 

2.2 


0.8  I  0.7     0.26, 


Die  anderen  tropischen  Gebiete  mit  Hochwald  weisen  ähnliche 
Regenmengen  auf,  wie  das  malayische  Gebiet.  So  in  Asien:  Rangun 
250  cm,  Colombo  222,  Kandy  212,  Ratnapura  (Ceylon)  384,  Maha- 
blesmar  im  Ghätgebirge  723  (nach  Woeikof  657),  Mangalore  338, 
Saigon  211,  Kelung  aufFormosa  305.  —  In  Afrika:  Kamerun  388  cm, 
Gabun  226,  Sierra  Leone  319.  —  In  Amerika:  NO.  Jamaica  281  cm, 
Haiti  (Sanchez)  206,  Colon  289,  Georgetown  (British-Guiana)  214, 
Paramaribo  228,  Bahia  229,  Santos  250.  —  Australien:  Kap  York 
(N.-Austr.)  220,  Papete  (Tahiti)  218,  Samoa  (Utumapu)  212.  An 
einzelnen  Punkten  der  tropischen  Hochwaldgebiete  sehen  wir  die 
Regenmenge  bis  gegen  150  cm,  jedoch  nicht  tiefer  fallen.  Nur 
am  Amazonas  bilden  anscheinend  Regenmengen  von  200  und  mehr 
die  Ausnahme;  der  dortige  Wald  verdankt  dort  seine  grosse  Ueppig- 
keit  dem  Grundwasser  und  bildet  daher  nicht  eine  zusammenhängende 
grosse  Area,  sondern  ist  auf  die  Uferlandschaften  beschränkt. 

Die  Vertheilung  der  Niederschläge  auf  die  Monate  sei  noch  für  einige 
nicht  malayische  Stationen  tropischer  Hochwaldgebiete  in  mm  erwähnt. 


286 

Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 
Tabelle  IL 

1  Jan. 


Febr.  j  März  i  April  1  Mai  1  Juni  '  Juli  !  Aug.  1  Sept.  i  Oct.  1 

Xov.     Dec. 

Kandy 
(Ceylon) 

i 
144 

1        !        1        ■        i               l        ! 

64   |   79   |  148    210    357  1  357  1  240|  228,  268  j 

241  j   204 

Kamerun 

54 

97    i  214  j  292  1  1641  407  II0501  473  j  473!  406 

£75 l_?3 

Colon 


42    |   28   |   40   |   54   j  296j  444|  398  |  259 1  2i5|  354,  561     J96 


In  den  tropischen  Gebieten  mit  Niederschlägen  zu 
allen  Jahreszeiten  ist  der  Wald  immergrün,  als  Regen- 
wald entwickelt.  In  Gebieten  mit  ausgeprägter  trockener 
Jahreszeit  zeigt  er  sich  während  derselben  weniger  reich 
belaubt,  wie  z.  B.  in  Ostjava,  oder  sogar  unbelaubt,  als 
typischer  Monsunwald,  wie  im  grössten  Theile  Vorder- 
indiens. Die  mir  vorliegenden  meteorologischen  Angaben  gestatten 
eine  genauere  Darstelhmg  der  Bedingungen,  welche  in  Vorderindien 
den  Laubfall  veranlassen,  nicht.  Ausser  der  Vertheilung  der  Regen 
kommen  jedenfalls  noch  andere  Factoren  in  Betracht,  wie  Regenmenge, 
Temperatur  und  Luftfeuchtigkeit. 


Tabelle  in. 

Vorderindien. 

Vertheilung   der  Regenmenge  auf  die  Monate  in  mm. 


1  Jan. 

Febr. 

März  I  April 

Mai  |  Juni 

Juli 
839 

Aug.  |  Sept. 

Oct.  1  Nov.  |  Dec 
86       20         8 

Ratnagiri       1 

(34  ü.  M.)     1  27 

0.2 

O 

4 

36  |  795 

1 
32   J1802 

5" 

384 

Mahablesh-    | 

war              'i  10 
(1380  ü.M.) 

li 

I 

IO 

*3 

2575 

1742 

860 

1 
137  |    28       10 

j        1 

Ratnagiri,  an  der  Westküste  Vorderindiens,  am  Fusse  der  Ghäts,  befindet 
sich  in  einem  Gebiete,  dessen  Wälder  in  der  Trockenzeit  laublos  sind.  Die 
Tabelle  zeigt,  dass  die  Trockenzeit  weit  mehr  ausgeprägt  ist,  als  im  malayischen 
Waldgebiet,  sogar  als  in  Ostjava;  wirklich  trockenkahle  Wälder  gehen  dem 
letzteren  Gebiet  denn  auch  ab.  Mahableshwar  ist  von  immergrünem  Hoch- 
wald umgeben.  Auch  hier  ist  eine  lange,  wohl  ausgeprägte  trockene  Jahres- 
zeit vorhanden,  doch  ist  dieselbe  immerhin  weniger  arm  an  Niederschlägen 
als  im  Tiefland.  Niedrigere  Temperatur  und  grosse  Bodenfeuchtigkeit  dürften 
ausserdem  zur  Erhaltung  des  Laubes  wesentlich  beitragen. 

Ausser  der  grossen  Regenmenge  kommt  den  tropischen  Hochwald- 
gebieten grosse  Luftfeuchtigkeit  zu  Gute,  welche  während  der  Nacht 
sich  der  Sättigung  nähert,  aber  auch  während  der  Mittagsstunden,  wenig- 
stens in  den  Gegenden  mit  immergrünem  Wald,  kaum  unterhalb  700  '0  fällt. 


m.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


287 


Die  Bedeutung  der  Temperatur  als  Factor  der  Ausbildung  und 
Erhaltung  tropischer  Hochwälder  ist  eine  weit  geringere  als  diejenige 
der  Hydrometeore.  Sie  bewegt  sich  in  Graden  (25 — 30  C),  die  das 
ganze  Jahr  hindurch,  falls  die  nöthige  Feuchtigkeit  vorhanden  ist, 
sämmtliche  vegetative  Thätigkeiten  begünstigt.  Sie  ist  auch  niemals  hoch 
genug,  um,  bei  hinreichender  Feuchtigkeitsmenge  im  Boden,  ein  Miss- 
verhältniss  zwischen  Abgabe  und  Aufnahme  des  Wassers  und  hiermit 
Vertrocknen  oder  Abwerfen  des  Laubes  zu  bedingen.  Der  Laubfall  tritt 
vielmehr  nur  da  ein,  wo  bei  grosser  Hitze  Wasserarmuth  im  Boden  und 
in  der  Luft  herrscht. 

In  die  Existenzbedingungen  der  Vegetation  in  tropischen  Hoch- 
waldgebieten werden  folgende  Tabellen  eine  Einsicht  eröffnen. 

Tabelle  IV. 
Batavia  6°  11 '  S.  B.,   106 °  50'  E.,  7   m  ü.  M.     25  Jahre. 


Temperatur 
Mitt.    |  Tägl.  Ampi. 

Relat.  1 
Mitti. 

Feuchtigkeit 
Tagt.  Ampi. 

24 

Be- 
wölk. 

7-4 

Re 
Menge 

"756  ~ 

?en 
Tage 

Januar 

25-3 

5-2 

87 

22.6 

Februar 

25-4 
25.8 

5-2 

87 

23 

7-3 

317 

20.4 

März 

5-9 

86 

26 

6.7 

204 

17.3 

April 

26.3 

6.4 

85 

28 

5.8 

117 

13.6 

Mai 

26.4 
26.0 

6.6 

84 

29 

5-4 

85 

9.7 

Juni 

6.7 

83 

30 

5.4 

88 

9.2 

Juli 

25-7 

7.2 

81 

32 

47 

57 

6.9 

August 

26.0 

7.7 

78 

35 

4.1 

39 

5.3 

September 

26  3 

7.6 

78 

35 

5-° 

76 

7.9 

October 

26.4 

7.5 

79 

34 

5.7 

108 

IO.I 

November         | 

26.1 

6.8 

82 

3i 

6.8 

122 

13.4 

December 

25.6 

6.0 

85 

27 

7  2 

233 

18.9 

, 

1803 

155-3 

(Meteorol.  Zeitschr.   1893  S.  353). 


Tabelle  V. 

Nord-Indien.     Sibsagar  260  59  N.,  940  40'  E,   101  m.  ü.  M. 
(Vegetation    in   Upperassam:    Dichter  Wald.) 


Mitti. 
Temp. 

Relat. 
Feuchtigkeit. 

Be- 
wölkt. 

Nieder- 
schlag. 

Januar  .     .     . 

M-3 
16.1 

89 
84 

6.1 

30 

Februar     .     . 

55 

März     .     .     . 

19.7 

83 

86 

6.6 

116 

April     .     .     . 

22.9 

7-7 

249 

288 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Tabelle  V  (Fortsetzung). 


Mai       .     .     .  |        25.2 

86 

8.4 

295 

Juni      .     .     .  |l        27.7 

87 

9.0 

37i 

Juli  .     .     .     .  ,|       28.3 

86 

92 

396 

August .          .  !|       28.1 

86 

8.7 

394 

September      .  ||       27.1 

88 

8.2 

301 

Oktober     .     .  I|       24.8 

87 
87 

6.1 
4.6 

100 

November 

19.7 

3i 

December      .  | 

15-5 

88 

42 

M 

Meteor.  Zeitschrift  1894. 

S.  411. 

Jahr:  2 

381. 

Tabelle  VI. 
Manila.     140  35  N,  270  n'E.      14.2  ü.  M.     Jahr  i8qo. 


Jahr. 


1           Temperatur 

1   mittl.  I   max.  I    min. 

Relat. 
Feuchtigk. 

78 

Re 
Menge 

gen 
Tage 

Ver- 
dunstung 

Tage 
heiter  1   trübe 

Januar  .     .     . 

25.6 

32.3 

17.8 

14 
16 

8 

162 

~~i~ 

Februar 

1  25'9 

32.8 

18.2 

74 

5 

179 

257 

6      l      2 

März     . 

I,  27.3 

34.8 

20.5 

69 

16 

5 

16     |     *5 

April     . 

1  27.9 

35-6 
35-7 
34.7 

21.9 

73 

77 

8 

14 

15 
18 

251 
221 

11     '     6 

Mai .     . 

jl  27.9 

22.9 
22.2 

79 
82 

83 
82 

_7°_ 
255 
502 

2          24 

Juni. 

27.3 

208 

x5° 

4      1      9 

Juli  .     . 

27-3 
1  27.4 

33-1 

22.4 

0          17 

August . 

333 

22.3 

131 

13 

27 

25 

163 

0      '12 

September 

1 26.5 

33.2 

22.5 

87 

539 
205 

118 

0          26 

October 

1  26.1 

32.2 

20.4 

86 

U5 

2      ;     18 

November 

25.4 

32.2  |  18.4 

80 

210 

15 

145 
*59 

9          15 

December 

1  25.2 

32.1  1  17.8 

79 

45 

8 

20          2 

35-7  I  17.8 


2080 1   161  I   2157   1    77    1  147 
I  1  I  1 

Meteorol.  Zeitschr.   1893.    S.   73. 


Tabelle  VII. 
Sandakan  (Borneo)  6°  N,   n8°E.     1888. 


i_9h' 

Temper. 
|    3  h. 

j   27.8 
l    28.5 

9  h. 

Mittl. 
Max.    |    Min. 

28.6       23.3 
29.0       23.4 

Rel.  Feucht.    |  Regen-  1  Bewol- 
3  h.    1     9  h.    ■  menge  1    kung 

Januar  .     . 

•  ,1  26.1 
,  27-4 

25.2 
25-7 

74         86     ,    280       5.7 

Februar 

68     «     82           48       5.3 

März 

1    28.5 
,    29.4 

,    29-3 
27.6 

29.7 

1   30.4 
!_30.8 

1   3i.5 

26.3 
27.9 
27.1 
26.4 

3°-3    1    23.8 

66    |     82     I    101        y^ 

April     .     . 

32.2    1    24.6 

33-Q  IJM-7 
31-8  ,   23.9 

63    ,     84    1      47        2.7 

Mai . 

Juni       .     . 

63         85     1      72        2.0 

62         85     |    236       5.0 

III.  Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


289 


Tabelle  VII  (Fortsetzung). 


Juli  .     .     . 

1   27.8 

31.6 

26.9 

3i.9 

243 

62 

81 

81 

5-° 

August .     . 

28.3  1  31.4 

26.5 

324 

23.8 

60 

83 

300 

3.3 

September 

28.0  '  30.0 

26.7 

31-4 

23-5 

67 

85 

339 

4.0 

October 

28.6  |  30.2 

25-7 

31-9 

23-9 

69 

88 

239 

3-3 

November 

28.2 

30.0 

24.8 

30.9 

23.8 

70 

86 

343 

3-o 

December 

28.1 

29-3 

26.1 

30.1 

24.1 

72 

87 

496 

4.7 

Jahr      .     . 

|! 

2582 

3-9 

(Meteorolog.  Zeitschr.  1889,  S.  316.) 


Tabelle  VIII. 
Gabun,  Ssibange-Farm.    o°25'n.  B.,  9°35'  ö.  L.    Seehöhe  ca.  90  m. 

Jahr  1880. 


|       Temp 
7  U. 

eratur 
2  U. 

Relat. 
7  h. 

Feucht 
2  h. 

Bwlk. 
MitU. 

Heitere 
Tage 

Regen- 
Menge  I  Tage 

Windst 
2  h. 

Januar 

'    22.6 

29.6 

98 

72 

5-3 

2 

170 

18 

2.2 

Februar 

23.6 

2  9.3 

95 

73 

7.0 

I 

271 

21 

2.2 

März  . 

|    23.8 

28.4 

96 

77 

7.9 

0 

490 

28 

1.9 

April 

;  24.1 

28.9 

95 

77 

7.5 

0 

331 

25 

2.3 

Mai    . 

.  ■■  23.8 

28.4 

94 

72 

7.9 

0 

64 

17 

1.9 

Juni    . 

1  20.9 

26.3 

94 

73 

7.6 

2 

30 

3 

1.9 

Juli     . 

!    21.3 

25.2 

9i 

75 

9.2 

0 

I 

10 

1.7 

August 

.     ,|   21.7 

26.2 

93 

77 

8.6 

0 

27 

18 

1.7 

September 

|   22.8 

27.6 

92 

70 

8.4 

0 

108 

21 

2.2 

October  . 

i|   23.3 

27.7 

95 

73 

8.5 

0 

198 

26 

2.0 

November 

23.0 

27-3 

97 

70 

8.3 

0 

619 

25 

i-7 

December 

1    22.9 

28.1 

97 

79 

7.9 

0 

299 

24 

1.6 

! 

2608 

236 

Im  Juli   14,  im  August  15  Nebeltage.  —  Reiche  Thauftlle. 

Vegetation:  Urwald,  einzelne  Häuschen  Zeitschrift  d.  Ges.  etc.  1881 

1000 — 8000  Schritt  vom  Urwald. 


S.  424. 


Tabelle  IX. 
Kamerun  Seehöhe  12  m.     Jahr  1890 — 1891. 


]  Temp. 

II   2  Uhr 

Absol. 
Max. 

Rel.  mittl. 
Feuchtigkeit 

MitU. 
Bewölk. 

Re( 

Menge 

jen- 
Tage 

l6~~ 

April      .     .     . 

28.3 

31.2 

88 

8.4 

292 

Mai  .... 

27.9 

31-2 

88 

8.2 

164    ;      19 

Juni  .... 

26.2 

21.4 

•       88 

9-4 

407 

24 

Juli  .... 

25-3 

27.7 

92 

9-3 

1050 

26 

Schimper,  Pflanxengeographie. 


3 


-3 
ff 


3 
P 


> 

c 


Hl.   Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


291 


Tabelle  IX 

(Fortsetzung). 

August  .     . 

25.6 

28.4 

89 

8.8 

473 
47  3 

27 

September . 

1    26.3 

29.0 

92 

9-i 

25 

October 

26.1 

294 

94 

8.8 

406 
*75 

26 

November  . 

|    27.6 

30.8 

96 

8.2 

22 

December  . 

i'    282 

30.0 

90 

7.8 

73 

12 

Januar   .     . 

28.6 

30.8 

89 

5-5 

54 

14 

Februar.     . 

ll    29'3 

31.0 

88 

4-7 

97 

12 

März      .     . 

1    28.8 

31.2 

88 

5-6 

214 

15 

Zeitschr.  1893,  p.  435. 


Tabelle  X. 
Colon  (Panama). 


i 

Temperatui 
|        6a     J       1  p. 

r 
tägl.  Amp. 

Relative 
Feuchtigk.  1    Bewölk. 

Regen 
Menge     1      Tage 

Decemb. 

25.3      '      28.3 

6.8 

82                4.1 

196 

15 

Januar 

!     25.7 

28.0 

5.5 

78 

5-o 

42 

11 

Februar  . 

1      25.2 

27.8 

6.2 

77 

5-° 

28 

12 

März. 

l!     25-5 

28.0 

4-9 

76 

3.8 

40 

10 

April 

1      26.2 

29.0 

7.6 

77 

4.2 

54 

14 

Mai    . 

25.0 

28.7 

8.1 

84 

5-9 

296 

21 

Juni   . 

\ 

25.0 

28.4 

7.3 

87 

71 

444 

26 

Juli    .      . 

\ 

25-4 

28.3 

74 

87 

7.3 

398 

26 

August 

24.5 

28.0 

8.1 

88 

6.9 

259 

24 

Septemb 

24.4 

28.2 

8.5 

88 

6.3 

215 

21 

October 

24.2 

28.1 

9.1 

88 

6.2 
6.6 

354 
56i" 

25 

Novemb 

, 

24.4 

28.0 

8.2 

87 

23 

Jahr  28.2.  Mittlere  Temp. :  Jahr  26.4.  Regen:  Jahr  2887.  —  Zeitschr.  1886,  p.  367. 


3.  Dornwaldklima  in  Vorderindien. 

Die  vorderindische  Halbinsel  bietet  nur  an  ihrer  Westküste  und 
in  einem  kleinen  Theil  des  Nordostens,  im  Monsungebiet  des  Ganges 
und  Brahmaputra,  die  für  Hochwald  (Regenwald  und  Monsunwald) 
nöthige  Regenmenge.  Im  mittleren  Theile  der  Halbinsel  fallen  meist 
760 — 1900  mm,  nach  Hann's  Karte  befindet  sich  da  etwa  zwischen 
dem  80  und  88°  ö.  L.,  dem  Wendekreis  und  dem  180  n.  B.  ein  weites 
Gebiet  mit  etwa  125  cm  Regen.  Der  südliche  und  der  nordwestliche 
Theil  der  Halbinsel  sind,  im  Grossen,  weit  regenärmer  (380 — 760  mm); 
letzterer  grenzt  an  das  westliche  Gebiet  des  Indiens. 

Alle  diese  Gebiete  erhalten  Sommer-  und  Hochsommerregen,  mit 
Ausnahme  des  Süd-Ostens  (Madras),  wo  Herbstregen  vorherrschen.    Sie 


292 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


21 


o 
5* 


5 

I 


ES 

p 

e 

i 

s 


et 
3 


2 

I 


III.   Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


293 


sind  von  Dornwald,  Halbwüsten,  im  Süden  von  Wüsten  je  nach  der 
Regenmenge,  überzogen.  Baumwuchs  ist  nirgends  ganz  ausgeschlossen 
(Fig.  126). 

Das  Klima  ist  überall  Gehölz-,  nirgends  Grasflurklima :  während  der 
Vegetationszeit  äusserst  heiss,  meist  sehr  trocken,  letzteres  namentlich 
während  der  kühlen  Winter-  und  Frühjahrsmonate. 


Tropisches  xerophiles  Gehölzklima. 

Tabelle  XI. 

Roorkee.  Patna 

29 °  52'  N.,  770  56  E.,  270  ü.  M.  25037f  N.,  85  °  14'  E.,  56  ü.  M. 


Mittlere  j 
Temper. 


Januar 

I3-6 

Februar 

15-4 

März 

21.6    1 

April  . 

28.0 

Mai     . 

29.0 

Juni     . 

32.2 

Juli      . 

.    !  288 

August 

28.2 

Septembe 
Öctober 

r    .      ■    27.7 
.     •         22.5 

Novembe 

r    .         16.8 

December 


Amplit. 


13.7 


I   Relat.    1  Regen- 
•  Feuchtig.  I    menge 


12.9 
14X 


J5-7_ 

_L3;8_ 


70^ 
"62 


12.8 


6.0 

ZÄC 

_  ?d_ 

152 

_L6-s_ 

14.4 

52 

36 

54 
80 


5* 


37 


Mittlere      .       ..        Relat.   I  Regen- 
Temper.  I         P    *  I  Feuchtig.1  menge 


15-9 


18.4 


24 


25-1 


10.2 


13.6 


14.2 


69 

18 

57 

12 

43 

59 

28 


124 


329 


81 

_63 
7i 


316 


140 


30.1 

14.0 

312 

"•5 

30.8 

7.6 

29.0 

4.5 

4o 

7 

55 

46 

72 

181 

83  i  280 


28.7 


4.2 


28.6 


15 


26.2 


21.0 


16.9 


_>3  I 

1 1.7  i 


12.0 1 


84 

258 

81 

201 

72 

70 

65 

5 

69 

4 

(Meteorologische  Zeitschrift  1894,  S.  411.) 


4.  Gehölzklima  und  Savannenklima  in  Brasilien. 


Der  Unterschied  zwischen  Gehölzklima  und  Grasflurklima  zeigt  sich 
sehr  instructiv  beim  Ueberschreiten  des  südbrasilianischen  Küstenge- 
birges Serrä  do  Mär,  welches  von  Nord  nach  Süd  streichend,  dem  See- 
wind einen  so  grossen  Theil  seiner  Feuchtigkeit  entzieht,  dass  es  schon 
erheblich  trockenere  Winde  sind,  welche  über  die  brasilianische  Hoch- 
ebene bis  nach  den  Anden  hinüberwehen,  deren  mächtige  Mauer,  den 
übrig  gebliebenen  Wasserdampf  condensirt. 

Oestlich  der  Serra  do  Mär  dehnt  sich  der  grossartige  immergrüne 
brasilische  Küstenwald  aus,  meist  nur  solche  Unterbrechungen,  wie  sie 
die  Cultur  hervorgerufen  hat,  aufweisend ;  westlich  herrscht  die  Savanne 


2 Q4  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

vor.  Der  Wald  zieht  sich  auf  die  Ränder  der  Flüsse  zurück  (Gallerie- 
wald)  oder  bekleidet  häufig  als  lockerer,  niedriger  Savannenwald,  auch 
als  Hochwald  die  östlichen,  dem  Seewind  ausgesetzten  Abhänge  der 
Gebirgszüge,  oder  auch  muldenartige  Bodenvertiefungen,  in  welchen 
das  Grundwasser  sich  ansammelt.  Erst  die  Flanken  der  Anden  sind 
wieder  von  echten  immergrünen  hochstämmigen  Regenwäldern  bedeckt, 
indem  sie,  dank  ihrer  mächtigen  Höhe,  dem  Wind  den  Rest  seiner 
Feuchtigkeit  entziehen. 

Landet  man  z.  B.  in  dem  Küstenplatz  Santos  in  der  Provinz  Säo 
Paulo,  so  wird  man  an  dem  stattlichen  Wuchs  immergrüner  Bäume,  an 
dem  massenhaften  Auftreten  der  Epiphyten,  an  stattlichen  Lianen  er- 
kennen, dass  man  sich  im  Gebiet  des  Hochwalds  befindet,  wenn  auch 
letzterer  in  der  Nähe  der  Stadt  ausgerodet  ist.  Santos  hat  in  der 
That  eine  jährliche  Regenmenge  von  250  cm. 

Raiz  de  la  Serra,  am  Fuss$  der  Serra  (21  m.  ü.  M.)  weist  eine  noch 
grössere  Regenmenge  auf  als  der  Küstenplatz  Santos,  nämlich  280  .cm 
und  Alto  da  Serra  (800  M.  ü.  M.),  auf  dem  Gebirge  selbst  gelegen,  be- 
sitzt sogar  336  cm.  Ist  aber  der  Kamm  des  Gebirges  überschritten,  so 
fallt  die  Regenmenge  unterhalb  der  für  Hochwald  nöthigen  Höhe  herab, 
aber  nicht  Niederwald,  sondern  Savanne  wird  die  herrschende  Vege- 
tation. Am  Fusse  der  Serra  liegt  Säo  Paulo  (740  m.  ü.  M.)  mit  noch 
120 — 150  cm  Regen,  aber  die  Regenmenge  nimmt  mit  der  Ent- 
fernung vom  Gebirge  —  natürlich  abgesehen  von  den  Gebirgszügen 
des  Inneren  ab.  Porto  Ferreira  (531  m  ü.  M.)  hat  z.  B.  1042  mm. 
Unter  100  cm  scheint  die  Regenmenge  in  der  Provinz  Säo  Paulo  nicht 
zu  fallen. 

Die  nördlich  von  der  Provinz  Säo  Paulo  gelegene  Provinz  Minas 
Geraes  wird  nach  Saint-Hilaire ,  durch  die  Serra  do  Espinhago,  in  ein 
östliches  Gebiet  des  Hochwaldes  und  ein  westliches  der  Savanne 
(Campos)  und  der  laubabwerfenden  Savannenwälder  gegliedert.  Im 
ersteren  überschreitet  die  jährliche  Regenmenge  200  cm,  im  letzteren 
schwankt  sie  meist  zwischen  100 — 150  cm,  und  erreicht,  im  Durch- 
schnitt, nicht  170  cm. 

Nach  Süden  erstreckt  sich  die  Region  der  Savannen  sammt  den 
sie  auf  feuchterem  Boden  ersetzenden  Savannenwäldern  über  das  Innere 
der  Provinzen  Parana  und  Sta.  Catarina  (Araucaria-Savannen)  nach  Rio 
Grande  do  Sul,  wo  sie,  durch  Verlust  des  Baumwuchses,  in  die  reine 
Grassteppe,  die  Pampa  übergehen. 

Im  Norden  hingegen,  im  Sertäo,  tritt  die  Savanne  allmählich  gegen 
Dornwald  und  Dorngebüsch  mehr  und  mehr  zurück.  Woher 
rührt  der  Unterschied  in  der  Vegetationsdecke  der  südlichen  und  der 
nördlichen  inneren  Provinzen,  warum  ist  in  ersteren  die  Grasflur,  — 
allerdings  als  Savanne  nicht  ganz  ohne  Baumwuchs  und  von  Savannen- 


III.  Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


295 


Wäldern  unterbrochen,  —  in  letzteren  aber  das  Gehölz  vorwiegend  ?  Die 
klimatischen  Unterschiede  geben  eine  bestimmte  Antwort. 

Das  Camposgebiet  besitzt  ein  ausgezeichnetes  Grasflurklima:  nament- 
lich häufige  Niederschläge  und  massige  Wärme  während  der  Vegetations- 
zeit, dagegen  enthält  das  Klima  einen  für  das  Gehölz  ungünstigen 
Factor  in    dem  trockenen,  kalten  Winter.  (Vgl.  S.   188). 

Tropisches  Grasflurklima. 

Brasilianische    Campos. 

Tabelle  XII. 

Säo   Paulo.     230  36'  s.  B.   460  25  W.  v.  Gr.,  745  m  ü.  M. 


Januar. 

!   Mittel 

Temperatur 
Monatl.  ;  Extreme 

Relative 
Feuchtigk. 

Regen 
Menge        Tage 

Heitere 
Tage 

21.4 

34-2 

15-3 

88 

300 

21 

7 

Februar 

# 

21.7 

32.2 

11.6 

82 

158 

16 

8 

März    . 

. 

19.8 

3!-3         14.3 

87 

134 

22 

6 

April    . 

.    ,     18.6 

28.8    |     8.8 

87 

114 

*9 
13 

9 

Mai      . 

'5-4 

26.7    !     6.6 

88 

64 

10 

Juni 

151 

26.0 

6.8 

88 

17              4 

21 

Juli.     . 

— L- 

I4.0 
13-9 

25.0 

5-4 

86 

23 

10 

14 

August. 

3°-4 

6.3 

74 

6       1       6 

20 

September 

173 

30.2 

8.8 

93 

177   i    22 

7 

October 

18.5 

33.o 

5-7 

86 

137 

16 

13 

November 

.   1 

19  O 

32.8 

8.5 

80 

79 

15 

15 

December 

.   | 

21.3 

32.1 

13.5 

83 

288 

24 

7 

| 

| 

| 

1497 

188 

Verdunstung:    1887    545.2  mm.     1888  454.0  mm. 
Nach  den  5  jährigen  Beobachtungen  von  Joyner  (Meteorol.  Zeitschr.  1886, 
S.  312)  sind  die  mittleren  tiefsten  Temperaturen:    Mai  2.7,  Juni  1.7,  Juli  2.1, 
August  0.7. 

Tabelle  XIII. 
Tatuhy.     (Prov.  S.  Paulo). 


230   20'  s.  B.,  48( 


10'  w.  v.  Gr.     600  m  ü.  M.     1888. 


Temperatur 
Mittel    I     Extreme 


Relative  Regen 

Feuchtigk.;  Menge  I     Tage 


Ganz  heitere 
Tage 


Januar 

.     .         21.8 

33^|^2^o 
35-5:i4.5 

75 

103 

7 

18 

Februar   .     . 

•     •         20.7 

76 

124 

17 

10 

März  .     .     . 

.     .         21.4 

33-9  !3-9 

81 

105 

12 

13 

April  .     .     . 

.     •         16.3 

309 

7.0 

90 

8 

4 

16 

Mai     .     .     . 

16.3 

27j7_ 
25.6 

2.2 
4.0 

90 

S2 

206 
26 

13 

4 

12 

Juni    .     .     . 

14.8 

19 

296 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 
Tabelle  XIII  (Fortsetzung). 


Juli      .      .     . 

•     |i    14.2 

25.0 

4.0 

83 

18 

4 

26 

August     .     . 

•     |l    16.1 

27.7 

5.3 
10.7 

82 

135 

8 

19 

September    . 

.     .     ,|    18.6 

29.7 

85 

iS« 

11 

I  I 

October  .     . 

.    .    ;i  21.8 

34.0 

7.8 

85 

211 

*5 

8 

»November    . 

.    .    !|  21.4 

34.3 

16.0 

85 

285 

17 

9 

December    . 

■  •  ii  23.4 

35-7 

11.0 

85 

20 

'5 

9 

II 

1393 

127 

Verdunstung:  736  mm. 

Tatuhy  liegt  weiter  im  Innern  als  S.  Paulo. 

Tabelle  XIV. 


Campos  von  Minas. 

Hochwald  in 

|;Uberaba.  I9°33S. 
!48°  5W.  750  mü. 
1           M.  3  Jahre 

Congonhos    de 

Sabara.  I9°47  S. 

44°I9W.  695  ü.M. 

25  Jahre 

Queluz.  2o°4oS. 
44°I7W.  982 Ü.M. 

Minas. 

Gongo  Soco.  io* 
58  S.  43°  33  W. 
2  Jahre.  1 090  m  ü.M. 

December 

i          211.3 

39° 

339-1 

369.6 

Januar  . 

\         3083 

299 

3oi-7 

604.3 

Februar 

1          321.3 

221 

303.1 

5377 

März     . 

1          M2.3 

I92 

94-5 

2  53.0 

April 

Ii          io9-3 

52 

29.2 

172.0 

Mai .     . 

!i       31.3 

36 

312 

57  9 

Juni .     . 

i|    •    25.0 

15 

12.0 

55-1 

Juli  .     . 

Jl           *3-7 

I  I 

22.3 

34.o 

August . 

29.3 

13 

19.5 

20.3 

September 

1            59-7 

53 

109.0 

93-2 

October     . 

|          137-3 

121 

87-5 

169.7 

November . 

172.0 

234 

104.0 

573-5 

Jahr  mm 

1 

|       1560.8 

1637 

2939-3 

Draenert  in  Meteorol.  Zeitschr.   1886. 

Das  Klima  ist  jedoch  dem  Baumwuchs  nicht  so  ungünstig,  dass  es 
xerophilen  Savannenbäumchen  unmöglich  machte,  sich  in  der  Prärie  zu 
behaupten  und  ihr  dadurch  den  Charakter  der  Savanne  zu  verleihen. 
An  den  Punkten,  wo  Bodenwasser  reichlicher  vorhanden  ist,  wo  die 
Winde,  namentlich  im  Winter,  schwächer  wehen,  wo  die  Luftfeuchtig- 
keit grösser  ist,  siegt  das  Gehölz  über  die  Grasflur,  so  dass  das  ganze 
Gebiet  die  Abwechselung  beider  Formen  in  parkartiger  Gliederung 
aufweist. 

Im  Gegensatz  zum  südlichen  besitzt  der  mittlere 
Theil  des  centralen  Brasilien,  das  sogenannte  Sertäoge- 
biet,  ein  xerophiles  Gehölzklima. 


III.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


297 


Es  ist  dort  das  ganze  Jahr  hindurch  heiss,  zeitweise  sehr  heiss,  die 
dem  Gehölz  schädlichen  trockenkalten  Wintermonate  fallen  weg,  da- 
gegen enthält  das  Klima  für  die  Grasflur  wenige  günstige  Momente  in 
der  grösseren  Hitze  und  in  der  geringen  Menge  der  Niederschläge  im 
grössten  Theile  des  Gebiets  mit  Ausnahme  der  Küste.  Endlich  ist  die 
Vegetationszeit  vielfach  von  trockenheissen  Perioden  unterbrochen. 

Das  Sertäogebiet,  also  namentlich  das  Innere  Brasiliens  zwischen 
Minas  geraes  und  dem  Amazonasbecken  ist  denn  auch  weit  reicher  an 
Gehölzen  als  das  südliche,  kühlere  Camposgebiet.  Der  Baumwuchs  ist* 
in  der  Savanne  reichlicher,  weite  Strecken  sind  von  Savannenwald  und 
Dornwald  überzogen,  überhaupt  herrscht  das  Gehölz  über  die  Grasflur 
weit  vor.  Im  Einzelnen  angeben,  warum  hier  Gehölz,  dort  Savanne  auftritt, 
ist  beim  Fehlen  genauerer  meteorologischer  und  geognostischer  Daten,  — 
denn  der  Boden  spielt  in  solchen  Mischgebieten  eine  grosse  Rolle,  — 
zur  Zeit  nur  theilweise  möglich  (Vgl.  Kap.  V). 

Ein  ganz  schmaler  Küstenstrich  der  Provinz  Pernambuco  besitzt  eine  sehr 
grosse  Regenmenge,  geradezu  Hochwaldklima  (Pernambuco  297  cm).  Der 
Baumwuchs  ist  in  den  öffentlichen  Anlagen  der  Hauptstadt  äusserst  üppig; 
über  die  ursprüngliche  Vegetation  lässt  sich  nichts  angeben. 

Tropisches  xerophiles  Gehölzklima. 

Tabelle  XV. 
Klima   des   Sertäo. 


> 

Colonia  Isabel  (Prov.  Pernam- 
buco) 229  ü.  M.    80  Kil.  v.  d. 
Küste. 

Valledoalto 
Parnahyba. 

6°  S.  B., 
43°  30f  W. 

124  ü.  M. 

Forta- 

leza, 

Ceard- 

Küste. 

S.  Anna  d.  Sobradinho 
am  unteren  R.  S.  Francisco. 

December . 

Mittl. 
Temp. 

Relat. 
Feucht. 

Regen- 
menge 

Rel. 
Feucht 

Regen- 
Menge  |    Tage 

Regenmenge 

Regen 

26.3 

65 

259 

80.8 

58.6 

67 

22 

2.3 

Januar  . 

26.5 

68 

36.1 

219.0 

165.4 

67 

78 

3-7 

Februar 

1 
1 

26.7 

69 

46.6 

109.8 

269.9 

73 

40 

6.0 

März     . 

26.1 

74 

77-7 

234-4 

294.4 

77 

148 

7.0 

April     . 

25.8 

76          144.7 

81.4 

307-5 

77 

1 1 

i.3 

Mai 

■     24.9 

79 

193.0 

55-4 

256.4 

84 

5 

1.0 

Juni 

i|    23.Q 

81 

144.8 
154.7 

0.0 

133.9 

77 

7 

1 

i-7 

Juli  .     . 

23.0 

81 

0.0 

82.9 

78 

0.5 

August . 

23.2 

79 

124.9 

0.0 

77-6 

70 

0 

0.0 

September 

lj    236 

75 

49.9 

0.0 

52.3        64 

12   1   0.2 

Oktober 

24.8    1      68 

19.2 

93-8 

17.8 

64 
66 

38  |   2.5 

November 

26.0     1       64 

19.5 

91.0 

72.2 

"        i-5 

Jahr 
(Draenert  i 

Q 

Meteorol.  Zeitschi 

mm 
1037.0 

r.  1887.) 

111111965.6 
Draenert. 

mm 

i49I-5 
Drae- 
nert. 

mm  375. 

Regenmenge:  1884  = 

399,   1885  =  527, 

1886  =  186  mm. 

2Q8  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

5.  Klima  des  nördlichen  Südamerika. 

Zwischen  den  waldreichen  Gebieten  des  Amazonasbeckens  und  des 
südlichen  Theils  des  Orinokobeckens  befindet  sich  das  kleine  guianische 
Savannen  gebiet,  über  dessen  Klima  keine  Daten  vorliegen.  Nördlich 
vom  Orinoko  bis  zur  waldigen  Gebirgsküste  am  Antillenmeer,  dehnt 
sich  das  weite  Präriengebiet  der  Llanos  aus,  —  meist  typische  Savanne, 
^  bald  mit  sehr  zerstreuten,  bald  mit  dichter  gedrängten  Bäumen.  Hoch- 
wald zeigt  sich,  nach  meinen  Beobachtungen  als  Galeriewald  an  den 
Wasserläufen,  Savannenwald  am  Fuss  der  Küstencordillere ,  also  mit 
zunehmender  Regenmenge,  —  oder  auch  in  feuchten  Bodenvertiefungen, 
wie  in  den  Campos. 

Ueber  das  Klima  der  Llanos  ist  man  nur  im  Allgemeinen  unter- 
richtet; genaue  meteorologische  Daten  fehlen.  Doch  lässt  sich  nach 
dem  vorliegenden  Material  das  Klima  als  g  e  h  ö  1  z  f  e  i  n  d  1  i  c  h  bezeichnen. 
Das  Jahr  zerfällt  in  eine  fünfmonatliche,  völlig  regenlose  Trockenzeit, 
die  mit  unserem  Winter  und  Vorfrühling  zeitlich  zusammenfallt,  und 
eine  Regenzeit,  welche  Ende  April  beginnt.  Die  Trockenzeit  ist 
es,  welche  im  Llanosklima  gehölz feindlich  ist,  indem 
während  des  grössten  Theils  ihrer  Dauer  der  trockene 
Ostpassat  bei  grosser  Hitze  und  grösster  Lufttrockenheit 
beinahe  fortwährend  und  meist  mit  grösster  Intensität 
bläst. 

Eine  windige  Trockenzeit  ist  aber  dem  Gehölze  ungünstig, 
während  sie  der  völlig  ausgedörrten  Prärie,  die  nur  in  ihren  unterirdischen 
Theilen  fortexistirt,  keinen  Schaden  zufügt,  —  ausser  wenn  sie  sich 
übermässig  ausdehnt.  Derartige  abnorm  lange  Dürreperioden  sind  nicht 
selten,  aber  für  die  Gehölze  noch  verhängnissvoller  als  für  den  Graswuchs. 

Während  der  Regenzeit  regnet  es,  nach  Humboldt,  be- 
ständig. Hierin  liegt  aber  eine  direkte  Begünstigung 
der  Prärie,  deren  Bestehen,  wie  wir  wissen,  mehr  von  grosser 
Häufigkeit,  als  von  grosser  Menge  der  Niederschläge  während  der 
Vegetationszeit  abhängt. 

Zur  Kennzeichnung  des  Llanosklimas  seien  aus  Hann's  Klimatologie 
folgende  Stellen  wiedergegeben:  „Unvergleichlich  ist  die  Reinheit  der  Luft 
vom  December  bis  in  den  Februar.  Der  Himmel  ist  beständig  wolkenlos, 
und  zieht  je  ein  Gewölk  auf,  so  ist  dies  ein  Phänomen,  das  die  ganze  Ein- 
wohnerschaft beschäftigt.     Der  Wind   bläst  stark  aus  E  und  NE."    (Humboldt") 

C.  Sachs,  der  sich  in  der  Trockenzeit  (Dec.  1876  bis  Febr.  1877)  zu 
Calabozo  (90  N.,  150  m  ü.  M.)  aufhielt,  fand  eine  Morgentemperatur  von 
22 — 25  °  vor  Sonnenaufgang  und  34 — 35  °  zwischen  ih  und  2  h  Nachm. 
Im  Februar  war  das  Mittel  um  diese  Zeit  35.9  und  die  relative  Feuchtigkeit 
3o°/0,  in  einzelnen  Fällen  nur  i6°/0.    Der  Ostpassat  wehte  constant,  er  setzte 


Fig.  1 28.    Tropischer  Domwald.    Mexico.    S1*«  Maria,  tierra  caliente,  Staat  Vera  Cruz. 
Mitte:    Cereus  polylophus,  hinter  demselben:    Acacia  cornigera. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Dr.  E.  Stahl. 


In  der 


III.   Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


299 


hier  mit  Sonnenaufgang  ein  und  Hess  gegen  Mittag  nach.  Gänzliche  Trocken- 
heit herrscht  durch  fünf  Monate,  Thaubildung  fehlt  während  derselben.  Im 
April  beginnt  die  Regenzeit  und  das  zur  Wüste  ausgedörrte  Land  bedeckt 
sich  wieder  mit  einem  dichten  Pflanzenwuchs  (S.  365,  366). 

Die  kleinen  westlichen  Inseln  des  westindischen  Archipels  sind  sämmtlich 
von  Gehölzen  eingenommen ,  welchen  die  hohe  Luftfeuchtigkeit  zu  Gute 
kommt.  Die  Gehölze  sind,  bald  als  Dornwald  (z.  B.  Saint  Kitts),  bald  als 
Regenwald  (z.  B.  Dominica)  ausgebildet,  je  nachdem  die  Regenmenge  weniger 
oder  mehr  als  ca.  150  cm.  beträgt.  Die  Vegetation  der  beiden  Inseln,  deren 
Regenverhältnisse  unten  mitgetheilt  sind,  kenne  ich  aus  eigener  Anschauung. 
Die  Regenmenge  beträgt,  wie  ich  aus  Erfahrung  weiss,  in  Dominica  auf  den 
Bergen,  wo  der  Hochwald  seine  völlige  Ueppigkeit  entfaltet,  beträchtlich 
mehr,  als  in  Roseau,  oder  überhaupt  an  der  Küste.  Saint-Kitts  hat  so  hohe 
Berge  wie  Dominica  nicht. 

Tabelle  XVI. 
Regen  in  den  kleinen  Antillen. 


Regenfall  in  Roseau 
Das  Mittel  von  21  Jahren 
(1865  bis  1885)  beträgt  1901;  das 
Minimum  während  dieses  Zeitraumes 
1309,  das  Maximum  2690.  Monats- 
mittel: 

December 145 

Januar 148 

Februar 71 


März 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 223 

October 176 

November     .......     200 


56 
61 

73 
207 
266 
274 


Regenfall  in  S.  Kitt. 
Das  Mittel  von  30  Jahren 
(1856 — 1885)  betrug  1292;  das 
Minimum  895,  das  Maximum  21 11, 
200  cm  nur  ein  Jahr  überschritten. 
Monatsmittel : 

December 96 

Januar 103 

Februar 48 

März 55 

April 90 

Mai 98 

Juni      .     .           92 

Juli 105 

August 144 

September 154 

October 173 

November 134 

(Meteorol.  Zeitschr.   1886,  p.  462.) 


Die  grossen  Antillen  Jamaica,  Haiti,  Cuba  besitzen  theils  Hochwald, 
theils  Dornwald  oder  vielleicht  Savannen.  Es  ist  nicht  möglich,  sich  nach  der 
vorliegenden  Litteratur  ein  irgendwie  deutliches  Bild  der  Vegetation  dieser 
Inseln  zu  machen. 


6.  Klima  des  tropischen  Afrika. 


Reiche  Abwechselung    von  Wald  und  Savanne    zeigt    sich    an   der  West- 
küste   des    tropischen    Afrika.      Die    echte    Wüste    hört    wenig    südlich    vom 


300  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Wendekreise  auf  und  wird  durch  eine  noch  sehr  dürftige  offene  Gehölzvegetation 
mit  Adansonia  digitata  und  Borassus  flabelliformis  ersetzt  (Saint  Louis  42  cm, 
Goree  53  cm  Regen).  Weiter  nach  Süden  wird  der  Baumwuchs  reichlicher 
und  üppiger.  In  der  Umgebung  von  Sierra  Leone  (319  cm  Regen)  sind 
Ebene  und  Berge  von  Hochwald  bedeckt  An  der  Zahnküste  und  Goldküste 
(Elmira  72  cm,  Christiansburg  bei  Akkra  58  cm  Regen)  ist  die  Vegetation 
wieder  ärmlicher.  OestHch  von  Akkra,  im  Golf  von  Benin,  herrscht  echte 
Savanne  mit  Fächerpalmen  (Lagos  172  cm  Regen,  nach  2  jähr.  Beob.),  das  Gebiet 
an  der  Mündung  des  Niger,  dasjenige  von  Kamerun  (249  cm),  Gabun  (226  cm) 
sind  von  Regenwald  bedeckt,  im  Hochland  von  Gabun  jedoch  herrschen 
baumreiche  Savannen  vor.  Südlich  von  Ogowe  nehmen  letztere  auch  an  der 
Küste  die  Oberhand  und  Regenwald  zeigt  sich  nur  an  Flüssen  und  Lagunen. 
In  Jumba  tritt  Wald  (Regenwald?)  von  Savannen  unterbrochen  wieder  auf,  bis 
zur  Mündung  des  Kiulu,  südlich  von  welcher  Savanne  mit  Fächerpaimen  und 
Affenbrotbäumen  vorherrschend  sind  (Chinchoxo  108  cm).  Die  letzten  grossen 
Wälder  bekleiden,  wohl  mehr  als  Galeriewälder,  die  Niederungen  der  Congo- 
mündung,  während  das  Hochland  am  unteren  Congo  (San  Salvador  988  mm) 
von  Savanne  bedeckt  ist.  Südlich  von  der  Congomündung  zeigt  sich  zunächst 
wiederum  Savanne,  mit  riesigen  Adansonien.  In  der  Richtung  südwärts  zeigt 
die  Savanne  allmähliche  Verkümmerung,  und  bei  Kinsembo  tritt  mit  dem 
Vorherrschen  der  Succulenten  (Euphorbia,  Aloe)  Wüstencharakter  auf.  Nörd- 
lich von  Mossamedes  zeigt  sich  zuerst  Welwitschia  mirabilis,  der  Graswuchs 
wird  immer  spärlicher,  und  jenseits  des  Kunene,  des  Grenzflusses  von  Unter- 
guinea, wachsen  auf  dem  ausgedörrten  und  steinigen  Land  nur  noch  ver- 
streute Grasbüschel  und  genügsame  Dorngewächse. 

In  deutlichster  WTeise  zeigt  sich,  nach  dem  Vorhergehenden,  die  Ver- 
theilung  von  Hochwald  —  wohl  überall  Regenwald  —  und  Savanne  von  der 
Regenmenge  abhängig.  Ersterer  ist  überall  da  Alleinherrscher,  wo  die  Nieder- 
schläge 200  cm  im  Jahre  erreichen,  er  wird  durch  die  Savanne  gänzlich 
verdrängt,  wenn  die  Regenmenge  170  —  180  cm  nicht  übersteigt  Endlich 
verkümmert  die  letztere  bei  etwa  30 — 35  cm  Regen  zur  Wüste. 

Stellenweise,  in  fruchtbaren  Gebieten,  namentlich  in  solchen  mit  hoher 
Luftfeuchtigkeit,  wechselt  die  Savanne  mit  Savannenwäldern  ab,  die  in  anderen 
Gebieten,  z.  B.  auf  der  Hochebene  am  Congo  und  südlich  von  der  Congo- 
mündung, zu  fehlen  scheinen. 

Fragt  man  sich,  warum  die  für  Hochwald  zu  trockenen  Gebiete  von  der 
Savanne,  also  der  Grasflur  und  nicht  von  Niederholz  behauptet  sind,  so  wären 
als  für  die  Grasflur  günstig  die  Häufigkeit  der  Niederschläge,  die  sich  in  der 
grossen  Zahl  der  Regentage  ausdrückt,  und  die  nicht  sehr  hohe  Temperatur 
zu  erwähnen.  Für  die  Congoküste  erwähnt  Pochuel-Loesche  das  nicht  seltene 
Vorkommen  andauernder  Dürreperioden,  z.  B.  Jahre  mit  nur  20  cm  Regen, 
und  solche  sind,  wie  früher  erläutert,  dem  Bestehen  der  Grasflur  weit  weniger 
verhängnissvoll  als  demjenigen  der  Gehölze.  Die  reichliche  Thaubildung  der 
normalen  trockenen  Jahreszeit  wird  wohl  auch  in  solchen  Dürreperioden  die 
oberflächliche  Bodenschicht  befeuchten,  während  sie  für  die  Wurzeln  der 
Holzgewächse  nicht  in  Betracht  kommt.    Unsere  meteorologischen  Tabellen   für 


IH    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen. 


301 


San  Salvador  auf  dem  Savannenhochland  am  unteren  Congo  zeigt,  dass  dort, 
namentlich  in  der  trockenen  Jahreszeit,  heftige  Winde  wehen.  Auch  dieser 
Umstand  kommt  der  Grasflur  zu  Gute,  indem  sie  dem  Gehölz  ungünstig 
ist  Immerhin  ist  unsere  derzeitige  Kenntniss  des  afrikanischen  Klimas 
noch  zu  unvollkommen,  um  eine  ganz  befriedigende  Antwort  der  Frage  zu 
ermöglichen. 

Unsere  Kenntnisse  der  Savannengebiete  auf  dem  Hochplateau  des  inneren 
tropischen  Ost -Afrika  sind  meteorologisch  noch  sehr  unvollkommen,  doch 
weisen  die  vorliegenden  Daten,  z.  B.  die  unten  mitgetheilte  Tabelle,  auf  ein 
typisches  Savannenklima  hin,  mit  massig  warmer  Vegetationszeit, 
während  welcher  etwa  100  cm  Regen  in  sehr  häufigen  Güssen 
(siehe  Zahl  der  Regentage)  fallen. 


Tropisches  Grasflurklima. 

Tabelle  XVII. 

Klima  der  westafrikanischen  Savannen. 

Chinchoxo   (Loango).     5°  9'  S.,  120  4'  E.,  12  m  ü.  M.    2  Jahre. 


Temperatur  (1874) 


6h 


1 


2h 


Rel.  Feuchtigk. 
mittel  (1874) 


Tage  (1875) 
heiter1)  !    trüb2) 


Regen-  (1875) 
Tage8)   I   Menge 


Januar 


Februar 


März 


April 


22.79 


24.17 


23-77 


22.92 


27.04 


28.45 


28.44 


26.24 


87 


84 


82 


13 


14 


88 


16 


17 


3ii 


301 


267 


202 


Mai 


21.56 


24.70 


86 


Juni 


20.50 


23-99 


86 


107 


>^ 


Juli 


19.06     22.84 


84 


August 


19.37  j  22.01 


88 


13 


?4) 


September 


October 


21.79 


23.26 


November 


23.88 


23.91 


83 


I     18 


11 


25.94 


84 


10 


27.69 


85 


177 


December 


23-49 


27-75 


85 


25 


Jahr 


28 


83 


95 


1419 


Die  Regenmenge  ist  ausserordentlich  schwankend,  soll  in  einzelnen 
Jahren  auf  200  mm  gefallen  sein ;  doch  liegen  genaue  Messungen  nicht  vor. 
Starker  Thau  in  der  trockenen  Jahreszeit,  oft  entsprechend  einem  Niederschlag 
von  3  mm. 


')  Bewölkung  =  2  und  weniger. 
*)  Bewölkung  =  8  oder  mehr. 

3)  Mit  messbarem  Niederschlag. 

4)  Nicht  messbar. 


302 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


Tabelle  XVIU. 

Westafrikanische  Savannen. 

San  Salvador  (Congo).     6017' S.,   14.0  53' E.     579  ü.  M.  (Hochebene). 


Temperatur      Relat.  Feucht. 


9  h.  a. 


Januar 


Februar 


März 


April 


Mai , 


Juni 


Juli  . 


August 


September 
Oktober 


November 


December 


Jahr 


23-4 


24.0 


I  24.3 


24.0 


3  h.  p. 


27.8 


9h^l_Ah* 

80     |     61 


Bewölk. 


28.9 


28.4 


28.2 


22.5 


19.9 


27.7 


26.6 


80 


79 


84 


88 


9j^ 

7*[ 

59       7.5 


60 


7.3 


67 


87 


18.7     25.5  I    84 


19.2 


7.8 


25-9 


1,  2°-3 
"I  21.8 


81 


6A_ 

53 

52    I    7-6 


1-3 
8-4 
7-7 


3  h.    I  Menge 


Regen 
Tage 


6.9 


5-6 


7.2 


_59 
118 


132 


27 1 


5-3 


2.9 


87 


n.o 
11.7 


271       80    |    56    ;    8.5 


27-5  I    84 


59 
66 
22.8  I  27.0  '    85    |    66 


8.8 


22.3     27.0 


86 


\_9±_ 
I    8.9 


2.3 


4.6 


53 


7.3 


42 


6.8 


9.3 


Wind- '  Verdun- 
starke  '    stung 


5-4  I  147 


5.8 


6.0 


4.4 


5-4 


5°  I  51 


*-5 


3-5 


3-° 


10.1 


8.3 


129 
100 


88 

59 
110 


13° 


8.9  i  143 


16.5 


8^,  158 
6.7   120 


194 


77  |  12.0  l  5.7  1  1 20 


I  (   988   |ni.o]  (  1454 

(Meteorol.  Zeitschrift  1888,  p.  395.) 


Tabelle  XIX. 

Centralafrika,  Hochlandsavanne. 

Kakoma  u.  Igonda.     50  40'  S.  32 °  35'  E,   1 120  m  ü.  M.    1881  —1882. 


Temperatur 
7  h.      I      2  h.      I    Mittel 


Relat.  Feuchtigk. 
7  h.      |      2  h. 


Bewöl- 
kung 


Regen 
Menge  '     Tage 


März   .     .     . 

19.0 

26.8 

21.6 

95 

58 

8.0 

293 

27 

April  .     .     . 

1    18.6 

27.3 

21.4 

94 

55 
43 

5-7 

114 

17 

Mai     .     . 

1    16.7 

29.0 

20.8 

91 
90 

2.6 

13 

4 

Juni     .     .     . 

'r      I  2.0 

28.5 

18.0 
~i8.8~ 

28 

1.1 

0 

0 

Juli      .     .     . 

II.9 

29-5 

86 

24 

13 

0 

1 

August     .     . 

!  J5-4 
1    2°-4 

21.6 
1  22.3 
|  20.3 
,|    20.0 

18.4 

3o.5 

21.7 

72 

23 
23 

2.4 

0 

0 

September    . 

315 

25-7 

52 
52 

3-o 

0 

2 

October    .     . 

33-2 
32.1 

26.8 
25-9 

18 
26 

52 

2.4 

3-9 
6.0 

0 

0 

November     . 

60 

73 

9 

December     . 

27. 7_ 

28.2 

24.1 

23.1 

82 

124 

22 

Januar      .     . 

23.0 

81 

45 

5-3 

ii5 

15 

Februar    .     . 

20.4 

93 

69 

7.3 

265 

lS 

Jahr     .     . 

J 

997 

112 

Die  Monate  Juni  bis  November    (trockene  Jahreszeit)    sind    sehr   windig, 
stark  ist  SO.- Wind  vorherrschend.     Die  Savannenbrände  beginnen  im  Mai. 

Meteorol.  Zeitschr.   1887,  S.  421. 


in.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  Tropen.  303 

Tropisches  xerophiles  Gehölzklima. 

Tabelle  XX. 

Ladö  am  oberen  Nil.     1878— 1884.     50  2'  n.  B.  310  44  E. 

Seehöhe  465  m. 


i       Temperatur 

1   7  Uhr   |    2  Uhr 

Relat.  F 
7  Uhr 

euchtigk. 
2  Uhr 

Bewölk. 
1  Mittlere 

Re 
Tage 

*en- 
Menge 

Wind- 
stärke 

Januar    .     . 

|     23.4 

34-7 

62 

29 

2.3 

°-5 

0 

2.0 

Februar 

24.6 

35-2 

62 

30 

4.1 

3.7 

0.2 

2.1 

März 

26.5 

35-i 

74 

43 

5-o 

io.5 

27.0 

1.9 

April      .     . 

26.4 

32.9 

74 

50 

6.2 

16.2 

I35-6 

2.1 

Mai  .     .     . 

25.0 

3o.9 

85 
9i 

60 

6.0 

*s* 

86.8 

2.0 

Juni  .     .     . 

1    23.6 

29.5 

60 

6.3 

19.0 

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2.0 

Juli   .     .     . 

23.0 

28.8 

90 

62 

6.4 

17.0 

217.8 

1.9 

August   .     . 

■    23° 

28.6 

88 

65 

5.9 

18.4 

128.8 

1.9 

September  . 

23.0 

29.1 

88 

56 

6.0 

15.8 

122.8 

1.9 

October 

22.6 

30.2 

79 

57 

5-7 

14.0 

56.5 

1.9 

November  . 

22.5 
22.7 

31.8 

75 

5i 

4.5 

8.7 

20.0 

2.6 

Dezember  . 

33-7 

55 

24 

3-2 

2.7 

1.6 

2.0 

1 

141.7 

948.5 

(Meteorologische  Zeitschrift  1890,  p.   109). 

Ueberblicken  wir  die  Ergebnisse  dieses  Kapitels,  so  kommen  wir 
zu  folgenden  Sätzen: 

1)  Bei  mindestens  180  cm  Regen  hat  der  Hochwald 
Alleinherrschaft.  Für  die  Regenmengen  150 — 180  cm 
fehlt  es  an  Daten. 

2)  Bei  90 — 150  cm  Regen  kämpfen  xerophiles  Ge- 
hölz und  Grasflur.  Ersteres  siegt  bei  grosser  Hitze  und 
grösseren  regenfreien  Perioden  in  der  Vegetationszeit, 
letzteres  bei  milderer  Temperatur,  reicher  Vertheilung 
der  Regen  in  der  Vegetationszeit,  windigen  Trocken- 
oder Frostzeiten. 

3)  Unter  90  cm  Regen  herrscht  xerophiles  Nieder- 
holz, namentlich  Dornwald  und  Dorngebüsch,  beide  bei 
noch  geringeren  Niederschlägen  in  offene  Niederholz- 
formationen (Halbwüsten)  und  Wüsten  übergehend. 


304  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


Auswahl  der  Literatur. 

Die  klimatischen  Tabellen  sind  entnommen  aus:  Zeitschrift  der 
österreichischen  Gesellschaft  für  Meteorologie  1866  — 1885 
(I — XX)  und:  Meteorologische  Zeitschrift  derdeutschen  und 
österreichischen   meteorologischen    Gesellschaft    1884 — 1896. 

—  Benutzt   wurde    ausserdem    ohne    besondere   Angaben:    Hann.    Atlas    der 
Meteorologie.     Gotha  1887. 

Brand is,   D.     On  the   distribution    of  forests   in   India.     Ocean  Highways. 
1872. 

—  Influence  of  forests  on  rainfall.     Indian  forester.     Vol.  XIV. 

—  Regen  und  Wald  in  Indien.     Meteorologische  Zeitschr.  1887.     p.  369. 
van  Bebber.    Die  Regenverhältnisse  Indiens.    Meteorolog.  Zeitschrift.    1885. 
Draenert,   F.    M.      I.    Die    Vertheilung    der    Regenmengen    in    Brasilien. 

Meteorol.  Zeitschrift.      1886. 

—  II.   Das   Küstenklima   der   Provinz  Pernambuco.     Meteorolog.   Zeitschrift. 

Bd.  IV.     1887. 
Engler,  A.     Ueber   die    Flora   der   deutschen   Schutzländer   in   Westafrika. 

Gartenflora  1885. 
F  o  r  b  e  s ,  H.  O.    Wanderungen  eines  Naturforschers  im  Malayischen  Archipel. 

Deutsche  Ausgabe.     2  Bde.     Jena  1886. 
G ardner,   G.     Reisen  im  Inneren   Brasiliens.     Deutsche   Ausgabe.     2  Bde. 

1848. 
Kurz,  S.     Preliminary    report   on   the    forest   and    other  Vegetation  of  Pegu. 

Calcutta  1876. 
Pechuel-Lösche.     Die  Vegetation  am  Kongo  bis  zum  Stanley-Pool.    Das 

Ausland.     1886.     No.  20,  21. 
Sachs,  C.     Aus  den  Llanos. 
Saint-Hilaire,  A.  de.     Tableau  de   la  vdg&ation    primitive   dans  la   pro- 

vince  de  Minas  geraes.     Ann.  des  sciences  naturelles.     1831. 
Schwein furth,  G.    Allgemeine  Betrachtungen  über  die  Flora  von  Socotra. 

Engler's  Botan.  Jahrb.     Bd.  5.     1884. 
Trimen,  H.     On  the  flora    of  Ceylon,    especially   as    affected    by    climate. 

Journal  of  botany.    XXIV.      1886. 
Woeikof,  A.    I.   Die  Regenverhältnisse  des  malayischen  Archipels.    Zeitschr. 

der  österr.  Gesellschaft  für  Meteorologie.     Bd.  XX.     1885. 

—  II.   Der  tägliche  Gang  der  Temperatur   und   der  Hydrometeore  in  Nord- 

indien.    Meteorolog.  Zeitschrift.     Bd.  XI.      1894.     S.  403. 


IV.  Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 

L  Verbreitung  des  tropischen  Regenwaldes.  2.  Allgemeiner  Charakter 
des  tropischen  Regenwaldes.  §  i.  Das  Aeussere  des  Waldes.  Oberfläche  und 
Profil  —  §  2.  Das  Innere  des  Waldes.  Ungleiche  Dichtigkeit  Häufige  und  ver- 
breitete floristische  Bestandteile.  Holzgewächse.  Kräuter.  Lianen  und  Epiphyten.  Der 
Zug  nach  dem  Lichte.  Luftfeuchtigkeit.  —  §  3.  Der  tropische  Regenwald  in 
Asien.  Vegetation  und  Flora  am  Gedeh  und  Salak  auf  Java.  Charakteristische  Formen. 
Vorkommen  lebhaft  gefärbter  Blüthen.  Regenwälder  von  Pegu  nach  F.  Kurz.  —  §  4. 
Der  tropische  Regenwald  in  Afrika.  Der  Wald  der  Loangoküste  nach  Pechuel- 
Lösche.    Der  Regenwald  in  Usambara.  —  §  5.  Der  tropische  Regenwald  in  Amerika. 

—  §6.  Der  tropische  Regenwald  in  Australien  und  Mikronesien.  3«  Oeko- 
logische  Eigen thümlichkeiten  der  Regenwaldgewächse.  §  1.  Bäume  und 
Sträucher  des  Regenwaldes.  Die  Stämme  der  Bäume.  Plankengerüste.  Borke. 
Verzweigung.  —  §  2.  Die  Bodenkräuter.  Farbiges  Laub.  Die  Hymenophyllaceen.  — 
§  3.  Die  Lianen.  Palmlianen.  Kletternde  Bambusen.  Wurzelkletterer.  Cyclanthaceen 
und  Pandanaceen.  Araceen.  Ihre  Nähr-  und  Haftwurzeln.  Winder.  Ranker.  Bauhinia- 
Arten  mit  bandförmigen,  welligen  Stämmen.  —  §  4.  Die  Epiphyten.  Vorkommen.  Ein- 
theflung  nach  der  Lebensweise  in  Protoepiphyten,  Hemiepiphyten,  Nestepiphyten  und  Cistern- 
epiphyten.  Charakteristik  der  Gruppen.  Wasserspeicher.  Velamen  der  Orchideen  und 
Araceen.  Unbelaubte  Orchideen.  Der  Banyan.  Humussammelnde  Orchideen.  Farne  mit 
Sammeltrichtern  und  mit  Nischenblättern.  Bromeliaceen.  Wasseraufnahme  durch  die  Blätter. 
Beleuchtung  der  Epiphyten.    Epiphyllen.    Vertheilung  der  Epiphyten  auf  demselben  Baume. 

—  §  5.  Die  Knospen.  Unbeschützte  Knospen.  Schutzmittel  activer  Knospen.  Das  Aus- 
schütten des  Laubes.  Hängeblätter  und  Hängezweige.  Blüthenknospen  unter  Wasser.  Blüthen- 
knospen  mit  Wasserkelchen.  —  §6.  Cauliflorie.  Stamm-  und  Astcauliflorie.  Unbelaubte 
fertile  Zweige.  —  §  7.  Saprophyten  und  Parasiten.  Chlorophyllfreie  Orchideen» 
Burmanniaceen,  Triuridaceen,  Gentianaceen.    Loranthaceen.    Balanophoraceen.    Rafflesia. 


1.  Verbreitung  des  tropischen  Regenwaldes. 

Auf  seiner  Karte  der  zeitlichen  Vertheilung  der  Niederschläge  theilt 
Hann  die  tropische  Zone  in  Gebiete  mit  Trockenzeit,  bezw.  mit 
Monaten,  deren  normale  Regenhäufigkeit  unter  0.20  (=  6  Regentage  im 
Monat)  sinkt  und  in  solche  ohne  eigentliche  Trockenzeit  ein.  Letztere 
werden  gewöhnlich  als  immerfeuchte  bezeichnet.  Doch  sind  auch  in 
ihnen  die  Niederschläge  nicht  gleichmässig  auf  das  ganze  Jahr,  sondern 

Schimper,  Pflanzengeographie.  20 


jOÖ  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

auf  regenreichere  und  regenärmere  Perioden  vertheilt,  deren  Abwech- 
selung nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Vegetation  bleibt,  sondern  sich, 
wie  im  vorhergehenden  Capitel  gezeigt  wurde,  namentlich  in  den  Blüthe- 
zeiten  häufig  bemerkbar  macht.  Im  Grossen  und  Ganzen  ist  die  Vege- 
tation der  immerfeuchten  Gebiete  vor  derjenigen  der  periodisch  trockenen 
wohl  gekennzeichnet:  Die  ersteren  sind  da,  wo  von  derCultur 
unberührt,  beinahe  stets  von  immergrünem  Regenwalde, 
letztere  von  laubabwerfenden  Gehölzen  und  von  Savannen 
bedeckt.  Sind  die  Niederschläge  auch  in  der  Regenzeit  sehr  spär- 
lich, so  wird  der  Charakter  der  Vegetation  wüstenartig. 

Hann's  tropische  Gebiete  ohne  Trockenzeit  umfassen  in  ost-westlicher 
Richtung,  i.  In  Australien,  Neu-Guinea  mit  den  benachbarten  Archi- 
pelen (Bismarck-  und  Salomons-Inseln)  und  die  meisten  pacifischen  Inseln. 
2.  In  Asien,  die  Philippinen,  die  Molukken  (zum  grössten  Theilei, 
Westjava,  Celebes,  Borneo,  Sumatra,  die  Süd-Spitze  von  Malakka.  3.  In 
Afrika,  die  Mascarenen,  Ost-Madagascar ,  Zanzibar  mit  der  benach- 
barten Festlandküste,  das  Gebiet  der  grossen  afrikanischen  Seen.  4.  In 
Amerika,  das  brasilianische  Küstenland  südlich  vom  15°  S.  B.,  der 
nördliche  Theil  des  Amazonasbeckens,  Guiana,  die  kleinen  Antillen  (zum 
grösseren  Theile),  die  Ostküste  von  Central- Amerika. 

Im  allgemeinen  fallen  die  Grenzen  des  eben  bezeichneten  Gebiets 
mit  denjenigen  des  tropischen  Regenwalds  zusammen.  Derselbe  über- 
zieht, wo  er  nicht  durch  die  Cultur  ausgerodet  ist,  die  Tiefländer,  und 
zieht  sich  in  das  Hochland  soweit  hinauf,  als  das  tropische  Klima 
reicht.  Stellenweise  überschreitet  der  tropische  Regenwald  sowohl  in 
horizontaler  als  in  verticaler  Richtung  um  ein  weniges  die  Grenzen 
des  eigentlichen  Tropenklima.  Ausserdem  befindet  er  sich  im  Bereich  der 
Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten,  meist  in  die  Feuchtigkeit  con- 
densirenden  Gebirgen,  in  engbegrenzten  Gegenden,  wo  das  Klima  immer- 
feucht ist  und  das  Auftreten  des  Regenwalds  bedingt,  so  am  östlichen 
Himalaya  und  in  Birmah,  an  den  westlichen  Abhängen  der  Nilgherries 
in  West-Ceylon,  in  Kamerun,  an  der  Ostküste  des  tropischen  Australiens. 

Ein  ähnlicher,  jedoch  meist  weniger  üppiger,  immergrüner  Wald 
tritt  häufig,  aber  nicht  überall,  längs  der  Flüsse  der  periodisch  trockenen 
Gebiete  auf.  Solche  „Galleriewälder"  sind,  wie  früher  gezeigt,  von  den 
Hydrometeoren  unabhängig  und  werden  im  Abschnitt  über  edaphische 
Wirkungen  Berücksichtigung  finden. 


2.  Allgemeiner  Charakter  des  tropischen  Regenwaldes, 

§   1.  Das  Aeussere  des  Waldes.     Betrachtet  man  den  Regenwald 
von  Aussen,   z.   B.    von   einem   an  bewaldeter  Küste  fahrenden  Schilfe 


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Fig.   1 30.     Eben  gelichtete  Waldpartie  im  Innern  von  Samoa,  300  m  ü.  M.    Palmen.    Auf  dem 
Aste  rechts  eine  blühende  epiphytische  Astelia  sp.    Im  Hintergrund  der  unveränderte  Regenwald. 

Nach  einer  Photographie. 


IV.    Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


307 


oder  vom  Gipfel  einer  in  bewaldeter  Gegend  sich  erhebenden  Höhe, 
so  fallen  schon  manche  Unterschiede  gegenüber  den  Wäldern  der 
temperirten  Zonen  in  die  Augen.  Die  Oberfläche  zeigt  nie  gleich- 
massige  Färbung,  sondern  stellt  ein  reich  gegliedertes  Mosaik  dar,  in 
welchem  die  ganze  Scala  der  grünen  Schattirungen  vertreten  ist ,  unter 
diesen  am  wenigsten  das  frische  Grün  etwa  des  Buchenwaldes  im 
Frühsommer,  während  gelbliche,  bräunliche,  graue,  olivenähnliche  Töne 
ein  etwas  düsteres,  unendlich  nüancirtes  Farbenbild  zusammenstellen. 
Hie  und  da   leuchtet   auf  dem  nüchteren  Grunde  der  helle  Fleck  einer 


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Fig.   131.    Profil  des  tropischen  Regenwaldes  bei  Blumenau,  Brasilien.    Die  Palme  ist  Euterpe 
edulis.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Dr.  H.  Schenck. 


blühenden  Baumkrone  auf.  Als  ich  mich  im  Winter  der  Küste  von 
Trinidad  näherte,  glichen  die  blühenden  Erythrinen  einzelnen  Feuern 
im  dunkelen  Walde.  In  ähnlicher  Weise  konnte  ich  auf  Java  in  weiter 
Ferne  den  Puspabaum '  (Gordonia  Wallichii)  an  seinem  schneeweissen 
Kleide  erkennen.  Der  Eingeborene  vermag  aber  schon  am  Farbentone 
ihres  Laubes  werthvolle  Bäume  im  reich  gemusterten  Teppich  der 
Waldoberfläche  zu  erkennen.  So  suchen  die  Cascarilleros  der  Anden 
einen  erhabenen  Punkt  aus,  um  die  Standorte  der  im  Walde  zerstreuten 
Chinabäume  festzustellen. 

Auch    die    Profilansicht   des   tropischen    Regenwaldes   weicht    von 


j08  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

derjenigen  eines  deutschen  Laubwaldes  wesentlich  ab ;  sie  ist  nicht,  wie 
hier,  nach  oben  von  einer  nahezu  ebenen  Linie  begrenzt,  sondern  un- 
regelmässig zackig ,  gleichsam  unruhig.  Im  natürlichen  Zustande,  z.  B. 
an  den  Ufern  der  Wasserläufe,  sind  solche  Waldprofile  mit  dem  reichen 
Laube  von  Lianen  und  Epiphyten  so  behangen,  dass  die  Stämme  gar 
nicht  zum  Vorschein  kommen  und  auch  die  Kronen  sich  überschleiert 
zeigen.  An  künstlichen  Profilen,  wie  sie  bei  der  Ausrodung  des  Waldes 
entstehen,  fällt  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Baumstämme,  das  regel- 
lose Gewirr  der  Lianen,  das  Wechselnde  in  den  Formen  der  Laub- 
kronen drastisch  in  die  Augen. 

§  2.  Das  Innere  des  Waldes.  Das  Bild,  welches  das  Innere  des 
Regenwaldes  bietet,  ist  je  nach  dem  Einzelfalle  sehr  verschieden. 
Manche  Wälder  stellen  vom  Boden  bis  zu  den  Gipfeln  der  Bäume  eine 
dichte  Laubmasse  dar,  in  welcher  man  sich  nur  mühsam  mit  dem  Wald- 
messer einen  Weg  bahnt;  andere  sind  dunkele  Säulenhallen,  welche 
nach  allen  Richtungen  freie  Bewegung  und  freien  Ausblick  gewähren, 
wo  nur  einige  Farngewächse  auf  dem  Boden  und  den  Baumstämmen 
die  Monotonie  brauner  Farben  hie  und  da  unterbrechen.  Selbstverständ- 
lich sind  solche  extreme  Formen  durch  Uebergänge  verbunden. 

Der  dichte  Regenwald  mit  sehr  reichem  Unterholze  scheint, 
wenigstens  nach  meinen  Beobachtungen,  der  häufigere  zu  sein;  ich 
habe  ihn  auf  allen  meinen  tropischen  Zügen  weite  Flächen  einnehmen 
sehen.  Den  lichten  Säulenwald  kenne  ich  namentlich  aus  den  Ge- 
birgen Dominicas,  wo  er  hauptsächlich  von  einem  Canarium  gebildet 
ist,  in  weniger  reiner  Form,  mit  vielen  Baumfarnen,  aus  Trinidad. 
Kurz  beschreibt  ähnliche  offene  Wälder  für  Pegu.  Die  Bäume  in 
denselben  scheinen  weniger  mannigfaltig  zu  sein  als  in  den  geschlossenen 
Wäldern. 

Im  Innern  des  Waldes  wird  der  Botaniker  zunächst  versuchen, 
sich  über  dessen  systematische  Zusammensetzung  einige  Aufklärung  zu 
verschaffen.  In  Bezug  auf  die  grossen,  das  Oberholz  bildenden  Bäume 
ist  dieses  in  der  Regel  vergebliche  Mühe.  Nur  das  Fällen  des  Baumes 
kann  zum  Ziele  fuhren,  und  dieses  ist  mit  noch  weit  grösseren 
Schwierigkeiten  verbunden  als  bei  uns,  da  die  Bäume  durch  das  Lianen- 
gewirr zusammenhängen.  Es  fuhrt  auch  nicht  immer  zu  entscheidendem 
Resultate,  da  nicht  alle  Bäume  schon  nach  ihrem  Laube  hinreichend 
charakterisirt  sind,  und  viele  nur  selten  oder  nur  auf  kurze  Zeit  blühen. 
Von  dem  Herunterreissen  von  Zweigen  habe  ich  nur  äusserst  selten 
ein  brauchbares  Ergebniss  erzielen  sehen. 

Das  Geschrei  von  Papageischaaren  wird  manchmal  die  Bäume  mit 
reifen  Beeren,  namentlich  Feigenbäume  kennzeichnen,  und  dann  wird 
Suchen  auf  dem  Boden  in  der  Regel  zur  Entdeckung  einiger  Früchte 
fuhren.       Gelegentlich    ist    das    dem    einzelnen    Baum     entsprechende 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


309 


JIO  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  .Zonen. 

Bodenareal  ziemlich  reich  mit  herabgefallenen  oder  herabgeworfenen 
Früchten  bedeckt,  z.  B.  mit  den  Beeren  von  Myrtaceen  und  Meliaceen,  mit 
den  leicht  kenntlichen  Samen  einer  Myristica.  In  anderen  Fällen  findet 
man  Corollen  oder  Blumenblätter.  Stets  muss  man  jedoch  der  Möglich- 
keit eingedenk  bleiben,  dass  solche  Früchte  und  Blüthen  von  Epiphyten 
oder  Lianen  herrühren.  Zweifel  sind  bei  den  caulifloren  Arten  aller- 
dings nicht  möglich;  dieselben  bilden  aber  die  Ausnahme,  namentlich 
unter  den  grossen  Bäumen. 

Wohl  zeigt  die  Rinde  der  meisten  Bäume  viel  charakteristisches. 
Hier  ist  sie  glatt,  dort  rissig;  bei  vielen  Myrtaceen  löst  sich  die  Borke 
in  dünnen  Tafeln  oder  Blättern  ab,  bei  gewissen  Leguminosen  ist  die  Ober- 
fläche grün ;  in  anderen  Fällen  ist  sie  mit  Dornen  oder  mit  Korkwarzen 
bewehrt,  oder  sie  entlässt  bei  der  Verwundung  Milchsäfte  oder  Harze. 
Genaue  Untersuchung  solcher  Merkmale  könnte  sicher  weit  auf  dem 
Wege  der  Bestimmung  fuhren.  Das  zeigt  schon  der  Umstand,  dass  die 
Eingeborenen  vielfach  die  einzelnen  Baumarten,  nach  ihren  vom  Wald- 
boden aus  erkennbaren  Eigenthümlichkeiten,  zu  welchen  ausser  der  Rinde, 
noch  die  Dicke  des  Stammes,  das  etwaige,  nachher  zu  besprechende 
Plankengerüst,  zuweilen  die  Verzweigung  gehören,  mit  Sicherheit  be- 
stimmen. Bestimmungstabellen  nach  solchen,  allerdings  vielfach  sehr 
schwer  zu  schildernden  Merkmalen  würden  von  ungeheuerem  Nutzen  sein. 

Auch  die  meisten  Lianen,  die  holzigen  Kletterpflanzen,  welche  in 
jedem  tropischen  Urwalde  meist  massenhaft  auftreten,  entziehen  ihre 
Laubkrone  dem  Blicke  des  an  den  Boden  gebundenen  Forschers,  und  der 
Versuch,  sie  herunterzuziehen,  ist  in  der  Regel  ebenso  vergeblich,  wie 
das  Abhauen.  Hier  zeigt  aber  der  anatomische  Bau  des  Stammes  so  vie1 
eigenthümliches,  dass  die  Bestimmung  wenigstens  der  Gattung,  dank  den 
ausgezeichneten  Arbeiten  Radlkofer's,  Bureau's,  Schenck's,1)  möglich  ist. 

Um  sich  eine  Vorstellung  von  der  systematischen  Zusammensetzung 
des  Oberholzes  zu  bilden,  ist  der  Botaniker,  auch  wenn  er  den  Urwald 
schon  häufig  durchstreift  und  durchsucht  hat,  auf  die  Florenwerke  an- 
gewiesen, welche,  hauptsächlich  auf  Grund  der  Sammlungen  von  Ein- 
geborenen bearbeitet,  meist  nur  sehr  unvollständiges  Material  bringen  ; 
weit  brauchbarer  sind  die  Aufzeichnungen  der  Forstbotaniker,  welche 
leider  für  das  tropische  Amerika  und  Afrika  noch  ganz  fehlen.  Quellen 
für  die  systematische  Zusammensetzung  der  vorder-  und  hinterindischen 
Wälder  sind  namentlich  die  Werke  von  Brandis,  Kurz,  Koorders  und 
Valeton.  Verhältnissmässig  leicht  ist  es,  sich  von  der  systematischen 
Zusammensetzung  des  Unterholzes,  —  zunächst  abgesehen  von  den 
Lianen  und  der  Krautflora  —  die  nöthigen  Kenntnisse,  ohne  welche 
Arbeiten  über  die  Physiologie  des  Urwalds  werthlos  sind,  zu  verschaffen. 

l)    Vgl.    S.    211. 


Fig.    133.    Aus  dem  südmexikanischen  Regenwalde:   Unterholz  mit  Baumfarnen. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  G.   Karsten. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


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7  i2  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Nicht  bloss  ist  die  Mannigfaltigkeit  des  Laubes  viel  grösser  als  bei  uns, 
sondern  eine  Menge  von  Arten  tragen  Monate,  wenn  nicht  das  ganze 
Jahr  hindurch,  Blüthen  und  Früchte,  allerdings  häufig  in  nur  geringer 
Anzahl.  Beim  ersten  Blicke  werden  in  feuchten,  kühlen  Wäldern  die 
Baumfarne  auffallen,  welche,  wie  die  Farne  überhaupt,  mit  den  vor- 
liegenden Herbarien  leicht  bestimmt  werden  können.  Kleine  Palmen, 
in  Brasilien,  z.  B.  Arten  von  Geonoma,  in  Java  solche  von  Pinanga  werden 
selten  fehlen.  Hier  und  dort  zeigen  sich  Dickichte  von  Bambusen,  oder 
von  Kletterfarnen  (Lygodium),  oder  von  kletternden  Selaginellen.  Die 
Hauptmasse  des  Unterholzes  und  Gesträuches  ist  jedoch  von  Dicotylen 
gebildet.  Selten  werden  im  letzteren  die  Urticaceen  vermisst,  z.  B. 
Arten  von  Boehmeria,  in  Asien  auch  solche  von  Laportea,  an  der 
Form  ihrer  Blätter,  an  ihrer  Behaarung,  auch  im  sterilen  Zustande  leicht 
kenntlich.  In  ihrer  Gesellschaft  wird  man  strauchige  Piperaceen  finden, 
namentlich  Arten  von  Artanthe,  Ottonia  mit  knotigen  Stengeln  und 
aufrechten,  weissen,  kerzenartigen  Blüthenkolben ,  sowie  die  mannig- 
fachen unscheinbar  blühenden  Croton-  Arten  mit  ihren  unterwärts 
schuppigen  Blättern.  Weniger  massenhaft,  aber  äusserst  charakteristisch 
sind  die  Araliaceen,  mit  ihren  Rosetten  grosser  Blätter  auf  einfachem 
oder  schwach  verzweigtem  Stamm. 

Sind  die  erwähnten  Strauch-  und  Zwergbaumtypen  meist  mit  un- 
scheinbaren Blüthen  versehen,  so  prangt,  namentlich  im  tropischen 
Amerika,  eine  Fülle  von  Melastomaceen  in  unvergleichlicher  Blüthenpracht. 
Die  verschiedenartigsten  Rubiaceen  (Pavetta,  Psychotria- Arten  u.  s.  w.) 
tragen  ihre  schönen  straussigen  Blüthenstände  corallenrother  oder  weisser 
Blüthen  vielfach  an  in  der  gleichen  Farbe  glänzenden  Axentheilen. 
Ist  ein  Kelchblatt  gross  oder  blutroth  gefärbt,  so  liegt  eine  Mussaenda 
(Asien)  oder  Warszewiczia  (Amerika)  vor.  Gewisse  Rubiaceen  der 
javanischen  Wälder  haben  einen  höchst  abstossenden ,  aber  charak- 
teristischen, excrementellen  Geruch  (Lysianthus  purpureus  etc.).  Unter 
den  Sträuchern  oder  kleinen  Bäumen  wird  man  ferner,  in  Amerika, 
leicht  in  blühenden  Exemplaren  Vochysiaceen ,  Malvaceen  (Abutilon), 
Samydaceen  (Casearia),  Mutisiaceen  (Stifftia),  Solanaceen,  Mimosaceen 
(Inga,  Calliandra),  die  prächtigen  Brownea-Arten  (Caesalpiniaceen)  mit  ihren 
hochrothen,  caulifloren  Blüthensträussen  finden.  Im  tropischen  Ostasien 
wiederum  werden,  ausser  den  schon  erwähnten  Typen,  namentlich 
Anonaceen,  Ternstroemiaceen  (Saurauja  etc.),  Myrsineen  (Ardisia  etc.) 
durch  ihre  Blüthen  auffallen  und  mit  Hülfe  derselben  leicht  bestimmbar 
sein.  Beinahe  stets  treten  allerdings  solche  reich  und  schön  blühende 
Arten  gegenüber  den  spärlich  oder  unscheinbar  (Urticaceen,  Piperaceen, 
Euphorbiaceen  etc.)  blühenden  sehr  zurück.  Auch  wird  man,  nament- 
lich auf  der  Höhe  der  Regenzeit  sehr  viele  Sträucher  und  kleine  Bäume 
ohne  Blüthen  und  Früchte  finden. 


Fig.  135  u.  136.  Bodenvegetation  im  südmexikanischen  Regenwaldc.  Oben:  In 
der  Mitte  eine  Rubiacee  mit  bunten  Sammetblättern.  Rechts  und  links  Scitamineen. 
Unt  en :  In  der  Mitte,  Begonia  sp.  n.  Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  3  1 3 

Die  krautige  Vegetation  ist  in  den  dunkelsten  Urwaldpartien  sehr 
schwach  entwickelt,  in  den  helleren  dagegen  manchmal  von  erstaunlicher 
Ueppigkeit.  Ihre  hervorragendsten  Vertreter,  sowohl  was  die  Dimensionen, 
als  die  grossen,  lebhaft  gefärbten  Blüthenstände  und  häufig  das  massen- 
hafte Vorkommen  betrifft,  sind  wohl  die  Scitamineen.  Auf  den 
kleinen  Antillen  sah  ich  vielfach  übermannshohe  Heliconien  (H.  Bihai, 
H.  caribaea  etc.)  (Fig.  176),  mit  ihren  langgestielten  Blättern,  zwischen 
welchen  die  grossen  Blüthenstände,  mit  zweizeilig  geordneten  rothen, 
kahnförmigen  Bracteen  hervorragen,  üppiche  Dickichte  bildend.  Noch 
auffallender  und  jedenfalls  mannigfacher  in  ihrer  Erscheinung  sind,  in 
Ostindien,  die  in  mehreren  Gattungen  (Elettaria,  Hedychium,  Zingiber, 
Costus,  Alpinia  etc.)  und  zahlreichen  Arten  kleine  Wälder  im  Hochwalde 
bildenden  Zingiberaceen.  So  sieht  man  in  den  Wäldern  Java's  häufig  dichte, 
weit  übermannshohe  Bestände  solcher  Zingiberaceen,  deren  steife,  zweizeilig 
beblätterte  Sprosse  keine  andere  Vegetation  zwischen  sich  aufkommen 
lassen,  während  gleich  leuchtend  rothen  Kohlköpfen  (z.B.  Costus  globosus, 
Elettaria-Arten)  oder  als  feuerfarbige  Sterne  (z.  B.  Elettaria  coccinea)  die 
wunderbaren  Blüthenstände  dem  nackten  Boden  mit  breiter  Basis  aufsitzen. 

Es  ist,  im  tropischen  Urwald,  überhaupt  eine  häufige  Erscheinung, 
dass  ein  weites  Terrain  wesentlich  von  demselben  krautartigen  Gewächs, 
bei  Ausschluss  eines  jeden  Anderen,  eingenommen  ist,  so  dass  in  der 
krautigen  Vegetation  weit  grössere  Gleichförmigkeit  herrscht,  als  in  der 
holzigen.  So  sah  ich  in  den  Wäldern  Ceylon's  und  Java's  gewisse 
Arten  der  Acanthaceengattung  Strobilanthus  auf  ungeheuren  Strecken 
die  krautige  Vegetation  für  sich  allein  bilden,  und  mit  ihren  saftigen 
brüchigen  Stengeln  zartbelaubte  Gebüsche  bilden,  welche  den  Menschen 
weit  überragen.  Noch  viele  andere  Kräuter  sah  ich  gesellig  auftreten, 
wenn  auch  nicht  in  so  grossen  Beständen,  so  z.  B.  Arten  von  Impatiens, 
Cyrtandra,  Elatostema,  Selaginella  etc.  Gräser  treten  im  tropischen 
Urwalde  ganz  zurück. 

Unter  den  mehr  vereinzelt  auftretenden,  jedoch  selten  fehlenden 
Kräutern  des  Regenwalds  seien  noch  die  Begonien  (Fig.  136)  erwähnt, 
die  sowohl  in  Amerika,  wie  in  Asien,  theils  niedrig  und  aufrecht,  theils 
an  Baumstämmen  und  Felsen  ziemlich  hoch  emporkletternd,  grosse 
Mannigfaltigkeit  ihrer  Formen  aufweisen,  ferner  die  Araceen  des  Bodens, 
mit  ihren  oft  an  Schlangen  erinnernden  bunten  Blattstielen,  endlich, 
als  seltenere  Erscheinungen,  die  parasitischen  Balanophoren,  die  sapro- 
phytischen  Orchideen  und  Burmanniaceen  etc. 

Die  Baumstämme  sind  von  einem  reichen  Flor  der  verschieden- 
artigsten Lianen  und  Epiphyten,  auf  welche  nachher  in's  Einzelne  zurück- 
gekommen werden  soll,  bedeckt.  Die  verschiedensten  Formen,  oft 
durch  grosse  Laubflächen  oder  prächtige  Blüthen  ausgezeichnet,  bilden 
diese  oberirdischen  Gärten. 


\\A.  Erster  Abschnitt :    Die  tropischen  Zonen. 

Suchen  wir  in  der  Flucht  der  Urwaldbilder  das  gemeinsame  fest- 
zuhalten, so  fällt  in  erster  Linie  das  Streben  nach  Licht  in  die 
Augen  und  die  Möglichkeit,  diesem  Streben  beinahe  unbehindert  zu  folgen, 
ist  in  der  grossen,  immerdauernden  Feuchtigkeit  gegeben. 

Der  Kampf  ums  Licht  herrscht  allerdings  in  den  Wäldern  aller 
Zonen.  Ueberall  treibt  er  die  Vegetation  aus  der  schattigen  Tiefe  in 
die  Höhe,  aber  dieser  Wettkampf  ist  nirgends  so  ausgeprägt  als  in  den 
immergrünen  Wäldern  tropischer  Gebiete,  mit  ihren  schlanken  Stämmen, 
deren  aufrechte,  schwach  verzweigte  Aeste  so  begehrlich  nach  dem 
Lichte  streben  und  gleichzeitig  eine  Fülle  von  Gästen  mit  an  das  Licht 
fördern,  wie  Lianen,  deren  schwache  Stämme  sich  am  Baumgerüst  fest- 
klammern, Epiphyten,  welche  im  Geäste  keimen  und  sich  so  von  Anfang 
an  im  Besitze  der  ihnen  zusagenden  Beleuchtung  befinden. 

In  der  epiphytischen  Vegetation  ist  das  Streben  nach  Licht  am 
vollkommensten  befriedigt,  überzieht  dieselbe  doch,  mit  ihren  oft  statt- 
lichen, sogar  baumartigen  Formen,  das  Geäst  des  Wirthsbaums  bis  zu 
seinen  äussersten  Enden,  sogar  die  Blätter  nicht  verschonend,  auf  welchen 
nicht  nur  Moose  und  Algen  wachsen,  sondern  gelegentlich  sogar  blühende 
Orchideen  gefunden  werden. 

In  den  Epiphyten  zeigt  sich  aber  auch  der  Kampf  um's  Licht  am 
meisten  ausgeprägt,  und  verursacht  grosse  Verwüstungen.  Häufig  hört 
man  im  Urwald  den  Baumast  krachend  brechen,  unter  der  Last  des  zu 
üppig  gewordenen  atmosphärischen  Gartens,  und  vielen  früher  statt- 
lichen Bäumen  dienen  die  zum  Hohlcylinder  verwachsenen  Wurzelgerüste 
der  epiphytischen  Feigen  oder  Clusien  als  lebende  Särge,  in  welches 
sie  allmählich  vermodern. 

Während  das  Bedürfniss  nach  Licht  die  Vegetation  in  die  Höhe 
treibt,  zieht  sie  dasjenige  nach  Feuchtigkeit  nach  unten.  Bei  ab- 
nehmender Feuchtigkeit  werden  die  Gestalten  der  Holzgewächse  massiv, 
die  Laubkronen  dichter,  die  Laubblätter  kleiner  und  sämmtliche  Ge- 
wächse, mit  Ausnahme  genügsamer  Moose  und  Flechten,  bleiben  an 
den  Boden  gebunden.  Die  grosse  Feuchtigkeit  ist  der  physio- 
logische Factor  alles  Charakteristischen  in  der  Plastik 
des  tropischen  Regenwaldes. 

Thatsächlich  sind  alle  Regenwaldgebiete  im  Besitze  nicht  bloss  von 
Niederschlägen  zu  allen  Jahreszeiten,  sondern  auch  sehr  grosser  Regen- 
mengen. Letztere  betragen  in  den  klimatischen  Regenwaldgebieten 
mindestens  200  cm  jährlich,  häufig  aber  bedeutend  mehr.  300 — 400  cm 
sind  keineswegs  selten.  Die  Feuchtigkeit  der  Luft  ist  entsprechend 
gross.  Sie  fällt  selten  beträchtlich  unter  8o°/0  und  nähert  sich  in  den 
Nacht-  und  Frühmorgenstunden  der  vollkommenen  Sättigung. 

G.  Haberlandt  stellte  einige  Beobachtungen  über  die  Luftfeuchtigkeit 
am  Rande  des  Urwaldes  bei  Tjibodas.    Danach  betrug  dieselbe  daselbst  auch 


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IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  *  i  e 

in  den  hellen  Vormittagsstunden  80 — 9o°/0,  Morgens  um  7  h.  und  in  den 
Nachmittagsstunden  stets  97 — 99°/0-  Die  geringste  relative  Feuchtigkeit  habe 
ich  am  12.  Februar  Mittags  12  h.  bei  heiterem  Himmel  beobachtet:  sie  be- 
trug 79%.  Im  Walde  selbst  ist  die  Feuchtigkeit  natürlich  noch  grösser;  da 
wird  sie  wohl  wochenlang   nicht   unter  90  °/0    herabsinken. *) 

§  3.  Der  tropische  Regenwald  in  Asien.  Besser  als  allgemeine 
Betrachtungen  dürfte  die  Schilderung  einer  Excursion  im  tropischen 
Urwalde  eine  Vorstellung  von  dem  allgemeinen  Charakter  eines  solchen 
geben.  Ich  entnehme  aus  meinen  Reisenotizen  folgende  an  Ort  und 
Stelle  entnommene  Skizze  eines  Urwaldes  am  Gedeh,  auf  Java,  gelegent- 
lich unter  Hinweis  auf  die  Wälder  des  benachbarten  Salak  *)  (Fig.  137). 

Im  Vergleich  zum  mitteleuropäischen  Walde  ist  das  Bild  ein  solches 
erstaunlicher  Ueppigkeit,  aber  auch  wirrer  Unordnung.  Die  Bäume  haben 
sehr  ungleiche  Stammdicke,  die  Stämme  sind  zumTheil  an  der  Basis  durch 
Brettergerüste  gestützt,  Lianen,  deren  Stämme  selten  mehr  als  Faust- 
dicke besitzen,  durchziehen  in  wirren  schlangenähnlichen  Windungen 
die  Luft.  Das  Dickicht  grossblätteriger,  oft  buntblühender  Sträucher 
zwischen  den  Bäumen  ist  manchmal  durch  Lücken  unterbrochen,  welche 
von  sehr  saftigen,  oft  über  manneshohen  Kräutern  behauptet  sind.  Was 
beirn  ersten  Blicke  die  Physiognomie  dieses  Waldes  von  derjenigen  eines 
europäischen  oder  nordamerikanischen  auszeichnet,  ist  die  Ausfüllung  des 
Raumes  mit  Laub  und  das  erdrückende  Vorherrschen  der  grünen  Farbe. 

Die  Oberfläche  der  Baumstämme  ist  beinahe  ganz  unter  einer  grünen 
Pflanzenhülle  verborgen.  Solche  wird  stellenweise  vornehmlich  von 
Freycinetia  insignis  gebildet,  einer  epheuartig  kletternden  Pandanacee, 
deren  in  eleganten  Festonen  herabhängende,  von  schlaffen  bandartigen 
Blättern  dicht  besetzte  Zweige  bis  in  das  Innere  der  Baumkrone  hinein 
reichen.  Von  den  Baumästen  hängen  die  zwei  oder  drei  Meter  langen 
Schweife  von  Lycopodium  Phlegmaria,  Psilotum  flaccidum,  und  anderen 
Lycopodiaceen  (Fig.  138)  mit  den  kammartig  zerschlitzten  Bändern  einer 
Nephrolepis  herab;  ihnen  gesellen  sich  eine  Fülle  kleinerer  Farngewächse. 
Die  Oberseite  der  Aeste  ist  ein  atmosphärischer  Blumengarten,  wo  in- 
mitten eines  kurzen  Rasens  kleiner  Orchideen,  kriechender  Peperomien 
und  Farne,  scharlachroth  blühender  Aeschynanthus- Arten,  strauchige 
Medinilla-Arten  mit  rosenrothen  Blüthenrispen  sich  erheben.  Auf  dem 
Gipfel  der  höchsten  Bäume  prangt  manchmal  Rhododendron  javanicum, 
in  der  Ferne  als  feuerrother  Blumenstrauss  weit  sichtbar,  innerhalb  des 
Urwalds  aber  nur  durch  herabgefallene  Corollen  verrathen.  In  höheren 
Regionen  wird  dieses  prächtige  Gewächs  häufiger  und  ist  dann  weniger 
an  die  Baumwipfel  gebunden. 


>)  l.  c.  S.  792. 

*)  Der  betreffende  Gedehwald  befindet  sich  bereits  in  kühlerer  Region,  bei  ca.  1 500  m, 
doch  hat  er  noch  sein  tropisches  Gepräge. 


Fig.  1 38.    Epiphytische,  von  Baumästen  herabhängende  Lycopodiaceen  des  tropischen  Regenwaldes  am 
Gedeh.    /  Psilotum  flaccidum.    2  Lycopodium  nummulariaefolium.  3  Lycopod.  Phlegmaria.  a,  6,  c  nat  Gr. 


IV.    Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


317 


Auf  manchen  Strecken  ist  es  nicht  Freycinetia,  sondern  das  noch  weit 
auffallendere  Asplenium  nidus  (Fig.  1 39),  welches  das  innere  Waldgepräge 
in  erster  Linie  bedingt.  An  allen  Baumstämmen,  den  dicken  wie  den 
dünnen,  sogar  an  den  Lianen  sind  seine  Riesentrichter  reihenweise  über- 
einander befestigt.  Sie  füllen  alle  Zwischenräume  aus,  sie  beherrschen 
die  ganze  Landschaft,  sie  sind  die  wahren  Sieger  im  Kampfe  ums 
Dasein,  und  der  übrigen  Vegetation  scheint  keine  andere  Bedeutung 
mehr  zuzukommen,  als  den  Trichtern  als  Träger  zu  dienen  und  sie  mit 


Fig-   I39»     Asplenium  nidus  im  Botanischen  Garten  zu  Buitenzorg.    Stark  verkleinert.    Nach 
einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  Treub. 


todten  Blättern  auszufüllen,  —  bis  die  Baumstämme  unter  ihrem  Ge- 
wichte zusammenbrechen  oder,  was  häufiger  eintritt,  an  gestörtem  Stoff- 
wechsel zu  Grunde  gehen. 

Noch  viele  andere  Pflanzentypen  siedeln  sich  auf  der  Baumrinde 
an.  Die  Basis  des  Stammes  ist  von  grösseren  Epiphyten  frei,  dagegen 
von  einem  Schleier  zarter  Hymenophyllaceen  umhüllt.  Vaccinium  lucidum 
entwickelt  aus  knolligem  Stamme  seine  buchsähnlichen,  kleinblüthigen 
Zweige;   Ficus  diversifolia  lockt    den  Blick  durch  ihre  unterseits  ocker- 


3 18    *  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

gelben  Blätter  und  ihre  lebhaft  gelben  erbsengrossen  Feigen.  An  vielen 
anderen  Punkten  Java's,  jedoch  stets  auf  tieferem  Niveau,  sind  den 
Stämmen  und  dickeren  Aesten  vielfach  die  rübenartig  angeschwollenen 
Sprosse  der  berühmten  Ameisenpflanzen,  Myrmecodia  und  Hydnophytum, 
(Fig.  85  u.  86)  befestigt.  Moose  und  Rechten  sind  in  solchen  tiefgelegenen 
Wäldern  als  Epiphyten  schwach  entwickelt;  ihre  eigentliche  Heimath 
ist  die  höher  gelegene  kühle  Region  der  Nebel. 

Gegen  das  Grün  treten  die  anderen  Farben  stark  zurück.  Der 
tropische  Regen wald  ist  jedoch  keineswegs  so  arm  an  schön  blühenden 
Gewächsen ,  wie  es  gewöhnlich  behauptet  wird ,  wohl  im  Anschluss 
an  Wallace,  welcher  wahrscheinlich  die  englische  Wiese  im  Auge  hatte 
und  nicht  den  Wald  mit  dem  Walde  verglich.  Der  Tropenwald  ist  im 
Allgemeinen  eher  farbenreicher  als  der  europäische  Wald,  namentlich 
in  Amerika,  wo  die  so  mannigfachen  und  so  massenhaft  auftretenden 
epiphytischen  Bromeliaceen  häufig  mit  lebhaft  gefärbten  Blüthen, 
Früchten  oder  Hochblättern  versehen  sind. 

Als  schön  blühende  Gewächse  des  javanischen  Waldes  wurden 
bereits  Rhododendron  javanicum  und  die  Medinilla-Arten  erwähnt 
Manche  Sträucher  des  Bodens  verdienen  dieselbe  Bezeichnung,  so 
namentlich  Pavetta-Arten,  mit  corallenrothen  Doldenrispen,  die  stellen- 
weise am  Salak  recht  häufig  sind.  Allgemeiner  sind  die  ebenfalls  zu 
den  Rubiaceen  gehörigen  Mussaenda-Arten,  bei  welchen  eines  der  Kelch- 
blätter zu  einem  grossen  blendendweissen  Blatte  sich  entwickelt,  während 
die  kleinen  Corollen  in  sattem  Orangengelb  prangen.  Schön  blühend 
ist  in  höchstem  Grade  Dichroa  Cyanites,  mit  ihren  herrlichen  himmel- 
blauen und  schneeweissen  Blüthenständen  und  die  eher  als  kleine 
Bäume,  denn  als  Sträucher  zu  bezeichnenden  Saurauja-Arten  (Tern- 
stroemiaceen)  erinnern  in  ihrem  zarten  Blüthenflor  an  unsere  Kirsch- 
bäume. Die  zahlreichen  Melastomaceen  fallen  auf  Java  meist  mehr 
durch  eigenartiges  Laub  als  durch  schöne  Blüthen  auf,  welche  mit 
Ausnahme  von  Medinilla,  in  Farbenglanz  und  Grösse  den  tropisch- 
amerikanischen Arten  weit  nachstehen.  Ziemlich  unscheinbar  sind  in 
den  tiefer  gelegenen  Wäldern  auch  die  Ardisia-Arten  (A.  semidentata, 
polyneura  etc.),  während  die  so  richtig  benannte  Ardisia  decus  montis 
eine  Hauptzierde  des  höher  liegenden  temperirten  Regenwalds  bildet- 
(Vgl.  d.  Abschnitt  IV). 

Die  Rubus-Arten  (R.  glomeratus,  chrysophyllus,  alceaefolius)  fallen 
mehr  durch  die  Schönheit  des  Laubes  als  der  Blüthen  auf;  sie  treten 
übrigens  erst  in  höher  gelegenen  Wäldern  als  wesentliche  Bestandteile 
der  Vegetation  auf.  Die  ganz  unscheinbar  blühenden  Bäumchen  und 
Sträucher  sind  daneben,  sowohl  der  Zahl  der  Arten,  wie  der  Individuen 
nach,  sehr  stark  entwickelt.  Dahin  gehören  Vertreter  der  Urticaceen, 
mit  lockeren,  hängenden,  grünlichen  Blüthenständen  (Boehmeria-  und 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  31g 

Lasortea- Arten) ,  Piper- Arten ,  mit  aufrechten ,  kerzenartigen  Blüthen- 
ständen,  Euphorbiaceen  (Croton-,  Phyllanthus- Arten),  Lasianthus  pur- 
pureus  mit  kleinen  violetten  Blüthen.  Endlich  seien  als  wesentliche 
Bestandtheile  der  holzigen  Schattenvegetation  noch  erwähnt,  kleine 
Palmen  (Pinanga),  Pandanus  furcatus  und  zahlreiche  Baumfarne. 

Die  krautige  Vegetation  zeigt  einen  erstaunlichen  Formenreich thum. 
Ihre  vornehmsten  Bestandtheile  sind  die  gesellig  wachsenden  Zingi- 
beraceen,  deren  Haine  bereits  erwähnt  wurden.  Vereinzelt  zeigt  sich 
hier  und  dort  eine  stattliche,  nicht  blühende  Musa.  Weite  Strecken 
sind  von  einem  dichtstehenden  Strobilanthusgebüsch  (Acanthaceae) 
bedeckt,  dessen  durchsichtige  Stengel  beim  Durchgehen .  glasartig  zer- 
brechen und  dessen  zartes  Laub  von  ziemlich  grossen  hellrothen  Blüthen 
geschmückt  ist.  Anderwärts  ist  die  krautige  Vegetation  kaum  kniehoch 
und  wesentlich  von  Cyrtandra  nemorosa  und  Elatostema- Arten  gebildet; 
auf  der  sattgrünen  ebenen  Fläche  erheben  sich  vereinzelte  höhere 
Kräuter,  so  die  grossblätterige  Begonia  robusta,  die  mehr  durch  ihre 
Kobaltblauen  Beeren  als  durch  ihre  weissen  Inflorescenzen  auffallende 
Pollia  thyrsiflora,  in  der  Blüthen-  und  seltenen  Fruchtfarbe  mit  der 
vorgenannten  übereinstimmende  Dianella  montana ,  Disporum  multi- 
florum,  mit  hängenden ,  violetten  Blüthenglocken ,  Polygala  venenosa 
mit  grossen,  gelben  Blüthen  etc. 

Schiebt  man  mit  der  Hand  die  Blätter  des  Krautteppichs  auseinander, 
so  erblickt  man  zwischen  saftstrotzenden,  zerbrechlichen  Stengeln  das 
von  verfaulenden,  stets  nassen  Blättern  bedeckte  Substrat.  Die  Zwischen- 
räume erscheinen  sehr  gross,  obwohl  vom  Laubdache  der  Kräuter  ganz 
überwölbt  und  ernähren  keine  dem  blossen  Auge  sichtbare  Vegetation. 
Hingegen  ist  man  überrascht,  einen  Blüthenflor  zu  entdecken,  von  welchem 
man  oberhalb  des  Laubdachs  nichts  merkte,  namentlich  den  Stengeln  von 
Cyrtandra  nemorosa  entspringend,  aber  auch  am  Stamme  von  Saurauja 
cauliflora,  der  seine  dichten  rothen  und  weissen  Blüthenbüschel  nur  an 
seiner  Basis,  ganz  unter  Kräutern  verborgen,  zur  Ausbildung  bringt. 

Die  Bäume  sind  im  Regenwalde  die  am  wenigsten  auffallenden 
Bestandtheile;  nur  die  Plankengerüste  zeichnen  viele  derselben  beim 
ersten  Blicke  vor  den  Bäumen  eines  europäischen  Waldes  aus.  Der 
stattlichste  Baum  dieser  Wälder  ist  Altingia  excelsa  (Hamamelidaceae), 
die  Rasamala  der  Eingeborenen,  welcher  bis  gegen  60  m  Höhe  und 
112  cm  Stammdicke  erreicht,  meist  jedoch  40 — 45  m  hoch  ist.1) 

Zu  voller  Geltung  kommt  der  Baum  erst  in  der  Ferne,  bei  Betrachtung 
des  Waldes  von  oben,  da  seine  Krone  die  anderen  weit  überragt.  Sehr  häufig 
ist  ferner  die  Puspa  (Gordonia  Wallichii,  eine  Ternstroemiacee),  welche 


*)  Koorders  tu  Valeton  I,  p.  204.     Der  höchste  von  diesen  Autoren  gemessene  Baum 
hatte  58  m  Höhe  und  war  erst  oberhalb  40  m  verzweigt. 


J20  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

zur  Blüthezeit  in  der  Ferne  als  schneeweisse  Masse  erscheint  und  sich  an 
den  zahlreichen  abgefallenen  Blumenblättern  im  Waldinnern  verräth.  Die 
Feigenbäume,  welche  vornehmlich  die  am  tiefsten  gelegenen  Wälder  be- 
wohnen, sind  an  ihren  Luftwurzeln  leicht  kenntlich  und  manchmal  cauliflor. 
Nach  Junghuhn  gehören  die  höchsten  Bäume  dieser  Wälder 
namentlich  zu  den  Gattungen  Canarium  (C.  altissimum),  Thespesia 
(Th.  altissima),  Dipterocarpus  (D.  trinervis  und  D.  retusa),  Epicharis 
(E.  altissima  und  E.  cauliflora).  Die  kleineren  Baumarten  sind  weit 
mannigfacher.  Als  besonders  häufig  erwähnt  Junghuhn  Vertreter  aus 
den  Familien  der  Myristicaceen ,  Tiliaceen,  Sapotaceen,  Compositen 
(Vernonia  javanica),  Rubiaceen,  Euphorbiaceen,  Büttneriaceen,  Laura- 
ceen  (Cinnamomum),  Mimosaceen  etc.1) 

Kurz  unterscheidet  in  Pegu  zwei  Formen  der  Regenwälder,  die  ge- 
schlossenen und  die  offenen,  welche  zwei  Graden  der  Feuchtigkeit 
entsprechen. 

Der  geschlossene  Wald  bildet  eine  150 — 200'  dicke  Vegetationsmasse, 
in  welcher  4  bis  5  Stockwerke  unterschieden  werden  können.  Die  höchsten, 
das  gemeinsame  Laubdach  überragenden  Bäume  werfen  zum  Theile  ihre 
Blätter  während  der  trockenen  Jahreszeit  ab,  so  Arten  von  Sterculia,  einzelne 
Datiscaceen  (Tetrameies),  Leguminosen  (Parkia,  Albizzia,  Aerocarpus,  Ptero- 
carpus,  Xylia),  Anonaceen  (Guatteria),  Anacardiaceen  (Swintonia),  Lythraceen 
(Duabanga),  Artocarpeen  (Artocarpus) ,  Tiliaceen  (Pentace)  u.  a.  Immergrün 
sind  unter  diesen  Riesenarten  Dipterocarpeen  (Dipterocarpus,  Parashorea, 
Hopea,  Anisoptera),  Sapotaceen  (Payena),  Guttiferen  (Garcinia),  Urticaceen 
(Antiaris).  Die  grossen  Bäume  des  mittleren  Stratum  sind  hauptsächlich  immer- 
grün. Es  sind  darunter  namentlich  vertreten  einzelne  Arten  aus  den  Anona- 
ceen (Mitrephora),  Sterculiaceen  (Pterospermum),  Burseraceen  (Bursera),  Melia- 
ceen  (Amoora,  Cedrela,  Disoxylum,  Sandoricum),  Celastraceen  (Kurrimia), 
Cornaceen  (Marlea),  Bignoniaceen  (Stereospermum) ,  Verbenaceen  (Vitex», 
Leguminosen  (Pithecolobium ,  Adenanthera,  Dalbergia,  Albizzia),  Sapindaceen 
(Sapindus),  Lythraceen  (Lagerstroemia),  Anacardiaceen  (Mangifera,  Semecarpus», 
Guttiferen  (Xanthochymus),  Ficus-Arten,  Diospyraceen  (Diospyros),  Lauraceen 
(Litsea),  Euphorbiaceen  (Bischofia,  Trewia),  Malvaceen  (Hibiscus),  Sterculiaceen 
(Sterculia,  Pterospermum),  Tiliaceen  (Elaeocarpus),  Podocarpus  u.  a.  m. 

Das  dritte  Stockwerk  ist  von  immergrünen,  höchstens  30'  hohen  Bäumchen 
zusammengesetzt,  und  zeigt  eine  noch  mehr  verwirrende  systematische  Zu- 
sammensetzung als  die  obersten  Stockwerke.  Da  sind  Violaceen  (Alsodeia), 
Lauraceen  (Litsea,  Phoebe,  Cinnamomum),  Bixaceen  (Hydnocarpus) ,  Hippo- 
crateaeeen  (Siphonodon) ,  Euphorbiaceen  (Cleistanthus ,  Ostodes,  Baccaurea, 
Aporosa,  Excoecaria,  Antidesma),  Rutaceen  ( Micromelum ) ,  Bignoniaceen 
(Spathodea),  Tiliaceen  (Elaeocarpus),  Sapindaceen  (Erioglossum ,  Lepisanthes, 
Cupania,  Euphoria),  Meliaceen  (Aglaia,  Heynea),  Anacardiaceen  (Drimycarpus, 
Semecarpus),  Myrsinaceen  (Maesa,  Ardisia) ,  Urticaceen  (Celtis),    Ficus-Arten, 


»)  1.  c.  I,  p.  315- 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  32 1 

Leguminosen  (Millettia,  Erythrina,  Dalbergia),  Myrtaceen  (Eugenia),  Melastoma- 
ceen  (Memecylum),  Anonaceen  (Cyathocalyx ,  Goniothalamus,  Saccopetalum), 
Cupuliferen  (Castanopsis) ,  Diospyraceen  (Gunizanthus ,  Diospyros),  Guttiferen 
(Garcinia),  Ternstroemiaceen  (Eurya),  Tiliaceen  (Grewia),  Rutaceen  (Zantho- 
xylum,  Glycosmis,  Murraya),  Simarubaceen  (Picrosma) ,  Ochnaceen  (Ochna), 
Dicineen  (Ilex),  Celastraceen  (Evonymus),  Verbenaceen  (Vitex),  Myristica,  u.  a.  m. 
Verschiedene  Palmen,  Bambusen  und  Pandanus  fiircatus  gehören  auch  zu  diesem 
Stockwerke. 

Unter  den  Lianen  sind  vertreten  Malvaceen  (Hibiscus),  Combretaceen 
(Illigera,  Calycopteris),  Anonaceen  (Artabotrys),  Leguminosen  (Dalbergia,  Acacia, 
Bauhinia),  Rhamnaceen  (Colubrina,  Zizyphus,  Gouania,  Ventilago),  Araceen 
(Pothos,  Scindapsus) ,  Ranunculaceen  (Naravelia),  Acanthaceen  (Thunbergia), 
Convolvulaceen  (Porana),  Vanilla,  Jasminum,  Menispermaceen  (Tinospora), 
Rubiaceen  (Ancistrocladus,  Uncaria),  mehrere  Vitis- Arten,  3  oder  4  Arten  von 
Calamus  und  viele  Andere. 

Unter  den  aufrechten  Sträuchern  zeigen  sich  z.  B.  Violaceen  (Alsodeia), 
Rubiaceen  (Musssaenda,  Morinda,  Ixora),  Urticaceen  (Boehmeria),  Verbenaceen 
(Clerodendron),  *  Anonaceen  (Unona),  Capparidaceen  (Capparis),  Myrsinaceen 
(Maesa,  Ardisia),  Diospyros,  Connarus  u.  a.  m. 

Die  Kräuter  sind  spärlich.  In  den  dichten  Theilen  des  Waldes  ist  der  Boden 
nur  von  faulenden  Blättern,  Baumstämmen  u.  s.  w.  bedeckt;  an  lichten  Stellen 
dagegen  zeigen  sich  in  zahlreichen  Exemplaren  Arten  von  Strobilanthus  und 
anderen  Acanthaceen,  einzelne  Aristolochiaceen  (Bragantia),  Urticaceen  (Elatos- 
tema),  Piper,  Rubiaceen,  Araceen,  Liliaceen  (Dracaena,  Dianella),  Commelina- 
ceen  (Pollia),  wenige  Cyperaceen  und  Gräser,  viele  Scitamineen  und  noch 
mehr  Farne.  Die  Bäume  tragen  auf  ihren  Stämmen  und  Aesten  als  Epiphyten 
Orchideen,  Cyrtandreen  u.  s.  w.,  aber  wenig  Moose,  die  überhaupt  sehr  schwach 
vertreten  sind,  ausser  als  Epiphyllen  auf  den  Blättern,  wo  sie  reichlich  sind. 
Flechten  kommen  auf  Bambusen  und  den  höchsten  Baumästen  vor. 

Pilze  sind  zahlreich,  namentlich  während  der  Regen.  Einige  Algen 
(Chroolepus,  Scytonema)  kommen  als  Epiphyten  auf  Stämmen  und  Blättern  vor. 

Die  offenen  immergrünen  Wälder  stimmen  floristisch  mit  den  geschlossenen 
nahe  überein,  sind  aber  bedeutend  formenärmer.  Es  sind  nur  drei  oder  vier 
Stockwerke  der  Vegetation  und  wenige  Lianen  und  Sträucher  vorhanden,  so  dass 
solche  Wälder  weniger  undurchdringlich  sind. 

§  4.  Der  tropische  Regenwald  in  Afrika.  Die  durch  Pechuel-Lösche 
entworfene  Schilderung  des  Regenwalds  an  derLoango-Küste  (West- 
Afrika)  ist  mehr  malerisch  als  wissenschaftlich.  Immerhin  giebt  sie  eine  an- 
schauliche Vorstellung  von  der  Physiognomie  des  westafrikanischen  Waldes. 
(Fig.  140).  „In  seiner  mächtigsten  Entfaltung  beherrscht  er  Höhen,  Hänge 
und  Thäler  des  Gebirges,  sowie  die  Niederungen  vieler  Wasserläufe ;  besonders 
die  aus  sehr  fruchtbarem  Schwemmlande  aufgebauten  Uferleisten  des  Kuflu 
schmückt  er  in  unvergleichlicher  Schönheit  Er  ist  ebenbürtig  den  groß- 
artigsten Waldungen,  die  ich  in  anderen  Ländern  bewundert  habe.  Doch 
sind  in  ihm  nicht,  wie  z.  B.  in  den  Wäldern  Brasiliens,  Guyana's,  Westindiens, 
grosse  und  kleine  Pflanzengestalten  in  reicher  Abwechselung  mit  der  denkbar 

Schimper,  Pflansengeographie.  21 


322 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


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IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  323 

äussersten  Benutzung  des  Raumes  zusammengedrängt,  in  ihm  wiederholen  sich 
vielmehr  gewisse  zu  riesigen  Formen  entwickelte  Typen  in  Menge  und  ver- 
leihen ihm  eine  imponirende  Gleichförmigkeit. 

„Wie  eine  weite,  grün  überwölbte  Halle  empfangt  er  den  Eintretenden. 
Das  Laubdach  ist  durch  unzählige,  oft  wunderlich  geformte  Säulen  an  20  m 
über  den  Boden  emporgelüftet.  Ungeheure  Stämme,  astlos,  schnurgerade  und 
walzenrund,  dazwischen  schwächere,  knorrig,  verbogen,  vielgetheilt,  verlieren 
sich  nach  oben  in  den  lockeren  Blättermassen,  welche  an  vielen  Stellen  von 
üppig  belaubten  Lianen  durchzogen  sind.  Eine  gedämpfte  geheimnissvolle 
Beleuchtung  umwebt  die  hellrindigen  silbergrauen  oder  bräunlichen  Schäfte, 
während  vereinzelte  wie  in  eine  Kirche  einfallende  Sonnenstrahlen  in  zitternden 
goldigen  Lichtern  spielen.  Immergrüne  Bäume,  an  Höhe  denen  unserer 
schönsten  deutschen  Forsten  gleichend,  bilden  die  Hauptmasse  des  Waldes 
und  drängen  ihre  Wipfel  eng  in  einander.  Ueber  dieses  dichte,  von  Schling- 
gewächsen übersponnene  Laubdach  ragen  gewaltige  unserer  Buche  gleichende 
Bäume  mit  periodischem  Laubwurfe  hinaus  und  entfalten  erst  in  30  und  50  Meter 
Höhe  ihre  feinverzweigten  Kronen.  Die  meisten  Stämme  zeigen  an  ihrem 
Wurzelende  in  auffallender  Weise  die  Neigung  zur  Pfeilerbildung  .  .  ." 

Nach  einer  eingehenden  Besprechung  der  Pfeiler  und  der  Lianen  fahrt  Ver- 
fasser fort,  „Epiphyten  haften  nirgends  an  den  hellen  glatten  Stämmen,  selbst  Moose 
sind  verhältnissmässig  nicht  häufig.  Das  Unterholz  ist  spärlich  vertheilt,  und 
nur  dichte  Bestände  einer  Blattpflanze  mit  geraden,  weithin  rankenden  Stengeln 
beleben  einzelne  Strecken.  Eine  Schicht  trocknen  Laubes  lagert  auf  dem 
Boden;  eingebettet  in  sie  modern  die  niedergebrochenen  Hölzer.  Wo  einer 
der  hochragenden  Riesenstämme  in  gewaltigem  Sturze  den  ganzen  Wald  unter 
sich  niedergeschmettert  hat,  da  strömt  durch  die  weite  Lücke  im  Laubdache 
das  Tageslicht  herein,  niedere  Pflanzenformen  haben  sich  angesiedelt,  während 
junge  Bäume  im  Wettwuchse  nach  oben  streben. 

.  .  .  Wenn  auch  die  Menge  des  hochübereinander  geschichteten  Laub- 
wuchses dem  Untenstehenden  vielfach  eine  völlig  geschlossene  Wölbung  zu 
bilden  scheint,  so  ist  er  doch  locker  angeordnet;  die  Blätter  sind  vorwiegend 
büschelförmig  an  die  Spitzen  der  Zweige  gerückt,  und  letztere  sind  nicht  so 
vielfach  getheilt  wie  an  deutschen  Waldbäumen.  Daher  können  allenthalben 
Lichtstrahlen  durch  das  Laubdach  dringen  und,  wenn  auch  mannigfach  ge- 
brochen, den  Boden  erreichen  ..."  S.   142.   145. 

Der  ostafrikanische  Regenwald  ist  sowohl,  was  die  Ausdehnung,  als  die 
Ueppigkeit  der  Vegetation  betrifft,  schwächer  entwickelt  als  in  West- Afrika; 
er  zeigt  sich  wesentlich  auf  Bergschluchten  beschränkt.  Die  Regenwaldflora 
von  Usambara  ist  durch  Engler  in  Bearbeitung  genommen  worden.  Unter 
den  bisher  erkannten  Bäumen  desselben  zeichnen  sich  durch  Höhe  aus  u.  a. 
Mesogyne  insignis;  Paxiodendron  usambarense  (Lauracee);  Albizzia  fastigiata; 
Sorindeia  usambarensis  (Anacardiacee);  Stearodendron  Stuhlmannii;  Chryso- 
phyllum  Msolo  (Sapotacee).  Diese  Bäume  sind  30  bis  60  m  hoch.  Kleinere 
Bäume  sind  u.  a.  Ficus  Volkensii  (15  m);  Myrianthus  arborea  (10  m  hohe 
Urticacee);  Dasylepis  integra  (bis  10  m  hohe  Bixacee);  Oxyanthus  speciosus 
(bis  10  m  hohe  Rubiacee)  u.  a.    Als  Sträucher  und  Zweigbäume  des  Unterholzes 

21* 


J2A  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

zeigen  sich  Arten  von  Piper,  Cassia,  Brucea  (Simarubacee);  Pycnocoma  (Eu- 
phorbiacee),  Allophyllus  (Sapindacee),  Alsodeiopsis  (Olacacee),  Haronga  (Hy- 
pericacee),  Oncoba  (Bixacee),  Clerodendron  (Verbenacee),  Whitfieldia  (Acantha- 
cee),  Pavetta,  Chasalia  und  Psychotria  (Rubiaceen),  Vernonia  (Composite)  und 
ein  niedriger  Baumfarn  (Alsophila  Holstii)  u.  a.  Die  krautige  Vegetation  ist 
hauptsächlich  von  Farnen  gebildet,  dazu  treten  einige  Scitamineen,  Urticeen, 
Euphorbiaceen  etc.  Lianen  kommen  wenig  im  dichten  Walde  vor,  Epiphyten 
sind  vornehmlich  Farne,   untergeordnet  Orchideen  und  Peperomien.     (S.  82.) 

§  5.  Der  tropische  Regenwald  in  Amerika.  Die  grösste  Berühmt- 
heit haben  die  tropischen  Urwälder  Amerikas  erlangt  und  wohl  mit 
Recht.  Auf  sie  beziehen  sich  in  erster  Linie  die  gewöhnlichen  Vor- 
stellungen und  diese  sind  den  Schilderungen  Humboldt 's,  Martius\ 
Schomburgk's ,  Saint-Hilaire's  entnommen.  Ich  habe  an  verschiedenen 
Stellen  des  tropischen  Amerika,  auf  den  Antillen,  in  Venezuela,  in 
Brasilien  den  Urwald  betreten.  Vielfach  fand  ich  denselben  noch  weit 
majestätischer  als  auf  Java,  dank  der  grösseren  Mächtigkeit  der  Bäume, 
der  grösseren  Dicke  der  Lianenstämme,  dem  noch  viel  massenhafteren 
Auftreten  der  Epiphyten.  Die  wesentlichen  Züge  der  Physiognomie 
sind  aber  nahezu  dieselben  hier  und  dort,  entsprechend  der  Aehnlichheit 
der  Existenzbedingungen.  Doch  tritt  sowohl  in  Westindien  wie  in  Bra- 
silien und  Süd -Mexiko,  —  wohl  auch  anderwärts  in  Amerika  — ,  ein 
Merkmal  hinzu ,  welches  ich  auf  Java  nicht  fand  und  welches  für  die 
vorderindischen  Wälder  nicht  erwähnt  wird,  nämlich  der  ausserordent- 
liche Reichthum  an  unverzweigten  senkrecht  durch  die  Luft  ziehenden 
Luftwurzeln,  den  „cipös"  der  Brasilianer,  die  als  stramm  gespannte  Drähte 
die  auf  demGeäste  der  Bäume  befindlichen  kletternden  und  epiphytischen 
Araceen  und  Clusiaceen  mit  dem  nährenden  Boden  verbinden  (Fig.  352). 

Unter  den  floristischen  Merkmalen  des  tropisch-amerikanischen  Regen- 
waldes fällt  wohl  zunächst  sein  Besitz  an  Bromeliaceen  in  die  Augen, 
die  beinahe  stets  epiphytisch  lebend,  meist  einen  wesentlichen  und  durch 
eigenartige  Formen  wie  durch  Farbenpracht  ausgezeichneten  Bestand- 
teil der  Vegetation  bilden.  Auch  die  epiphytischen  Cacteen,  nament- 
lich Rhipsalis- Arten,  fehlen  selten  und  sind  leicht  kenntlich. 

Einem  weit  verbreiteten  Irrthum  gegenüber  muss  betont  werden,  dass 
baumartige  Palmen  keineswegs  nothwendig  zu  den  vorherrschenden  Bestand- 
theilen  des  tropischen  Regenwaldes  gehören,  weder  in  der  neuen,  noch  in  der 
alten  Welt.  Wohl  sind  Vertreter  der  Familie  meist  vorhanden.  Es  sind  aber 
vorwiegend  kleine  Formen,  oder  stachelige  Palmlianen.  Hochstämmige,  auf- 
rechte Palmen  treten  im  Walde  häufig  ganz  zurück,  so  z.  B.  auf  Java;  da- 
gegen sah  ich  auf  Dominica  Euterpe  oleracea,  in  Süd-Brasilien  Euterpe  edulis 
häufig  im  Urwald  wachsen.  Einen  an  Palmen  reichen  Wald  zeigt  auch  Fig.  1 30 
für  Samoa. 

§  6.  Der  tropische  Regenwald  in  Australien  und  Mikronesien. 
Eine  Schilderung   des  tropischen  Waldes,   der  sich  von  der  Nordküste 


Fig.  141.    Aus  dem  tropisch-amerikanischen  Regenwalde.    Blumenau,  Brasilien. 

Links:  Schizolobium  excelsum,  entblättert.    Euterpe  edulis.    In  der  Mitte  ein  Farnbaum. 

Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Dr.  II.  Schenck. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


325 


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o 


3 

2 


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2 

c 


2 

H 


E 


1 26  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Australiens  nach  Südosten,  längs  der  Küstengebirge  von  Queensland 
(Fig.  142)  bis  über  den  Wendekreis  hinausdehnt,  ist  von  Tenison- Woods 
gegeben  worden.  Dieselbe  ist  mir  leider  unzugänglich  und  nur  durch 
den  Auszug  in  Drude's  Pflanzengeographie *)  bekannt.  Von  der  Ueppig- 
keit  des  Regenwaldes  auf  Samoa  geben  die  Fig.  130,  150,  nach  Photo- 
graphien, die  unter  Leitung  des  Weltreisenden  Herrn  Küppers  -  Loosen 
ausgeführt  wurden,  eine  prägnante  Vorstellung. 


3.    Oekologische  Eigentümlichkeiten  der  Regenwald- 
gewächse. 

Die  Gewächse  des  immergrünen  tropischen  Regenwaldes  sind  aus- 
gesprochen hygrophil  und  besitzen,  mit  Ausnahme  eines  Theils  der 
Epiphyten,  bei  welchen  ganz  eigenartige  Existenzbedingungen  vorliegen, 
entsprechende  Structur.  Alle  Eigenthümlichkeiten ,  die  wir  in  einem 
früheren  Kapitel  als  charakteristisch  für  die  Vegetation  in  sehr  feuchtem 
Klima  kennen  lernten,  wie  schwache  Ausbildung  des  Korks  und  der 
Fasern  in  den  Axen,  Ombrophilie  des  Laubes,  Hydathoden,  Träufel- 
spitzen an  den  Blättern  sind  bei  ihnen  stark  ausgeprägt.  Die  zuletzt 
erwähnten  Eigenthümlichkeiten  hygrophiler  Pflanzen  scheinen  in  den 
Tropen  stärker  entwickelt  zu  sein  als  in  den  temperirten  Zonen  und 
sind  auch  dort  vornehmlich  nachgewiesen  worden. 

Im  Folgenden  sollen  einige  Eigenthümlichkeiten  der  tropischen 
Regenwaldgewächse  geschildert  werden,  welche,  ohne  in  anderen  Zonen 
ganz  zu  fehlen,  doch  nur  in  den  tropischen  zu  hervorragender  Be- 
deutung gelangen  und  das  ökologische  Vegetationsbild  beherrschen. 

§  1.  Die  Bäume  und  Sträucher  des  Regenwaldes.  Die  Stämme 
der  Bäume,  deren  Kronen  das  von  unten  meist  unsichtbare  Laubdach 
bilden,  sind  sehr  ungleich  dick  und  im  Durchschnitt  dünner  als  in  weniger 
dichten  und  feuchten  Urwäldern.  Manche  derselben  sind  an  ihrer  Basis 
von  Strebepfeilern  gestützt,  welche  zuweilen  aus  cylindrischen 
Wurzeln  bestehen,  die  in  einiger  Entfernung  vom  Boden  aus  dem 
Stamme  entspringen  (Cecropia-,  Myristica- Arten),  weit  häufiger  jedoch 
brettartige  Auswüchse  der  Stammbasis  und  der  obersten  Wur- 
zeln darstellen  (Fig.  143).  Diese  von  der  Basis  vieler  Baumstämme  bis 
zu  einer  Höhe  von  meist  1  bis  2  m  über  dem  Boden  ausstrahlenden 
Planken  bilden  tiefe  Nischen,  in  welchen  nicht  selten  zwei  oder  drei 
Menschen  bequem  Platz  haben.  Die  Dicke  der  Planken  ist  vielfach  so 
gering,  dass  dieselben  ohne  weiteres  zur  Herstellung  von  Tischen  Ver- 
wendung  finden   können.      Solche   Gerüste    kommen   übrigens   keines- 

')  S.  495. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


327 


wegs  allen  Bäumen  des  Regenwaldes,  sondern  nur  der  Minderzahl 
derselben  zu;  man  sieht  sie  vornehmlich  an  sehr  hohen,  oberwärts 
relativ  dünnen  Stämmen,  aber  auch  an  den  massiven  Stämmen  von 
Feigenbäumen. 

Wie  für  so  viele  andere  Erscheinungen  der  tropischen  Vegetation,  bietet 
der  botanische  Garten  zu  Buitenzorg  reiche  Gelegenheit  die  Plankengerüste 
in  verschiedener  Ausbildung  kennen  zu  lernen  und  zwar,  was  im  Walde  in 
der  Regel  nicht  der  Fall,  an  Bäumen  bekannter  systematischer  Stellung.  Die 
auffallendsten  dieser  Bildungen  zeigen  sich  dort,  wie  es  Haberlandt  bereits 
mitgetheilt   hat,    bei  Bäumen  aus  der  Familie  der  Sterculiaceen.     In    meinen 


Fig.   143.      Stammbasis    mit    Plankengerüst    einer    Sterculia-Art    im    Botanischen    Garten    zu 

Buitenzorg.     Nach  Haberlandt. 


Notizen  finde  ich  Sterculia  spectabilis  Miq. ,  Firmiana  colorata  R.  Br.  und 
Pterygota  Roxburghii  als  besonders  ausgezeichnet  angeführt.  Ferner  habe  ich 
als  bemerkenswerth  bezeichnet:  Dysoxylum  mollissimum  und  D.  Kadoya 
(Meliaceae);  Urostigma  altissimum  und  Cecropia  cyrtostachya  (Artocarpeae) ; 
Spathodea  campanulata  (Bignoniaceae) ;  Vitex  timorensis,  V.  cofassus,  V.  leu- 
coxylon  (Verbenaceae);  die  meisten  Terminalia- Arten  (Combretaceae).  Keine 
Plankengerüste  haben  unter  anderen  die  hohen  Bäume  aus  den  Familien  der 
Sapindaceae,  Apocynaceae,  Sapotaceae,  die  Myristica- Arten.  Mehrere  Arten 
der  letzten  Gattung  haben  Stützwurzeln.  Brandis  erwähnt  Brettergerüste  u.  a. 
für  Bombax  malabaricum ,  Vitex- ,  Antiaris- ,  Lagerstroemia- ,  Hymenodyction-, 
Nuclea- Arten. 


328 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


Das  Plankengerüst    ist    eine   Eigenthümlichkeit    der 
Bäume    regenreicher    tropischer    Klimate,    ohne    auf   den 

immergrünen  Regenwald  be- 
schränkt zu  sein,  denn  es 
zeigt  sich  auch  im  laub- 
abwerfenden Monsunwald 
(Fig.  189);  dagegen  fehlt 
es  in  weniger  feuchten  Ge- 
bieten. Die  für  sein  Auf- 
treten nöthige  Regenmenge 
ist  nicht  ermittelt.  Die  phy- 
siologischen Ursachen  der 
Erscheinung  und  ihre  Bedeu- 
tung für  das  Leben  des  Bau- 
mes sind  zur  Zeit  noch  unklar. 
An  den  meisten  Baum- 
stämmen des  Regenwaldes 
ist  in  Folge  der  Beein- 
trächtigung der  Korkbildung 
durch  die  Feuchtigkeit,  die 
Borke  nur  schwach 
entwickelt.  Die  Stämme 
im  Regenwald  zeigen  nie 
solche  Borkenschuppen,  wie 
sie  in  den  trockenen  tro- 
pischen Gebieten  in  so  auf- 
fallender Dicke  sich  zeigen. 
Vielmehr  sind  sie  oft  ganz 
glatt,  oder  mit  wenig  tiefen 
Längs-  und  Querrissen  ver- 
sehen. Ja,  die  Korkbildung 
ist  manchmal  so  schwach, 
dass  mitteldicke  Stämme  von 
durchschimmerndem  Chloro- 
phyll grün  sind.  Möglicher- 
weise hängt  die  nachher  zu 
besprechende  Erscheinung 
der  Cauliflorie  mit  der 
schwachen  Ausbildung  der 
Borke  zusammen. 
Selten  hat  man  im  Walde  Gelegenheit,  in  die  Verhältnisse  der 
Verzweigung  einen  Einblick  zu  gewinnen,  da  dazu  der  Baum  gefallt 
werden  müsste.   Dafür  liefert  wiederum  der  Garten  zu  Buitenzorg  reichen 


Fig.   144.     Schizolobium  excelsum. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  Treub. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


329 


Ersatz,  wobei  allerdings  in  Betracht  gezogen  werden  muss,  dass  er  so- 
wohl Bäume  des  Regenwalds,  als  solche  laubabwerfender  Wälder,  der 
Strandwälder  und  sogar  der  Savannen  enthält.  Die  besonders  in  die 
Augen  fallenden  Gestalten  der  Schirmbäume  treten  im  immergrünen 
Urwalde  nur  ausnahmsweise  auf  —  und  dann  sind  es  gewöhnlich  Wald- 
riesen ,  deren  Kronen 
sich  über  das  allgemeine 
Laubdach  erheben  — 
während  die  noch  auf- 
fallenderen Formen  der 
Etagenbäume  ihnen  ganz 
fehlen  dürften.  Solche 
Baumformen  sind  viel 
mehr  für  lichte,  laub- 
abwerfende, mehr  oder 
weniger  xerophile  Wäl- 
der, für  die  Savannen 
und  die  höchsten  Wald- 
regionen  der  Gebirge, 
überhaupt  für  ein  trocke- 
nes Klima  charakteri- 
stisch. Die  Kronen  der 
Urwaldbäume  sind  in 
der  Regel  länglich,  von 
mehr  oder  weniger  ei- 
förmiger Gestalt  oder 
sehr  unregelmässig. 

In  den  sorgfaltigen 
Aufzeichnungen  von  Koor- 
ders  und  Valeton1)  ist  für 
die  grosse  Mehrzahl  der 
Fälle  die  Gestalt  der  Krone 
angegeben.  Beinahe  für 
alle  Bäume  des  immer- 
grünen Urwalds  Java's  ist 
dieselbe  als  eiförmig  oder 
unregelmässig    bezeichnet. 

Schirmbäume  oder  Bäume  mit  abgeplatteten  bis  halbkugeligen  Kronen  sind 
nur  Parkia  biglobosa  (häufiger  in  dünnen,  laubabwerfenden  Wäldern),  Tarrietia 
javanica  (seltener  Waldriese  mit  etwas  abgeplatteter  Krone),  Dysoxylum  mollis- 
simum  (bis  58  m  hoher,  seltener  Waldriese  mit  unregelmässig  schirmförmiger 


Fig.   145.     Averrhoa   Bilimbi  L.     Eine   baumartige    Oxali- 

dacee  (ca.  8  m  h.)  im  Botanischen  Garten   zu    Buitenzorg. 

Aus  natürl.  Pflanzenfam.     Nach  einer  Photographie. 


*)  1.  c.  Lief.   1—3. 


330  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Krone),    Cedrela  febrifuga  (Waldriese  mit  halbkugelförmiger  Krone,   auch  in 
dünnen,  laubabwerfenden  Wäldern). 

Die  Bäume  des  tropischen  Regenwaldes  sind  weit 
weniger  verzweigt,  als  diejenigen  der  Wälder  der  tempe- 
rirten  Zonen.  Viele  der  Tropenbäume  bleiben  ganz  unverzweigt, 
wie  die  Baumfarne,  Cycadeen,  Palmen  und  manche  kleinere  Dicotylen 
(Carica  Papaya,  Theophrasta,  Araliaceen  etc.).  Manche  verzweigen  sich 
erst,  nachdem  sie  2  m  oder  darüber  hoch  sind  und  einen  faustdicken 
Stamm  besitzen,  wie  Albizzia-,  Schizolobium-Arten  und  andere  Legu- 
minosen ,  Cecropia  etc.  Die  später  auftretenden  Aeste  bleiben  theil- 
weise  unverzweigt  oder  erzeugen  nur  wenige  einfache  Seitenäste  (Fig.  144 
und  145).  Häufig  werden  sogar  bei  sehr  hohen  Bäumen  nur  drei 
Zweigordnungen  ausgebildet  (z.  B.  Strombosa-,  Cinchona-,  Jagera-,  Hopea- 
Arten).  Bei  unseren  Holzgewächsen  sind  hingegen  höhere  Zweig- 
ordnungen, meist  5 — 8,  vorherrschend  (Wiesner). 

„Selbst  bei  den  grössten  von  mir  in  den  Tropen  beobachteten  Bäumen 
ging  die  Ordnungszahl  über  5  nicht  heraus  (Ficus  elastica,  mit  oft  nur 
2 — 4  Zweigordnungen,  F.  religiosa,  Pterocarpus  indica,  Altingia  excelsa,  Gre- 
villea  robusta).  Die  zahlreichen  Beobachtungen  des  Herrn  Koorders  führen 
zu  demselben  Resultat;  ausnahmsweise  kommen  auch  noch  höhere  Zweig- 
ordnungen vor.  Die  Complication  der  Verzweigung  betrifft  aber  nur  die 
unmittelbar  das  Laub  tragenden  Zweige.  Die  blattlos  gewordenen  Stammtheile 
sind  durchweg  nur  spärlich  verzweigt"1) 

Die  Blätter  der  Regenwaldbäume  sind  sehr  mannigfach,  oft  von 
derber  lederartiger  Beschaffenheit  und  stark  glänzend,  ziemlich  selten 
zart  gefiedert  oder  filzig  behaart.  Sie  sind,  wie  bereits  des  näheren 
auseinandergesetzt1),  meist  schief  zum  Zenith  gestellt,  oft  schopfartig 
am  Ende  langer,  nackter  Axen  angehäuft  (Fig.   145). 

Die  Sträucher  des  Regenwaldes  sind,  wie  die  Bäume,  im  Ver- 
gleich zu  den  Sträuchern  unserer  Wälder  meist  schwach  verzweigt. 
Ihre  Blätter  sind  meist  gross  und  zart  krautig,  selten  lederartig. 

§  2.  Die  Bodenkräuter  (Fig.  135  u.  136).  Die  Bodenkräuter  sind 
theils  aufrecht,  theils  kriechend,  schwach  verzweigt  und  beinahe  stets  mit 
gestreckten  Axen  versehen ;  dichte  Rosetten  kommen,  entsprechend  der 
grossen  Feuchtigkeit,  nicht  vor.  Bei  grösserer  Beschattung  trägt  der  Boden 
nur  zarte  Kräuter,  die  in  der  schwachen  Bewurzelung,  den  grossen  über- 
zarten Blättern,  der  spärlichen  Entwicklung  von  Fasern  und  von  Ge- 
lassen in  ihren  safttrotzenden,  zerbrechlichen  Stengeln  den  Einfluss  der 
Feuchtigkeit  in  Boden  und  Luft  aufs  deutlichste  zu  erkennen  geben 
(z.  B.  verschiedene  Rubiaceen,  Urticeen). 

Manche    Kräuter    des  Urwaldbodens    sind    auf   ihrem   Laube    mit 


l)  Wiesner,  S.  73—74. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


331 


wunderbaren  Zeichnungen,  wie  weissen,  silbernen,  goldenen,  rothen 
Flecken  und  Streifen  versehen,  welche  manche  derselben  zu  gesuchten 
Zierpflanzen  erhoben  haben  (Begonien,  Marantaceen,  Orchideen). 

Stahl  erblickt  in  derartigen  farbigen  Flecken  Vorrichtungen  zur  Be- 
förderung der  Transpiration.  Seine  diesbezüglichen  Erörterungen  sind  scharf- 
sinnig und  anregend,  aber  bei  dem  Fehlen  ganz  beweiskräftiger  Experimente 
noch  zu  hypothetisch,  um  eingehende  Berücksichtigung  finden  zu  können. 

Nicht  selten,   namentlich   an   sehr  feuchten  und  schattigen  Stand- 
orten, zeigt  das  Laub  der  Kräuter  die  sammetige  Oberfläche  (Fig.  24), 
deren   Zusammenhang    mit    der  Lichtconcentration   und    der  Beförde- 
rung   der    Transpiration   frü- 
her dargestellt  wurde.1)     An 
ähnlichen    Orten     schimmert 
das    Laub    vieler    Gewächse, 
vornehmlich  Selaginella-  und 
Trichomanes-Arten  in  metal- 
lischem blauem  Glänze. 

Eine  eigene  Vegetations- 
form bilden  die  im  tiefsten 
Waldschatten  niemals  fehlen- 
den Hymenophyllaceen  (Fig. 
146),  welche  zwar  vielfach 
als  Epiphyten  die  Basis  der 
Baumstämme  bekleiden,  aber 
auch  auf  dem  Boden  und  auf 
Felsen  vorkommen  und  über- 
haupt die  Eigenart  epiphy- 
tischer  Gewächse  nicht  auf- 
weisen. Die  Hymenophylla- 
ceen (Hymenophyllum  und 
Trichomanes)  veranschau- 
lichen besser  als  irgend  welche 
andere  Gewächse  des  Ur- 
walds dessen  grosse  Feuchtigkeit,  indem  sie  manche  Merkmale  mit 
den  Wasserpflanzen  theilen.  Ihre  zarten  und,  ausgenommen  an  den 
Nerven,  meist  einschichtigen  Blätter  saugen  an  ihrer  ganzen  Oberfläche 
das  Wasser  auf  und  schrumpfen  rasch  zusammen,  sobald  die  Atmo- 
sphäre nicht  nahezu  mit  Wasserdampf  gesättigt  ist.  Wie  bei  Wasser- 
pflanzen spielen  die  stark  reducirten  Wurzeln  nur  eine  untergeordnete 
Rolle  als  Organe  der  Befestigung  oder  fehlen  sogar  gänzlich.2) 


Fig.  147.    HymenophyUaceen  des  tropischen  Regen- 
waldes Amerika's.    /  Trichomanes  angustatum  Carm. 
2  Trichomanes  sinuosum  Rieh.    Epiphyten  auf  Farn- 
bäumen.    Blumenau,  Süd-Brasilien. 


»)  S.  22. 

2)  Vgl.  namentlich  die  citirten  Arbeiten  von  Prantl  und  Mettenius. 


332 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


§  3.  Die  Lianen.  Die  eigenartigsten  Bestandteile  des  Regen- 
waldes, diejenigen,  welche  den  Reisenden  zuerst  auffallen  und  von 
ihnen  am  häufigsten  erwähnt  werden,  sind  die  Epiphyten  und  die 
Lianen.  Beide  Vegetationsformen  finden  sich  zwar  auch  in  anderen 
Wäldern  und  sind  nicht  auf  die  Tropen  beschränkt,  der  tropische 
Regenwald  ist  aber,  wie  bereits  gezeigt  wurde,  die  Urheimath  beinahe 
sämmtlicher  höheren  Epiphyten,  auch  solcher,  die  in  offenen,  trockenen 
Landschaften  vorkommen,  während  die  Holzlianen  in  demselben  aller- 
dings nicht  ihren   ausschliesslichen  Bildungsherd,  wohl  aber  die  Statte 

ihrer     üppigsten     Entwickelung 
■  ^  '^M|^:  und     ihres    bei    weitem    gröss- 

ten  Formenreichthums  besitzen. 
Beide  Formen  zeigen  insofern 
einen  Zusammenhang,  als  ein 
an  Holzlianen  reicher  Wald, 
auch  reich  an  Epiphyten  zu  sein 
pflegt  und  dass  die  Vertreter 
beider  Genossenschaften  vielfach 
denselben  Familien  angehören. 
Die  Entstehung  beider  Formen  ist 
auf  die  gleichen  Factoren  zurück- 
zufuhren, das  Streben  nach  Licht 
unterstützt  durch  grosse  Feuch- 
tigkeit, beide  sind  durch  Ueber- 
gänge  verbunden  und  manche 
Epiphyten  sind  augenscheinlich 
aus  Lianen  hervorgegangen. 

Die  ökologischen  Eigen- 
tümlichkeiten der  Lianen  sind 
in  einem  früheren  Kapitel  in 
ihren  allgemeinen  Zügen  dar- 
gestellt worden,  aber  die  wenigen 
dort  auf  Grund  des  Klettermo- 
dus  unterschiedenen  Typen  geben  von  der  reichen  Mannigfaltigkeit  der 
tropischen  Lianenformen  keine  Vorstellung  und  die  diesbezüglichen  Merk- 
male pflegen,  ausser  bei  den  Wurzelkletterern,  im  Walde  dem  Blicke 
entzogen  zu  sein.  Viele  der  zu  verschiedenen  ökologischen  Typen 
gehörenden  Lianen  sehen  in  ihren  unteren  allein  sichtbaren  Theilen 
einander  sehr  ähnlich,  während  andere  an  ihrer  Wachsthumsweise,  nament- 
lich aber  an  der  Form  ihrer  Stämme  leicht  erkannt  werden.2) 


Fig.    148.     Gnetum   scandens   auf  Cocospalmen. 
Nach  einer  Photographie  v.  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


l)  S.   209. 

*)  Vgl.  darüber  und  das  Folgende  namentlich  Schenck  I  u.  IT. 


Kig.   147.     Eine  Liane  im  botanischen  Garten  zu  Peradenyia.     Nach  einer  Photographie. 


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Fig.   149.     Palmlianen  im   botanischen  Garten  zu  Buitcnzorg. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  M.  Treub. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


333 


Zu  den  charakteristischsten  und  häufigsten  Erscheinungen  unter 
den  Lianen  der  Tropenwälder  gehören  die  kletternden  P  a  1  m  e  n ,  Arten 
von  Calamus  und  einigen  verwandten  kleinen  Gattungen  im  tropischen 
Asien  und  Australien,  solche  von  Oncocalamus  und  anderen  Raphieen 
im  tropischen  Afrika  und  von  Desmoncus  im  tropischen  Amerika.  Die 
dünnen  und  zähen ,  als  „Rotang"  wohl  bekannten ,  oft  stacheligen 
Stämme  bilden  zwischen  den  Stämmen  in  vielen  Tropenwäldern  weit 
ausgedehnte  Gewirre,  welche  das  Waldmesser  nur  mit  grösster 
Mühe  durchschneidet,  und   liegen   in   ungeheuren    Schlingen    auf    dem 


Fig.   150.      Waldrand  in  Amboina  mit  einer  Palmliane.     Nach  einer  Photographie 
von  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Boden.     Ein  von  Treub  gemessener  herabgerutschter  Stammtheil  hatte 
240  m  Länge. 

Noch  mehr  als  der  Wachsthummodus  ist  für  die  Palmlianen  die 
Art  ihres  Kletterns  charakteristisch.  Bei  Calamus  und  den  Raphieen 
setzt  sich  die  Rhachis  des  Blatts  in  ein  langes,  biegsames,  mit  haken- 
förmigen Stacheln  versehenes  Flagellum  fort,  welches  als  rankenähnliches, 
aber  nicht  reizbares  Organ  die  Befestigung  der  belaubten  Sprossgipfel 
am  Geäst  des  Stützbaums  in  wirksamster  Weise  bewirkt.  Ist  der  Gipfel 
des  letzteren  erreicht  und  hiermit  das  fernere  Emporwachsen  der  Liane 
ausgeschlossen,  so  rutschen  die  blattlos  gewordenen  älteren  Axentheile, 


334 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


ihrem    Gewichte   folgend,    herab   und   liegen   schliesslich   in  Form   der 
erwähnten,  auf  Fig.   149  wohl  sichtbaren  Schlingen  auf  demselben. 


Fig.   151.     Eine   Palme,   deren   Stamm  unterwärts  von  einem  wurzelkletternden  Farn,  ober- 
wärts  von   Freycinetia   sp.   umrankt   ist     Samoa.     300  m  ü.  M.     Nach  einet  Photographie. 


Noch   eigenartiger  sind  die  Klettervorrichtungen  bei  den  amerika- 
nischen Desmoncus-Arten,  mit  welchen  ich  namentlich  in  den  Wäldern 


lg.    152.     Wurzelkletternde  Lianen  an  einem  Baumstamm  im  süd-mexikanischen    Regenwalde  (Chiapas). 
nten :  Sarcinanthus  utilis,  mit  zweispaltigen  Blattern.     Weiter  oben :    Araceen.     Zu    oberst    sind  neben  Araceen- 
üLttern  epiphytische  Sträucher  sichtbar.     Rings   um    den  Stamm    die    drahtartigen  Luftwurzeln    der  im  Geäst  be- 
findlichen Araceen.     Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Verlag  von  Qattav  Fitefctr,  Jena. 


Reprodukt.  von  J.  B.  Obernetter,  München. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


335 


•auf  Trinidad  nähere  Bekanntschaft  machte.  Hier  sind  die  obersten 
Fiederpaare  in  lange  und  starke,  nach  rückwärts  gekrümmte  Dornen 
umgewandelt,  so  dass  die  verlängerte  Rhachis  einer  Harpune  gleicht. 

Die  kletternden  Palmen  sind  ökologisch  als  höchste  Stufe  des 
Spreizklimmertypus  zu  betrachten,  zu  welchem  noch  viele  an- 
dere Lianen  des  Regenwalds,  unter  anderen  Bambusen  gehören. 
Manche  Arten  der  Bambusen  klettern  hoch  an  den  Bäumen  empor; 
häufiger  jedoch  verbleiben  sie  im  Bereich  des  Unterholzes  und  ver- 
ankern sich  an  dem  Geäst  der  kleineren  Bäume  und  Sträucher  mit 
Hülfe  ihrer  nach  unten  gekrümmten,   langen   und  dornähnlichen  Laub- 


Fig.  153.     Sarcmanthus  utilis  (Cyclanthaceae)  an  Baumstämmen  des  süd-mexikanischen  Regen- 
waldes (Prov.  Chiapas)  emporkletternd.    Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


knospen.  Besondere  Kletterorgane  sind  also  hier  nicht  vorhanden,  doch 
dürften  einige  Eigenthümlichkeiten  der  Knospen,  namentlich  deren 
Krümmung,  als  Anpassung  an  das  Klettern  entstanden  sein. 

Die  mit  den  Palmen  verwandten  Cyclanthaceen  und  Pandanaceen 
haben  ebenfalls  lianenartige  Vertreter,  erstere  in  Arten  der  Gat- 
tungen Carludovica  und  Sarcinanthus  (tropisches  Amerika),  letztere  in 
zahlreichen  Freycinetia- Arten  des  malayischen  Archipels  und  Mikro- 
nesiens.  Alle  drei  Gattungen  bestehen  ganz  oder  zum  Theil  aus  Wurzel- 
kletterern, und  gehören  in  ihren  Verbreitungsgebieten  zu  den  ver- 
breiteten    und     augenfälligen    Bestandtheilen     des     Regenwalds.      Die 


336  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Freycinetien  (Fig.  151)  sind  hohe  Kletterer,  welche  bis  an  das  Geäst 
der  höchsten  Bäume  gelangen  und  die  Stämme  in  üppigster  Weise 
mit  langbeblätterten  Sprossen  umhüllen  (z.  B.  auf  Java).  Die  Carludovica- 
Arten  sind  weniger  hohe  und  weniger  üppige  Kletterer.  Doch  sah  ich 
in  den  Wäldern  der  kleinen  Antillen  Carludovica  Plumieri  eine  Haupt- 
rolle spielen,  indem  sie  als  ausgeprägte  Schattenpflanze  an  allen  Stämmen 
dunkeler  Wälder  ihre  palmähnlichen  Blätter  ausbreitete,  zwischen  welchen 
die  höchst  eigenartigen,  cr£meweissen,  von  langen  fädigen  Staminodien 
bedeckten  Blüthenkolben  sich  erhoben.  Sarcinanthus  ist  mit  nur  einer 
Art,  S.  utilis,  auf  die  Wälder  des  centralen  Amerika  und  südlichen 
Mexiko  *  beschränkt.  Er  ist  auf  unseren  Figuren  129,  152  und  153  an 
den  zweispaltigen  Blättern  leicht  erkennbar. 

Den  ersten  Rang  nehmen  unter  den  monocotylen  Lianen,  neben 
den  Palmen,  die  Araceen  ein,  welche  in  den  grossen  Gattungen  Philo- 
dendron,  Monstera,  Pothos  und  einigen  anderen  kleineren  eine  Reihe 
hochemporwachsender  grossblätterigfcr  Wurzelkletterer  besitzen,  die  zu 
den  auffallendsten  Erscheinungen  der  tropischen  Regenwälder,  nament- 
lich derjenigen  Amerika's  gehören.     (Fig.  129  u.  152.) 

Die  Stämme  dieser  Lianen  —  auch  diejenigen  von  Carludovica  — 
erzeugen  ihrer  ganzen  Länge  nach  zahlreiche  Adventivwurzeln  von 
ganz  ungleichen  morphologischen  und  physiologischen  Eigenschaften. 
(Fig.  154.)  Die  einen  sind  als  Haft  wurzeln  ausgebildet  und  sind 
verhältnissmässig  kurz  (oft  2 — 3  dem  oder  auch  weniger);  sie  sind 
ausgesprochen  negativ  heliotropisch,  so  dass  sie  sich  der  Stütze  direkt 
andrücken ;  sie  wachsen,  sei  es  in  Folge  von  Diageotropismus  oder  von 
Rectipetalität,  ungefähr  horizontal.  Im  histologischen  Bau  der  Haft- 
wurzeln  herrschen  die  mechanischen  Elemente,  namentlich  zähe  Fasern 
vor,  während  die  leitenden  Elemente  sehr  zurücktreten  (Fig.   155  £). 

Die  Nährwurzeln  sind  ausgesprochen  positiv  geotropisch  und 
wachsen,  ohne  sich  zu  verzweigen,  nach  abwärts,  bis  sie  den  Boden 
erreichen ;  dort  angelangt,  pflegt  das  Spitzenwachsthum  bald  aufzuhören, 
während  aus  dem  Gipfeltheil  zahlreiche  Nebenwurzeln  entspringen  und 
senkrecht  in  den  Boden  dringen.  Aehnliches  geschieht  im  Wasser. 
Bei  manchen  Arten  kriechen  die  Nährwurzeln  an  der  Oberfläche  der 
Rinde,  in  der  Nähe  der  Stämme,  bei  anderen  hingegen,  namentlich 
solchen,  die  hoch  in  das  Geäst  emporklettern  und  die  ich  nur  im  tropischen 
Amerika,  dort  aber  überall  beobachtete,  wachsen  die  Nährwurzeln  frei 
durch  die  Luft  herab  und  stellen,  nach  Erzeugung  der  Bodenwurzeln, 
straff  gespannte  Drähte  von  oft  ungeheurer  Länge,  aber  nur  etwa  Blei- 
stiftdicke dar,  welche  in  den  Heimathländern  als  Stricke  (cipö  der 
Brasilianer)  ausgedehnte  Verwendung  finden  (Fig.  152  u.  159). 

In  den  Nährwurzeln  sind,  im  Gegensatz  zu  den  Haftwurzeln,  die  leiten- 
den Elemente  stark  und  die  mechanischen  schwach  entwickelt  (Fig.  1550). 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


337 


Ausser  den  erwähnten  giebt  es  in  den  Regenwäldern  noch  zahl- 
reiche andere  Wurzelkletterer,  z.  B.  Piper-,  Ficus- Arten  etc.  unter  den 
holzigen,  Vanilla-,  Begonia- Arten  unter  den  krautigen.  Im  tropischen 
Amerika  sind  die  ebenfalls  durch  Haftwurzeln  kletternden  Marcgravia- 
Arten  namentlich  wegen  des  stark  ausgeprägten  Dimorphismus  der 
Blätter   an   den   dem   Stützstamm    aufliegenden  und  den  frei   wachsen- 


Fig.  154.  Stengel  von  Philodendron  mela- 
nochrysum  mit  vertikalen  Nähr-  und  horizon- 
talen Haftwurzeln.    1L  nat.  Gr.    Nach  Went. 


Fig.   155.     Anthurium  sp.   Epiph.  Liane  aus 

Trinidad.    Wurzelquerschnitte,    a  Nährwurzel. 

b  Haftwurzel.     Vergr.    10. 


den  Aestcn   sowie   wegen    der  eigenartigen  Blüthenstände ,  ebenso  auf- 
fallende wie  allgemein  verbreitete  Erscheinungen. 

Hin  und  wieder  zeigen  sich  Baumstämme  des  Regenwaldes,  doch 
nur  solche  von  massigem  Durchmesser,  von  Lianen  umwunden.  Doch 
ist  dies  nicht  gerade  häufig.  Die  meisten  W  i  n  d  e  r  unter  den  Lianen 
erheben  sich  völlig  frei  und  oft  pfeilgerade  zwischen  den  Baumstämmen, 
sei    es  dass  sie  sich  an  einem   dünnen ,    seitdem  abgestorbenen  Stamm 

Schimper,  Pflanzengeographie.  22 


338  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

bis  zum  Lichte  emporgehoben  hatten,  sei  es  dass  sie  zunächst  ohne 
Stütze  in  die  Höhe  gewachsen  sind.1) 

Die  Mehrzahl  der  stattlichen  Holzlianen-Arten  des  tropischen  Regen- 
waldes, namentlich  derjenigen  mit  bis  schenkeldickem  gelapptem  oder 
zerklüftetem  Stamme,  gehören  zur  höchsten  Stufe  der  Kletterpflanzen, 
derjenigen  der  Ranker. 

Davon  kann  man  sich  in  der  Regel  jedoch  erst  überzeugen,  wenn 
man  die  im  Geäste  des  Laubdaches  verborgenen  oberen  Theile  zu  Ge- 
sicht bekommt.  An  den  unteren  Stammtheilen  ist  ebenso  wenig  wie 
an  den  Schifftauen,  denen  sie  gleichen,  die  Art  der  Befestigung  der 
oberen  Theile  erkennbar. 

Unter  den  verbreitesten  und  auffallendsten  Rankenkletterern  befinden 
sich  in  der  alten  wie  in  der  neuen  Welt  mehrere,  wegen  fehlender 
Blüthen  theilweise  noch  unbeschrieben  gebliebene  Arten  der  grossen 
Gattung  Bauhinia,  deren  Axen  durch  bandartige  Abplattung  und 
mehr  oder  weniger  starke  wellenartige  Krümmungen  ausgezeichnet  sind 
(Fig.  156).  Solche  Bauhinien  gehören  zu  den  gemeinsten  und  zu  den 
grössten  Lianen  des  tropischen  Amerika.  Ich  habe  sie  massenhaft 
in  Brasilien  und  auf  den  Antillen  gesehen ,  am  meisten  auf  Trinidad, 
wo  die  zickzackigen  Schlingen  der  weniger  alten  Aeste  in  jedem  Wald- 
theile  vom  Laubdach  herabhängen. 

Die  Wellung  ist  an  jungen  Axen  noch  nicht  vorhanden  und  geht 
von  einem  früheren  oder  späteren  Altersstadium  ab  wieder  verloren, 
indem  gerade  Holzschichten  den  verbogenen  aufgelagert  werden  (Fig.  157). 
Der  ursprüngliche  wellige  Axentheil  stellt  sich  dann  wie  eine  schmale 
Leiter  zwischen  zwei  mächtigen  Leiterbäumen  dar. 

Die  ökologische  Bedeutung  der  Wellung  kommt  zum  Vorschein, 
sobald  der  Versuch  gemacht  wird,  die  Liane  herab  zu  ziehen.  Die 
Aeste  des  Stützbaumes  bleiben  in  den  Schnallen,  welche  durch  die 
nach  unten  gekrümmten  hakenförmigen  Ueberreste  von  Seitenästen 
eine  Verstärkung  erhalten ,  derart  festgeklemmt ,  dass  solches  Unter- 
nehmen wenn  überhaupt,  nur  unter  Zerbrechen  vieler  Zweige  gelingt. 
Der  gerade  gewordene  Stamm  hingegen  findet  kein  Hinderniss  mehr 
und  gleitet  allmählich,  seinem  Gewicht  folgend,  auf  den  Boden.  Dass 
in  Folge  des  Absterbens  des  stützenden  Gezweiges  und  des  bedeuten- 
den Eigengewichts  auch  noch  wellige  Axen  heruntergleiten,  zeigt  ihr 
häufiges  Herabhängen  vom  Laubdach  herunter. 

Zu  den  hohen  Rankern  des  tropischen  Regenwaldes  gehören  ausser- 
dem eine  Anzahl  durch  auffallende  Stammbildung  ausgezeichnete  Arten, 


*)  Zu  den  hohen  Windern  des  tropischen  Regenwaldes  gehören  namentlich  Menis* 
perraaceen,  Malpighiaceen,  Euphorbiaceen  (Tragia,  Dalechampia),  Combretaceen  (Combretnm, 
Quisqualis),  Asclepiadaceen,  Corapositen  (Mikania),  Magnoliaceen  (Schizandra,  Kadsura). 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


339 


% 


Hg,  156.  ItiiuhmiH.  sp,  aus  4tan  Rc£enwald 
bei  Hlumcnau,  /  St  tick  einer  jüngeren  Axe. 
3  Stock  einer  ganz  jungen  noch  geraden  Axe. 
'j  Lungere«   Stück   der  Axe   1 ,    verkleinert. 


340  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

z.  B.  Sapindaceen  (Uhrfederranker),  mit  kabelartig  aus  Strängen  zu- 
sammengesetztem Stamme,  blattrankende  Bignoniaceen,  mit  im  Quer- 
schnitt kreuzförmigem  Holzkörper  etc.1) 

§  4.  Die  Epiphyten.2)  Noch  mehr  als  die  Lianen  tragen  die  Epi- 
phyten  zur  charakteristischen  Physiognomie  des  tropischen  Urwalds 
wesentlich  bei,  sitzen  doch  auf  den  Stämmen  und  aufwärts  bis  zu  den 
äussersten  Astspitzen  der  Bäume  eine  Fülle  von  Phanerogamen  und 
Farnen,  und  zwar  nicht  bloss  Kräuter,  sondern  Sträucher  und  sogar 
Bäume,  während  bei  uns  nur  Moose,  Flechten,  kleine  Algen  an  solchen 
Standorten  wachsen  können.  Im  Regenwald  sind  solche  kleine  Formen 
meist  auf  die  Blätter  zurückgedrängt,  die  sie  vielfach  als  Epiphyllen 
dicht  überziehen. 

Die  Standorte  der  Epiphyten  scheinen  im  Allgemeinen  zur  Er- 
nährung grosser  Pflanzen  wenig  geeignet.  Zwar  wachsen  dieselben 
manchmal  auf  sehr  rissiger  Rinde,  in  Gabelungen  des  Geästes,  wo  sich 
Humus  angesammelt  hat,  in  den  persistirenden  nischenartigen  Blattstiel- 
basen von  Palmen,  etc.  Doch  kommen  viele  ihrer  Arten  vornehm- 
lich auf  ganz  glatter  Rinde  vor,  z.  B.  auf  den  mastähnlichen  glatten 
Stämmen  vieler  Palmen,  auf  den  noch  glatteren,  gleichsam  gefirnissten 
der  Bambusen,  auch  auf  glatten  Blättern.  Die  einige  Meter  langen 
Schweife  der  Tillandsia  usneoides  liegen  wurzellos  und  ohne  jeden 
Zusammenhang,  gleichsam  hingeworfen  auf  den  Astspitzen  und  Asple- 
nium  nidus  hängt  häufig  seine  über  meterhohen  Trichter  an  dünnen 
Lianenstämmen  reihenweise  auf. 

Nach  ihrer  Lebensweise  können  die  Epiphyten  in  vier  Gruppen  ein- 
getheilt  werden.  Die  erste,  diejenige  der  Protoepiphyten  ist  sehr 
wenig  homogen  und  fasst  alle  Arten  zusammen,  die  für  ihre  Er- 
nährung auf  die  Rinde  und  die  direkte  Zufuhr  seitens 
der  Atmosphärilien  angewiesen  sind.  Zu  der  zweiten 
Gruppe,  derjenigen  der  Hemiepiphyten  gehören  solche  Epiphyten, 
die  zwar  auf  den  Bäumen  ihre  Keimung  und  erste  Ent- 
wickelung  durchmachen,  nachträglich  aber  durch  ihre 
Wurzeln  mit  dem  Boden  in  Verbindung  treten,  so  dasssie 
in  Bezug  auf  ihre  Ernährung  den  gleichen  Bedingungen 
unterstehen  wie  Bodenpflanzen,  namentlich  wie  wurzel- 
kletternde Lianen.  Die  dritte  Gruppe,  diejenige  der  Nest- 
epiphyten,  ist  von  denjenigen  Arten  gebildet,  welche  durch  ge- 
eignete Vorrichtungen  grosse  Mengen  von  Humus  und 
Wasser  sammeln.    Die  epiphytischen  Bromeliaceen  sind  wenigstens 


l)  Zu  den  hohen  Zweigklimmern  gehören  Securidaca- Arten,  die  Hippocratea- Arten 
der  neuen  und  alten  Welt,  diejenigen  von  Dalbergia  und  Machaeriuni  in  Brasilien,  Anonaceen 
im  tropischen  Asien,  zu  den  Fadenrankern  die  Cissus- Arten  etc.  —  *)  Schiniper  I  u.  IL 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


341 


in  den  Tropen,  —  die  neuseeländische  Lianen -Gattung  Astelia  scheint 
sich  ihnen  anzuschliessen  —  die  einzigen  Vertreter  der  vierten  Gruppe 
derjenigen  der  Cisternepiphyten,  bei  welchen  dasWurzelsystem 
nur  als  Haftapparat  entwickelt  oder  ganz  unterdrückt 
ist,  so  dass  die  ganze  Ernährung  durch  die  Thätigkeit 
des   Laubes   stattfindet. 

Die  Protoepiphyten  entbehren  vielfach  ausgeprägter  An- 
passungen. So  unterscheiden  sich  z.  B.  kleine  Farne,  die  auf  feuchter 
rissiger  Rinde  wachsen,  in 
keiner  Weise  von  denjenigen 
des  Bodens.  Im  Allgemeinen 
jedoch  zeichnen  sich  auch 
die  Farne  dieser-Gruppe  vor 
den  verwandten  Gewächsen 
des  immergrünen  Regen- 
walds durch  ihren  ausge- 
prägten xerophilen  Charak- 
ter aus,  welchen  die  un- 
regelmässige und  spärliche 
Zufuhr  des  Wassers  durch 
das  Substrat  zur  Genüge  er- 
klärt. Die  Epiphyten  des 
feuchten  Waldes  zeigen 
ähnliche  Schutzvorrichtungen 
gegen  Wasserverlust  durch 
Transpiration,  wie  die  Be- 
wohner physiologisch  trocke- 
ner Standorte  überhaupt. 
Solcher  Schutz  wird  in  die- 
sem Falle  sehr  selten  durch 
Behaarung  gewährt ,  viel 
öfter  durch  eine  sehr  dicke 
Cuticula  und  durch  trichter- 
förmige Einsenkung  der  Spaltöffnungen,  am  häufigsten  jedoch  durch  Vor- 
richtungen zur  Speicherung  des  Wassers,  welches  die  Regen  zeitweise  in 
übergrosser  Menge  zufuhren,  während  es  in  anderen  Zeiten  sehr  spärlich 
ist.  Solche  Wasserspeicher  sind  vielfach  als  mächtiges  Wassergewebe  in 
den  Blättern  entwickelt,  welche  dann  auffallend  dick  und  saftig  erscheinen 
(Peperomia,  Aeschynanthus-Arten  und  andere  Gesneraceen,  viele  Ascle- 
piadaceen  etc.)  (Fig.  16  a),  oder  es  sind  zahlreiche  Wassertracheiden 
vorhanden,  wie  im  Laube  vieler  Orchideen  (Fig.  16),  oder  bestimmte 
Glieder  der  Pflanze  sind  in  Wasserspeicher  umgewandelt.  So  versehen 
die    knollenartigen    Gebilde,    welche   so   vielen   Epiphyten   zukommen, 


^^T^i5^v 


Fig.    157.     Bauhinia    sp.  Pernambuco.      Der  welligen 

jungen  Axe  sind  gerade  Zuwachsschichten  aufgelagert 

worden. 


342 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


z.  B.  zahlreichen  aber  nicht  allen  Orchideen,  manchen  Ericaceen,  Utri- 
cularien,  den  jungen  Feigenbäumen  (Fig.  160),  auch  die  spindelförmigen 
angeschwollenen  Blattstiele  von  Philodendron  cannifolium  und  die  altern- 
den, vergilbten,  stark  verdickten  Blätter  von  Peperomien  und  Gesnera- 
ceen,  wie  experimentell  nachgewiesen  wurde,  die  zugehörige  Pflanze 
mit  Wasser,  so  dass  sie  bis  zur  Erschöpfung  dieser  Vorräthe,  ohne  Zu- 


Fig.  158.  Schiefgewachsener  Baumstamm  mit  Epiphyten.  Von  rechts  nach  links:  Oben 
Philodendron  cannifolium,  unten  hängende  Codonanthe  Devosii;  oben  Ficus  sp.  (baumartig}. 
Vriesea;    unten:   Anthurium   sp. ,   Rhipsalis    2  spec.      Nach   einer  Photographie   von   Herrn 

Prof.  Dr.  H.  Schenck. 


fuhr  von  Aussen  weiter  gedeiht,   bei  Entfernung  derselben  aber  rasch 
vertrocknet. 

Während  die  Wurzeln  vieler  Protoepiphyten  sich  nicht  wesent- 
lich von  denjenigen  terrestrischer  Gewächse  unterscheiden,  sind  andere 
mit  Vorrichtungen  versehen,  durch  welche  jeder  Tropfen  herab- 
fallenden Wassers  sofort  aufgenommen  wird.  Dieses  geschieht  durch 
Vermittelung   des    Velamen,    eines    Gewebes,    welches    die   Wurzeln 


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*ig-   *57-     Baumstamm  mit  Epiphyten.     Blumenau,  Brasilien.     Unten:  Vriesea;    oben: 

Khipsalis  sp.    Rechts,  drahtartige  Luftwurzeln  (Nährwurzel n)  von  Philodendron  sp. ;  links 

ein  schief  aufstrebender  Lianenstamm. 

Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Dr.  H.  Schenck. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


343 


beinahe  aller  epiphytischen  Orchideen  und  gewisser  Araceen  überzieht. 
(Fig.  161).  Die  Zellen  dieses  Gewebes,  welches  mehrschichtig  zu  sein 
pflegt,  sind  tracheidenähnlich,  mit  Spiralfasern  versehen,  bei  trockenem 
Wetter  lufthaltig.  Sie  grenzen  nach  innen  an  eine  Endodermis,  deren 
Zellen  zum  Theil  als  Durchlasstellen  ausgebildet  sind.  Wird  der  Wurzel 
Wasser  zugeführt,  so  wird  dasselbe  durch  das  Velamen,  wie  durch 
Löschpapier,  aufgesogen  und  füllt  die  Zellräume  aus.  Von  dort 
gelangt  es  langsamer ,  durch  die  Durchlassstellen ,  in  das  Innere  der 
Wurzel  hinein. 

Die  Wurzeln  der  Epiphyten  dieser  Gruppe  sind  meistens  dem 
Lichte  ausgesetzt,  und  in  Folge  dessen  häufig  chlorophyllhaltig.  Dieser 
Umstand  hat  eine  der  eigenthümlichsten  An- 
passungen unter  den  Epiphyten  zur  Folge 
gehabt,  nämlich  die  Ausbildung  des  Wurzel- 
systems, unter  gleichzeitiger  Unterdrückung 
des  Laubes,  zum  alleinigen  Organ  der  As- 
similation. Solche  assimilirende  Wurzeln 
kriechen  entweder  auf  der  Rinde  oder 
hängen  frei  in  der  Luft  herab,  sind  in  man- 
chen Fällen  dorsiventral  und  stets  mit  Durch- 
lassstellen für  den  Gasaustausch  versehen, 
welche  den  schwach  assimilirenden  Wurzeln 
anderer  Orchideen  fehlen  (Fig.   114). 

Zu  den  Hemiepiphyten  gehören 
meist  sehr  stattliche,  zum  Theil  baum- 
artige Formen,  wie  die  epiphytischen  Feigen- 
bäume, Clusia  -  Arten ,  grosse  Araceen  aus 
den  Gattungen  Philodendron  und  Anthu- 
rium,  Carludovica  etc.  Der  Epiphyt  ver- 
hält sich  anfangs  wie  ein  solcher  der  ersten 
Gruppe  und  entwickelt  ähnliche  Wasser- 
speicher. Seine  Wurzeln  sind  gleichartig  ausgebildet  und  dienen  zugleich 
zur  Befestigung  und  zur  Nahrungsaufnahme.  Später  zeigt  sich,  wie  bei  den 
vorherbeschriebenen  wurzelkletternden  Araceen,  eine  scharfe  Differen- 
zirung  in  kurze  Haftwurzeln  und  in  lange  zum  Boden  herabwachsende 
Nährwurzeln  derart,  dass  der  Epiphyt  zwar  hoch  oben  auf  dem  Baume 
sitzt,  aber  bezüglich  der  Nahrungsaufnahme  einer  Bodenpflanze  gleicht. 
Viele  Epiphyten  dieser  Gruppe  sind  gleichzeitig  Lianen,  wie  die  schon 
im  Zusammenhang  mit  letzteren  erwähnte  Carludovica  Plumieri  und  ver- 
schiedene Araceen,  andererseits  fehlt  es  nicht  an  auf  dem  Boden  keimen- 
den Lianen ,  deren  Stamm  allmählich  von  unten  nach  oben  abstirbt,  so 
dass  sich  dieselben  auf  späteren  Stadien  ganz  wie  Hemiepiphyten 
unterhalten.     Sie  sind  als  Pseudoepiphyten  bezeichnet  worden. 


Fig.    160.      Ficus    sp.    Epiphyt. 

Junge    Pflanze    mit  Knollen ,   in 

nat.  Gr.     Nach  Went. 


344 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


Die  stattlichsten  unter  den  Hemiepiphyten  sind  in  den  Tropen 
beider  Welttheile  Arten  der  Gattung  Ficus.  Allgemein  bekannt  ist  der 
riesige  Banyanbaum  Ostindiens,  (Ficus  bengalensis)  (Fig.  162)  eine 
lebende  ungeheure  Säulenhalle,  bestehend  aus  flachem,  weit  ausgebreite- 
tem Laubdach  und  zahlreichen  von  den  Aesten  herabwachsenden,  stamm- 
ähnlichen Stützwurzeln.  Wie  alle  Hemiepiphyten,  keimt  der  Banyan 
auf  einem  Baumaste  und  hat  anfangs  nur  solche  Nährstoffe  zur  Ver- 
fügung, wie  sie  auf  der  Rinde  des  Tragastes  sich  befinden.  Hat  derselbe 
aber  seine  Nährwurzeln    entwickelt,    so   geht    der   stützende  Baum   im 


Fig.   161.     Querschnitt  durch  die  Luftwurzel  von  Dendrobium  nobile,     vi  Velamen,  cc  Exo- 

dermis,  /  Durchgangszellen  derselben,    c  Kinde,   ei  Endodermis,  /  Pericykel,    s  GeßLsstheile, 

v  Siebtheile,  m  Mark.     Vergr.  28.     Nach  Strasburger. 


Schatten  des  sich  nun  rasch  vergrössernden  Gastes  bald  zu  Grunde,  so 
dass  ohne  die  Entwickelungsgeschichte  die  einstige  Anwesenheit  eines 
solchen  nicht  mehr  vermuthet  werden  würde. 

Wie  viele  andere  baumartige  Formen  dieser  Gruppe  ist  derselbe  eigentlich 
ein  Epiphyt  nur  in  der  Jugend.  Hat  derselbe  seine  Nährwurzeln  entwickelt, 
die  hier  säulenartig  ausgebildet  sind  und  sehr  dick  werden,  und  ist  der  ur- 
sprüngliche Wirtsbaum  zu  Grunde  gegangen,  so  stellt  der  Banyan  ein  ganz 
selbständiges  Gewächs  dar.  Immer  neue  Nährwurzeln,  —  die  hier  gleich- 
zeitig Stützwurzeln  sind,  —  werden  von  der  in  horizontaler  Richtung  wach- 
senden Krone  ausgebildet,  wodurch  die  erwähnte  Säulenhalle  zu  Stande 
kommt.      Bei    den   meisten    hierhergehörigen    Epiphyten ,    deren    Nährwurzeln 


IV.    Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


345 


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346 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


keine  mechanischen  Functionen  zu  verrichten  haben,  bleiben  letztere  weich  und 
biegsam. 

Das  Sammeln  von  Humus,  das  das  Charakteristische  der  Nest- 
epiphyten  bildet,  geschieht  auf  verschiedene  Art.  Bald  sind  es  die 
Wurzeln,  welche  zu  einem  mächtigen  schwammartigen  Gerüst  ver- 
flochten, die  herabfallenden  Blätter  und  dgl.  auch  nach  ihrer  Zersetzung 
festhalten,  so  bei  manchen  Orchideen  (Fig.  163),  bald  schliessen  die 
rosettenartig  gebildeten  Blätter  unterwärts  zu  einem  Trichter  zusammen, 
wie  bei  Asplenium  nidus  (Fig.  139),  wo  letzterer  ungeheure  Dimension 
erreicht,  bei  vielen  anderen  Farnen  und  bei  dem  habituell  sehr  ähnlichen 


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Fig.   163.      Grammatophjllum    speciosum    (Orchidee).       Nest-Epiphyt   mit   negativ   geotrop. 
Wurzeln.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  G.  Karsten  (Hort.  Bogor). 


Anthurium  Hügelii  Westindiens.  Auch  hier  pflegt,  namentlich  bei  dem 
erwähnten  Anthurium  und  bei  den  Orchideen,  eine  Differenzirung  des 
Wurzelsystems  vorhanden  zu  sein,  indem  die  einen  Glieder  desselben, 
des  Geotropismus  entbehrend  und  sehr  fest  gebaut,  wesentlich  gerüst- 
bildend sind  oder  als  Haftwurzeln  wirken,  während  zahlreiche  dünne 
Seitenwtrrzeln  zenithwärts  wachsen,  derart,  dass  die  Oberfläche  des 
Wurzelnestes  wie  von  zahllosen  Nadeln  gespickt  erscheint  (Fig.  163). 
Diese  letzteren  Wurzeln  sind,  im  Gegensatz  zu  beinahe  allen  übrigen 
Wurzelgebilden,  negativ  geotropisch,  eine  ökologische  Folge  des  Um- 
standes,  dass  die  Nährstoffe,  namentlich  das  Wasser,  nicht  von  unten, 
sondern  von  oben  kommen. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


347 


In  anderen  Fällen  sind  entweder  sämmtliche  Blätter  oder  ein  Theil 
derselben  als  „Nischen"  ausgebildet,  indem  sie  eine  derartige  Stellung 
gegen  den  Stamm  annehmen,  dass  sie  mit  demselben  eine  Höhlung 
bilden,  in  welcher  Humus  sich  ansammeln  kann.  Entweder  bildet  jedes 
Blatt  eine  Nische  für  sich  oder  es  nehmen  mehrere  Blätter  an  der 
Bildung    einer    Gesammtnische    theil.      Bei    manchen    Arten    ist    eine 


Fig.    164.     Platycerium  grande,   Nest-Epiphyt  mit  Nischenblättern.     Pasoeroean,    Ost -Java. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  J.  Kobus. 


Differenzirung  eingetreten  in  Nischenblätter,  welche  die  Function  der 
Assimilation  nur  untergeordnet  und  kurze  Zeit  verrichten  und  assi- 
milirende,  mit  ganz  anderen  Eigenschaften  ausgerüstete  Laubblätter. 

Die  merkwürdigsten  Beispiele  von  Nischenblättern  zeigen  sich  bei 
der  Farngattung  Platycerium  (Fig.  164),  wo  die  Nischenblätter,  ungestielt 
und    breit,    der   Baumrinde   unterwärts    dicht   anliegen,    oberwärts   aber 


348 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


eine   Nische   bilden,    während    die    gestielten,    schmalen,   gabelig   ver- 
zweigten Laubblätter  schlaff  herabhängen. 


Fig.   165.     Nidularium  Innocentii.     Ein  Cisternepiphyt  aus  Brasilien.     *U  nat.  Gr. 

Die  epiphytischen  Bromeliaceen,  die  namentlich  zu  den  Gattungen 
Tillandsia,  Vriesea,  Aechmea  und  Nidularium  gehören,    besitzen  in  der 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  *aq 

Mehrzahl  der  Fälle  rosettenartige  Laubsprosse,  deren  steife  Blätter 
unterwärts  löffelartig  erbreit ert  sind  und  derart  zusammenschliessen, 
dass  sie  als  wasserdichte  Cisternen  das  Regenwasser  aufsammeln,  von 
welchem  bei  grösseren  Formen  manchmal  ein  ganzes  Liter  sich  über 
den  unvorsichtigen  Sammler  ergiesst;  ausserdem  enthalten  sie,  ähnlich 
wie  die  weniger  dichten  Blatttrichter  der  dritten  Gruppe,  allerhand 
Detritus  mineralischen,  vegetabilischen  und  thierischen  Ursprungs,  der 
wie  das  üppige  Wachsthum  der  Pflanzen  zeigt,  ein  kräftiges  Nährsubstrat 
darstellt.  Die  Laubrosetten  entspringen  einem  knorrigen,  kurzen  Axen- 
system,  welches  durch  dünne  und  kurze,  aber  drahtzähe  Wurzeln  dem 
Substrat  befestigt  ist  (Fig.   165). 

Die  Wurzeln  bestehen  beinahe  ausschliesslich  aus  dickwandigen 
Fasern,  und  spielen  bei  der  Ernährung,  wie  experimentell  nachweis- 
bar, keine  Rolle.  Die  Aufnahme  der  Nährstoffe  geschieht  vielmehr 
lediglich    durch    die   Blätter    und   zwar   durch   Vermittelung    schildför- 


Fig.  166.    Haarschuppen  von  Fig.   167.     Tillandsia  usneoides.     Schuppenhaar. 

Vriesea.     Vergr.  340.  Vergr.  375. 

miger  Schuppenhaare  (Fig.  166),  die  namentlich  an  der  erbreiterten, 
gewöhnlich  unter  Wasser  befindlichen  Basis  des  Blattes  vorhanden  sind. 
Bei  Fehlen  von  Wasser  an  der  Blattoberfläche  fuhren  diese  Haarbildungen 
nur  Luft;  jeder  Wassertropfen  wird  aber  sofort  von  ihnen  aufgesogen, 
ähnlich  wie  vom  Velamen  der  Orchideen  und  gelangt,  wie  bei  diesem, 
durch  die  Thätigkeit  plasmareicher  Durchlassstellen  in  das  Innere  des 
Blattes  (Fig.   167). 

Von  diesem  Typus,  der  sich  namentlich  rein  bei  Arten  von  Vriesea, 
Aechmea,  Nidularium  zeigt,  weichen  manche  Tillandsia-Arten  nicht  un- 
wesentlich ab,  namentlich  Tillandsia  usneoides  (Fig.  168,  169).  Dieser 
merkwürdigste  aller  Epiphyten,  welcher  im  tropischen  und  subtro- 
pischen Amerika  die  Bäume  oft  ganz  umschleiert,  besteht  aus  oft  weit 
über  meterlangen,  fadendünnen  Sprossen,  mit  schmalen,  grasartigen 
Blättern,  die  nur  in  der  ersten  Jugend  durch  früh  vertrocknende 
schwache  Wurzeln  an  der  Rinde  befestigt  sind.  Ihren  Halt  verdanken 
sie   dem   Umstand,    dass    die   Basaltheile    der  Axen    die    Stammzweige 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

umwinden.  Ueber  und  über  sind  die  Sprosse  von 
Schuppenhaaren  bedeckt,  die  in  Bau  und  Verrichtungen 
mit  denjenigen  anderer  Bromeliaceen  übereinstimmen.  Die 
Verbreitung  der  Pflanze  geschieht  weniger  durch  Samen 
als  vegetativ  dadurch,  dass  abgerissene  Sprosse  durch 
den  Wind  oder  durch  Vögel,  die  sich  derselben  gerne 
als  Material  zum  Nestbau  bedienen,   fortgetragen  werden. 


Fig.   169.     Fragment  eines  Sprosses  von  Tillandsia  usneoides 
in  natürlicher  Grösse. 


Wiesner  hat  im  Orchideenquartier  des  botanischen  Gartens 
zu  Buitenzorg  Lichtbestimmungen  vorgenommen.     Die  daselbst 
cultivirten  Orchideen  befinden  sich  auf  Stämmen  von  Plumiera- 
Arten,  im  Schatten  hochstämmiger  Bäume  von  Evia  acida  D.  C 
Die  Helligkeit   im  Orchideenquartier  betrug    durchschnitt- 
lich 1/10.8    des  gesammten  Tageslichtes,   das 
diffuse  Vorderlicht  an  den  Stämmen  der  Plumiera 
Zwei 1? von  Til-      Bäume    durchschnittlich    1/60 — 1/65    des   ge- 
landsia    usneoi-      sammten  Tageslichtes  (I  max.  =  0.02  5—0.023). 
des.    >/Ä  nat.  Gr.      Bei  Sonnenbeleuchtung  stieg  die  Intensität  des 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


351 


Oberlichtes  auf  1/4.7  — 1/7«7 
des  gesammten  Tageslichtes 
(I  max  =  0.319— 0.194). 

Folgende  Orchideen  be- 
fanden sich  in  guter  Entwicke- 
lung :  Agrostophyllum  javani- 
cum  BL,  Eria  ornata  Lindl., 
Spathoglossis  plicata  BL,  The- 
lasis  carinata  BL  Andere  da- 
gegen schienen  unter  dem 
Mangel  einer  hinreichenden 
Lichtintensität  zu  leiden  (The- 
lasis  elongata  BL,  Dendrobium 
acuminatissimum  Lindl.,  Coe- 
logyne  Rochussenii  T  et  B., 
C.  Lowii  Pont.,  C.  macro- 
phylla  Pont,  Vanda  tricolor 
Lindl. ,  Oncidium  ampliatum 
Lindl). 

Diese  Orchideen  sind 
nach  der  Art  der  Ausbreitung 
ihrer  Organe  vor  Allem  auf 
Oberlicht  angewiesen. 

Das  gleiche  gilt  von 
mehreren  epiphytischen  Far- 
nen. Das  weit  verbreitete 
und  sehr  häufige  Asplenium 
nidus  kommt  bei  sehr  ver- 
schiedenen Intensitäten  der 
Beleuchtung  vor.  Wiesner  con- 
statirte  für  dasselbe :  L  =  1  /4 
bis  1/38  (I  max  =  0.4 — 0.042). 

Diejenigen  Epiphyten, 
deren  vegetative  Organe  der 
Rinde  flach  aufliegen,  sind 
auf  Vorderlicht  angewiesen. 
So  kommt  das  in  dem  Garten 
von  Buitenzorg  sonst  überaus 
häufige  Taeniophyllum  Zol- 
lingeri  Reichb.  fil.,  eine  kleine 
laublose  Orchidee  mit  assimi- 
lirenden  der  Rinde  angedrück- 
ten Wurzeln,  in  Folge  zu 
schwachen  Vorderlichts ,  im 
Orchideenquartier  nicht  vor. 
Wiesner   hat   über  das   Licht- 


Fig.   170.    Blatt  von  Kibessia  azurea  mit  zahlreichen 
epiphyllen  Flechten  übersäet.     Nat.  Gr.     Nach  Stahl. 


352 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


bedürfniss  dieser  Pflanze  zahlreiche  Beobachtungen  angestellt  und  in  folgender 
Tabelle  mitgetheilt: 


Grenzen  der  Entwickelung       .     . 

Ueppigste  Entwickelung     .     .     . 

Verkümmerung  in  Folge  zu  ge- 
ringer Lichtintensität       .     .     . 

Verkümmerung  in  Folge  zu  hoher 
Lichtintensität 

Blüthen  wurden  beobachtet     .     . 


L. 

I  max. 

I  med. 

l/3— 1/32 

°-533 — °-°5° 

0.166 — O.Ol  5 

l/7  — 1/9 

0.228 — 0.177 

0.071  —  0.055 

l/32 

0.050 

0.015 

l/2— W3 

0.811  — 0.533 

0.251 — 0.166 

I/5-I/8 

0.320 — 0.205 

0.101 — 0.062 

Fig.   171.     Tillandsia  stricta  var.  Schlumbergeri ,    ein    ausgesprochener  xerophiler   und   licht- 
bedürftiger  Epiphyt  Südbrasiliens.     */2  nat.  Gr. 


Ausser  den  im  Vorhergehenden  ausschliesslich  behandelten  phanero- 
gamischen  und  farnartigen  Epiphyten  besitzt  der  tropische  Urwald  auch 
solche  unter  den  Algen,  Pilzen,  Flechten  und  Moosen  und  manche 
dieser  Gewächse,  namentlich  unter  den  Lebermoosen,  zeigen  ebenfalls 
eine  hochgradige  Anpassung  an  das  Substrat.  Während  das  Auftreten 
solcher  niederen  Kryptogamen  auf  der  Baumrinde  auch  in  temperirten 
Wäldern  und  zwar  in  weit  grösserem  Umfange  als  in  den  tropischen 
sich  zeigt ,  ist  das  Vorkommen  derselben  als  E  p  i  p  h  y  1 1  e  n  ,  also 
epiphytisch  auf  Laubblättern  (Fig.  170),  anscheinend  auf  die  letzteren 
beschränkt.  Epiphyllen  sind  namentlich  auf  alternden  Laubblättern  in 
sehr  feuchten  Regenwäldern  ganz  gewöhnliche  Erscheinungen. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


353 


Die  epiphystischen  Gewächse  eines  Urwaldbaumes  sind  von  der 
Basis  bis  zu  den  Gipfelästen  nicht  gleichartig,  sondern  weisen  eine  wohl 
ausgeprägte  Differenzirung  auf.  Unten  am  Stamme  sind  manche  Arten 
noch  mit  dem  Boden  gemeinschaftlich  (Hymenophyllaceen ,  kletternde 
Araceen,  Carludovica  u.  a.);  mit  steigender  Höhe  schwinden  solche  indiffe- 
renten Formen  und  der  dem  Regenwald  sonst  fremde  xerophile  Charakter 
nimmt   mit   der   wachsenden   Anpassung   an   epiphytische   Lebensweise 


Fig<   170.      Laubknospen   tropischer   Holzgewächse    (alle    aus    dem    Botanischen    Garten    zu 

Buitenzorg).     /  Alstonia  verticillata.     2  Tectona  Hamiltonii.     9  Garcinia  ferrea.     4  Dillenia 

ochreata.    5  Wormia  triquetra.     Nat.  Gr.     R.  Anheisser  del. 


zu  (Fig.  171),  sodass  diejenigen  Arten,  welche  gelegentlich  auf  dem 
Boden  vorkommen,  an  sehr  trockene  Standorte  und  zum  Theile  an 
starke  Beleuchtung  gebunden  erscheinen.  Die  Epiphyten  der  höchsten  und 
daher  am  stärksten  bestrahlten  Aeste  sind  mit  denjenigen  identisch,  die 
die  atmosphärische  Flora  der  lichten  Gehölze  und  der  Savannen  trockener 
offener  Gebiete  bilden.  Desgleichen  gehen  nach  der  partiellen  Aus- 
rodung   des   Waldes    die   Epiphyten    der   unteren   Theile   der   stehen- 

Schtmper,  Pflanzengeographie.  23 


354 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


gebliebenen  Bäume  zu  Grunde,  während  diejenigen  der  Wipfel  sich  all- 
mählich nach  unten  ausbreiten  und  den  ganzen  Baum  in  Beschlag  nehmen. 

Verschiedene  Baumarten  zeigen  manchmal  Unterschiede  ihrer  epiphytischen 
Flora.  So  werden  die  Farnbäume  und  der  im  tropischen  Amerika  sehr  ver- 
breitete Calebassenbaum  (Crescentia  Cujete)  in  auffallender  Weise  bevorzugt; 
ja,  gewisse  Arten,  wie  Trichomanes  sinuosum  im  tropischen  Amerika,  kommen 
anscheinend  nur  auf  den  ersteren  vor. 

§  5.  Die  Knospen.  Die  Laubknospen  der  Holzgewächse  im 
Regenwalde   weisen   einen   scharfen  Unterschied,  je   nachdem  sie  sich 

im  activen  oder  im  ruhenden  Zustande 
befinden,  nicht  auf.  Der  Typus  der 
Winterknospen,  mit  ihrer  mächtigen, 
trockenen  Schuppenhülle  und  reichen 
Gliederung  ist  dem  immerfeuchten  Walde 
fremd,  während  er  in  trockenen  Wäl- 
dern und  Savannen  wieder  auftritt. 

Die  Ruheknospen  sind  im  Regen- 
walde in  der  Regel  sehr  klein,  häufig 
ohne  jede  Bedeckung  durch  Schuppen 
und  ohne  Schutz  durch  andere  Pflanzen- 
glieder ;  sie  sind  dann  allerdings  oft  von 
dichter  brauner  Behaarung  oder  von 
einer  Art  Firniss  überzogen.  Ihre  Um- 
wandlung in  active  Knospen  beschränkt 
sich  für  das  Auge  darauf,  dass  ihre  Theile 
zu  wachsen  beginnen. 

In  anderen  Fällen  sind  sowohl  die 
activen,  wie  die  ruhenden  Knospen  be- 
hüllt. Solche  Hülle  ist  beinahe  stets 
krautig-saftig  und  wird  von  Nebenblättern 
oder  von  den  Stielen  der  nächst  älteren 
Blätter  gebildet. 

Kleine  behaarte,  aber  sonst  unbe- 
deckte Knospen  habe  ich  im  Botanischen 
Garten  zu  Buitenzorg  bei  folgenden  Holz- 
pflanzen beobachtet:  Calophyllum  tomentosum,  Viburnum  sundaicum, 
Rottlera  tinctoria,  Chrysophyllum  Cainito,  Sideroxylon  firmum,  Ardisia 
fuliginosa,  Diospyros  subtruncata,  Maba  Ebenus,  Pterospermum  Heynea- 
num,  Sterculia-Arten,  Schima  Noronhae,  Thea  cochinchinensis,  Flacourtia 
Ramentschi,  Capparis  Heyneana,  Nothopegia  colebrookiana  Bl.,  Cinnamo- 
mum  sericeum,  Ryparia  caesia,  Cluytia  oblongifolia,  Coelodepas  banta- 
mensis,  Tetranthera  chrysantha,  Tectona  Hamiltoniana.  Viele  dieser 
Pflanzen     haben     im     ausgewachsenen    Zustande     unbehaarte    Blätter. 


Fig.   173.     /  Gipfelknospe   vonTaber- 

naemontana     dichotoma.       2    Junger 

Zweig  von  Clusia  grandiflora  (?).  Nach 

P.  Groom. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  355 

Unbedeckte  Knospen  mit  Firnissüberzug  sind  weit  weniger  häufig.  Ich 
fand  sie  im  Garten  zu  Buitenzorg  bei:  Tabernaemontana  pentasticha, 
Achras  Sapota.  Schutz  durch  Nebenblätter  sah  ich  ausser  bei  den 
Artocarpeen,  Urticaceen.  Piperaceen,  Rubiaceen  noch  bei  Wormia 
ochreata,  Tabernaemontana  sp.,  Phyllanthus  ceylanicus.  —  Treub  und 
Potter  haben  mehrere  derartige  Fälle  beschrieben,  letzterer  hat  auch 
Abbildungen  geliefert.  Entfernung  der  schützenden  dütenförmigen 
Stipulae  bedingt  nach  dem  letzteren  bei  Artocarpus  incisa  Verkümmerung 
der  eingeschlossenen  Blätter.  Bei  Canarium  zeylanicum  Bl.  entwickeln 
sich  die  schuppenformigen  Stipulae  schneller  als  die  Spreite  und 
umhüllen  die  Knospe.  Bei  mehreren  Wormia -Arten  ist  die  Knospe 
von  flügelartigen  Auswüchsen  des  Blattstiels  eingeschlossen  (Fig.  1 70, 5). 
Sehr  eigenartig  sind  die  bei  einigen  Holzgewächsen  vorkommenden 
Kammern  zwischen  den  Blattstielen  der  nächst  älteren  in  solchen  Fällen 
stets    in    zwei-    oder   mehrgliedrigen    Quirlen   stehenden   Blättern.      Sie 


Fig.  1 74.     Wormia  Burbidgei.    Blatt  mit  in  der  Scheide  verborgener  Knospe.    Nach  P.  Groom. 

entstehen  durch  Verkleben  der  unteren  Blattstielränder  und  sind  ober- 
wärts  mit  einem  Spalt  versehen,  aus  welchem  das  zunächst  ganz  ver- 
borgene Sprossende  nach  einiger  Zeit  hervorragt. 

P.  Groom  hat  derartige  Bildungen  beschrieben  und  abgebildet 
(Fig.  173  und  174).  Ich  habe  einen  ähnlichen  Modus  des  Knospenschutzes 
beobachtet  (Hort.  Bogor.)  bei  Calpicarpum  Roxburghii  (Fig.  173,  j), 
Alstonia  verticillata  (Fig.  172,  /),  Garcinia  Livingstonii  und  G.  ferrea 
(Fig.  170,  j).  Am  auffallendsten  ist  die  Erscheinung  bei  Alstonia: 
Die  Kammer  ist  hier  von  den  Blattstielbasen  der  vier  Blätter  des  Quirls 
gebildet  und  ihre  Oeffnung  durch  einen  kugeligen  Harztropfen  verdeckt. 

Die  Stipulae-  und  Blattstielkammern  enthalten  im  Innern  eine 
aus  harzigen  oder  schleimigen  Stoffen  oder  einem  Gemenge  beider 
bestehende,  von  Colleteren  ausgeschiedene  Flüssigkeit,  die  als  Schutz- 
mittel aufgefasst  wird.     Näheres  darüber  hat  Groom  mitgetheilt. 

Merkwürdiger  als  die  Structur  der  Laubknospen  selbst  ist  in 
vielen  Fällen  die  Art  ihrer  Entfaltung.     Treub    hat    mit   vollem  Rechte 

23* 


356 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


sagen   können:    Die   Bäume   schütten   die  Blätter   aus.     Es   gehört   zu 
den  überraschendsten  Erscheinungen   der   tropischen  Vegetation,   dass 


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F*g-   x75-     Brownea  hybrida  mit  hängenden  jungen  Zweigen.     Botan.  Garten  zu  Buitenxorg. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  M.  Treub. 


bei  vielen  Bäumen  die  jungen  Blätter  (z.  B.  Theobroma  Cacao,  Mangi- 
fera  indica  Fig.  177),  oder  ganze  junge  Sprosse  (z.  B.  Brownea  hybrida 
Fig.  175,  Amherstia  nobilis  Fig.   176  und  andere  Caesalpiniaceen)  noch 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


357 


nachdem  sie  ihre  definitive  Grösse  erreicht  haben, 
quastenartig  schlaff  herabhängen  und  dabei  meist  noch 
des  Chlorophylls  entbehren,  so  dass  sie  durch  weisse  oder 
rosenrothe  Färbung  vom  grünen  Laube  abstechen.  Die 
Vertikalstellung  ist  bei  den  Hängesprossen  lediglich  durch  fehlenden 
Turgor,  bei  den  Hängeblättern  gleichzeitig  durch  active  Krümmung  der 
Blattpolster  bedingt. 


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Fig.   176.     Zweig  von  Armherstia  nobilis  mit  hängenden  jungen  Seitenzweigen.     Botanischer 
Garten  zu  Buitenzorg.     Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  Treub. 


Die  herabhängenden  Blätter  erhalten  ihre  definitive  Differenzirung 
erst,  nachdem  sie  ihr  Flächenwachsthum  abgeschlossen  haben.  Dann 
tritt  das  Chlorophyll  in  den  bisher  farblosen  und  kleinen  Chroma- 
tophoren  auf,  während  sich  das  anfangs  homogene  Mesophyll  in  Palis- 
saden- und  Schwammparenchym  differenzirt  und  seine  zarten  Wände 
verstärkt.  Diese  Vorgänge  sind  vom  allmählichen  Eintritt  der  Tur- 
gescenz  und  Gewebespannung  begleitet. 

Sämmtliche  Autoren,  die  die  eben  geschilderte  Erscheinung  be- 
handelt haben,    haben  dieselbe,   wohl  mit  Recht,  zu  den  Schutzmitteln 


358 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


gerechnet.  Ueber  die  Natur  der  abzuwehrenden  Gefahr  gehen  jedoch 
die  Ansichten  auseinander,  indem  dieselbe  in  zu  starker  Beleuchtung 
(Wiesner),  in  zu  grosser  Erhitzung  (Potter),  in  mechanischer  Be- 
schädigung durch  heftigen  Regen  (Stahl)  oder  gleichzeitig  in  verschie- 
denen Factoren  (Haberlandt)  erblickt  wird.  Entscheidende  Versuche 
wurden  noch  nicht  angestellt. 

Stahl,  der  sich  mit  den  Hängeblättern  und  Hängezweigen  besonders  ein- 
gehend beschäftigt  hat,  erwähnt  sie  u.  a.  für  Monstera  deliciosa,  Mangifera 
indica,  Theobroma  Cacao,  Durio  zibethinus,   Quercus  glaberrima,  Acer  lauri- 

folium  u.  a.,  demnach  für  Bäume  aus 
sehr  verschiedenen  Verwandtschaftskrei- 
sen. Dagegen  sind  Stahl,  ebenso  wie 
mir,  die  Hängezweige  nur  für  Caesal- 
^k  piniaceen    bekannt    (Amherstia   nobilis, 

Arten  von  Brownea,  Jonesia,   Maniltoa, 
*^2^        Humboldtia,  Cynometra). 

Hängeblätter  und  Hängezweige 
kommen  keineswegs  bei  der  Mehr- 
zahl der  Holzgewächse  des  Urwalds 
vor,  sondern  wohl  nur  bei  einer 
Minderzahl  von  Arten,  zu  welchen 
allerdings  eine  Anzahl  Nutz-  und 
Zierbäume  gehören,  so  dass  die  Er- 
scheinung allgemein  auffallt. 

In    vielen  Fällen    unterscheidet 

sich  die  Art   der  Sprossenentwicke- 

lung    in    nichts    wesentlichem    von 

derjenigen    der   Holzgewächse  tem- 

perirter     Zonen.       Doch     ist     wohl 

häufiger  als  bei  uns  ein  Schutz  der 

jungen    Glieder    erkennbar,    sei    es 

durch  reiche  Behaarung,  oder  durch 

Verticalstellung     der     Blätter    oder 

auch   dadurch,    dass  sie  sich  unterhalb  des  älteren   Laubes   ausbilden. 

Viele    diesbezügliche   Angaben   befinden   sich  in   den   citirten  Arbeiten 

von  Potter,  Stahl,  Wiesner. 

Die  vortrefflichen  Untersuchungen  Raciborski's  über  die  Structur 
der  Blüthenknospen  wurden  zum  Theile  an  tropischen  Gewächsen 
angestellt;  charakteristische,  auf  das  Klima  zurückzuführende  Unter- 
schiede derselben  den  Blüthenknospen  in  anderen  Zonen  gegenüber 
werden  nur  in  geringer  Zahl  erwähnt.  Doch  scheint  die  eigenthüm- 
liche  Erscheinung,  dass  Blüthenknospen  sich  bis  kurz  vor  der 
Anthese  in  Wasser  befinden  oder  in  ihrem  Kelche  Wasser 


Fig.   177.     Zweigspitze   von    Mangifera  in- 
dica.     Die    jungen    Blätter    schlaff   herab- 
hängend.    V2  nat-  Gr-     Nach  Stahl- 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


359 


enthalten,  auf  die  feuchten  tropischen  Gebiete  beschränkt  zu  sein.  So 
fand  ich  die  kahnförmigen  Deckblätter  der  Inflorescenzen  von  Heliconia 
Bihai  (Fig.  178)  und  Heliconia  caribaea  in  Westindien  stets  voll  Regen- 
wasser; die  Blüthenknospen  befanden  sich  unter  dem  Wasserniveau,  er- 
hoben sich  aber  kurz  vor  dem  Oeffnen  unter  scharfer  Krümmung  über 


Fig-  179.  Blüthenknospen 
von  Mendozia  Vellosiana 
von  dem  verklebten  und  mit 
Wasser  gefüllten  Bracteen- 
paar  umhüllt.  Blumenau, 
Süd-Brasilien. 


Fig.   1 78.    Heliconia  Bihai,  mit  kahnförmigen  wasserhaltigen 
Bracteen.     1jq  nat.  Grösse.     Nach  Flora  Brasiliensis. 


Fig.  1 80.  Wasserkelch  einer 

Frucht    von    Clerodendron 

Minahassae.     Nat.    Grösse. 

Nach  Koorders. 


dasselbe.  In  ähnlicher  Weise  sah  ich  den  zwischen  den  Hochblättern 
nistenden  kurzen  Blüthenstand  von  Nidularium-Arten  (Fig.  165)  stets 
untergetaucht  in  einer  vom  Regen  und  Thau  gespeisten  Cisterne,  aus 
welcher  die  offenen  Blüthen  einzeln  hervorragten.  Die  kahnförmigen 
Bracteen  der  langen,  zweizeiligen  Blüthenstände  von  Vriesea-Arten  (z.  B. 
Vriesea   incurvata)   enthalten   eine   schleimige   Flüssigkeit,    welche    die 


360  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Knospe  vollkommen  umgiebt  und  wahrscheinlich  von  der  Pflanze 
secernirt  wird.  Letzteres  gilt  unzweifelhaft  von  der  ebenfalls  schleim- 
haltigen  Flüssigkeit,  die  sich  in  dem  sackartig  verwachsenen,  die  Blüthen- 
knospen  gewisser  Acanthaceen  umhüllenden  Bracteenpaare  ansammelt 
und  so  prall  ausfüllt,  dass  sie  beim  Durchstechen  mit  Gewalt  hervor- 
spritzt (Fig.  179).  Die  Blüthenknospen  mit  wasserhaltigem  Kelche 
wurden  zuerst  von  Treub  für  Spathodea  campanulata  beschrieben  und 
haben  durch  Koorders  eine  ausführliche  und  abschliessende  mono- 
graphische Bearbeitung  erfahren,  die  eine  Fülle  interessanter  Einzel- 
heiten, namentlich  über  die  secernirenden  Hydathoden  ans  Licht  brachte. 
Die  Zahl  der  Arten  mit  Wasserkelchen  ist  eine  geringe  und,  soweit 
bekannt,  beschränkt  auf  Vertreter  der  Familien  der  Bignoniaceen,  Sola- 
naceen, Verbenaceen,  Scrophulariaceen  und  Zingiberaceen,  zusammen 
13  Arten,  während  wasserhaltige  Bracteen  sehr  häufig  sind. 

§  6.  Cauliflorie.  Während  in  den  temperirten  Zonen  Blüthen  nur 
an  diesjährigen,  seltener  an  vorjährigen  Zweigen,  an  den  älteren  Aesten 
und  Stämmen  von  Holzgewächsen  aber  nur  bei  wenigen  Arten,  wie 
Cercis  siliquastrum,  erscheinen,  ist  Cauliflorie,  d.  h.  Blüthenbildung 
am  alten  Holze  in  den  immerfeuchten  tropischen  Wäldern  nicht  selten. 
Sie  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  ruhende  axilläre  Knospen  sich  nach 
mehreren  bis  vielen  Jahren  weiter  entwickeln  und  die  Rinde  durch- 
brechend, ihre  Blüthen  frei  entfalten  (Fig.  181  u.  182). 

Cauliflore  Blüthen  zeigen  sich  bald  nur  am  Stamme,  bald  nur  an 
den  Aesten,  bald,  und  dieses  ist  der  häufigere  Fall,  an  Stamm  und 
Aesten  zugleich.  Eine  und  dieselbe  Art  ist  entweder  stets  oder  nur 
theilweise  cauliflor. 

Ausschliessliche  Stammcauliflorie  beobachtete  ich  z.  B.  auf  Java,  *)  bei 
Aristolochia  barbata  H.  B.,  Saurauja  cauliflora,  Parmentiera  cereifera,  Kadsura- 
Arten,  Cynometra  cauliflora,  Diospyros  stricta  etc.  Nur  an  den  Aesten  be- 
obachtete ich  die  Erscheinung  bei  Jonesia  minor,  Epicharis  sericea,  Flacourtia 
inermis,  Evodia  Batjan,  Actinodaphne  sp. ,  Kibara  coriacea,  Saurauja 
nudiflora. 

Natürlich  ist  es  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  die  Arten  der  ersten 
Reihe  gelegentlich  auch  an  alten  Aesten  Blüthen  erzeugen  und  umgekehrt 
Constant  halte  ich  das  bezügliche  Verhalten  nur  für  die  beiden  Saurauja« 
Arten,  die  ich  in  zahlreichen  Exemplaren  untersuchte. 

An  Stamm  und  Aesten  zugleich  fand  ich  das  Durchbrechen  der  Rinde 
durch  Blüthen  bei  Theobroma  Cacao,  Crescentia  Cujete,  Artocarpus  integri- 
folia,  Covellia  lepicarpa,  Sterculia  rubiginosa,  Oreocnide  major,  Diospyros  sp., 
Averrhoa  Bilimbi  etc.  Sehr  eigenartig  ist  die  Cauliflorie  bei  Stelechocarpus 
Burahol,  einem  Bäumchen  aus  der  Familie  der  Anonaceen,  wo  die  weiblichen 


*)  Wo  keine  Autoren  erwähnt  sind,  handelt  es  sich  um  die  Namen  auf  den  Etiketten 
des  Botanischen  Gartens  zu  Buitenzorg. 


Fig.   181.     Ein  cauliflorer  Baum,  Parmentiera  cereifera,  in  Frucht. 

Nach  einer  Photographie. 


Cult.  auf  Ceylon. 


IV.  Immerfeuchte  tropische  Gebiete. 


361 


Blüthen  büschelförmig  aus  dicken  Warzen  des  Stammes  entspringen,  während 
die  kleineren  männlichen  aus  den  Achseln  kürzlich  abgeworfener  Blätter  der 
Zweige  hervorspriessen.  Bei  Taxotrophis  javanica  hingegen  fand  ich  die 
männlichen  Blüthen  entschieden  cauliflor,  die  weiblichen  dagegen  an  jungen 
Zweigen,  in  Blattachseln. 

Die  Cauliflorie  schliesst  entweder  die  Bildung  von  Blüthen  an  jungen 
Zweigen  aus,  —  wie  in  den  vorhin  zusammengestellten  Fällen,  —  oder 


\h&V- 


Fig.   182.     Kadsura   cauliflora.     Javanische   Liane   in   Frucht.     Nat.  Gr.      R.  Anheisser  del. 


die  Blüthen  können  sowohl  auf  der  alten  Rinde  wie  an  jungen  Zweigen 
auftreten.  Manchmal  stellt  die  Cauliflorie  sogar  nur  eine  gelegentliche 
Erscheinung  dar. 

Solche  nicht  ausschliesslichen  oder  gelegentlichen  Caulifloren  sind  z.  B. : 
Saurauja  pendula,  Ficus  cuspidata,  Capura  alata,  Medinilla  laurifolia,  Drimy- 
spermum  longifolium,  Oreocnide  major,  Sterculia  rubiginosa,  Brownea  coccinea  etc. 

Alle  möglichen  Uebergänge  verbinden  die  typische  Cauliflorie  mit 
der  Erzeugung  von  Blüthen  an  jungen  Zweigen.     So    sind  eine  Anzahl 


362 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Arten  nur  an  relativ  noch  jungen  Aesten  cauliflor,  z.  B.  Flacourtia 
inermis,  Evodia  Batjan.  In  anderen  Fällen  zeigen  sich  die  Blüthen  an 
der  entblätterten  Basis  von  Laubtrieben,  deren  oberer  Theil  Blätter 
trägt,  z.  B.  bei  Lasianthus-Arten,  Goniothalamus  Tapis,  Gonocaryum 
myrospermum.  Bei  verschiedenen  krautigen  Gewächsen  zeigen  sich  die 
Blüthen   nur  in   den   Achseln    abgeworfener  Blätter,    so    bei   Campelia 


Fig.  183.     Ficus  „Minahassae."     Cauliflor.     Botanischer  Garten  zu  Buitenzorg. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  Treub. 


marginata,  Agalmyla  staminea,  Cyrtandra  nemorosa.  Nach  Johow  treten 
die  Blüthen  bei  verschiedenen  Sapotaceen  nur  an  zweijährigen,  ent- 
blätterten Zweigtheilen  auf. 

Die  räumliche  Trennung  der  vegetativen  und  reproduktiven 
Functionen  —  denn  um  eine  solche  handelt  es  sich  hier  —  zeigt  sich 
noch  auffallender,  als  in  der  eigentlichen  Cauliflorie,  da  wo  besondere, 
unbelaubte  oder  sehr  schwach  belaubte  aus  dem  Stamme 


IV.  Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  363 

und  den  dicksten  Aesten  entspringende  Zweige  allein 
fertil  sind,  während  die  Krone  rein  vegetativ  bleibt.  Solche  Zweige 
umhüllen  z.  B.  lianenartig  den  hohen  Stamm  von  Couroupita  guianensis 
und  tragen  die  kopfgrossen  kugeligen  Früchte. 

Bei  Ficus  „sp.  Minahassae",  (Fig.  183)  entspringen  aus  dem 
Stamm  und  den  dicksten  Aesten  dünne,  ruthenartige  schuppenblätterige 
Zweige,  an  welchen  kleine  Feigen  köpfchenartig  gruppirt  sind.  Bei 
Ficus  rhizocarpa  entspringen  solche  Zweige  nur  dicht  am  Boden.1)  Bei 
der  von  Eichler  näher  untersuchten  Anona  rhizantha  sind  die  fertilen 
Zweige  an  ihrer  Basis  unterirdisch  und  ragen  nur  mit  den  blühenden 
Spitzen  aus  dem  Boden  hervor. 

Warum  die  Cauliflorie  so  viel  häufiger  in  den  Tropen  als  in  den 
temperirten  Zonen  auftritt,  ist  häufig  erörtert  und  gewöhnlich  mit  den 
Bedingungen  der  Bestäubung  in  Zusammenhang  gebracht  worden.  Mir 
erscheint  es  am  wahrscheinlichsten,  dass  sie  auf  die  schwächere  Ent- 
wickelung  oder  geringere  Zähigkeit  der  Rinde  zurückzufuhren  ist.  Dafür 
spricht  auch  der  Umstand,  dass  sie  in  trockenen  Gebieten,  wo  die 
Rinde  eine  beträchtliche  Entwicklung  und  grossen  Faserreichthum 
erhält,  sehr  selten  ist. 

§  7.  Saprophyten  und  Parasiten.  Saprophytische  Pilze  scheinen 
im  Humus  tropischer  Regenwälder,  wenn  Alf.  Möller's  Beobachtungen 
in  Süd-Brasilien  allgemeine  Geltung  beanspruchen  dürfen,  noch  reich- 
licher als  in  unseren  Wäldern  zur  Entwicklung  zu  gelangen.  „Nie- 
mals", sagt  der  genannte  Forscher,  „drängt  sich  uns  das  Wirken  des 
zwischen  Thier-  und  Pflanzenreichs  mitten  innen  stehenden  Pilzreichs 
so  unmittelbar  auf,  wie  hier  im  tropischen  Walde,  wo  die  dauernde 
Feuchtigkeit  und  Wärme  fortwährend  jene  Organismen  in  einem  Grade 
zur  äusseren  Erscheinung  ruft,  wie  er  bei  uns  nur  ausnahmsweise, 
nach  warmen  Regentagen  erreicht  wird."2) 

Dennoch  tritt,  wie  früher  erwähnt  wurde,  die  saprophytische  Pilz- 
vegetation der  Tropenwälder  weit  weniger  in  die  Augen,  als  in  den 
kühlen  Wäldern  höherer  Breiten,  indem  sie  sich  ganz  vorwiegend  aus 
kleinen  bis  mikroskopischen  Formen  zusammensetzt  und  wenige  grosse 
Hutpilze  aufweist.  Dass  es  aber  an  sehr  auffallenden  und  grossen 
Pilzgestalten  unter  den  tropischen  Humusbewohnern  nicht  fehlt,  hat 
Alf.  Möller  in  seinen  mycologischen  Beiträgen  aus  Süd  -  Brasilien 8) 
nachgewiesen. 

Die  phanerogamischen  Saprophyten  sind  der  Artenzahl  nach  weit 
zahlreicher  zwischen   den  Wendekreisen   als   ausserhalb   derselben  und 


*)  Beide  Arten  beobachtete  ich  in  Buitenzorg. 
«)  I.  S.  3. 

*)  n— iv. 


364  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

ganz  vorwiegend  Bewohner  der  feuchtesten  und  schattigsten  Regen- 
wälder. Jedoch  spielen  sie  auch  dort  für  das  Auge  niemals  eine  hervor- 
tretende Rolle,  was  allerdings  theilweise  damit  zusammenhängt,  dass  die 
häufigsten  Arten  meist  sehr  klein  und  zart  sind,  so  dass  sie  auch  bei 
grosser  Anzahl  wenig  in  die  Erscheinung  treten.  Die  wenigen 
grösseren  Formen  —  solche  von  der  Grösse  unserer  Neottia  und  sogar 
von  Monotropa  sind  dazu  zu  rechnen  —  kommen,  soweit  meine  Be- 
obachtungen reichen,  nur  vereinzelt  vor,  während  manche  der  kleinen 
gesellig  wachsen  und  strichweise  reichlich  auftreten,  wie  die  Orchidee 
Wullschlägelia  aphylla  und  die  Burmanniacee  Apteria  setacea  auf 
Dominica,  die  Gentianacee  Voyria  trinitatis  auf  Trinidad,  die  nicht  ganz 
chlorphyllfreie  Lecanorchis  javanica  und  Burmannia  (Gonyanthes)  Candida 
auf  Java.  Doch  sind  das  vereinzelte  Vorkommnisse.  Ich  bin  oft  stunden- 
lang durch  den  tropischen  Regenwald  in  Amerika  und  Java  gestreift, 
ohne  einen  einzigen  phanerogamischen  Saprophyten  zu  erblicken. 

Die  Saprophyten  des  tropischen  Regenwaldes  kommen  sowohl  auf 
festem,  vorwiegend  mineralischem,  aber  von  Humuslösungen  durch- 
tränktem  Mineralboden  als  auf  lockerem  wenig  zersetztem  Mull  vor  und 
auf  noch  zusammenhängenden,  wenn  auch  faulenden  Stämmen  und  Aesten. 
So  fanden  wir  auf  Dominica  Burmannia  capitata  auf  verwesenden  Stämmen 
und  Aesten  und  mein  einziger  Fundort  des  Epipogon  nutans  auf  Java  war 
ein  faulender  Baumstrunk,  der  in  Deutschland  bei  mir  die  Vorstellung 
von  Buxbaumia  indusiata,  aber  niemals  diejenige  einer  saprophytischen 
Orchidee  geweckt  haben  würde.  Ich  fand  aber  in  diesem  Baumstrunk, 
dicht  bei  einander  wie  in  einem  Neste,  an  zwanzig  Exemplare  des 
merkwürdigen  Epipogon  in   den  verschiedensten  Entwickelungsstadien. 

Mit  den  Holoparasiten  verhält  es  sich,  was  das  für  das  unbewaffnete 
Auge  sichtbare  Auftreten  betrifft,  nicht  viel  anders  als  mit  den  Sapro- 
phyten, doch  sind  es  häufiger  stattliche  Formen.  So  begegnete  ich 
viel  mehr  grossen  parasitischen  Polyporeen  auf  Bäumen  als  grossen 
Humuspilzen.  Unter  den  phanerogamischen  Parasiten  sind,  wie  unter 
den  Saprophyten,  gesellig  wachsende  Arten  häufig.  Dieses  gilt  z.  B. 
im  hohem  Maasse  von  der  javanischen  Balanophora  elongata,  doch 
kenne  ich  dieselbe  nur  aus  den  hohen  Gebirgsregionen ,  oberhalb  des 
tropischen  Klima.  Dicht  gedrängten  Himbeeren  gleich  sahen  wir  in 
den  dunkelen  Regenwäldern  des  Inneren  von  Trinidad  die  braunrothen 
Blüthenstände  der  Helosis  guyanensis  dem  sonst  nackten  Boden  ent- 
springen. 

Die  wunderbarsten  aller  Parasiten  sind  bekanntlich  die  malayischen 
Rafflesia- Arten,    in    erster  Linie  Rafflesia  Arnoldi    auf  Sumatra),   deren 


')  Auch  das  scharfe  Auge   des   ausgezeichneten  Kenners  des  javanischen  Waldes  Pa- 
ldang, wusste  in  solchen  Fällen  „weisse  Orchideen"  nicht  zu  entdecken. 


IV.   Immerfeuchte  tropische  Gebiete.  365 

Einzelblüthen  bis  1  m  im  Durchmesser  besitzen.  Selber  habe  ich  nur  die 
etwas  kleinere  R.Patma  an  natürlichem  Standorte  beobachtet  und  zwar  auf 
der  kleinen  südjavanischen  Insel  NoesaKambangan,  wo  sie  in  einem  aller- 
dings nicht  jungfräulichen,  jedoch  seit  vielen  Jahren  sich  selbst  überlassenen 
Walde  gesellig  wächst.  Ueber  Standort  und  Vorkommen  habe  ich  an  Ort 
und  Stelle  folgende  Notiz  geschrieben:  „Ist  der  schmale  Gürtel  des 
Strandwalds  überschritten,  so  gelangt  man  in  einen  dünnen,  mittelhohen 
Wald,  der  die  steinigen  Südabhänge  ununterbrochen  überzieht.  Beinahe 
ganz  ist  der  Boden  von  einer  krautigen  Aracee  von  ungefähr  Meter- 
höhe bedeckt.  An  den  Bäumen  hängen  die  ungeheuer  langen  Seile 
eines  Cissus,  die,  nach  Art  der  meisten  Lianen,  mit  ihrer  Basis  auf 
lange  Strecken  auf  dem  Boden  kriechen.  Diese  oft  viele  Meter  langen 
liegenden  Theile  der  Liane  sind,  wie  Junghuhn  bereits  richtig  angiebt, 
die  Träger  der  Parasiten.  Reihenartig  tragen  sie  die  bis  kopfgrossen 
Knospen  in  allen  Entwickelungsstadien ,  abwechselnd  mit  verfaulten, 
schwarzen  Blüthenresten  und  den  leeren  becherartigen  Wucherungen, 
welche  jetzt  verschwundenen  Blüthen  als  Matrix  dienten.  Die  einzige  voll- 
kommene Blüthe,  die  anscheinend  erst  seit  kurzem  geöffnet  ist,  besitzt 
eine  helle  tabakbraune  Färbung  und  verbreitet  einen  aasartigen  Ge- 
ruch. Insekten  sind  trotzdem  in  oder  an  der  Blüthe  nicht  sichtbar." 
(Februar   1890.) 

Nicht  innerhalb  des  Regenwaldes,  sondern  an  offeneren,  helleren 
Standorten  sind  mir  die  auffallendsten  Erscheinungen  tropischen  Parasiten- 
wachsthums  begegnet.  Besonders  merkwürdig  war  eine  Landschaft  auf 
der  westindischen  Insel  Grenada,  welche  durch  Cuscuta  americana  ganz 
beherrscht  war;  die  meisten  Bäume  waren  vollständig  von  einem 
leuchtend  gelben  Schleier  überzogen,  der  ringsum  bis  zum  Boden  herunter- 
hing und  Sträucher  und  Kräuter  bis  zu  den  nächsten  Bäumen  ver- 
deckte. Massenhaft  treten  auch  an  vielen  Stellen ,  z.  B.  auf  Java  und 
besonders  auf  den  benachbarten  Tausend -Inseln,  Cassytha- Arten  als 
rother  bis  gelbgrüner  Filzüberzug  von  Holzgewächsen  und  Kräutern  auf. 

Cuscuta  enthält  ein  wenig  Chlorophyll,  Cassytha  bedeutend  mehr. 
Die  Reihenfolge  fuhrt  zu  den  belaubten  Hemiparasiten ,  die  in  den 
Tropen  nur  durch  Loranthaceen,  aber  durch  zahlreiche  Arten  in  mehreren 
Gattungen  vertreten  sind.  Den  Epiphyten  untermischt,  von  welcher 
sie  sich  nur  in  den  Wurzeln  unterscheiden,  tragen  sie  zu  der  Ueppig- 
keit  der  das  Geäst  der  Bäume  bedeckenden  Vegetation  bei  und  manche 
von  ihnen  entfalten  eine  grossartige  Blüthenpracht. 


366  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Allgemeine  Oekologie  der  Regenwälder. 

Berg,  A.   Physionomy  of  tropical  Vegetation  in  South  -  America  etc.  14  plates. 

London  1854. 
Brandis,  D.     I.  Suggestions  regarding  forest   administration   in   the  Madras 

Presidency.     Madras  1883. 

—  II.    Der   Wald   des   äusseren   nord  -  westlichen   Himalaya.     VerhandL    des 

naturh.  Vereins  der   preuss.  Rheinlande  und  Westphalens.     Bd.  42.  s.  d. 

—  IIL  The  forest-flora  of  north- west  and  Central  India.  Mit  Atlas.  London  1874. 
Engler,  A.     Die  Pflanzenwelt  Ost- Afrikas  und  der  Nachbargebiete.    Deutsch 

Ost- Afrika.     Bd.  V.     1895. 
Haberlandt,  G.     Eine  botanische  Tropenreise.     Leipzig  1893. 
Hook  er,  J.  D.     Himalayan  Journals.     London  1854. 
Hooker,   J.   D.   and   Thomson.     Introduct    essay  to    the  Flora   Indica. 

London  1855. 
Humboldt,  A.  v.     I.  Ansichten  der  Natur. 

—  II.  Reise  nach  den  Aequinoctialgegenden. 

Junghuhn,  Fr.  Java,  seine  Gestalt,  Pflanzendecke  und  innere  Bauart 
Deutsch  von  Hasskarl.     Bd.  I.     1852. 

Kittlitz.  Vierundzwanzig  Vegetationsansichten  von  Küstenländern  und  In- 
seln des  stillen  Oceans.     1850 — 1852. 

Kurz,  S.  Preliminary  report  on  the  forest  and  other  Vegetation  of  Pegu. 
Calcutta  1875. 

Marti us,  C.  F.  P.  von.  I.  Die  Physiognomie  des  Pflanzenreiches  in  Brasilien. 
München  1824. 

—  II.   Tabulae  physiognomicae.    Flora  brasiliensis  I — IX.     1840  bis  1847. 
Möller,  A.     Aus  dem  südbrasilianischen  Urwalde.    Forstliche  Blätter.    1891. 
Pechuel-Loesche.     Die   Loango  -  Expedition.     Dritte   Abtheilung.     Erste 

Hälfte.     Leipzig  1882. 

Popp  ig.     Reise  in  Chile,  Peru  und  auf  dem  Amazonenstrome.     2  Bde. 

Saint-Hilaire,  A.  de.  Tableau  de  la  vdg&ation  primitive  dans  la  pro- 
vince  de  Minas   Geraes.     Annales  des  sciences  naturelles.     1831. 

Schimper,  A.  F.  W.  Die  Gebirgswälder  Java's.  Forstlich -naturwiss.  Zeit- 
schrift.    1893. 

Wallace,  A.  R.  Die  Tropenwelt  nebst  Abhandlungen  verwandten  Inhalts. 
Deutsch  von  D.  Brauns.     Braunschweig  1879. 

Warburg,  O.  Vegetationsschilderungen  aus  Südost- Asien.  Engler's  Botan. 
Jahrbücher.     Bd.  XVII.     1893. 

Zollinger,  H.  Ueber  Pflanzenphysiognomik,  bes.  diej.  d.  Insel  Java.  Zürich 
1835. 

2.  Specielle  Oekologie  des  Tropenwaldes. 

B  r  o  w  n ,  R.    An  account  of  a  new  genus  of  plants,  named  Rafflesia.    Transact 

Linn.     Soc.  XIII.     1820. 
Drude,  O.     I.    Palmae.     Engler  -  Prantl.      Natürl.   Pflanzenfam.    IL    3.    (Mit 

Literaturverzeichniss.) 


Auswahl  der  Literatur.  367 

Drude,  O.     IL    Cyclanthaceae.     Ibid.     (id.) 
Eich ler.     Jahrb.  des  königl.  botan.  Gartens  zu  Berlin.     Bd.  IL 
Eng ler,   A.     I.   Triuridaceae.     Engler-Prantl.     Natürl.    Pflanzenfamilien.     II. 
1.  (id.) 

—  Araceae.     Ibid.     II.     3.  (id.) 

—  n.   Burmanniaceae.     Ibid.    IL    6.  (id.) 

—  III.   Loranthaceae.     Ibid.    III.     1.  (id.) 

—  IV.    Balanophoraceae.     Ibid.    (id.) 

Esser,  P.     Die  Entstehung  der  Blüthen  am  alten  Holze.     In.  Diss.     Bonn 

1887. 
Figdor,  W.     Ueber  Cotylanthera  Bl.     Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  tropischer 

Saprophyten.  Ann.  du  Jard.  bot  de  Buitenzorg  1896. 
Giesenhagen,  C.  Die  Hymenophyllaceen.  Flora  1890. 
Gilg,   E.      Vitaceae.      Engler   u.   Prantl.      Natürl.    Pflanzenfam.      III.    Theil. 

5  Abthl. 
Goebel,  K.     Ueber   epiphytische    Farne   und  Mnscineen.     Ann.    du   Jardin 

de  Buitenzorg.     Vol.  VII. 

—  II.   Die  Epiphyten.     Pflanzenbiologische  Schilderungen.     Bd.  IL     1893. 
Groom,    P.      I.    On   bud  -  protection   in   Dicotyledons.     Transactions  of  the 

Linnean  Society.     Vol.  HL     1893. 

—  n.    Contribution    to    the    knowledge    of   monocotyledonous   Saprophytes. 

Linnean  Society 's  Journal.     Botany.     Vol.  XXXI.     1895. 
Haberlandt,    G.     I.   Anatomisch-physiologische   Untersuchungen    über   das 
tropische  Laubblatt.     Drei  Theile.    Sitzb.  d.  Wiener  Akademie.    Bd.  CI. 
1892.    Bd.  Cin.     1894.    Bd.  CIV.     1894. 

—  II.   Eine  botanische  Tropenreise.     1893. 

Hieronymus,  G.  Santalaceae.  Engler-Prantl.  Natürl.  Pflanzenfam.  III.  1. 
(Mit  Literaturverz.) 

Huth,  E.  Ueber  stammfrtichtige  Pflanzen.  Berlin  1888.  (Mit  vielen  An- 
gaben aus  der  älteren  Literatur.) 

Johow,  Fr.  I.  Zur  Biologie  der  floralen  und  extrafloralen  Schauapparate. 
Jahrb.  des  k.  botan.  Gartens  zu  Berlin.     Bd.  III.     1884. 

—  II.    Die    chlorophyllfreien    Humusbewohner    West  -  Indiens.      Pringsheim's 

Jahrb.  für  wiss.  Botan.     Bd.  XVI.     1885. 

—  in.   Die  phanerogamen  Schmarotzerpflanzen.     Santiago  1890. 
Jungner.     Anpassungen   der   Pflanzen   an   das  Klima    in   den   regenreichen 

Gegenden  der  Kamerungebirge.     Bot.  Centralbl.     Bd.  47.     1891. 
Karsten,  G.    Untersuchungen  über  die  Familie  der  Chroolepideen.    Annales 
du  Jardin  de  Buitenzorg.     Vol.  X.     1891. 

—  II.    Morphologische  und  biologische  Untersuchungen  über  einige  Epiphyten- 

formen  der  Molukken.    Ann.  du  Jardin  de  Buitenzorg.    Vol.  XII.    1894. 

Koorders,  S.  H.  Ueber  die  Bltithenknospen-Hydathoden  einiger  tropischer 
Pflanzen.     S.  A.  aus  Ann.  du  Jardin  de  Buitenzorg.     1897. 

Koorders  en  Valeton.  Bijdrage  tot  de  Kennis  der  boomsoorten  van 
Java.    I — IV.    Batavia  1894 — 1897. 

Krasser,  Fr.  Melastomataceae.  Engler  u.  Prantl.  Nat.  Pflanzenfam.  III. 
7.    (Mit  Literaturverz.) 

Lindau,  G.     Acanthaceae.    Engler  u.  Prantl.    Natürl.  Pflanzenfam.    IV.    36. 

Martius,  Ph.  v.  Ueber  die  Vegetation  der  unechten  und  der  echten  Para- 
siten.    Münchener  Gel.  Anzeigen.     1842. 


2 68  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Mettenius.    Ueber  die  Hymenophyllaceen.    Abh.  d.  math.-phys.  Klasse  der 

kgl.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissensch.     Bd.  VII. 
Müller,  Fr.     I.   Notes    on   some    of  the    climbing   plants  near  Desterro  in 

South-Brazil.     Linnean  Soc.  Journ.     Vol.  IX. 

—  IL   Zweigklimmer.    Kosmos.     Bd.  VI.     1887. 

—  III.   Die  Keimung  einiger  Bromeliaceen.     Ber.  der  deutschen  botanischen 

Gesellschaft.     Bd.  XIII.     1895. 
Niedenzu,  F.     Malpighiaceae.  -Engler  u.  Prantl.     Natürl.    Pflanzenfamilien. 

IU.  Thl.     4  Abth. 
Petersen,  O.  G.    Musaceae,  Zingiberaceae,  Cannaceae,  Marantaceae.    Engler 

u.  Prantl.     Natürl.  Pflanzenfam.     II.    6 
P fitz  er,  E.     Orchidaceae.    Engler-Prantl.    Natürl.  Pflanzenfam.    II.    6.    (Mit 

Literaturverz.) 
Pott  er,   M.  C.     Observations    on   the   protection   of  buds   in    the  Tropics. 

Linnean  Society's  Journal.     Vol.  XXVIII. 
Prantl,  K.     Morphologie   der    Gefösskryptogamen.     Heft  I.     Leipzig  1875. 
Raciborski,  M.    Die  Schutzvorrichtungen  der  Blüthenknospen.    Flora  1895. 

Ergänzungsband.     81   Bd.     S.   178. 
Radlkofer,   L.     Sapindaceae.     Engler  u.  Prantl.      Natürl.  Pflanzenfamilien. 

III.  Thl.     5.  Abthl. 
Schenck,   H.      I.    Beiträge   zur   Biologie    und   Anatomie   der   Lianen,    im 

Besonderen    der   in   Brasilien   einheimischen   Arten.     I.   Theil.     Beitrage 

zur  Biologie  der  Lianen.     Botan.  Mittheil.  a.  d.  Tropen.    Heft  4.    Jena 

1892. 

—  IL   Beiträge  etc.     2ter  Theil.     Beiträge   zur  Anatomie  der  Lianen.     Ibid. 

Heft  5.     Jena  1893. 
S  c  h  i  m  p  e  r,  A.  F.  W.    I.   Ueber  Bau  und  Lebensweise  der  Epiphyten  West- 
indiens.     Botan.  Centralbl.     1884. 

—  II.    Die  epiphytische  Vegetation  Amerika's.    Botan.  Mittheil.  a.  d.  Tropen. 

Heft  II.     1888. 

—  III.   Ueber  Schutzmittel  des  Laubs   gegen  Transpiration  etc.     Sitzungsber. 

d.  Berliner  Akademie-     Juli  1890. 
Schumann,   K.     Cactaceae.     Engler   u.    Prantl.     Natürl.    Pflanzenfam.     III. 
6.     (Mit  Literaturverz.) 

—  IL   Bignoniaceae.     Ibid.    IV.     3  b.    (id.) 

—  III.   Rubiaceae.     Engler  u.  Prantl.     Natürl.  Pflanzenfam.    IV.    4. 

So lms,  H.  G.  zu.     Rafflesiaceae.     In  Engler-Prantl  natürl.  Pflanzenfam.    III. 
1.    (Mit  Literaturverz.) 

—  II.  Pandanaceae.     Ibid.    II.    1.    (id.) 

Stahl,  E.     Regenfall  und  Blattgestalt.    Ann.  du  Jardin  botanique  de  Buiten- 
zorg.    Vol.  XL     1893. 

—  II.   Ueber  bunte  Laubblätter.    Ein  Beitrag  zur  Pflanzenbiologie  IL    Annales 

du  Jardin  botanique  de  Buitenzorg.     Vol.  XIII.     1896. 
Szyszylowicz,J.  v.    Marcgraviaceae.    Engler  u.  Prantl.    Natürl.  Pflanzenfam. 

III.    6.    (Mit  Literaturverz.) 
T  r  e  u  b ,  M.    I.    Jets  over  Knoppbedekking  in  de  Tropen.     Handelingen  van 

het    eerste  Nederlandsch.     Nat    en    Geneeskundig    Congres,   Amsterdam 

1887.     (Ref.  Bot.  Centralbl.    Bd.  35.    p.  328.     1887.) 

—  II.    Sur  une  nouvelle  categorie  de  plantes  grimpantes.     Annales  du  Jard- 

botan.  de  Buitenzorg.     Vol.  III.     1882. 


Auswahl  der  Literatur.  369 

Treub,  M.    III.  Observations  sur  les  plantes  grimpantes  du  jardin  botanique 

de  Buitenzorg.     Ibid.     1883. 
—  IV.    Les  bourgeons    floraux    du   Spathodea   campanulata  Beauv.     Annales 

du  Jardin  botanique  de  Buitenzorg.     1889. 
Warburg,  O.     Begoniaceae.     Engler  u.  Prantl,  Natürl.  Pflanzenfam.    III.    6. 

(Mit  Literaturverz.) 
Went,  F.  A.  F.  C.     Ueber  Haft-    und  Nährwurzeln    bei  Kletterpflanzen  und 

Epiphyten.     Ann.  du  Jard.  de  Buitenzorg.     Vol.  XII.     1893. 
Wiesner,   J.      Zur   Physiologie   von   Taeniophyllum   Zollingeri.     Sitzb.    der 

Kais.  Akad.  zu  Wien.     Bd.  CVI.     Abth.  I.     1897. 
Wittmack,   L.     Bromeliaceae.     Engler- Prantl ,    Natürl.    Pflanzenfam.     II.    3. 

(Mit  Literaturverz.) 


Schi m per,  Pflanzengeographie.  24 


V.  Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten 
Trockenzeiten. 

1.  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  der  Vegetation  periodisch  trockener 
Tropengebiete.  Formationen.  Xerophile  Bäume.  Xerophile  Sträucher.  Lianen.  Epiphyten. 
2.  Die  Gehölzformationen  der  periodisch  trockenen  Tropengebiete.  §  i.  All- 
gemeines. Veränderung  der  Gehölzvegetation  beim  allmählichen  Uebergang  aus  immer- 
feuchten in  periodisch  trockene  Gebiete.  Haupttypen  der  Gehölze:  Monsunwald,  Savannen- 
wald, Dornwald.  —  §  2.  Die  tropophilen  und  xerophilen  Gehölze  Indiens, 
Die  Waldvegetation  in  Pegu  nach  F.  Kurz.  Die  Wälder  von  Tectona  grandis  in  Ost- Java.  — 
§3.  Die  Gehölze  des  tropischen  Ost-Afrika.  Engler's  Darstellung  der  Formationen. 
—  §4.  Tropophile  und  xerophile  Gehölze  im  tropischen  Amerika.  Savannen- 
wälder in  Venezuela.  Die  Dorngebüsche  (Caatingas)  Brasiliens.  Dorngebüsch  auf  Kalk- 
hügeln in  Minas  geraes.  3.  Die  tropischen  Grasflurformationen.  §  I.Allgemeiner 
Charakter  der  Savannen.  — •§  2.  Afrikanische  Savannen.  Die  Savannen  an 
der  Loango- Küste  nach  Pechuel  -  Lösche.  Der  Baobab.  Ostafrikanische  Savannen  nach 
H.  Meyer  und  nach  Engler.  —  §  3.  Amerikanische  Savannen.  Die  Llanos.  Die 
Campos  Brasiliens,  nach  Warm  in g. 


1.  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  der  Vegetation  periodisch 
trockener  Tropengebiete. 

Die  Tropengebiete  mit  mehrmonatlicher  ausgeprägter,  einfacher 
oder  doppelter  Trockenzeit  nehmen  namentlich  das  Innere  der  Con- 
tinente  ein  und  bedecken  weit  grössere  Areale,  als  diejenigen  mit 
immerfeuchtem  Klima.  Ihre  Vegetation  erreicht  nirgends  die  Ueppig- 
keit  des  Regenwalds  und  trägt  überhaupt  den  Stempel  minder  günstiger 
Bedingungen.  Die  trockenen  Perioden  bringen  ökologisch  die  Vege- 
tation der  Tropen  derjenigen  der  winterkalten  Zonen  näher,  indem 
sowohl  Kälte  wie  Mangel  an  Niederschlägen  physiologische  Trockenheit 
des  Bodens  bedingt. 

Während  die  immerfeuchten  Gebiete  vom  immergrünen  Regen- 
walde gleichmässig  überzogen  sind,  bieten  die  periodisch  trockenen  ein 


V.    Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  371 

viel  bunteres  Vegetationsbild,  indem  kleine  Unterschiede  des  Klimas 
einen  raschen  Wechsel  des  Formationstypus  bedingen  und  edaphische 
Einflüsse  weit  mehr  zur  Geltung  kommen,  als  wo  der  Boden  immer 
feucht  ist. 

Die  in  der  nassen  Jahreszeit  sehr  regenreichen  Gebiete  sind,  auch 
bei  sehr  ausgeprägten  mit  grosser  Hitze  verbundenen  Trockenzeiten, 
von  üppigen  Wäldern  bedeckt,  deren  Bäume  ihr  hygrophiles  Laub 
während  der  Trockenzeit  verlieren  und  bei  Beginn  oder  unmittelbar 
vor  Beginn  der  Monsunregen  erneuern,  während  sie  im  Uebrigen  nur 
xerophile,  gegen  Trockenheit  wohl  geschützte  Organe  besitzen.  Wir 
haben  solche  tropophile  Wälder,  deren  abwechselnd  hygrophiler  und 
xerophiler  Charakter  durch  die  Monsune  regulirt  wird,  Monsunwälder 
genannt.1)  Die  weniger  regenreichen  Gebiete  sind,  je  nach  dem  Charakter 
ihres  Klimas,  von  xerophilen  Gehölzen  (Savannenwälder,  Dornwälder, 
Dorngebüsche)  oder  von  Grasfluren,  meist  des  Savannentypus,  einge- 
nommen. Noch  grössere  Trockenheit  bringt  Wüstencharakter.  Die 
tropischen  Wüsten  sollen  im  Zusammenhang  mit  den  temperirten  be- 
sprochen werden.  2) 

Die  ökologische  Physiognomie  der  Vegetation  ist  in  den  periodisch 
trockenen  Gebieten  eine  ganz  andere  als  in  den  immerfeuchten,  nament- 
lich wenn  wir  den  letzteren  die  überhaupt  niederschlagsarmen  Gebiete 
mit  zu  jeder  Zeit  xerophiler  Vegetation  gegenüberstellen.  Hier  hat 
die  namentlich  hoch  wachsende  Gewächse  bedrohende  Gefahr  des  Ver- 
trocknens  zur  Entstehung  hochgradig  xerophiler  Bäume  geführt, 
eines  höchst  eigenartigen  Baumtypus,  der  sich  namentlich  in  Savannen 
und  in  Dornwäldern  in  charakteristischer  Ausbildung  zeigt. 

Structur  und  Lebensbedingungen  der  tropischen  xerophilen  Bäume, 
deren  Analoga  bei  uns  gänzlich  fehlen  und  sich  erst  im  Mittelmeergebiet 
in  schwacher  Ausbildung  zeigen,  sind  näherer  Untersuchung  sehr  be- 
dürftig. 

Pechuel-Lösche  entwirft  von  den  Bäumen  der  westafrikanischen 
Savanne  folgendes  anschauliche  Bild: 

„Viele  dieser  Charaktergewächse  entwickeln  sich  bloss  als  knorrige 
und  verkrüppelte  Sträucher  oder  Zwergbäumchen ,  manche  aber  auch 
als  stattliche  Bäume,  einige  Arten  gehören  sogar  zu  den  Riesen  des 
Pflanzenreichs.  Allen  aber  ist  das  gemeinsam,  dass  sie  nur  in  der 
offenen  Landschaft,  in  der  sonnenhellen,  wohldurchlüftetf n  und  trockenen 
Grasflur  gedeihen;  dass  sie  wohl  stellenweise  sich  zu  lichten  Hainen 
vereinigen  und  den  räumen  Beständen  von  Eichen  auf  unseren  Hutungen 
gleichen   können,   aber  dennoch   niemals    waldbildend    auftreten.      Sie 


»)  Vgl.  s.  281. 

*)  Vgl.  im  zweiten  Abschnitt  das  Kapitel  über  die  Wüsten. 

24* 


372 


Erster  Abschnitt:  Die  tropischen  Zonen. 


ersticken  vielmehr  rettungslos  im  Schlüsse  des  vollwüchsigen  Waldes 
und  finden  sich  darum  weder  in  den  Galeriewäldern  noch  in  den 
Regen  Wäldern.  Wohl  aber  trifft  man  sie  nicht  selten  an  den  Rändern 
der  Savanne  an,  da,  wo  die  Grasflur  beginnt.*' 

Der  Mehrzahl  nach  sind  die  Bäume  der  xerophilen  Gehölze  und 
der  Savannen  niedrig,  mit  relativ  dickem  Stamme,  der  von  einer  äusserst 
mächtigen,   rissigen  Borke   bedeckt  zu   sein   pflegt,   manchmal  ist   die 

Krone    stockwerkartig 
■      gegliedert    (Fig.   184), 
viel       häufiger       aber 
schirmartig  ,  sogar 

nahezu  scheibenartig 
abgeplattet  (Fig.  185). 
Schirmbäume  tre- 
ten in  allen  Be- 
schreibungen der 
Savannen  und  lich- 
ten Waldforma- 
tionen  derTropen 
auf.  Ich  habe  sie  in 
den  Savannen  Vene- 
zuela^ die  Physiogno- 
mie der  Vegetation 
beherrschen  und  in 
den  später  zu  schildern- 
den alpinen  Savannen 
Java's  wieder  auftreten 
sehen,  Warnung  bildet 
sie  für  die  Campos 
Brasiliens,  —  allerdings 
in  weniger  regelmäs- 
sigen Formen ,  ab. 
Hans  Meyer  sagt  von 
den  ostafrikanischen 
Savannen:'4  Mag  der 
Baum  einen  Einzel- 
1  stamm  haben  oder  sich 

strauchartig  unmittelbar  über  dem  Boden  verzweigen,  in  jedem  Falle 
strebt  er  zunächst  möglichst  in  die  Höhe,  um  sich  dann  wagerecht, 
wie  ein  Pilz  oder  Schirm,  auszubreiten.  Oben  ist  er  immer  flach,  wie 
abgeschnitten.  Tausende  und  abertausende  dieser  meist  graubraunen 
Baumschirme,  zerstreut  über  die  vom  rothen  Boden  durchleuchteten, 
während   der   längsten  Jahreszeit  braunen  Grasflur  verleihen  der  Land- 


Fig.   184.     Bombax    malabaricum ,  in  der  trockenen  Jahres- 
zeit, Früchte  tragend.     Ceylon.     Nach  einer  Photographie. 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


373 


schaft  eine  eigenartige  Physiognomie". *)  Brandis  erwähnt  als  charak- 
teristisch für  die  offenen,  trockenen  Gebüschformationen  Süd -Indiens 
„Acacia  planifrons,  genannt  umbrella-thorn,  (Fig.  126),  weil  ihre  Krone 
aus  einer  Masse  verschlungener,  knotiger  Aeste,  Dornen  und  zart- 
gefiederter  Blättern  bestehend,  sich  auf  dem  Gipfel  des  Stammes  in 
Form  eines  Regenschirmes  ausbreitet."    Dass  die  Schirmform  eine  An- 


Fig.   185.  Aus  der  ostafrikanischen  Savanne.     Schirmakazie.     Nach  Engler. 


passung  an  das  Klima  darstellt,  geht  daraus  hervor,  dass  sie  sich  unter 
gleichen  äusseren  Bedingungen  zeigt,  bei  Vertretern  sehr  verschiedener 
Familien,  so  bei  Mimosaceen,  Caesalpiniaceen  (Cassia),  Burseraceen, 
Myrtaceen    etc.     Als    Schutzmittel    gegen    übermässige    Transpiration, 


l)  Engler,  S.   58. 


374  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

wie  man  es  in  einer  offenen  xerophilen  Formation  erwarten  würde, 
erscheint  solches  Ausbreiten  des  Laubes  höchst  ungeeignet.  Als  Schutz- 
mittel gegen  die  mechanischen  und  trocknenden  Eigenschaften  des 
Windes  ist  sie  im  Gegentheil  zweckentsprechend,  indem  sie  den  Angriffen 
des  letzteren  die  schmale  Kante  bietet.  Dass  ein  solcher  Schutz  aber 
in  den  offenen  Gefilden  der  Savannen  wie  auf  dem  Hochgebirge  von 
Nöthen  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Aehnliches  gilt  von  den  Etagenbäumen, 
(Terminalia  Katappa,  Bombax  malabaricum  u.  a.),  die  ich  ebenfalls  nur 
an  offenen  Standorten  und  in  ganz  lichten  Gebüschen  gesehen  habe. 
Vieles  spricht  dafür,  und  bereits  Reiche  hat  es  ausgesprochen,  dass 
solche  Schirmgestalten  im  Kampf  gegen  den  Wind  als  Schutzmittel 
entstanden  sind,  doch  können  allein  Experimente  zur  Entscheidung  fuhren. 
Die  xerophilen  Bäume  der  Tropen  sind  meist  trockenkahl ;  ihr  Laub 
ist,  trotzdem  nur  in  der  Regenzeit  vorhanden,  meist  derb  und  mit 
ausgeprägten  Schutzmitteln  gegen  Transpiration  versehen.  Gefiederte 
Blätter   sind   besonders   häufig  und   durch   ihre   Beweglichkeit,   welche 


Fig.  1S6.    Aus  den  brasilianischen  Campos.   Xerophile  Laubknospen.    Links:  Myrcia  longipes ; 
Mitte:  Eugen ia  Jaboticaba;  Rechts:  Eugenia  dysenterica.     Nach  Wanning. 

ihnen  die  jemalige  vortheilhafteste  Lage  ermöglicht,  den  klima- 
tischen Bedingungen  besonders  entsprechend.  Immergrüne  Bäume 
hingegen  haben  gewöhnlich  einfache,  oft  stark  behaarte  Blätter,  welche 
in  manchen  Fällen  derart  verkieseln,  dass  sie  blechartige  Consistenz 
annehmen  und  im  Winde  metallisch  rasseln,  (z.  B.  die  Proteacee 
Rhopala  complicata,  ein  Charakterbaum  der  Llanos).  Die  Laubknospen 
sind  mit  einer  ebenso  starken  oder  noch  stärkeren  schützenden  Schuppen- 
hülle versehen,  als  bei  den  Bäumen  der  temperirten  Zonen.  Nur  die 
Blüthen  scheinen  eines  entsprechenden  Schutzes  zu  entbehren,  und  be- 
sitzen sogar  oft  grosse ,  zarte  Kronen,  obwohl  sie  sehr  häufig  auf  der 
Höhe  der  Trockenzeit  zur  Entfaltung  kommen  und  dafür  sowie  zur 
Transpiration  beträchtliche  Wassermengen  beanspruchen. 

Die  Masse  des  Holzes  ist  im  Vergleich  zu  derjenigen  des  Laubes 
eine  stärkere,  als  bei  den  hygrophilen  Bäumen  und  die  Rinde  ist 
häufig  von  einer  mächtigen,  schuppigen  Borke  überzogen  (Fig.   187). 

Ausser  den  eben  besprochenen  Schutzvorrichtungen  gegen  Trocken- 
heit, welche  in  ähnlicher  Ausbildung  auch  bei  Xerophyten  hoher  Breiten 


V.    Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


375 


vorkommen,  giebt  es  unter  den  tropischen  Holzgewächsen  Fälle  be- 
sonderer und  sehr  eigenartiger  Anpassung.  So  verdanken  manche 
Bäume  der  Tropen  die  Fähigkeit,  in  sehr  trockenen  Ge- 
bieten nicht  nur  fortzukommen,  sondern  stattliche  bis 
riesige  Dimensionen  zu  erreichen,  dem  Umstände,  dass 
sie  für  die  Trockenzeit  grosse  Wasservorräthe  an- 
sammeln. Zu  diesen  Bäumen  gehört  der  mächtige  Baobab  der 
Savannen  Afrika's  (Adansonia  digitata),  der  nachher  besprochen  werden 
soll,  ferner  die  wunderbaren  Fassbäume  (Cavanillesia  arborea  (W.) 
K.  Schum.  u.  a.  Bombaceen)  der  lockeren  Dorngebüsche  des  Inneren 
Brasiliens,  deren  bis  5  m  dicker  tonnenartig  angeschwollener 
Stamm  (Fig.  193)  als  Wasserbehälter  dient,  ferner  Spondias  tuberosa 
(Anacardiacee)  derselben  Wälder,  bei  welcher  knollenartige  Wurzel- 
anschwellungen sich  mit  Wasser  füllen. 
Endlich  kommen,  im  Gegensatz  zu  den 
Regenwäldern  und  zu  den  Monsun- 
wäldern, baumartige  Succulenten  in  den 
xerophilen  Gehölzen,  namentlich  in  den 
Dornwäldern,  häufig  vor,  vornehm- 
lich Arten  von  Cereus  im  tropischen 
Amerika  (Fig.  128)  und  solche  von 
Euphorbia   (Fig.   198)  in  Afrika. 

Die  Sträucher  der  Savan- 
nen sind  nicht  weniger  xerophil  als 
die  Bäume.  Ihre  unterirdischen  Theile 
sind  im  Vergleich  zu  den  oberirdischen 
mächtig  entwickelt  und  bilden  manch- 
mal ein  so  mächtiges  Gerüst  dicker  ver- 
holzter Axen,  dass  man  einige  derselben, 

wie  Andira  laurifolia  und  Anacardium  humile  der  Campos,  mit  Lund  und 
Liais  als  unterirdische  Bäume  bezeichnen  möchte.  Bei  der  Andira  z.  B. 
(Fig.  188)  nimmt  das  aus  armsdicken  Aesten  bestehende  Rhizomsystem 
manchmal  ein  Areal  von  zehn  Metern  im  Durchmesser  ein ,  während 
die  oberirdischen  Laubäste  dünn  und  höchstens  ein  Meter  hoch  sind. 
Solche  unterirdische  Axen  scheinen  als  Wasserbehälter  zu  dienen,  ebenso 
wie  die  knolligen  holzigen  Rhizome,  welche  zahlreichen  kleinen  Sträuchern 
und  Halbsträu ehern  der  Campos  zukommen  (Fig.  203,  204). 

Dünne  Holzlianen  kommen  in  den  xerophilen  Gehölzen,  namentlich 
in  den  Dornwäldern  vor,  dagegen  gehen  sie  den  Savannen  ab ;  man  findet 
in  den  letzteren  vielmehr,  z.  B.  in  den  Campos  Brasiliens,  aufrechte 
Sträucher  aus  Familien  und  Gattungen,  die  sonst  nur  kletternde  Formen 
aufzuweisen  haben.  Schenck  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  manche 
dieser  Sträucher   sich   von  Lianen   abgeleitet   haben   und  als  Rückkehr 


Fig.   187.    Aus  den  brasilianischen  Cam- 
pos.   Querschnitt  durch  den  Stamm  von 
Sweetia  dasycarpa.      Nach  Warming. 


376 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


zum  aufrechten  Wuchs  aufzufassen  sind.1)  Ebenso  gehen  sie  den  niederen 
Gesträuchformationen  des  nördlichen  Brasiliens  ab.  In  den  Savannen- 
wäldern und  Dornwäldern,  in  welche  die  Savannen,  bezw.  die  Ge- 
sträuche bei  zunehmender  Feuchtigkeit  übergehen,  finden  sie  sich  zu- 
weilen in  geringer  Anzahl  und  schwacher  Entwickelung. 

Phanerogamische  und  farnartige  Epiphyten  sind  auf  den  Bäumen 
lichter  xerophiler  Gehölze  der  Savannen  äusserst  spärlich  vertreten  oder 
fehlen  ganz.  Sie  werden  reichlicher,  sobald  die  Bäume  näher  zusammen- 
rücken, und  mancher  Savannenwald  hat  keinen  geringen  Schmuck  an 
Bromeliaceen ,    Orchideen,    Cactaceen ,  Farnen  aufzuweisen.     Auch  epi* 


Fig.   188.     Aus  den  brasilianischen  Campos:  Andira  laurifolia.     Nach  Warming. 

phytische  Ficus-  und  vielleicht  Clusia-Arten  kommen  in  der  Savanne 
vor,  wo  sie  an  die  Palmen  gebunden  zu  sein  scheinen,  deren  persistirende 
Blattstielbasen  den  jungen  Pflanzen  als  Behälter  dienen  (Fig.  200). 
Allen  Epiphyten  solcher  trockenen  Formationen  ist  der  xerophile 
Typus  im  höchsten  Grade  aufgeprägt ;  alle  Schutzmittel  gegen  Wasser- 
verlust, alle  Mittel  zum  Auffangen  und  Aufbewahren  des  Regenwassers, 
die  wir  früher  kennen  lernten,  sind  bei  ihnen  besonders  stark  ent- 
wickelt. Dabei  sind  es  doch,  mit  Ausnahme  der  Feigen,  nur  kleine 
Formen. 


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Fig.    187.     Im  Monsunwalde,  Birniah.     Thonye  Reserve,  Thawawaddy. 

a  Cephalostachyum  pergracile,  b  Sterculia  sp. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  J.  W.  Oliver,  Conservator  of  forests. 


a  b  c 

ig.    188.     Tcctona  grandis,  a  erwachsener  Baum,   b  jung,    c  Doani,    d  Acacia  Catechu,   e  Blühende 
Bambusa.     Buet  Reserve,    Thawawaddy,  Birmah. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  J.  W.  Oliver,  Conservat.  of  forests. 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  $jj 

So  charakteristisch  diese  Epiphytenflora  der  xerophilen  Tropen- 
gebiete, so  vollkommen  sie  den  klimatischen  Bedingungen  der  letzteren 
angepasst  erscheint,  so  setzt  sie  sich  doch  ausschliesslich  aus  Arten 
des  Regenwaldes  zusammen.  Die  höchsten  Zweige  der  Urwaldbäume, 
diejenigen,  welche  das  Sonnenlicht  beinahe  unbehindert  erhalten,  sind 
die  Heimath  derSavannenepiphyten.  Von  da  aus  haben  sie  die  trockenen 
Ländereien  bevölkert. ') 


2.  Die  Gehölzformationen  der  periodisch  trockenen 
Tropengebiete. 

§  I.  Allgemeines.  Der  Unterschied  der  Vegetation  beim  Ueber- 
gang  aus  einem  immerfeuchten  tropischen  Gebiet  in  ein  zwar  regen- 
reiches, aber  periodisch  trockenes  erscheint  während  der  nassen  Jahres- 
zeit nur  gering,  während  er  sich  in  der  trockenen  namentlich  durch  die 
grosse  Zahl  entlaubter  Bäume  kundgiebt. 

Zeitweise  kahle  Bäume  treten  in  den  Regenwäldern  sehr  zurück 
und  werden  meist  gar  nicht  bemerkt,  um  so  mehr  als  ihre  Entlaubung 
und  Neubelaubung  häufig  in  keinem  Zusammenhang  mit  den  Jahres- 
zeiten steht.  Geht  man  hingegen  in  der  Trockenzeit  z.  B.  vom  immer- 
feuchten Westjava  nach  dem  während  des  Ostmonsuns  sehr  regenarmen 
Ost-Java,  so  zeigt  sich  das  Laub  stark  verdünnt,  indem  dasselbe  von 
manchen  Bäumen  ganz,  von  anderen  zum  Theil  abgeworfen  worden 
ist.  Zudem  genügen  kleine  Einflüsse  des  Bodens,  um  den  beinahe  ganz 
trockenkahlen  Tectona-Wald  hervorzurufen.  Das  Bild  ist  ein  ganz 
anderes,  als  während  der  sogenannten  Trockenzeit  in  Westjava,  wo  der 
Unterschied  der  Vegetation  zwischen  Westmonsun  und  Ostmonsun  im 
Tiefland,  z.  B.  bei  Buitenzorg,  zwar  wohl  sichtbar,  aber  wenig  ausgeprägt 
ist  und  im  Gebirge  beinahe  ganz  schwindet. 

Nördlich  von  der  Küstencordillere  in  Venezuela  sowie  innerhalb 
derselben,  im  feuchten  Thale  von  Caripe,  befand  ich  mich  während 
der  Trockenzeit  (Februar)  von  immergrünem,  dichtem  Regenwald  um- 
geben, während  südlich  von  der  Cordillere,  auf  der  Llanosseite,  der 
beinahe  nur  von  entlaubten  Bäumen  zusammengesetzte  lockere  Savannen- 
wald ein  winterliches  Bild  geboten  hätte,  wenn  nicht  viele  Bäume  und 
Epiphyten  in  voller  Blüthe  gewesen  wären. 

Die  periodisch  laubabwerfenden  tropischen  Wälder  und  die  niedrigen 
xerophilen  Gehölze  der  Tropen  sind  bisher  weit  weniger  untersucht 
worden  als  die  Regenwälder.  Doch  steht  es  fest,  dass  sie  grosse 
Mannigfaltigkeit  bieten.     Sie  bilden  meist,  ähnlich  wie  die  Regenwälder, 

!)  Vgl.  s.  217. 


378  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

gemischte  Bestände,  in  welchen  kaum  eine  Baumart  als  vorherrschend 
bezeichnet  werden  kann ;  zuweilen  jedoch  nimmt  eine  Art  die  Oberhand 
und  kann  sogar  nahezu  reine  Bestände  bilden,  wie  beispielsweise 
Tectona  grandis  in  Ost- Java.  In  Bezug  auf  Höhe  und  Wuchsart  der 
Bäume,  sowie  auf  Unterholz  und  krautige  Boden  Vegetation  giebt  es  zahl- 
reiche Modificationen ,  welche  seitens  der  indischen  Forstmänner  zur 
Aufstellung  zahlreicher  Typen  und  Untertypen  benutzt  worden  sind. 
Alle  lassen  sich  jedoch  zwanglos  auf  die  von  uns  unterschiedenen  Haupt- 
typen der  Monsunwälder,  Savannenwälder  und  Dornwälder, 
oder  auf  Zwischenformen  derselben,  zurückführen.1) 

§  2.  Die  tropischen  und  xerophilen  Gehölze  Indiens.  Kurz  hat 
die  periodisch  kahlen  Wälder  in  Pegu,  wo  dieselben  allerdings  ihre 
wechselnden  Eigenthümlichkeiten  nicht  bloss  dem  Klima,  sondern  auch 
im  hohen  Maasse  Einflüssen  des  Bodens  verdanken,  eingehend  ge- 
schildert. Den  immergrünen  Regenwäldern  kommen  diejenigen  laub- 
abwerfenden Bestände  physiognomisch  am  nächsten,  welche  Kurz  als 
gemischte  Wälder  (mixed  forests)  bezeichnet,  die  nach  unserer  Termino- 
logie zu  den  Monsunwäldern  gehören  und  in  Birmah  die  eigentliche 
Heimath  des  werth vollen  Teakbaums  (Tectona  grandis)  darstellen.  Hier 
sind  die  Bäume  im  Durchschnitt  70 — 80 ',  in  manchen  Gegenden  aber 
auch  120'  hoch  (upper  mixed  forests).  Sie  besitzen  geraden  Wuchs 
und  sind  vielfach  mit  Lianen  verbunden.  Ihre  Epiphyten  sind  wesentlich 
auf  die  Wipfel  beschränkt.  Manchmal  sind  die  Zwischenräume  von  hohem 
Bambusdickicht  ausgefüllt,  aber  die  strauchige  und  krautige  Vegetation, 
namentlich  der  Graswuchs,  tritt  stark  zurück  (Fig.   125  und   189). 

Andere  Wälder  Pegu's,  namentlich  diejenigen,  welche  Kurz  „offene4* 
(open  forests)  nennt,  vielleicht  auch  seine  „trockenen  Wälder"  (dry 
forests)  sind  xerophile  Nieder-  oder  höchstens  Mittelwälder  (30'  — 6or 
hoch),  die  zu  unserem  Typus  der  Savannenwälder  gehören.  Hier  ist 
der  Baumstand  locker;  Stämme  und  Aeste  sind  plump  und  knorrig, 
von  einer  reichen  Epiphytenflora  bedeckt.  Lianen  und  Sträucher  treten 
stark  zurück;  dagegen  ist  der  Boden  von  einem  aus  Gräsern  und  Stauden 
oder  von  ersteren  allein  bestehenden  Rasen  überzogen. 

Kurz  unterscheidet  zwei  Formen  seiner  „mixed  forests",  „upper"  und 
„lower  mixed  forests".  In  ersteren  ist  der  Baumwuchs  höher  als  in  den 
letzteren,  aber  weniger  mannigfach.  Grosse  Bambusen  spielen  in  den  „upper 
mixed  forests"  eine  wichtige  Rolle  (Fig.  189);  Teak  ist  in  der  Regel  vorhanden; 
Sterculia  villosa  und  urens,  Milletia  Brandisiana,  Grewia  elastica,  Duabanga 
grandiflora,  Erythrina  stricta  und  suberosa  sind  die  charakteristischen  Bäume; 
es  sind  aber  noch  viele  andere  Arten  vertreten.  Sträucher  sind  spärlich  und 
schlecht  entwickelt  (Helicteres  plebeja,  Thespesia  lampas,  Grewia  hirsuta  etc.). 

l)  Vgl.  S.   281. 


V.  Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  379 

Lianen  sind  ebenfalls  wenig  zahlreich  (Combretum,  Calycopteris,  Abrus  preca- 
torius  etc.),  das  Waldinnere  dementsprechend  sehr  frei.  Grasüberzug  des 
Bodens  ist  nur  ausnahmsweise  vorhanden  und  besteht  dann  aus  dem  so- 
genannten Teakgrase,  einer  Pollinia-Art.  Farne  sind  auf  dem  Boden  spärlich 
und  nur  in  solchen  Arten  vertreten,  die  viel  Trockenheit  ertragen.  Zahlreiche 
Kräuter  entspringen  dem  Boden,  ohne  denselben  zu  bedecken.  Moose  sind 
sehr  spärlich  und  auf  feuchte  Sandsteinfelsen  beschränkt  (Hypnum,  Fissidens,  Mar- 
chantia).  Die  Epiphyten  sind  wenig  zahlreich  und  nur  auf  Baumwipfeln  vorhanden. 

Die  „lower  mixed  forests"  sind  im  Durchschnitt  70 — 8o',  zuweilen  bis 
ioor  hoch,  reicher  an  Lianen  und  auch  an  Sträuchern  und  daher  dichter  als 
die  „upper  mixed  forests".  Kurz  erwähnt  gegen  50  Baumarten  als  Haupt- 
bestandtheile  dieser  Wälder,  und  ungefähr  ebensoviele  als  von  mehr  lokalem 
Auftreten.  Wir  finden  unter  den  ersteren  die  verschiedeasten  Familien  ver- 
treten: Sterculiaceen ,  Malvaceen,  Bombaceen,  Dilleniaceen ,  Sapindaceen 
(Schleichera) ,  Anacardiaceen  (Odina,  Mangifera,  Spondias),  Combretaceen 
(Terminalia  sp.  div.,  Anogeissus),  Lythraceen  (Lagerstroemia  sp.  div.),  Samyda- 
ceen  (Homalium),  Diospyraceen ,  Bignoniaceen  (Spathodea,  Heterophragma, 
Stereospermum,  Calosanthus),  Euphorbiaceen  (Antidesma,  Emblica),  Mimosaceen 
(Albizzia),  Rubiaceen  (Nauclea  sp.  div.,  Gardenia,  Randia),  Artocarpeen  (Ficus 
sp.  div.),    Myrtaceen  (Barringtonia ,    Careya),    Strychnos   nux  vomica  u.  a.  m. 

Unter  den  Sträuchern  zeigen  sich  namentlich  Thespedia  lampas  (Malva- 
cea),  Grewia  hirsuta  (Tiliacea),  Verbenaceen  (Premna,  Clerodendron),  Euphor- 
biaceen (Ceratogynum,  Phyllanthus,  Baliospermum),  Papilionaceen  (Desmodium, 
Flemmingia),  2   Calami  u.  a.  m. 

Die  Lianen  sind  äusserst  verschiedenartig.  Kurz  erwähnt  namentlich  über 
50  Arten,  darunter  zahlreiche  Leguminosen  (Butea,  Spatholobus,  Entada, 
Caesalpinia  sp.  div.,  Acacia,  Dalbergia,  Phaseolus,  Pueraria,  Mucuna,  Dolichos, 
Mezoneurum,  Abrus  precatorius) ,  Menispermaceen  (Stephania),  Rhamnaceen 
(Ziyphus,  Gouania,  Colubrina),  Celastraceen  (Celastrus),  Sapindaceen  (Stephania), 
Vitaceen  (Vitis  sp.  div.),  Rubiaceen  (Paederia),  Euphorbiaceen  (Rottlera,  Bri- 
delia),  Verbenaceen  (Symphorema,  Congea),  Combretaceen  (Combretum  sp.  div., 
Calycopteris),  Cucurbitaceen  (Zehneria,  Luffa),  Convolvulaceen  (Argyreia  sp. 
div.,  Ipomoea),  u.  a.  m.,  auch  einige  Monocotylen  (Smilax,  Scindapsus),  Gne- 
tum  scandens,  Lygodium  etc. 

Unter  den  Kräutern,  die  den  Boden  nirgends  bedecken,  zeichnen  sich 
namentlich  Scitamineen  aus.  Daneben  kommen  eine  Anzahl  Gräser,  Araceen, 
Compositen,  Malvaceen  u.  s.  w. 

Die  Bäume  tragen  als  Epiphyten  Moose  (Neckera,  Meteorium),  ver- 
schiedene gemeine  Orchideen,  Farne  und  Asclepiadeen ,  ausserdem  aufTallend 
viele  und  verschiedenartige  parasitische  Loranthaceen. 

Die  Savannenwälder  in  Pegu  zeigen  sich  unter  verschiedenen  Formen, 
die  Kurz  als  „Eng  forests"  oder  „Latente  forests",  „low  forests"  und  „savannah 
forests"  bezeichnet.  „Eng"  ist  die  einheimische  Bezeichnung  für  Diptero- 
carpus  tuberculatus,  der  für  die  erstere  Waidform  charakteristisch  ist. 

Die  Engwälder  befinden  sich  hauptsächlich  auf  Laterit,  aber  auch,  allerdings 
in  weniger  entwickelter  Form,  auf  verschiedenen  Diluvialböden.      Das  Niveau 


380  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

des  Laubdaches  liegt  auf  reinem  Lateritboden  bei  etwa  30 — 40',  auf  mehr 
thonigem  oder  lehmigem  Boden  bei  etwa  70 — 80'.  Die  meisten  Stämme 
haben  eine  dicke,  rissige,  schuppige  Borke  und  auffallend  plumpe,  knotige, 
krumme  Aeste.  Vorherrschend  auf  reinem  Lateritboden  ist  Dipterocarpus 
tuberculatus ;  auf  anderen  Bodenarten  tritt  er  zurück  oder  fehlt  Mehr  als 
vierzig  andere  Baumarten  pflegen  ausserdem  reichlich  aufzutreten.  Es  sind 
Dipterocarpaceen  (Shorea,  Pentacme),  Meliaceen  (Walsura),  Dilleniaceen 
(Dillenia),  Celastraceen  (Lophopetalum),  Rhamnaceen  (Zizyphus),  Anacardiaceen 
(Buchanania,  Melanorrhoea),  Styracaceen  (Symplocos),  Diospyraceen  (Diospyros), 
Myrsinaceen  (Myrsine),  Euphorbiaceen  (Phyllanthus ,  Aporosa),  Papilionaceen 
(Dalbergia,  Xylia),  Rubiaceen  (Wendlandia ,  Nauclea,  Randia,  Gardenia,  Com- 
bretaceen  (Terminalia),  Myrtaceen  (Careya,  Eugenia),  Lythraceen  (Lager- 
stroemia),  Strychnos  nux  vomica  u.  a.  m.  in  buntester  Abwechselung.  Zwischen 
den  Bäumen  wachsen  Bambusen  (B.  tulda  und  B.  stricta).  eine  stammlose 
Palme  (Phoenix  acaulis),  niedriges,  sehr  spärliches  Gesträuch,  zu  welchem  Verf. 
merkwürdigerweise  auch  grössere  Kräuter,  sogar  einjährige  rechnet  und  wenige, 
kaum  kletternde  Lianen.  Der  Graswuchs  auf  dem  Boden  pflegt  sehr  reich 
entwickelt  zu  sein  (Andropogoneen,  Paniceen,  Cyperaceen)  und  ist  von  zahl- 
reichen kleineren  Kräutern  untermischt  (Malvaceen,  Acanthaceen,  Rubiaceen, 
Campanulaceen ,  Gentianaceen ,  Scrophulariaceen ,  Labiaten,  Papilionaceen, 
Compositen,  Scitamineen,  Amaryllidaceen ,  Orchideen,  Commelinaceen ,  Erio- 
caulaceen  etc.). 

Eine  Fülle  epiphytischer  Orchideen,  Hoyae,  Farne  (Platycerium  etc.) 
wachsen  in  grosser  Menge  auf  den  Baumästen. 

Die  „low  forests"  sind  in  Wuchs  den  Engwäldern  ähnlich,  und  systematisch 
als  Uebergang  der  letzteren  zu  den  „lower  mixed  forests"  (v.  oben)  zu  be- 
trachten. Ihr  Boden  ist  von  Andropogoneen  oder  von  Imperata  cylindrica 
reich  bewachsen. 

Kurz,  „Savannah  forests"  haben  dieselbe  Höhe  wie  die  Engforests.  Sie 
wachsen  auf  tiefem  Alluvialboden,  namentlich  in  der  Nähe  der  Flüsse.  Die 
Stämme  in  ihnen  sind  sehr  kurz,  oft  kaum  höher  als  das  den  Boden  be- 
deckende sogenannte  Elephantengras  (Arten  von  Andropogon,  Coix,  Sac- 
charum,  Phragmites) ;  die  Kronen  sind  auffallend  stark  entwickelt  und  oft  flach 
ausgebreitet  Die  Baumarten  sind  zum  Theil  die  gleichen  wie  in  den 
„lower  mixed  forests".     Es  sind  typische  Savannenwälder. 

Der  grösste  Theil  des  Waldes  in  Ostjava  kann  als  eine  Zwischen- 
form von  Regenwald  und  Monsunwald  bezeichnet  werden,  aber  edaphische 
Einflüsse  machen  sich  hier,  wie  überhaupt  in  klimatischen  Uebergangs- 
gebieten  sehr  geltend  und  bedingen  eine  reichere  Gliederung  der 
Vegetationsdecke  als  in  Westjava,  wo  dieselbe  sich  wesentlich  nur  vom 
Klima  abhängig  zeigt.  Namentlich  tritt  in  Ostjava  auf  leicht  trocknendem, 
bezw.  schwer  durchlässigem  Boden  die  Formation  des  Djatiwalds,  ein 
typischer,  tropophiler  laubabwerfender  Wald  auf. 

Der  Djatiwald  verdankt  seinen  Namen  dem  technisch  werthvollen 
Djatibaum,  Tectona   grandis,    —    dem  Teak   der  Engländer  (Fig.   1901, 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  38 1 

welcher  auch  in  Continentalindien  sehr  verbreitet  ist,  jedoch  nur  auf 
Java  selbstständige  Wälder  bildet,  in  welchen  andere  Bäume  nur  als 
Nebenbestandtheile  auftreten.  Der  Tiekbaum  gehört  keineswegs  zu 
den  Riesen,  weder  was  seine  Höhe  noch  seine  Stammdicke  betrifft. 
Er  wird  höchstens  25  m  hoch.  Seine  herzförmigen  an  diejenigen  der 
Catalpa  erinnernden  Blätter  sind  sehr  gross  und  die  violetten,  mitten 
in  der  Regenzeit  sich  öffnenden  Blüthen  sind  in  pyramidenförmige 
Rispen  vereinigt.  Der  Stamm  besitzt  eine  helle  Rinde  und  entbehrt 
der  Epiphyten;  dagegen  siedeln  sich  Feigen  (Urostigma- Arten)  häufig 
im  Geäste  an.  Zur  Trockenzeit  ist  der  Tiek  ganz  unbelaubt  (Juni  bis 
October)  und  entfaltet  seine  neuen  Blätter  mit  dem  Auftreten  des 
West-Monsuns  im  November. 

Cordes  hat  die  natürlichen  Tiekwälder  Ost-Java's  —  Waldculturen 
sind  auch  in  West-Java  sowie  in  Englisch-Indien  vorhanden  —  nach 
ökologischen  und   floristischen  Gesichtspunkten   eingehend   dargestellt. 

Im  Gegensatz  zum  Regenwalde  West-Java's  ist  das  Aussehen  des 
Tiekwalds  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten  ein  sehr  ungleiches.  Im 
August  und  September,  auf  der  Höhe  der  Trockenzeit,  ist  das  von  ihm 
dargebotene  Bild  ein  beinahe  winterliches.  Die  überwiegende  Mehrzahl 
der  Bäume,  darunter  namentlich  alle  Tiekbäume  sind  ganz  laublos  und 
der  Boden  ist  von  einer  knisternden  Lage  ihrer  trockenen,  erst  in  der 
Regenzeit  verwesenden  Blätter  bedeckt.  Die  den  Tiekbaum  begleitenden 
Bäume  sind  in  der  Trockenzeit  leichter  als  in  der  Regenzeit  erkennbar. 
An  der  schirmförmigen  Krone  erkennt  man  Acacia  leucophloea,  an  der 
weissen,  derjenigen  der  Birke  ähnlichen  Borke  Albizzia  procera.  Einige 
Baumarten  sind  grün  geblieben,  darunter  der  häufigste  Begleiter  der 
Djati,  Butea  frondosa,  welche  im  Gegensatz  zum  letzteren  sich  auf  der 
Höhe  der  Trockenzeit  mit  ihren  grossen  feuerfarbigen  Schmetterlings- 
blüthen  schmückt.  Immergrün  sind  ferner  die  Sapindacee  Schleichera 
trijuga,  die  Mimosee  Albizzia  stipulata,  mit  regelmässiger  schirmförmiger 
Krone  und  die  auf  dem  Geäst  anderer  Bäume  angesiedelten  Feigenbäume. 

Zwischen  den  hohen  Bäumen  wachsen  zahlreiche  kleinere,  nament- 
lich Emblica  officinalis  Gaertn.,  eine  Euphorbiacee,  ferner  Dillenia 
aurea  etc.  Palmen  sind  sehr  selten,  Bambusen  kommen  hier  und  da 
vor.  Reich  entwickelt  und  mannigfach  ist  die  Strauchvegetation.  Be- 
sonders zahlreich  sind  die  Leguminosen,  z.  B.  Acacia  tomentosa  Wild., 
Cassia- Arten,  Papilionaceen,  aber  auch  Hibiscus  lampas  zeigt  häufig 
seine  grossen  gelben  Blüthen.  Die  Lianen  sind  alle  dünnstämmig  und 
vorwiegend  Papilionaceen,  wie  Abrus  precatorius,  Mucuna- Arten  etc. 
Die  Kräuter  sind  nach  der  Bodenbeschaffenheit  sehr  wechselnd.  Ist 
dieselbe  feucht  und  humös,  so  zeigen  sich  Dickichte  stattlicher 
Zingiberaceen  (Curcuma-,  Kaempferia-,  Elettaria-Arten  etc.),  die  in  der 
zweiten  Hälfte  der  Trockenzeit  (September  bis  October),  ihre  prächtigen 


2  82  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Blüthen  entfalten.  Besonders  trockene  Böden  sind  vornehmlich  von 
hohen  Gräsern  bewachsen,  wie  Alang -Alang  (Imperata  arundinacea) 
und  Glagah  (Saccharum  spontaneum  L.).  Unter  den  zahlreichen,  meist 
unscheinbaren  Stauden  sind  namentlich  Malvaceen  (Urena,  Sida\ 
Compositen  (Conyza  lacera  Burm.,  Wollastonia,  Adenostemma  vis- 
cosum  etc.),  einige  Araceen,  sehr  kleine  Acanthaceen  und  Comme- 
linaceen,  endlich  verschiedene  in  der  Trockenzeit  blühende  Amaryl- 
lidaceen  (Eurycles  ambonensis,  Pancratium  zeylanicum,  Crinum  asiaticum ) 
zu  erwähnen. 

Ausser  den  schon  berücksichtigten  Feigen  sind  Epiphyten  im 
Djati-Wald  sehr  spärlich  und  auf  wenige  kleine  Orchideen,  Asclepiadeen, 
Aeschynanthus  beschränkt.  Das  Vorkommen  epiphytischer  Farne  ist 
ein  Zeichen,  dass  im  Geäst  Höhlungen  vorhanden  sind  und  Moose  sind 
auf  gesunden  Bäumen  nur  ausnahmsweise  vorhanden.  Dagegen  sind 
parasitische  Loranthaceen  sehr  häufig. 

Die  meisten  der  erwähnten  Kräuter  sind  in  der  Trockenzeit  sehr 
reducirt  oder,  soweit  sie  annuell  sind,  gar  nicht  vorhanden.  Mit  der 
Butea,  im  Juli  und  August,  blühen  die  Amaryllideen,  später,  im  Sep- 
tember und  October  treten  sehr  viele  andere  Gewächse  hinzu,  wie  die 
ebenfalls  schon  erwähnten  Zingiberaceen,  namentlich  aber  die  meisten 
Bäume,  mit  Ausnahme  der  Tectona.  Noch  grösser  ist  der  Blumenflor 
beim  ersten  Beginn  der  Monsunregen,  im  November ;  namentlich  blühen 
dann  die  meisten  Sträucher,  während  die  Kräuter,  deren  Blüthen- 
entwickelung  in  engster  Abhängigkeit  von  der  Ernährungsthätigkeit  steht, 
meist  in  der  Regenzeit  blühen.  Im  Ganzen  ist  der  Blüthenflor  im 
Djatiwald,  entsprechend  der  grösseren  Trockenheit  und  stärkeren  Be- 
leuchtung, weit  grösser  als  im  Regenwald. 

November  ist  die  Zeit,  wo  das  Laubdach  sich  neubildet.  Der 
Djatibaum  bedeckt  sich  mit  anfangs  rothen  Blättern,  die  bald  dichte 
Laubmassen  bilden.   April,  Mai  und  Juni  sind  die  blüthenärmsten  Monate. 

§  3.  Die  Gehölze  des  tropischen  Ostafrika.  Es  ist  zur  Zeit  noch 
nicht  möglich,  eine  befriedigende  Darstellung  der  Vegetationsverhältnisse 
des  tropischen  Ost-Afrika  südlich  vom  Aequator  zu  geben.  Meteoro- 
logische Aufzeichnungen  liegen  nur  wenige,  auf  kurze  Zeit  sich  er- 
streckende vor,  und,  mit  Ausnahme  von  Volkens,  der  sich  ganz 
wesentlich  im  Hochland  von  Kilimandscharo  aufhielt,  haben  bis  jetzt 
Botaniker  das  Gebiet  nicht  bereist.  Aus  den  Aufzeichnungen  der 
Sammler  und  anderer  nicht  wissenschaftlich  gebildeter  Reisenden 
ergiebt  sich  für  die  Küstenlandschaften  bis  zum  Zambesi  das  Bild  einer 
reich  diflferenzirten  Vegetationsdecke  mit  verschiedenartigen  Gehölz- 
Grasflur-  und  Wüstenformationen.  Welcher  Antheil  bei  dieser  Gliederung 
den  klimatischen  und  welcher  den  edaphischen  Einflüssen,  in  wieweit 
der  Charakter  ursprünglich  oder  vom  Menschen  modificirt  ist,  lässt  sich 


V.    Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  383 

gegenwärtig  nicht  angeben.  Die  Gehölze  des  Küstengebiets  Ost- 
Afrika 's  sind  zum  grösseren  Theile  xerophil  und  sind  theils  als  Savannen- 
wälder, theils  als  Dornwälder  und  Dorngebüsche  ausgebildet,  natürlich 
mit  verschiedenen  Zwischenformen.  Die  wenig  ausgedehnten  hoch- 
stämmigen Waldparcellen  (Fig.   191  u.   192)  werden  wohl,  entsprechend 


Fig.   191.     Waldpartie  im  Küstenland  von  Deutsch -Ost -Afrika.    Nach  einer  Photographie. 

der  schart  ausgeprägten  Gliederung  des  Jahres  in  Regenzeit-  und 
Trockenzeit,  den  Monsunwäldern  anzugliedern  sein,  doch  fehlt  es  an 
genaueren  Darstellungen,  wie  auch  an  Angaben  über  das  Verhalten  der 
Belaubung  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten. 

„Kein  Formations-Typus",  sagt  Engler,  „ist  in  Afrika  so  reich  entwickelt, 
wie  der  der  Buschgehölze11.     Nach  seiner  Schilderung  gehören  diese  Gehölze 


384 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


zu  unseren  Dornwäldern,  mit  häufigem  Vorherrschen  der  Sträucher  und  bei 
abnehmender  Feuchtigkeit,  allmählichem  Uebergang  zur  Wüste. 

Zu  den  afrikanischen  Dornwäldern  gehören  namentlich  Engler's  „dichter 
Buschbestand"  des  unteren  Buschlandes  und  sein  „Steppenbuschdickicht"  im 
Inlande. 

Engler  betont  die  systematische  Aehnlichkeit  der  „Buschwälder"  des  tro- 
pischen Afrika  unter  sich  und  mit  denjenigen  Vorderindiens  und  ihre  physio- 
gnomische  Aehnlichkeit  mit  denjenigen  Central-  und  Südamerikas  (Mexico, 
Argentinien,  Chile).  In  systematischer  Hinsicht  ist  für  sie  charakteristisch 
das  reichliche  Vorkommen  der  Acacien  in  verschiedenen  Arten  Neben  ihnen 
sind  auch  die  ebenfalls  mit  doppeltgefiederten  Blättern  versehenen  Gattungen 
Dichrostachys  und  Albizzia  an  Individuen  reich  vertreten.     Holzgewächse  mit 


•**.   *• 


v'- 


fefr&H' 


Fig.   192.     Waldpartie  im  Küstenland  von  Deutsch -Ost -Afrika.     Nach  einer  Photographie. 


einfach  gefiederten  Blättern  sind  selten  gleich  dominirend  (Bignoniaceen ,  die 
Anacardiacee  Odina,  die  Simarubacee  Harrisonia,  einige  Rutaceen,  Burseraceen, 
Connaraceen,  Caesaipiniaceen).  Gewächse  mit  gedreiten  Blättern  sind  häufig 
(z.  B.  Commiphora,  Rhus,  Jasminum,  Vitex  etc).  Die  meisten  Gewächse  des 
Dornwaldes  haben  einfache  Blätter,  die  in  der  Mehrzahl  der  Arten  persistirend 
sind  und  eine  sehr  dicke  Cuticula  besitzen  (Euphorbia ceen,  Celastraceen, 
Rhamnaceen,  Rubiaceen,  Sterculiaceen ,  Verbenaceen,  Compositen  u.  s.  w., 
häufig  mit  unscheinbaren,  weisslichen  Blüthen).  In  den  dichten  Gehölzen  treten 
nur  wenige  Kräuter  auf,  während  solche  sich  in  den  Lichtungen  zahlreich 
zeigen.  Schling-  und  Kletterpflanzen,  wohl  nur  dünnstämmig,  sind  artenreich; 
Peperomia  und  Angraecum  treten  als  Epiphyten  auf. 

Der  zweite  Typus  des    xerophilen  Niederwalds,   der   Savannenwald, 
ist  anscheinend  in  Afrika  weit  weniger  entwickelt  als  der  Dornwald.     Typischer 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  385 

Savannenwald  in  unserem  Sinne  ist  Engler's  „Steppenwald",  der  namentlich  in 
Unyamwesi  auftritt.  „7 — 12  m  hohe  geradstämmige  Bäume,  mit  3 — 4  cm  dicken 
Stämmen  bilden  den  Hauptbestand;  vorherrschend,  bisweilen  alleinherrschend 
sind  Leguminosen  mit  einfach  gefiederten  Blättern,  die  als  Myombo  bezeichnet 
werden,  so  in  Unyamwesi  Berlinia  Eminii,  aber  auch  Acacia-,  Sterculia-,  Termi- 
nalia-  und  Kigelia- Arten  kommen  vor.  Unterholz  ist  wenig  vorhanden,  die 
Sträucher  und  kleinen  Bäumchen  von  Anona,  Combretum  und  Anderen  sind  so 
zerstreut,  dass  der  Marsch  durch  solche  Myombowälder  in  keiner  Weise  behindert 
wird.  Succulente  Pflanzen  sind  selten,  nur  hier  und  da  tritt  eine  Aloe  oder  eine 
Kandelaber- Euphorbie  auf;  aber  zahlreiche  Kräuter  bedecken  den  Boden."  (S.  62.) 

§  4.  Tropophile  und  xerophile  Gehölze  im  tropischen  Amerika. 
Die  Hochwälder  des  Innern  Südamerikas,  namentlich  Brasiliens  südlich 
vom  Amazonas,  dürften  zum  Theil  tropophil  und  zu  den  Monsunwäldern 
zu  rechnen  sein.  Die  von  Warming  geschilderten  Wälder  von  Minas 
geraes  werfen  ihr  Laub  periodisch  ab,  allerdings  ohne  jemals  kahl  zu 
werden,  indem  die  Entlaubung  der  meisten  Bäume  der  Neubelaubung 
unmittelbar  vorausgeht. 

Die  ausgeprägt  xerophilen  Typen  der  Savannenwälder  und  Dorn- 
wälder (bezw.  Dorngebüsche)  sind  im  ganzen  tropischen  Amerika  reich 
vertreten  und  wechseln  häufig  mit  den  Savannen  ab.  Nimmt  die 
Feuchtigkeit  zu,  so  geht  die  Savanne  zunächst  in  Savannenwald  über. 
So  wenigstens  habe  ich  es  in  Venezuela  beobachtet,  wo  bei  der  Be- 
steigung der  Küstencordillere  vom  Süden  her  die  bisher  zerstreuten 
Bäume  sich  zum  nahezu  geschlossenen  Walde  näherten,  während  der 
Boden  seinen  Graswuchs  behielt.  Der  niedrige,  einem  dichten  Obst- 
garten vergleichbare  Wald  bestand  vorwiegend  aus  Leguminosen  mit 
schirmförmiger  Krone,  namentlich  aus  Cassia-Arten ,  deren  vollständig 
entlaubte  Zweige  von  gelben  Blüthen  bedeckt  waren.  Zerstreut  zwischen 
den  entlaubten  Bäumen  zeigten  sich  zwei  immergrüne,  sehr  derbblätterige 
Baumarten,  die  Proteacee  Rhopala  complicata  und  der  Cajü,  Anacardium 
occidentale.  Alle  Aeste,  namentlich  aber  diejenigen  der  entlaubten  Bäume, 
trugen  kleine  hartblätterige  oder  dichtbehaarte  Tillandsien  (darunter 
sehr  reichlich  T.  recurvata)  und  einige  ebenfalls  ausgesprochen  xero- 
phile Orchideen,  namentlich  eine  schön  blühende  Jonopsis.  Eine  säulen- 
förmige Cereus-Art  von  gleicher  Höhe  wie  die  Bäume  zeigte  sich  häufig 
zwischen  den  letzteren.  Der  Boden  war  von  reichem  und  hohem,  aber 
völlig  vertrocknetem  Graswuchs  bedeckt. 

Savannenwälder  sind  gewiss  noch  anderwärts  im  tropischen  Amerika 
vorhanden.  So  scheinen  die  „Capoes",  die  Waldparcellen,  die  die  Vege- 
tation der  Savannen  (Campos)  in  Centralbrasilien  auf  feuchterem  Boden 
ersetzen,  zu  diesem  Typus  gehören    (Vgl.  Fig.   127). 

Die  Dorngehölze,  als  Wälder,  Gebüsche  oder  Gesträuche,  sind 
im  tropischen  Amerika   sehr  entwickelt.     So  bilden  sie  einen  wesent- 

Schimper,  Pflansengtographie.  25 


ßgg  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

liehen  Theil  der  Küstenvegetation  im  östlichen  mittleren  Mexiko  (Fig.  128). 
Namentlich  aber  überziehen  sie,  unter  dem  Namen  „Caatingas"  bekannt 
und  gefürchtet ,  ausgedehnte  regenarme  Landschaften  in  Brasilien, 
zwischen  den  Savannen  (campos)  des  Südens  und  den  Regenwäldern 
des  Amazonas  und  seiner  Nebenflüsse.  Sie  wechseln  vielfach  mit  den 
Savannen  ab  und  zwar  sind,  wie  in  allen  trockenen  Gebieten,  eda- 
phische  Einflüsse  für  den  Wechsel  des  Vegetationscharakters  in  erster 
Linie  maasgebend,  indem  sich  die  Savanne  auf  dem  festeren,  bei  Regen 
oberflächlich  benetzten,  das  Gehölz  aber  auf  sandhaltigem,  für  Wasser 
sehr  durchlässigem  Boden  behauptet.  Die  Caatingas  stellen  dornige, 
vorwiegend  von  Mimoseen  gebildete  Gebüsche  dar,  in  welchem  mehr 
oder  weniger  zahlreiche  Bäume  sich  erheben,  darunter  die  wunder- 
baren, früher  schon  erwähnten  Barrigudos  und  Säulencacteen.  Dünne 
Lianen  klettern  zwischen  dem  Gesträuch,  Epiphyten  fehlen  oder  sind 
äusserst  spärlich.  Die  krautige  Vegetation  ist  auf  stachelige  Bromelia- 
ceen  beschränkt  (Fig.  193). 

Die  Caatingas  Brasiliens  sind  häufig  geschildert  worden,  namentlich  durch 
Martius,  St.  Hilaire,  Liais,  in  neuester  Zeit  durch  Detmer.  Martius  entwirft 
von  ihnen  folgendes  anschauliche  Bild: 

„Ganz  anders  (d.  h.  im  Vergleich  zu  den  Regenwäldern)  verhält  sich 
dieses  mit  denjenigen  Wäldern,  welche,  vom  Brasilianer  mit  dem  Namen  der 
Catingas  oder  der  lichten  Wälder  bezeichnet,  während  der  Dürre  ihre 
Blätter  verlieren,  und  erst,  wenn  sich  mit  der  nassen  Jahreszeit  ein  anhalten- 
der Regen  eingestellt  hat,  wieder  ausschlagen.  Sie  bestehen  aus  Bäumen  von 
bedeutend  niedrigerem  Wuchs  und  erneuern,  wenn  sie  entblättert  sind,  dem 
europäischen  Reisenden  das  Bild  seiner  vaterländischen  Laubwälder  im  Be- 
ginne des  Winters.  Sie  gehören  hauptsächlich  den  nördlichen  Provinzen  von 
Cearä,  Rio  Grande  do  N'orte,  Pernambuco,  Piauhi,  Goyaz  und  Bahia  an,  wo 
sie  den  sandigen,  ur-granitischen  oder  jura-kalkigen  Boden  in  ungeheueren 
Strecken  einnehmen.  Dürre,  quellenarme  Gegenden,  deren  Flüsse  während 
des  Sommers  versiegen,  hügeliges  Land  oder  Ebenen,  sind  das  Vaterland 
dieser  sonderbaren  Wälder.  Nur  mit  Furcht  und  Grauen  durchzieht  sie  der 
Reisende  in  den  trocknen  Monaten.  So  weit  er  blickt,  umstarren  ihn  regungs- 
los, von  keinem  Lüftchen  gefächelt,  die  entblätterten  Stämme;  kein  grünes 
Blatt,  keine  saftige  Frucht,  kein  frischer  Grashalm  auf  dem  glühenden  nackten 
Boden;  nur  sonderbar  gebildete  Cereus -  Stämme ,  welche  sich  hier  wie  un- 
geheuere Candelaber  erheben,  dort,  in  geschlossene  Reihen  zusammengedrängt, 
mit  ihren  giftigen  Stacheln  drohen,  scheinen  noch  eine  Spur  des  flüchtigen 
Lebens  in  sich  erhalten  zu  haben  .  .  .  Löst  aber  hier  ein  plötzlicher  Regen  die 
Banden  des  Pflanzenreichs  ...  so  ersteht,  wie  im  Zauberschlage,  eine  neue  Welt. 
Auf  den  vieiverzweigten  Stämmen  spriessen  Blätter  von  mildem  Grün  hervor,  un- 
zählige der  seltsamsten  Blumenformen  entfalten  sich,  die  Gerippe  der  drohen- 
den Dornhecken  und  Schlingpflanzen  umkleiden  sich  mit  frischem  Laube  .  .  ."r» 

l)  1.  c.  S.   16—17. 


V.    Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  387 

Als  Charakterpflanzen  der  Caatingas  werden  von  Martius  erwähnt:  Spondias 
tuberosa  Arr.,  Anona  obtusifolia  Mart,  Caesalpinia  pubescens,  glandulosa 
Mart. ,  Capparis  lineata,  Ico,  longifolia,  laevigata  Mart.,  Pourretia  ventricosa 
Mart  und  Chorisia  ventricosa  N.  M.;  Thryallis  brasiliensis ,  mehrere  kleine 
Arten  von  Bombax,  viele  Acaciae  und  Mimosae,  Jatrophae,  „eine  eckige 
gabiige  Euphorbia,  die  einzige  Art  dieser  afrikanischen  Form,  welche  uns 
in  Brasilien  vorgekommen.' '     Die  Palme  auf  Fig  193  ist  Cocos  coronata. 

Liais'  Schilderung  fügt  derjenigen  Martius  keine  wesentlichen  Züge  hinzu. 
Doch  betont  er  das  Vorkommen  vielgestaltiger  Cacteen  und  die  grosse  Menge 
stachlicher  Bromeliaceen  als  Bodenkräuter. 

Detmer,  der  die  Caatingas  der  Prov.  Bahia  im  September  (Uebergangs- 
monat  von  Trocken-  zu  Regenzeit)  sah,  spricht  sich  darüber  folgendermaassen  aus: 

„Der  dürre  Boden  besteht  aus  grauweissem,  lockerem  Sande.  Auf  ihm 
wachsen  überall,  zu  dichtem,  zum  Theil  undurchdringlichem  Gestrüpp  ver- 
einigte, meist  völlig  laublose,  dornige  Sträucher,  die  nur  hier  und  dort  von 
einzelnen  Bäumen  wenig  überragt  werden.  Zwischen  den  Sträuchern  erheben 
sich  oft  in  grosser  Anzahl  ca.  20  Fuss  hohe  Mandacarus,  d.  h.  Cereusbäume, 
deren  mächtiger,  an  seiner  Basis  holziger  Stamm  sich  weiter  nach  oben  in 
einzelne  dicke,  4 — 5  kantige,  verzweigte,  mit  langen  Dornen  besetzte  Aeste 
auflöst  Den  Boden  zwischen  den  Sträuchern  bedecken  sehr  grosse  Gravattas, 
erdbewohnende  Bromeliaceen  mit  halb  verdorrten  scharfrandigen,  rosettenartig 
gruppirten  Blättern,  über  welche  die  vertrockneten  Blüthenstände  emporragen, 
und  nur  wenige  andere  Pflanzen,  die  zum  Theil  graugrüne,  stark  behaarte 
Blätter  tragen.  Auch  niedrige  Fächer-  und  Fiederpalmen  sind  reichlich 
vertreten." 

Den  Caatingas  ähnliche  Dorngebüsche  zeigen  sich  auch  im  süd- 
lichen Theile  Brasiliens,  in  Minas  geraes.  Da  sind  sie  nach  Liais 
und  Warming  an  felsige  Kalkhügel  gebunden,  und  unterscheiden  sich 
von  den  benachbarten  Wäldern  durch  viel  vollständigere  Entlaubung, 
durch  grösseren  Reichthum  des  Gesträuchs  zwischen  den  mehr  ge- 
trennten Bäumen,  durch  mehr  ausgeprägten  xerophilen  Charakter  und, 
im  Einklang  mit  letzterem,  durch  grösseren  Reichthum  an  Dorngewächsen 
und  Succulenten. 

Dorngehölze  sind  auf  den  Antillen  reich  entwickelt.  Sie  zeigen  sich 
beispielsweise  in  grosser  Ausdehnung  an  der  Ostküste  Jamaika's,  wo  sie 
namentlich  aus  Mimoseen  und  Cereus- Arten  bestehen  und,  wie  in  Minas,  an 
Kalkboden  gebunden  zu  sein  scheinen.  Mehrere  der  kleinsten  Inseln  sind 
von  ihnen  fast  ganz  überzogen,  z.  B.  die  von  Eggers  geschilderten  dänischen 
Inseln. 

3.  Die  tropischen  Grasflurformationen. 

§  1.  Allgemeines.  Während  in  den  Gebieten  mit  Regen  zu  allen 
Jahreszeiten  die  Grasflur  eine  ganz  untergeordnete  Rolle  spielt  und  ihr 

l)  1.  c  S.  77. 

25* 


388 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


*ig-    *93-     Tropisches    Dorngehölz:    Caatingawald    im    unbelaubten    Zustande. 
Prov.  Bahia ,  Brasilien.     Nach  Martius. 


V.    Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


389 


beschränktes  Auftreten  standortlichen  Einflüssen  verdankt,  nimmt  sie  in 
den  Gebieten  mit  markirten  Trockenzeiten,  namentlich  in  Afrika  und 
in  Süd-Amerika,  gewöhnlich  in  Form  der  Savanne,  weniger  häufig 
als  Steppe  ausgedehnte  Areale  ein. 

Das  Bild  der  tropischen  Savanne  bleibt  überall  wesentlich  das 
gleiche,  wenigstens  in  den  Niederungen  (Fig.  127  und  195).  Hohe,  in 
manchen  Gebieten  über  manneshohe  Gräser  entspringen  in  dichten, 
durch    nackte   Zwischenräume    getrennten   Büscheln    dem    physikalisch 


Fig.   194.     Dorngebüsch  auf  Kalkboden  in  Minas  geraes.    Uvaria  macrocarpa,  Cereus 
coerulescens.     Nach  Warming. 


und  chemisch  sehr  verschiedenartigen,  häufig  durch  Eisenoxyd  roth- 
gefarbten  Boden.  Auf  den  Hochebenen  wird  der  Graswuchs  niedriger, 
manchmal  nicht  höher  als  auf  unseren  Wiesen  und  mehr  von  Stauden 
und  Halbsträuchern  durchsetzt.  In  grösseren  oder  kleineren  Abständen 
erheben  sich  Bäume,  meist  krüppelhafte,  knorrige,  an  unsere  Aepfel- 
bäume  erinnernde  Zwergbäume,  zuweilen  jedoch  hochstämmige  Bäume, 
welche  gewöhnlich  charakteristischen,  dem  Wald  fehlenden  Arten  an- 
gehören. Ausser  dicotylen  Laubbäumen  kommen  auch  Palmen  in  der 
Savanne  vor. 


390 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


Durch  dichteres  Zusammentreten  der  Bäume  geht  die  Savanne 
allmählich  in  den  Savannenwald,  durch  Verschwinden  der  Bäume 
in  die  Steppe  über.  Solche  Uebergänge  sind  häufig  und  werden 
zuweilen  durch  klimatische  Ursachen,  häufiger  jedoch  durch  Wechsel 
der  Bodenbeschaffenheit  bewirkt. 

§  2.  Afrikanische  Savannen.  Eine  anschauliche  Schilderung  hat 
Pechuel- Lösche  von  den  Savannen  an  der  Loangoküste  gegeben,  die 
für  die  Physiognomie  der  Savannen  in  Niederungen  überhaupt  als 
typisch    gelten   können.     Allerdings    fehlen   in   dem   Bilde   der  Baobab 


Fig.  195.    Landschaft  bei  Lagoa  Santa  in  Minas  geraes.    Auf  den  Rücken  Savanne  ^CaniposJ, 
in  den  Thälern  Wald.     Nach  Warniing. 


(Adansonia  digitata)  und  die  derbblätterigen  Zwergbäume,  die  vereinzelt 
aus  dem  Grase  hervorwachsen  und  die  der  Verfasser  anderwärts  be- 
schreibt. Zwei  Formen  der  Savannen  werden  von  ihm  unterschieden, 
die  offene  und  die  geschlossene:  „Die  ersteren  bestehen  aus  minder 
voll  bestockten  und  locker  vertheilten  schmiegsamen  Gräsern  unter 
Manneshöhe,  welche  das  Durchstreifen  und  eine  genügende  Umschau 
gestatten:  die  letzteren  aus  enggedrängten,  steifen  und  kräftiger  auf- 
schiessenden,  welche  den  Eingeborenen  fest  umschliessen  und  ein  Ab- 
weichen vom  gebahnten  Pfade  theils  sehr  erschweren,  theils  gänzlich 
verhindern. "     „Räumlich    waltet   die    offene   Grasflur   vor.     Die  Haupt- 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


391 


masse  derselben  liefern  durchschnittlich  einen  Meter  hohe  Gramineen. 
In  vielen  Gegenden  finden  sich  allenthalben  zwischen  diesen  verstreut 
graciös  im  Winde  schwankende,  sehr  lockere  Garben  eines  schönen 
drei  Meter  hohen  Andropogon  und  Cympogon  und  ein  niedriges 
Ctenium.  Die  geschlossene  Grasflur,  auch  wo  sie  zum  niederen 
Dschungel  umgewandelt  ist,  wird  fast  ausschliesslich  durch  Paniceen 
gebildet,  deren  starre  Halme  vier  und  fünf  Meter  hoch  aufschiessen. 
Letztere  Grösse  ist  indessen  schon  eine  verhältnissmässig  bedeutende 
und  ungewöhnliche,    nach   zahlreichen  Messungen   ist   eine  Länge   von 


Fig.   196.     Aus   der   westafrikanischen   Savanne.     Anona  senegalensis ,  Gräser  und  Termiten- 
nester.    Loango.     Nach  Pechuel  -  Lösche. 


fünf  und  einem  halben  Meter  als  die  äusserste  Grenze  des  Wachsthums 
zu  betrachten." 

.  .  .  „Die  Vegetationszeit  aller  Campinengräser l)  fällt  in  die  gewitter- 
reiche Zeit;  bevor  diese  zu  Ende  gegangen,  haben  sie  ihre  Samen 
gereift  und  beginnen  abzusterben  wie  das  Getreide  unserer  Felder. 
Selbst  während  ihrer  kräftigsten  Entwickelung  zeigen  sie  nicht  das 
saftige,  erfrischende  Colorit  unserer  Wiesen,  weil  die  aufschiessenden 
Halme  stets  mit  vertrockneten,  niedergebrochenen  oder  ruthengleich 
emporschauenden  untermischt  sind,  welche  dem  ohnehin  matten  Grün 


l)  Campine  =  Savanne. 


392  Erster  Abschnitt:  Die  tropischen  Zonen. 

einen  fahlen  gelblichen  oder  bräunlichen  Farbenton  verleihen.  Diese 
verdorrten  Reste  liefern  auch  mitten  in  der  Regenzeit  dem  Feuer  hin- 
reichende Nahrung  und  ermöglichen  ein  theilweises  Niederbrennen  oder 
doch  Absengen  der  Bestände.  Bis  auf  den  Grund  von  den  Flammen 
gereinigte  Strecken  erinnern,  von  fern  betrachtet,  in  den  ersten  Tagen 
des  Wachsthums,  wenn  die  unzähligen  jungen  Schösslinge  und  Blatt- 
spitzen hervorkommen,  zuweilen  lebhaft  an  die  auf  unseren  Feldern 
spriessenden  Saaten." 

„Der  reiche  Blüthenschmuck  mannigfaltiger  Staudengewächse, 
welcher  die  Weideländer  anderer  Erdtheile  ziert,  die  vergängliche  Pracht 
der  Zwiebelgewächse  vieler  Steppengebiete  ist  den  Campinen  fremd. 
Nur  in  den  offenen  finden  sich  verstreut  einige  Kinder  Floras :  mattroth 
oder  gelb  blühende  Indigo-Stauden,  eine  niedliche  Striga  lutea  Louret 
mit  brennend  rothen,  die  zierliche  Cassia  mimosoides  L.  mit  goldgelben, 
stellenweis  auch  ein  Clerodendron  mit  lebhaft  scharlachrothen  Blüthen. 
Seltener  gedeihen  zwischen  den  Gräsern  Vernonieen,  die  violette  V. 
cinerea  Less.  und  die  weiss  oder  leicht  rosa  blühende  V.  senegalensis 
Desf.;  die  letztere  ist  eine  der  verbreitetsten  .  .  .  .ul) 

Die  afrikanischen  Savannen  besitzen  nicht  bloss  Zwergbäume, 
sondern  auch  grosse,  ja  riesenhafte  Bäume.  Der  berühmteste  dieser 
Riesen  der  Savannen  ist  der  Affenbrotbaum  oder  Baobab,  Adansonia 
digitata,  „ein  verschiedenartig  entwickelter,  in  der  Regel  aber  wohl- 
gewachsener Baum  von  gigantischer  Gestalt,  dessen  Stamm  und 
Geäst  von  übermässiger,  man  könnte  sagen,  ungeschlachter  Dicke  er- 
scheinen."2) Der  Baobab  ist  durchaus  auf  offene  Landschaften,  nament- 
lich Savannen  beschränkt  und  beherrscht  auf  weiten  Strecken  die 
letzteren  vollständig. 

„Im  Allgemeinen  ähnelt  die  Gestalt  des  Affenbrotbaumes  der  unserer 
riesigen,  auf  Hutungen  wachsenden  Eichen.  Wie  diese  besitzt  er  mannig- 
faltige individuelle  Verschiedenheiten,  zeigt  jedoch  in  der  Regel  ein  weniger 
knorriges  und  nicht  in  so  scharfen  Biegungen  verlaufendes  Astgerüst  Man 
könnte  behufs  schärferer  Eintheilung  einen  dreifachen  Habitus  der  Adansonia 
aufstellen.  Ihr  massiger,  astloser  Stamm  ist  entweder  walzenrund,  fast  gleich- 
massig  dick  und  trägt  säulenähnlich  in  grosser  Höhe  den  Wipfel;  oder  ist 
kurz,  auffallend  gedrungen  und  gewulstet  und  zertheilt  sich  unfern  vom  Boden 
in  eine  Anzahl  gleichwertiger  Aeste;  oder  er  sendet  schon  von  geringer 
Höhe  an  riesiges  Astwerk  aus,  bleibt  aber  bis  mindestens  ca.  zwei  Drittel 
Entfernung  vom  Boden,  als  Haupttheil  des  Baumes  deutlich  erkennbar."8) 

Eine  zu  Landäna  stehende  Adansonia  der  ersten  Form  maass  nach  Pechuel- 
Lösche  bis  zu  den  ersten  Aesten    an   17   m,    bei    einem  Umfange  von  S  m. 


*)  1.  c.  S.  130 — 132. 
*)  1.  c  S.  178. 
3)  1.  c.  S.  177. 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


393 


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394  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

Der  Umfang  des  Stammes  eines  bei  Ambrisette  stehenden  Baumes  der  zweiten 
Form  betrug  27  m. 

„Eine  besondere  Wichtigkeit  gewinnt  die  Adansonia,  da  sie  ein  Wahr- 
zeichen der  offenen  Landschaft  ist.  Sie  braucht  Raum,  Luft  und  Licht; 
werden  ihr  diese  Bedingungen  des  Gedeihens  beschränkt,  so  verkümmert  sie 
und  geht  zu  Grunde.  Die  freie  Grasflur  ist  ihre  Heimath;  im  Hochwalde 
habe  ich  sie  niemals  gefunden.  Im  Uebrigen  ist  es  ihr  aber  gleichgültig,  ob 
sie  hart  am  Wasser  oder  auf  trockenen  Hügelkuppen  wächst ;  einige  habe  ich 
sogar  auf  vollständig  versumpften  Stellen  gefunden.  Sobald  sich  jedoch  Busch- 
wald um  sie  ansiedelt  und  Bäume  sie  einzuschliessen  beginnen,  zeigt  sie 
bedenkliche  Spuren  des  Verfalles:  sie  wird  erdrückt,  verliert  ihr  Geäst  und 
bricht  endlich  ganz  und  gar  zusammen."1) 

Das  Holz  des  Baobab  ist  schwammig  weich,  saftig  und  stellt  ein 
mächtiges  Wasserreservoir  dar,  dem  derselbe  sein  Bestehen  und  seine 
mächtige  Entwickelung  in  der  Savanne  verdankt.  Während  der  trockenen 
Jahreszeit  ist  er  übrigens  unbelaubt. 

Kürzer  aber  ebenfalls  sehr  anschaulich  wird  von  Hans  Meyer  die 
östliche  tropisch -afrikanische  Savanne  geschildert.  Sie  besteht  vor- 
wiegend aus  Gras  und  kleinen  Stauden,  wenigen  Dornsträuchern ;  alle 
100 — 200  Schritt  erhebt  sich  ein  Baum  oder  Busch  von  der  Mimosen- 
form, d.  h.  mit  doppeltgefiederten  Blättern.  Das  Gras  bildet  keine 
geschlossene  Narbe ,  sondern  wächst  in  getrennten  Büscheln ,  deren 
Zwischenräume  von  nacktem,  rothem  Lateritboden  eingenommen  sind. 
Meist  stehen  die  Bäume  so  weit  auseinander,  dass  man  nach  allen 
Richtungen  kilometerweit  zwischen  ihnen  hindurchsehen  kann,  seltener 
rücken  sie  zusammen  und  geben  der  Landschaft  ein  parkähnliches  Aussehen. 

Als  Beispiel  der  systematischen  Zusammensetzung  der  inneren 
ostafrikanischen  Grasflur  möge  hier  einiges  aus  den  Ausführungen 
Engler's  über  die  von  ihm  Hochgrassteppe,  Buschgrassteppe  und  Baumgras- 
steppe genannten  Formationen  entnommen  werden. 

Die  Hochgrassteppe,  die  auch  nach  unserer  Terminologie  zu  den  Steppen 
gehört,  besteht  hauptsächlich  aus  Andropogoneen  mit  1 — 2  m  hohen  Halm- 
büschen;  es  treten  aber  noch  zahlreiche  andere,  meist  weniger  hohe  Gras- 
formen hinzu,  Paniceen  (Tricholaena,  Setaria,  Pennisetum),  Agrostideen  (Sporo- 
bolus, Aristida  gracillima),  Chlorideen  (Enteropogon ,  Chloris,  Leptochloa, 
Lepidopironia) ,  Aveneen  (Tristachya,  Trichopteryx) ,  Festuceen  (Eragrostisl 
Die  untergeordnet  zwischen  den  Gräsern  wachsenden  Kräuter  sind  „theils 
Zwiebelgewächse  oder  Rhizompflanzen  mit  einzelnen  blühenden  Sprossen,  theils 
Stauden,  welche  aus  kurzem,  niedrigem  Grundstock  ein  Büschel  von  blühenden 
Sprossen  emporsenden."  Die  krautigen  Monocotylen  sind  nicht  zahlreich 
Engler  erwähnt  namentlich  Aneilema  Johnstonii,  Commelina  bracteosa,  Chloro- 
phytum  macrophyllum  und  Chi.  tuberosum,  Gloriosa  virescens,  ferner  einige 
Scilla-Arten,  Asparagi,  einzelne  Amaryllidaceen  (Haemanthus,  Hypoxis),  lridaceen 

x)  1.  c  S.  181. 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


395 


( Acidanthera) ,    Orchidaceen   (Lissochilus ,    Habenaria).     Unter    den    Dicotylen 
nehmen    grau-grüne,    nicht    selten   i — 2  m   hohe  Amarantaceen    eine   hervor- 


itiMHuiku«, 


Fig.  198.  Baumartige  Euphorbia  in  der  Savanne.    Deutsch-Ost- Afrika.   Nach  einer  Photographie. 


ragende  Stellung    ein;   sie    gehören    namentlich   zu    Celosia,    Digera,    Serico- 
comopsis,  Pupalia,  Aerua,  Achyranthes,  Nothosaerua.    Die  Nyctaginaceen  sind 


396  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

durch  das  häufige  Unkraut  Boerhaavia  diffusa,  die  Aizoaceen  ziemlich  schwach 
mit  Trianthema  pentandrum  und  Glinus  lotoides,  die  Phytolacaceen  mit  zwei 
einjährigen  fleischigen  Kräutern,  Limeum  viscosum  und  Giesekia  pharnaceoides 
vertreten.  Talinum  patens,  ein  succulentes  Unkraut  aus  der  Familie  der 
Portulacaceen  ist  gemein.  Die  Cruciferen  treten  ganz  zurück  (2  Farsetia- 
Arten).  Ein  Hauptcontingent  liefern  die  Papilionaceen,  namentlich  Arten  von 
Indigofera  und  Tephrosia,  ausserdem  verschiedene  Hedysareen  (Zornia,  Stylo- 
santhes,  Desmodium,  Pseudarthria),  Phaseoleen  (Rhynchosia,  Eriosema)  u.  a.  m. 
Die  Caesalpiniaceen  sind  schwach  mit  einigen  Cassien  vertretend  Ziemlich 
zahlreich  sind  die  Polygala- Arten,  die  Malvaceen  und  Sterculiaceen.  Die 
Euphorbiaceen  treten  zurück,  die  Umbelliferen  fehlen. 

Unter  den  Sympetalen  spielen  Asclepiadaceen  (Gomphocarpus,  Stathmos- 
telma,  Schizoglossum)  und  Convolvulaceen  (Convolvulus,  Ipomoea,  namentlich 
Astrochlaena)  durch  massenhaftes  Auftreten  und  durch  grosse  Blüthen  eine 
auffallende  Rolle.  Zahlreich  sind  auch  die  Labiaten  ( namentlich  Leucas- 
Arten),  am  zahlreichsten  aber  unter  allen  Dicotylen  die  Acanthaceen  (nament- 
lich Arten  von  Justicia ,  Barleria ,  Blepharis  capensis ,  Neuracanthus  scaber). 
Die  in  der  südamerikanischen  Prärie  so  reich  entwickelte  Familie  der  Compo- 
siten  ist  in  der  afrikanischen  formenarm  und  auf  einige  namentlich  zu  den 
Vernonieen  und  Inuleen  gehörige  Arten  beschränkt.  Endlich  liefern  auch 
die  Gentianaceen  (Enicostemma  verticillatum),  die  Boraginaceen  (Heliotropium- 
Arten),  die  Verbenaceen  (Leptostachya),  die  Scrophulariaceen  (Striga,  Scoparia\ 
die  Solanaceen  (Solanum),  die  Cucurbitaceen  (Corallocarpus ,  Cucumis),  die 
Passifloraceen  (Tryphostemma,  Adenia)  und  die  Rubiaceen  (Oldenlandia)  unter- 
geordnete Bestandtheile. 

Engler's  Buschgrassteppe,  nach  unserer  Terminologie  eine  Strauchsavanne, 
trägt  einzeln  oder  in  kleinen  Gruppen,  verschiedenartige  Sträucher.  Vertreten 
sind  Anonaceen  (Anona  senegalensis) ,  Capparidaceen  (Capparis,  Courbonia, 
Cadaba,  Maerua,  Tylachium),  Leguminosen  (Acacia,  Diphaca),  Malpighiaceen 
(Diaspis  albida,  Triaspis  auriculata),  Euphorbiaceen  (Phyllanthus-,  Bridelia-, 
Acalypha-,  Flueggea- Arten) ,  Anacardiaceen  (Rhus  villosa,  Rh.  glaucescensi, 
Celastraceen  (Gymnosporia  senegalensis),  Sapindaceen  (Deinbollia  borbonicai, 
Rhamnaceen  (Zizyphus  Jujuba),  Thymelaeaceen  (Gnidia),  Verbenaceen  (Bouchea 
pterygocarpa),  Acanthaceen  (Blechum  hamatum,  Hygrophila  Volkensii),  Rubia- 
ceen (Crossopteryx  africana,  Gardenia  Thunbergii). 

Die  Bäume  in  Engler's  Baumgrassteppe,  nach  unserer  Terminologie  eine 
ächte  Savanne,  sind  vorwiegend  Acacien  (A.  subulata,  A.  Seyal,  A.  spiro- 
carpa,  A.  Senegal  u.  a.  m.).  Hervorragende  Bestandtheile  sind  ferner  Adan- 
sonia  digitata,  der  Baobab,  und  Kigelia  aethiopica,  ein  Baum  der  bis  25  m 
hoch  wird  bei  einem  Stammumfang  von  8  m.  Auch  Dumpalmen  (Hyphaene- 
Arten)  treten  in  manchen  Savannen  massenhaft  auf.  Andere  Bäume  der  ost- 
afrikanischen Savanne  sind:  Dalbergia  melanoxylon  (Papilion. -Dalbergieaei, 
Poinciana  elata  (Caesalpiniaceae) ;  Zizyphus  mucronata  und  Berchemia  discolor 
(Rhamnaceae) ,  Sterculia- Arten ;  Odina  tomentosa  und  Heeria  insignis  (Ana- 
cardiaceae);  Combretum  und  Terminalia  (Combretaceae) ;  Spathodea  nilotica 
(Bignoniaceae) ;  Strychnos- Arten. 


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V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


397 


§  3.  Amerikanische  Savannen.  Humboldt,  der  in  seinen  Ansichten 
der  Natur  die  erste  Schilderung  der  tropischen  Grasflur  für  die  LIanos 
Venezuela's  gegeben,  hat  letztere  als  unermessliche,  baumlose  Gras- 
fläche gesehen.  Nicht  nur  ich  selbst,  der  bloss  einen  sehr  kleinen 
Theil  der  LIanos  gesehen  hat,  sondern  auch  Carl  Sachs,  der  dieselben 
nach  verschiedenen  Richtungen  durchstreifte  und  vielfach  dieselben 
Gebiete,  wie  Humboldt,  bereiste,  haben  von  den  LIanos  andere  Ein- 
drücke  mitgebracht.     Nicht   die   von   Humboldt   beschriebene  uferlose 


Fig.  200.    Llanoslandschaft   mit  Copernicia  tectorum,  letztere  zum  Theil  von 
epiphytischein  Ficus  befallen.     Venezuela.     Nach  C.  Sachs. 


Grasflur  hat  sich  unseren  Augen  gezeigt,  sondern  eine  parkartige 
Landschaft,  in  welcher  Gehölze  Oasen  und  Streifen  in  der  Grasflur 
bilden  und  in  welcher  letztere  meist  auch  nicht  als  baumlose  Steppe, 
sondern  gewöhnlich  als  spärlich  von  Einzelbäumen  besäete  Savanne 
sich  vorstellt. 

Ein  ähnliches  parkähnliches  Aussehen,  eine  ähnliche  Ausbildung  der  Gras- 
flur als  Savanne  ist  nach  den  Schilderungen  Schomburgk's  dem  guianischen 
Savannengebiete  eigen:  „.  .  ."  Waldungen,  ich  habe  sie  mit  dem  Namen 
Oasen  belegt,    hier  von  meilenweiter,    dort  von    geringerer  Ausdehnung,    am 


Fig.  20 1.    Camposflora  von  Minas  geraes.    Compositen.    /  Baccharis  sermlata  rar.  Pingraea. 

2    B.    rufescens.    g    Riencourtia    oblongifolia.     4  Veraonia   elegans.    5   Micania   officinalis. 

6  Brickellia  pinifolia.     7  Eupatorium  horminoides.     Nat.  Gr.     Nach  Flora  brasiliensis. 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten. 


399 


häufigsten  von  kreisförmigem  Umfang,  steigen,  wie  Inseln  aus  dem  Meere, 
aus  der  Savanne  auf.  .  .  Ein  meist  ioo  bis  200  Fuss,  oft  noch  breiterer 
Vegetationssaum ,  weniger  üppiger,  aber  sehr  dicht  verwachsener  Bäume  und 
Sträucher  begleitet  die  Savannenflüsse.  .  .  Die  Gräser  (der  Savanne)  mit  ihren 
gelben  Halmen  sind  rauhhaarig,  sparrig,  bestehen  grösstentheils  aus  Cyperaceen 
und  werden  durch  eine  Menge  stachliger,  holziger,  krautiger  Pflanzen  aus  der 
Familie  der  Malpighiaceen,  Leguminosen,  Rubiaceen,  Myrtaceen,  Malvaceen, 
Convolvulaceen ,  Menisperraaceen ,  Apocynaceen  u.  a.  m.  durchsetzt.  Der 
Wuchs  der  hier  und  da,  besonders  auf  Erhebungen  auftretenden,  isolirt  stehen- 
den Bäume,  als  Curatella,  Bowdichia,  Psidium,  Rhopala  u.  a.  m.  ist  ein  krüppel- 


Fig.  202.    Aus  den  brasilianischen  Campos  (Minas  geraes).    Das  Bäumchen :  Andira  i dermis  (?). 
Links:     Bromelia    bracteata.      Ausserdem    Eremanthus    sphaerocephalus    und    Ipomocea    sp. 

Nach  Warming. 


hafter;  nie  findet  man  diese  in  den  Waldungen.  Die  sumpfigen  Niederungen 
der  Savanne  werden  grösstentheils  von  der  Mauritia  flexuosa,  hier  vereinzelt, 
dort  förmliche  Wälder  bildend,  eingenommen."     (Reisen  III.    S.  798). 

Aehnlich  wie  die  Llanos  und  das  Savannenland  Guiana's  stellen 
die  Campos  Brasiliens  nicht  eine  gleichmässig  über  ein  weites  Areal 
ausgebreitete  Formation,  sondern  eine  reich  gegliederte,  wellige  Park- 
landschaft dar,  an  welcher  verschiedene  Formen  der  Gehölze  und 
der  Grasflur,  allerdings  unter  Vorherrschaft  der  letzteren,  theilnehmen. 

Auch  de  Saint-Hilaire  schildert  die  Campos  von  Minas  geraes  als 
ein  hügeliches  Gebiet,  dessen  Niederungen  echte  Savanne  mit  Krüppel- 


400 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


bäumen  tragen,  während  die  Höhen  von  reiner  Steppe  bedeckt  sind. 
Doch  ist  das  Camposgebiet  keineswegs  waldlos:  „Wo  inmitten  der  freien 
und  nur  welligen  Oberfläche  dieses  ungeheuren  Gebiets  ein  feuchtes 
und  tiefes  Thal  sich  zeigt,  wo  am  Abhang  eines  Hügels  eine  Vertiefung 
vorhanden  ist,  da  kann  man  sicher  sein,  eine  Baumgruppe  zu  finden.*4 f) 

Die  krautige  Vegetation 
der  Savannen  hat  höchst  wahr- 
scheinlich überall  xerophile  Struc- 
tur;  doch  liegen  darüber  nur  wenige 
Untersuchungen ,  diejenigen  War- 
ming's,  für  die  Camposvegetation 
vor.  Nach  demselben  haben  viele 
Kräuter,  Dicotylen  wie  Monocotylen, 
Knollen,  welche  als  Haupt-  oder 
Nebenfunction  diejenige  von  Was- 
serspeichern besitzen  (Fig.  203  u. 
204).  Die  Grasblätter  sind  schmal 
und  steif,  die  Blätter  der  Dico- 
tylen sind  meist  klein  und  hart, 
oft  bis  zu  vollkommener  Aphyllie 
reducirt. 

Warming  hat  die  systematische 
Zusammensetzung  (Fig. 201  bis  204; 
der  Campos  von  Lagoa  santa  in  Minas 
geraes  genau  untersucht  An  krau- 
tigen Arten  fand  er  554.  Der  Menge 
der  Individuen  nach  wiegen  die 
Gräser  vor,  deren  ca.  60  Arten  na- 
mentlich zu  den  Paniceen  (Paspalum, 
Panicum)  und  Andropogoneen  (Andro- 
pogon  u.  a.)  gehören.  Der  Zahl  der 
Arten  nach  überwiegen  die  Compo- 
siten,  vornehmlich  Vernonieen  (Ver- 
nonia)  und  Eupatorieen  (Eupatorium), 
auch  Asteroideen,  Inuloideen,  Helian- 
thoideen,  Helenioideen,  Mutisieen.  Die 
Ligulaten  sind  nur  durch  ein  Hieracium  vertreten.  Sehr  zahlreich  sind  auch  die 
Papilionaceen  (60 — 70  Arten),  während  die  Caesalpiniaceen  und  Mimosaceen 
nur  wenige  Arten  aufzuweisen  haben.  Zu  den  stark  vertretenen  Familien 
gehören  auch  die  Orchideen  (35 — 40  Arten),  und  mit  20 — 25  Arten  die 
Cyperaceen,  Labiaten,  Asclepiadaceen,  ConvolvulaGeen,  Euphorbiaceen,  Rubia- 
ceen.      Die    Polygalaceen    haben    10  — 15    Vertreter,    5 — 10    die    Iridaceen, 


Fig.  203.     Aus   den    brasilianischen   Campos 

(Minas  geraes).   Vernonia  desertorum.  Nat.  Gr. 

Nach  Warming. 


l)  1.  c.  S.  9. 


V.   Tropische  Gebiete  mit  ausgeprägten  Trockenzeiten.  40 1 

Apocynaceen ,  Melastomaceen ,  Verbenaceen,  Acanthaceen,  Gentianaceen, 
Scrophulariaceen ,  Caesalpiniaceen,  Mimosaceen,  Amarantaceen ,  Malvaceen; 
3 — 4  Arten  die  Malpighiaceen ,  Cucurbitaceen,  Ampelidaceen ,  Umbelliferen, 
Polypodiaceen ,  Sterculiaceen ;  1  —  2  Arten  die  Oxalidaceen,  Gesneraceen, 
Turneraceen,  Passifloraceen,  Bromeliaceen  ,  Menispermaceen ,  Commelinaceen, 
Lobeliaceen,  Anonaceen,  Aristolochiaceen,  Rhamnaceen,  Boraginaceen,  Hypo- 
xydaeeen,  Eriocaulaceen,  Cordiaceen,  Moraceen,  Lauraceen,  Droseraceen. 


Fig.  204.     Brasilianische  Camposflora.    Gomphrena  jubata.    Nat.  Gr.    Nach  Flora  Brasiliensis. 

Sträucher  hat  Verf.  an  170 — 180  Arten  gefunden.  Besonders  zahlreich 
sind  unter  ihnen  die  Myrtaceen  und  Malpighiaceen;  dann  kommen  die 
Melastomaceen  und  Compositen.  5 — 10  Arten  haben  die  Euphorbiaceen, 
Lythraceen,  Rubiaceen,  Anonaceen,  Papilionaceen,  Caesalpiniaceen,  Mimosa- 
ceen aufzuweisen.  Durch  3 — 4  Arten  vertreten  sind  die  Apocynaceen,  Bixa- 
ceen,  Ternstroemiaceen ,  Loranthaceen.  Auf  1  Art,  höchstens  2  Arten  be- 
schränkt sind  die  Erythroxylaceen ,    Connaraceen,   Sapindaceen,   Dilleniaceen, 

Schimper,  Pflanzengeographie.  26 


Fig.  205.     Brasilianische  Camposflora  (Minas  Geraes).     /  Sida  linifolia.     2  Lippia  rotundifolia. 

3  Eryngium  ebracteatum.    4  Tibouchina   frigidula.    5  Croton  antisiphyliticus.     6  Cromenarii 

erecta.     7  Hyptis  virgata.     8  Borreria  eryngioides.     Nat.  Gr.     Nach  Flora  brasiliensis. 


Auswahl  der  Literatur.  403 

Myrsinaceen,  Solanaceen,  Loganiaceen,  Bombaceen,  Cordiaceen,  Artocarpeen, 
Bignoniaceen,  Simarubaceen,  Ochnaceen,  Anacardiaceen,  Symplocaceen. 

Die  Zahl  der  Baumarten  schätzt  Warming  auf  76  oder,  mit  Einschluss 
der  zweifelhaften  Arten,  80.  Mehr  als  eine  Art  haben  die  Vochysiaceen  8, 
Papilionaceen,  Myrtaceen  und  Compositen,  je  5 ',  Bombaceen ,  Malpighiaceen, 
Nyctaginiaceen,  je  4 ;  Caesalpiniaceen,  Mimosaceen,  Bignoniaceen,  Proteaceen, 
Myrsinaceen,  Rubiaceen,  Melastomaceen  je  3;  Sapotaceen,  Combretaceen, 
Apocynaceen,  Erythroxylaceen ,  Sapindaceen,  Palmen  je  2.  Nur  eine  Art 
haben  die  Anonaceen,  Araliaceen,  Connaraceen,  Rhizoboleen,  Ternstroemia- 
ceen,  Loganiaceen,  Chrysobalanaceen ,  Solanaceen,  Verbenaceer,  Lythraceen, 
Euphorbiaceen,  Labiaten,  Bixaceen,  Styraceen,  Ebenaceen,  Celastraceen,  Olaca- 
ceen,  Dilleniaceen. 


Auswahl  der  Literatur. 

Die  Literatur  zu  1.  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  etc.  fällt 
mit  derjenigen  von  2  und  3  zusammen. 

2.  Die  Gehölaformationen  der  periodisch  trockenen  Tropengebiete. 

Berg,  A.     Physiognomy  of  tropical  Vegetation  in  South- America  etc.   14  plates. 

London   1854. 
Börgesen,  F.  og  Paulsen,  O.    Om  Vegetationen  paa  de  dansk-vestindiske 

öer.  Kjöbenhavn  1898. 
Brand is,  J.     I.    Forest  flora  of  Northwest  and  Central-India.    London  1874. 

—  II.  Report  on  the  Attaran  forests  for  the  year  1860.     Selection  from  the 

records  of  the  Government  of  India.     Calcutta  1861. 
Cordes,  J.  W.  H.    De  Djati-Bosschen  op  Java;  hunne  natuur,  verspreiding, 

geschiedenis  en  exploitatie.     Batavia  1881. 
Detmer,  W.     Botanische  Wanderungen  in  Brasilien.     Leipzig   1897. 
Engler,  A.    Die  Pflanzenwelt  Ost-Afrikas  und  der  Nachbargebiete.    Theil  A. 

Berlin  1895. 
Falconer,  H.     Reports  on  the   teak    forests   of  the  Tenasserim  provinces. 

With  other  papers  on   the   teak   forests    of  India.     Selections   from   the 

records  of  the  Bengal  government.     Calcutta  1852. 
Hooker  and  Thomson.     Flora  indica.     Vol.  I.     1854. 
Kurz,  S.     Preliminary  report   on   the    forest   and   other  Vegetation  of  Pegu. 

Calcutta  1875. 
Liais,    E.      Climats,   gdologie,    faune   et   gdographie    botanique   du   Brasil. 

Paris  1872. 
M  a  r  t  i  u  s ,  C.  F.  P.  v  o  n.    I.  Die  Physiognomie  des  Pflanzenreichs  in  Brasilien. 

München  1824. 

—  II.  Tabulae  physiognomicae.     Flora  brasil.  Fase.  I — IX.     1840 — 1847. 
Saint-Hilaire,   Aug.    de.     Tableau    de    la    vdgdtation    primitive    dans    la 

province  de  Minas  Geraes.     Annales  des  sciences  naturelles.     1831. 

26* 


404  Erster  Abschnitt :  -  Die  tropischen  Zonen. 

Schenck,  H.     Beiträge  zur  Biologie   und  Anatomie   der  Lianen.     I.  Theil. 

Jena  1892. 
Schimper,  A.  F.  W.     Die  epiphytische  Vegetation  Amerikas.     Jena  1888. 
Volkens,  Z.     Der  Kilimandscharo.     Berlin  1897. 
Warming,  E.     I.   Une   excursion   aux   montagnes   du  Br&il.     La  Belgique 

horticole.     1883. 
—  IL    Lagoa  Santa.     Kjöbenhavn  1892. 


8«  Die  tropischen  Grasflurformationen. 

Man   vergleiche  die  unter  2  citirten  Arbeiten  von  Engler,  Liais,  Martius 
St.  Hilaire,  Schenck,  Schimper,  Volkens,  Warming. 

Ausserdem : 
Humboldt,  A.  v.     Ansichten  der  Natur. 
Jenman,    G.  S.     Aspect   and   flora   of  the   Kaieteur   Savannah.     Demerara 

1882. 
Johow,  Fr.     Vegetationsbilder   aus  West -Indien   und  Venezuela,     III.    Ein 

Ausflug  nach  der  Höhle  del  Guacharo.     Kosmos  1885. 
Pechuel-Lösche,   E.     Die    Loango  -  Expedition.     Abtheil.  III.   ilc  Hälfte. 

Leipzig  1882. 
Sachs,  Carl.     Aus  den  Llanos.     Leipzig  1879. 
Schomburgk,  R.     I.   Reise  in  Britisch-Guiana.     Theil  IIL     1848. 
—  II.   Fauna  und  Flora  von  Britisch-Guiana.     1848. 


VI.  Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 

1.  Edaphische  Wirkungen  in  tropischen  Binnenländern«  §  i.  Der  Laterit. 
Physikalische  und  chemische  Eigenschaften.  Wirkungen  auf  die  Vegetation.  Eng -Wälder 
in  Birmah.  —  §2.  Der  Kalk.  Ungünstiger  Einfluss  auf  die  Vegetation  in  den  Tropen. 
Vorkommen  der  Dornwälder  auf  Kalkhoden.  —  §3.  Der  Humus.  Seine  relativ  schwache 
Entwickelung  in  den  Tropen.  Fehlen  der  Torf  bildung.  Der  Regur  in  Süd-Indien.  —  §  4. 
Kiesböden.  Die  Sal  -Wälder  Vorder  -Indiens.  Bambusenwälder.  —  §5.  Sumpfboden. 
Palmenbestände.  Die  Sumpfwälder  in  Pegu.  Nicht  bewaldete  Sümpfe.  —  §6.  Die  Fu- 
marolen  auf  Java.  Xerophile  Vegetation.  2.  Die  Formationen  des  tropischen 
Meereestrandes.  §  1.  Eintheilung.  —  §  2.  Offene  Formationen  des  san- 
digen Strandes.  Pescaprae  -  Formation.  Strandsträucher.  Pandanus.  —  §  3.  Strand- 
gehölze oberhalb  der  Fluthlinie.  Vorkommen  derselben  im  malayischen  Archipel, 
in  Pegu,  in  Ost -Afrika.  Oekologische  Eigenthümlichkeiten.  Casuarina -Wälder.  —  §  4. 
Die  Gehölzformationen  im  Bereich  der  Fluth.  Mangrove  oder  Fluthgehölze. 
Die  östliche  Mangrove.  Charakterpflanzen.  Oekologische  Eigenthümlichkeiten.  Rhizophora 
mucronata.  Viviparie  und  Keimung  bei  Rhizophoraceen ,  Avicennia  und  Aegiceras. 
Habitus  der  Mangrovegewächse.  Stelzwurzeln.  Pneumatophoren.  Physiognomie  des  Man- 
grovewaldes  in  Süd -Java.  Nipaformation.  Uebergang  in  die  Festlandformationen.  Die 
westliche  Mangrove. —  §5.  Geographische  Verbreitung  der  tropischen  Strand- 
formationen. 


1.  Edaphische  Wirkungen  in  tropischen  Binnenländern. 

Die  durch  Unterschiede  in  der  Beschaffenheit  des  Bodens  bedingte 
floristische  und  ökologische  Gliederung  der  Pflanzendecke  zeigt  sich 
weit  schärfer  ausgeprägt  in  den  periodisch  trockenen  als  in  den  immer- 
feuchten Gebieten,  wo  die  Regenwälder  sich,  anscheinend  ohne  wesent- 
liche Unterschiede  aufzuweisen,  auf  die  verschiedensten  Bodenarten 
ausdehnen  und  nur  an  sumpfigen  oder  sehr  salzreichen  Standorten  eine 
abweichende  Physiognomie  erhalten. 

Das  Auseinanderhalten  physikalischer  und  chemischer  Einflüsse  des 
Bodens  ist  für  die  tropischen  Gebiete,  mangels  diesbezüglicher  Unter- 
suchungen, zur  Zeit  noch  unmöglich  und  das  ganze  Gebiet  der  eda- 
phischen  Wirkungen   ist   noch,   ausser  für  die  Strandformationen,  sehr 


406  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

wenig  bebaut,  so  dass  man  sich  zur  Zeit  mit  der  Aufführung  einzelner 
Bodenarten  und  der  Eigenart  ihrer  Vegetation  begnügen  muss,  ohne 
auf  die  Ursachen  näher  einzugehen. 

§  i.  Der  Latent.1)  Die  tropischen  Zonen  besitzen  eine  charakte- 
ristische und  weit  verbreitete  Bodenart  in  demLaterit,  einem  durch 
Eisenoxyd  und  Eisenoxydhydrat  imprägnirten  röthen  oder  dunkelgelben 
Lehm,  der  durch  Verwitterung  aller  Thonerde  und  Eisen  enthaltenden 
Gesteine  hervorgeht  und  entsprechend  seinem  verschiedenen  Ursprung, 
sowohl  in  seinen  chemischen  wie  in  seinen  physikalischen  Eigenschaften 
manche  Unterschiede  aufweist.  Wohltmann  trennt  vom  eigentlichen 
Laterit,  der  harte  glasige  oder  zellige,  aus  Eisenoxyd  oder  Eisenoxyd- 
hydrat bestehende  Concretionen  enthält  und  auf  die  Tropen  beschränkt 
ist,  die  Rotherde,  welcher  solche  Concretionen  fehlen  und  die  nament- 
lich im  extratropischen  Südamerika,  jedoch  auch  in  den  Mittelmeer- 
ländern eine  wichtige  Rolle  spielt. 

Bei  aller  chemischen  Verschiedenheit  der  Latente  sind  einige 
negative  und  für  die  Vegetation  wichtige  Merkmale  ihnen  gemein, 
nämlich  grosse  Armuth  an  Alkalien  und  Kalk,  bezw.  gänzliches  Fehlen 
derselben  und  geringer  Gehalt  an  Phosphor,  Magnesia  und  Schwefel. 
Die  Hauptbestandtheile  sind  Kieselsäure,  Thonerde  und  Eisenoxyd  in 
sehr  wechselnden  Verhältnissen. 

Von  der  grossen  Ungleichheit  der  chemischen  Zusammensetzung  der 
Latente  giebt  folgende,  von  Wohltmann  zusammengestellte  Tabelle  eine 
Vorstellung : 


Malaiisch  (Inner-Afrika) 

Tafelberg 

Gabun. 

Ragoon  (ungef.) 

SiO2 

8o.5  °/o 

53-5  °/o 

'»•4°/. 

37.o°'0 

AlsO» 

I  I.I    

26.8  — 

17.8- 

6.0  — 

Fe*08 

4.0  — 

9.8- 

58.0  — 

47.0  — 

Physikalisch  ist  der  Laterit  durch  sehr  geringe,  wasserhaltende 
Kraft  charakterisirt ;  namentlich  sind  alte,  ausgelaugte,  schlackenreiche 
Laterite  sehr  durchlässig.  Als  nährstoffarme,  schnell  trock- 
nende Bodenart  stellt  der  Laterit,  namentlich  nach  dem 
Auswaschen  seiner  feinkörnigen  Bestandtheile,  ein  für 
das  Pflanzenleben  sehr  ungünstiges  Substrat  dar.  Inwie- 
fern der  grosse  Eisengehalt  die  charakteristischen  Eigentümlichkeiten 
der  Vegetation  mitbedingt,  ist  zur  Zeit  noch  unbekannt. 

Laterit,  vornehmlich  in  seinen  steinigen,  porösen  Formen  bedingt 
eine  sowohl  ökologisch  wie  floristisch  charakteristische  Physiognomie 
des  Waldes,  welche  von  Brandis  und  Kurz  für  Birmah  geschildert 
worden  ist. 


l)  Wohltmann  1.  c.  S.   145. 


VI.    Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen.  407 

Bezeichnend  ist  für  die  dortigen  Lateritgegenden  der  Engbaum, 
Dipterocarpus  tuberculatus ,  welcher  den  Wald  durch  sein  geselliges 
Auftreten  beherrscht  und  sich  dadurch  wesentlich  von  den  anderen 
Bäumen  des  letzteren  unterscheidet,  dass  er  normalen  hohen  Wuchs 
zeigt,  während  andere  Bäume  auf  knorrige,  mehr  oder  weniger  zwerg- 
hafte Gestalten  reducirt  sind.  Solche  Wälder  wurden  von  Brandis  und 
Kurz  „Engforests"  genannt.1) 

§  2.  Der  Kalk.  Der  Kalk  scheint  in  warmen  Klimaten  eine  wesent- 
lich andere  Wirkung  auf  das  Pflanzenleben  auszuüben  als  in  tempe- 
rirten  und  kalten.  Die  Verwitterungsböden  von  reinem  Kalkgestein 
bieten  weniger  günstige  Bedingungen  für  den  Pflanzenbau  und  die 
Zahl  der  Gewächse,  deren  Entwickelung  durch  Kalkdüngung  günstig 
gefordert  wird,  ist  kleiner  in  den  niederen  als  in  den  hohen  Breiten.2) 

Ueber  den  Einfluss  der  chemischen  Eigenschaften  des  Kalks  auf 
die  Gliederung  der  Pflanzendecke  ist  für  die  Tropen  ganz  sicheres  nicht 
bekannt,  obwohl  mehrere  Arten  an  Kalkboden  gebunden  zu  sein  scheinen. 
Die  bis  jetzt  nachgewiesenen  Wirkungen  des  Kalkbodens  sind  auf  steinige, 
humusarme  Standorte  in  periodisch  trockenen  Gebieten  beschränkt  und 
wohl  in  erster  Linie  auf  die  geringe  wasseraufsaugende  Kraft  des  Kalks, 
also  auf  eine  rein  physikalische  Eigenschaft  zurückzuführen. 

Im  Klima  des  Monsunwaldes  bedingt  Kalkboden  der  erwähnten 
Beschaffenheit  das  Auftreten  des  am  meisten  xerophilen  unter  den  tro- 
pischen Waldtypen,  nämlich  des  Dornwaldes,  bezw.  der  noch  grössere 
Trockenheit  anzeigenden  Dorngebüsche  und  Dorngesträuche.  Das  Vor- 
kommen des  Dornwaldes  auf  Kalkboden  im  Inneren  Brasiliens  wurde 
bereits  früher  erwähnt.  Aehnliches  gilt  von  den  periodisch  trockenen 
Gebieten  in  Pegu,  wo  der  von  Kurz  als  „dry  forest"  (trockener  Wald) 
bezeichnete,  unserem  Dornwald  vollkommen  entsprechende  Waldtypus 
für  trockenen  steinigen  Kalkboden  charakteristisch  ist.  Es  ist  ein  ge- 
büschartiger, regengrüner  Wald,  „wenig  einladend  wegen  des  Vor- 
wiegens  dorniger  Bäume  und  Sträucher."  Der  Baumwuchs  ist  hier 
mittelhoch  (50 — 70',  ausnahmsweise  bis  100').  Acacia  Catechu  (Sha) 
ist  in  solchen  Wäldern  oft  die  herrschende  Baumart  (Sha -Wälder). 
Endlich  wurden  von  Warburg  Wälder  und  Gebüsche  ähnlichen  öko- 
logischen Charakters  für  Kalkboden  auf  Ceram-Laut  beschrieben. 

Warburg  beobachtete  auf  fast  humusfreien  Kalkfelsen,  wenn  dieselben 
nur  hinreichend  zerklüftet  waren,  eine  mannigfaltige  primäre  Waldvegetation, 
die  hauptsächlich  aus  zum  Theil  mit  Stacheln  ausgerüsteten  Büschen  bestand. 
Eine  oder  zwei  endemische  Arten  wurden  nur  dort  gefunden.  Vorwiegend 
waren  folgende  Arten:  Trema  virgata  BL,  Dalbergia  densa  Benth.,  Eugenia 
Reinwardtiana   D.  C,   Zanthoxylum   diversifolium   Warb.,   Atalantia    paniculata 

*)  Vgl  s.  379. 

*)  Wohltmann  1.  c.  S.   134—135- 


408  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

Warb.,  Breynia  cernua  Müll.-Arg.,  Acalypha  grandis  Müll-Arg.,  Flagellaria 
indica  L.,  Citrus  Hystrix  D.  C.  Stellenweise  zeigten  sich  Bestände  einer 
kleinen  Bambusee,  Schizostachyum  Zollingeri. 

§  3.  Der  Humus.1)  Humusreiche  Böden  nehmen  in  den  Tropen 
weniger  grosse  Areale  als  in  den  temperirten  Zonen  ein  und  reine  tief- 
gründige Humusböden  sind  sehr  selten.  Die  Armuth  an  Humus  ist 
eine  Folge  der  Förderung  der  Entwicklung  der  Mikroorganismen 
durch  die  wenigstens  zeitweise  mit  grosser  Feuchtigkeit  verbundene 
tropische  Hitze.  Zudem  werden  die  organischen  Zersetzungsprodukte, 
namentlich  die  löslichen,  in  regenreichen  tropischen  Gebieten,  ent- 
sprechend der  grossen  Menge  und  Intensität  der  Niederschläge  in  so 
grossem  Maassstabe  fortgespült,  dass  viele  tropische  Flüsse,  namentlich 
in  der  Regenzeit,  eine  kaffeebraune  Farbe  annehmen. 

Humusreicher  Boden  mit  8—  9°/0  organischer  Substanz  zeigt  sich 
zwischen  den  Wendekreisen  namentlich  in  Süd-Indien,  welches  zu  un- 
gefähr einem  Drittel  von  der  auch  weiter  nördlich  vorkommenden 
sehr  fruchtbaren,  Regur  genannten  Schwarzerde  bedeckt  ist,  ferner  in 
flachen,  dicht  bewaldeten  Gegenden,  wo  der  Abfluss  der  Gewässer 
langsamer  vor  sich  geht  und  die  Beschattung  den  Zersetzungsprozess 
beeinträchtigt.  Zur  Torfbildung  kommt  es,  ausser  im  Ge- 
birge oberhalb   1200  m.,  nirgends. 

§  4.  Kiesboden.  Ein  kies-  und  geröllreicher  sehr  durchlässiger 
Boden  ist  für  den  Baumwuchs  ein  ungünstiges  Substrat  und  Standorte 
von  solcher  Bodenbeschaffenheit  zeigen  daher  stets  ein  charakteristisches 
Vegetationsbild.  Einige  Pflanzen-Arten  ertragen  solche  ungünstige  Be- 
dingungen besser  als  andere  und  bilden  oft  mehr  oder  weniger  reine 
Bestände.  Letzteres  ist  in  Vorderindien  in  grossem  Maassstabe  der  Fall 
für  den  Sal-Baum,  Shorea  robusta,2)  welcher  Wälder  von  grosser  Aus- 
dehnung in  den  Längsthälern  (Dun)  zwischen  den  äusseren  Ketten  des 
Himalaya- Gebirges  (Fig.  206),  sodann  in  einem  südlichen,  sehr  aus- 
gedehnten tropischen  Verbreitungsbezirke,  der  von  dem  nördlichen 
durch  die  Ganges -Ebene  getrennt  ist,  bildet.  Stets  zeigen  sich  die  Sal- 
Wälder  an  einen  lockeren,  für  Wasser  sehr  durchlässigen  Boden  gebunden 
und  fehlen,  wo  der  Boden  bindige  Beschaffenheit  annimmt.  Maassgebend 
für  ihr  Auftreten  ist  überhaupt  nicht  das  Klima,  sondern  nur  der  Boden. 
So  fehlt  der  Sal-Baum  in  der  westlichen  Hälfte  Vorderindiens,  wo  die 
herrschende  Bodenart  Trapp  ist,  während  er  in  der  klimatisch  ganz 
ähnlichen  östlichen  Hälfte  ausgedehnte  Waldungen  bildet. 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  das  Auftreten  selbständiger  Bambus- 
bestände (Fig.  207)  ebenfalls  mit  Eigenschaften  des  Bodens  verknüpft,  die  an- 
deren baumartigen  Gewächsen  weniger  günstig  sind,  da  dieselben,  ausser  in  den 

1)  Wohltmann  1.  c.  S.   173. 

2)  Brandis  1.  c. 


VI.    Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


409 


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Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


Gebirgen  Birmah's,  wo  sie  stellenweise  grosse  Ausdehnung  besitzen,  rein  lokal 
aufzutreten    pflegen.      Kurz    bezeichnet   als    Substrat    der   Bambusbestände  in 


Fig.  207.     Aussenseite  eines  Bambusenbestands.     Links:  Areca  Catechu.     Java. 
Nach  einer  Photographie. 


Pegu    felsigen  Boden   oder   untiefen  Alluvialboden   für   gewisse  Arten,  tiefen 
Alluvialboden  für  andere. 


VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen.  a\  \ 

Die  Bambusbestände  verdienen  mehr  als  irgend  welche  andere  die  Be- 
zeichnung rein,  denn  sie  bestehen  nur  .  aus  einer  Art  oder  zwei  Arten  von 
Bambusen  und  entbehren  aller  anderen-  Gewächse.  Nur  in  den  sehr  dichten 
Wäldern  bestimmter  Bambusarten  sollen,  nach  Kurz,  einige  Moose  (Hypnum, 
Fissidens)  und  Flechten  fleckenweise  auf  dem  Boden  und  den  Stammbasen 
auftreten. 

Die  Bambusbestände  verdanken  ihren  Ursprung  sehr  häufig  der  Cultur. 
Da  sie  im  letzten  Falle  von  den  natürlich  entstandenen  oft  nicht  mit 
Sicherheit  unterschieden  werden  können,  so  wird  das  Dunkel,  welches  über 
die  Bedingungen  ihres  Auftretens  herrscht,  voraussichtlich  nicht  leicht  ge- 
lichtet werden. 

§  5.  Sumpfboden.  Andauernde  grosse  Nässe  des  Bodens  ist  nach 
den  noch  sehr  unvollständigen  Beobachtungen  für  die  Oekologie  der 
tropischen  Vegetation  von  hervorragender  Bedeutung.  Durch  Infiltration 
des  Wassers  der  Flüsse  und  Seen  werden  in  Grasflurgebieten  die  Be- 
dingungen des  Waldwuchses  geschaffen  und  der  tropophile  oder  xerophile 
laubabwerfende  Wald  periodisch  trockener  Waldgebiete  wird  in  hygro- 
philen  immergrünen  umgewandelt.  Stagnirendes  Wasser  bedingt  noch 
tiefergreifende  floristische  und  ökologische  Abweichungen  vom  klimatischen 
Typus.  Sumpfiger  Boden  ist  vielfach  von  reinen  Beständen  bestimmter 
Palmenarten  eingenommen.  So  sah  ich  Mauritia  setigera  auf  Trinidad 
die  einzige  Vegetation  sumpfiger  Partien  in  der  Savanne  von  Aripo 
bilden,  andere  Mauritia-Arten  (M.  vinifera,  flexxuosa)  vereinigen  sich  in 
Venezuela  und  Brasilien  an  solchen  Standorten  ebenfalls  zu  reinen  Be- 
ständen, Phönix  paludosa  wächst  gesellig  in  den  Sümpfen  des  Ganges- 
Delta  u.  s.  w.  Es  fehlt  zwar  nicht  an  gemischten  Waldbeständen  auf 
Sumpfboden,  doch  sind  dieselben  meist  viel  weniger  artenreich,  nament- 
lich was  die  höheren  Bäume  betrifft,  als  diejenigen  weniger  nassen 
Bodens.  Am  bekanntesten  sind  unter  ihnen  die  Mangroven  des 
tropischen  Strandes  im  Bereich  der  Flut;  dieselben  verdanken  ihre 
Eigenthümlichkeiten  theilweise  dem  Salzgehalt  des  Substrats  und  sollen 
erst  später  im  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Littoralformationen  be- 
sprochen werden.  Im  Gegensatz  zu  den  Mangroven  sind  die  gemischten 
Waldbestände  der  Süsswassersümpfe  im  Innern  von  Birmah,  Sumatra 
und  Borneo  (Fig.  208),  bisher  nur  sehr  wenig  untersucht  worden,  ob- 
wohl sie  sowohl  floristisch  wie  ökologisch  viel  eigenartiges  zu  bieten 
scheinen. 

Kurz  bezeichnet1)  die  Sumpfwälder  als  „die  merkwürdigsten  Wälder  in 
Birmah  und  von  grossem  Interesse  für  den  Botaniker.  Ihre  Bestandteile  sind 
von  denjenigen  der  benachbarten  Wälder  so  abweichend,  dass  man  sich  un- 
willkürlich fragt,  wie  alle  diese  Bäume  hierher  gekommen  sind?  Die  grosse 
Mehrzahl  derselben  kommt  ausschliesslich  in  Sumpf  oder  an  ähnlichen  wasser- 

')  1.  c.  S.  29. 


412 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


reichen  Standorten  vor  und  sie  überspringen  weite  Landstrecken,  um  an 
anderen,  ihrem  Gedeihen  entsprechenden  Orten  wieder  aufzutreten.  Sie 
könnten  die  Mangroven  (s.  u.)  der  Süsswasser  genannt  werden,  denn  der 
Boden,  auf  welchem  sie  wachsen,  ist  beinahe  ebenso  sumpfig  wie  in  Mangroven". 
Nach  einer  Mittheilung  von  Capt  Seaton  an  Kurz  sollen  diese  merkwürdigen 
Wälder  auf  der  Höhe  der  Regenzeit  vollkommen  kahl  werden.  Sumpfwälder 
zeigen  sich  in  Birmah  vornehmlich  auf  hohem  Alluvialboden  des  Irawaddithals, 
aber  auch  längs  des  Sittang  und  am  Fusse  des  Yomah.  In  typischer  Form 
kommen  sie  in  Lokalitäten,  welche  in  der  Regenzeit  von  bis  4 — 5'  (zuweil  bis  i4) 
Wasser  bedeckt  sind.  Sie  bestehen,  wie  die  Regenwälder,  aus  mehreren  Stock- 
werken: Hohe  Bäume  von  60 — 70'  Höhe,  kleine  Bäume,  Sträucher  und  Bodenflor. 


Fig.  208.    Ein  Sumpfwald  auf  Borneo.    Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Prof.  Dr.  Kükenthal. 


Die  hohen  Bäume  bestehen,  wie  in  den  meisten  Formationen  mit  sehr 
eigenartigem  Substrat,  aus  wenigen  Baumarten:  Anogeissus  acuminatus,  Mangi- 
fera  longipes  und  Xanthophyllum  glaucum  sind  bei  weitem  vorherrschend.  Die 
kleineren  Bäume  sind  mannigfacher;  vornehmlich  sieht  man  Memecylon  Hel- 
fen, Elaeocarpus  photiniaefolia  (?),  Pavetta  parviflora  und  nigricans,  Gonocarvum 
Lobbianum,  Symplocos  leucantha,  Glochidion  sp.,  Hemicylia  sumatrana, 
Flacourtia  sp.,  Cassia  Fistula,  Randia  sp.,  zwei  Eugenia  sp.,  zwei  Aporosa  sp., 
Garcinia  succifolia,  Barringtonia  acutangula,  Dalbergia  flexuosa  etc.  Sträucher 
sind  namentlich  Glycosmis  pentaphylla,  Capparis  disticha,  Hymenocardia  Wal- 
lichii,  Grewia  sinuata,  Psilobium  sp.,  Crataeva  hygrophila ,  Combretum 
trifoliatum,  Gardenia  sp.    Die  Lianen  sind  zahlreich  und  viele  sehr  eigenartig, 


VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen.  a\* 

indem  sie  einen  kurzen,  nur  bis  zum  Niveau  des  Wassers  zur  Regenzeit  sich 
erhebenden  Stamm  besitzen,  aus  welchem  unverhältnissmässig  lange  und  ver- 
bogene Zweige  sich  erheben,  welche  ein  undurchdringliches  Dickicht  bilden. 
(Jasminum  sp.,  Gmelina  asiatica,  Pachygone  odorifera,  Sphenodesma  eryciboides, 
Tetracera  sp.,  Acacia  pennata?,  Ancistrocladus  Griffithii,  Combretum  tetrogono- 
carpum,  Roydsia  obtusifolia,  Derris  scandens,  D.  elegans,  D.  uliginosa  etc.). 
Die  Bodenkräuter  sind  spärlich  und  gehören  hauptsächlich  Carex  Wallich ii 
an,  ferner  Cyperus  sp.,  Fimbristylis  sp.,  Arten  von  Polygonum,  Maranta  etc. 
Orchideen  treten  massenhaft  als  Epiphyten  auf,  namentlich  in  der  Nähe  kleiner 
Seen.  In  ihrer  Gesellschaft  wachsen  grosse  Farne  wie  Asplenium  nidus  etc., 
ferner  zahlreiche  Laub-  und  Lebermoose.  Das  Wasser  der  Tümpel  und 
Sümpfe  ist  gewöhnlich  sehr  schmutzig  und  pflanzenarm;  klares,  reines  Wasser 
ernährt  nirgends  eine  sehr  reiche  Flora  gewöhnlicher  Stisswassergewächse. 

Ausser  den  bewaldeten  Sümpfen  giebt  es  solche,  die  Grasfluroasen  mitten 
im  Walde  darstellen.  So  schildert  Junghuhn *)  Sümpfe,  die  in  Ostjava  während 
der  Regenzeit  von  Wasser  bedeckt  sind,  in  der  Trockenzeit  aber  mehr  oder 
weniger  austrocknen  und  von  rohrartigem  Gras  bedeckt  werden.  Ganz  ähnliche 
Formationen  hat  Kurz  in  Birmah  kennen  gelernt.  Dieselben  sind  während 
der  Trockenzeit  theilweise  wasserlos  und  von  weichen  saftigen  Grasarten  be- 
deckt (Hymenachne  myurus  und  interrupta,  Panicum  crus  galli  und  P.  antidotale, 
Isachne  sp. ,  Leersia  hexandra  neben  einigen  Kräutern,  wie  Jussiaea-,  Xyris- 
Arten  etc.),  welche  in  der  Regenzeit  flutende  Wiesen  bilden.  Sümpfe,  welche 
auch  in  der  Trockenzeit  sehr  nass  bleiben,  tragen  entweder  eine  ganz  ähn- 
liche Flora  wie  die  periodisch  trockenen  oder  sind  von  Schilf  (Phragmites 
Roxburghii  und  Phragmites  sp.)  überzogen. 

§  6.  Fumarolen.  Auf  Java  wurde  zuerst  von  Zollinger,2)  später 
von  Junghuhn8)  die  eigenartige  Erscheinung  beobachtet,  dass  die  Vege- 
tation in  der  nächsten  Nähe  der  Fumarolen  wesentlich  von  alpinen 
Arten  zusammengesetzt  ist,  auch  wenn  sich  dieselben  iooo — 1500  m 
unterhalb  der  alpinen  Region  befinden.  Ausser  den  rein  alpinen  Arten 
treten  an  denselben  Standorten  auf  Java  Pflanzen  auf,  die  im  be- 
nachbarten Walde  als  Epiphyten  wachsen,  aber  als  Bodenpflanzen  sonst 
ganz  unbekannt  sind. 

Die  von  mir  näher  untersuchten  Fumarolen  Java's  stellten  bald 
trockene,  von  auskrystallisirtem  Schwefel  überzogene  Spalten,  bald 
kesselformige  Wasserpfutzen  dar,  deren  heisses,  vielfach  dem  Siede- 
punkt sich  näherndes  Wasser  (nach  Junghuhn  bis  1970  F  =  92  °  C) 
durch  Gase  in  heftigster  brodelnder  Bewegung  unterhalten  wird.  Der 
Boden,  auf  weichem  solche  Pfützen  meist  in  grosser  Anzahl  und  ver- 
schiedener Grösse  zusammen  vereinigt  sind,  stellt  einen  nassen,  weissen 
Thon  dar,  dessen  Ursprung  von  Junghuhn  auf  die  Einwirkung  von  Schwefel- 


»)  l.  c.  S.  208. 
«)  1.  c  S.  43. 

*)  1.  c.  S.  453;  ferner  Schimper  I. 


414  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

säure  auf  Trachyt  zurückgeführt  wird;  er  ist  meist  von  einem  gelben 
Schwefelauftrag  überzogen.  Vielfach  ist  der  Boden  so  heiss,  dass  das 
Verweilen  auf  demselben  ganz  unmöglich  ist.  Aus  allen  Spalten  und 
Pfützen  entweichen  heisse  Dämpfe  von  erstickendem  Gerüche  bald  nach 
Schwefelwasserstoff,  bald  nach  schwefliger  Säure.  Das  Wasser  schmeckt 
sauer  und  stumpft  die  Zähne  ab. 

Inmitten  solcher  eigenartigen  Bedingungen,  häufig  bis  hart  an  die 
brodelnden  Pfützen,  in  heissem,  saurem  Boden  wurzelnd,  das  Laub  in 
heissen  schwefelhaltigen  Dämpfen  gebadet,  gedeihen  üppige  Gebüsche, 
die  keine  andere  Wirkung  ihrer  Umgebung  aufweisen,  als,  an  besonders 
dampfreichen  Stellen,  einen  weissen,  mehligen  Ueberzug  auf  Rinde  und 
Blättern. 

Die  Gebüsche  der  Solfataren  sind  viel  niedriger  als  der  umgebende 
Wald  und  äusserst  scharf  gegen  denselben  abgegrenzt.  Keine  der 
kleinen  Bäume  und  Sträucher,  die  den  Hochwald  im  Unterholz  bilden, 
treten  in  ihnen  auf  und  die  Waldkräuter  nur  in  wenigen  Arten  und 
vereinzelten  Individuen;  auch  solche  Gewächse,  die  sonst  in  derselben 
Region  an  offenen  Standorten  auftreten,  fehlen  durchaus.  Trotz  der 
Feuchtigkeit  der  Atmosphäre  und  des  Bodens  setzt  sich 
die  Flora  der  Solfataren  aus  xerophilen  Arten  zusam- 
men, —  ja,  beinahe  alle  Xerophilen  der  Umgebung  finden  sich  da 
vereinigt.  Stets  zeigt  sich  in  zahlreichen  Exemplaren  Vaccinium  varin- 
giaefolium,  welches  sonst  nur  die  trockene  alpine  Region  oberhalb 
2600  m  bewohnt,  zusammen  mit  Rhododendron  javanicum,  welches 
auf  den  höchsten  Wipfeln  des  benachbarten  Waldes  gedeiht,  mit  Ficus 
diversifolia,  der  sonst  nur  als  Epiphyt  und,  auf  dem  Strande  bei  Singa- 
pore,  als  Halophyt  vorkommt.  In  den  Solfataren  der  tieferen  Regionen 
treten  noch  andere  sonst  epiphytische  Arten  hinzu,  wie  Medinilla  java- 
nica  und  Rhododendron  tubiflorum,  während  mit  Zunahme  des  Niveau 
über  dem  Meere  die  alpinen  Arten  in  den  Solfataren  immer  zahl- 
reicher werden  (Rhododendron  retusum,  Gaultheria  leucocarpa,  Myrsine 
avenis  etc.).  Ausserdem  sind  einzelne  nicht  näher  bestimmte  Farne 
mit  lederartigen  Blättern  und  Lycopodien  stets  an  solchen  Orten  vor- 
handen. Bemerkenswerth  ist,  dass,  wie  es  Junghuhn  bereits  erwähnt,  die 
Stämme  der  Solfatarengebüsche  jeder  epiphytischen  Vegetation,  auch 
der  Moose  und  Flechten,  ganz  entbehren ;  diese  sind,  wie  der  genannte 
Autor  sich  ausdrückt,  gleichsam  weggefegt,  —  eine  Erscheinung,  die 
sich  auch  auf  dem  Meeresstrande  zeigt. 

Die  physiologische  Ursache  des  Auftretens  einer  ganz  xerophilen 
Vegetation  auf  nassem  Boden,  in  sehr  regenreichem  Klima,  mitten  im 
üppigsten  Regenwalde,  ist,  wie  an  früherer  Stelle  nachgewiesen,  in  dem 
Reichthum  der  Solfataren  an  leicht  löslichen  Salzen,  namentlich  an  Alaun 
und  anderen  Sulfaten,  gegeben. 


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416  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

2.  Die  Formationen  des  tropischen  Meeresstrandes. 

§  i.  Eintheilung  der  tropischen  Strandformationen.  Unter  den 
edaphischen  Formationen  der  Tropen  sind  bis  jetzt  nur  diejenigen  des 
Strandes  genauer  untersucht  worden.  Dieselben  verdanken  ihre  aus- 
geprägten Eigenthümlichkeiten  theils  physikalischen,  theils  chemischen 
Einflüssen  und  bieten,  da  letztere  sehr  wechselnd  sind,  eine  oft  schon 
in  kurzen  Abständen  wechselnde  Physiognomie. 

Die  tropischen  Strandformationen  können  in  vier  Gruppen  ein- 
geteilt werden: 

i)  Offene  Formationen  auf  steinigem  und  felsigem  Boden. 

2)  Offene  Formationen  auf  sandigem  Boden. 

3)  Gehölzformationen  auf  sandigem  oder  steinigsandigem  Boden. 

4)  Gehölzformationen  auf  schlammigem  Boden  im  Bereich  der  Fluth. 
Die  Formationen  des  felsigen  und  steinigen  Bodens  sollen,    da  es 

darüber  an  Untersuchungen  fehlt,  unberücksichtigt  bleiben.  Nach  meinen 
gelegentlichen  Beobachtungen  scheinen  dieselben  nur  wenig  charakte- 
ristisches zu  bieten. 

§  2.  Offene  Formationen  des  sandigen  Strandes.  Der  flache, 
sandige  Strand  an  offenen,  dem  Winde  ausgesetzten  Küsten  ist  nur 
dürftig  bewachsen.  Das  gleiche  gilt  von  der  äussersten  Dünenreihe, 
während  vom  Meere  entferntere  Dünen  und  noch  mehr  die  zwischen 
ihnen  befindlichen  Thälchen  eine  landeinwärts  an  Dichtigkeit  zunehmende 
Pflanzendecke  aufweisen.  Die  eigentümlichsten  Gewächse  zeigen  sich, 
den  ungünstigen  äusseren  Bedingungen  entsprechend,  auf  dem  lockeren 
beweglichen  Sande  der  dem  vollen  Anprall  des  Seewindes  ausgesetzten 
Standorte.  Der  ökologische  Charakter  der  Vegetation  auf  beweglichem 
Sande  am  Meer  ist  an  früherer  Stelle  (S.  195)  bereits  in  seinen  all- 
gemeinen Zügen  dargestellt  worden.  Es  wurde  gezeigt,  dass  die  ersten 
Ansiedler  vornehmlich  kriechende  Gewächse  sind,  welche  sich  durch 
Adventivwurzeln  festankern.  Die  verbreitetste  dieser  Pflanzen  ist  Ipomoea 
pes  caprae  (I.  biloba),  welche  in  der  neuen  wie  in  der  alten  Welt  auf 
sandigem  Strande  selten  fehlt  und  deren  rasch  wachsende,  oft  mehrere 
Meter  lange  Sprosse  meist  am  weitesten  nach  dem  Meere  hinaus  ge- 
langen. Die  Fig.  210  zeigt  die  Pescaprae- Formation  in  ganz  typischer 
Ausbildung.  In  anderen  Gegenden  sind  andere  Gewächse  von  ähnlicher 
Lebensweise  maassgebend,  so  dass  man  z.  B.  eine  Canavalia-Formation, 
nach  einer  in  mehreren  Arten  auf  dem  ostasiatischen  Strande  ver- 
breiteten Papilionaceengattung ,  eine  Spinifex  -  Formation  etc.  unter- 
scheiden kann.  Unsere  Fig.  211  zeigt,  wie  die  Pescapraeformation 
sich  an  geschützteren  Standorten  entwickelt.  Die  kriechenden  Sprosse 
bedecken   den  Boden   mit  einem  Netze,   welches  nur  hier  und  da  von 


Fig.   210.      Sandiger  Strand  in  West-Java  mit  Ipomoea  pes  caprae.     Strauch  in  der  Mitte: 
Scaevola  Koenigii.     Rechts:  Croton  sp.     Nach  einer  Photographie. 


VI.    Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


417 


grösseren  Lücken  durchbrochen  ist.  Einige  andere  Gewächse  haben  sich 
auf  dem  befestigten  Boden  angesiedelt ,  namentlich  sind  einige  Gräser 
und  zwei  strauchige  Arten,  Scaevola  Koenigii  und  Croton  sp.  erkennbar. 


Fig.  an.     Sandiger  Strand  mit  Gesträuch  und  Pandanus  sp.  in  Deutsch  -  Ost  -  Afrika. 

Nach  einer  Photographie. 
Schimper,  Pflanzengeographie.  27 


4i8 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


In  noch  mehr  geschützten  Lagen  aber  auf  weniger  beweglichem, 
grobem  oder  kiesigem  Sandboden  werden  die  Sträucher  zahlreicher 
und  kleine  Bäume,  in  der  alten  Welt  Pandanus  -  Arten ,  treten  hinzu 
(Fig.  212,  213). 

In  Ostasien  sieht  man  besonders  häufig  an  solchen  Standorten  Pemphis 
acidula,  eine  buschige  strauchige  Lythracee,  mit  kleinen,  fleischigen,  silber- 
grau beschuppten  Blättern,  Clerodendron  inerme,  einen  etwas  dornigen  Strauch, 
dessen  lange,  von  tiefgrünen  succulenten  Blättern  bedeckte  Aeste  herabhängen 
und,  nach  Art  der  Brombeeren  und  anderer  wenig  entwickelten  Spreizklimmer 


Fig.  212.    Gesträuchformation  auf  dem  Meeresstrande,  dicht  an  der  Fluthlinie,  bei  Singapore. 

Pandanus  sp.   vorherrschend,   dazwischen  Scaevola  Koenigii  und  Thespesia  populnea.     Nach 

einer  Photographie  von  Herrn  P.  Groom. 


wirre  Dickichte  bilden ,  wenn  sie  nicht  eine  Stütze  gefunden  haben ,  ferner 
Scaevola  Koenigii  (Fig.  213),  der  tropische  Kosmopolit  in  der  sonst  beinahe 
auf  Australien  beschränkten  Familie  der  Goodeniaceen,  eine  der  merkwürdigsten 
Erscheinungen  der  Strandvegetation,  dank  ihren  langen,  vielfach  gekrümmten, 
wirr  durcheinander  wachsenden  Sprossen,  ihren  grossen  fleischigen  Blättern  und 
grossen  Rispen  sonderbarer  weisser  Blüthen,  aus  welchen  weisse  gerippte  Stein- 
früchte hervorgehpn. 

Im  malayischen  Archipel,  und  wahrscheinlich  anderwärts  in  Ostasien,  sind 
an  solchen  Standorten  Sträucher  und  Kräuter  häufig  durch  ein  dichtes  Gewirr 
der  grünen  und  rothen  Fäden  der  Cassytha  filiformis  verbunden  und  überzogen. 


VI.    Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


419 


Die  am  äusseren  Rande  zunächst  nur  zerstreuten  Sträucher  und 
Bäumchen  treten  in  grösserer  Entfernung  der  Fluthlinie  —  an  ruhigen 
Buchten  jedoch  schon  in  deren  nächster  Nähe  —  zu  mehr  oder  weniger 
geschlossenen  Gehölzformationen  von  Wald-,  Gebüsch-  oder  Gesträuch- 
charakter zusammen. 

§  3.  Die  Strandgehölze  oberhalb  der  Fluthlinie.  Gehölzformationen 
auf  dem  sandigen  und  sandigsteinigen  Strande  wurden  zuerst  von  Jung- 
huhn für  Java  und  von  Kurz  für  Pegu  geschildert.  Aus  dem  Vorkommen 
vieler  ihrer  charakteristischen  Arten  in  einem  grossen  Theile  der  alten 
Welt  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  weite  Verbreitung  derartiger 
Formationen    zu    schliessen;    doch   ist   darüber   nur   weniges   bekannt. 


Fig.  213.     Strandformationen. 
Lagune  junge  Rhizophoren. 


Im  Hintergrund:    Strandwald  (Barrington iaformation).    In  der 
Java.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  Warburg. 


Engler  erwähnt  die  Strandgehölze  für  Ostafrika,  wo  sie  jedoch  grössere 
Bestände  nicht  zu  bilden  scheinen.  Ueber  ihr  etwaiges  Vorkommen 
in  Westafrika  ist  nichts  bekannt  und  ich  kann  mich  nicht  erinnern, 
etwas  ihnen  ähnliches  im  tropischen  Amerika  gesehen  zu  haben,  ob- 
wohl es  an  Bäumen  auf  dem  Strande  auch  ausserhalb  der  Mangrove 
(z.  B.  Coccoloba  uvifera)  nicht  fehlt.  Die  in  Brasilien  „Restinga" 
genannten  Gebüsche  sandiger  Küsten  scheinen  des  halophilen  Charakters 
zu  entbehren. 

Als  niedrige  bis  mittelhöhe,  hie  und  da  durch  Gestrüpp  oder  spär- 
lich bewachsene  Sandflächen  unterbrochene  Wälder  habe  ich  die  Strand- 
gehölze namentlich  an  der  Nordküste  Java's,  auf  den  kleinen  Korallen- 

27* 


420 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


inseln  des  Java -Meers  und  auf  der  Insel  Singapore  kennen  gelernt. 
Folgende  Schilderung  wurde  an  Ort  und  Stelle,  in  einem  Walde  un- 
weit Priok  (Java)  geschrieben;  sie  könnte  sich  aber  ebenso  gut  auf 
die  anderen  mir  bekannten  Strand wälder  beziehen  (Fig.  213  u.  214). 

„Haben   wir   das    dichte  Geflecht   von  Zweigen,    welche  durch  die 
rothen   und    grünen  Fäden   der  Cassytha   häufig   gleichsam  zusammen- 


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Fig.  214.     Das  Innere  eines  Strandwaldes.     Pandanus  als  Unterholz.     Insel  Singapore. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  P.  Groom. 


genäht  sind,  durchbrochen  und  sind  in  das  Innere  einer  Waldpartie  ein- 
gedrungen (Fig.  214),  so  tritt  uns  ein  Bild  entgegen,  das  ganz  und  gar 
nicht  an  dasjenige  der  meisten  Tropenwälder,  wenigstens  derjenigen 
feuchter  Gebiete,  erinnert.  Auf  dem  sandigen  oder  steinigen,  nackten 
oder  doch  nur  von  spärlichen  todten  Blättern  bedeckten  Boden  erheben 
sich  ebenfalls  nackte  oder  einige  wenige  dickblätterige  Epiphyten 
(Hoja,   Dischidia- Arten)   und  kleine  Krustenflechten  tragende  Stämme, 


VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen.  42 1 

die  vielfach  durch  ein  Gewirr  dünner  Schlinggewächse  verbunden  sind. 
Stehen  die  Bäume  weniger  dicht,  so  sind  die  Zwischenräume  von 
struppigem  Unterholz  eingenommen,  in  welchem  junge  Exemplare  der 
Baumarten  mit  echten  Sträuchern  und  kleinen  Pandani  um  den  Raum 
streiten,  oder  Crinum  asiaticum  bildet  zwischen  den  Stämmen  mannes- 
hohe Dickichte. 

„Die  Blätter  dieser  Gewächse  sind  manchmal  recht  gross,  sie  zeigen 
aber  nichts  desto  weniger  in  ihrer  Structur  das  Gepräge  ungünstiger 
Transpirationsbedingungen,  namentlich  am  äusseren  Rande  der  Formation, 
wo  der  Boden  am  salzreichsten  ist.  Das  Laub  der  grösseren  Bäume 
ist  entweder  sehr  dicht,  oder,  wie  bei  so  vielen  Bewohnern  trockener 
Gebiete,  schirmförmig  bezw.  in  Etagen  gegliedert ;  die  Blätter  sind  dick 
lederartig  (Calophyllum  inophyllum,  Terminalia  Katappa,  Barringtonia 
speciosa)  oder  fleischig  saftig  (Scaevola  Koenigii,  Pemphis  acidula, 
Morinda  citrifolia,  Clerodendron  inerme,  Tournefortia  argentea,  Ximenia 
americana),  manchmal,  an  jüngeren  Teilen,  dicht  behaart  (Pemphis, 
Sophora  tomentosa,  Tournefortia,  Thespesia  populnea,  Heritiera  litto- 
ralis),  selten  mit  Firnissüberzug  versehen  (Dodonaea  viscosa).  Casuarina 
equisetifolia  erinnert,  in  grösserem  Maasstab,  an  die  Tamarix- Arten 
der  Mediterranregion,  die  leicht  gefiederten  Albizzien  und  Acacien, 
die  Zwiebelgewächse,  das  schmal-  und  hartblätterige  Gras  an  trockene 
Savannen  und  Steppen. 

Mit  der  Entfernung  vom  Meere  werden  die  Schutzmittel  gegen 
Transpiration  weniger  ausgeprägt;  die  dicken,  saftigen  Blätter  von 
Gerodendron  inerme,  Ximenia  americana,  Wollastonia  etc.  werden  gewöhn- 
lichen Blättern  gleich,  manche  ausgeprägt  halophytische  Arten,  wie  Barring- 
tonia speciosa,  Scaevola,  Wollastonia,  Tournefortia,  nehmen  mehr  und  mehr 
ab,   während  umgekehrt  Binnenlandformen  etwas  zahlreicher  auftreten. 

Ich  habe  in  den  Strandgehölzen  Java's  und  der  benachbarten  kleinen 
Koralleninseln  folgende  Baumarten  beobachtet:  Cycas  circinalis;  Pandanus, 
sp.  div.;  Casuarina  equisetifolia;  Calophyllum  inophyllum  (Guttif.);  Cerbera 
Odollam  (Apocyn.);  Hibiscus  tiliaceus  und  Thespesia  populnea  (Malvac); 
Terminalia  katappa  (Combret);  Hernandia  peltata  (Hernand.);  Heritiera  litto- 
ralis  (Stercul.);  verschiedene  Leguminosen  (Inocarpus  edulis;  Albizzia-,  Cyno- 
metra-,  Erythrina- Arten;  Pongamia  glabra;  Sophora  tomentosa  etc.).  Die  Zahl 
der  Straucharten  ist  eine  weit  grössere,  z.  B.  Pandani  sp.  d.,  Scaevola  Koenigii, 
Cordia  subcordata,  Clerodendron  inerme,  Vitex  trifolia,  Premna  integrifolia, 
Pemphis  acidula,  Ximenia  americana,  Dodonaea  viscosa,  Allophyllus  sundanus, 
Climacandra  obovata,  Colubrina  asiatica,  Suriana  maritima,  Morinda  citrifolia, 
Guettarda  speciosa,  Excoecaria  Agallocha. 

Die  sehr  zahlreichen  Schlinggewächse  sind,  mit  Ausnahme  von  Entada 
scandens,  sämmtlich  dünnstämmig,  und  vorwiegend  Leguminosen,  wie  Guilan- 
dina Bonducella,  Derris  uliginosa,  Canavalia- Arten,  ferner  Cassytha  filiformis 
und  Arten  von  Ipomoea.     Die  kleinen  sandigen  Lichtungen  sind  vornehmlich 


422  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

von  Gräsern  bewachsen ;  andere  Bestandteile  sind  verschiedene  Papilionaceen 
(Vigna-,  Crotalaria-Arten  etc.),  einige  unscheinbare  Compositen  (Conyza  indica, 
Wollastonia  glabra  und  biflora),  krautige  Euphorbiaceen  (Euphorbia  Atoto, 
Phyllanthus -  Arten ,  Acalypha  indica),  Portulaca  oleracea  und  P.  quadrifida, 
und  stattliche,  grossblüthige  Zwiebelgewächse  (Tacca  pinnatifida,  Crinum 
asiaticum,  Pancratium  zeylanicum). 

Kurz  erwähnt  als  Bestandtheile  der  Strandgehölze  in  Birmah:  Pongamia 
glabra,  Erythrina  indica,  Bombax  malabaricum ,  Hibiscus  tiliaceus ,  Cynometra 
bijuga,  Guettarda  speciosa,  Cycas  Rumphii,  Thespesia  populnea,  Scaevola 
Koenigii,  Colubrina  asiatica,  Derris  sinuata,  Breynia  rhamnoides,  Caesalpinia 
Bondhuc,  Ipomoea  pes  caprae,  Ischaemum  muticum.  Epiphyten  sind  Poly- 
podium  quercifolium ,  Arten  von  Hoya,  Dischidia  und  einige  Orchideen.  In 
Tenasserim  kommt  Casuarina  equisetifolia  hinzu. 

Verschiedene  Bäume  und  Sträucher  der  Strandgehölze  gehören  zu  den 
bekanntesten  und  häufig  cultivirten,  wie  Cycas  circinalis  und  Rumphii,  ver- 
schiedene grosse  Pandani,  Casuarina  equisetifolia,  Calophyllum  inophyllum, 
Terminalia  Katappa,  Morinda  citrifolia.  Die  Strandgehölze  sind  unzweifel- 
haft auch  die  Heimath  der  Cocospalme. 

Eine  ähnliche  floristische  und  ökologische  Physiognomie  wird  wahr- 
scheinlich noch  an  anderen  Punkten  der  ostasiatischen  und  australischen 
Küsten  dem  Strandwalde  zukommen.  Es  giebt  jedoch  nicht  unwesent- 
liche Abweichungen  von  derselben.  So  gehört  er  in  Birmah,  nach 
Kurz,  zu  den  periodisch  völlig  kahlen  Gehölzen  und  reine  Bestände  von 
Casuarina  equisetifolia  ersetzen  am  Golf  von  Bengalen  stellenweise  den 
gemischten  Wald. 

Die  Nähe  des  Meeres  macht  sich  in  den  Strandgehölzen  nicht  bloss 
in  der  trotz  Feuchtigkeit  des  Klimas  und  Wasserreichthum  des  Bodens 
ausgeprägt  xerophilen  Structur  geltend,  sondern  auch  in  den  Früchten, 
bezw.  in  den  Samen,  welche  in  der  Regel  mit  Schwimmvorrichtungen 
versehen  sind.  Die  meisten  der  an  früherer  Stelle  (S.  32  u.  f.)  er- 
wähnten charakteristischen  Früchte  und  Samen  der  Driftauswürfe 
stammen  von  Bäumen  und  Sträuchern  der  Strandgehölze.  So  ist  z.  B. 
Barringtonia  speciosa  nicht  bloss  durch  grosse  Blätter  und  prachtvolle 
Blüthen  ausgezeichnet,  sondern  ökologisch  weit  mehr  durch  die  über- 
faustgrossen  pyramidenförmigen  Früchte,  welche  leicht  sind  wie  Flaschen- 
kork und  deren  Perikarp  aus  einer  mächtigen  Lage  Schwimmgewebe 
besteht.  Ein  ähnliches  Schwimmgewebe  verbirgt  sich  unter  grüner 
Schale  in  der  grossen  eiförmigen  Frucht  von  Cerbera  Odollam,  in  der 
kleineren,  mandelähnlichen  Frucht  von  Terminalia  Katappa,  unter  dem 
dicken  saftigen  Mesokarp  von  Scaevola  Koenigii,  in  der  Samenschale 
von  Cycas  circinalis  und  Calophyllum  inophyllum  etc.  Heritiera  littoralis 
besitzt  bootförmige,  gekielte,  hartschalige  Nüsse,  welche,  dank  einer 
grossen  inneren  Höhlung  zu  den  besten  Schwimmern  gehören  und  die 
Einzelfrüchte  der  riesigen  Fruchtstände   von  Pandanus  sind,  trotz  ihrer 


Fig.  215  u.  216.     Mangrovelandschaft  auf  den  Seychellen.     Rhizophora  mucronata. 

Oben:  Fluth.     Unten:  Ebbe. 

Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  A.  Brauer. 


VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen.  423 

schönen,  anscheinend  zum  Anlocken  der  Thiere  erworbenen  rothen 
Farbe,  hart  und  beinahe  saftlos,  und  werden  vornehmlich,  wie  ihre 
Häufigkeit  in  den  Driftauswürfen  zeigen,  durch  die  Meeresströmungen 
verbreitet. 

Die  Schwimmfähigkeit  der  Samen  hat  die  ungeheure  Verbreitung 
der  meisten  Gewächse  der  Strandgehölze,  welcher  sich  in  dieser  Hin- 
sicht die  zum  Theil  identischen  Arten  der  offenen  Formationen  an- 
schliessen,  bedingt.  Auch  die  Arten  der  nachher  zu  besprechenden 
Mangrove  sind  mit  Schwimm  fruchten  oder  Schwimmsamen  versehen. 
Doch  zeigen  sich  die  letzteren  in  keiner  Formation  in  solcher  Voll- 
kommenheit und  Mannigfaltigkeit  wie  in  den  Strandgehölzen  oberhalb 
der  Flut 

§  4.  Die  Gehölzformationen  im  Bereich  der  Fluth.  Während  in 
den  tropischen  wie  in  höheren  Breiten  der  im  Bereich  der  Fluth  be- 
findliche Strandgürtel,  die  „Schorre",  an  den  dem  Winde  und  starken 
Wellenschlage  ausgesetzten  sandigen  oder  thonigen  Küsten  ganz 
vegetationslos  ist  und  an  felsigen  Küsten  nur  Algen  trägt,  ist  derselbe 
an  Buchten  und  Lagunen,  wo  die  Bewegungen  des  Meeres  und  der 
Luft  schwächer  sind,  von  dichten,  bald  mehr  gesträuch-  oder  gebüsch- 
artigen, bald  waldartigen  Gehölzen  bedeckt,  welche  Mangroven  oder 
Fluthgehölze  genannt  werden  und  welche,  sowohl  ökologisch  wie 
floristisch,  von  allen  Binnenlandformationen  abweichen. 

Aehnlich  wie  die  Strandgehölze  oberhalb  der  Fluth  bestehen  auch 
die  Mangroven  zum  grösseren  Theile  aus  Arten  weitester  Verbreitung. 
Doch  lassen  sich  sehr  scharf  zwei  grosse  Areale  unterscheiden,  ein 
östliahes,  welches  sich  von  Ost-Afrika  über  Asien  nach  Australien 
und  Mikronesien  erstreckt  und  ein  westliches,  welches  die  west- 
afrikanische Küste  und  die  amerikanischen  Küsten  umfasst. 


Die   östliche   Mangrove. 

Die  östliche  Mangrove,  welche  ihren  grössten  Formenreichthum  in 
Hinterindien  und  im  malayischen  Archipel  aufweist  und  da  seine  Ur- 
sprungsstätte haben  dürfte,  besteht,  abgesehen  von  wenigen  seltenen 
Arten,  deren  Zugehörigkeit  zur  Mangrove  noch  zweifelhaft  ist,  aus 
folgenden  Formen: 


Charakterpflanzen  der  östlichen  Mangroven. 

Rhizophoraceae:  Rhizophora  mucronata  Lam.,  conjugata  L.  Ceriops 
Candolleana  Arn.,  Roxburghiana  Arn.,  Kandelia  Rhedii  W.  et  A.,  Bruguiera 
gymnorhiza   Lamk. ,    eriopetala    W.  et  A.,    caryophylloides    Bl.,    parviflora    W. 


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VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


425 


etA.  —  Combretaceae:  Lumnitzera  racemosa  Willd.,  coccinea  W.  et  A.  — 
Lythraceae:    Sonneratia  apetala  Harn.,    acida  L.,   alba  Smith.  —  Melia- 


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Fig.  218.     Kandelia  Rheedii,  Keimlinge  in  3/4  nat.  Gr.     /  Jung   und   noch   in   der   Frucht 

steckend.    2  Abgelöst,  oben  mit  der  Plumula.   ß  Nach  der  Bewurzelung ;  vom  mehrblätterigen 

Sprosse  nur  die  Basis.     (N.  d.  Nat.  gez.  v.  R.  Anheisser.) 


ceae:  Carapa  moluccensis  Lam.,  obovata  Bl.  —  Myrsinaceae:  Aegiceras 
majus  Gaertn.  —  Rubiaceae:   Scyphiphora  hydrophyllacea  Gärtn.  —  Ver- 


426  Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 

benaceae:    Avicennia    officinalis  L.,   und  var.  alba   Bl.  sp.  —  Acantha- 
ceae:  Acanthus  ilicifolius  L.  —  Palmae:    Nipa  fruticans  Wurmb. 

Manche  Arten  der  Strandgehölze  kommen  gelegentlich  an  trockenen 
Stellen  der  Mangroven  vor,  aber  nur  selten  auf  dem  Schlamm  (Heritiera  litto- 
ralis  auf  Ceylon,  nach  Karsten). 

Zur  Fluthzeit  sieht  man  vom  Meere  aus  lebhaftgrüne,  bald  dicht 
aneinander  schliessende,  bald  gleichsam  als  Vorposten  einzeln  sich 
erhebende  Laubkronen  diesseits  der  Strandlinie  aus  dem  Meere  hervor- 
ragen (Fig.  215).  Zur  Ebbezeit  ist  der  Boden,  soweit  die  Mangrove 
reicht,  vom  Meere  entblösst  und  stellt  einen  blauschwarzen  Schlamm 
dar,  aus  welchem  die  Bäume  auf  kurzen,  aber  von  hohen  Stelzwurzeln 
getragenen  Stämmen  sich  erheben  (Fig.  216).  Diejenige  Baumart, 
welche  in  den  östlichen  Mangroven  die  Aussenseite  der  Mangrove  nach 
dem  Meere  hin  einnimmt  und  durch  langsames  Fortschreiten  eine 
allmähliche  Hebung  der  Küste  bedingt,  ist  Rhizophora  mucronata 
(Fig.  215 — 217  und  227).  Kein  Baum  der  Mangrove  ist  besser  aus- 
gerüstet, um  im  weichen  Schlamme  der  Flutbewegung  zu  widerstehen, 
sich  unter  solchen  schwierigen  Bedingungen  fortzupflanzen  und  aus  dem 
häufig  ganz  unverdünnten  salzigen1)  Meereswasser  den  Transpirations- 
verlust zu  decken.  Das  den  Stamm  tragende  Gestell  bogenförmiger 
Stelzwurzeln  stellt  ein  vollkommenes  Ankersystem  dar,  welches  durch 
neue,  von  den  Zweigen  herabwachsende  Wurzeln,  dem  Zuwachs  der 
Krone  entsprechend,  verstärkt  wird.  Die  Blätter  (Fig.  17)  besitzen  aus- 
geprägte xerophile  Structur,  mit  dicker  Cuticula,  grossen  Schleimzellen, 
geschützten  Spaltöffnungen  und  namentlich  einem  grosszelligen  und 
dünnwandigen  Wassergewebe,  dessen  Mächtigkeit  mit  dem  wachsenden 
Alter  des  Blattes  und  dem  correspondirenden  steigenden  Salzreichthum 
zunimmt.  Alte  Blätter  dienen  wesentlich  nur  noch  als  Wasserspeicher 
für  jüngere  Blätter. 

Am  merkwürdigsten  ist  bei  Rhizophora  mucronata,  welcher  sich 
in  dieser  Hinsicht  die  übrigen  Rhizophoraceen  der  Mangrove  in  der 
Hauptsache  anschliessen  (Fig.  218),  die  Fortpflanzung.  Die  Frucht,  eine 
lederartige  Schliessfrucht,  etwa  von  der  Grösse  einer  Haselnuss,  wird 
bald  nach  Abschluss  ihres  Wachsthums  vom  grünen  Hypocotyl  am 
Gipfel  durchbrochen,  indem  der  Keim  eine  Ruhperiode  nicht  durch- 
macht, sondern  sich  ununterbrochen  weiter  entwickelt.  Das  Hypocotyl 
hat  bei  Rhizophora  mucronata  keulenförmige  Gestalt  und  erreicht 
60  cm,  zuweilen  sogar  noch  beträchtlichere  Länge,  bevor  es  unter 
Hinterlassung   der   verwachsenen   und   als   Saugorgan   dienenden  Coty- 


*)  Die  in  der  Literatur  häufig  wiederkehrende  Angabe,  dass  Rhizophora  im  reinen 
Meereswasser  nicht  vorkommt,  ist  unrichtig.  Ich  habe  Rh.  mucronata  auf  felsigem  Boden 
der  Koralleninseln  des  Javameeres,  wo  Süsswasser  ganz  fehlt,  gedeihen  sehen. 


VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


427 


Fig.  219.      Bruguiera    parviflora.      Früchte    mit    Keimlingen    in    verschiedenen    Stadien    der 
Entwickelang,   doch  keine  noch  ganz   ausgewachsen.     Süd -javanische  Mangrove.     Nat.  Gr. 


428 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


ledonen  herausfallt.  Entsprechend  der  grösseren  Dicke  des  unteren 
Endes  fällt  der  Keim  senkrecht  mit  der  Wurzelspitze  nach  unten  in 
den  Schlamm  und  erzeugt  schon  nach  wenigen  Stunden  Wurzeln, 
welche  ihn  festankern;  doch  wird  er  an  weniger  geschützten  Stellen 
von  der  sich  zurückziehenden  Fluth,  wie  das  Vorkommen  der  Keimlinge 
in  den  Driftauswürfen  zeigt,  nicht  selten  mitgenommen.  Die  aus- 
geworfenen Keimlinge  vermögen  an  geeigneten  Standorten  sich  eben- 
falls weiter  zu  entwickeln,  indem  der  untere  Theil  positiven,  der  obere 

negativen  Geotropismus  be- 
sitzt. Auf  Fig.  214  sind  in 
einem  seichten ,  offenbar 
erst  kürzlich  entstandenen 
Strandtümpel  zahlreiche 
junge  Exemplare  von  Rhi- 
zophora  mucronata  in  ver- 
schiedenen Stadien  der 
Entwickelung  sichtbar. 

Bei  den  anderen  Rhizo- 
phoraceen  der  Mangrove 
sind  die  Keimlinge  kleiner 
als  bei  Rh.  mucronata  und 
nicht  immer  ausgeprägt 
keulenförmig  (Fig.  218 
und  219). 

Viviparie  zeigt  sich 
ausserdem  bei  Aegiceras 
majus  und  bei  Avicennia 
officinalis.  Die  Keimlinge 
von  Aegiceras  sind  horn- 
artig  gekrümmt  und  klei- 
ner als  diejenigen  derRhizo- 
phoraceen;  sie  bleiben  in 
der  dünnen  Fruchtschale 
eingeschlossen.  Diejenigen 
von  Avicennia,  die  bald 
von  der  erst  später  aufspringenden  lederartigen  Fruchtschale  umhüllt, 
bald  ohne  dieselbe  herabfallen,  sind  mit  krummem,  dicht  behaartem 
Hypocotyl  und  zwei  grossen  Cotyledonen  versehen.  Die  Haare  sind 
steif  und  nach  oben  gekrümmt  und  befestigen  den  Keimling  im  Schlamm. 
Bei  den  anderen  Pflanzen  der  Mangrove  ist  Viviparie  nicht  vorhanden, 
doch  sind  die  Keimlinge  einiger  Arten,  namentlich  diejenigen  von 
Acanthus  und,  in  Amerika,  von  Laguncularia  immerhin  viel  weiter  ent- 
wickelt, als  es  bei  Binnenlandpflanzen  der  Fall  zu  sein  pflegt. 


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Fig.  220.  Javanische  Mangrove.    Bruguiera  gymnorhiza. 
Nach   einer  Photographie   des   Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


429 


Fig.  221.     Sonneratia   acida  in  der  javanischen 

Mangrove.    Nach  einer  Photographie  von  Herrn 

Dr.  G.  Karsten. 


Gelangt  man  in  das  Innere  der  Mangrove,  so  treten  der  Rhizophora 
mucronata  andere  Holzarten  hinzu  und  werden  mit  der  Entfernung  vom 
Meere  vorherrschend.  Als  stattlicher  Baum  überragt  Bruguiera  gym- 
norhiza  alle  anderen  Mangrove- 
bäume  (Fig.  220).  Die  übrigen 
Bruguiera  -  Arten ,  Rhizophora 
conjugata,  Ceriops  Candolleana 
und  Kandelia  Rheedii  sind  klei- 
nere Bäume  oder  Sträucher.  Die 
oft  Bestände  für  sich  allein  bil- 
dende Sonneratia  acida  (Fig.  221) 
ist  ebenfalls  ein  kleiner  Baum; 
die  verwandte  und  ähnliche 
Sonneratia  alba  liebt  mehr  stei- 
nige Standorte  und  wächst  häufig 
ganz  vereinzelt  an  offenen  Stellen, 
ausserhalb  der  eigentlichen  Man- 
grove. Auch  Avicennia  officinalis 
bildet  oft  ausgedehnte  buschige 
Bestände  (Fig.  222),  in  welchem 
das  graue,  häufig  von  den  hoch- 
gelben Blüthenständen  bedeckte 
Laub  nahezu  bis  zum  Boden  reicht. 
Aegiceras  majus  ist  ein  massig 
hoher  Strauch  und  Acanthus  ilici- 
folius  ein   distelähnliches  Kraut. 

Die  Stelzwurzeln ,  welche 
der  Rhizophora  mucronata  einen 
so  eigenartigen  Habitus  verleihen, 
zeigen  sich  nur  noch  bei  dem 
krautigen  Acanthus  in  relativ 
starker  Entwicklung.  Sie  sind 
bei  der  weniger  weit  als  Rh. 
mucronata  in  das  Meer  hin- 
austretenden Rh.  conjugata 
schwächer  als  bei  letzterer  ent- 
wickelt und  bei  den  übrigen 
Bäumen  der  Mangrove  gar  nicht 
oder  nur  wenig  ausgeprägt  (Fig. 
225);  namentlich  fehlen  der 
letzteren    die    nachträglich    aus       Fig  222    Javanische  Mangrove:  Avicennia  0fn- 

den     Aesten      herabwachsenden        cinalis  zur  Ebbezeit.     Nach  einer  Photographie 
Ankerwurzeln.  des  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Fig.  223.    Pneumatophoren  von  Mangrove-Bäumen,  Java.    /  Bruguiera  caryophyllata.    2  Bing* 
gymnorhiza.    ß  Carapa  obovata,   junger  Wurzelast     Sämmtlich  verkleinert 


VI.    Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


431 


Hingegen  sind  die  Wurzeln  der  meisten  Mangrovebäume  durch 
den  Besitz  höchst  eigenartiger  Pneumatophoren  ausgezeichnet  (Fig.  223, 
224,  225).  In  einfachster  Gestalt  zeigen  sich  dieselben  bei  Carapa 
obovata  (Fig.  223,  j),  wo  die  schlangenartig  kriechenden  Wurzeln  mit 
ihrer  oberen,  der  Klinge  eines  dicken  Messers  ähnlichen,  aber  von 
Lenticellen  übersäeten  Kante  aus  dem  Schlamm  hervorragen.  Bei 
Carapa  moluccensis  ist  das  secundäre  Dickenwachsthum  im  oberen 
Theile  ungleichmässig ,  derart  dass  derselbe  sich  in  fingerartige  Aus- 
wüchse auflöst.  Bei  den  Arten  von  Bruguiera  (Fig.  223  und  225  /  u.  2) 
biegen  sich  die  horizontalen 
Wurzeln  stellenweise  zu  knie- 
artigen, über  den  Schlamm 
hervorragenden  Gebilden ,  die 
bei  Bruguiera  gymnorhiza  grosse 
Lenticellen  tragen,  bei  Bruguiera 
caryophyllata  aber  ihre  Rinde 
allmählich  abwerfen.  Avicennia 
officinalis  (Fig.  221,  223),  wel- 
cher sich  die  beiden  amerika- 
nischen Arten  anschliessen,  Son- 
neratia  acida  (Fig.  2234,  221) 
und  alba,  Ceriops  Candolleana 
und  die  amerikanische  Combre- 
tacee  Laguncularia  racemosa 
erzeugen  negativ  geotropische, 
spargelähnlich  aus  dem  Boden 
hervorragende  finger-,  bei  Son- 
neratia  armlange  negativ-geotro- 
pis  che  Neben  wurzeln.  DieRhizo- 
phora-Arten  besitzen  besondere 
Pneumatophoren  nicht ,  jedoch 
übernehmen  die  oberen,  aus 
dem  Schlamm  ragenden  Theile 
ihrer  Stelzwurzeln  deren  Function. 

Dass  die  Pneumatophoren  zur  Sauerstoffversorgung  der  unter- 
irdischen Theile  dienen,  wurde,  wie  auf  Seite  84  des  Näheren  dargestellt, 
von  G.  Karsten  und  Greshoff  nachgewiesen.  Alle  diese  Bildungen  sind 
dementsprechend  mit  Vorrichtungen  zur  Aufnahme  des  Sauerstoffs 
(Lenticellen,  Spalten,  dünner  Kork)  und  zu  dessen  Transport  (Inter- 
cellulargänge  in  der  primären  Rinde  oder  Bast)  versehen. 

In  der  folgenden,  an  Ort  und  Stelle  geschriebenen  Skizze  habe  ich  den 
Versuch  gemacht,  eine  Vorstellung  von  der  Physiognomie  der  Mangrove  auf 
Java  zu  geben. 


Fig.  224.    Pneumatophoren  von  Avicennia  offici- 
nalis.    Mangrove,  Java.     */*  nat-  Gr. 


432 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


Die  unter  dem  Namen  Kindersee  bekannte  lagunenartige  Bucht  in  Süd- 
Java  ist  nach  Süden  durch  die  hügelige  Insel  Noesa-Kambangan  vom  Indischen 
Ocean  getrennt,  im  Uebrigen  zwischen  den  hier  ganz  flachen  Ufern  der 
Hauptinsel  eingeschlossen.  Mehrere  Flüsse  ergiessen  in  dieselbe  ihre  träge 
fliessenden  Gewässer  und  sind,  ihrem  niederen  Niveau  entsprechend,  noch  in 
grosser  Entfernung  ihrer  Mündung  dem  Einflüsse  der  Fluthbewegungen  aus- 
gesetzt. Der  Mehrzahl  nach  spalten  sie  sich  in  mehrere  Arme.  Diese  Delta- 
bildungen liegen  zur  Fluthzeit  unter  Wasser,  zur  Ebbezeit  ein  wenig  über 
dem  Niveau  desselben.  Ein  besseres  Substrat  für  die  Entwicklung  der 
Mangrove    könnte    kaum    existiren    und    letztere    ist    denn    auch    mit   seltener 

Ueppigkeit  entwickelt. 


Fährt  man  iit 
einem  Canoe  längs 
der  Ufer  der  Bucht 
oder  in  einem  der 
zahlreichen  Flussaxmc, 
so  erblickt  man  nicht 
immer  das  gleiche 
Bild.  Weit  mehr  als 
an  freien ,  schiefen 
Küsten,   wo    betnahe 

allein  Rhizophora 
nmeronata  dem  An- 
prall  der  Wellen 
Widerstand  zu  leisten 
oder  sich  im  bewegten 
Wasser  fortzupflanzen 
im  Stande  ist,  «iml 
auT  diesen  seichten 
Ufern,  wo  derWellcD- 
schlag  unbekannt  jm 
die  Ex  iste  uz  \  *ed  m  - 
gütigen  für  verschie- 
dene Arten  ungefähr 
Raum    bald    die    eine, 


Fig.  225.    Aus  der  Mangrove:  Bruguiera  gymnorhiza  mit  Knie- 
wurzeln.    Ebbe.     Süd-Liukiu.     Nach   einer   Photographie   von 
Herrn  Dr.  O.  Warburg. 


gleich  günstig,  so  dass  in  dem  Kampfe  um  den 
bald  die  andere  Art  den  Sieg  davon  trägt.  Bald  ist  das  Ufer  von  einen* 
dichten  Gürtel  von  Rhizophoreen  eingenommen,  bald  fahrt  man  lang* 
eines  Wäldchens  der  silbergrauen,  weidenartigen  Avicennia  offidnalis  var.  alba 
an  anderen  Stellen  noch  ist  das  matte  Grün  der  Sonneratia  aeida  vorherrschend, 
oder  endlich  die  Vorposten  sind  von  einer  schmalen  Hecke  der  Nipa  fruticans 
behauptet.  Hin  und  wieder  fällt  die  sonderbare  Erscheinung  einer  Carapa 
obovata  auf,  deren  kopfgrosse  braungelbe  Früchte  aus  der  kleinen  Krone 
hervorschimmern,  oder  ein  von  schneeweissen  Blüthen  und  hornartigen  Fruchten 
bedeckter  Busch  des  Aegiceras  majus.  Die  beiden  hier  vorkommenden 
Bruguiera- Arten  (B.  gymnorhiza  und  B.  parviflora)  sind  am  Rande  mehr 
vereinzelte  Erscheinungen ;  um  so  häufiger  sind  sie  im  Inneren  der  Mangrove, 


Fig.    226.     Cocos  nucifera,  Nipa  fruticans,  Hibiscus  tiliaceus  (rechts)  an  einer  Meereslagune 
bei  Singapore.     Nach  einer  Photographie. 
Schimper,  Pflanzengeographie.  28 


434 


Erster  Abschnitt:   Die  tropischen  Zonen. 


wo  die  Kronen  der  Br.  gymnorhiza  die  übrigen  Bäume  weit  überragen, 
während  die  bedeutend  kleinere  und  unscheinbar  blühende  Br.  parviflora  sich 
den  Blicken  mehr  entzieht. 

Zur  Ebbezeit  blickt  man  in  das  Gewirr  der  Rhizophorastelzen  oder  in 
den  Rasen  der  Spargelwurzeln  von  Avicennia  und  Sonneratia,  mit  seiner  Be- 
völkerung von  Fischen  und  Krabben.  Nirgends  habe  ich  die  Kniewurzeln 
von  Bruguiera  gymnorhiza  in  solcher  Menge  und  Grösse  gesehen.  An  anderen 
^teilen  kriechen  die  scharfgekielten  Wurzeln  der  Carapa  obovata  mit  allerlei 
Windungen  an  der  Oberfläche  des  Schlammes. 

Zur  Fluthzeit  ist  das  ganze  Wurzelwerk  unsichtbar,  sogar  die  untersten 
Blätter  der  Rhizophoreen  und  der  Sonneratia  bleiben  eine  Zeitlang  unter  dem 


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Fig.  227.     Aus   der  javanischen  Mangrove:    Im  Vordergrund  Rhizophora  mucronata,  Keim- 
pflanzen tragend ;  im  Hintergrund  Nipa  fruticans  (Nipa- Formation).    Nach  einer  Photographie 

von  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Wasserspiegel.      Jüngere    Exemplare    der   Rhizophora   mucronata    konnte   ich, 
vom  Canoe  aus,  in  der  Tiefe  des  Wassers  erblicken. 

Epiphyten  sind  in  der  Mangrove  meist  sehr  spärlich  und  fehlen  am 
äusseren  Rande,  auf  Rhizophora  mucronata,  gänzlich.  Offenbar  entspricht  ihnek 
die  salzige  Oberfläche  nicht,  durch  welche  das  schon  wasserarme  Substrat  physio» 
logisch  noch  trockener  wird.  Nur  an  tiefen  Buchten  und  im  Inneren  aus- 
gedehnter Mangroven,  wo  der  Wind  salzigen  Wasserstaub  auf  die  Aeste  nicht 
bläst,  treten  epiphytische  Arten  reichlicher  auf,  z.  B.  Platycerium  grande, 
PI.  alcicorne,  am  Kindersee  auch  Hydnophytum  montanum.  Daneben  sind 
kleine  Flechten   stets  vorhanden,   dagegen  keine  Moose;   letztere  gehören  zu 


Vi.  Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen. 


435 


den  besonders  salzscheuen  Gewächsen.     Ueber  die  Algen,  welche  die  Wurzeln 
bedecken,  wird  im  Abschnitt  über  die  Wasserpflanzen  berichtet  werden. 

Die  vom  Meere  entfernteren  Lagunen,  wo  der  Boden  zwar  noch 
dem  Einfluss  der  Gezeiten  unterworfen,  aber  bereits  weniger  salzig  ist, 
pflegen  im  tropischen  Ostasien  und  Australien  vornehmlich  von  den 
Beständen  einer  kurzstämmigen  Palme,  Nipa  fruticans,  (Fig.  226  u.  227) 
umgürtet  zu  sein,  welche  stellenweise,  z.  B.  auf  Sumatra,  für  sich  allein 
ungeheure  Flächen  bedeckt.    Diese  Abart  der  Mangrove  wird  am  besten 


Fig.  228.     Mangrove    auf    Samoa.      Innenrand   auf  weniger    salzigem   und   weniger   nassem 

Boden.       An    beiden    Ufern    Chrysodium    aureum.      Rechts:     Hibiscus    tiliaceus   (?).      Im 

Hintergrund  Cocos  nucifera.     Nach  einer  Photographie. 


als  Nipaformation  von  der  eigentlichen  Mangroveformation  getrennt. 
Rhizophoraceen  kommen  mitten  in  der  Nipa-Formation  kaum  vor,  wohl 
jedoch  einige  andere  Mangrovebäume  wie  Avicennia  officinalis,  Sonne- 
ratia  acida  und  sehr  häufig  der  Farn  Chrysodium  aureum. 

Der  allmählich  wasserärmer  werdende,  der  regelmässigen  Ueber- 
schwemmung  durch  die  Fluth  entzogene  Boden  jenseits  der  Mangrove 
und  der  Nipaformation  zeigt  eine  zunehmende  Zahl  von  Pflanzenarten 
des  trockeneren  salzigen  Bodens,  besonders  zahlreich  Hibiscus  tiliaceus 
und  dazwischen  Chrysodium  aureum  (Fig.  228). 

28* 


436 


Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 


Die  westliche  Mangrove. 
Die  westliche  Mangrove  ist  in  ihrem  ökologischen  Charakter  der 
östlichen  sehr  ähnlich,  aber  viel  artenärmer  und  viel  weniger  reich 
gegliedert.  Sie  besteht  aus  nur  vier  Arten,  Rhizophora  Mangle  L.,  der 
Combretacee  Laguncularia  racemosa,  Avicennia  tomentosa  und  A.  nitida. 
Der  westafrikanischen  Mangrove  scheint  Avicennia  tomentosa  zu  fehlen. 

Rhizophora  Mangle 
(Fig.  229,  230) 
nimmt,  wie  in  der 
östlichen  Mangrove 
Rh.  mucronata,  den 
äusseren  Rand  der 
Formation  ein,  wäh- 
rend Laguncularia 
racemosa  nament- 
lich am  Innenrand 
auftritt  und  dort  oft 
reine  Bestände  bil- 
det. Die  Avicennien 
zeigen  ein  mittleres 
Verhalten.  Aehnlich 
wie  in  der  östlichen 
Mangrove  treten 
auch  in  der  west- 
lichen, auf  trocke- 
neren Inselchen  ei- 
nige andere  Arten 
hinzu,  welche  beim 
Uebergang  in '  die 
Binnenland  formatio- 
nen  vorherrschend 
werden  ,  darunter 
tropisch  -  kosmopoli- 
tische Arten  nie  Hi- 
biscus  tiliaceus  und 
Chrysodium  aureum, 
aber  auch  rein  west- 
liche Arten ,  wie  die  Combretacee  Conocarpus  erectus  etc.  Epiphyten 
*  sind  in  der  westlichen,  ebenso  wie  in  der  östlichen  Mangrove  spärlich 
und  meist  auf  einige  Bromeliaceen  und  Flechten  beschränkt. 

§  5.  Verbreitung  der  tropischen  Strandformationen.  Offene 
Strandformationen  sind  in  der  ganzen  Ausdehnung  der  tropischen 
Zonen,    in    regenarmen    Gebieten   sogar   meist   allein    vorhanden.     Die 


Fig.  229.     Mangrove  in  Florida.     Aussenansicht.     Rhizophora 
Mangle.     Nach  „Garden  and  Forest". 


VI.   Edaphische  Wirkungen  in  den  Tropen.  437 

zusammenhängenden  Gehölze  oberhalb  der  Fluthlinie  und  die  im  Be- 
reich der  Fluth  befindlichen  Mangroven  sind  in  üppiger  Entwicklung 
und  gemischter  floristischer  Zusammensetzung  nur  in  regenreichen 
Gebieten  vertreten  und  werden  bei  Abnahme  der  Niederschläge 
niedriger,  weniger  zusammenhängend  und  artenärmer.  Zudem  sind 
die  Strandgehölze  ausschliesslich  tropisch,  bezw.  in  den  temperirten 
Zonen  nur  durch  einige  tropische  Flüchtlinge  in  verkümmerter  Form 
vertreten,  während  die  offenen  Formationen  mit  denjenigen  höherer 
Breiten  ökologisch  übereinstimmen. 


Fig-  230.     Mangrove  in  Florida.     Innere  Ansicht.     Rhizophora  Mangle.     Aus  „Garden 

and  Forest". 


Genauer  wurde  bis  jetzt  nur  die  Verbreitung  der  Mangroven 
untersucht.  Dieselbe  zeigt  innerhalb  der  Wendekreise  nahe  Ueber- 
einstimmung  mit  derjenigen  der  Regenwälder.  Sie  fehlt  oder  sie 
ist  ärmlich  entwickelt  an  den  Küsten,  deren  Festlandvegetation 
xerophilen  Charakter  besitzt,  ausser  wo,  wie  an  der  Mündung 
des  Indus  und  anderer  grosser  Flüsse,  eine  beträchtliche  Aus- 
süssung  des  Meereswassers  stattfindet.  Diese  Abhängigkeit  ist  trotz 
der  fortwährenden  grossen  Nässe  des  Substrates  auf  Grund  des 
Unterschiedes  zwischen  physikalischer  und  physiologischer  Trocken- 
heit   vollkommen    verständlich.     Das    Meeres wasser    ist    physiologisch 


438  Erster  Abschnitt:    Die  tropischen  Zonen. 

trocken1)  sodass  Gewächse,  die  ihren  Wasserbedarf  aus  demselben 
decken,  der  Gefahr  zu  grossen  Transpirationsverlustes  ausgesetzt  sind  und 
die  diesem  entgegenwirkenden  klimatischen  Factoren  müssen  Entwicke- 
lung  und  Verbreitung  der  Mangroven  günstig  beeinflussen.  Die  Luft 
ist  allerdings  auch  in  den  regenarmen  Gebieten  über  dem  Meere  wahr- 
scheinlich ebenso  feucht  als  in  den  regenreichen,  dagegen  ist  die  Be- 
wölkung, welche  die  Erwärmung  des  Laubs  durch  die  Sonnenstrahlen 
und  die  dadurch  bedingte  Transpiration  herabsetzt,  in  den  letzteren 
weit  stärker  und  regelmässiger  als  in  den  ersteren. 

Starke  und  häufig  wiederkehrende  Bewölkung  dürfte  die  wesent- 
lichste klimatische  Bedingung  des  Vorkommens  der  Mangrove  in  den 
Tropen  darstellen. 

Jenseits  der  Tropen  sind  die  Grenzen  der  Formation  im  ganzen 
und  diejenigen  ihrer  einzelnen  floristischen  Glieder  vornehmlich  durch  die 
Temperatur  bedingt.  Die  Nord  -  Ost  -  Grenze  der  östlichen  Mangrove 
als  geschlossene  Formation  dürfte,  nach  Warburg's  Beobachtungen,  in 
Süd-Liukiu  (Iriomotte  25 °  N.)  liegen;  hochwüchsige  Mangrove  hat 
der  genannte  Forscher  weiter  nördlich  nicht  mehr  gesehen.  Sie  ist 
auch  dort  bereits  verarmt  und  besteht  nur  noch  aus  vier  Arten  (Brag- 
uiera  gymnorhiza,  Rhizophora  mucronata,  Sonneratia  acida,  ?  Avicennia 
officinalis);  in  vereinzelten  Exemplaren  zeigt  sich,  als  nördlichster  Ver- 
treter der  östlichen  Mangrovenflora,  Rhizophora  mucronata  noch  in 
Süd- Japan  (Kagoshima  32  °).  In  südöstlicher  Richtung  setzt  sich  die 
Mangrove  bis  zum  Wendekreis  in  unverminderter  Ueppigkeit  fort,  wird 
aber  an  der  Küste  von  Neu-Süd- Wales  niedriger  und  formenärmer 
(Avicennia  officinalis,  Aegiceras).  Gebüsche  der  Avicennia  zeigen  sich 
noch  in  Neu-Seeland  und  sogar  auf  der  Chatham-lnsel,  bei  44°  s.  B. 
Die  nordwestliche  Grenze  der  gemischten  Mangrove  liegt  an  der 
Mündung  des  Indus,  jenseits  derselben  zeigt  sich  nur  noch,  an  einzelnen 
Punkten  bis  zum  Sinai,  Avicennia  officinalis.  In  südwestlicher  Richtung 
setzt  sie  sich  als  gemischte  Formation  bis  ca.  30  °  s.  B.,  in  Natal  fort. 

Die  westliche  Mangrove  reicht  in  nordöstlicher  Richtung  bis  Ber- 
muda (32  °  N.),  auf  dem  Continent  aber  nur  bis  Süd-Florida  (27— 280). 
Südöstlich  habe  ich  sie  noch  auf  der  Insel  St.  Catharina  (27 °  s.  B.) 
in  üppigen  gemischten  Gebüschen  beobachtet.  Die  nordwestliche 
Grenze  befindet  sich,  nach  Drude's  Atlas,  in  Süd-Kalifornien,  die  süd- 
westliche bereits  bei  40  s.  B.,  da  die  Trockenheit  des  Klimas  ihrem 
weiteren  Fortschreiten  nach  Süden  ein  Ende  setzt. 

a)  Vgl.  s.  6. 


Auswahl  der  Literatur.  A2Q 

Auswahl  der  Literatur. 

1.   Edaphische  Wirkungen  im  Binnenlande. 

Brand  is,  D.  Die  Familie  der  Dipterocarpaceen  und  ihre  geographische 
Verbreitung.  Sitzungsber.  d.  niederrhein.  Gesellsch.  für  Natur-  und  Heil- 
kunde zu  Bonn.     1896. 

Junghuhn,  Fr.  Java,  seine  Gestalt,  Pflanzendecke  und  innere  Bauart.  Ueber- 
setzt  von  Hasskarl.     Bd.  I.     1852. 

Kurz,  S.  Preliminary  report  on  the  forest  and  other  Vegetation  of  Pegu. 
Calcutta  1875. 

Warming,  C.  Lagoa  Santa.  Et  Bidrag  til  den  biologiske  Plantegeografi. 
Kjöbenhavn  1892. 

Wohltmann,  F.  Die  natürlichen  Faktoren  der  tropischen  Agrikultur  und 
die  Merkmale  ihrer  Beurtheilung.     Leipzig  1892. 

Zollinger,  H.  Ueber  Pflanzenphysiognomie  im  Allgemeinen  und  diejenige 
der  Insel  Java  insbesondere.     Zürich  1855. 

2.  Die  tropischen  Strandformationen. 

Börgesen,  F.  og  Ove  Paulsen.  Om  Vegetationen  paa  de  dansk- 
vestindiske  oer.  Kjöbenhavn  1898.  (Die  reich  illustrierte  Arbeit  konnte, 
da  ausschliesslich  dänisch  geschrieben,  keine  Verwendung  finden.) 

Cleghorn.  On  the  sandbinding  plants  of  the  Madras  beach.  Joura.  of 
botany.     VIII.     1858. 

Engler,  A.  Die  Pflanzenwelt  Ost- Afrikas  und  der  Nachbargebiete.  Theil  A. 
Berlin   1895. 

Goebel,  K.  Die  Luftwurzeln  von  Sonneratia.  Ber.  d.  deutsch,  botan. 
Gesellsch.     1886. 

—  Pflanzenbiol.  Schilderungen.     I. 

Haberlandt,  G.     I.     Eine  botanische  Tropenreise  1893. 

—  IL     Ueber  die  Ernährung  der  Keimlinge  bei  viviparen  Mangrovenpflanzen. 

Ann.  du  jard.  de  Buitenzorg.     1893. 

Johow,  Fr.     Die  Mangrovensümpfe.     Kosmos  1884. 

Junghuhn,  Fr.  Java,  seine  Gestalt,  Pflanzendecke  und  innere  Bauart. 
Uebersetzt  von  Hasskarl.     Bd.  I.     1852. 

Karsten,  G.  Ueber  die  Mangrovenvegetation  im  malayischen  Archipel. 
Bibliotheca  botanica.     Heft  22.     1891. 

Kurz,  S.  Preliminary»  report  on  the  forest  and  other  Vegetation  of  Pegu. 
Calcutta  1875. 

Pechuel-Lösche.     Die  Loango-Expedition.     3  Abth.     Leipzig  1882. 

Schenck,  H.,  Ueber  die  Luftwurzeln  von  Avicennia  tomentosa  und  Lagun- 
cularia  racemosa.     Flora  1889. 

Seh  im  per,  A.  F.  W.  I.  Ueber  Schutzmittel  des  Laubes  gegen  Transpira- 
tion.    Monatsber.  d.  kgl.  Akademie  zu  Berlin.     Juli   1890. 

—  IL    Die  indomalayische  Strandflora.  Botan.  Mitth.  a.  d.  Trop.  Heft  3.  1891. 
Schwein furth,  G.  Pflanzengeographische  Skizze  des  gesammten  Nil-Gebietes 

und  der  Uferländer  des  Rothen  Meeres.     Petermann's  Mittheil.     1868. 
Warburg,  O.     Vegetationsschilderungen  aus  Süd-Ost- Asien.    Engler's  Botan. 

Jahrbücher.     Bd.  XVII. 
Warming,  E.     Rhizophora  Mangle.    Engler's  Botan.  Jahrb.    Bd.  IV.     1883. 


Zweiter  Abschnitt: 

Die  temperirten  Zonen. 


I.  Allgemeine  Charakteristik 

der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen 

auf  Vegetation  und  Flora. 

1.   Allgemeine  Eigentümlichkeiten   der  temperirten  Klimate.     §   i.   Die 

Wärme.  Grosse  Unterschiede  der  Temperatur.  Seeklima  und  Conti nenialklima.  Isothermen 
des  Januar  und  Juli.  Tägliche  Oscillationen.  —  §  2.  Das  Licht.  Zonenartige  Gliederung 
der  Beleuchtung.  Absorption  und  Diffusion  des  Lichtes  in  verschiedenen  Breiten.  —  §  3. 
Die  Hydrometeore.  Periodicität  und  Menge  der  Niederschläge.  Bedeutung  för  den 
Boden.  2.  Einige  allgemeine  Wirkungen  der  temperirten  Klimate  auf  das 
Pflanzenleben.  §  1.  Wärmewirkungen.  Ueberwiegende  Bedeutung  derselben.  Tem- 
peraturen unter  dem  Gefrierpunkt.  Gürtel  der  milden  und  Gürtel  der  kalten  Winter.  Ver- 
breitung der  Arten.  Mesotherme  Pflanzen.  Ungleichheit  des  ökologischen  Temperatur- 
optimum. —  §  2.  Lichtwirkungen.  Lichtmenge  und  Lichtintensität  Schattenlicht  in 
den  temperirten  Zonen.  Fixe  Lichtlage  des  Laubes.  —  §  3.  Wirkungen  der  Hydro- 
meteore. Geringere  Bedeutung  im  Vergleich  zu  den  Tropen.  3.  Floriatischer  Cha- 
rakter der  temperirten  Zonen.     Uebersicht  der  mesothermen  Formenkreise. 


1.  Allgemeine  Eigentümlichkeiten  der  temperirten  Klimate. 

§  1.  Die  Wärme.  Die  zwischen  den  Wende-  und  Polarkreisen 
befindlichen  Zonen  verdienen  nur  bezüglich  der  mittleren  Temperaturen 
die  Bezeichnung  der  temperirten.  Auf  Grund  der  Unterschiede  zwischen 
Winter-  und  Sommertemperaturen  müsste  man  sie  vielmehr  die  excessiven 
nennen.  Namentlich  gilt  dieses  von  der  nördlichen  Zone:  „Zwischen 
dem  nördlichen  Wendekreis  und  dem  Polarkreis  ist  fast  die  ganze 
Wärmescala  vertreten,  innerhalb  welcher  die  Lufttemperatur  an  der 
Erdoberfläche  sich  überhaupt  bewegt.  Im  mittleren  Ostasien  sinkt  die 
mittlere  Januartemperatur  fast  Jahr  für  Jahr  auf  40  °  C.  und  noch  tiefer 


I.   Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       aa  i 

herab,  während  die  Julitemperatur  im  Pandschab,  Mesopotamien,  wahr- 
scheinlich auch  in  Arabien,  dann  in  Nordafrika  und  in  Arizona  und 
Südkalifornien  sich  bis  35 °  C.  erhebt.  Gleichzeitig  liegen  die  absoluten 
Wärmeextreme  dieser  Gegenden  zwischen  —  60  und  +  50  °  und 
darüber.  Auch  was  Temperaturwechsel  anbelangt,  die  Veränderlichkeit 
des  Wärmezustandes  von  einem  Tage  zum  anderen,  leistet  die  nörd- 
liche temperirte  Zone  das  Höchste,  in  ihr  finden  sich  die  Gebiete  der 
grössten  Veränderlichkeit  der  Temperatur.**    (Hann.) 

Die  Nähe  der  See  wirkt  im  Allgemeinen  mässigend  auf  das  Klima. 
Ein  mildes  Klima  wird  dementsprechend  oft  als  Seeklima,  ein  ex- 
cessives  als  Continentalklima  bezeichnet.  Neben  der  Eigenschaft 
der  Wassermassen  sich  langsamer  zu  erwärmen  und  zu  erkalten  als 
das  Festland,  spielen  bei  den  Wirkungen  der  Oceane  auf  das  Klima 
der  Küstengebiete  und  Inseln  die  Strömungen  eine  wichtige  Rolle. 
Der  westliche  Theil  des  Britischen  Archipels  und  die  Westküste  Nor- 
wegens verdanken  ihre  für  die  Breite  auffallend  hohen  Wintertem- 
peraturen dem  Einfluss  des  Golfstroms  und  die  Ostküste  Nordamerikas 
ist  aus  ähnlichem  Grunde  wärmer  als  die  Westküste.  Die  folgende 
Tabelle  giebt,  nach  Peschel,  die  mittleren  Temperaturen  für  eine  Reihe 
massiger  (1 — 6),  halbmässiger  (7 — 8)  und  extremer  (9—12)  Klimate. 

Mittlere  Temperaturen  (Celsius). 


r 

Ort:                              Breite 

See- 
höhe 

Jahr 

Januar 

Juli 

Diffe- 
renz 

1)  Hokitika  (Neu-Seeland) 

420  42'S. 

3m 

11.60 

iS-7°(a) 

7-2° 

8.5° 

2)  Falkland  -  Inseln  .     . 

■5i°4if" 

— 

6.10 

9-8°(a) 

2.50 

7-3° 

3)  Hobarton  (Tasmanien) 

,42°  52' 

10m 
48  m 

13.1° 

17-3° 

8.8° 

8.50 

4)  Dublin  . 

53°  22'- 

9-5° 

4-7° 

15-4° 

10.7» 

5)  Sitcha    . 

!i57°    3'- 

— 

5-7° 

-    I.O° 

12.5»  (b)i3.S° 

6)  Reykjavik 

640    8'- 

— 

33° 

-  *-5°(a) 

12.1° 

14.60 

7)  Dresden 

5*°    3'- 

128  m 

9.20 

-  0.30 

I9.20 

19-5° 

8)  Ofen      . 

47°  3°'  ~i53m 

10.70 

-   1-4° 

22.3° 

23-7° 

9)  Astrachan 

460  21'- 

-20m 

9-4° 

-  7-i° 

*5-5° 

32.6° 

10)   Irkutsk 

52°  17'- 

460  nr   -  o.i° 

-20.5° 

18.8«       139.3° 

11)  Jakutsk 

620     1'- 

160  m 

-11.2° 

-42.80 

18.80 

6  r6° 

12)  Werchojans 

>k 

67°  34'- 

50m 

-l6.7° 

-49.00 

15-4° 

64.40 

(a)  Februar  (b)  August.     (Nach  O.  Peschel.) 


Die  jährlichen  Temperaturschwankungen  sind  in  der  südlichen 
temperirten  Zone  weit  geringer  als  in  der  nördlichen ;  nur  die  täglichen 
Oscillationen  erweisen  sich  hier  stellenweise  (im  Innern  Südafrikas  und 
Australiens)  ebenso  gross  oder  gar  grösser. 


442  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Im  Grossen  und  Ganzen  nimmt  die  Lufttemperatur  mit  steigender 
Entfernung  von  den  Wendekreisen  ab,  jedoch  in  höchst  unregel- 
mässiger Weise,  so  dass  die  Isothermen  in  den  temperirten  Zonen  viel 
stärkere  Krümmungen  als  in  den  Tropen  aufweisen. 

Die  Januarisotherme  von  o°  z.  B.  hat  nördlich  von  Sitcha,  etwa  bei  5 8°, 
ihren  nördlichsten  amerikanischen  Punkt,  sie  fällt  ostwärts  schnell  herunter 
bis  Saint-Louis,  ihren  südlichsten  nordamerikanischen  Punkt  (381/,0),  verläuft 
unter  schwacher  Steigerung  über  Washington  (39  °)  nach  Philadelphia  (40  °), 
steigt  beträchtlich  in  dem  Atlantischen  Ocean,  erreicht  die  Stidküste  Irlands 
(ca.  6 3*1  z°  n.  Br.),  überschreitet  an  der  Westküste  Norwegen's  den  70 °  und 
erreicht  hiermit  ihren  absolut  nördlichsten  Punkt,  fällt  dann  senkrecht  nach 
Süden,  der  Westküste  Dänemarks  entlang  quer  durch  Centraleuropa  (Wilhelms- 
haven, Bamberg,  München),  biegt  sich  dann  nach  Osten,  erreicht  südlich  von 
Sofia,  ungefähr  bei  42  °,  ihren  südlichsten  europäischen  Punkt,  verläuft  dann, 
unter  schwächeren  Undulationen ,  in  östlicher  Richtung,  erreicht  in  Central- 
china  bei  ca.  32  °  (also  ca.  38 °  südlich  vom  nördlichsten)  ihren  südlichsten 
Punkt,  steigt  dann  allmählich,  durchzieht  das  südliche  Korea  und  erreicht  im 
nördlichen  Theile  von  Nippon,  bei  etwa  3  8°,  ihren  nördlichsten  asiatischen 
Punkt,  der  demnach  nur  etwa  6°  nördlich  vom  südlichsten  und  bedeutend 
südlicher  liegt,  als  an  den  Westküsten  Amerika's  und  Europa's. 

In  der  südlichen  Hemisphäre  haben  diesseits  vom  Polarkreis  nur  ein 
Theil  von  Feuerland  und  einige  unbedeutende  Inselgruppen  (z.  B.  Süd- 
Georgien)  eine  Julitemperatur  von  o°  oder  darunter. 

Die  Juliisotherme  von  20 °  ist  in  der  nördlichen  Hemisphäre  die  bewegeste, 
ohne  so  scharfe  Krümmungen  auszuführen,  als  die  Isotherme  von  o°.  Sie 
erreicht  ihren  absolut  südlichsten  festländischen  Punkt  in  Californien  bei 
31  °  n.  B.  (im  Ocean  geht  sie  beträchtlich  südlicher),  erhebt  sich  beinahe 
senkrecht  nach  Norden  bis  ungefähr  zum  55 °  im  Nordwesten,  geht  dann 
westlich  unter  nochmaligen  Undulationen  durch  Canada  (Winnipeg  500, 
Quebec),  durch  Boston  (ca.  421/8°),  durchzieht  den  Atlantischen  Ocean  etwas 
nördlich  vom  40  °,  läuft  längs  der  Nordküste  Spaniens  (ca.  44  °),  längs  der 
Westküste  Frankreichs  (Bordeaux),  krümmt  sich  östlich  über  Paris  nach 
Moskau,  dann  quer  durch  Sibirien,  erhebt  sich  in  Ostsibirien  bis  Jakutsk 
(ca.  6  20),  ihren  absolut  nördlichsten  Punkt  (etwa  31  °  nördlich  vom  süd- 
lichsten), fällt  dann  an  der  Küste  China's  bis  südlich  vom  40.  °,  ihrem 
südlichsten  asiatischen  Punkte,  und  erreicht  die  Südspitze  der  Insel  Jesso. 

In  der  südlichen  Hemisphäre  erreicht  die  Januarisotherme  von  200  die 
Westküste  Amerika's  bei  etwa  200  s.  B.,  also  noch  diesseits  des  Wende- 
kreises, ihren  nördlichsten  Punkt,  fällt  längs  der  Anden  nach  dem  südlichen 
Argentinien,  verläuft  längs  der  Westküste  Afrika's  südlich  vom  Wendekreise 
bis  zum  Kap  der  guten  Hoffnung,  dann  östlich,  ohne  Natal  zu  erreichen, 
nach  der  Südküste  Australiens,  welche  ihr  beinahe  ganz  angehört,  und  durch- 
zieht das  nördliche  Neu-Seeland. 

Die  täglichen  Oscillationen  der  Lufttemperatur  sind  meist  grösser 
in  den  temperirten  Zonen  als  in  den  Tropen.  Sie  erreichen  ihre 
höchsten    Grade    in    den    Wüstengebieten.      So    las    G.    Rohlfs    am 


I.   Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       443 

25.  December  1878  morgens  zu  Bir  Milrha,  südlich  von  Tripolis, 
—  0,5°  an  seinem  Thermometer  ab,  am  Nachmittag  dagegen  +  37°,2.1) 
Die  täglichen  Schwankungen  sind  in  erster  Linie  auf  die  Wärme- 
strahlung —  diejenige  der  Sonne  bei  Tag,  diejenige  der  Erde  bei 
Nacht  —  zurückzufuhren  und  sind  dementsprechend  viel  erheblicher 
bei  klarem  als  bei  bewölktem  Himmel.  Im  ersteren  Falle,  also  nament- 
lich in  trockenen  Gebieten,  dürften  sie  für  die  Vegetationsvorgänge 
erhebliche  Bedeutung  haben;  diesbezügliche  Beobachtungen  sind  in- 
dessen nicht  vorhanden. 

§  2.  Das  Licht.  Da  die  nicht  wärmenden  Elemente  der  Sonnen- 
energie ausschliesslich  durch  Strahlung  auf  die  Vegetation  wirken 
können,  so  sind  die  Zonen  des  Lichtklimas,  —  die  ultravioletten  Strahlen 
mögen,  soweit  sie  auf  die  Pflanze  wirksam  sind,  zum  Lichte  gezogen 
werden,  —  im  Gegensatz  zu  denjenigen  des  Wärmeklimas,  dem  Aequator 
parallel.  Die  Gesammtintensität  des  Lichtes  nimmt  polwärts  gleich- 
massig  ab,  aber  die  Länge  der  Tage  nimmt  während  des  grössten 
Theiles  der  Vegetationszeit,  —  während  des  Winterschlafs  ist  die  Be- 
leuchtung bedeutungslos  —  in  gleicher  Richtung  zu. 


D 

auer 

Breite 

des  längsten  Tages 

des  kürzesten  Tages 

30° 

13  St.   56  Min. 

10  St.  4  Min. 

40° 

14    „    51      » 

9    »    9     » 

5O0 

16    „       9      „ 

7       »51        n 

60O 

18    „    30     „ 

5    m3<>     » 

6«1/.0 

24     »    —     » 

0    „    0     „ 

Dank  der  grösseren  Tageslänge  wäre  die  Bestrahlung  eines  Punktes 
in  der  temperirten  Zone  während  eines  Sommertages  viel  stärker  als 
diejenige  eines  Punktes  während  eines  Tages  am  Aequator,  wenn  die 
Absorption  durch  die  Atmosphäre  nicht  gleichfalls  polwärts  stiege.  Bei 
Zenithstand  der  Sonne  lässt  die  Atmosphäre  von  den  leuchtenden 
Strahlen  8i°/0,  von  den  Wärmestrahlen  75°/0,  von  den  chemischen 
Strahlen  4O°/0  durch;  bei  zunehmender  Entfernung  vom  Zenith  wird 
die  Absorption  natürlich  entsprechend  grösser. 

Die  wachsende  Absorption  der  Sonnenstrahlen  mit  der  Entfernung 
vom  Aequator  wird  allerdings  durch  die  in  gleicher  Richtung  statt- 
findende Zunahme  des  diffusen  Lichtes,  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
aufgehoben,  so  dass  die  Summe  leuchtender  Energie  an  einem 
Punkte  der  temperirten  Sonne  im  Sommer  grösser  bleibt  als  gleich- 
zeitig am  Aequator.  Die  chemische  Strahlung  dagegen  bleibt  in 
Folge    ihrer   stärkeren  Absorption   beträchtlich   abgeschwächt.     Dem- 


!)  Peschel  loc.  cit.  II.     S.   174. 


444  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

nach  erhält  bei  gleicher  Oberfläche  eine  Pflanze  der 
temperirten  Zone  während  der  Vegetationszeit  mehr 
leuchtende,  aber  weniger  chemische  Energie  als  eine 
solche  der  Tropen. 

§  3.  Die  Hydrometeore.  Die  zwischen  den  Wendekreisen  nahezu 
allgemeine,  wenn  auch  nicht  überall  gleich  ausgeprägte  Abwechselung 
von  trockenen  und  feuchten  Jahreszeiten  setzt  sich  jenseits  derselben 
ungefähr  bis  zum  40.  °  n.  und  s.  Breite  fort.  In  höheren  Breiten  über- 
wiegen die  Gebiete  mit  Niederschlägen  zu  allen  Jahreszeiten  (z.  B.  im 
grössten  Theile  Europa's,  in  Westsibirien,  im  östlichen  Nordamerika, 
Süd-Chile,  Japan,  Kamtschatka,  Neu-Seeland) ;  doch  giebt  es  in  denselben 
Breiten  auch  ausgedehnte  Gebiete  mit  ausgesprochener  Periodicität  der 
Niederschläge  (Central-  und  Ost-Asien,  westliches  Nordamerika). 

Die  Menge  der  Niederschläge  kommt  in  den  temperirten  Zonen 
nur  an  wenigen  Stellen  derjenigen  der  regenreichsten  tropischen  Punkte 
gleich ;  mehr  als  2  m  jährlich  haben,  von  einigermaassen  ausgedehnten 
Gebieten,  Assam,  ein»  kleiner  Theil  der  Nordwestküste  Amerika's,  Süd- 
Chile,  ein  Theil  des  westlichen  Neu-Seelands,  im  Uebrigen  bloss  ein- 
zelne Punkte  namentlich  im  Himalaya,  ferner  in  den  Alpen,  in  Nor- 
wegen, Grossbritannien.  Gleiche  Regenmengen  bedingen  jedoch  in 
den  temperirten  Zonen  eine  vollkommenere  Durchfeuchtung  des  Bodens 
als  in  den  Tropen,  indem  sie  im  Durchschnitt  auf  weit  grössere  Zeit- 
räume vertheilt  sind  und  daher  in  geringerem  Grade  abfliessen.  Von 
grosser  Bedeutung  ist  für  die  kalttemperirten  Zonen  der  winterliche 
Schnee,  dessen  Schmelzwasser  zum  grössten  Theile  dem  Boden  zu 
Gute  kommt. 

Die  Thaubildung  ist  in  den  temperirten  Zonen  im  Allgemeinen 
schwächer  als  in  den  Tropen,  Nebel  sind  für  die  feuchten  und  kühlen 
Gebiete  namentlich  in  der  Nähe  des  Meeres  charakteristisch. 


2.  Einige  allgemeine  Wirkungen  der  temperirten  Klimate 
auf  das  Pflanzenleben. 

§  I.  Wärmewirkungen.  Während  in  den  Tropen  die  Wärme  zwar 
überall  Bedingung  des  Pflanzenlebens  ist,  aber  wegen  ihrer  Gleich- 
mässigkeit  gleichsam  verborgen  bleibt  und  die  räumlichen  wie  zeidichen 
Unterschiede  der  Vegetationsdecke  neben  den  Hydrometeoren  nicht 
wesentlich  beeinflusst,  nehmen  in  den  temperirten  Zonen  die  Wärme- 
unterschiede, sowohl  räumlich  als  zeitlich  eine  beträchüiche,  polwärts 
rasch  wachsende  und  schliesslich  diejenige  der  Hydrometeore  weit  über- 
treffende Bedeutung  in  Anspruch. 

Von  besonderer  Bedeutung   sind   für   das  Pflanzenleben   die  etwas 


I.    Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       445 

unterhalb  des  Nullpunkts  gelegenen  Temperaturen,  solche  nämlich,  die 
dem  Gefrierpunkt  der  Pflanzensäfte,  welcher,  je  nach  deren  Con- 
centration,  von  dem  Bruchtheil  eines  Grades  bis  zu  2 — 30  C.  tiefer 
liegt  als  derjenige  reinen  Wassers,  entsprechen.  Für  viele  Pflanzen  ist 
das  Gefrieren  gleichzeitig  Erfrieren;  andere  werden  zwar  nicht  durch 
Erfrieren,  wohl  aber  durch  die  Hemmung  der  Wasserabsorption  in 
Folge  der  Erkaltung  des  Bodens,  schon  wenig  unter  dem  Nullpunkt 
beschädigt  oder  getödtet.  Wie  verwüstend  die  ersten  Fröste  aus  beiden 
Ursachen  bei  uns  wirken,  ist  zur  Genüge  bekannt ;  sie  sind  aber  weniger 
verheerend  als  ausnahmsweise  auftretende  Frosttemperatur  in  Gebieten 
niederer  Breiten,  wo  ein  leichter  Nachtfrost  für  die  Vegetation  ver- 
hängnissvoller wird  als  lange  und  strenge  winterliche  Kälteperioden  in 
Gebieten,  wo  tiefe  Temperaturen  alljährlich  wiederkehren.  Es  giebt 
unverhältnissmässig  mehr  Pflanzenarten,  die  durch  eine  Lufttemperatur 
von  o°  bis  —  30  getödtet  oder  doch  schwer  beschädigt  werden,  als 
solche,  die  wohl  noch  —  30,  aber  nicht  die  tieferen  der  in  der  Natur 
vorkommenden  Temperaturen  ertragen. 

Man  darf  wohl  annehmen,  dass  in  der  Nähe  der  Tropen  die 
Wintertemperaturen,  in  grösserer  Entfernung  derselben  hingegen  die 
Sommertemperaturen  für  das  Pflanzenleben  der  temperirten  Zonen  vor- 
wiegend wichtig  sind,  so  dass  z.  B.  der  Unterschied  zwischen  Süd-  und 
Mitteleuropa  vorwiegend  auf  den  ersten,  derjenige  zwischen  Mittel-  und 
Nordeuropa  vorwiegend  auf  den  zweiten  Factor  zurückgeführt  werden 
müsste.  Diese  Auffassung  hat  uns  dazu  geführt,  die  temperirten 
Zonen  in  je  zwei  Gürtel  zu  spalten,  einen  der  milden 
Winter  oder  warmtemperirten  und  einen  der  kalten 
Winter  oder  kalttemperirten,  ersterer  ist  durch  immergrüne 
oder  regengrüne,  letzterer  durch  winterkahle,  sommergrüne  Laubhölzer, 
ersterer  durch  einen  nur  partiellen,  letzterer  durch  einen  allgemeinen 
Winterschlaf  der  Holzgewächse  charakterisiert.  Die  Grenze  zwischen  bei- 
den Gürteln  entspricht  ungefähr  der  Isotherme  +6°  des  kältesten  Monats. 

Ein  genaueres  Zusammenfallen  der  Grenzen  der  Vegetationsgürtel  mit 
Isothermen  wäre  vielleicht  erreichbar,  wenn  auch  die  Isothermen  des  wärmsten 
Monats  mit  berücksichtigt  werden  würden,  indem  man  in  der  nördlichen 
Hemisphäre  die  Gebiete  nördlich  von  der  200  Juli-Isotherme,  in  der  südlichen, 
wo  die  Erwärmung  durch  Strahlung  stärker  ist,  die  Gebiete  südlich  von  der 
-f-140  Januar-Isotherme  von  den  wintermilden  Gürteln  ausschliessen  würde, 
um  sie  den  winterkalten  anzuschliessen.  Grosses  Gewicht  ist  indessen  auf 
solche  Versuche  nicht  zu  legen,  da  ein  vollkommenes  Zusammenfallen  von 
Wärme-  und  Vegetationszonen,  wenigstens  bei  der  üblichen  Art  der  Bestimmung 
klimatischer  Elemente,  ausgeschlossen  erscheint 

Die  allgemeinen  Wirkungen  der  Temperatur  auf  die  Vegetation 
kommen  in  den  temperirten  Zonen   namentlich   in   den  Erscheinungen 


AAf%  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

der  Periodicität  zum  Vorschein.  Indirekt,  durch  ihre  Beeinflussung  der 
Aufnahme  und  Abgabe  des  Wassers,  kommt  die  Wärme  auch  bei  der 
Vertheilung  von  Gehölz  und  Grasflur  zur  Geltung.  Beiden  Gruppen 
von  Erscheinungen  sind  besondere  Kapitel  gewidmet. 

Die  Temperatur  spielt  bei  der  Vertheilung  der  Florenelemente  in 
den  temperirten  Zonen  eine  viel  wichtigere  Rolle  als  in  den  Tropen, 
wo  sie  in  dieser  Hinsicht  gegen  die  Wirkungen  der  Hydrometeore 
ganz  zurücktritt.  Die  Areale  vieler  europäischer,  nordasiatischer  und 
nordamerikanischer  Pflanzenarten  sind,  gewiss  mit  Recht,  als  Functionen 
der  Temperatur  aufgefasst  worden. 

Die  Flora  der  temperirten  Zonen  wird  in  ihrer  Gesammtheit  als 
mesotherm  bezeichnet,  obwohl  ihre  Sippen,  in  Bezug  auf  ihre 
Temperaturansprüche,  grosse  Unterschiede  zeigen,  welche  in  keiner 
Weise  durch  die  allerdings  gemässigte  mittlere  Temperatur,  noch  durch 
Summirung  der  Wärmegrade  zum  Ausdruck  kommen.  Das  ökologische 
Temperaturoptimum  stellt  bald  eine  nahezu  ebenso  flache  Curve  dar, 
wie  diejenige  tropischer  Gewächse,  bald  weist  dieselbe  eine  steile 
Steigerung  von  tiefen  zu  hohen  Graden  und  einen  ebenso  steilen  Ab- 
fall. Sehr  ungleich  ist  ferner  nachgewiessenermaassen  das  absolute 
Minimum  des  Pflanzenlebens,  während  über  das  wahrscheinlich  ebenfalls 
ungleich  hohe  Maximum  Daten  bis  jetzt  nicht  vorliegen. 

Während  ungleiche  Ansprüche  an  die  Hydrometeore  meist  auf 
Gruppen  niederen  Ranges,  von  den  Gattungen  abwärts,  beschränkt  zu 
sein  pflegen,  ist  das  Verhalten  gegen  die  Temperatur  häufig  für  Gruppen 
höheren  Ranges  charakteristisch)  so  dass,  abgesehen  von  den  historischen 
Einflüssen,  die  Unterschiede  der  Flora  innerhalb  einer  jeden  der  beiden 
temperirten  Zonen  grösser  sind,  als  innerhalb  der  tropischen,  wo  wesentlich 
nur  die  Hydrometeore  in  Betracht  kommen.  Floristisch  sind  in  erster  Linie 
die  Gürtel  mit  milden  Wintern  von  denjenigen  mit  kalten,  in  zweiter  Linie 
die  Gebiete  mit  Seeklima  von  denjenigen  mitContinentalklima  ausgezeichnet. 

Von  allgemeinen  Betrachtungen  über  die  Wirkungen  der  Wanne 
auf  Wachsthum,  Transpiration  u.  s.  w.  in  den  temperirten  Zonen  muss 
abgesehen  werden,  da  die  grossen  Temperaturunterschiede  der  letzteren 
entsprechende  Unterschiede  der  vegetativen  Functionen  bedingen. 

§  2.  Lichtwirkungen.  Der  Unterschied  für  das  Pflanzenleben 
zwischen  Lichtmenge  und  Lichtintensität  kommt  beim  Vergleich  der 
tropischen  und  temperirten  Zonen  in  augenfälliger  Weise  zum  Vorschein. 
Unter  einer  gleich  dichten  Laubkrone  nimmt  die  Summe  leuchtender 
Energie  polwärts  zu,  aber  die  Fähigkeit  der  Pflanzen  unter  derselben 
zu  existiren  ab.  Die  Schattenvegetation  ist  dementsprechend  in  den 
Tropen  weit   stärker   entwickelt   als   in  den  temperirten  Zonen.1)    Die 

«)  Vgl.  S.  242. 


I.   Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       447 

ungleiche  Lichtintensität  bedingt  ausserdem  eine  ungleiche  fixe  Licht- 
lage des  Laubes  in  den  temperirten  Zonen  und  in  den  tropischen. 
In  den  letzteren  ist  die  direkte  Sonnenstrahlung  maassgebend;  das 
Laub  stellt  sich  schief  oder  parallel  zu  derselben,  während  es  in  den 
temperirten  Zonen,  ohne  Rücksicht  auf  die  direkte  Strahlung,  seine 
Flächen  senkrecht  zur  Richtung  des  stärksten  diffusen  Lichtes  aus- 
breitet. Trotz  der  exponirten  Stellung  sind  die  zerstörenden  Wirkungen 
auf  das  Chlorophyll  weit  weniger  ausgeprägt  in  den  temperirten  Zonen 
als  in  den  Tropen.  Das  Laub  der  skandinavischen  Vegetation  gilt 
sogar  für  intensiver  und  reiner  grün  als  dasjenige  Mitteleuropa^,  ob- 
wohl es  während  des  Sommers  beinahe  ununterbrochen  beleuchtet  wird. 

Manche,  an  weniger  hohe  Intensitäten  gebundene  Lichtwirkungen 
werden  natürlich  bei  zunehmender  Dauer  des  Tageslichtes  stärker  aus- 
geprägt. So  wird,  wahrscheinlich  mit  Recht,  die  Zunahme  der  Pigment- 
bildung in  Blüthen  und  Früchten  sowie  diejenige  der  ätherischen  Oele 
in  der  Nähe  des  Nordpolarkreises  auf  die  längere  Dauer  der  Beleuchtung 
zurückgeführt.  *) 

§  3.  Wirkungen  der  Hydrometeore.  Die  Hydrometeore  bestimmen 
in  erster  Linie  die  Vertheilung  von  Gehölz,  Grasflur  und  Wüste  und 
den  vegetativen  Charakter  ihrer  Einzelformationen  in  den  temperirten 
Zonen;  ihre  Bedeutung  ist  jedoch  etwas  geringer  als  in  den  Tropen, 
indem  sie  sich  von  der  zur  Zeit  der  Niederschläge  herrschenden  Tempe- 
ratur abhängig  zeigt,  so  dass,  in  beiden  temperirten  Zonen,  Gebiete  mit 
Sommerregen  und  trockenen  Wintern  sich  vegetativ  aufs  schärfste  von 
Gebieten  mit  Winterregen  und  trockenen  Sommern  unterscheiden  (vgl. 
Kap.  III  bis  V). 

Niederschlagsmengen,  die  in  den  Tropen  die  üppigste  Entfaltung  der 
Vegetation  bedingen  würden,  haben  in  den  temperirten  Zonen  eine 
so  fördernde  Wirkung  auf  das  Pflanzenleben  nicht.  Dieser  Unterschied 
rührt  namentlich  daher,  dass  die  Winterkälte  pflanzenphysiologisch  einer 
ausgesprochenen  Trockenzeit  entspricht  und,  wie  jede  solche,  der  Flächen- 
bildung der  Pflanzenglieder  bestimmte  Schranken  setzt. 

Die  periodischen  Erscheinungen  des  Pflanzenlebens,  welche  in  den 
Tropen  ausschliesslich  durch  die  Abwechselung  der  feuchten  und 
trockenen  Jahreszeiten  geregelt  werden,  sind  auch  in  den  wintermilden 
Gebieten  der  temperirten  Zonen  theilweise  von  diesen  abhängig,  ob- 
wohl sich  dort  auch  bereits  der  Wechsel  der  Temperatur  geltend 
macht.  Letzterer  überwiegt  oder  kommt  allein  zur  Geltung  in  den  winter- 
kalten Gebieten,  je  nachdem  diese  einen  trockenen  oder  einen  feuchten 
Sommer  besitzen. 

In  ähnlicher  Weise  tritt  für  die  Abgrenzung  der  Areale  der  meso- 


l)  Schübeler  1.  c.  S.  83. 


aaR  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

thermen  Pflanzenarten  die  Bedeutung  der  Feuchtigkeit  gegen  diejenige 
der  Temperatur  zurück.  Nur  in  ausgesprochen  wintermilden  Klimaten 
dürfte  es  Pflanzensippen  geben,  für  deren  Verbreitung,  wie  in  den 
Tropen,  die  Hydrometeore  allein  maassgebend  sind. 


3.  Floristischer  Charakter  der  temperirten  Zonen. 

Aehnlich  wie  für  die  tropischen  Zonen  und  unter  Hinweis  auf  die 
S.  245  mitgetheilten  Gesichtspunkte,  sollen  im  Folgenden  die  meso- 
thermen  Formenkreise  in  gedrängter  Uebersicht  zusammengestellt  werden. 


Thallophyten. 

Die  Algen  sind  in  den  temperirten  Landfloren  noch  schwächer 
entwickelt  als  in  den  tropischen,  ausser  in  Verbindung  mit  Pilzen  in 
den  Flechten,  die  an  Arten  und  Individuen  mit  der  Abkühlung  des 
Klimas  rasch  zunehmen  und  die  in  den  Wäldern  namentlich  der  kalt- 
temperirten  Gürtel,  sowie  auf  Felsen  und  Steinen,  mit  Moosen  zu- 
sammen, als  Epiphyten  und  Lithophyten  die  Hauptrolle  spielen.  Dass 
die  Pilze  in  den  temperirten  Zonen  vielmehr  grosse  Formen  aus  den 
Unterklassen  der  Ascomyceten  und  Basidiomyceten  als  in  den  Tropen 
aufweisen  und  daher,  trotz  anscheinend  schwächerer  Entwicklung, 
mehr  augenfällig  sind,  wurde  bereits  früher  (S.  246)  erwähnt. 

Bryophyten. 

Die  Moose,  namentlich  die  Laubmoose,  bilden  in  den  temperirten 
Zonen  einen  weit  wesentlicheren  Bestandteil  der  Vegetationsdecke  als 
in  den  tropischen  Tiefländern.  Namentlich  sind  feuchte,  kühle  Gebiete 
mit  Seeklima,  z.  B.  das  westliche  Neu -Seeland,  die  atlantische  Küste 
Europa's,  die  nordpacifische  Küste  Amerika's,  Feuerland  etc.  sehr 
moosreich. 


Pteridophyten. 

Die  Farne  sind  an  ähnliche  Existenzbedingungen  gebunden  wie 
die  Moose,  jedoch  mehr  wärmebedürftig  und  daher  vornehmlich  in  den 
feuchten  warmtemperirten  Gebieten  entwickelt.  Durch  massenhaftes 
Auftreten  der  Farne  ist  Neu -Seeland  vor  allen  anderen  Gebieten  der 
Erde  ausgezeichnet.  Systematisch  sind  die  temperirten  Farnfloren 
weniger  reich  als  die  tropischen ,   insofern  sie  mehrere  in  den  letzteren 


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I.  Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       449 

vertretenen  Ordnungen  nahezu  oder  ganz  entbehren  und  keine  eigene 
Ordnung  aufweisen.  Die  Cyatheaceen  weisen  nur  wenige  temperirte 
Arten  auf,  welche  vornehmlich  den  südlichen  warmtemperirten  Gürtel 
bewohnen;  ihre  baumartigen  Formen  bilden,  allerdings  in  nur  wenigen 
Arten,  einen  Hauptbestandtheil  der  Flora  Tasmaniens  (Fig.  231)  und 
Neu-Seelands,  weniger  derjenigen  Süd-Afrika's.  Die  Hymenophyllaceen 
zeigen  eine  ähnliche  Reduction  und  ähnliche  Verbreitung.  Noch  viel 
mehr  als  in  den  Tropen  sind  in  den  temperirten  Zonen  die  Polypodia- 
ceen  vorherrschend. 


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Fig.  232.    Zamia  integrifolia  in  Florida.    Nach  einer  Photographie  des  Herrn  H.  G.  Webber. 

Die  Rolle  der  Lycopodiaceen  und  Equisetaceen  ist  in  den  tem- 
perirten Zonen  stets  eine  untergeordnete. 

Gymnospermen. 

Der  Reichthum  an  Gymnospermen  und  deren  grosse  Verbreitung 
als  gesellig  wachsende  Waldbäume  kennzeichnet  die  temperirten  Floren 
beim  ersten  Blick  von  den  tropischen.  Diese  wichtige  Rolle  kommt 
ausschliesslich  den  Coniferen1)  zu,  die  Cycadaceen  (Fig.  232)  sind  noch 


')  Vgl.  die  Verbreitung  der  Coniferen  in  Drude's  Atlas  No.  II. 
Schimper,  Pflanzengeographie.  29 


450 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


weit  artenärmer  und  seltener  als  in  den  Tropen  und  die  kleine  Familie 
der  Gnetaceen  nur  durch  einige  Ephedra-Arten  vertreten.  Die  aus- 
gedehntesten Coniferenwälder  sind  diejenigen  des  kalten  Gürtels  der 
nördlichen  temperirten  Zone ; .  dieselben   bestehen   beinahe  ausschliess- 


Fig-  233-     Waldlandschaft  in  Natal  mit  Aloe.     Nach  einer  Photographie. 


lieh  aus  Pinaceen  (Pinus,  Abies,  Picea,  Larix,  in  Nord- Amerika  auch 
Taxodium,  Sequoia  etc.,  in  Japan  auch  Cryptomeria  etc.),  die  Taxaceen 
(Taxus,  Ginkgo)  sind  unwesentlich.  Die  Coniferen  der  südlichen  tempe- 
rirten  Zone   sind   ebenfalls   vorwiegend  Pinaceen,   aber    nicht   aus  den 


I.    Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       ac\ 

Unterfamilien  der  Abietoideen  und  Taxodioideen  wie  in  der  nördlichen, 
sondern  vorzugsweise  Araucaroideen  (Araucaria,  Agathis).  Die  Taxa- 
ceen  (Podocarpus,  Dacrydium  etc.)  sind  hier,  namentlich  in  der  öst- 
lichen Hemisphäre,  wichtigere  Waldbestandtheile  als  im  Norden. 


Fig.  234.     Yucca  arborescens  in  der  Mohave -Wüste,  Kalifornien.     Nach  Coville. 


Monocotylen. 

Die  Monocotylen  sind  in  den  warmtemperirten  Gürteln  ähnlich 
wie  in  den  Tropen,  ausser  durch  Gräser  und  andere  Kräuter  auch 
durch    auffallende   und   stattliche   Formen   vertreten,   welche   nur   zum 

29* 


452 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


kleinsten  Theile  den  in  den  Tropen  durch  Grösse  besonders  hervor- 
ragenden Formenkreisen  der  Palmen  und  Bambuseen,  und  gar  nicht 
zu  den  Pandanaceen  und  Scitamineen,  sondern  vornehmlich  zu  den 
Liliaceen  und  Amaryllidaceen  gehören.  So  sind  die  Arten  von 
Aloe  namentlich  für  Süd- Afrika  (Fig.  233),  diejenigen  von  Yucca 
(Fig.  234),  Dasy Urion,  Agave  für  das  warme  Nordamerika,  die- 
jenigen von  Xanthorrhoea  für  Australien  (Fig.  235),  die  bis  10  m 
hohe     Cordyline     australis     (Fig.    236)     für    Neu -Seeland     und     der 

riesige  Drachenbaum ,  Dra- 
caena  Draco  für  die  Canarien 
charakteristisch. 

Die  mesothermen  Pal- 
men sind  wenig  zahlreich 
und  auf  einige  warme  Striche 
beschränkt,  wo  sie,  wenig- 
stens im  wilden  Zustande, 
selten  hervortreten.  Ihr  be- 
kanntester und  verbreitester 
Vertreter,  Phoenix  dactylifera, 
ist  im  wilden  Zustande  nicht 
bekannt,  die  häufig  als  Zier- 
baum angepflanzte  Pritchardia 
filifera  ist  auf  einige  Thäler 
Süd-Kaliforniens  beschränkt. 
Von  hochstämmigen  Palmen 
ist  wohl  Sabal  Palmetto 
(Florida  bis  Nord  -  Carolina) 
(Fig.  242)  die  einzige,  welche 
in  ihrem  Verbreitungsgebiet 
häufig  ist.  In  Gesellschaft  der 
letzteren  zeigen  sich  zwei 
oder  drei  Zwergpalmen  (Sabal 
serrulata  Adansonii),  die  oft 
ein  dichtes  Gestrüpp  bilden, 
ähnlich  wie  Chamaerops  humilis  an  den  Küsten  des  Mittelmeers. 

Baumartige  Bambuseen  zeigen  sich  in  den  temperirten  Zonen 
nur  in  Japan.  Die  übrigen  mesothermen  Monocotyledonen  sind  bei- 
nahe ausnahmslos  Kräuter  und  theilweise  ganz  wesentliche  Bestand- 
teile der  Grasfluren,  der  Wüsten  und  des  krautigen  Bodenflors  der 
Gehölze.  Die  Bedeutung  der  Gräser  ist  allgemein  bekannt,  Cy- 
peraeeen  und  Juncaceen  sind  weit  verbreitet,  Liliaceen, 
Amaryllidaceen  und  Iridaceen,  weniger  die  Orchideen  sind 
wichtige  Bestandtheile  der  trockenen  Gebiete  in  den  warmtemperirten 


Fig.  235.  Flussufer  bei  Sydney  mit  Xanthorrhoea  sp. 
Nach  einer  Photographie. 


I.    Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       453 

Gürteln,  die  Bromeliaceen  haben  im  wärmeren  extratropischen 
Amerika  einige  sehr  häufige  Arten  (Tillandsia  usneoides,  in  Chile 
Puya -Arten). 

Dicotylen. 

Die  Dicotylen  der  temperirten  Zonen  haben  eine  viel  geringere  Zahl 
Baumarten  aufzuweisen  als  diejenigen  der  Tropen  und  die  von  ihnen 
gebildeten  Wälder  bieten  weniger  reiche  Mischungen ;  namentlich  ist  letz- 
teres in  den  kalttemperirten  Gürteln  der  Fall,  wo  die  Laubwälder  meist 
nahezu  reine  Bestände  bestimmter  Amentaceen  darstellen,  während  mit 


Fig.  236.  Cordyline  australis  am  See  Wakatipu,  Neu-Seeland,  S.  Insel.  Nach  einer  Photographie. 

der  Annäherung  an  die  Wendekreise  die  Zahl  der  Baumarten  grösser 
und  ihre  Mischung  gleichmässiger  wird.  Dicotyle  Sträucher  sind  in 
den  warmtemperirten  Gürteln  sehr  formenreich,  dagegen  treten  die 
Holzlianen  stark  zurück.  Die  Betheiligung  krautiger  Dicotylen  an  den 
Grasfluren  und  an  der  Schattenflora  der  Gehölze  ist  ungefähr  die 
gleiche  wie  in  den  Tropen. 

Nächst  den  Coniferen  sind  Amentaceen,  namentlich  Arten  von 
Fagus  und  Quercus,  in  der  südlichen  Zone  solche  von  Nothofagus,  we- 
niger einige  andere  Gattungen  (Castanea,  Carpinus,  Betula,  Juglans  etc.) 
die  wichtigsten  Waldbildner  der  temperirten  Zonen.    Auf  Standorten,  wo 


454  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

edaphische   Einflüsse   bestimmend    hervortreten,    zeigen   sich   Bestände 
anderer   Amentaceen,   namentlich   solche   von   Salix-   und   Alnus-Arten 
auf   nassem   Boden,    solche    von  Betula    auf   Sandboden    und    Hoch- 
.  mooren  etc. 

Die  Urticineen  haben,  im  Vergleich  zu  den  Tropen,  als  Bäume 
untergeordnete  Bedeutung  (Ulmus,  Celtis,  Morus);  häufiger  sind  die 
krautigen  Formen  (Urtica,  Parietaria,  Humulus  etc.). 

Von  den  beiden  Familien  der  Polygoninen  fehlen  die 
Piperaceen  fast  gänzlich,  während  die  Polygonaceen  weit  zahlreicher 
sind  als  in  den  Tropen  und  namentlich  in  Grasfluren  und  an  offenen 
Standorten  auftreten. 

Centrospermen:  Die  Chenopodiaceen  sind  als  unscheinbare 
Sträucher  und  Kräuter,  sehr  selten  als  kleine  Bäume,  auf  salzreichem 
Boden,  namentlich  solchem  der  Steppen  und  Wüsten,  aber  auch  an 
gedüngten  Standorten  ungemein  häufig  und  sehr  formenreich.  Die 
Caryophyllaceen  liefern  in  beiden  Zonen,  in  der  südlichen  nur  als 
Alsinoideen,  wichtige  Bestandtheile  der  Grasfluren  und  des  krautigen 
Bodenflors  der  Gehölze.  Die  Nyctaginaceen  sind  in  den  warm- 
temperirten  Gürteln  Amerika's  vertreten  und  die  Aizoaceen  sind 
namentlich  wichtige  Bestandtheile  der  südafrikanischen  Flora. 

Unter  den  Polycarpiern  nehmen  die  rein  mesothermen  Ranun- 
culaceen  in  den  temperirten  Zonen,  vornehmlich  in  der  nördlichen,  den 
ersten  Rang  ein.  Die  Magnoliaceen  sind  durch  einige  Waldbäume  in 
Japan  und  Nord-Amerika  vertreten,  nur  die  verbreitete  Drimys  Winteri 
erreicht  das  australe  Amerika.  Die  Lauraceen  überschreiten  beide 
Wendekreise  und  bilden  wichtige  Bestandtheile  der  warmtemperirten 
Gehölze,  dagegen  sind  sie  in  den  kalttemperirten  nur  durch  ein  paar 
Arten  vertreten  (Laurus  Sassafras  in  Nord- Amerika). 

Die  Rhoeadinen  sind,  mit  Ausnahme  der  Capparidaceen,  in 
überwiegender  Mehrzahl  mesotherm  und  namentlich  durch  Cruciferen 
in  beiden  temperirten  Zonen  reich  vertreten.  Die  Papaveraceen  und 
Fumariaceen  sind  beinahe  ausschliesslich  nordtemperirt ,  die  Cappa- 
ridaceen auf  die  trockenen  Gebiete  der  warmen  Gürtel  beschränkt  und 
die  wenigen  Resedaceen  vorwiegend  mediterran. 

Von  den  Familien  der  Cistifloren  sind  die  Cistaceen  mesotherm 
und  vorwiegend  Bewohner  der  Mediterranländer,  die  Violaceen  in 
beiden  temperirten  Zonen  vertreten,  die  vorwiegend  tropischen  Tern- 
stroemiaceen  erreichen  ihre  Nordgrenze  in  China  und  Japan  (Cameilia), 
die  Tamaricaceen  'bewohnen  hauptsächlich  die  Mediterranländer  und 
centralasiatischen  Wüsten. 

Die  für  sich  allein  die  Ordnung  der  Opuntinen  bildende 
amerikanische  Familie  der  Cactaceen  ist  nicht  bloss  zwischen  den 
Wendekreisen,    sondern    auch   in    den   warmtemperirten    Gürteln   reich 


I.   Allgemeine  Charakteristik  der  temperirten  Klimate  und  ihrer  Wirkungen.       455 

vertreten  und  für  die  Wüstenfloren  namentlich  Nord-Amerika's  von 
hervorragender  physiognomischer  Bedeutung. 

Die  temperirten  Columniferen  gehören  vornehmlich  zu  den 
Malvaceen,  welche  in  strauchigen  und  krautigen  Formen  sowohl  austral 
wie  boreal  vorkommen.  Die  einzige  grössere  Tiliaceen-Gattung  ausser- 
halb der  Tropen  ist  Tilia;  ihre  Arten  sind  Waldbäume  der  nord- 
temperirten  Zone.  Die  ganz  vorwiegend  tropischen  Sterculiaceen  sind 
durch  die  Lasiopetaleen  im  temperirten  Australien  vertreten. 

Die  Gruinalen  besitzen,  obwohl  der  Mehrzahl  nach  mesotherm, 
für  die  Zusammensetzung  der  Pflanzendecke  nur  untergeordnete  Be- 
deutung, mit  Ausnahme  der  Geraniaceen,  die  in  beiden  Hemisphären, 
ganz  besonders  aber  am  Kap  (Pelargonium)  zahlreiche  Arten  aufweisen. 
Die  übrigen  temperirten  Gruinalen  gehören  zu  den  Linaceen,  Oxalida- 
ceen,  Balsaminaceen  und  den  auf  das  Kapland  beschränkten  Treman- 
draceen. 

Die  Terebinthinen  sind  mit  wenigen  Ausnahmen  wärme- 
bedürftig und  daher,  in  ihren  mesothermen  Formen,  auf  die  Gürtel  der 
milden  Winter  beschränkt,  wo  sie  trockene  Gebiete  in  grosser  Zahl 
bewohnen.  Die  Zygophyllaceen  sind  vornehmlich  Halophyten  der 
Wüstengebiete  beider  Hemisphären,  die  Rutaceen  sind,  namentlich  als 
Sträucher,  Hauptbestandtheile  xerophiler  Gehölze,  namentlich  in  Süd- 
Afrika  und  Australien.  Die  vorwiegend  tropischen  Anacardiaceen 
spielen  eine  ähnliche  Rolle  wie  die  Rutaceen,  sie  sind  aber  namentlich 
für  die  Mediterranflora  wichtig  (Pistacia,  Rhus,  letztere  Gattung  auch 
nordamerikanisch  und  ostasiatisch). 

Die  Aesculinen  sind  durch  baumartige  Acer- Arten  in  den  nord- 
temperirten  Wäldern,  namentlich  denjenigen  Nord-Amerika's,  China's 
und  Japan's  vertreten.  Die  Hippocastanaceen  sind  ebenfalls  vor- 
wiegend nordamerikanisch,  Aesculus  Hippocastanum  ist  jedoch  von 
Griechenland  bis  nach  Nordindien  verbreitet.  Sapindaceen  sind  nur 
wenige  vorhanden. 

Die  Frangulinen  steuern  namentlich  zu  der  Strauchvegetation 
beider  temperirten  Zonen  zahlreiche  Arten  bei,  z.  B.  hauptsächlich  in 
Amerika,  Hex -Arten  (Aquifoliaceen) ,  ferner  verschiedene  Celastraceen, 
wie  Evonymus -Arten  in  der  nördlichen  Zone,  Gymnosporia- Arten  in 
Süd-Afrika,  endlich  zahlreiche,  namentlich  zu  den  Gattungen  Rhamnus 
(Europa,  Nord- Asien),  Phylica  (Kapland),  Ceanothus  (Kalifornien)  ge- 
hörende Rhamnaceen.  Die  vorwiegend  tropischen  Vitaceen  sind  meist 
als  Lianen,  aber  auch  in  abweichenden  Formen  in  den  warmen  tem- 
perirten Gürteln  vertreten.  Vitis  vinifera  ist  in  den  Mittelmeerländern, 
die  meisten  anderen  Vitis-Arten  sind  in  Nord-Amerika  heimisch. 

Trikokken:  Die  Euphorbiaceen  haben  für  die  temperirten  Floren 
nicht  eine  gleich  hohe  Bedeutung  wie  für  die  tropischen;   doch  haben 


456  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

einige  ihrer  Arten,  namentlich  solche  der  Gattung  Euphorbia,  grosse 
Verbreitung  in  den  verschiedensten  Formationen.  Buxus  sempervirens 
(Mediterranländer,  atlant.  Europa)  und  Empetrum  nigrum  (nördl.  temp. 
und  polare  Zone)  sind  die  hauptsächlichen  Vertreter  der  Buxaceen 
und  Empetraceen. 

Die  Thymela einen  (Thymelaeaceen ,  Penaeaceen,  Proteaceen) 
sind  ganz  vorwiegend  mesotherm,  aber  ihrer  Hauptmasse  nach  an  die 
wärmeren  Gürtel  gebunden.  Ihre  Hauptverbreitung  haben  sie  in  den 
trockenen  Gebieten  des  Kaplands  und  Australiens. 

Umbellifloren:  Die  Umbelliferen  sind  beinahe  ausschliesslich 
mesotherm  und  liefern  einen  Hauptbestandtheil  der  Flora  in  der  nörd- 
lichen und  der  südlichen  temperirten  Zone,  namentlich  in  den  Grasflur- 
formationen. Von  den  drei  Unterfamilien,  in  welche  Drude  die  Um- 
belliferen eingetheilt  hat,  sind  nach  ihm  die  Hydrocotyloideae  austrat, 
die  Saniculoideae  austral  und  boreal  vermischt,  die  Apioideae  in  der 
Hauptmasse  ihrer  Gattungen  boreal.  Die  Araliaceen  sind  zum  grossen 
Theile  makrotherm,  jedoch  noch  in  den  wärmeren  Gebieten  jenseits 
der  Wendekreise  reich  vertreten.  Europa  besitzt  nur  eine  Art,  Hedera 
Helix.  Die  kleine  Familie  der  Cornaceen  ist  beinahe  ausschliesslich 
nordtemperirt. 

Unter  den  Saxi fraginen  sind  die  Crassulaceen  vorwiegend  Be- 
wohner trockener,  warmer  Gebiete  und  im  Kapland  am  stärksten  ent- 
wickelt. Die  wenig  homogenen  Saxifragaceen  sind  durch  ungleiche 
Formenkreise  in  beiden  temperirten  Zonen  vertreten,  ebenso  die 
Hamamelidaceen.  Einige  verwandte  Familien  (Cunoniaceen,  Bruniaceen, 
Pittosporaceen)  sind  vornehmlich  in  der  südlichen  Zone  heimisch. 

Rosifloren:  Die  Rosaceen  sind  beinahe  ausschliesslich  meso- 
therm und  ein  wichtiger  Bestandtheil  namentlich  der  nordtemperirten 
Flora;  die  südliche  temperirte  Zone  besitzt  nur  wenige,  allerdings 
theilweise  artenreiche  Gattungen  (Acaena  in  Süd- Amerika,  Cliffortia  am 
Kap).  Die  Rosen,  die  Prunoideen  und  Pomoideen  sind  ausschliesslich 
boreal. 

Von  den  drei  Familien  der  Leguminosen  haben  die  Papiliona- 
ceen  bei  weitem  die  grösste  Bedeutung  für  die  temperirten  Zonen ;  sie 
sind  in  denselben  überall  und  in  den  verschiedensten  Formationen 
reich  vertreten.  Die  Mimosaceen  sind  auf  die  warmtemperirten  Gürtel 
beschränkt  und  für  die  xerophilen  Gehölze  namentlich  Süd-Afrika's, 
Australiens  (Acacia)  und  Argentiniens  (Mimosa)  von  hervorragender 
Bedeutung.  Nur  wenige  Caesalpiniaceen  überschreiten  die  Wendekreise 
(Cercis,  Ceratonia  Siliqua,  Gleditschia). 

Unter  den  Myrtifloren  nehmen  die  Myrtaceen  in  den  tem- 
perirten Zonen  wie  in  den  tropischen  den  ersten  Rang  ein;  sie  sind 
auf  die  wintermilden  Gürtel   beschränkt   und   spielen  nur  in  Australien 


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458  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

eine  hervorragende  Rolle  (z.  B.  Eucalyptus).  Die  Onagraceen  sind 
namentlich  westamerikanisch  (z.  B.  Fuchsia)  und  die  Lythraceen,  ob- 
wohl überall  vertreten,  nirgends  maassgebend.  Punica  bewohnt  das 
westliche  warmtemperirte  Asien. 

Die  Hysterophyten  sind  für  die  temperirten  Floren  noch  un- 
wichtiger als  für  die  tropischen.  Sie  sind  auf  wenige  Aristolochiaceen, 
Santalaceen  und  Loranthaceen  und  ganz  vereinzelte  Rafflesiaceen  und 
Balanophoraceen  beschränkt. 

Die  Ericaceen  besitzen  in  Calluna  vulgaris  und  verschiedenen 
Eriken  gesellig  wachsende  Arten,  welche  die  namentlich  im  nördlichen 
kalttemperirten  Gürtel  ausgedehnten ,  Heiden  genannten  Gesträuch- 
formationen bilden.  Die  meisten  Arten  von  Erica  sind  jedoch  kap- 
ländisch.  Auch  Nordamerika  ist  sehr  reich  an  Ericaceen.  Die  Epacri- 
daceen  sind  charakteristische  Bestandtheile  der  südlichen  temperirten 
Zone,   namentlich  Australiens   und  fehlen  in  der  nördlichen  durchaus. 

Von  den  drei  Familien  der  Primulinen  fehlen  die  Myrsinaceen 
in  den  temperirten  Zonen  vollständig,  während  die  rein  mesotherme 
Familie  der  Primulaceen  zahlreiche  Arten  aufweist  und  diejenige  der 
Plumbaginaceen  eine  Hauptrolle  in  Steppen  und  Wüsten  mit  salzreichem 
Boden,  ausserdem  auch  auf  dem  Meeresstrande  spielt.  Beide  Familien 
sind  vorwiegend  boreal. 

Die  Contorten  besitzen  einen  beinahe  rein  mesothermen  Formen- 
kreis in  den  Gentianaceen,  welche,  durch  Arten  von  Gentiana  vertreten, 
beide  temperirte  Zonen  bewohnen  und  einen  vorwiegend  mesothermen 
in  den  Oleaceen,  deren  Heimath  vorwiegend  die  ostasiatischen  und 
nordamerikanischen  Waldgebiete  sind.  Die  in  den  Tropen  formen- 
reichen Familien  der  Asclepiadaceen  und  Apocynaceen  treten  in  den 
temperirten  Zonen  sehr  zurück,  die  Loganiaceen  fehlen  beinahe  gänzlich. 

Die  Tubifloren  sind  in  ihren  Familien  der  Boraginaceen  (mit 
Ausschluss  der  Cordiaceen),  der  Polemoniaceen  und  Hydrophyllaceen 
ganz  vorwiegend  Bewohner  der  temperirten  Breiten,  die  beiden  letzten 
vorwiegend  in  Amerika.  Die  Convolvulaceen  sind  weniger  zahlreich 
als  in  den  Tropen. 

Die  Scrophulariaceen  stellen  den  vorwiegend  mesothermen  Formen- 
kreis unter  den  Personaten  dar  und  sind  in  beiden  temperirten 
Zonen  reich  vertreten,  während  die  Solanaceen  viel  weniger  zahl- 
reich sind  als  in  den  Tropen.  Die  kleineren  Familien  der  Orobancha- 
ceen,  Utriculariaceen ,  Plantaginaceen  kommen  wenig,  die  beinahe  rein 
makrothermen ,  grossen  Formenkreise  der  Bignoniaceen,  Gesneraceen, 
Acanthaceen  noch  weniger  in  Betracht. 

Von  den  beiden  Familien  der  Labiatifloren  ist  diejenige  der  Ver- 
benaceen  vorwiegend  makrotherm  und  nur  für  die  warmtemperirten 
Gürtel    von    einiger    Bedeutung,    während    die   Labiaten   hauptsächlich 


Literatur.  450 

mesotherm  sind  und  in  zahlreichen,  theilweise  sehr  häufigen  Arten  auf- 
treten. Besonders  weisen  sie  in  den  Mediterranländern  eine  reiche 
Entwicklung  auf. 

Rubiinen:  Die  in  den  Tropen  mächtig  entwickelte  Familie  der 
Rubiaceen  tritt  in  den  temperirten  Zonen  ganz  zurück  und  ihre  Formen 
sind  ganz  vorwiegend  krautig.  Die  viel  kleineren  Familien  der  Caprifolia- 
ceen  und  Valerianaceen  sind  zwar  beinahe  rein  boreal-mesotherm,  aber 
nirgends  wichtige  Bestandtheile  der  Pflanzendecke. 

Die  Compositen  spielen  in  den  temperirten  Floren  eine  mindestens 
ebenso  grosse  Rolle  wie  in  den  Tropen;  auch  hier  bevorzugen  sie  die 
Grasflurgebiete.  Ihre  Unterfamilien  bewohnen  theilweise  beide  Zonen, 
theilweise  ausschliesslich  oder  hauptsächlich  die  eine.  So  sind  die 
Ligulifloren  und  die  Cynareen  vorwiegend  boreal,  die  Labiatifloren 
austral,  letztere  nahezu  auf  Amerika  beschränkt.  Die  beiden  anderen 
Familien  der  Aggregaten  sind  mesotherm  und  zwar  die  Dipsacaceen 
vorwiegend  nordtemperirt,  die  Calyceraceen  südamerikanisch. 


Literatur. 

Die  klimatischen  Angaben  stützen  sich  vornehmlich  auf  Hann's  Hand- 
buch der  Meteorologie,  2.  Aufl.  1897,  und  dessen  Atlas  der  Meteorologie, 
1887,  auch  auf  Woeikof,  Die  Klimate  der  Erde,  Jena  1887.  Die  Angaben 
über  geographische  Verbreitung  der  mesothermen  Formenkreise  sind  den 
Natürlichen  Pflanzenfamilien  von  Eng ler  und  Prantl  entnommen. 


IL  Die  periodischen  Erscheinungen  in  den 
temperirten  Zonen. 

Einleitung.  —  1.  Stoff-  und  Kraftweohsel  der  mesothermen  PfLansen  in 
verschiedenen  Jahreszeiten«  §  i.  Die  Periodicität  beim  Kirschbaum.  Aeusser- 
lich  sichtbare  Vorgange.  Entwickelung  der  Blüthenknospen  beim  Kirschbaum.  Grosse 
Periode  und  Temperatur.  Ruhezeit  und  Temperatur.  Die  Kohlehydrate  in  den  activen  und 
in  den  ruhenden  Perioden.  Wirkungen  der  Temperatur  auf  Lösung  und  Regeneration  der  Stärke. 
—  §  2.  Stärkebäume  und  Fettbäume.  Ursachen  von  Entstehung  und  Verschwinden 
des  Fettes.  —  §  3.  Theorie  des  Forcirens.  Die  beiden  Zustände  des  Protoplasma. 
Der  ruhende  Zustand  durch  niedere  Temperaturen  verlängert  Unterdrückung  der  Ver- 
längerung. Ökologisches  Temperaturoptimum  in  der  activen  Periode  mit  den  natürlichen 
Temperaturen  im  Einklang.  —  §  4.  Periodicität  krautiger  Gewächse.  Das  Sass- 
werden der  Kartoffel.  —  §  5.  Kälte  und  Trockenheit.  Aehnliche  Wirkungen  von 
Winter  und  Trockenzeit.  2.  Periodische  Vegetationsbüder.  §  1.  Allgemeines. 
Winterliche  Erscheinungen.  Winterblüthler  in  Japan.  Kälte  und  Blüthenentwickelung.  — 
§  2.  Periodische  Erscheinungen  in  den  südlichen  temperirten  Zonen. 
Chile.     Kapland.     Südaustralien. 

Schon  in  geringer  Entfernung  der  Wendekreise,  ja,  stellenweise, 
z.  B.  in  Süd -China,  noch  innerhalb  derselben,  macht  der  periodische 
Wechsel  der  Temperatur  seinen  Einfluss  auf  denjenigen  der  Vegetation 
geltend.  Bei  sonst  gleich  günstigen  Verhältnissen  der  Feuchtigkeit  ist 
eine  Verlangsamung  in  den  Erscheinungen  des  Pflanzenlebens  unver- 
kennbar und  die  Blüthezeiten  zeigen  einen  unzertrennbaren  Zusammen- 
hang mit  der  Abwechselung  kalter  und  warmer  Jahreszeiten.  Besonders 
deutlich  zeigt  sich  solche  Abhängigkeit  bei  Pflanzen,  die  aus  höheren 
in  niedrigere  Zonen  verpflanzt  worden  sind.  So  verhalten  sich  die 
periodischen  Erscheinungen  unserer  Laubbäume  in  Madeira,  wo  die 
Mitteltemperatur  des  kältesten  Monats  (Januar)  150,  die  des  wärmsten 
(August)  22,2°  beträgt,  in  Bezug  auf  ihre  periodischen  Erscheinungen 
ähnlich  wie  in  der  Heimath  und  Viola  odorata  erzeugt  in  St.  Catharina 
(Süd-Brasilien)  ihre  Insektenblüthen  von  März  bis  December,  im  Hoch- 
sommer aber  meist  nur  kleistogamische  Blüthen  (Fr.  Müller). 


IL   Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen.  46 1 

Je  niedriger  die  Wintertemperaturen  werden,  desto  grösser  wird 
natürlich  der  Unterschied  der  Vegetation  in  der  kalten  und  der  heissen 
Jahreszeit,  namentlich  bei  feuchtem  Sommerklima.  In  Gebieten  mit 
trockenem  Sommer,  z.  B.  in  den  Steppen,  noch  mehr  aber  in  den 
Wüsten,  kommt  neben  dem  Unterschied  der  Temperatur  derjenige  der 
Feuchtigkeit  wesentlich  zur  Geltung. 

Die  nachfolgenden  Erörterungen  beziehen  sich  hauptsächlich  auf 
den  kühlen  Gürtel  der  nördlichen  temperirten  Zone,  da  es  für  den  war- 
men oder  subtropischen  Gürtel  derselben  bis  jetzt  an  genaueren  physio- 
logischen Untersuchungen  fehlt;  übrigens  handelt  es  sich  gewiss  auch 
dort  um  die  gleichen  Erscheinungen  wie  weiter  nördlich,  nur  in  weniger 
ausgeprägter  Form. 


1.  Stoff-  und  Kraftwechsel  der  mesothermen  Pflanzen 
in  verschiedenen  Jahreszeiten. 

§  1.  Die  Periodicitat  beim  Kirschbaum.  Von  einer  Schilderung 
der  auch  ohne  genauere  Untersuchung  wohl  sichtbaren  periodischen 
Erscheinungen,  wie  Belaubung  und  Entlaubung,  Blüthenentfaltung  und 
Fruchtreife  soll  hier,  da  es  sich  um  allgemein  bekanntes  handelt,  ab- 
gesehen werden.  Hingegen  hat  man  erst  in  neuester  Zeit,  durch  An- 
wendung des  physiologischen  Experiments  und  des  Mikroskops  be- 
gonnen, eine  tiefere  Einsicht  in  diese  Vorgänge  zu  gewinnen  und 
damit  den  Weg  zu  einer  Erklärung  derselben  anzubahnen.  Eine  ein- 
gehendere Berücksichtigung  dieser  Untersuchungen  an  dieser  Stelle 
wird  hoffentlich  zur  Veranstaltung  ähnlicher  Beobachtungen  und  Ex- 
perimente in  anderen  Klimaten  die  Anregung  geben. 

Die  periodischen  Erscheinungen  im  kühltemperirten  Klima  scheinen 
in  der  ganzen  Pflanzenwelt,  abgesehen  von  den  Annuellen  und  den 
wenigen  immerblühenden  Gewächsen,  im  Ganzen  einen  ähnlichen  Ver- 
lauf zu  nehmen.  Doch  zeigen  sich  in  Einzelheiten  mannigfache  Unter- 
schiede, so  dass  es  sich  empfiehlt,  zunächst  ein  bestimmtes  Beispiel 
ins  Auge  zu  fassen.  Die  Süsskirsche,  Prunus  avium,  erscheint  dazu 
besonders  geeignet,  indem  sie  von  verschiedenen  Autoren,  namentlich 
von  Askenasy  und  A.  Fischer,  eingehend  untersucht,  von  anderen 
wenigstens  berücksichtigt  wurde  und  ausserdem  als  Typus  für  die 
Mehrzahl  unserer  Laubbäume  gelten  kann. 

Die  active  und  die  ruhende  Jahresperiode  des  Kirschbaums  um- 
fassen, bei  oberflächlicher  Betrachtung,  in  Süd-  und  Mitteldeutschland 
je  etwa  6  Monate,  indem  die  erstere  ungefähr  von  Mitte  April  bis 
Mitte  October,  letztere  während  des  Restes  des  Jahres  dauert.  Während 
der  Ruheperiode   sind  die  Zweige  entlaubt  und  tragen  nur  beschuppte 


J.Ö2  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Knospen,  welche,  wie  nachher  gezeigt  werden  soll,  beinahe  stets  in 
Wachsthum  begriffen  sind.  Allerdings  ist  letzteres  meist  ein  äusserst 
langsames  und  wird  erst  gegen  Ende  der  Ruheperiode  ohne  genaue 
Messung  als  Schwellung  bemerkbar. 

Die  auffalligsten  Zeitpunkte  während  der  activen  Periode  sind, 
für  die  reproductive  Sphäre,  die  Blüthezeit  im  April  oder  Mai  und  die 
Fruchtreife  im  Juni  oder  Juli.  Die  äusserlich  sichtbaren  vegetativen 
Erscheinungen *)  zerfallen  in  eine  Periode  des  Wachsthums  der  Laub- 
knospen (April — Mai),  eine  solche  der  Assimilation,  während  welcher  Axen 
und  Wurzeln  in  die  Dicke  wachsen  *)  und  die  Winterknospen  ausgebildet 
werden  (Mai — September),  endlich  in  eine  Periode  der  Verlangsamung  und 
des  Verfalls,  die  in  dem  herbstlichen  Laubfalle  ihren  Abschluss  findet 

Unter  allen  diesen  Erscheinungen  hat  sich  die  Entwickelung  der 
Knospen,  speciell  diejenige  der  Blüthenknospen,  als  am  besten  geeignet 
erwiesen,  die  periodischen  Erscheinungen  in  ihren  einzelnen  Momenten 
kennen  zu  lernen. 

Nach  Askenasy,  welcher  die  erste  gründliche  Untersuchung  dieser 
Verhältnisse  ausführte,  zerfallt  die  Entwickelung  der  Blüthenknospen 
des  Kirschbaums  in  zwei  Perioden,  die  durch  eine  Periode  der  Ruhe 
oder  besser  des  äusserst  schwachen  Wachsthums  getrennt  sind.  Die 
Ruheperiode  dauert  in  Heidelberg  etwa  von  Ende  October  bis  Anfang 
Februar,  also  ungefähr  ixf%  Monate;  sie  ist  demnach  bedeutend  kürzer 
als  die  durch  die  auffallenderen  Erscheinungen  des  Laubfalls  und  der 
Knospenentfaltung  begrenzte  Periode,  die  gewöhnlich  als  Ruheperiode 
bezeichnet  wird. 

Die  nächstjährigen  Knospen  werden  bereits  zur  Blüthezeit,  die 
Blüthen  im  Laufe  des  Juli  angelegt.  Die  Zunahme  der  Knospen  in 
der  ersten  Wachsthumsperiode,  d.  h.  während  des  Sommers  und  Früh- 
herbstes bis  zum  Eintritt  in  die  Ruheperiode,  wo  sie  beinahe  null 
wird,  ist  eine  sehr  langsame  und  gleichmässige. 

Zu  Beginn  der  zweiten  oder  frühjährlichen  Wachsthumsperiode  ist 
die  Zunahme  anfangs  noch  langsam,  sie  wird  aber  allmählich  schneller, 
schliesslich  so  schnell,  dass  die  Blüthenknospen,  gegen  das  Ende  ihrer 
Entwickelung,  in  6 — 10  Tagen  um  das  Doppelte  bis  Dreifache  ihres 
Frischgewichtes  zunehmen.  Das  Wachsthum  wird  bis  kurz  vor  Er- 
reichung des  fertigen  Zustandes  ununterbrochen  beschleunigt,  unmittelbar 
vor  dem  Schlüsse  jedoch  verlangsamt.  Die  ganze  Entwickelung  stellt 
demnach  ein  ausgezeichnetes  Beispiel  der  Sachs'schen  grossen  Wachs- 
thumsperiode dar. 


l)  Askenasy,  1.  c. 

*)  Die  Wurzeln  setzen  nach  Mohl  ihr  Dickenwachsthum,  wenn  auch  sehr  abgeschwicht 
im  Winter  fort. 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen.  463 

Wasser  ist  an  der  Zunahme  der  Knospen  natürlich  mehr  betheiligt 
als  Trockensubstanz.  Vom  Gesammtgewicht  frisch  aufgeblühter  Knospen 
kommen  7/8  auf  Rechnung  des  frühjährlichen ,  1/8  auf  Rechnung  der 
sommerlichen  Wachsthumsperiode.  Die  Trockengewichte  hingegen 
verhalten  sich  wie  8/4  und  1/4.  Einhundert  Knospen  nehmen  während 
der  Frühjahrsperiode  um  6  Gr.  Trockengewicht  zu.  Besitzt  der  Baum 
200000  Blüthenknospen  —  eine  meist  zu  niedrig  gegriffene  Schätzung 
—  so  ist  zu  deren  Ausbildung  12  Kilogramm  Trockensubstanz  noth- 
wendig. 

Die  durch  ihre  plötzliche  scharfe  Steigerung  ausgezeichnete  Wachs- 
thumscurve  der  Kirschenblüthe  ist  nur  zeitweise  und  dann  auch  nur 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  der  Temperatur  abhängig.  Ein  Ein- 
fluss  der  letzteren  ist  während  der  Sommerperiode  nicht  nachweisbar, 
aber  auch  während  der  Frühjahrsperiode  vermögen  Schwan- 
kungen der  Temperatur  den  Verlauf  der  Wachsthumscurve 
nicht  zu  ändern.  In  anderen  Worten,  wenn  die  Februartemperatur 
höher  ist,  als  die  des  März,  so  wird  das  Wachsthum  im  März  doch 
energischer  sein  als  im  Februar  und  mit  zunehmender  Schnelligkeit 
vor  sich  gehen.  Vergleicht  man  jedoch  mehrere  Jahrgänge  mit  einander, 
so  kommt  der  Einfluss  der  Temperatur  sehr  deutlich  zum  Vorschein, 
indem  die  Curve  in  einem  nassen  Frühjahr  steiler  ist  und  früher  zur 
Blüthezeit  fuhrt,  als  in  einem  kalten.  Allerdings  hat  Askenasy  mit  sehr 
niedrigen  Temperaturen,  wie  sie  im  März  nicht  selten  sind,  nicht  ge- 
rechnet; welchen  Verlauf  die  grosse  Periode  annimmt,  wenn  im  Früh- 
jahr leichtes  Frostwetter  auftritt  —  starker  Frost  tödtet  bekanntlich  die 
wachsenden  Knospen  —  bleibt  zu  untersuchen. 

Noch  auffallender  als  in  den  Erscheinungen  der  grossen 
Periode  zeigt  sich  das  Ueberwiegen  innerer  Eigenschaften 
über  die  Wirkungen  der  Temperatur  in  dem  Umstände,  dass 
eine  Erhöhung  der  letzteren  im  Oktober  die  Ruheknospen 
nicht  zur  Wiederentwicklung  veranlasst,  während  sie  es  von 
Ende  November  an  thut  und  sich  um  so  wirksamer  zeigt,  als 
bei  Beginn  des  Versuchs  das  Ende  der  normalen  Ruhezeit 
näher  war.  Die  Erscheinung  lässt  sich  nicht  auf  inzwischen  statt- 
gehabtes Wachsthum  zurückfuhren,  denn  die  Gewichtszunahme  der 
Knospen  von  Anfang  Oktober  bis  Ende  November  ist  kaum  merklich 
und  die  Stiele  der  Knospen  verbleiben  anscheinend  auf  der  gleichen 
Stufe  der  Entwickelung. 

Zur  Illustrirung  des  eben  Gesagten  sei  nach  Askenasy  folgende 
kleine  Tabelle  über  das  Treiben  von  Kirschbaumzweigen  mitgetheilt, 
in  welcher  allerdings,  weil  der  Versuch  erst  im  December  begonnen 
wurde,  frühe  Daten  fehlen. 


464  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Datum  des 

Erste 

Anzahl 

Einsteilens  im  Warmhause 

geöffnete  Bltithe 

der  verflossenen  Tage 

14.  December 

10.  Januar 

27 

10.  Januar 

28.  Januar 

18 

2.  Februar 

19.  Februar 

17 

2.  März 

14.  März 

12 

11.  März 

21. — 22.  März 

«V. 

23.  März 

31.  März 

8 

3.  April 

8.  April 

5 

Der  äusseren,  in  den  Wachsthumserscheinungen  zum  Vorschein  treten- 
den Periodicität  entspricht  im  Innern  eine  solche  der  Stoffwechsel  Vorgänge.1) 
Vom  Augenblicke  an,  wo  die  Laubblätter  ausgewachsen  sind  bis  zum 
herbstlichen  Laubfalle,  fliesst  ein  ununterbrochener  Strom  von  Assimi- 
laten  aus  den  grünen  Zellen  in  die  Aeste  und  den  Stamm  herab.  Die 
stickstofffreien  Assimilate,  die  wir  allein  berücksichtigen,  weil  die  stick- 
stoffhaltigen zu  wenig  bekannt  sind,  wandern  in  Form  der  leicht  dif- 
fundirbaren  Glycose;  unterwegs  wird  dieselbe  allerdings  zeitweise  in 
Stärke  (transitorische  Stärke)  umgewandelt. 

Die  Bahn  dieses  Glycosestroms  ist  überall  die  gleiche.  Sie  ist  in 
den  Blättern  durch  die  langgestreckten  Parenchymzellen  der  Nerven 
und  des  Stiels  (Leitscheide)  gekennzeichnet  und  ist  in  den  Axen  auf 
das  Parenchym  der  Rinde  beschränkt.  Aus  der  Rinde  dringt  der  Strom 
in  horizontaler  Richtung  in  das  Holz  hinein,  wo  die  Parenchymzellen 
sich  allmählich  mit  Stärke  füllen,  während  die  Gefässe  die  von  ihnen 
aufgenommene  Glycose  als  solche  bewahren.  Eine  Abwärtsbewegung 
der  Assimilate  im  Holze  findet  nicht  statt. 

Der  Beginn  des  Laubfalls  bezeichnet  für  den  Baum  den 
Zeitpunkt,  in  welchem  er  die  grösste  Menge  Assimilate  ent- 
hält (Herbstmaximum).  Von  nun  an,  bis  zum  Beginn  der  nächsten 
Vegetationszeit  wird  eine  fortdauernde,  zunächst  langsame,  schliesslich 
sehr  schnelle  Abnahme  derselben  stattfinden. 

Gleich  nach  Erreichen  ihres  Herbstmaximum,  welches  speciell  auch 
dasjenige  der  Stärke  ist  (herbstliches  Stärkemaximum)  zeigen  die 
Assimilate  der  Axen  folgende  Vertheilung:  Das  Parenchym  der  Rinde, 
namentlich  in  den  Markstrahlen,  ist  reich  an  Stärke  und  Glycose.  Das 
Cambium  entbehrt  beider.  Das  Holz  enthält  viel  Stärke,  aber  keine 
Glycose  in  seinen  lebenden  Zellen,  viel  Glycose,  aber  keine  Stärke  in 
den  Gefässen.  Die  Markgrenze  ist  reich  an  beiden  Stoffen,  dagegen 
befinden  sich  solche  im  Mark  nur  stellenweise. 

Kurz  nach  dem  Laubfalle  verschwindet  die  Stärke  in  der  Rinde 
gänzlich,  indem  sie  theils  in  Glycose  und  etwas  Fett,  theils  in  noch 
unbekannte    Körper   (Zuckerarten)    umgewandelt    wird.     Das    Holz   ist 


*)  Alf.  Fischer  1.  c. 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen.  465 

etwas  weniger  reich  an  Glycose  als  im  Sommer,  zeigt  aber  keine  merk- 
liche Abnahme  seines  Stärkegehalts. 

Die  Knospen  enthalten  zur  Zeit  des  Stärkemaximum  keine  Glycose, 
dagegen  in  den  Schuppen  und  noch  mehr  im  Mark  reichlich  Stärke. 
Die  embryonalen  Organe  sind  frei  von  Stärke  und  Glycose. 

Gegen  Schluss  des  Winters,  noch  bevor  äusserlich  sichtbare  Ver- 
änderungen den  Beginn  der  Vegetationszeit  anzeigen,  beginnt  es  sich 
im  Innern  des  Baumes  zu  regen.  Die  stärkefreie  Rinde  füllt  sich  wieder 
mit  Stärke  an  und  zwar  natürlich  auf  Kosten  der  Glycose  und  der  im  Herbst 
entstandenen  unbekannten  Körper  (frühjährliches  Stärkemaximum). 
Dieser  Zustand  ist  von  kurzer  Dauer.  Die  Stärke  wird  wieder  theil- 
weise  in  Glycose  umgewandelt  und  diese  fliesst  den  Gefässen  zu.  In 
den  letzteren  setzt  sich  der  Saftstrom  jetzt  in  Bewegung  und  versieht 
die  wasser-  und  nährstoffarmen  Knospen  mit  Wasser  und  Glycose. 

Auch  in  den  Knospen  haben  während  des  Winterschlafs  Bewegungen 
der  Reservestoffe  stattgefunden.  Die  Stärke  hat  das  Mark,  wo  sie  an- 
fangs so  reichlich  vorhanden  gewesen ,  verlassen  und  ist  nun  in  den 
embryonalen  Blättern  und  Blüthen,  wo  sie  bisher  fehlte,  angehäuft.  Sie 
stellt  einen  Reservestoff  dar  und  reicht  für  die  ersten  Stadien  der 
Knospenentfaltung,  nämlich  bis  zum  Schluss  der  Schwellungsperiode 
eben  aus.  Das  später  stattfindende  rasche  und  ergiebige  Wachs- 
thum  geschieht,  bis  zur  Erreichung  des  fertigen  Zustandes,  auf  Kosten 
der  durch  die  Gefässe  aus  den  Aesten  und  dem  Stamme  zugeführten 
Glycose. 

Die  Entfaltung  der  Knospen  beansprucht  einen  beträchtlichen  Theil 
der  in  den  Axen  aufgespeicherten  Kohlehydrate.  Namentlich  weist  die 
Stärke,  welche  unmittelbar  vorher  so  reichlich  vorhanden  war,  eine  ge- 
waltige Abnahme,  welche  allerdings  zum  Theile  auf  die  Umwandlung 
in  nicht  verbrauchte  Glycose  zurückzuführen  ist.  Dieses  Frühjahrs- 
minimum der  Kohlehydrate,  speciell  der  Stärke,  ist  von  kurzer  Dauer, 
indem  recht  bald  neue  Mengen  von  Assimilaten  durch  die  Thätigkeit 
der  jungen  Blätter  erzeugt  und  den  Reservespeichern  zugeführt  werden. 
Damit  beginnt  die  Ansammlung,  welche  im  Herbstmaximum  gipfeln  wird. 

Es  sind  im  Vorhergehenden  Vorgänge  des  Stoffwechsels  geschildert 
worden,  die  sich  zumTheile  in  der  Ruheperiode,  während 
der  kühlen  und  kalten  Jahreszeiten  abspielen.  Es  fragt 
sich  in  wiefern  dieselben  von  der  Temperatur1)  direkt  abhängig  oder 
durch  innere  erbliche  Eigenschaften  bedingt  sind.  Das  Experiment 
zeigt,  dass  beide  Ursachen  dabei  mitwirken. 

Das  Schwinden  der  Stärke  in  der  Rinde  am  Anfang  des  Winters 
ist  eine  unmittelbare  Wirkung  niederer  Temperaturen,   denn    es  unter- 


l)  Vgl.  S.  54. 

Seh  im  per,  Pflanzengeographie.  30 


466  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirteo  Zonen. 

bleibt  in  Baumzweigen,  die  während  der  betreffenden  Zeit  höheren 
Temperaturen,  im  Zimmer  oder  im  Gewächshaus  ausgesetzt  sind.  Die 
Regeneration  der  Stärke  ist  ebenfalls  eine  Function  der  Temperatur, 
denn  sie  stellt  sich  bei  hinreichender  Höhe  derselben  (Minimum  4-  5  °  C, 
Optimum  25 — 30 °)  schon  nach  wenigen  Stunden  ein  und  zwar  sogar 
in  den  kleinsten  Rindenstücken,  soweit  dieselben  nur  unversehrte  Zellen 
besitzen.  Abkühlung  solcher  Aeste,  in  welchen  die  Regeneration  der 
Stärke  stattgefunden  hat,  bis  auf  -f-  2°  C.  herab,  bedingt  abermaliges 
Schwinden  der  Stärke. 

Der  Zusammenhang  zwischen  den  eben  geschilderten 
Erscheinungen  und  der  Temperatur  ist  einleuchtend, 
doch  ist  letztere  nicht  allein  maassgebend,  denn  die 
Stärke  müsste  sonst  auch  im  Sommer  bei  künstlicher 
Herabsetzung  der  Temperatur  aufgelöst  werden.  Dieses 
ist   aber  nicht   der   Fall. 

§  2.  Stärkebäume  und  Fettbäume.  Die  Holzgewächse  der  kühlen 
temperirten  Zonen  verhalten  sich  sämmtlich,  soweit  bekannt,  in  den 
Hauptzügen  dem  Kirschbaume  ähnlich.  Im  Einzelnen  jedoch  zeigen 
sich  manche  Abweichungen.  Abgesehen  von  allgemein  bekannten 
äusseren  Unterschieden  der  Periodicität,  ist  auf  Grund  des  winterlichen 
Zustandes,  seit  den  Untersuchungen  Russow's,  eine  Gruppe  der  Stärke- 
bäume und  eine  solche  der  Fettbäume  aufgestellt  worden.  In  der 
ersten,  zu  welcher  vornehmlich  hartholzige  Bäume,  u.  a.  auch  der 
Kirschbaum  gehören,  wird  am  Beginn  des  Winters  nur  sehr  wenig  Fett 
auf  Kosten  der  Stärke  erzeugt,  die  sich  in  der  Rinde  in  Glycose  und 
unbekannte  Körper  umwandelt,  im  Holze  aber  unverändert  bleibt  In 
der  Gruppe  der  Fettbäume,  die  namentlich  weichholzige  Arten,  wie 
Nadelhölzer,  Birken  und  Linden  umfasst,  wird  die  gesammte 
Stärke  der  Rinde  und  des  Holzes  in  Fett  umgewandelt 
und  dieser  Zustand  dauert  bis  zum  Frühjahr,  wo  Regeneration  der 
Stärke  aus  dem  Fette  stattfindet. 

Die  Fettbildung  aus  Stärke  und  die  Stärkebildung  aus  Fett  sind, 
ebenso  wie  die  eben  geschilderten  Metamorphosen  in  der  Rinde  des 
Kirschbaums,  einerseits  an  innere,  nur  während  der  Ruhezeit  vorhandene 
Eigenschaften  gebunden,  andererseits  von  der  Temperatur  abhängig. 
Fettbildung  bleibt  in  der  Wärme  aus  und  etwa  vorhandenes  Fett  wird 
in  Stärke  umgewandelt. 

§  3.  Theorie  des  Forcirens.  Das  Plasma  der  Gewächse 
temperirter  Zonen  besitzt  zwei  Zustände,  einen  activen 
und  einen  ruhenden,  deren  regelmässige  periodische 
Abwechselung,  wie  in  den  Tropen,  durch  innere,  erb- 
liche Eigenschaften  bedingt  ist  und  die  sich  unter 
Anderem    durch   ungleiches   Verhalten    der    Temperatur 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen.  467 

gegenüber  unterscheiden.  Durch  höhere  Temperatur 
werden  im  activen  Plasma  Reize  ausgelöst,  die  zu 
Wachsthumsvorgängen  führen,  während  niedere  Wärme- 
grade einen  allgemeinen  Stillstand  des  Wachsthums  zur 
Folge  haben.  Der  ruhende  Zustand  wird  auch  nicht  durch 
Optimaltemperaturen  zu  Wachsthumserscheinungen  an- 
geregt, dagegen  reagirt  er  auf  Tempera turwechsel  durch 
Stoffmetamorphosen,  die  zum  Theil  durch  niedere,  zum 
Theil  durch  höhere  Wärmegrade  ausgelöst  werden. 

Der  ruhende  Zustand  des  Plasma  ist  von  viel  kürzerer  Dauer  als 
der  active  und  erstreckt  sich  keineswegs  auf  die  ganze  normale  Ruhe- 
periode, welche  vielmehr,  in  ihrem  zweiten  und  grösseren  Theil,  eine 
direkte  Folge  der  niederen  Temperatur  darstellt  und  dementsprechend 
durch  Temperaturerhöhung  um  diesen  Theil  abgekürzt  werden  kann. 
Das  Treiben  oder  Forciren  der  Gewächse  beruht  auf  diesem  Um- 
stände. Der  erste  Theil  der  Ruheperiode  dagegen,  der  beim  Kirsch- 
baum von  Mitte  October  bis  Ende  November,  bei  anderen  Holz- 
gewächsen aber  manchmal  kürzer  ist  (z.  B.  Forsythia  viridissima)  oder 
länger  (Fagus  silvatica  etc.)  dauert,  ist  ausschliesslich  durch  innere 
Eigenschaften  bedingt  und  weicht  keiner  Erhöhung  der  Temperatur. 
Es  ist  vollkommen  nutzlos  und  sogar  schädlich,  das  Treiben  vor  dem 
Ende  dieser  nothwendigen  Ruheperiode  beginnen  zu  wollen;  die 
Knospen  verharren  auch  bei  günstigster  Temperatur  im  winterlichen 
Stadium.  Der  Uebergang  aus  dem  einen  Zustande  in  den  anderen  ist 
ein  langsamer  und  das  Treiben  geht  dementsprechend  um  so  schneller 
vor  sich,  als  die  Umwandlung  des  ruhenden  Plasma  in  actives  der 
Vollendung  näher  war.  Letztere  wird  durch  niedere  Temperaturen  be- 
schleunigt. 

Die  durch  die  Gärtnerei  zu  rein  praktischen  Zwecken  ausgeführten, 
aber  desswegen  nicht  minder  verwerthbaren  Experimente  über  be- 
schleunigte Entwickelung  (Forciren)  namentlich  der  obsttragenden 
Hölzer  erweisen  aufs  Klarste  das  Vorhandensein  einer  von  äusseren 
Einflüssen  unabhängigen  Ruheperiode.  Sie  haben  aber  ausserdem  die 
Optimaltemperaturen  für  die  Entwickelung  der  Blüthen  und  Früchte 
temperirter  Bäume  festgestellt  und  damit,  allerdings  ohne  die  verdiente 
Berücksichtigung  zu  finden,  einem  Wust  falscher  Vorstellungen  über  den 
Zusammenhang  zwischen  Temperatur  und  Periodicität  den  Garaus  gemacht. 

Die  meisten  Obstbäume  sind  erst  nach  einigen,  den  Uebergang 
zum  activen  Zustand  beschleunigenden,  Frösten  zum  Treiben  geeignet, 
so  dass  letzteres  z.  B.  für  den  Pfirsichbaum  erst  im  Januar  in  Angriff 
genommen  werden  kann,  während  es  in  Belgien  von  November  an  ge- 
lingt. Dagegen  wird  der  Weinstock  schon  durch  Temperaturen  etwas 
oberhalb  des  Nullpunkts  in  den  treibfähigen  Zustand  versetzt. 

30* 


468  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Die  Temperatur  darf  zu  Anfang  des  Forcirens  keineswegs  eine 
hohe  sein,  sondern  zunächst  +  6°  bis  8°  C.  nicht  überschreiten.  Sie 
wird  allmählich  erhöht,  jedoch  niemals  wesentlich  über  die  in  der  Natur 
während  der  entsprechenden  Entwickelungsstadien  herrschenden  Grade. 
Höhere  Temperaturen  bedingen  abnorme  Erscheinungen,  wie  Ueber- 
verlängerung,  mangelhafte  Holzbildung,  Verkümmerung  der  Blüthen  etc. 
Namentlich  müssen  während  der  Blüthezeit  und,  bei  den  Steinfrüchten, 
während  der  Ausbildung  des  Steins  die  Temperaturen  niedrig  gehalten 
werden,  da  sonst  Ablösen  der  Blüthen,  bezw.  der  jungen  Früchte  statt- 
findet. Das  Heranwachsen  der  Früchte  beansprucht  im  Uebrigen 
höhere  Temperaturen  als  die  Entwickelung  der  Blüthenknospen ,  doch 
sind  bei  den  Spätherbstfrüchten  (Weintrauben)  massige  Temperaturen 
zuletzt  wieder  erforderlich. 

Die  Nachttemperaturen  sind  um  2 — 40  niedriger  als  die  Tages- 
temperaturen  zu  halten,   da  Vergeilungserscheinungen  sonst  eintreten. 

Es  geht  aus  den  eben  erwähnten  und  aus  anderen  Erscheinungen 
hervor,  dass  die  Optimaltemperaturen  der  Vorgänge  des  Längenwachs- 
thums  oberhalb  derjenigen  anderer  Vorgänge  (Blüthenbildung ,  Holz- 
entwickelung  etc.)  liegen,  sodass  höhere  Temperaturen  die  ersteren  auf 
Kosten  der  letzteren  begünstigen.  Dem  entsprechen  die  Erfahrungen  bei 
den  Culturen  temperirter  Holzgewächse  in  wärmeren  Zonen  vollständig; 
auch  hier  wird  das  Wachsthum  stark  beschleunigt.1)  Das  Licht  wirkt  ver- 
langsamend auf  das  Wachsthum  und  es  ist  wohl  diesem  Umstände  zu- 
zuschreiben, dass  die  getriebenen  Pflanzen  am  Tage  und  bei  Sonnen- 
schein höhere  Temperaturen  ertragen  als  in  der  Nacht  oder  bei 
bewölktem  Himmel. 

Die  Gesammtheit  der  Erfahrungen  der  Praktiker  läuft  darauf  hinaus, 
dass  die  in  der  Natur  während  der  Vegetationszeit  herrschenden  Tempe- 
raturgrade für  unsere  Obstbäume  ungefähr  dem  Optimum  der  Blüthen- 
und  Fruchtbildung  sowie  der  Holzbildung  entsprechen,  aber  unterhalb 
desjenigen  der  Wachsthumsvorgänge  der  Laubsprosse.  In  Folge  dessen 
beschränkt  sich  das  Forciren  im  Allgemeinen  auf  die  Aufhebung  der 
durch  die  niederen  Temperaturen  bedingten  Theile  der  Ruheperiode 
und  einer  möglichst  genauen  Nachahmung  der  während  der  verschie- 
denen Stufen  der  normalen  Vegetationsperiode  herrschenden  Tem- 
peraturen. Nur  bei  der  Pflaume  sind  etwas  höhere  Temperaturen  als 
die  im  mitteleuropäischen  Frühjahr  und  Sommer  herrschenden  der 
Blüthen-  und  Frucht  entwickelung  günstig,  so  dass,  im  Gegensatz  zu  an- 
deren Obstbäumen,  die  Zeit  von  der  Knospenentfaltung  bis  zur  Frucht- 
reife  erheblich  abgekürzt  werden  kann. 

Die  schon  an  früherer  Stelle  mitgetheilte  Tabelle   der  zum  Treiben  des 


*)  Vgl.  S.  56  u.  f. 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen.  469 

Pfirsichbaums   geeigneten  Temperaturen  (nach  Pynaert)  möge,   ihrer  Wichtig- 
keit und  Uebersichtlichkeit  wegen,  hier  nochmals  reproducirt  werden. 

Periode  Tagestemperatur       Nachttemperatur 


C. 

C. 

Erste  Woche 

9— IO° 

5-7° 

Zweite  Woche 

IO—  12° 

7~  9° 

Dritte  Woche 

12— 150 

9—110 

Bis  zur  Blüthe 

15— 18° 

11— 140 

Blüthe 

8—12° 

6— io° 

Nach  der  Blüthe 

15-18° 

11— 140 

Bildung  des  Steines 

12— 150 

9—110 

Nach  der  Bildung  der  Steine 

16— 190 

12-150 

Reife 

20 22° 

15— 17° 

Pynaert,  S.  129 

Was  für  unsere  Obstbäume  gilt,  gilt  gewiss  auch  von  der  grossen 
Mehrzahl  unserer  Holzgewächse,  sowie  von  der  einheimischen  Flora. 
In  anderen  Worten,  die  Flora  der  temperirten  Zonen  befindet 
sich  während  der  Vegetationszeit  im  ökologischen  Temperatur- 
Optimum,  sodass  sämmtliche  Functionen  harmonisch  neben- 
einander verlaufen.  Dementsprechend  bedingt,  wie  bereits  an 
früherer  Stelle  gezeigt  wurde,  das  Versetzen  in  Klimate  mit  höherer 
oder  tieferen  Temperaturen  wenigstens  im  Anfang  unharmonische  Stö- 
rungen. Später  findet  bei  gewissen  Arten  Akklimatisation  durch 
Anpassung  an  die  neuen  Temperaturbedingungen  statt,1)  wenn  letztere 
von  denjenigen  der  Heimath  nicht  zu  sehr  abweichen. 

§  4.  Periodicität  bei  krautigen  Gewächsen.  Dass  die  für  die 
Holzgewächse  festgestellten  Thatsachen  auch  für  die  perennirenden 
Kräuter  gelten,  geht  aus  allen  über  dieselben  bereits  gewonnenen  Er- 
fahrungen hervor,  aus  welchen  namentlich  das  Auftreten  einer  durch 
innere  Ursachen  bedingten  Ruheperiode  und  ähnliche  Stoffmetamor- 
phosen, wie  in  Holzpflanzen,  sich  ergeben. 

In  sehr  wichtigen  Arbeiten  hat  H.  Müller-Thurgau  die  Periodicität  der 
Kartoffel  näher  beleuchtet  Der  bekannte  süsse  Geschmack  gefrorener  Kar- 
toffeln ist  nicht,  wie  es  gewöhnlich  angenommen  wird,  eine  Folge  des  Frostes, 
sondern  stellt  sich  bei  Temperaturen  zwischen  o°  und  +6°C.  in  Folge  der 
Umwandlung  eines  Theils  der  Stärke  in  Zucker  (Glycose,  In  vertose)  ein. 
Müller  glaubt  die  Erscheinung  dahin  deuten  zu  dürfen,  dass  in  der  Kartoffel 
fortwährend  Stärkelösung  und  Stärkebildung  vor  sich  gehen  und  dass  der 
letztere  Vorgang  an  höhere  Temperaturen  gebunden  ist  als  der  erstere,  so  dass 
es  in  der  Nähe  des  Gefrierpunktes  zu  einer  Anhäufung  des  Zuckers  kommt, 
der  bei  höherer  Temperatur  in  Stärke  umgewandelt  worden  wäre.  Gegen 
diese  Deutung   spricht   der  Umstand,   dass   die  Zuckerbildung   wesentlich   an 


*)  Ueber  Akklimatisation  S.  56  u.  f. 


470  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

die  winterliche  Periode  gebunden  ist;  in  September  und  October  tritt  dieselbe 
nicht  oder  doch  weit  weniger  intensiv  auf,  als  später. 

Wir  haben  es  vielmehr  offenbar  mit  ganz  ähnlichen  Erscheinungen  zu 
thun,  wie  bei  den  Holzgewächsen.  Auch  hier  wechseln  im  Plasma,  in  Folge 
innerer  Ursachen,  der  winterliche  und  der  sommerliche  Zustand  periodisch  mit 
einander  ab.  Während  des  ersten  rufen  tiefe  Temperaturen  zwischen  o°  und 
-j- 6°  eine  intensive  Umwandlung  der  Stärke  in  Zucker  hervor,  während  sie  in  der 
letzten  nur  schwach  und  erstarrend  wirken.  Aehnlich  wie  bei  den  Holzgewächsen, 
wird  in  hoher  Temperatur  die  Stärke  aus  ihrem  Umwandlungsprodukt,  hier 
Zucker,  regenerirt  Die  winterliche  Zuckerbildung  ist  für  die  Weiterentwicke- 
lung der  Kartoffel  nicht  nothwendig,  wirkt  aber  auf  dieselbe  beschleunigend. 
Dass  die  Knospen  der  Kartoffel  sich  im  Herbste  nicht  weiter  entwickeln, 
muss  auf  anderen  Ursachen  beruhen.  Sachs  hat  die  anziehende  Hypothese 
aufgestellt,  dass  es  sich  dabei  und  in  anderen  ähnlichen  Fällen  um  die  all- 
mähliche Entstehung  von  Fermenten  handeln  dürfte;  eine  experimentelle  Prüfung 
dieser  Vermuthung  ist  noch  nicht  versucht  wordea1) 

§  5.  Kälte  und  Trockenheit*    Kalte  Perioden  zeigen  in  ihren 
Wirkungen   auf  die  Vegetation  unverkennbare  Aehnlichkeit 
mit   trockenen.     Dass   die  Aehnlichkeit  nicht  scheinbar,   sondern  in 
der  Organisation  der  Pflanze  begründet  ist,   dafür  spricht  der  Umstand 
dass  beide  Factoren   die  Periodicität  oft  in   ganz  ähnlicher  Weise  be- 
einflussen  und   einander  ersetzen   können.     So   wird   das  Forciren  be- 
schleunigt,  wenn   vor   Eintritt   der  Winterkälte   das  Wasser  eine  Zeit 
lang  entzogen  wird;    die  winterliche  Ruheperiode  tritt  dann  früher  ein 
und    kommt    früher    zum  Abschluss.9)     Andauernde  Trockenheit    be- 
schleunigt   den  Laubfall    unserer  winterkahlen  Bäume.     Die  Knospen 
der  Holzgewächse  und  Stauden  werden  während  der  Trockenzeit  eben- 
sowenig durch  Befeuchtung   zur  Entfaltung  veranlasst,   als  die  Winter- 
knospen  durch  höhere  Temperaturen,   solange   ein  bestimmter,  durch 
innere  Ursachen  bedingter  Zeitpunkt  nicht  erreicht  ist.    Die  mit  Reserve- 
stoffen reichlich  versehenen  Gewächse  blühen  in  den  Tropen  vornehm- 
lich  in   der  Trockenzeit  und   unmittelbar  nach   den   letzteren,  in  den 
temperirten  Zonen  vornehmlich  im  Frühling.    Viele  Bäume,  die  normal 
nach  der  kalten  Jahreszeit  blühen,  haben,  nach  einem  trockenen  Sommer, 
eine  zweite  schwächere  Blüthe  etc.    Nähere  Untersuchungen   über  den 
Stoffwechsel  während  der  durch  Trockenheit  verursachten  Ruheperioden 
der  Vegetation  werden  zeigen,   in  wieweit  diesen  äusseren  Analogieen 
solche  in  den  Metamorphosen  und  Bewegungen   der  Reservestoffe  ent- 
sprechen. 


J)  Vgl.  namentlich  auch  Lidforss,  1.  c. 

*)  Müller  -Thurgau   II,   S.  901.     Pynaert   S.  263.     Nach   letzterem   ist   allerdings  das 
Resultat  nicht  ganz  sicher. 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen.  471 


2.  Periodische  Vegetationsbilder. 

§  1.  Allgemeines.  Die  mit  jeder  Jahreszeit  wechselnde  Buntheit 
der  Vegetationsbilder  ist  zum  grossen  Theil  auf  die  periodischen  Er- 
scheinungen zurückzufuhren.  Die  meist  in  die  Augen  fallenden  Ver- 
änderungen in  der  vegetativen  Region  zeigen  sich  bei  den  Holzgewächsen 
mit  herbstlichem  Laubfalle.  Jedoch  ist  auch  das  winterliche  Gepräge 
immergrüner  Gewächse  in  manchen  Fällen  von  dem  sommerlichen 
nicht  unwesentlich  verschieden,  indem  viele  Coniferen  eine  braungelbe, 
andere,  sowie  einige  Laubhölzer  eine  braunrothe  Färbung  annehmen. 
Solcher  Farbenwechsel  tritt  erst  in  Folge  des  Frostes  ein  und  ist  auf 
die  dem  direkten  Sonnenlichte  ausgesetzten  Blätter  beschränkt.  Die 
Vergilbung  beruht  auf  partieller  Zerstörung  des  Chlorophyllfarbstoffs, 
die  Rothfärbung  wird  entweder  durch  ein  rothes  Pigment  in  den  Chloro- 
phyllkörnern (Thuja,  Buxus)  oder  durch  Anthokyan  im  Zellsafte  (Hex, 
Hedera,  Mahonia  etc.)  bedingt.1)  Manche  Pinus-Arten  erhalten  dadurch 
ein  characteristisches  winterliches  Aussehen,  dass  ihre  Nadelbüschel  sich, 
in  Folge  nicht  näher  bekannter  physiologischer  Ursache,  den  Zweigen 
andrücken. 

Im  Gegensatz  zur  holzigen  Vegetation  herrschen  in  den  krautigen 
die  immergrünen  Arten  vor,  so  dass  die  Wiesen  in  milden  Wintern  ihr 
frisches  grünes  Ansehen  bewahren  und  nur  durch  anhaltende  starke 
Fröste  gelbe  Farbentöne  erhalten.  Viele  Kräuter  entwickeln  allerdings 
während  des  Winters  Anthokyan,  doch  kommt  solche  Verfärbung,  da 
sie  den  Gräsern  meist  fehlt,  weit  weniger  als  bei  Holzpflanzen  zur  Gel- 
tung. Viele  Stauden  sind  nur  vorübergehend  grün;  das  Absterben  der 
oberirdischen  Sprosse  pflegt  aber  schon  während  des  Sommers  statt- 
zufinden und  ist  daher  wohl  auf  innere  Ursachen  zurückzufuhren. 

Blüthen  fehlen  bekanntlich  zu  keiner  Jahreszeit  gänzlich,  indem 
bei  milder  Witterung  manche  Arten,  wie  Bellis  perennis,  Senecio  vul- 
garis, Veronica  hederaefolia  etc.  auch  im  Winter  blühen.  Wirkliche 
Winterblüthler  fehlen  allerdings  in  den  ausgesprochen  kalten  Gürteln  der 
temperirten  Zonen,  denn  die  eben  erwähnten  Arten  sind  Alljahrblüthler 
und  in  den  wärmeren  Jahreszeiten  noch  viel  produktiver.  Dagegen  haben 
die  wärmeren  Gürtel  eine  Anzahl  Gewächse,  deren  Blüthezeit  in  die 
Monate  November  bis  Februar  fallen.  So  berichtet  z.  B.  Rein  über  die 
Winterflora  Japan 's: 

„Gegen  Ende  Oktober  ist  das  sommergrüne  Gehölz  kahl,  wie  bei 
uns,  und  es  gibt  nur  noch  wenige  Gewächse,  die  nicht  ihre  Winterruhe 
angetreten  haben.     Es   sind   dies  vor  allem  wintergrüne  Sträucher  und 


»)  Schimper  1.   c.  S.  166  u.  f. 


47 2  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Bäume  .  .  .  deren  Florescenz  in  die  ersten  Wintermonate  fallt.  Hierher 
gehören  Olea  Aquifolium  S.  et  Z.,  Aralia  japonica  Thbg.  und  einige 
andere  Araliaceen,  welche  im  November  blühen,  Thea  chinensis  Sims, 
und  Camellia  Sasanqua  Thbg.,  deren  Blüthezeit  in  den  November  und 
December  fallt  und  bei  denen  schliesslich  Nachtfröste  die  letzten  Knos- 
pen zerstören,  einige  Arten  Daphne,  welche  im  Januar  und  Februar 
zur  Blüthe  kommen,  und  vor  allem  auch  Camellia  japonica,  die  in  dieser 
Jahreszeit  zuweilen  den  überraschenden  Anblick  gewährt,  Blüthen  und 
Schnee  zugleich  zu  tragen,  deren  Blüthezeit  sich  aber  bis  in  den  April 
verlängert." 

„Unter  den  Kräutern  finden  wir  noch  weniger  Arten,  deren  Blüthe- 
zeit in  den  Spätherbst  fällt  oder  gar  in  den  eigentlichen  Winter  hinein- 
ragt, wie  bei  einigen  Compositen,  insbesondere  bei  Pyrethrum  und 
Aster."  *) 

Auch  in  den  wärmeren  Gürteln  treten  die  Winterblüthler  zurück. 
Der  Beginn  der  eigentlichen  Blüthenperiode  fällt  gewöhnlich  mit  dem- 
jenigen der  Vegetationszeit  im  Frühjahr  zusammen  und  das  Ende  mit 
deren  Ende  im  Herbste.  Anfang  und  Ende  sind  in  hohem  Grade  von 
der  Temperatur  abhängig  und  daher  nicht  nur  an  verschiedenen  Orten 
im  selben  Jahre,  sondern  auch  am  selben  Orte  in  verschiedenen  Jahren 
ungleichzeitig.  Doch  erweist  sich  die  innere  Periode  überall  als  starker 
als  die  äusseren  Einflüsse,  sodass  das  Erwachen  der  Vegetation  sehr 
häufig  bei  tieferer  Temperatur  als  ihr  Einschlummern  stattfindet. 

Es  ist  bereits  gezeigt  worden,2)  dass  tiefe  Temperaturen  in  den 
temperirten  Zonen  gewöhnlich  die  Entstehung  der  Reproduktionsorgane 
begünstigen  und  dass  das  Wachsthum  der  letzteren  sich  in  sehr  vielen 
Fällen  innerhalb  tieferer  Wärmegrenzen  vollzieht  oder  doch  ein 
tiefer  gelegenes  Optimum  besitzt,  als  dasjenige  der  Laubsprosse.  Die 
experimentell  festgestellten  ungleichen  Temperaturwirkungen  auf  die 
geschlechtliche  und  die  vegetative  Sphäre  kommen  auch  in  der  Natur 
zum  Vorschein,  namentlich  bei  niederen  Kryptogamen  und  Moosen, 
deren  Geschlechtsleben  sehr  häufig  mit  dem  Winter  zusammenfallt, 
während  die  vegetative  Thätigkeit  in  den  warmen  Monaten  stattfindet. 
Bei  den  Phanerogamen  ist  der  Zusammenhang  in  Folge  einer  Anzahl 
entgegenwirkender  Umstände  weniger  klar.  So  vermögen  viele 
krautige  Pflanzen  erst  dann  zur  Blüthenbildung  überzugehen,  nachdem 
sie  das  nöthige  Material  assimilirt  haben ;  die  Bildung  der  Assimilations- 
organe, ist  aber,  wie  die  Assimilation  selbst,  an  höhere  Temperaturen 
gebunden.  Andere  Gewächse  wiederum  sind  an  bestimmte  Bestäuber 
angepasst  und  blühen  zur  Zeit,  wo  dieselben  ihre  Thätigkeit  entfalten. 


*)  Rein  1.  c.  Bd.  I,  S.   155—156. 
a)  S.  54  u.  f. 


II.   Die  periodischen  Erscheinungen  in  den  temperirten  Zonen.  473 

Trotz  derartiger  Einschränkungen,  lässt  sich  der  günstige  Einfluss 
tiefer  Temperaturen  auf  die  Geschlechtsorgane  auch  in  der  Periodicität 
der  Phanerogamen  nicht  verkennen,  wenn  nur  solche  Pflanzen,  die  die 
Bildungsstoflfe  der  Blüthen  bereits  in  der  vorhergehenden  Vegetations- 
zeit erzeugen,  in  Betracht  gezogen  werden. 

Dass   die  Mehrzahl   der  Stauden   aus  den  Familien    der  Liliaceen, 

Amaryllidaceen,  Iridaceen  in  den  temperirten  Zonen  FrühblüthJer  sind, 

ist  zur  Genüge  bekannt;   in   den  Mittelmeerländern   gehören   auch   die 

Orchideen  und  Araceen  zu    den  ersten  Frühlingsgewächsen.     Aehnlich 

verhalten    sich    viele   Dicotylen    mit    nährstoffreichen    Rhizomen    oder 

Wurzeln,   wie  Anemone,  Helleborus,  Eranthis,  Corydalis,  Ficaria  etc. 

Einige  Knollenpflanzen  blühen   im  Herbste,  wie  Colchicum  autumnale, 

Spiranthes    autumnalis,   Crocus   sativus,   Cyclamen   europaeum.     Auch 

die  Bäume   sind  der  grossen  Mehrzahl  nach  Frühblüthler  und  entfalten 

vielfach  ihre  Blüthen  früher,  also  bei  tieferen  Temperaturen  als  ihr  Laub. 

Die  einheimischen  Beispiele,  zu  welchen  der  Epheu  als  Nachblüthler  sich 

gesellt,  sind  hinreichend   bekannt.     Ich  hatte  in  der  so  viel  reicheren 

Baumflora    Nord -Amerika 's    dieselbe  Erscheinung    bemerkt    und    eine 

Zusammenstellung  der  Blüthezeiten  der  Bäume  in  Asa  Gray's  Flora  der 

nördlichen   amerikanischen   Staaten    hat    meine  Erfahrungen    bestätigt. 

Von  141  Arten,   von  welchen  es  in  der  erwähnten  Flora   heisst,   dass 

sie   baumartig  oder   Strauch-    bis   baumartig   sind   —   die   eigentlichen 

Sträucher  habe  ich  nicht  berücksichtigt  —  haben  110  den  Beginn  ihrer 

Blüthezeit  von  März  bis  Mai,  25  in  Juni,  6  im  Juli;  im  August  findet 

nur  noch    der   Schluss   der  Blüthezeit   einzelner  Julibäume   statt.     Der 

Zusammenhang  zwischen  der  Entfaltung  der  Blüthen  und  den  kühleren 

Temperaturen  erscheint  namentlich  auffallend,  wenn  man  bedenkt,  dass 

das  Frühjahr  in  den  Nordstaaten  Amerika's  kälter  ist,  als  in  Süd-  und 

Mitteldeutschland,   so   dass   der  Mai   in   Boston   kaum   dem  April   am 

Mittelrhein  vergleichbar  ist. 

§  2.  Periodische  Erscheinungen  in  der  südlichen  temperirten 
Zone.  Die  mir  zugängliche  Literatur  enthält  nur  wenige  Daten  über  die 
periodischen  Erscheinungen  in  der  südlichen  temperirten  Zone.  Ein  Aufsatz 
Hann's  über  das  Klima  Mittelchile's  bringt  folgende  Angaben:  Im  Juni 
(unserem  December  entsprechend)  blühen  die  Mandelbäume,  die  wilden 
Veilchen,  Hyacinthen,  Ranunkeln,  Acacia  cavenia.  Im  Juli  und  August: 
Datura  arborea,  Richardia  aethiopica,  Heliotropium  (peruvianum  ?).  Im  August 
blühen  Kirschen,  Pfirsiche,  Pflaumen,  Acacia  lophanta,  eine  Fumaria  und  eine 
Anzahl  einheimischer  Amaryllideen  und  Anemonen.  Birnen  und  Apfelbäume 
stehen  in  der  ersten  Septemberhälfte  in  Blüthe;  die  Feigenbäume,  die  lom- 
bardische Pappel  sind  voll  belaubt  zu  Ende  dieses  Monats.  Lilac,  Gladiolus 
byzantinus,  Nelken  und  eine  Menge  anderer  Gartenpflanzen  entfalten  ihre 
Blüthen.  Mitte  November  gelangen  die  ersten  Erdbeeren  zur  Reife;  die 
Olivenbäume    blühen    in   diesem   Monate.      Weizen   und    Gerste   werden   im 


474 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


December  geerntet;  Erdbeeren,  Feigen,  Kirschen,  Melonen,  Aprikosen  reifen. 
Im  März  und  April  erntet  man  Bohnen,  Capsicum,  Kartoffeln;  die  Trauben 
werden  reif  zur  Lese  zwischen  dem  10.  und  20.  April. 

Temperatur   und   Regen   in    Santiago. 


|Dec. 

Jan. 

Febr. 

März 

April 

Mai 

Juni 

Juli    |  Aug.  |  Sept.  |  Oct  '  Nov. 

Temp.  Cels. 

18.2 

18.9 

18.4 

16.4 

131 

9.6 

7.8 

7-3 

8.3 

10.7 

1 3.0  1 15.8 

Regen  (mm) 

6.4 

O.O 

1-3 

2.5 

13-7 

51.6 

IOQ.2 

105.8 

70.4 

41.8 

17.9,14.9 

Reiche   berichtet   über  die  Vegetation   am  Rio  Maule   (ca.  35  °  s.  Br.): 
„Der  Beginn  des  Vegetationscyclus  kann  zweckmässig  mit  dem  Aufblühen  der 
Oxalis  lobata  gerechnet  werden;   es  erfolgt   im  April,   nach  Beendigung  der 
sommerlichen  Dürre,  und  erreicht  im  Mai  seinen  Höhepunkt     In  dieser  Zeit 
hat   sich   unter   dem  Einfluss   der  ersten  Regen   die   bisher  gelbbraune   oder 
rothbraune,  kahle  oder  mit  verdorrten  Resten  der  Vegetation  bedeckte  Steppe 
mit  einem  grünen  Anfluge  bedeckt  ;  er  besteht  aus  Keimpflanzen  von  Erodium 
cicutarium,  Lupinus  microcarpus,  Medicago  dentulata  sowie  Blättern  von  Scilla, 
Achyrophorus ,   Soliva,   Briza  und  anderen  Gräsern.     Während  der  Regenzeit 
selbst  behält  der  Campo  seine  grüne,  wenig  von  Blüthen  unterbrochene  Farbe 
bei ;  hier  und  da  tritt  Stenandrium  dulce  (rosa)  oder  vom  August  ab  Anemone 
decapetala   (weiss  oder  blau)    auf.      Vom   September   ab   bereichert   sich  das 
Bild  mit  jedem  Tage  ;  zunächst  fallen  die  zahlreichen  feuerrothen  Kronen  des 
Habranthus   phycelloides    auf,    zumal   an   den   Bergabhängen;   dann   dominirt 
Triteleia  porrifolia  und  im  October  und  Anfang  November,  der  Hauptblüthezeit 
des  Jahres,    ist  es  unmöglich,    einzelne   besonders  hervorstechende  Gewächse 
namhaft   zu  machen.      Aber  schon   um   dieselbe  Zeit   geben   sich   die  ersten 
Anzeichen    des  Vertrocknens   und   Absterbens   der  Vegetation   auf  besonders 
exponirten  Punkten   kund,   zumal   durch  das  Verschwinden  der  Tillaea- Arten 
und   der   Poa  annua.     In  derselben  Zeit,   von  Ende  September  oder  Anfang 
October  ab,  haben  sich  die  blattwechselnden  Bäume  (Fagus  obliqua,  Pappeln, 
Obstbäume)    mit   neuen   Blättern    und    eventuell   Blüthen    geschmückt     Von 
Ende  October  an  nimmt  der  Blüthenreichthum   stetig  ab;   Alstroemeria  Liglu 
und  Habranthus  chilensis,  local  mit  den  Compositen  Triptilion  spinosum  und 
Cephalophora  plantaginea,  geben  ihm  nochmals  bis  in  den  December  hinein 
dauernden   Blüthenschmuck.      Schliesslich   bleiben   Noticastrum  Haplopappus, 
Madia  sativa,  Wahlenbergia  linarioides,  Cephalophora  aromatica,  Boisduvalia 
concinna   mit   gelegentlichen  Nachzüglern   anderer  Art   die  letzten  blühenden 
Kräuter   in   dem   sonst   braungelb    gewordenen  Gebiet      Das  Wiederauftreten 
der  Oxalis  lobata  bezeichnet  endlich  den  Eintritt  der  neuen  Vegetationsperiode. 
In    den   mit   zahlreichem   Strauchwerk   bestandenen   Schluchten    und    in  den 
Wäldern  spielt  sich  dieser  Wechsel  weniger  ausgeprägt  ab ;  doch  ist  er  sowohl 
in  der  Staudenvegetation    als   auch   in  der  Lebensthätigkeit  der  Holzpflanzen 
(Austreiben,  Blühen,  Reife)  deutlich  nachweisbar."     (S.  26.) 

Ebenso  wie  im  mittleren  Chile  giebt  es  auch  bei   Kapstadt   Blüthen  xn 
allen  Jahreszeiten,  aber  vornehmlich  im  Frühjahr;  September  ist  der  blüthen- 


Auswahl  der  Literatur. 


475 


reichste  Monat,  der  Herbst  ist  blüthenarm.  Nach  Thode  ist  der  Winter 
(Mai — Juli)  durch  die  Blüthe  der  Oxaliden,  der  Frühling  (August — October) 
namentlich  durch  diejenige  der  Compositen,  Iridaceen,  Ficoideen,  Proteaceen, 
der  Sommer  (November — Januar)  durch  diejenige  der  Geraniaceen  und  Cras- 
sulaceen  und  der  Herbst  (Februar — April)  durch  diejenige  der  Amaryllidaceen 
gekennzeichnet    Auch  das  östliche  Kapland  hat  hauptsächlich  Frühjahrsblüthen. 

Nach  Behr  blühen  die  krautigen  Gewächse  in  Südaustralien  kurz  nach 
Schluss  der  Regenzeit,  im  Frühjahr  die  Eucalypten,  Acacia  retinodes,  die 
Loranthen  mitten  in  der  Trockenzeit.  Der  Scrub  blüht  vornehmlich  zu  Beginn 
der  Trockenzeit,  im  September,  October  und  November,  aber  auch  während 
der  ganzen  Dauer  derselben;  dagegen  ist  die  Regenzeit  sehr  blüthenarm 
(Astroloma  u.  a.).  Das  Grasland  entfaltet  seinen  ganzen  Blüthenschmuck  auf 
einmal,  zu  Anfang  des  Sommers.1) 

In  den  im  Vorhergehenden  aufgezählten  Gebieten,  die  theils  Sommer- 
regen, theils  Winterregen  besitzen,  macht  sich  überall  ein  nachträglicher 
günstiger  Einfluss  der  kühlen  Temperaturen  auf  die  Blüthenentwickelung 
geltend.  Im  Uebrigen  lassen  sich  nach  so  spärlichen  Daten  Rückschlüsse  auf 
die  wirksamen  Factoren  nicht  ziehen. 


Auswahl  der  Literatur. 

Askenasy,  E.  Ueber  die  jährliche  Periode  der  Knospen.  Botanische 
Zeitung  1877. 

Brandts,  D.  Effect  of  seasons  upon  the  flowering  of  plants.  Indian 
Forester  1882  u.  Nature  1882. 

Drude,  O.  Deutschlands  Pflanzengeographie  Bd.  I,  S.  425.  (Da  auch  Lite- 
ratur über  mitteleuropäische  Phänologie.) 

Candolle,  A.  de.  Les  effets  d'une  m&me  tempdrature  sur  une  meme 
espece  au  nord  et  au  midi.  Comptes  rendus  de  l'Acaddmie  des  sciences. 
1875.     S.  1369. 

Fischer,  Alf.  Beiträge  zur  Physiologie  der  Holzgewächse.  Pringheim's 
Jahrbücher  Bd.  XXII.     1890. 

Gray,  Asa.  Manual  of  the  botany  of  the  northern  United-States.  Spedition. 
New- York  1868. 

Hann,  J.  Beiträge  zur  Klimatologie  von  Südamerika.  3.  Zeitschrift  der 
österr.  Gesellschaft  für  Meteorologie  Bd.  V.     1870. 

Heer,  O.  Verhandl.  der  Schweizerischen  naturforsch.  Gesellsch.  in  Glarus 
1851.  (Auszug  in  Biblioth.  universelle  de  Geneve.  Archives  des  sciences. 
Bd.  XX.     1852.     p.  325.) 

Ho  ff  mann,  H.  I.  Phänologische  Untersuchungen.  Giessener  Universitäts- 
programm.    1887. 

—  EL.  Witterung  und  Wachsthum  oder  Grundzüge  der  Pflanzenklimatologie. 
Giessen  1857. 

*)  1.  c.  S.  552. 


476  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirtcn  Zonen. 

Jacob.      Untersuchungen    über    zweites    oder    wiederholtes    Blühen.      Diss. 

Giessen  1889. 
K  i  e  n  i  t  z.     Vergleichende  Keimversuche  mit  Waldbaum-Samen  Mitteleuropa's. 

Botan.  Unters,  v.  N.  J.  C.  Müller.     Bd.  II.     1879. 
Lidforss,    Bengt.      Zur  Physiologie  und  Biologie   der  wintergrünen  Flora. 

Botanisches  Centralblatt  Bd.  68.     1896. 
Linsser.      Die   periodischen  Erscheinungen   des  Pflanzenlebens.     M&noires 

de  l'Acaddmie  de  Saint  P&ersbourg.     VII.  S£rie.     Bd.  XI  u.  XIE 
Ludwig,  Fr.     Lehrbuch  der  Biologie  der  Pflanzen.     Stuttgart  1895. 
M  a  r  g  i  n ,  L.    Observations  sur  le  ddveloppement  des  fleurs  dans  les  bourgeons. 

Journal  de  botanique.     Bd.  II.     1888. 
Molisch,   H.      Untersuchungen   über   Laubfall.      Sitzb.    d.   k.    k.   Akad.   d 

Wiss.  z.  Wien.     Bd.  XCIII.     1886. 
Müller-Thurgau,  Herrn.     I.     Ueber  Zuckeranhäufung  in  Pflanzentheilen 

in  Folge  niederer  Temperatur.     Landwirtschaftliche  Jahrbücher.    Bd.  XL 

1882. 

—  II.     Beitrag  zur  Erklärung  der  Ruheperioden  der  Pflanzen.    Ibid.    Bd.  XIV. 

1883. 
Pynaert,   Ed.      Les  serres-vergers.     Traitd  complet  de  la  culture  forcde  et 

artificielle  des  arbres  fruitiers.     4C  Edition.     Gand  1888. 
Reiche,   K.      I.     Zur  Kenntniss   der  Lebensthätigkeit    einiger    chilenischen 

Holzgewächse.     Pringheim's  Jahrbücher.     Bd.  30.     1896. 

—  IL      Die    Vegetationsverhältnisse   am  Unterlaufe   des   Rio   Maule   (Chile). 

Engler's  Jahrbücher.     Bd.  21.     1896. 

Rein,  J.  J.     Japan  nach  Reisen  und  Studien.     Bd.  1.     Leipzig  1881. 

Schimper,  A.  F.  W.  Untersuchungen  über  die  Chlorophyllkörner  und  die 
ihnen  homologen  Gebilde.     Pringheim's  Jahrbücher  1885. 

Schübeier,  F.  C.     Die  Pflanzenwelt  Norwegens.     Christiania  1873 — 1875. 

Thode,  J.     Die  vier  Jahreszeiten  am  Cap.     Naturwiss.  Wochenschrift  1892. 

Warming,  E.  Beobachtungen  über  Pflanzen  mit  überwinternden  Laub- 
blättern.    Vorl.  Mittheil.     Botan.  Centralblatt.     Bd.  XVL     1883.     p.  350. 

Wiesner,  J.  Untersuchungen  über  die  herbstliche  Entlaubung  der  Holx- 
gewächse.     Sitzber.  der  Wiener  Akad.     187 1. 


m.  Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den 
warmtemperirten  Gürteln. 

§  I.  Allgemeines.  —  §  2.  Die  subtropischen  Gebiete.  Florida.  Süd- 
brasUien.  Paraguay.  —  §  3.  Warmtemperirte  Gebiete  ohne  Trockenzeit  Klima 
des  temperirten  Regenwaldes.  Süd -Japan.  Neu -Seeland.  Süd -Chile.  Grasflurklima  der 
Falklands- Inseln. —  §4.  Das  temperirte  Südafrika.  Regenprovinzen  und  Vegetations- 
provinzen. Die  Südwestküste  mit  Winterregen.  Klima  der  immergrünen  Hartlaubgehölze. 
Die  Süd-  und  Ostküste  mit  Frühjahr-  und  Sommerregen.  Klima  der  Savannen.  Das  innere 
östliche  Südafrika  (Transvaal  und  O  ran  je)  mit  Sommerregen.  Klima  der  Steppen.  —  §  5. 
Sommerfeuchte  warmtemperirte  Gebiete.  Uebergangsklima  in  Nord -Argentinien. 
Parklandschaften.    Klima  der  Pampas.    Klima  der  westargentinischen  Dorngehölze  (Espinal). 

—  §  6.    Winterfeuchte  warmtemperirte  Gebiete.     Klima  der  immergrünen  Hart- 
laubgehölze.    West-   und   Süd  -  Australien.     Mittleres  Chile.     Mittelmeerländer.     Kalifornien. 

—  Schluss. 

§  1.  Allgemeines.  Diejenigen  Striche  der  temperirten  Zonen, 
welche  an  die  Wendekreise  grenzen  und  allein  die  Bezeichnung  sub- 
tropisch verdienen,  zeigen  wenig  ausgeprägte  Eigentümlichkeiten  und 
schliessen  sich,  bei  grosser  Feuchtigkeit  den  tropischen,  bei  trockenem 
Klima  den  eigentlich  temperirten  Gebieten  an.  Mit  fortschreitender 
Entfernung  von  den  Wendekreisen  tritt  in  der  winterlichen  Abkühlung 
ein  neuer  Factor  hinzu,  welcher,  wenn  auch  mehr  indirekt  als  die 
Hydrometeore  und  diesen  untergeordnet,  die  Gliederung  der  Vegetations- 
decke in  ökologische  Gebiete  mitbedingt.  Ob  die  Regenzeit  in  den 
Sommer  oder  in  den  Winter  fallt,  ist  nicht  mehr,  wie  in  den  Tropen, 
gleichgültig,  sondern  bedingt  einen  wesentlichen  Unterschied  der  öko- 
logischen Bedingungen  der  Vegetation. 

Ausser  den  wenig  charakteristischen  subtropischen  Gebieten  können 
die  warmtemperirten  Gebiete  in  drei  Gruppen  eingetheilt  werden,  nämlich 
die  Gebiete  ohne  Trockenzeit,  die  sommerfeuchten  und  die  winter- 
feuchten Gebiete.  Die  meist  wenig  ausgedehnten  Uebergangsgebiete 
mit  Frühjahrs-  und  Herbstregen  schliessen  sich  bald  mehr  den  winter- 
feuchten, bald  mehr  den  sommerfeuchten  Gebiete  an. 


478 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


§  2.  Die  subtropischen  Gebiete.  Die  an  die  Wendekreise  gren- 
zenden temperirten  Gebiete,  ungefähr  bis  zum  30.  Breitegrade,  sind 
vorwiegend  von  Wüsten  eingenommen.  Hochwaldgebiete  haben  in 
denselben  nur  geringe  Ausdehnung.  Die  klimatischen  Bedingungen 
der  letzteren  lassen  sich  aus  der  mir  vorliegenden  Litteratur  nicht  zu 
einem  befriedigendem  Bilde  zusammenstellen;  eine  Regenmenge  von 
130 — 150  cm.  scheint  bei  entsprechender  Luftfeuchtigkeit,  schon  ziem- 
lich reichen  Waldwuchs  zu  ermöglichen.  Doch  stehen  die  Gegenden 
mit  wirklichem  Hochwald,  —  abgesehen  natürlich  von%  den  Gallerie- 
wäldern,  —  in  ihren  Regenmengen  den  tropischen  nicht  nach. 

Das  von  ausgedehnten,  jedoch  nicht  sehr  hohen  und  üppigen 
Wäldern  bedeckte  Florida  scheint  eine  Regenmenge  von  130 — 140  cm 
zu  besitzen  (Fort  Brook  136  cm);  die  Golfküste  östlich  vom  Mississipi 
hat  147  cm,  während  die  nur  Buschwald  und  Gesträuch  aufweisenden 
Bahamainseln  auch  nur  etwa  120  cm  (Nassau  118  cm)  erhalten.  Alle 
diese  Gebiete  haben  vorwiegend  Sommerregen;  jedoch  ist  auch  der 
Winter  sehr  feucht. 

Tropische  Regenmengen  und  tropischer  Waldwuchs  zeigen  sich 
südlich  vom  Wendekreise,  in  Süd-Amerika,  an  der  brasilianischen  Küste 
ungefähr  bis  30  °  z.  B.  (vgl.  in  Tabelle  I:  Joinville,  Blumenau)  und,  im 
Inneren,  in  Paraguay  und  längs  der  Anden,  bis  etwa  zum  25 °  s.  B. 
(vgl.  in  Tabelle  I:  Asuncion). 

Im  nördlichen  Argentinien  bedingt,  wie  nachher  gezeigt  werden 
soll,  Sinken  der  Regenmenge  unter  120  cm,  bei  grosser  Häufigkeit  der 
Niederabläge  die  Herrschaft  der  Grasflur  (Savanne),  mit,  wo  der 
Boden  etwas  feuchter  ist,  zerstreuten  Parcellen  Savannenwald. 


Klima  des  subtropischen  Hochwalds:    Südamerika. 

Tabelle  I. 


Joinville. 
|26°i9'  S.,  49°43'W. 

Blumenau  (1889). 
260  55'  s.  Br.f   49°  9'  W. 

Asuncion  (Paraguay  i. 
25°i6's.B.,  57*40' W.,  98  ü.JL 

1 

1    Temp 

!   6  h. 

eratur      Regen- 

1  menge 

2  h.    |  (1890) 

Temp 
Mittel 

eratur 
Amplit. 

Re| 
Menge 

jen- 

Tage 
(7  Jahre) 
IO.3 

Temperatur            Regen- 
mittl.  !   max.   !    min. 

Januar 

22.1 

273 

362 

27.6 

4.5 

195 

26.7 

j8^3|_i9.4 68 

38.9  !  16.7  1       Q9 
7^6_l"i8.6 1"    91 

Febr. . 

22.1 

27.4 

227 

26.1 

4-5 

154 
189 

235 

12.7 

10.4 

27.5 

März  . 

1  21.4 

26.5        224 

25.0 

3-7 
5-3 
6.4 
8.0 

April  . 

|I8.7 

23.8 

217 

22.1 

23.1 
20.0 

33.8      14.2  .     175 

Mai    . 

1  15-5  1   20.7 

142 

18.6 

191 
x5 

8.3 

28.9  .      9.7        168 

Juni    . 

14.8      19.5 

156 

152 

6.7 

15-6 

26.1         69        201 

Juli     . 

14.5  '  J9  3  |       9° 

17.6 

5-9 

57  ,      6.7 

21. 1 

30.0  '   10.6  |       Q^ 
333     l3-3        2' 

August 

i  144 

19.8 

121 

16.2 

7.7 

118 

71 

23.3 

HI.   Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


479 


Tabelle  I  (Fortsetzung). 


Septbr.    16.1 

20.5 

189 

17.8 

7-7 

l6l 

9.4 

25.6 

36.7 

I5.° 

132 

Octbr.     17.4 

22.6 

184 

20.7 

8.4 

137 

7.2 

28.1 

38.8 

16.1 

307 

Novbr.'j  19.6 

24.3 

147 

22.7 

9.8 

127 

10.0 

27.8 

39-° 

20.0 

250 

Decbr.  1  20.6 

26.0 

186 

26.4 

7-9 

247 

8.2 

27.2 

37-8 

17.8 

467 

1 
li 

2245 

1826 

109.3 

2083 

Die  Regenmenge  ist  in  Blumenau  sehr  schwankend.  Sie  betrug  im 
Durchschnitt  1868 — 74  1406  mm,  1875 — 80  1676  mm,  im  Jahre  1888 
2149  mm,  in   1890   1333  mm. 

Meteorol.  Zeitschr.  1891.    S.  272  u.  Zeitschr.  d.  Ges.  f.  Meteorologie 

Bd.  12,  1877,  S.  333. 

§  3.  Warmtemperirte  Gebiete  ohne  Trockenzeit.  Unter  den 
warmtemperirten  Regengebieten  stimmen  diejenigen,  wo  Regen  zu  allen 
Jahreszeiten  —  wenn  auch  meist  in  ungleicher  Menge  —  fallen,  am 
meisten  mit  der  tropischen  überein.  Sie  sind,  bei  hinreichender  Regen- 
menge, von  Wäldern  bedeckt,  welche  den  tropischen  Regen  Wäldern 
ähneln,  aber  weniger  formenreich  und  weniger  üppig  sind  und  als 
temperirte  Regenwälder  bezeichnet  werden  sollen.  Dieselben 
nehmen,  im  Gegensatz  zu  den  tropischen  nur  kleine  Areale  ein.  Sie  sind 
in  den  Tiefländern  beschränkt  auf  das  südliche  Japan,  Tasmanien,  das 
westliche  Neu-Seeland  und  Süd-Chile.  Ihr  Vorkommen  in  Hochländern 
ist  im  4.  Abschnitt  des  näheren  geschildert. 

Die  südlichsten  Inseln  Japan's,  sowie  der  südöstliche  Theil  von 
Nippon,  nordwärts  bis  Tokio,  haben  sehr  milde  Wintertemperaturen 
und  reichliche  Regen  zu  allen  Jahreszeiten,  mit  Maximum  in  den  war- 
men Monaten.     Die  Luftfeuchtigkeit  ist  stets  sehr  beträchtlich. 

Klima  des  temperirten  Regenwaldes :  südl.  Japan. 

Tabelle  IL 

Tokio.    350  40'  N,  1390  44'  E.    24  ü.  M.     1  (1876)  bis  4  Jahre  (1873—76). 


j                       Temperatur                      jRel.Feuch- 
1  Mittel  (1  J.)|      Mittel     jExtreme  (4  J.)'tigkeit(4 J.) 

Bewölkung 

(iJO 

Regenmenge  (1  J.) 
1876    |    1873 

Januar  . 

4.0 

16.9 

-3.8 

70 

3-5 

5-5 

68 

93 

Februar 

1.6 

12.2 
13.2 

-6.9 
—  5.3 

68 

llS           65 

März     . 

33 

63 

5.7 

1 16 

50 
80 

April     . 

8.1 

20.2 

—  3-7 

70 

5-8 

141 

Mai .     . 

12.2 

22.4 

0.6      !       71 

6.0 

122 

63 

Juni.     . 

17.0 

27.0 

5-4 

75 

6.5 

I52 

46 

Juli  .     . 

18.5 

28.8 

12.0 

82 

7.5 

276 

256 

7i 

210 

August  . 

_2  4^_ 

26.7 

32.0 
333 

l6-5 

83 

5-4 

15° 

65 

359 

September 

18.3 

80 

5-3 

7-7 

October 

22.6 

29.9 

13.8 

84 

486 

480 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  II  (Fortsetzung). 

November.         14.7 

24.1 

4-3 

78 

5-2 

158 

202 

December.   1       9.1 

20.0 

—  1-5 

72 

3-2 

38 

6; 

Jahr.     .     .  jj 

33-9 

—  7.2 

.... 

1760 

t  f%r\n 

I69O 

(Zeitschr.  der  österr.  Gesellsch.  für  Meteorologie. 
1878,  S.  26—27.) 

Tabelle  m. 


1875:    1742 


Niigata  (Japan).     370  55'  N.,   1390  ior  E.,  6.5  m  ti.  M.      10  Jahre. 


| 

Mittel 

Temperatur 
Mittlere 

Extreme 

Niede 
Menge 

rschlag 

Tage 

10.2 

December 

1           5-2 

12.9 

—  0.6 

178 

Januar  .     . 

.  ||         2.2 

9.0 

—  2.6 

HO 

II.4 

Februar     . 

i     2.9 

10.2 

—  3-2 

77        1          8.6 

März     .     . 

5-8 

16.4 

— 1.1 

105        |          8.9 

April     .     . 

IO.7 

22.9 

3.1 

99        |          6.8 

Mai 

i              I6.I 

27.4 

8.0 

106        |          5.7 

Juni      .     . 

|              2I.O 

29.4 

12.5 

126        1          5.8 

Juli.     .     .  . 

|              26.0 

34.0 

19.0 

204        |          7.1 

August .     . 

I              27.2 

34-8 

21.0 

103        |          6.2 

September 

II        Z2,9 

31-4 

14.6 

167                 8.2 

Oktober     .     , 

|        15-5 

24.6 

74 

197 

8-9 

November 

.1         9-8 

19-3 

2.9 

216 

i°-3 

Jahr      .     . 

i 

35-o 

—  4.3 

1688mm 

98.8 

(Zeitschr.  der  österr.  Gesellsch.  für  Meteorologie  1883,  S.  71.) 

Tabelle  IV. 

Ancud  (West-Chile). 

410  59r  S.  B.,  740  W.,   15  m  ü.  M.    3  Jahre,  Temp.  1  J. 


j|      Tem- 
|     peratur 

Rej 
Menge 

149.7 

jen- 
Tage 

12.3 

Heitere 
Tage 

December . 

•  ,1       12-8 

12.3 

Januar  .     . 

■  Jl       13-4 

i55.o 

11.7 

14.O 

Februar 

.     1 

"  "1 

*3-9 

147.3 

73 

I4.0 

März     .     . 

9.9 

216.0 

18.0 

8.0 

April     .     . 

1 

10.2 

303.5 

20.0 

35 

Mai .     .     . 

9.7 

466.5 

22.0 

2.0 

Juni       .     . 

1 

7.0 
8.1 

6I95 

24.0 

2-5 

Juli  .     .     .     . 

1 

366.0 

19.0 

4.5 

August .     . 

7-9 
8.0 

474.o 

21.0              3.7 

September 

196.7 

11. 7       |      12.0 

October     . 

|              I0.4 

107.3 

9.o      1        9-7 

November . 

',          12.6 

196.9 

177      1        77 

!|    3397.5     |  |  | 

(Zeitschr.  d.  österr.  Gesellsch.  f.  Meteor.   1872,  S.  11.) 


HI.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


481 


Temperatur  und  Regen  im  westl.  Neu-Seeland. 

Tabelle  V. 


1       Tara 
;           (Nord 
<  Temper. 

naki 
insel) 
Regen 

Hokitika 

(Südinsel) 

Temper.       Regen 

December . 

j     i7-i 

125.0 

14.8 

309.1 

Januar  .     . 

18.7 

81.8 

15-0 

226.1 

Februar 

.  !  18.6 

101.8 

IS.5 

250.7 

März     .     . 

16.9 

65.5 

13.6 

171.5 

April     .     . 

15-2 

894 

12.0 

218.7 

Mai .     .     . 

12.6 

196. 1 

9.6 

161.8 

Juni       .     . 

11. 0 

150.2 

7.8 

209.3 

Juli  .     .     . 

10.4 

160.0 

7.3 

244.8 

August  .     . 

1    10. 0 

I3I.5 

7-5 

231.9 

September 

11.8 

133.4 

9.6 

149.3 

October     . 

13.2 

151.6 

10.8 

340.4 

November . 

; 

15  -o 

123.4 

12.3 

322.3 

Jahr      .     . 

i5°9-7 

2835-9 

Ein  immerfeuchtes  warmtemperirtes  Gebiet  mit  unzureichendem  Regen 
für  Waldwuchs  zeigt  sich  nur  in  den  Falkland-Inseln.  Dieselben  besitzen,  da 
die  Regen  ausserordentlich  häufig  sind,  ein  vortreffliches  Grasflurklima  und 
sind  ia  der  That  zum  grössten  Theile  von  Grasfluren  bedeckt. 


Warmtemperirtes   Grasflurklima. 

Falkland-Inseln. 
Tabelle  VL 


Falklan 
Stanley-Hafen  5 1  °  4 1 r  s.  Br 
11       Temperatur 
i^JjExtr.!  Mittel 

d-Insel 

..  57°  51' 
:Rel.Feucht. 

(9  a) 

n. 

w.  L.   1 

Bewölk. 

(9  a) 

875- 

Re, 

Menge 

-1877. 
*en- 
Tage 

Neu- 
Ostseite 
Chris 
Regen 

Seeland 
d.  Südinsel. 
>tchurch. 
Temperatur 

Januar     .     1 1.7  |  4.7  |  8.2 

7-4 

5° 

2I.O 

41.2 

15-9 

Februar  .     13.4    6.2 

9.8 

72 

7.2 

69 

21.3 

58.7 

16.6 

März  .     .   1 12.81  5.6 

9.2 

76 

7.2 

55 

19-3 

60.2 

16.6 

April  .     .  '  12.4,  6.0 

9.2 

81 

6.6 

43 

18.3 

44.5 

14.4 

Mai    .     .   |    9.5 

3-6 

6.6 

84 

6.4 

5i 

22.3 

46.0 

12.6 

Juni    .     .       7.0 

2.2 

4.6 

90 

6.9 

43 

19.3 

579 

8.9 

Juü     .     •       5.3 

1.2 

3-3 

91 

7.6 

37 

20.6 

81.0 

6.3 

August     .       4.8)  0.2 

2-5 

91 

7-2    1    47 

20.3 

62.2 

6.2 

September      5.6 

Schimper,  Pflan 

0.6 

zcngeof 

3-i 

jraphie. 

88 

6.7    | 

30 

22.O 

58-9 
31 

6.6 

482 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  VI  (Fortsetzung). 


October 


73     1-5     44 


November  J    8.0    2.0 


5.o 


81 


82 


6.2 


7.7 


29      15.7 


34 


21.3 


29-5 


9.8 


54-4     [ 


11.7 


December    10.3 


3-9 


7-1 


76 


7-9 


29   !   i5«3 


54.* 


14.0 


Jahr:  ||  |  517   I236.1 


Zeitschr.  d.  Gesellsch.  für  Meteorologie.     Bd.  16.     1881 
Seite  299. 


648.6       Mittl.  Jahres- 
minimum : 

;      -3-8 

Hann  in  Zeitschr.  d.  Ge- 
sellsch. f.  Meteor.  1871. 


§  4.  Das  temperirte  Südafrika.  Länder,  in  welchen  das  Regenklima 
schon  in  geringen  Entfernungen  wechselt,  sind  natürlich  für  die  Erkennt- 
niss  des  Zusammenhangs  zwischen  dem  letzteren  und  dem  Vegetations- 
charakter instructiver  als  solche  von  grösserer  Ausdehnung,  wo  noch 
andere  klimatische  Bedingungen  wechseln.  Eine  hervorragende  Be- 
deutung kommt  in  dieser  Hinsicht  dem  extratropischen  Süd -Afrika  zu, 
dessen  Regen  Verhältnisse  dank  den  Untersuchungen  Dove's  sehr  genau 
bekannt  sind  und  dessen  Flora  ihren  ursprünglichen  Charakter  im 
Wesentlichen  beibehalten  hat.  Es  zeigt  sich,  dass  die  von  Dove 
unterschiedenen  Regenprovinzen  gleichzeitig  ökologische 
Vegetationsprovinzen  sind. 

Südlich  vom  Küstenstreifen  der  Karroo wüste,  ungefähr  von  32 °  s.  B. 
an,  nehmen  die  bisher  (vgl.  Wüsten)  sehr  geringen  Niederschläge  rasch 
zu.  Die  Südwestküste  der  Kapcolonie  erhält  60 — 75  cm 
Regen,  vornehmlich  als  Winterregen,  der  Sommer  ist 
trocken.  Die  relative  Luftfeuchtigkeit  ist  eine  hohe.  Die  Vege- 
tation besteht  aus  niederen  xerophilen  immergrünen 
Gehölzen  mit  kleinen,  lederartigen  Laubflächen.  Solche 
Pflanzen  sollen  als  Sklerophyllen1)  oder  Hartlaub- 
pflanzen bezeichnet  werden  und  sind,  wenn  auch  ander- 
wärts als  zerstreute  Bestandtheile  der  Vegetation  nicht 
fehlend,  für  regenarme  warmtemperirte  Gebiete  mit 
nassen  Wintern  und  trockenen  Sommern  charakteristisch. 
Nur  da  bilden  sie  die  Grundmasse  der  Vegetation. 

Klima  der  warmtemperirten  Hartlaubgehölze:   Südwest- Afrika. 

Tabelle  VII. 
Wellington.     330  8'  S.,   190  or  E.,   120m  ü.M. 


Temperatur  (4l/2  J.) 


Januar    . 
Februar. 


Mittel 

Schwank. 

22.9 

12. 1 

22.7 

11.4 

I  Rel.  Feuchtig- 
|  keiMÖ'^JO 

I  6l 

i  65 


Regen-       (  Bewölkung 

^enge  (8  J.)  ,  (3  P 

11.9  2.6 

19-3           I  *T 


»)S.   11. 


ITT.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


483 


Tabelle  VII  (Fortsetzung). 


März      .     . 

i|        21.3 

T2.4 

67        24.4 

3-° 

April     .     . 

18.1 

11.9 

75 

46.0 

3.7 

Mai  .     .     . 

.           13.9 

9.2 

81 

io5-7 

5-3 

Juni  .     .     . 

.  '         n. 9 

94 

82 

88.1 

4.9 

Juli  .     .     . 

•  |l       "-5 

9.2 

84 

93-o 

4.6 

August  .     . 

1,        »•« 

9.8 

83 

76.5 

4-4 

September  . 

jl 

I4.I 

10,7 

77 

77.2 

4.2 

October 

||                16.8 

11.4 

72 

59-4 

4.0 

November  . 

li         I0,4 

H.8 

66 

21.3 

31 

December  .     .  1         20.9 

12.4 

63 

30-7 

2.9 

i! 

653-5 

Nach  Dove. 


Tabelle  VIII. 


ii     K 

apstadt 

Clanwilliam 

Worcester 

Temp 

|>    Mittel 

~|l     20.8 

eratur 
Schwank. 

Regen- 
menge 

Temp 
Mittel 

236 

eratur 
Schwank. 

I9.8 

Regen- 
menge 

Temperatur 
Mittel     |  Schwank. 

Regen- 
menge 

Januar 

131 

16.8 

8.9 

22.2     !      16.3 

5-1 

Februar 

20.8 

12.8 

15-7 

2  3.7 

20.I 

5-6 

21.9 

151 

19.8 

März  . 

j!  19.3 

13.0 

24.1 

2  1.6 

I9.6 

7-9 

20.8 

14.7 

10.7 

April  . 

'  17.3 

9-7 

46.7 

17.9 

l8.2 

12.7 

17.7 

14.9 

23-4 

Mai    . 

14.6 

7.8 

98.8 

14.5 

13-7 

42.2 

13.4 

131 

48.0 

Juni    . 

13.1 

8.3 

112. 5 

11.4 

15-2 

36.1 

11.8 

12.2 

53-3 

Juli     . 

1  12.6 

9.8 

88.6 

10.8 

15-4 

41.9 

10.8 

11.9 

54.4 

August 

.  1  13-2 

9-5 

83.6 

11.9 

i5-5 

23.9 

12.8 

11.8 

32.0 

Septembe 

r,i  I4-2 

10. 1 

55.i 

15. 1 

18.8 

16.5 

14.3 

12.7 

30.7 

October 

.  ,1  16.1 

11.7 

41.1 

18.4 

19.1 

19-3 

16.7 

13.2 

38.4 

Novembe 

r1    18.0 

11.9 

28.5 

20.4 

18.7 

10.2 

18.7 

14.4 

14.7 

Decembe 

r  '    19.8 

12.3 

20.0 

22.3 

19.1 

6.4 

20.1 

15-4 

7  1 

1 

63I-5 

231.6 

337.6 

I1    Relati 
Jahr: 

ve  Feuch 
74    (67 

tigkeit : 
—81). 

Relati 
Jahr: 

^e  Feuch 
73    (61 

tigkeit : 
—84). 

Relafc 
Jahr: 

ive  Feucl 
68    (S, 

1  tigkeit : 

?-78). 

Dove,  S.  30  f. 


Tabelle  IX. 
Südktiste:  Mosselbai.     340  11'  S.,  220  9'  E.,  30m  ü.M. 


Januar    . 
Februar 


1 


Temperatur  (9*/4  J.) 
Mittel  Schwank. 


20.9 


2-8_ 
6.9 


Rel.  Feuchtig- 
keit (53/«J-) 

~76~ 
78 


Regen- 
Menge  (9  J.) 

52-8 


Bewölkung 
(5  J-) 

±2 

4.9 


484 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  IX  (Fortsetzung). 


März 

1        19.3 

6.9 

83 

48.5                 5-6 

April 

Ü        x7-5 

7.0 

83 

27.2        |         4.1 

Mai  .     . 

1        15.8 

7-5 

82 

38.1     i     4.6 

Juni .     . 

P        14.4 

8.3 

79 

22.9    1     3.4 

Juli  .     . 

i1        13-3 

7.7 

82 

42.4        1         3-6 

August  . 

!l        J3-7 

7.8 

82 

40.4        1         3-7 

September 

1         14.9 

7.8 

80 

40.1        '         4.8 

October 

1        l6-5 

7.4 

78          |        38.9       1         4.3 

November 

i        17.7 

7-5 

78          |        20.8        |         4.6 

December 

ll        20-1 

7-5 

73 

18.5        |         4.1 

Nach  Dove. 


Oestlich  von  dem  regenarmen  westlichen  Gebiete  nähert  sich  das  Gebirge 
an  die  Küste  derart,  dass  nur  ein  schmaler  flacher  Strich  dasselbe  vom  Meere 
trennt.  Auf  kurzer  Strecke,  in  der  Knysnagegend,  beträgt  die 
jährliche  Regenmenge  100  —  110  cm.  Hier  ist  die  Küste  von 
immergrünem  Hochwald  bedeckt.  Doch  ist  derselbe  auf  die  feuchten 
Thäler  beschränkt,  während  die  trockeneren  Hügelrücken  nur  von  Gesträuch 
bedeckt  sind.  Es  ist  hier  also  die  untere  Regengrenze  des  Hochwaldes  wohl 
kaum  erreicht  und  dessen  Existenz  durch  Grundwasser  mitbedingt. 

Oestlich  vom  Knysnawald  sinkt  die  jährliche  Regenmenge  wiederum  auf 
die  Höhe,  die  sie  an  der  Westküste  besitzt,  mit  50 — 70  cm.  Der  Regen 
ist  aber  nicht  mehr  Winterregen,  sondern  vornehmlich  Früh- 
jahrs- und  Herbstregen,  und  fehlt  zu  keiner  Jahreszeit  Mit 
der  Vegetation  vollzieht  sich  ebenfalls  eine  Wandlung.  Die 
Hartlaubgehölze  schwinden,  und  werden  von  Grassavannen 
mit   kleinen  Akazien   ersetzt     Wald  ist  auf  die  Flussufer  beschränkt 


Warmtemperirtes  Grasflurklima. 

Oestliche  kapländische  Küstensavanne. 
Tabelle  X. 


P 
Temp 

1    Mittel 

ort-El 

eratur 

Schwank. 

7.8 

isabet 
Regen- 
Menge 

h. 

Relative 
Feucht 

74 

East-L 

Temperatur       1 
Mittel    (Schwank.! 

21.4    j      7.1 

ondon. 
Regen-  'Relative 
Menge  |  Feucht 

Januar 

|     21. 1 

20.8 

66.5     1      79 

Februar    . 

1     2°9 

7.6 

35-8 

77 
81 

21.3     j      6.7 

45-5        *4 

März   .     . 

'      19.7 

7.3 

54-6 

20.4     '       7.1      ' 

92.5            &2 

April  .     . 

1      17.7 

7-7 

47.2 

78 

19.0    1      8.8     1 
17.6    |      9.3 

64.8            80 

Mai     .     . 

1      l6.2 

8.0 

60.5 
47.5 

77 

66.8        79 

Juni     .     . 

14.7 

9.1 

72 

15.6    1    10.3     » 
14.8    !    11.4    j 

37.1         74 

Juli      .     . 

I3.6 

8.8 

533 

74 

36.8    ,     12 

August 

I1     14-3 

8-3 

52.3 

77 

15.6     1    IO.I 

54.4    !     74 

m.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 
Tabelle  X  (Fortsetzung). 


485 


September    . 

J5.2 

6.7 

53-8 

78 

17.2 

8.0 

53.3 

79 

October  .     . 

16.5 

7.8 

59-2 

76 

l8.0 

7-4 

69.1 

81 

November     . 

18.4 

8.1 

52-3 

74 

19.4 

7.6 

81.0 

83 

December     . 

1   20.1 

8.2 

38.9 

74 

20.9 

8.1 

2  3.9 

78 

Jahr:  , 

576.2 

76 

691.7 

79 

Tabelle  XI. 
King-Williamstown..     320  51' S.,   270  22' E.     400  m  ü.  M. 


!                 Temp 
j       Mittlere 

eratur 
Schwankungen 

Relative 
Feucht.  (6*/4J.) 

Regen- 
Menge  (16  J.) 

Bewölkung 

(5J.) 

Januar  . 

|           21.2 

137 

75 

58.8 

4.9 

Februar 

|           21.2 

13.2 

75 

90.2 

4.9 

März 

1            I9.I 

12.4 

^ 

86.1 

6.2 

April 

16.6 

13-9 

79 

49.8 

3.6 

Mai  .     . 

I4.O 

14.6 

76 

43.2 

3.o 

Juni  .     . 

11.6 

156 

73 

13-7 

2.1 

Juli  .     . 

"•3 

16.4 

73 

37-3 

2.2 

August  . 

12.4 

15-3 

74 

28.7 

2.7 

September . 

14.7 

14.9 

75 

34.o 

4.6 

October 

16.6 

13.9 

75 

63.0 

4.9 

November 

18.1 

13.2 

72 

62.7 

5-o 

December 

2°-3 

14.7 

70 

693 

4.8 

|| 

75 

638.8 

East- London  gehört  bereits  zur  Ostküste  der  Kapcolonie.  Indem 
wir  uns  in  nordöstlicher  Richtung  weiter  bewegen,  gelangen  wir  nach 
Natal  und  hiermit  in  ein  Gebiet  von  Sommerregen,  welche 
jedoch  schon  im  Frühjahr  reichlich  sind.    Der  Winter  ist  sehr  regenarm. 

Die  Regenmenge  steigt  an  der  Küste  von  Natal  bis  über  100  cm 
(Durban  1036  mm);  sie  beträgt  dagegen  im  Binnenland,  schon  in 
geringer  Entfernung  des  Meeres,  nur  etwa  60 — 75  cm,  wie  an  der 
Süd-Küste  des  Kaplands. 

Möglicherweise  war  früher,  wie  es  Thode  vermuthet,  der  regen- 
reichere Küstenstrich  von  Wald  bedeckt.  Derselbe  dürfte  dann  den 
Charakter  eines  wenig  üppigen  Regenwalds  getragen  haben.  Das 
regenärmere  Innere  hingegen  ist  echte  Savanne  mit  Akazien  und 
einigen  anderen  Bäumen,  ausser  auf  den  an  dieser  Stelle  nicht  zu 
berücksichtigenden  Gebirgen,  wo  reichere  Niederschläge  stellenweise 
Waldwuchs  hervorrufen. 


486 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Warmtemperirtes  Grasflurklima. 

Tabelle  XII. 

Pietermaritzburg  (Natal). 


,  1 

Temperatur 
Mittel        I      Schwank. 

Relative 
Feuchtigkeit 

Regen 

Januar 

. 

i 

22.0 

7.8 

74 

106.7 

Februar 

. 

1 

22.1 

7-5 

76 

II3-7 

März . 

. 

1 

20.9 

8.8 

75 

87.1 

April 

\        18.3 

8.9 

73 

37-3 

Mai   . 

. 

|l        14.9 

11.7    • 

69 

22.6 

Juni  . 

|        12.8 

13.2 

66 

6.6 

Juli    . 

1         13.2 

'3-5 

63 

5-3 

August 

*5-7 

12.3 

63 

6.6 

September  .     . 

jl        18.2 

10.4 

67 

36.6 

October .     . 

1        l8-9 

8.7 

74 

83.8 

November  . 

|       20.8 

8-3 

75 

11 2.3 

December  . 

1           21-3 

7-8 

76 

124.7 

Jahr  . 

•     • 

' 

7i 

743-1 

Während  die  westliche  Hälfte  des  Innern  Süd- Afrikas  Wüsten- 
charakter aufweist,  ist  die  östliche  Hälfte  (Orange-Freistaat  und  Trans- 
vaal) von  Grasfluren  und  zwar,  entsprechend  der  baumschädlichen 
trockenenen  Winterkälte,  nicht  von  Savannen,  sondern  von  Steppen 
bedeckt. ')  Hier  ist  der  Winter  sehr  regenarm  und  November  bis  März 
erhalten  den  grössten  Theil  der  Niederschläge,  wie  folgende  procentige 
Zahlen  (nach  Hann)  zeigen. 


1 

Tan. 

Febr. 

März 

April 

Mai 
4.8 

Juni 
2.7 

Juli 
2-5 

Aug. 

*2.I 

Sept. 
4.2 

Oct. 

Oberer  Oranje. 
360  m  ü.  M.    | 
Jahres  -  Regen : 
53  cm           ! 

16.7 

*i8.i 

16.9 

6.3 

5-5 

Transvaal.     ! 
850  m  ü.  M. 
Jahres  -  Regen : 
64  cm. 

♦26.3 

17-3 

12.6 

4.4 

3.o 

2.0 

*o.8 

X-S 

1.4 

49 

IO.I     IO.I 


I2.I     13-7 


Sehen  wir  von  den  später  zu  besprechenden  Wüsten  und  von  den 
für  Südafrika  nicht  hinreichend  bekannten  und  unbedeutenden  Regen- 
wäldern ab,  so  gelangen  wir  zu  folgenden  für  die  warmtemperirten 
Gürtel  allgemein  gültigen  Sätzen: 

1)  Die  westliche  Küste  des  temperirten  Süd-Afrika  hat 


*)  Vgl.  S.   188. 


III.    Gehölzklima  und  Grasnurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


487 


einen  nassen  Winter  und  einen  trockenen  Sommer;  die 
Vegetation  besteht  aus  xerophilen  immergrünen  Hart- 
laubgehölzen. 

2)  Die  südliche  und  östliche  Küste  und  das  östliche 
Innere  haben  einen  relativ  trockenen  Winter  und  feuchte 
warme  Jahreszeiten  (Frühjahr  bis  Herbst);  die  Vegetation 
besteht  aus  Grasfluren   (Savannen  bezw.  Steppen). 

§.  5.  Sommerfeucht  warmtemperirte  Gebiete.  Das  östliche 
Südamerika  südlich  vom  3O0S.B.,  also  namentlich  Rio  Grande  do  Sul, 
Uruguay  und  Argentinien,  ist  klimatisch  von  den  meisten  der  im  Vor- 
hergehenden besprochenen  warm  temperirten  Gebiete  durch  das  Vorherr- 
schen der  Sommerregen  ausgezeichnet;  es  ist  hierin  Natal  vergleichbar. 
Im  Küstengebiet  und  im  unteren  Theile  des  La  Platabeckens  ist  eine 
ausgesprochen  trockene  Jahreszeit  nicht  vorhanden,  dagegen  zeigt  sich 
eine  solche,  während  des  Winters,  im  grössten  Theile  des  Inneren. 

Im  nördlichen  Argentinien,  sowohl  am  Fusse  der  Anden,  wie  in 
den  mehr  östlichen  Provinzen  Entrerios  und  Corrientes,  besitzen  weite 
Landschaften  eine  zwischen  100  und  120  cm  schwankende  Regenmenge. 
Da  kämpfen  Hochwald,  Savannenwald,  Savanne  und  Steppe  um  die 
Herrschaft;  locale  Einflüsse  sind  maassgebend  und  führen  zu  reich  ge- 
gliederten Parklandschaften. 

Klima  der  östlichen  argentinischen  Parklandschaft. 

Tabelle  XIII. 
Corrientes  ca.  270  30'  S.     (9  Jahre.) 


Temperatur       Rel.  Feucht. 

7  a.     |     2  p.J  7  a.  |  2  p. 

Bewö 
7  a. 

3^~ 

lkung 
2  p. 

6.0 

Reg 
Menge 

183 

en- 
Tage 

Kalmen 
in  - 

Januar 

.    !    24.8 

28.9 

78 
76 

61 

~6<r 

5-8 

O 

Februar    . 

24.1 

28.6 

3-7 

5-5 
5-6 

1 10 

~o8~ 

35 

0 

März    . 

2  3-4 

_2719_ 
23-4 

80  j  65 

~8cT:~68~ 

3-8 

4.9 

April  . 

19-5 

4.4 

5-o 

118 

4.7 

Mai      .      . 

16.2 

19.9 

81 

_7_2_ 

74 

4-3 

4.8 

95 

39 

Juni     . 

IS-» 
13.8 

17.5 

82 

4.4 

5-° 

48 

2-4 

Juli      .     . 

18.2 

83 

73 

5-o 

_  4-9_ 
4.0 

_   43 

20 

1.0 

August 

x5-5 

20.2 

79   1   65 

3-5 

O 

September 

17.0       21.7   1  78  '  64 

4.1 

4.7 

73 

4.6 

O 

October   .     . 

19.5 
22.3 

24.1    i   77 

63 
63 
63 

4.9 

in 

4.2 

O 

November 

26.2 

76 
76" 

4.1 

5-1 

113 

5-6 

I 

December     . 

24.3   j    28.4 

3.6 

I51 

5-° 

I 

ii73     47-5 


Zeitschr.  f.  Meteorologie   1894,  S.   356. 


488 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 
Tabelle  XIV. 


T  u  c  u  m  a  n. 
260  5vV  s.  B.,  430  m  ü.  M. 

Salta. 
240  51'  s.  B.,   1500  m  ü.  M. 

||       Regen 

Regen 

Januar  . 

.   1        267.0 

Winter     .     .     .  |             0.0 

Februar 

!       217.0 

Frühjahr  .     .     .  (        199.3 

März     .     . 

|'      209.0 

Sommer  ...           763.4 

April     . 

39.0 

Herbst     .     .     . 

179.6 

Mai 

.  1        27.0 

1 

Juni 

.  |l          0.0 

1 

Juli.     . 

1          9.0 

August . 

.  1          0.0 

September 

I|          0.0 

1 

October     . 

I1        37.0 

November 

1        56.0 

December 

1       197.0   • 

1 

Jahr      . 

i,     1060.0 

11 

Jahr    .... 

1142.3 

1 

Weiter  südlich  sinkt  die  jährliche  Regenmenge  —  mit  Ausnahme 
vereinzelter  Stellen  —  unter  100  cm.  Die  östliche  Hälfte  Argentiniens 
besitzt  meist  70 — 100  cm  Regen;  im  Westen  werden  die  Niederschläge 
geringer;  sie  fallen  auf  20  und  weniger  cm  und  die  Gegend  nimmt 
Wüstencharakter  an  (Lorentz's  Westliche  Monte). 

Der  östliche,  der  atlantischen  Küste  näher  liegende  Theil  Uruguays 
und  Argentiniens  besitzt  Niederschläge  in  einer  Höhe  von  meist  70 — 100  cm 
und  ist  von  reiner  Steppe  (Pampa)  bedeckt.  Westlich  von  der  Pampa 
dehnt  sich  bis  zur  Cordillere  ein  weites  Gebiet  von  Dorngehölzen  mit 
in  westlicher  Richtung  abnehmenden  Niederschlägen,  Lorentz's  Monte- 
formation,  Hieronymus's  Espin  alformation.  Dieses  Gehölzgebiet  gliedert 
sich  in  einen  relativ  niederschlagsreichen,  Lorentz  östliche  Monte,  mit 
etwa  40 — 70  cm  und  einen  niederschlagsarmen  Theil,  der  zum  grossen 
Theil  als  Wüste  zu  bezeichnen  ist.  Die  Menge  der  Niederschläge 
schwankt  zwischen  weniger  als  20  cm  am  Fusse  der  Anden  (Pilciao 
13  cm,  San  Juan  7  cm)  und  etwa  40  cm,  an  der  Grenze  der  östlichen 
Monte. 

Viele  Forscher  haben  sich  darüber  gewundert,  dass  das  östliche 
feuchtere  Gebiet  nur  Gras,  das  westliche  trockenere  dagegen  Gehölze 
erzeugt.  Denselben  war  der  Unterschied  zwischen  Grasflurklima  und 
Gehölzklima  unbekannt,  unbekannt  auch,  wie  die  Grasflur  in  einem  ihr 
zusagenden  Klima  den  Raum  gegen  das  Gehölz  zu  behaupten  vermag. 
Nur  da  wird  sie  im  Pampagebiet  verdrängt,  wo  das  Grundwasser  sehr 
reichlich    ist,   so    am  Rande    der  Wasserläufe.     In   der  That   ist   das 


HI.   Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


489 


Pampasklima,  wie  die  Tabellen  zeigen,  ein  vollkommenes 
Grasflurklima,  mit  seinen  nicht  übermässigen,  aber  reich  vertheilten 
Regen  und  seiner  feuchten,  mildwarmen  Vegetationszeit.  Ausserdem 
stellen  die  heftigen  Winde  der  Pampa,  bei  massiger  Luftfeuchtigkeit 
einen  dem  Gehölz  feindlichen,  der  Grasflur  hingegen  unschädlichen 
klimatischen  Factor  dar. 

Dem  Vordringen  der  Grasflur  nach  Osten  setzt  sich  die  abneh- 
mende Regenmenge  und  wie  aus  der  bedeutenden  Zahl  der  Stunden 
Sonnenschein  hervorgeht,  ihre  weniger  reiche  Verth eilung  entgegen; 
letztere  geht  auch  aus  den  Angaben  der  Reisenden  hervor,  die  das 
Klima  als  ein  im  Gegensatz  zu  demjenigen  der  Pampa  trockenes  be- 
zeichnen. Dass  das  Klima  in  der  Espinalformation  der  Grasflur  direkt 
ungünstig  ist,  geht  aus  den  Beobachtungen  Lorentz's  hervor,  nach 
welchen  Gräser  nur  selten  in  grösserer  Menge  freie  Räume  ausfüllen, 
ja  manchmal  aus  dem  einer  Tenne  an  Kahlheit  vergleichbaren  Boden 
nur  im  Schatten  der  Bäume  hervorspriessen. 

Dass  Gehölze  unter  solchen  Umständen  gedeihen,  ist  eine  Folge 
der  Genügsamkeit  der  xerophilen  Dorngehölze.  Es  kommt  ihnen  ausser- 
dem der  Umstand  zu  Gute,  dass  im  Gegensatz  zur  Pampa,  die  Kalmen 
über  die  Winde  vorherrschen. 

Das  nördliche  Patagonien  schliesst  sich  klimatisch  dem  westlichen 
Argentinien  an,  und  besitzt  eine  ähnliche,  vornehmlich  von  Gesträuch 
gebildete  Vegetation,  die  in  dem  wüstenartigen  Inneren  sehr  spärlich  wird. 

Warmtemperirtes  Grasflurklima. 

Pampas. 

Tabelle  XV. 


San  Jörg 

e 

(Central-Uruguay). 

32°  43 

'S.     122  m 

ü.M.     1881— 1 

884. 

j  Mittlere 
Max. 

Temper. 
Min. 

TägL 
Ampi. 

Relat. 
97*  a. 

Feucht. 

3l/*P. 

Wind- 
stärke 

Sonnensch. 
Stunden 

Rei 
Menge 

gen- 
Tage 

December .     . 

34-2 

5.6 

15-5   '     6o 

46 

2.2 

308 

88 

8.2 

Januar  . 

373 

7.8 

15.8 

64 

50 

*-5 

336 

9i 

7-2 

Februar 

35-6 

8.2 

16.2 

63 

45 

i-5 

319 

26 

3-o 

März 

35.3 

6.1 

14.3 

74 

57 

1.7 

267 

96 

7-5 

April 

1;     294 

2.1 

12.6 

78 

68 

1.6 

224 

131 

8.2 

Mai . 

23.8 

—  1-3 

II. I 

82 

70 

1.2 

188 

83 

7.0 

Juni . 

21.8 

—  2.8 

10.2 

90 

77 

i-7 

142 

125 

1 1.0 

Juli  .     . 

!    23.4 

—3-1 

10.2 

88 

73 

2.1 

I71 

82 

9-7 

August  . 

,    26.9 

°-3 

10.8 

83 

73 

2.1 

200 

87 

8.8 

September 

29.2 

07 

II. 2 

79        66 

2.5 

204 

126 

9.2 

October 

293 

2.3 

12.6 

76     ;     67     i     2.1 

252 

71,    9.0 

November 

31.9 

4.7 

13.4       69    |    57     |     1.9 

294 

101  j    6.8 

J* 

ihr. 

i 

1 107 

95-° 

490 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Der  Februar  1884  hatte  eine  mittlere  tägliche  Amplitude  von  17.8°, 
war  aber  auch  sehr  trocken  (mittlere  Feuchtigkeit  bloss  33%),  mit  1.3  mittlerer 
Bewölkung  und  338  Stunden  Sonnenschein.  Häufiger  Wechsel  zwischen 
extremen  Feuchtigkeitsgraden  gehört  zur  Charakteristik  von  San  Jorge.  Der 
Regen  fällt  meist  in  einzelnen  heftigen  Güssen.  Die  Zahl  der  Regenstunden 
ist  in  Central-Uruguay  sehr  klein. 

(Meteorolog.  Zeitschrift  1886,  S.  324.) 

Tabelle  XVI. 
Matanzas.      340  49'  S.,  580  37'  W.     (12  Jahre.) 


1 

7  a. 

Tempei 
2  p. 

ratur 

Mittl.  Extr. 

Rel.  Fei 
7  a. 

ichtigkeit 
2  p. 

Regen- 
menge 

|  Kalmen 
1    in°o 

Januar 

.     .     .  I 

234 

30-9 

38.4— 16.1 

68 

60 

92 

1       5 

Februar 

21.3 
19.6 

30.0 

36.5— 14.1 

69 

60 

58 

1      7 

März  . 

•     •  1 

27.5 

34.0—12.3 

70 

60 

97 

1       9 

April  . 

•  1 

13.6 
10.1 

21.4 

27-4—  5-7 

67 

59 

83 

1       2 

Mai     . 

•  •  i 

18.0 

23-4—  3.1 
20.6 —   1.6 

64 

61 

73 

i       0 

Juni    . 

•  • 

8.5 

151 

62 

61 

73 

0 

Juli     . 

•  •  • ; 

8-3 

^•o 

21.2 —    1.7 

61 

64 

55 

0 

August 

•    •  : 

9.8 

17-3 

25.1 —   2.6 

66 

66 

64 

0 

September   .     . 

"•3 

18.6 

26.9—  4.5 

67 

67 

^3 

0 

October  .     .     .  i 

x5-4 
19.6 

22.2 

28.9—  8.3 

70 

68 

7i 

0 

Novembe 
Decembe 

r  •    ■ 

26.4 

33.5  —  II-7 

69 

65 

69 

0 

r    .     . 

22.1 

29.3 

36.6-13.8 

70 

65 

110 

0 

Jahr:  j 

1 

928 

(Meteor.  Zeitschr.   1894,  S.  356.} 


Tabelle  XVII. 


iß.  Antonio  de  Areco 

||  (2    Jahre)- 

l'34°i2'S.,59°3o,W., 
|l  43  m  ü.  M. 


Januar  . 

Februar 

März 

April 

Mai  . 

Juni 

Juli  . 

August 

September 


'  Temperatur  |    Regen 
1  22.6  114 


1  16.0 
il  12.4 
I       10.  o 

~    9-5~ 
I *JS_ 

i       12.7 


32 
9i 
3i 

72 

26 


S  a  1  a  d  o. 

35°44'S.,  59°  5'  W., 
15  m  ü.  M. 


Temperatur 
21.7 
22.0 

^9-3_ 

14.2 


8.8 

10.6 
12.2 


Regen 


39 
_4Q_ 
_4i_ 

60 

HL 

47 

_47_ 
"56 


Dolores. 

36°i9'S.>58°2orW. 

10  m  ü.  M. 


Temperatur      Regen 
21.2         1     121 


21.6 

19  I 
!5-2 
12.2 


8-9 

IO.6 


12. 1 


122 


37 
36 


J_-$ 1      73 


41 
60 

~45~ 


Andere 

Pampas- 
ortschaften 

Jährl.  Re- 
genmenge 

Az- 

acucho. 
37°  r  *• 

6356 

mm. 

Bahia 
blanca. 

450  mm. 


m.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln.  aq\ 

Tabelle  XVII  (Fortsetzung). 


October     . 

16.1 

81 

15-7 

58 

15.2 

88 

November .    t 

20.4 

58 

19.2 

105 

18.9 

73 

December.  j 

23.8 

139 

22.2 

94 

21.4 

64 

Jahr       .     .  ' 

796 

773 

805 

Zeitschr.  der  Gesellsch.  für  Meteorologie  1884,  S.  382  u.  592. 


Warmtemperirtes  Dornholzklima. 

Tabelle  XVHI. 
Oestliche  argentinische   Espinalgehölze. 


I                           C  0  r  d  0  b  a. 

310  25'  S.,  640  12'  W.,  437  m  ü.  M. 

La  Rioja.  290  20'  S., 
670  15'  W.,   540  m  ü.  M. 

|,     Mittlere 
Temperatur 

Relat. 
Feuchtigk. 

~65 

Regen- 
menge 

115 

Sonnen- 
schein (Std.) 

Mittlere 
Temperatur 

Regen- 
menge 

Januar  .     .          23.0 

306 

25.7 

33 

Februar      .          22.4 

63 

89 

244 

24.9 

41 

März     .     .          20  3 

72 

96 

227 

24.9 

57 

April     .     .          15.9 

69 

33 

190 

20.9 

144 

Mai.     .     .          12.9 

67 

16 

229 

17. 1 

24 

Juni       .     .            9.9 

67 

5 

153 

131 

i5 

Juli  ...          10.0 

60 

2 

191 

9.8 

2 

August  .     .          12.7 

55 

9 

229 

9-7 

7 

September           15.0 

55 

25 

187 

12.8 

17 

October     .          17.6 

61 

56 

252 

J5.3 

24 

November.          20.2 

64 

113 

300 

19.0 

49 

December.          22.3 

63 

107 

277 

23-5 

44 

Jahr      .     .    1 

666  mm 

457  mna 

Tabelle  XIX. 
Westliche  argentinische   Espinalgehölze:    Catamarca. 


Temperatur 
7  a.  2  p. 


Rel.  Keuch.  Bewöl- 
7  a.   |  2  p.  !  kung 


Regen- 
menge  1  Heiter 


Wind-       Kai- 
Trüb  Geschwind,   men 


Januar  . 

li    25.4^   32.5 

57 

38 

4.0 

67 

1      4 

2 

2.0 

Februar 

23-3 

3°-7 

61 
~66~ 

39 
__44_ 

46 

3.7 

27 

!   4 

2 

1.9 

März     . 

.  '1    21.7 

29-5 

3-4 

29 

1     8 

_  3 

7 

i.9 

April     . 

lS>*   1    234 

7i 
74 

2.8 

21 

1    IO 

i-5 

Mai 

10.9 

21.2 

3-1 

1 1 

1   20 

1    J4 

1 
15 

1.2 

Juni 

•  1,     6-7 

14.1 

81 

59 

5-o 

6 

1.0 

"16 

20 

29 

37_ 
35 


492 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle 

XIX 

(Fortsetzung). 

Juli  .     .     . 

!    7.5 

17.4 

68 

38 

3.1           0         18   I 

2i- 

I     : 

4! 

4 
1 

1 

i-5 
1.6 

1.8 

23 
2.8 
2.8 

:  33 

August .     . 

1  10.9 

15.6 

i  18.6 

21.8      62 

39 

2.7    |       4     |   27    | 

35 

September 

24.9 
27.6 

55 

32 

3-3   |        2         23 

1  20 

October     . 

56 

35 

3-5   i     24        14   ! 

8 

November 

21.8 

30.2 

55   |   34 

3-8         47      '    19   ' 

14 

December . 

24.9 

3" 

54 

37    i   3.9   i     32      i      8   1 

18 

Jahr      .     . 

1 

1  27°  1     ! 

1 

! 

Zeitschr.  fiir  Meteorologie  1884.  S.  357. 


Das  extratropische  östliche  und  südöstliche  Australien 
hat  Regen  zu  allen  Jahreszeiten,  jedoch  mit  einem  relativ 
trockenen  Winter  (namentlich  August);  die  Maxima  sind  an  der 
Küste  im  Spätsommer,  im  Inland  im  Frühjahr  und  Herbst.  Die  Regen- 
menge ist,  ausser  an  Gebirgshängen ,  für  Regen wald  zu  gering.  Das 
Fehlen  trockener  Perioden  in  den  Frühjahrsmonaten  und  deren  günstige 
Temperaturverhältnisse  geben  dem  Klima  das  Gepräge  eines  guten  Gras- 
flurklima und  die  Milde  des  Winters  ermöglicht,  trotz  seiner  relativen 
Trockenheit,  den  Baumwuchs.  Dementsprechend  ist  der  Vegetations- 
typus derjenige  der  Savanne  und  geht  an  der  Küste,  ent- 
sprechend der  Zunahme  der  Niederschläge,  in  Savannenwald,  im  Innern 
hingegen,  mit  der  Abnahme  der  Niederschläge,  in  Steppe  über,  welche 
ihrerseits,  mit  zunehmender  Trockenheit,  durch  Wüste  ersetzt  wird. 


Tabelle  XX. 
Warmtemperirtes  Grasflurklima. 

Extratropisches  Südost-  und  Ostaustralien. 


Höhe 


Neusüdwales.     Küste : 
Lismore  2  8°  50'  S. 


Sydney  330  51'  S.  . 


Neusüdwales.     Innere : 
Narrabi  300  20'  S. 


Dubbo  3 20  18'  S. 


Deniliquin  350  32'  S.  . 


Victoria.     Küste: 

Gabo  Island  370  35'  S. 


Portland  3 8°  2ir   S. 


Victoria.     Innere : 
Sandhurst  360  47'  S. 


Echuca  3  6°  5'  S. 


*5 


45 


230 
260 


Temperaturmittel 
Januar       April    j      Juli      ,  October 


25.4 


21.4 


28.6 


25.0 


95 


*5 


10 


24.0 


18.1 


17.2 


230 


100 


22.3 
23.8" 


20.9 

14.1 

21.9 

27.6 

10.9 

16.9 

19.8 

9.8 

20.8 

17.2 

8.2 

16.8 

16.3 

7.8 

15.7 

16.0 

10.4 

13.4 

14.6 

10.0 

_I4_ll 

_L5^_ 

7.7 

14.2 

*S-1 


8.7   |     i5-° 


Regen- 
menge 
Jahr 


257 

128 


59 
44 

96 
82 

57_ 
47 


DI.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


493 


Tabelle  XX 

(Fortsetzung). 

Regenverhältnisse:  Neusüdwales 

Victoria 

Ort 

i           Küste            Bergland 

Inland 

Inland 

Küste 

S.  Br. 

i.     30.3          35-1      '     34.5 

31.3 

31.6 

34-4 

36.9 

38.5 

E.  L. 

152.5         150.6 

149.5 

148.3 

144.2 

144.6 

I45-I 

I45-0 

Januar 

.    '    10.3     I      7.9 

8.4 

9.4. 

9.9 

7.3 
6.3 
9.0 

5.9* 

6.4 

7.3 

5-6 

Februar    . 

12.8* 
1    12.4 

10.6 
10.2 

9-5* 
8.1 

7.2 

8.1 

~~9.6~ 

11.3* 

10.0 

5-4* 

März   .     . 

io-5 
8.2 
9.0 

12.7 

6.1 

April  . 

|      9.6     1    11.7* 
7.8           9.9 
7.5         IO-2 

io.3_ 
9.2 

9-1 

8.7 

8.1 

Mai     .     . 

10.4  * 

.10.5* 

7.2 

9-3 
9.6* 

7.9* 

10.7 

Juni     . 

8.1 

8.5 

10.9* 

Juli      .      . 

6.9 
1      5.4* 

1     6.0 
"'-6.8 

7.7 

7.4 
7.0* 

9.0* 

5.9* 
6.6 

5.6* 

9-9 

August 

5-1* 
6.7 
7.2* 
7.0 

5.6* 

7.8   ' 
8.9* 

7-4 

8.5 
8.9 

8.6 

95 
10.9* 

74 

9.8 

September 

7.6 

7-5 

9-9 

October    . 

93* 
8.0 

5-5 

9-3 

November 

9.1 

7-9 
8.0 

7.8 

December 

I     8.7     ■      5.8* 

7.8 

5.1* 

6.5 

Jahr    .       cm 

1   |     127 

in 

90 

61 

35 

42 

58 

85 

Hann,  Handb.  Hl,  S.  399. 

§  6.  Winterfeuchte  warmtemperirte  Gebiete.  Mehrere  Klima- 
gebiete der  nördlichen  und  südlichen  warmtemperirten 
Gürtel  besitzen  ein  ähnliches  Klima  wie  Südwestafrika 
und  diesem  Klima  entspricht  stets  ein  ganz  ähnliches 
ökologisches  Gepräge  der  Vegetation.  Das  immergrüne 
Hartlaubgehölz  ist  für  sie  charakteristisch. 

Zu  den  erwähnten  Gebieten  gehört  das  südwestliche  und 
südliche  Australien. 


Klima  der  warmtemperirten  Hartlaubgehölze. 

Südwestliches   Australien. 

Tabelle  XXI. 

Perth.     14.3  m  ü.  M.     Jahr  1880. 


1        Tempe 

I       Mittel  1 

Max. 

.      .    j      36.1 

ratur  S. 

tägliches 

Min. 

18.9 
17.2 

Relative 
Feuchtig- 
keit 

Re 

Menge 

gen- 
Tage 

Be- 
wölkung 

Januar  .     .     . 

64 

7 

5 

3-9 

Februar 

•      •          32.8 

67 

18 

4 

6.3 

März     .     .     . 

.    .       26.7    ;     15.0 

73 

29 

6 

4-7 

April     .     .     . 

.    .       25.0 

12.2 

68 

84 

12 
13 

5-5 

Mai  .... 

.    .       21. 1 

9-4 

82 
80 

85 

4.2 

Juni       .     .     . 

.  .    18.3 

6.7 

182              16 

3-4 

494 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  XXI  (Fortsetzung). 


Juli  .     .     . 

• 

i     18.3 

6.7 

74 

95 

10 

3.2 

August  ... 

|     i8.9 

8.3 

75 

159 

17 

6.1 

September      .     .     . 

22.2 

1 

9-4 

66 

65 

14 

4-2 

October     . 

1 

22.2 

8.9 

7i 

26 

9 

4.0 

November. 

. 

1     26.7 

12.8 

64 

54 

7 

3-4 

December.     .     .     . 

I     30-0 

13-9 

69 

2 

3 

2.3 

Jahr: 

! 

7i 

806 

116 

Nach  5  jähriger  Beobachtung  ist  zu  Perth  die  mittlere  jährliche  Regen- 
menge 822. 

10  Stationen  in  1879:  Fremantle  655,  Albany  770,  Vaste  604,  Bun- 
bury  785,  Geraldton  472,  Guilford  891,  Newcastle  312,  Northam  211, 
York   317,   Sinjarrah    754.        Zeitschr.  d.  österr.  meteorol.  Gesellschaft  1883,  S.  285. 

Grosse  klimatische  und  pflanzenökologische  Ana- 
logie zeigt  sich  zwischen  den  eben  geschilderten  Ge- 
bieten und  dem  mittleren  Chile.  Der  Karroowüste  entspricht 
die  Wüste  Atakama.  Südlich  von  der  letzteren  werden  die  Nieder- 
schläge reichlicher  und  nehmen  mit  der  Entfernung  vom  Wendekreise 
fortdauernd  zu.  Santiago  hat  33  cm,  das  etwas  südlicher  gelegene 
Talka  53  cm.  Diese  Regen  fallen  vorwiegend  im  Winter,  der  Sommer 
ist  regenlos. 

Klima  der  warmtemperirten  Hartlaubgehölze. 

Mittleres   Chile. 

Tabelle  XXII. 

Santiago    de    Chile. 


1          Temperatur 
1'           Mittleres 
|!      Max.      |     Min. 

Rel.  Feu 
Mittel 

"~6t~ 

chtigkeit 

Mittleres 

Min. 

34 

Re 
Menge 

5 

igen- 
Tage 
0.9 

Heitere 
Tage 

December 

.,       29.7 

8.8 

21.2 

Januar .     . 

•   !'      30.4 

10.4 

69 

39 

1 

1.0 

23.3 

Februar 

•   i;      29.4 

9.1 

72 

41 

3 

0.9 

2  1.0 

März    . 

.   |       286 

6.8 

75 

38 

5 

1.1 

20.4 

April    . 

.!'      2Y.3 

3-3 

80 
83 

42 

24 

3-2 

I5-1 

Mai 

.  I1      21.8 

1.1 

4i 

47 

5-7 

"•3 

Juni 

.  1;    18.3 

0.6 

87 

45 

67 

6.1 

8.5 

Juli .     . 

.  ,    18.4 

or8 

87 

49 

81 

8.6 

9-3 

August 

.    .  11    20.3 

0.7 

85 

5° 

37 

6.1 

10.6 

Septembei 

.  |i    22.5 

2.0 

84 

40 

38 

6.3 

11.6 

October 

.    .  ,    24.8 

4.2 

79 

42 

14 

3-7 

12.2 

November 

.      28.3 

6.7 

73 

38 

6 

i-3 

17.7 

F 

1 

1 

327 

44-9 

1      182.2 

und  noch  73.1  halb- 
heitere  Tage. 


HL   Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


495 


In  der  nördlichen  Hemisphäre  befindet  sich  das  ausgedehnteste 
der  Winterregengebiete,  dasjenige  der  Mittel  meerl  an  der.  Im  nörd- 
lichen Theile  sind  allerdings  vorwiegend  Spätherbst  und  Frühjahr 
feucht,  doch  ist  das,  bei  der  schon  niedrigeren  Temperatur,  ökologisch 
ohne  Bedeutung. 

Die  Regenmenge  ist  sehr  ungleich.  Sie  beträgt  meist  zwischen 
60  und  90  cm,  erhebt  sich  jedoch  stellenweise  etwas  über  100  cm, 
während  sie  im  östlichen  Theil  des  afrikanischen  Küstengebiets  so  tief 
sinkt,  dass  die  Wüste  sich  bis  an  das  Meer  erstreckt. 

Die  Vegetation  besteht  wiederum  aus  Hartlaub- 
gehölzen. 

Klima  der  warmtemperirten  Hartlaubgehölze. 

Mittelmeergebiet. 

Tabelle  XXIII. 

Nikosia,    im  Innern  von  Cypern. 


Januar 

-=■- 

!:   Temper. 
Mittel 

Mitt 
Max. 

leres 
Min. 

Relative 
Feuchtigk. 

Be- 
wölkung 

Regen- 
Menge     |      Tage 

i       10. 0 

23.0 

0.2 

84 

4.6 

IOI 

11.8 

Februar 

9.8 

21-5 

— 0.1 

84 

5-i 

94 

11.8 

März. 

1   12.8 

24.7 

2.4 

81 

4.0 

31 

7-4 

April 

1    16.7 

29.2 

3-8 

78 

3-7 

29 

4.5 

Mai   . 

20.9 

32-4 

7.9 

74 

2.5 

16 

4-3 

Juni  . 

25.0 

37.8 

H.3 

67 

1.1 

10 

1.4 

Juli    . 

Il      2<5*8 

38.3 

131 

68 

0.8 

3 

o-3 

August 

'       27.8 

39-4 

14.0 

66 

o.7 

2 

°-5 

September  . 

26.0 

38.1 

12.3 

73 

1.0 

1 

0.6 

October .     . 

'      22.0 

34.2 

8.7 

76 

i-9_ 

3-4 

3.7 

9 

2.3 

November  . 

16.2 

29.0 

41 

82 

5° 

6-5 

December   . 

12.3 

25-3 

1.1 

85 

59 

7.8 

J 

ahr 

h 

405 

Meteorolog.  Zeitschr.   1889,    p.  427. 


Tabelle  XXIV. 
Athen.     (1859  — 1882.) 


December . 
Januar  . 
Februar 


Temperatur 

Mittleres 


Mittel 
~9.8~7~ 


Maximum 


8.20 


8.89 


12.81 


10.87 


12.63 


Minimum 
7.66 


Mittlere 
Regenmenge 


69.4 


3-97 


5-°9 


526 


37-9 


Regen- 
tage1) 


Trübe 
Tage 


10.9 
"9.8' 


8.0 


J'3 

_5'° 
4.0 


l)  Mit  messbarem  Niederschlag. 


496 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  XXIV  (Fortsetzung). 


März 

•     •  {!    11.33 

14.19 

6.64 

36.7 

8.2      1 

4-3 

April     . 

•    1    i5-°4 

17.80 

10.69 

19.1 

6-3 

i.9 

Mai.     . 

•       IO-95 

22.24 

17.53 

24.5 

1 
5-i 

1.0 

Juni .     . 

24.45 

26.65 

22.75 

10.8 

23 

°-5 

Juli  .     . 

.  j!  27.00 

28.19 

2536 

7-4 

1.6          ! 

0  1 

August . 

.     26.75 

28.91 

25.68 

10.7 

1.9          , 

0  1 

September. 

.     23.42 

25.67 

20.19 

'5-4 

2.6     ' 

0.4 

October 

•  1     iß-75 

20.74 

16.63 

53.i 

7.i      1 

2.1 

November . 

.  I    14.02 

12.67 

8.74 

70.4 

8.9 

3-8 

Ja 

hr:  || 

408.0 

72.8      | 

Tabelle  XXV. 
Rom. 


,1       T 

'1    Mittel 

emperat 
M.  Min. 

ur 
M.Max. 

Regen- 
Menge  |    Tage 

Bewöl- 
kung 

Relat       Wind- 
Feuchtig.l^^ 

December     .    |      7.4 

—  i-3 

16.0 

82 

"•5 

5-2 

7  5         204 
74     |    200 

Januar 

. 

6.7 

—  1.8 

15-3 

74 

11.8 

5.0 

Februar    . 

t 

8.1 

—  o.5 

16.7 

60 

IO-5 

4.9 

73      ,    180 

März   .     . 

10.3 

i-3 

19.0 

64 

"•5 

5-5 

68         226 

April  .     . 

H 

13.9 

4-7 

231 

60 

10.6 

4.6 

_65 iSg_ 

_6J i_95__ 

61      1    197 

Mai     .     . 

1 

17.9 

8-5 

28.5 

55 

9-7 

43 

Juni     .     . 

1 

21.9 

12.8 
~^5^~ 

31-3 

38 

7-5 

3-5 

Juli      .     . 

24.6 

34.o 

17 

3.6 

1.8 

56         210 

August     . 

1  24.3 

14.9 

34-2 
30.6 

29 

5.o 

2.1 

_5^_  J_I99_ 

64_    '  _*77 

71          181 
74     :    201 

September    , 

1 

21.3 

11.8 

70 

8.6 

3-4    1 
4.6     1 

October    . 

1  16.6 

6.6 

26.0 

106 

11. 1 

November 

li  10.9 

1.2 

20.0    |    114 

12.8 

5-4 

Jahr     .     . 

1 

769 

1 

Meteorol.  Zeitschrift  Bd.  in,  S.  409. 


Tabelle  XXVI. 
Malaga.     360  43'  n.  B.,  40  27'  w.  L.,  Seehöhe  23  m 


Relative 


Temperatur 
Mittlere  |  Monatl. 

Extreme  Feuchtigk. 


Januar 21.2 

Februar     ....  23.9 

März 24.6 

April !    27.8 


I 


3^5_ 

6.4. 
8.6 


70 

_6o 

68 

TT 


Regen- 
Menge   I    Tage 

~76~~ 

_J°_ 

68 


Wind- 
starke 
Tage     '    T*& 


4.9 

J7_ 

__4J_ 

2.2 

7.1 

2.2 

7.1 

2.3 

Heitere 


J.2.S 
1 1.0 
10.0 


III.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln. 


497 


Tabelle  XXVI  (Fortsetzung). 


Mai      .     . 

i    31. i 

11. 0 

61 

28 

4.3 

1.2 

16.3 

Juni      .     . 

35-2 

15-3 

60 

13 

1.9 

O.8 

22.2 

Juli.     .     . 

38.0 

18.3 

62 

3 

0.8 
0^8 

0.3 

25-5 

August.     . 

38.7 

18.1 

62 

5 

O.6 

23.8 

September 

34-3 

15.0    , 

62 

27 

1.8 

1.8 

26.O 

October    . 

29  0 

10.2    | 

65 

64 

4-6 

3.8 

13-8 

November 

.    25-5 

6.6    | 
3.o    1 

68 

87 

4-6 

2.2 

I4.0 

December 

21.6 

70 

I02 

5.8 

2-3 

I4.0 

Jahr     .     . 

I 

| 

607 

46.2 

20.8 

173.9 

Tabelle  XXVII. 
Lissabon. 


Mittlere 
Temperatur 

Relative 
Feuchtigk. 

Bewölkung 
(0— 10) 

Verdun- 
stung 

Reg 
Menge 

'en- 
Tage 

December . 

!        10.2 

79 

5-° 

57 

91 

12.6 

Januar  . 

10.3 

81 

5.7 

55 

98 

J5-4 

Februar 

10.9 

76 

5-o 

69 

94 

I2-5 

März     .     . 

12.4 

70 

4-7 

118 

88 

12.0 

April     .     . 

14.6 

70 

5.o 

141 

48 

97 

Mai .     .     . 

16.6 

69 

4.6 

172 

56 

10.0 

Juni       .     . 

i9-5 

64 

33 

244 

14 

4.7 

Juli .     .     . 

21.2 

62 

2.0 

263 

3 

1.8 

August .     . 

21.7 

61 

1.9 

270 

9 

2.0 

September 

19.9 

67 

36 

189 

34 
87 

7.2 

October     . 

16.9 

73 

4.8 

121 

1 1.0 

November 

i3.5 

78 

5.4 

74 

109 

13.0 

Jahr      .     . 

|; 

73i 

Tabelle  XXVIII. 
Tanger. 


Temperatur 

7  h.     I     12  h.    I      9  h. 


Tage 
heiter    I      trüb 


Regen- 
Menge    I    Tage 


Stürme 


December 

11. 2 

14.5 

.12.3 

11 

11 

1 10 

10. 0 

3 

Januar 

.        11.6 

152 

12.6 

9 

13 

118 

11.7 

6 

Februar    . 

.       12.5 

16.1 

132 

9 

10 

90 

12.0 

4 

März   .     . 

.       13.5 

17.0 

13.9 

10 

1 1 

128 

15-2 

6 

April  .     . 

.       15.0 

18.1 

l5-1 

9 

9 

119 

13.2 

4 

Mai     .     . 

-       179 

21. 1 

17.6 

14 

7 

63 

8.2 

5 

Schimper,  Pflanzengeographie. 


32 


498 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  XXVIII  (Fortsetzung). 


Juni     .     .     . 

2I.O 

24.O 

20.2 

17 

3 

7 

2-5          3 

Juli      .     .     . 

23.O 

26.3 

22J 

21 

4 

3 

1.7    1      4 

August     .     . 

231 

27.2 

2  3.4 

21 

4 

9 

0.8    ,      4 

September    . 

2O.4 

24.4 

2I.O 

18 

3 

10 

2.2    1      3 

Oktober  .     .  [ 

17.3 

2I.O 

I8.I 

12  ' 

9 

85 

9-3    1      3 

November     .  1 

14.3 

18.2 

15.4 

II 

9 

73 

7-5          2 

Jahr:| 

l62 

93 

815 

1 

(Meteorolog.  Zeitschr.  Bd.  IV,  1887,  S.  27.) 

Die  nördliche  temperirte  Zone  besitzt  im  Küstenland  Kaliforniens 
ein  zweites  Gebiet  der  Winterregen  und  trockenen  Sommer, 
welchen  wiederum  eine  xerophile  Vegetation  von  Hartlaub- 
hölzern entspricht. 

Die  jährliche  Regenmenge  beträgt  in  San  Francisco  55  cm,  in 
Monterey  40  cm,  die  procentige  Vertheilung  desselben  auf  die  Monate 
ist  nach  Woeikof  für  ganz  Kalifornien: 

Jan.     Febr.     März     April    Mai     Juni     Juli  '  Aug.     Sept     Oct.     Nov.     Dec. 
20        14        16  84       0.3      0.1      0.1       0.5        2         11        24 

Vollständige  klimatische  Tabellen  wie  die  im  Vorhergehenden  mit- 
getheilten  scheinen  für  Kalifornien  nicht  zu  existiren.  Die  mittlere 
Temperatur  des  Winters  ist  in  San  Francisco  10,5,  diejenige  des  Som- 
mers 14,8. 

§  7.  Schlussfolgerungen.  Die  drei  in  diesem  Kapitel  unterschie- 
denen Formen  des  Regenklimas  in  den  warmtemperirten  Gürteln  können 
in  Bezug  auf  die  Existenzbedingung  der  Vegetation  auf  zwei  Typen 
zurückgeführt  werden.  Der  erste  Typus  setzt  sich,  meteorologisch  be- 
trachtet, allerdings  aus  sehr  heterogenen  Elementen  zusammen,  indem 
er  Gebiete  mit  ungefähr  gleichmässiger  Feuchtigkeit  mit  solchen,  die 
vorwiegend  Winter-  und  Frühsommerregen,  aber  trockene  Spätsommer 
und  solchen,  die  trockene  Winter  und  nasse  Sommer  besitzen,  zu- 
sammenfasse Der  gemeinsame  Zug  besteht  darin,  dass  hohe,  der  Vege- 
tation günstige  Temperaturen  mit  reichen  Niederschlägen,  wenn  auch 
nur  im  Frühsommer,  zusammenfallen.  Das  Klima  ist  demnach 
während  der  warmen  Monate  tropenähnlich  und  verleiht 
der  Vegetation  tropenähnlichen  Charakter. 

Wir  finden  hier  der  tropischen  ganz  ähnliche  Vegetationstypen 
und  an  ähnliche  Verhältnisse  der  Hydrometeore  gebunden.  Sehr 
reiche  Niederschläge  bedingen  das  Auftreten  des  temperirten 
Regenwalds,  weniger  reiche,  aber  während  der  Vegetationszeit, 
namentlich  des  Frühsommers  häufige  Regen  dasjenige  der  Grasflur 
und  zwar,  wegen  der  milden  Wintertemperatur  in  der  tropischen  Form 
der  Savanne,   welche,   bei   zunehmender  Regenmenge,   zunächst  in 


IQ.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  warmtemperirten  Gürteln.  aqq 

Savannenwald  übergeht.  Unregelmässige  durch  Trockenzeiten 
unterbrochene  Niederschläge  in  der  Vegetationszeit  schliessen  die 
Grasflur  aus  und  bedingen  das  Auftreten  des  genügsamsten  aller 
Gehölztypen,  des  Dorngehölzes,  als  Wald,  Gebüsch  oder  Gesträuch. 
Noch  grössere  Trockenheit  fuhrt  zur  Wüste. 

In  den  zum  zweiten  Typus  gehörigen  Gebieten  fallt  die  Regen- 
zeit mit  den  kühlen  Wintertemperaturen  zusammen.  Letztere  liegen 
aber  für  eine  Anzahl  vegetativer  Processe,  namentlich  für  das  Wachs- 
thum,  unterhalb  des  Optimum,  in  einigen  der  hierher  gehörigen  Gebiete 
sogar  zeitweise  unterhalb  des  Minimum.  Der  Sommer  ist  sehr  trocken. 
Solche  klimatische  Bedingungen  sind  auf  die  betreffenden 
Klimagebiete  der  warmtemperirten  Gürtel  beschränkt 
und  dementsprechend  ist  der  ökologische  Charakter 
ihrer  Vegetation,  nämlich  die  Herrschaft  der  immer- 
grünen xerophilen  Gehölze,  ohne  Analogon  in  den 
tropischen  Zonen  und  den  winterkalten  Gürteln  der 
temperirten. 


Literatur, 

Die  meteorologischen  Tabellen  sind  aus:  Zeitschrift  der  öster- 
reichischen Gesellschaft  für  Meteorologie  1866 — 1885  (I — XX) 
und:  Meteorologische  Zeitschrift  der  deutschen  und  meteoro- 
logischen Gesellschaft  1882 — 1896. — 

Die  allgemeinen  Darstellungen  stützen  sich  namentlich  auf:  Hann, 
Handbuch  der  Meteorologie.  Zweite  Auflage.  1897.  Drei  Bände,  und  des- 
selben Verfassers  Atlas  der  Meteorologie.  Gotha  1887.  Für  Südafrika  wurde 
benutzt:  K.  Dove,  Das  Klima  des  aussertropischen  Südafrika.  Göttingen 
1888. 


32* 


IV.  Die  immerfeuchten  und  die  sommer- 
feuchten Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel. 

1.  Die  subtropischen  und  die  temperirten  Begenwälder.  §  i.  Die  sub- 
tropischen Regenwälder.  Charakter.  Verbreitung.  Süd -Brasilien.  Nord -Argentinien. 
Golfktiste  und  Florida.  —  §  2.  Der  temperirte  Regenwald  im  Allgemeinen. 
Oekologischer  und  floristischer  Charakter.  Verbreitung.  —  §  3.  Der  neuseeländische 
Regenwald.  Darstellung  Hochstetter's.  Oekologische  Merkmale  nach  Diels.  —  §  4. 
Der  australische  temperirte  Regenwald.  —  §  5.  Der  temperirte  Regen- 
wald in  Süd-Japan.  —  §  6.  Der  temperirte  Regenwald  in  Süd-Chile.  Val- 
divien  nach  PhilippL  Juan  Fernandez  nach  Johow.  2.  Die  xerophilen  Gehölftforma- 
tionen  der  warmen  temperirten  Gürtel.  §  1.  Dorngehölze.  Charakter  und 
Verbreitung.  „Espinalformation"  in  Argentinien.  —  §  2.  Savannen wälder.  Cebilwalder 
in  Nord -Argentinien.  Eucalyptus -Wälder  in  Australien.  3.  Die  Grasflurformationen 
der  warmtemperirten  Gürtel.  §  1.  Verbreitung.  Nördlicher  Gürtel.  Savannen 
in  Texas  und  Neu-Mexico.  —  §  2.  Südafrikanische  Grasfluren.  Thode  über 
Britisch -KafTrarien.  Transvaal.  —  §  3.  Die  Pampas.  Schilderung  durch  Lorentz.  — 
§  4.   Die  australischen  Grasfluren.    Die  südaustralischen  Savannen  nach  SchomburgL 

1.  Die  subtropischen  und  die  temperirten  Regenwälder. 

Die  Gebiete  mit  reichlichem  Regen  zu  allen  Jahreszeiten  (mindestens 
120  cm)  sind  in  den  wintermilden  Gürteln  der  temperirten  Zonen, 
ähnlich  wie  in  den  Tropen,  von  Regen  Wäldern,  d.  h.  von  immer- 
grünen, hygrophilen  Wäldern,  auf  sandigem  Boden  oder  in  Sümpfen 
jedoch  von  Nadelwäldern  eingenommen. 

§  1.  Der  subtropische  Regenwald.  Der  tropische  Regen wald 
überschreitet*  stellenweise  die  Wendekreise,  zunächst  ohne  seine 
charakteristischen  Eigenschaften  einzubüssen,  dann  unter  allmählicher 
Verarmung  des  Formenreichthums  und  Abnahme  der  specifisch  tropischen 
Eigenthümlichkeiten,  wie  Grossblätterigkeit,  Plankengerüste,  Holzlianen 
und  Holzepiphyten,  Epiphyllen,  Cauliflorie,  Wasserkelche.  Das  Auftreten 
einiger    temperirter    Formen    verleiht     diesen    Schlussabschnitten    der 


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Fig.  238.     Subtropischer  nord mexikanischer  Regenwald  der  Niederung,  in  Misantla. 
Platanus  sp.  mit   kletternden  Araceen.     Nach   einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Verlag  von  QutUv  Fltoher,  Jena. 


Reproduktion  von  J.  B.  Obernetter,  München. 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    50 1 

tropischen  Regenwälder,  die  man  als  subtropische  bezeichnen 
kann,  ein  auch  nach  der  positiven  Richtung  hin  etwas  abweichendes 
Gepräge.  Zu  den  subtropischen,  d.  h.  abgeschwächten  tropischen 
Regenwäldern  gehören  diejenigen  Nord-Mexiko's  (Fig.  238),  der  Südspitze 
Florida's  und  der  benachbarten  Key  Inseln,  vom  südlichsten  Brasilien 
(Rio  Grande  do  Sul),  des  Ostabhangs  der  Cordillere  in  Nordargentinien 
(Oran,  Tucuman),  die  spärlichen  Regenwälder  Natal's,  wohl  auch  die 
etwas  abweichenden  Wälder   in  Queensland   und  Neu-Süd-Wales.     Die 


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Fig.  239.     Ficus  aurea  im  subtropischen  Regenwalde  Florida's.     Aus  „Garden  and  Forest." 


Grenze  ist  namentlich  gegen  die  nachher  zu  besprechenden  viel  eigen- 
artigeren temperirten  Regenwälder  schwer  zu  ziehen ;  manchmal  stellen 
solche  subtropische  Regenwälder  das  Bindeglied  zwischen  letzteren  und 
den  tropischen  Regenwäldern  dar. 

Der  tropische  Regenwald  der  brasilianischen  Küste  in  St.  Catarina  bei 
etwa  27  °  s.  B.  erschien  mir  nicht  weniger  üppig  und  formenreich,  durch  die 
charakteristischen  ökologischen  Elemente  des  Tropenwaldes  nicht  minder  aus- 
gezeichnet, als  die  Wälder  von  Rio  de  Janeiro,  oder  diejenigen  von  Trinidad 


S02 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


(n°n.  B.).  Erst  in  Rio  Grande  do  Sul  tritt  nach  Ihering  eine  starke  Verarmung 
an  tropischen  Formen,  verbunden  mit  dem  Auftreten  neuer,  nicht  tropischer 
ein,  während  gleichzeitig  das  tropische  Gepräge  durch  Abnahme  der  Lianen 
und  Epiphyten  sich  verwischt  Sein  südliches  Ende  erreicht  dieser  Wald 
zwischen  dem  310  und  320  s.  B.,  an  den  letzten  Abhängen  der  Serra  dos  Taypes. 
Wie  der  brasilianische,  setzt  sich  auch  der  bolivianische  Tropenwald 
unter  allmählicher  Verarmung  und  Hinzutreten  temperirter  Formen  über  den 
Wendekreis  hinaus  fort,  hört  aber  bereits  zwischen  dem  27  °  und  28°  s.  B.  in 
Tucuman   auf.     Die    auch   hier    eintretende  Verarmung   des  Typus  zeigt  sich 


Fig.  241.     Subtropischer   Regenwald   (Eichenwald)   in   Louisiana.     Quercus   vircns. 
Arundinaria  macrosperma  (Cane).     Nach  einer  Photographie. 


Links: 


namentlich  in  der  Abnahme  der  Mannigfaltigkeit  und  Stattlichkeit  der  Holz- 
lianen und  der  phanerogamischen  epiphytischen  Flora,  welch'  letztere  in 
Tucuman  nur  noch  wenige  Orchideen  (Oncidium) ,  neben  einigen  Rhipsalis- 
und  Peperomia  -  Arten  und  den  herrschenden  Bromeliaceen  aufzuweisen  hat 
Die  Bäume  wachsen,  in  höherem  Maasse  als  in  den  eigentlichen,  nachher  zu 
besprechenden  temperirten  Regenwäldern,  in  bunter  Mischung  und  erreichen 
stattliche  Dimensionen.  Ein  reiches,  theils  kleinblätteriges,  theils  grossblätte- 
riges Unterholz  aus  Dicotylen  —  Baumfarne  und  Bambusen  fehlen  —  füllt  die 
Zwischenräume  mehr  oder  weniger  aus. 

Die  stattlichsten  Bäume  im  Regenwalde  von  Tucuman  sind  nach  Lorentz 
namentlich:    Machaerium  fertile  (wird  bis  gegen   150'  hoch),    Nectandra  por- 


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IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    503 


phyria,  Juglans  nigra  L.  var  boliviana  D.  C. ,  Cupania  uruguensis  u.  C.  ver- 
nalis,  Cedrela  brasiliensis  v.  australis,  Acacia -Arten,  Eugenia  Mato  und  Eu. 
uniflora,  Myrsine  floribunda  und  M.  marginata,  Chorisia  insignis  (eine  Bom- 
bacee  mit  angeschwollenem,  stacheligem  Stamme),  Pentapanax  sp. ,  kleine 
Bäume  sind  u.  a.  Terminalia  sp.  (Lanza  amarilla),  Ruprechtia  excelsa,  Schmi- 
delia  edulis,  Achatocarpus  nigricans,  Erythroxylum  ovatum,  Candia  pubes- 
cens,  Kageneckia  amygdalifolia,  verschiedene  Solanaceen  wie  Jochrona  arbo- 
reum,  Solanum  verbascifolium  und  pulchrum  etc. 

Unter  den  noch  nie- 
drigeren, mehr  oder  weniger 
strauchigen  Holzgewächsen  un- 
terscheidet Lorentz  hartholzige, 
die  zuweilen  baumartig  werden, 
und  festere,  kleinere  Blätter 
haben  (Celtis  Tola,  C.  acumi- 
nata,  Acacia  tucumanensis,  diese 
drei  stachelig  und  mehr  lianen- 
artig; Enkea  Sieberi;  Pisonia 
hirtella,  Abutilon  niveum  etc.), 
von  solchen,  die  bei  niederem 
Wuchs  wenig  holzig  und  breit- 
blätterig sind  (Phytolacca  bogo- 
tensis,  Celosia  major,  Chamissoa 
celosioides ,  Acalypha  cordi- 
folia,  Phenax  urticifolius,  Boeh- 
meria  caudata,  einige  Sola- 
neen  etc.). 

Die  grössten  Lianen  sind 
Bignoniaceen.  Ausserdem  klet- 
tern im  Walde  verschiedene 
Leguminosen ,  wie  Canavalia 
gladiata ,  Desmodium  adscen- 
dens,  Colagonia  australis,  Rhyn- 
chosia  melanosticha ;  Euphor- 
biaceen  (Tragia  volubilis  und 
dodecandra) ;  Malpighiaceen 
(Heteropteris    glabra ,    Janusia 

guaranitica) ;  Sapindaceen  (Serjania  fulta  und  foveolata) ;  Cucurbitaceen  (Cyclan- 
thera  tamnifolia,  Prasopepon  cucumifolius,  Sicyos  montanus).  Die  krautige  Flora 
des  Bodens  ist  arm ;  sie  setzt  sich  zusammen  aus  einigen  Farnen,  breitblätterigen 
Gräsern,  der  Phytolaccacee  Petiveria  alliacea  und  anderen  meist  unscheinbar 
blühenden  Dicotylen. 

Auch  die  nördliche  Fortsetzung  des  tropischen  Regenwalds  an  der 
amerikanischen  Ostküste,  in  Mexiko,  Louisiana,  Florida  zeigt  noch  rein 
tropische,  dem  nachher  zu  schildernden  autochthonen  temperirten  Regen- 
wald   fremde   Erscheinungen,    wie    kletternde  Araceen  —  die   sich   auf 


Fig.  242.     Subtropischer  Regenwald  in  Mittelflorida. 
Sabal  Palmetto.     Nach  einer  Photographie. 


5<H 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


unserer  Fig.  238  an  Platanen,  also  einer  temperirten  Baumform  kletternd 
zeigen,  baumartige  epiphytische  Feigen  vom  Banyantypus  aber 
von  weniger  mächtigen  Dimensionen  (Fig.  239)  etc.  An  der  Küste  von 
Louisiana  und  im  mittleren  und  nördlichen  Florida  sind  die  tropischen 
Anklage  in  Flora  und  Oekologie  viel  schwächer,  immergrüne  Eichen 
(Quercus  virens)  (Fig.  241)  werden  vorherrschend,  die  Palmen  gehören 
temperirten  Sabal- Arten  an  und  nur  eine,  S.  Palmetto  erreicht  Mittel- 
höhe (Fig.  242),  die  Epiphyten  bestehen  nur  noch  aus  wenigen  krautigen 
Formen,   von  welchen  eine  allerdings  die  Landschaften  oft  beherrscht, 

die  auch  in  den  Tropen 
und  den  nördlichen  tem- 
perirten Zonen  Amerikas 
allgemein  verbreitete  Til- 
landsia  usneoides  (Fig.  240). 
Der  Laubwald  tritt  übrigens 
in  den  feuchtwarmen  tem- 
perirten Gebieten  Nord- 
amerika^ sehr  zurück,  in- 
dem edaphische  Einflüsse 
das  Auftreten  von  Nadel- 
wäldern bedingen  (Pinus- 
Wälder  (Fig.  244)  auf  Sand- 
boden, Taxodium  distichum 
(Fig.  48)  in  Sümpfen).1) 

Ich  fand  den  subtropi- 
schen Regenwald  in  Nord« 
und  Mittelflorida  hauptsäch- 
lich charakterisirt  durch 
die  immergrüne  Lebenseiche, 
Quercus  virens,  zu  welcher 
die  höchsten  Bäume  gehören, 
durch  Magnolia  grandiflora, 
die  mit  ihren  grossen,  glan- 
zenden Blättern  an  manche 
tropischen  Feigenbäume  er- 
innert, im  April  aber  von  riesigen,  weissen  Bltithen  geschmückt  ist;  ferner 
durch  Sabal  Palmetto  R.  et  S. ,  eine  kleine,  aber  schlanke  Fächerpalme, 
endlich  nicht  am  wenigsten  durch  Tillandsia  usneoides,  die  auf  dem  Walde 
einen  grauen  Schleier  ausbreitet.  Das  reich  entwickelte  Unterholz  be- 
steht oft  nur  aus  Zwergpalmen  (Sabal  Adansonii,  serrulata),  sonst  aus  sehr 
verschiedenartigen  Sträuchern,  die  zuweilen  in  ihrer  Blattgrösse  nicht  weniger 
als  in  ihrer  systematischen  Stellung  an  Sträucher  des  tropischen  Regenwaldes 
erinnern    (z.  B.  Styrax    grandifolium  Ait.).      Die    holzigen  Lianen    sind  wenig 


Fig.   243.      Aus    dem    subtropischen    Regenwald    in 
Mittelflorida.     Nach  einer  Photographie. 


»)  Vgl.  Kapitel  VIII. 


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IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.     505 

verschiedenartig;  am  meisten  fällt  im  ersten  Frühling  durch  ihre  grossen, 
gelben,  duftenden  Blüthenglocken  Gelsemium  sempervirens  (Loganiaceen)  in 
die  Augen,  in  allen  Lichtungen,  namentlich  am  Ufer  der  Flüsse.  Epiphyten 
sind  ausser  Tillandsia  usneoides  noch  einige  andere  Tillandsien,  theils  die 
schmalblätterige  T.  recurvata,  theils  Arten  vom  gewöhnlichen  rosettenfbrmigen 
Habitus  (T.  utriculata  See.  etc.),  eine  kleine  Orchidee,  die  nördlich  bis  Süd- 
Carolina  verbreitet  ist  (Epidendrum  conopseum  Ait),  das  noch  weiter  nach 
Norden  dringende,  massenhaft  auftretende  Polypodium  incanum,  Polypodium 
aureum,  dessen  grosse  Wedel  meist  die  beschuppten  Stämme  des  Palmetto 
schmücken,  und  die  zierliche  Vittaria  lineata,  die  mit  Vorliebe  zwischen  den 
weissen  Moospolstern  des  ebenfalls  tropischen  Octoblepharum  albidum  ihre 
schmalen  Blätter  erhebt. 

Die  Kiefernwälder  bestehen  ganz  vorwiegend  aus  Pinus  australis  Michx. 
(Pinus  palustris  L.).  Sie  sind  sehr  licht  und  besitzen  ein  gestrüppartiges 
Unterholz,  in  welchem  namentlich  kleine  Sabal- Arten  (S.  Adansonii  und 
serrulata)  massenhaft  aufzutreten  pflegen. 

§  2.  Der  temperirte  Regehwald.  Während  die  eben  geschil- 
derten verarmten  und  bald  aufhörenden  subtropischen  Fortsätze  der 
tropischen  Regenwälder  relativ  wenig  eigenartiges  bieten,  tritt  in 
grösserer  Entfernung  der  Wendekreise,  theil weise  ebenfalls  mit  dem 
Tropenwalde  zusammenhängend  und  mit  ihm  durch  Uebergänge  ver- 
bunden, theilweise  in  geographischer  Isolirung,  aber  stets  als  ganz 
selbständige  Bildung  innerhalb  des  Typus,  der  temperirte  Regen- 
wald auf. 

Wie  der  tropische,  ist  auch  der  temperirte  Regenwald  wesentlich 
von  immergrünen  hygrophilen  Bäumen  gebildet,  denn  darin  liegt  gerade 
das  wesentlichste  Merkmal  des  Regenwaldes.  Meistens  jedoch  treten 
auch  hier  periodisch  belaubte  Bäume  als  untergeordnete  Bestandtheile 
auf,  doch  sind  diese  nicht  mehr  regengrüne,  sondern  sommergrüne 
Bäume,  wie  z.  B.  Fagus  obliqua  in  Süd-Chile  etc. 

Die  Grossblätterigkeit  der  tropischen  Holzgewächse  ist  im  tem- 
perirten  Regenwalde  selten.  Meist  sind  vielmehr  die  Blätter  klein 
(Fig.  245),  dabei  von  festerer,  mehr  lederartiger  Beschaffenheit.  Sie 
sind  unbehaart ,  oberseits  gewöhnlich  glänzend,  ganzrandig  oder  wenig 
zertheilt,  zuweilen  jedoch  gefiedert,  ohne  „Träufelspitze"  und  enthalten 
oft  Wasserspeicher  in  Form  von  Wassergewebe,  mehrschichtiger  Epi- 
dermis oder  Schleimzellen;  ihre  Cuticula  ist  meist  ziemlich  dick.  Solche 
schwach  ausgebildete  Schutzmittel  gegen  Transpiration  zeigen  sich  be- 
kanntlich auch  bei  den  Bäumen  des  tropischen  Regenwalds.  Der  ganze 
Charakter  des  Laubes  weist  jedoch  im  temperirten  Regenwalde  auf 
etwas  ungünstigere  Bedingungen  der  Wasserversorgung  hin,  welchen 
weniger  sommerliche  Trockenheit  als  die  Erkaltung  des  Bodens  im 
Winter  zu  Grunde  liegen  dürfte. 


Fig.  245.  Blätter  einiger  der  wichtigeren  Laubbäume  des  neuseeländischen  Regenwaldes. 
/  Alseusosmia  macrophylla.  2  Olea  montana.  9  Nesodaphne  Jawa.  4  Knightia  excelsa. 
5  Pittosporum  Colensoi.  6  Pittosporum  tenuifolium.  7  Metrosideros  lucida.  8  Fagus  fusca. 
9  Hedycarya  dentata.  10  Myrtus  bullata.  //  Kleinmannia  silvicola.  12  MjTsine  Urvülei. 
79  Coprosma  foetidissima.     14  Phebalium  nuduni.     75  Fagus  Solandri.     Nat.  Gr. 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    507 

Die  bei  tropischen  Bäumen  so  häufigen  Brettergerüste  kommen  im 
temperirten  Regenwalde  nur  ausnahmsweise  vor.  Epiphyllie,  Cauliflorie, 
Wasserkelche  sind  hier  unbekannt. 


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Das  Unterholz  zeigt  oft  ebenso  dichten  Wuchs  als  in  den  Tropen ; 
dagegen  entbehrt  es  der  reichen  Frondosität  bei  schwacher  Ver- 
zweigung, welcher  namentlich  die  tropisch -amerikanischen  und  die 
malayischen    Regenwälder    ihre    unvergleiche   Ueppigkeit   zum    grossen 


508 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Theile  verdanken.  Aehnliches  gilt  von  den  Lianen.  Auch  sie  sind 
im  temperirten  Regenwalde  beinahe  stets  reichlich  vorhanden,  aber  nie 
in  der  Mannigfaltigkeit  und  mit  den  mächtigen  Dimensionen  derjenigen 
wärmerer  Gebiete.  Ein  solches  Bild  der  Abschwächung  innerhalb  des 
gleichen  Typus  zeigt  endlich  ebenfalls  die  epiphytische  Vegetation 
(Fig.  246  und  248).  Farne  und  Phanerogamen  schmücken,  wie  im 
tropischen,  auch  im  temperirten  Regenwalde  stets  Stämme  und  Aeste 
der  Bäume;  aber  ihre  Armuth  an  Formen,  ihre  meist  geringe  Grösse, 
welche  Baumdimensionen    nie   erreicht    (mit   einer   Ausnahme  in  Juan 


Fig.  247.     Astelia  Banksii,   blühend,    ca.   1   m  hoch.      Neu -Seeland.     Kew  Gardens 
Photographie  durch  Herrn  J.  Gregory,  Plant  photographer. 


Fernandez),    das   Vorherrschen    unter    ihnen    der    genügsamen   Farne 
weisen  auf  weniger  günstige  Bedingungen  hin. 

Seiner  floristischen  Zusammensetzung  nach  stimmt  der  temperirte 
Regenwald  in  der  grossen  Mannigfaltigkeit  seiner  Baumarten  mit  dem 
tropischen  überein;  doch  ist  weit  häufiger  als  in  letzterem  eine  Art 
oder  eine  Gruppe  verwandter  Arten  vorherrschend.  So  wachsen  in 
demselben  Quercus-  oder  Fagus- Arten  gerne  gesellig.  Temperirte 
Formen  sind  tropischen  beigemischt ;  letztere  sind  natürlich  in  Wäldern, 
die     mit    denjenigen    der    Tropen    zusammenhängen,    zahlreicher    als 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    509 

etwa  in  den  ganz  isolirten  Regenwaldgebieten  Valdivia's  und  Neu- 
seelands. 

Die  in  ihrer  Lebensweise  am  meisten  an  das  tropische  Klima 
gebundenen  Elemente  des  Regenwaldes,  die  farnartigen  und  phanero- 
gamischen  Epiphyten  sind,  innerhalb  des  temperirten  Regenwalds,  ganz 
vornehmlich  tropischen  Ursprungs,  weit  mehr  als  die  Bodenpflanzen; 
ja,  die  Wälder  Neuseelands  und  Valdiviens  haben  allein, 
neben  tropischen,  einige  wirklich  autochthone  Epiphyten 
entwickelt,  während  die  weniger  feuchten  Wälder  Japans, 
Australiens,  Argentiniens  und  Nordamerikas  nur  tropische 
Auswanderer  oder  aus.  solchen  hervorgegangene  Arten 
besitzen.  Unter  diesen  befinden  sich  sogar  die  letzten  Auswanderer 
der  tropischen  Flora,  wie  Tillandsia  usneoides  (Fig.  240)  und  Poly- 
podium  incanum  in  Nordamerika. 

Nur  an  wenigen  Stellen  ausserhalb  der  Wendekreise  haben  sich 
die  Bedingungen,  welche  das  Gedeihen  der  Phanerogamen  des 
Bodens  auf  rissiger  Baumrinde,  diese  erste  Stufe  bei  der  Entstehung 
von  Epiphyten ,  vereinigt  gefunden  —  denn  von  dem  gelegentlichen 
Vorkommen  von  solchen  in  Höhlungen  und  dgl.  ist  natürlich  abzusehen. 
Namentlich  setzte  der  epiphy tischen  Lebensweise  die  Winterkälte  ein 
unüberwindliches  Hinderniss  entgegen,  denn  während  derselben  ver- 
mögen die  Wurzeln  auf  die  Baumrinde  fallende  Niederschläge  nicht  zu 
verwenden.  Daher  konnten  nur  solche  Phanerogamen,  die  sich  in  den 
Tropen  an  grösste  Trockenheit  angepasst  hatten,  Gebiete  mit  Winter- 
kälte als  Epiphyten  besiedeln,  vorausgesetzt  dass  sie,  wie  die  oben 
erwähnten  tropischen  Auswanderer  in  Nordamerika,  tiefere  Temperaturen 
als  solche  vertrugen.1) 

Ueber  Structur  und  Lebensweise  der  Gewächse  in  den  temperirten 
Regenwäldern,  namentlich  in  den  interessantesten,  weil  isolirtesten  der- 
selben, denjenigen  von  Neu-Seeland  und  Valdivia,  liegen  bis  jetzt  nur 
wenige  an  Ort  und  Stelle  gemachte  Beobachtungen  vor. 

Hochstetter  entwirft  folgende  populär  gehaltene  Schilderung  des 
temperirten  Regenwalds  auf  Neu-Seeland :  „Betritt  man  den  Wald,  so 
sind  es  abermals  Farne,  welche  vor  allem  in  die  Augen  fallen,  herrliche 
Farnbäume  mit  schuppenartig  gezeichneten  Stämmen  und  zierlichen 
Kronen  (Dicksonia  und  Cyathea),  Hymenophyllen  und  Folypodien  in 
den  mannigfaltigsten  Varietäten,  welche  üppig  den  Stamm  der  Wald- 
bäume bedecken,  die  seltsame  Form  des  Nierenfarn  (Trichomanes 
reniforme),  dessen  runde  nierenförmige  Blätter  am  Rande  ringsum  auf 


*)  Solche  erste  Anfänge  des  Epiphytismus,  nämlich  das  gelegentliche  Vorkommen  von 
Bodenpflanzen  auf  Bäumen  sind,  nach  Johow,  in  den  Regenwäldern  von  Juan  Fernandez 
häufig,  L  c.  S.  250. 


5io 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


die  zierlichste  Weise  mit  Samenkapseln  besetzt  sind,  Farnkräuter  in 
den  Aesten  und  Zweigen  der  Bäume,  Farnkräuter  am  Boden,  lebendig 
gebärende  Asplenien  (Asplenium  bulbiferum),  zarte  Goniopteris-  und 
Leptopteris -Arten,  kurz  Farnkräuter  in  jeder  Art  und  Zahl. 


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Aber  auch  im  Wald  fast  nirgends  bunte  Blüthen  und  Blumen,  wenig 
krautartige  Gewächse,  nichts  als  Sträucher  und  Bäume,  Sträucher  mit 
unscheinbaren  grünen  Blüthen  ....  Nur  wenige  Bäume  wachsen  ge- 
sellschaftlich,    und   nur   in    der   Kauri-Fichte   (Dammara   australis),    der 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten   Gürtel.    511 

Kahikatea-Fichte  (Podocarpus  dacrydioides)  und  der  Schwarzbirke  (Fagus 
fusca)  haben  wir  einzelne  Arten,  die  durch  massenhaftes  Vorkommen 
oder  durch  besondere  Gruppirung  physiognomisch  in  der  Landschaft 
hervortreten.     Ausser  den  Kauri-Wäldern  des  Nordens,   den  Kahikatea- 


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Wäldern  an  sumpfigen  Flussufern  und  dem  Schwarzbirkenwald  auf  der 
Südinsel  lässt  sie  sichl daher  nicht  vergleichen  mit  dem  individuellen  Cha- 
rakter unserer  Fichten-,  Buchen-  oder  Eichenwälder  .... 

„Zu   den   Hauptzierden   des    gemischten  Waldes    gehören   die  ver- 


c  1 2  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

schiedenen  Arten  von  Coniferen.  Totara  (Podocarpus  totara)  und  Matai 
(Podocarpus  spicata)  sind  grosse,  schöne  Waldbäume,  die  man  in  je- 
dem Walde  antrifft,  Rimu  (Dacrydium  cupressinum)  zeichnet  sich  durch 
hängende  Blätter  und  Zweige,  Tanekata  (Phyllocladus  trichomanoides) 
durch  seine  petersilienartigen  Blätter  aus.  Neben  ihnen  erhebt  sich 
die  pappelähnliche  Rewarewa  (Knightia  excelsa),  zu  den  Proteaceen 
gehörig,  der  Hinau-Baum  (Elaeocarpus  hinau),  dessen  Früchte  das  Lieb- 
lingsfutter der  Papageien  sind  ....  Auch  der  Kowai  (Edwardsia  mi- 
crophylla)  mit  seinen  herrlichen  gelben  Schmetterlingsblüthen  erreicht 
in  manchen  Gegenden  eine  ansehnliche  Grösse.  Zu  den  grössten  Wald- 
bäumen gehören  ferner  mehrere  Repräsentanten  aus  der  Familie  der 
Myrtaceen  und  Laurineen,  vor  allem  der  Rata-Baum  (Metrosideros  ro- 
busta),  dessen  oft  40  Fuss  im  Umfang  messender  Stamm  stets  mit 
Schmarotzern  aller  Art  bedeckt  ist,  und  dessen  Krone  scharlachrothe 
Blüthenbüschel  trägt,  ferner  Kahikatoa  (Leptospermum),  Tawa  (Laurus*, 
Pukatea  (Laurelia),  Karaka  (Corinocarpus)  und  viele  andere.  Das  Unter- 
holz bilden  Gebüsche  und  Sträuchfcr  der  mannigfaltigsten  Art,  nament- 
lich Panax-  und  Aralia- Arten ,  über  welche  die  zierliche  Nikau-Palme 
(Areca  sapida),  die  einzige  Repräsentantin  ihres  Geschlechtes  in  Neu- 
seeland, malerisch  ihre  saftig  grüne  Krone  erhebt.4* 

„Während  diese  Palme  und  die  oben  erwähnten  Farnbäume  durch 
ihre  Formen  an  tropischen  Wald  erinnern,  verdankt  der  neusee- 
ländische Wald  seine  tropenartige  Fülle  den  zahllosen  Schmarotzer- 
gewächsen, Farnen,  Pandanen  (Freycinetia ,  Banksia)  und  Orchideen, 
welche  Stämme  und  Aeste  bedecken,  und  den  Schlingpflanzen  (Rhipo- 
gonum,  Rubus,  Metrosideros,  Clematis,  Passiflora,  Sicyos  etc.),  welche 
den  Boden  verstricken  und  namentlich  sich  in  die  höchsten  Bäume 
schlingen.  Dadurch  wird  der  Urwald  zu  einem  undurchdringlichen 
Dickicht,  das  mit  dem  Messer  oder  Schwert  durchgehauen  werden 
muss  für  jeden  Schritt,  den  man  auf  ungebahntem  Wege  darin  machen 
will.  Auf  den  schmalen  Pfaden  der  Eingeborenen  arbeitet  man  sich 
nur  mühsam  durch  über  das  knorrige  Wurzelwerk  der  Bäume  und 
durch  die  immer  wieder  nach  kurzer  Zeit  den  Durchgang  versperrenden 
Schlinggewächse  .  .  .  ."*)  Reiche  Mischung  der  floristischen  Bestand- 
teile verbunden  mit  grosser  Ueppigkeit  zeigt  sich  in  Neu-Seeland  vor- 
nehmlich auf  der  Nord-Insel  und  nimmt  im  südlichen  Theil  der  Sud- 
Insel  ab,  indem  Buchen  immer  mehr  vorherrschen  (Fig.  251). 

Im  Folgenden  sollen  einige  Charakterzüge,  hauptsächlich  nach  Diels'  Unter- 
suchungen, etwas  genauer  ins  Auge  gefasst  werden.  Die  Coniferen  nehmen 
unter  den  Bäumen  den  ersten  Rang,  was  die  Individuenzahl  betrifft,  ein. 
Eigentliche  Nadelblätter    kommen    bei   ihnen  nicht  vor,    sondern  theils  dicht- 

>)  1.  c.  S.  418. 


IV.  Die  ininierfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    513 

dach  ige  Schuppenblätter  (Libocedrus  Demiana  Endl.,  Podocarpus  dacrydioides 
A.  Rieh.,  Dacrydium-Arten),  theils  grössere  breitere  Blätter  (Agathis  australis 
Salisb. ,  Podocarpus-  und  Phyllocladus- Arten).  Die  systematische  Mannich- 
faltigkeit    der   dicotylen   Holzpflanzen    ist   eine    erstaunliche   (110    Arten   aus 


Fig.  251.    Waldbäume  des  neuseeländischen  Regenwaldes:  Coniferen.    /  Phyllocladus  glaueus 

Cass.     2  Dammara    australis.    3  Dacrydium    cupressinum    Soland.     4  Podocarpus    ferruginea 

Don.     5  Podocarpus  Totara  A.  Cunn.     Nat.  Gr. 


61  Gattungen  und  39  Familien,  aber  noch  erstaunlicher  ihre  habituelle  Aehn- 
lichkeit.  Beinahe  sämmtlich  besitzen  sie  lederartige,  eiförmige,  ganzrandige, 
oberseits  glänzende  Blätter,  welche,  an  höheren  Bäumen,  Vorrichtungen  zur 
Wasserspeicherung  (Wassergewebe,  Schleimzellen  u.  dergl.)  zu  besitzen  pflegen. 

Schimper,  PBanzengeographie.  33 


t\A  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Das  dichte  Unterholz  ist  reich  an  Baumfamen.  Kleinere  Farne  bilden  den 
wesentlichen  Bestandteil  der  krautigen  Bodenflora,  deren  Lücken  von  Moosen 
eingenommen  sind.  Die  Stammbasen  sind  von  Hymenophyllaceen  überzogen, 
höher  hinauf  werden  sie  von  anderen  epiphytischen  Farnen  (Arten  von  Poly- 
podium,  Asplenium  etc.)  ersetzt;  auf  den  Baumästen  prangen  die  grossen 
Rosetten  der  endemischen  Astelien  (A.  Cunninghamii  Hook,  fil.,  A.  Solandri 
Cunn.,  A.  spicata  Col.  u.  a.)  (Fig.  124  u.  249),  welche,  wie  die  ihnen  ähnlichen 
epiphytischen  Bromeliaceen,  zwischen  ihren  dichtschliessenden  Blättern  Wasser 
sammeln,  das  sie  wahrscheinlich  in  ähnlicher  Weise  benutzen.  Andere 
autochthone  Epiphyten  sind  strauchig  entwickelt  (Pittosporum  cornifolium  A. 
Cunn.  und  P.  Kirkii  Hook,  f.,  Metrosideros  robusta  A.  Cunn.  und  M.  Colensoi 
Hook,  f.,  Griselinia  lucida  Forst,  Gaultheria  epiphytica  Col.)*  die  Luzuriagee 
Enargea  marginata  B.  et  S.  erinnert,  wie  die  epiphytische  Griselinia,  an  den 
Regenwald  Süd-Chiles,  einige  Orchideen  und  eine  Peperornia  deuten  auf 
theils  alte,  theils  recentere  Einwanderungen  aus  den  Tropen.  Wie  die  Epi- 
phyten treten  auch  die  Lianen  im  Vergleich  /um  tropischen  Regenwalde  m 
Bezug  auf  Formenreichthum  stark  zurück;  sie  bilden  aber  doch,  dank  des 
massenhaften  Auftretens  der  Individuen,  einen  wesentlichen  Bestandthoil 
derselben.  Es  sind  theils  Ranker  (namentlich  Clematis- Arten),  theils  Winder 
(Arten  von  Lygodium,  Rhipogonum,  Mühlenhei  kia. ,  Parsonsia,  Ipomoea,  Se- 
necio),  theils  Wurzelkletterer  (namentlich  M^trosideros-Arten),  theils  Spreiz- 
klimmer  (Rubus  australis).  Charakteristisch  für  diese  Lianenflora  sind  die 
anderswo  nicht  kletternden  Myrtaceen. 

§  4.  Der  australische  Regenwald.  Ganz  eigenartige  Physiognomie 
zeichnet  die  „Fern  gullies"  in  Victoria  aus,  eine  Waldfarm,  die  allerdings  ihre 
Ueppigkeit  mehr  dem  Grundwasser  als  dem  Regen  verdankt.  Auf  weiten 
Strecken  besteht  hier  der  Wald  aus  zwei  scharf  begrenzten  Stockwerken*  einem 
unteren  aus  Baumfarnen,  das  sich  bis  40 — 50'  engl  erhebt  und  einem  oberen 
aus  Eucalypten,  dessen  durchschnittliche  Höhe  300—400'  engl  betragen 
dürfte.  Die  Eucalypten  gehören  zu  mehreren  Arten,  namentlich  zu  E.  amygda- 
lina  und  E.  obliqua;  sie  stehen  bald  dichter  zusammen,  bald  in  grösseren 
Entfernungen  von  einander.  Unter  den  Baumfarnen  herrschen  Alsophila  austräte 
R.  Br.  und  Dicksonia  antaretica  Labill.  (Fig.  232)  vor.  Auch  die  Vegetation 
des  Bodens  ist  oft  meilenweit  beinahe  nur  von  Famen  in  den  verschiedensten 
Formen  gebildet  (z.  B.  Pteris  aquilina,  Pt.  incisa  Thunb. ,  Asplenium  bulbt- 
ferum  Forst,  A.aculeatum  Sw.,  Lomaria -Arten,  Davallia  dubia  Gaud.,  Gleichenia 
flabellata  R.  Br.  und  Gl.  circinata  Sw.  u.  a.  m.),  und  krautige  Farne  über- 
ziehen die  Baumfarnstämme  als  Epiphyten  (z.  B.  Polypodium  grammitidis 
R.  Br.,  P.  australe  Mett.,  Aspidium  capense  Willd.,  Hymenophyllum  tunbrid- 
gense  Sm.). 

Andere  Bezirke  des  Waldes  bieten  ein  anderes,  mehr  an  dasjenige  ty- 
pischer Regenwälder  erinnerndes  Bild  dar.  Unterholz  aus  dicotylen  Bäumen 
und  Sträuchern  bildet,  mit  Farnbäumen  zusammen,  zwischen  den  auch  hier 
hochthürmenden  Eucalypten  die  Ausfüllung  der  Zwischenräume;  höchst  eigenartig 
ist  dieses  untere  Gehölz  durch  den  Reichthum  an  baumartigen  Compositen, 
wie  Atherospermum  moschatum,  Helichrysum  ferrugineum,  Senecio  Bedfordi  etc.; 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    t\t 

auch  mehrere  Acacien  (z.  B.  A.  decurrens  in  zwei  Var.,  A.  retinodes.  A.  leprosa, 
A.  penninervis)  kommen  in  demselben  vor,  neben  verschiedenen  Holzgewächsen 
aus  anderen  Familien.  Die  vorwiegend  dünnstämmigen,  meist  krautigen 
Lianen  sind  namentlich  durch  Rubus  macropodus  und  durch  ein,  einzelne 
Partieen  des  Waldes  undurchdringlich  machendes  Gras,  Tetrarena  tenacissima, 


Fig.  252.     Natürliche  Waldpartie  im  Park  von  Sydney.     Nach  einer  Photographie. 


vertreten,  das  zu  den  eigenartigsten  Erzeugnissen  dieser  merkwürdigen  Wälder 
gehört  und  an  tropische  Ueppigkeit  erinnert.  „Die  rankende  Tetrarena," 
sagt  Krone,  „bildet  hier  und  da  hohe,  dicht  verfilzte  grüne  Wände  von 
Eucalyptenstämmen  oder  aus  den  Laubkronen  anderer  Bäume  und  Gesträuche 
herab  oder  zwischen  hohen  Baumfarnen,  deren  alte  abgestorbene  Wedel,  die  an 

33* 


5  1 6  Zweiter  Abschnitt :    Die  temperirten  Zonen. 

den  Stämmen  herunterhängen,  immer  mit  hineingesponnen  werden.  Oft  hat 
das  Gras  ganze  Wegstrecken  überkleidet  und  dabei  zugleich  alte,  in  das 
Waldlabyrinth  hineingefallene  querliegende  Riesenstämme  von  Eucalypten  und 
die  aus  diesen  wieder  hervorwachsende  üppige  Vegetation  mannigfacher  Art 
oder  umgestürzte  Farnstämme  mit  ihren  dürr  gewordenen,  aber  dessenungeachtet 
noch  an  ihrem  Platze  befindlichen  Wedelkronen  derart  überstrickt  und  über- 
wuchert, dass  man  wie  auf  einem,  freilich  nicht  ganz  regelrecht  gepolsterten 
Kissen  darauf  geht  und  dieser  Grasfilz  eine  Art  von  unzerreisslicher  Hänge- 
brücke  von  Stamm  zu  Stamm  und  über  breite  Einsenkungen  bildet,  in  denen 
unten  der  Waldbach  dahinbraust  .  .  ."  (S.  167 — 168). 

Zu  den  tropenähnlichen  Vegetationsformen  gehört  auch  eine  halbepiphy- 
tische  Farnliane,  Polypodium  scandens  var.  Billardieri,  welche  sich,  in  Vic- 
toria, merkwürdigerweise  streng  an  die  hie  und  da  im  Walde  auftretende 
immergrüne  australische  Buche,  Fagus  Cunninghami,  gebunden  zeigt  „Am 
Myrtle-Creek  finden  wir  nachbarlich  gruppirte  Buchen  beisammen,  meist 
Prachtexemplare  von  hohem  Alter  und  dabei  strotzender  Gesundheit,  deren 
imponirende  Stämme  fast  bis  zur  Laubkrone  hinauf  von  dem  Polypodium 
scandens  in  üppiger  Fülle  umstrickt  sind,  das  zugleich  hier  und  da  von  Buche 
zu  Buche  in  mehrfachen  Lianengewinden,  die,  um  sich  selbst  zurückkehrend, 
sich  wieder  vielfach  umwuchern,  und  dann  und  wann  noch  hoch  hinaufzieht 
in  die  Laubkronen  der  Buchen."1) 

Aehnliche  Waldformationen,  in  welchen  das  Laubdach  hauptsächlich  von 
Eucalypten,  das  Unterholz  von  Baumfarnen  (Dicksonia  antarctica)  gebildet  ist, 
kommen  auch  in  Tasmanien  vor.2)  (Fig.  232.) 

§  5.  Der  temperirte  Regenwald  in  Süd -Japan.  Grossartig  und 
eigenartig  ist,  nach  Rein's  Beschreibung,  der  temperirte  Regenwald  in 
Südjapan,  oder  er  ist  es  vielmehr  früher  gewesen,  denn  er  hat  beinahe 
überall  der  Cultur  weichen  müssen  und  ist  wesentlich  nur  in  den  hei- 
ligen Tempelhainen8)  ganz  verschont  geblieben. 

Hochstämmige  immergrüne  Eichen  (Quercus  cuspidata,  glabra,  thalasiana, 
phylliraeoides,  acuta,  sessilifolia,  glauca,  gilva)  bilden  die  Hauptbestandteile 
dieser  Wälder  und  setzen  dieselben  streckenweise  sogar  allein  zusammen.  In 
der  Regel  treten  jedoch  noch  andere  ebenfalls  immergrüne  Bäume  hinzu,  wie 
der  Kampherbaum  (Cinnamonum  Camphora)  und  andere  Lauraceen,  Iücium 
anisatum  und  andere  Magnoliaceen.  Die  ebenfalls  allgemein  verbreitete 
Camellie  bildet  in  diesen  Wäldern  einen  dickstämmigen,  bis  10  m  hohen 
Baum.  Gesträuch  aus  Ternstroemia  japonica,  Eurya  japonica,  Pittosporum 
Tobira  und  vielen  anderen  Arten  liefert  ein  dichtes  Unterholz*  Dickstämmige 
holzige  Lianen,  anscheinend  zu  den  gleichen  laubwerfenden  Arten  gehörig, 
wie  in  dem  später  zu  besprechenden  winterkahlen  Walde,  durchziehen  mit 
gewundenen   Stämmen    die   Luft,    und   die   Aeste   der   Bäume   tragen   einige 


1)  Krone  S.   175—176. 

2)  Die   diesbezügliche   Arbeit   Tenison -Woods'  ist  mir   nicht  zugänglich.     Vgl.  Drude, 
Pflanzengeographie  S.  501. 

8)  Nach  Mayr. 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel,    J  1 7 


Jl8  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

epiphytische  Orchideen  (Luisia  teres,  Dendrobium  moniliferum,  Malaxis  japo- 
nica,  Sarcochilus  japonicus),  epiphytische  Farne,  verschiedene  parasitische 
Loranthaceen  (Viscum  articulatum  Burm.,  Loranthus  Yadoriki  S.  et  Z.).  In 
diesen  Wäldern  finden  viele  tropische,  indo - malayische  Familien  ihre  Nord- 
grenze, so  z.  B.  die  Sterculiaceen,  Simarubaceen,  Meliaceen,  Melastomaceen, 
Begoniaceen,  Ebenaceen,  Piperaceen,  Scitamineen,  Commelinaceen  etc. 

§  6.  Der  temperirte  Regenwald  in  Süd -Chile.  Folgende  Schilde- 
rung der  Regenwälder  in  Valdivia,  die  wir  einem  Reiseberichte  von 
R.  A.  Philippi,  dem  besten  Kenner  der  chilenischen  Flora,  entnehmen, 
giebt  einige  Vorstellung  von  ihrem  ökologischen  und  floristischen 
Charakter : 

In  Europa,  in  Nordamerika  kann  man  fast  überall  in  einem  Walde  zwischen 
den  Bäumen  hindurchgehen,  hier  aber  ist  es  nur  in  höchst  seltenen  Fällen 
möglich  wegen  des  zahlreichen  Unterholzes,  unter  welchem  die  Quila  unstreitig 
das  schlimmste  ist  Dies  ist  eigentlich  ein  Gras,  aber  ein  strauchartiges,  un- 
gemein verästeltes,  mit  immergrünen  Blättern  versehenes,  welches  oft  bis  30  Fuss 
hoch  in  die  Bäume  rankt,  und  solide,  elastische,  sehr  harte  Stengel  hat,  die 
gar  nicht  zu  zerbrechen  sind.  Sie  gehört  zu  dem  Südamerika  eigentüm- 
lichen Geschlecht  Chusquea  Kth.,  und  kommen  in  Valdivia  drei  Arten  vor: 
Ch.  quila  Kth.,  Ch.  valdiviensis  Desv.,  Ch.  tenuiflora  Ph.  Die  Stämme  sänimt- 
licher  Bäume  sind  nicht  nur  überreichlich  mit  Moosen,  Lebermoosen,  zahl- 
reichen Arten  Hymenophyllum ,  von  denen  H.  pectinatum  Can.,  sowie  das 
ungetheilte  H.  cruentum  Can.  besonders  zierlich  ist,  kleineren  Farnen,  wie 
Asplenium  magellanicum ,  Aspl.  trapezoideum ,  Grammitis  repanda  bedeckt, 
sondern  auch  mit  phanerogamischen  Schmarotzern  und  Schlingpflanzen.  Be- 
sonders häufig  sind  hier  die  beiden  Arten  von  Luzuriaga,  L.  scandens  R.  et  P. 
und  L.  reeta  Kth.,  gleich  reizend,  wenn  sie  ihre  weissen  Sternblumen  im 
Frühling  entfalten,  oder  im  Herbst  mit  ihren  scharlachrothen,  mehr  als  erbsen- 
grossen  Beeren  prangen.  In  Chiloe  benutzt  man  allgemein  ihre  drahtdicken, 
zwischen  dem  Moos  an  den  Stämmen  in  die  Höhe  laufenden  Würzelchen,  um 
daraus  Körbe  und  Stricke  zu  machen.  .  .  .  Nächst  der  Luzuriaga  sind  fast  an 
allen  Bäumen  zwei  Pflanzen  aus  der  Familie  der  Gesneriaceen  zu  finden,  beide 
mit  prächtigen  scharlachrothen  Blumen,  die  niedrige,  kriechende  Sarmienta 
repens  R.  et  P.,  und  die  Mitraria  coccinea  Cav.,  welche  einen  2 — 3  Fuss 
hohen  Strauch  bildet.  Unter  den  zahllosen  Schlingpflanzen  der  Wälder  Val- 
divia's  werden  unstreitig  die  Cornidia  integerrima  und  C.  serrata,  Saxifrageen, 
am  dicksten.  Es  ist  nicht  selten,  armsdicke  Stämme  derselben  zu  sehen, 
welche  40  Fuss  hoch  von  den  unteren  Aesten  herabzuhängen  scheinen.  So 
lange  sie  jung  sind,  liegen  sie  dicht  an  den  Baumstämmen  an,  an  welchen 
sie  sich  mit  Luftwurzeln  wie  der  Epheu  befestigen ;  wenn  sie  aber  älter  werden, 
vertrocknen  -  und  verfaulen  diese  Wurzeln ,  und  der  Stamm  der  Liane  trennt 
sich  vom  Baumstamme,  um  frei  in  der  Luft  zu  schweben,  getragen  von  seinen 
in  der  Krone  des  Baumes  befindlichen  Aesten.  .  .  .  Nächstdem  ist  Cissus  striata 
besonders  häufig,  dessen  biegsame  Stämme  vielfach  anstatt  der  Seile  dienen, 
wenn  man  die  vorzüglicheren  der  Lardizabala  biternata  nicht  haben  kann. 
Zu    den    Schlingpflanzen,    welche    in    den   Wäldern    um   Puerto    Montt   ferner 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    519 

häufig    sind,    gehören   Aralia   valdiviensis   apud    Gay,    Boquila   (Lardizabala) 
trifoliata,     Ericilla   volubilis   Juss.,   welche   bis  -P^ru  hin   vorkommt,    Echites 


Fig.  254.     Temperirter  Regenwald  auf  Juan  Fernandez.     Nach  Fr.  Johow. 


chilensis  Dev.  und  ein  oder  zwei  Arten  Cynoctonum.     Die  schöne  Lapageria 
rosea  R.    et   P.,    unstreitig    mit    ihren    rosenrothen,    lilienartigen    Glocken    die 


jj20  Zweiter  Abschnitt:   Die  teoiperirten  Zonen. 

schönste  Zierde  der  Wälder,  und  überaus  häufig  von  Osorno  bis  Concepcion 
ist  auch  eine  Schlingpflanze,  deren  zähe,  drahtartige  Stengel  nicht  wenig  lästig 
sind ,  wenn  man  vom  Pfade  abbiegend  in  den  Wald  eindringen  will.  ...  Die 
häufigsten  Waldbäume  sind  hier  der  Vauvan,  Laurelia  serrata  Ph.,  der  Coigne, 
auch  wohl  Roble  genannt,  Fagus  Dombeyi ,  ein  prachtvoller  Baum,  mit  hori- 
zontal ausgebreiteten  Aesten  und  kleinem,  immergrünem  Laube.  Er  liefert  in 
dieser  Gegend  das  dauerhafteste,  der  Feuchtigkeit  am  besten  widerstrebende 
Bauholz,  ist  aber  bei  weitem  nicht  so  häufig  als  weiter  im  Norden,  wo  man 
Riesenbäume  sieht,  deren  ausgehöhlter  Stamm  Canoes  liefert,  in  denen  7  bis 

9  Personen  Platz  haben.  Häufig  ist  der  Canelo,  Drimys  chilensis  D.  G,  der 
Tineo  oder  Tenui ,  Weinmannia  trichosperma  Cav. ,  mit  den  zierlichen ,  ge- 
fiederten Blättern,  die  Tiaca,  Caldcluvia  paniculata  Don.,  der  Tique  oder  Palo 
muerto,  Aegotoxicum  punctatum  P.  et  P.,  der  Sahuco  falco,  Aralia  laete-virens 
bei  Gay,  die  Luma,  Myrtus  Luma  Mob,  mit  sehr  hartem,  zähem  Holz,  ein 
Baum  mittlerer  Grösse,  endlich  von  Nadelhölzern  die  Saxegothea  conspicua 
Lindl.,  welche  ich  mit  unserem  Eibenbaum  vergleichen  möchte,  was  den 
Wuchs  und  die  Blätter  betrifft,  und  Podocarpus  nubigena  Lindl.,  welche  fast 
genau  die  Nadeln  unserer  Weisstanne  hat.  .  .  .  Der  werthvolle  Lingue,  Persea 
Lingue,  kommt  hier  noch  nicht  vor.  Unterholz  sind  besonders  Berberis  Dar- 
winii  Hook,  und  B.  buxifolia  Lawk.,  Azarea  lanceolata  Hook.,  deren  zahllose 
goldene  Blüthen  die  Luft  mit  Wohlgeruch  erfüllen,  Cytharexylum  cyanocarpum 
Hook.,  Eugenia  apiculata  und  Eug.  planipes,  sowie  Myrtus  Uni  MdL,  endlich  der 
Tepu,  Tepualia  stipularis  Griseb.  Er  bildet  am  Ufer  von  Bächen  und  sonstigen 
feuchten  Stellen  ein  vollkommen  undurchdringliches  Buschwerk,  sog.  Tepuales."1) 

Die  Insel  Masatierra,  die  grösste  des  Juan  Fernandez- Archipels ,  besitzt, 
obwohl  ungefähr  in  der  Breite  von  Santiago  in  Chile  gelegen  (ca.  36  °S.  B.), 
ein  viel  regenreicheres  Klima  und  ist  zum  Theil  von  Regen wäldern  bedeckt, 
die,  entsprechend  ihrer  insularen  Natur,  weniger  formenreich  sind  als  diejenigen 
des  Continents  (Figur  254).  Drei  Bäume  bilden  sie  hauptsächlich,  von  welchen 
die  Myrtacee  Myrceugenia  fernandeziana  die  erste  Stelle  einnimmt,  ein  bis 
25  m  Höhe  und  80  cm  Stammdicke  erreichender  Baum  mit  dichter,  schirm- 
förmiger Krone  und  mittelgrossen,  pergamentartigen  Blättern ;  die  zweite  Stelle 
nach  der  Zahl  der  Individuen,  aber  die  erste  nach  den  Dimensionen,  nimmt 
Xanthoxylum  Mayu  ein,  ein  30  m  hoch  werdender  Baum  mit  gefiederten, 
lederartigen  Blättern;  diesen  beiden  Arten  tritt  stets  noch  eine  endemische 
Varietät    der    Drimys    Winteri    hinzu   (var.    confertifolia) ,    welche,    nur    etwa 

10  m  hoch  werdend,  einen  überaus  dicken,  massiven  Stamm  besitzt  und  ihre 
lorbeerartigen  Blätter,  ähnlich  wie  die  meisten  endemischen  Pflanzen  des 
Archipels,  am  Gipfel  der  Achsen  angehäuft  zeigt.  Diesen  vorherrschenden 
Bäumen  treten  untergeordnet  andere  hinzu,  wie  Psychotria  pyrifolia  (Figur  255), 
Boehmeria  excelsa,  Sophorä  tetraptera,  die  ebenfalls  nur  10  m  hoch  werden 
und  wie  die  vorhergehenden,  saftloses  Laub  besitzen.  Auffallende  Neben- 
bestandtheile  des  Waldes  sind  ferner  die  endemische,  in  kleinen  Gruppen 
wachsende  Juania  australis  und  einige  massivstämmige  Baumfarne  (Dicksonia 
berteroana,    Thyrsopteris    elegans).      Von    dem    ehemals    häufigen    Santalum 


l)    Mit  Abkürzungen.    Philippi  1.  c.  S.  266—268. 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    52 1 

femandezianum  ist  nur  ein  einziges  lebendes  Exemplar  noch  bekannt.  Die 
Holzlianen  fehlen  auf  Masatierra  gänzlich,  denn  die  stellenweise  massenhafte 
und  anscheinend  wilde  Lardizabala  biternata  scheint  vom  Festlande  herzurühren; 
immerhin  zeigt  das  üppige  Gedeihen  dieser  Form,  wie  das  Vorkommen  einer 


Fig.  255.     Aus  dem  temperirten  Regenwalde  auf  Juan  Fernandez:   Psychotria  pyrifolia. 

Nach  Fr.  Johow. 


holzigen  Convolvulaceenliane  auf  Masatierra,  dass  die  insulare  Lage  und  nicht 
das  Klima  die  Ursache  des  Fehlens  von  Holzlianen  ist.  Sodann  sind  im 
Walde  von  Masatierra  zwei  stattliche  wurzelkletternde  Farne  vorhanden, 
Nephrolepis    altescandens    und   Lomaria    attenuata.      Sehr  reichlich    sind    die 


522 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Epiphyten  vorhanden,  namentlich  unter  den  Farnen  (Hymenophyllaceen,  Poly- 
podiaceen  etc.).  Von  phanerogamischen  Epiphyten  ist  nur  eine,  allerdings 
baumartige  Art  vorhanden,  die  Composite  Rhetinodendron  Berterii,  ein  Baum- 
würger nach  Art  der  Clusien  und  Feigen.  Doch  ist  dieselbe  nicht  ein  aus- 
schliesslicher Epiphyt  und  viele  Baum-  und  Straucharten,  die  sonst  als  Boden- 
pflanzen wachsen,  treten  an  besonders  feuchten  Standorten  als  accidentellc 
Epiphyten  auf. 

Die  Bodenvegetation  ist  ganz  vornehmlich  von  Farnen  und  Zellenkrypto- 
gamen  gebildet;  Phanerogamen,  nur  in  etwa  einem  Dutzend  Arten  vertreten, 
spielen  in  derselben  nur  eine  unwesentliche  Rolle. 


Fig.  256.    Prosopis  albaGriseb.   Ein  Baum  des  argentinischen  Dornwaldes  (Espinal-Formarion). 

ll2  nat.  Gr.     Nach  Hieronymus. 

Trotz  der  grossen  Regenmenge  ist  auch  hier  die  Träufelspitze  nirgends 
ausgebildet.  Auch  fehlen  andere  Merkmale  des  tropischen  Regenwaldes,  wie 
Plankengerüste,  Cauliflorie,  Wasserkelche  etc. 


2.   Die  xerophilen  Gehölzformationen  der  warmen 
temperirten  Gürtel. 


Wie  in  den  Tropen,  können  die  xerophilen  Gehölze  der  wannen 
Gürtel  der  temperirten  Zonen,  soweit  sie  das  S.  498  gekennzeich- 
nete  tropenähnliche   Klima   besitzen,    auf  die   beiden   Typen  des  Sa- 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    523 

vannenwalds  und  des  Dornwalds  zurückgeführt  werden.  Auch  hier 
schliesst  sich  der  erstere  den  Grasflurformationen  nahe  an  und  geht  oft 
in  dieselben  über,  während  der  Dornwald,  mit  den  für  die  Grasflur 
ungünstigen  Bedingungen  unregelmässiger,  durch  Trockenzeiten  unter- 
brochener Niederschläge  vorlieb  nimmt  und  durch  zunehmende  klima- 
tische Trockenheit  in  Dorngesträuch,  schliesslich  in  die  offenen  For- 
mationen der  Wüste  übergeht. 

§  I.  Dorngehölze.  Dorngehölze  zeigen  sich  als  edaphische  For- 
mationen in  Regenwald-  und  namentlich  in  Grasflurgebieten  auf  sehr 
durchlässigem,  trockenem,  sandigem  Boden,   sie  nehmen  aber  auch  als 


Fig.  257.    Flora  des  argentinischen  Dornwaldes  (Espinalformation).    Gourliea  decorticans  Gill. 
Nach  Taubert  in:  Natürliche  Pflanzenfamilien. 


klimatische  Formationen  ausgedehnte  Areale  ein,  namentlich  im  Inneren 
Argentiniens,  westlich  von  den  Pampas,  wo  sie,  nach  Lorentz,  die 
verschiedensten  Bodenarten  bewachsen :  Pampaslehm,  Geröll-  und  Sand- 
dünen, Granit  und  Kalk.  Die  ausgedehnten  Dorngehölze  Argentiniens, 
Hieronymus'  Espinalformation,  verdienen  nur  streckenweise,  namentlich 
im  östlichen  Theile,  die  Bezeichnung  Wälder;  nach  Westen  hin  werden  sie 
gebüsch-  und  gesträuchartig  und  gehen  gegen  Westen  und  Süden  hin 
allmählich  in  Wüstenformationen  über.  Die  Bäume  sind  sehr  verschieden- 
artig, jedoch  mit  wenigen  Ausnahmen  (z.  B.  Aspidosperma  Quebracho) 
durch  krüppelhaften  Wuchs,  struppige  Verästelung,  lichte  Kronen  und 
reiche  Dornbildung  charakterisirt.    Aehnliche  Eigenschaften  wiederholen 


524 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


sich  bei  den  Sträuchern.  Leguminosen  sind  unter  ihnen  viel  vertreten, 
in  erster  Linie  Arten  von  Prosopis  (Fig.  256),  Acacia,  Mimosa,  weniger 
Gourliea  decorticans,  der  „Chanar"-Baum,  nach  welchem  Grisebach  die 
ganze  Formation  bezeichnete1  (Fig.  257).  Auch  das  schon  erwähnte 
Aspidosperma  Quebracho,  Celtis- Arten,  Anacardiaceen  (Fig.  285),  Zygo- 
phyllaceen  sind  häufig.  Wie  in  den  Dorngehölzen  der  Tropen  sind 
auch  hier  Fiederblätter  (Leguminosen,  Zygophyllaceen,  Anacardiaceen) 
vorherrschend.     Aphyllen  sind  unter  den  Sträuchern  verbreitet.     Reich- 

thum  an  ätherischen 
Oelen  ist  vielen  Arten, 
namentlich  Terebinthi- 
nen  eigen. 

Eine  Fülle  von  meist 
krautigen  Schlingpflan- 
zen (Bignoniaceen,  As- 
clepiadaceen,  Convolvu- 
laceen ,  Cucurbitaceen), 
viele  Opuntien,  in  den 
mehr  wüstenartigen  Ge- 
bieten auch  säulen- 
hohe Cereus-Arten,  aus- 
gesprochen xerophile, 
grosse  Tillandsien  nebst 
bunten  Loranthaceen  auf 
den  Baumästen  und  eine 
ganz  dürftige,  aus  dem 
vorwiegend  nackten  har- 
ten Boden  entspringende 
Vegetation  aus  einzel- 
nen harten  Gräsern  und 
kleinblätterigen  Com- 
positen  vervollständigen 
das  Bild  eines  noch  ganz 
tropenähnlichen  Dorn- 
waldes.2) 
Aehnliche  Dorngebüsche  sollen  am  mexikanischen  Meerbusen  auf- 
treten und  scheinen  auch  in  Südafrika  ausgebildet  zu  sein. 

§  2.  Savannenwälder.  Ein  wesentlich  anderes  weit  freundlicheres 
Bild  als  die  Dornwälder  bieten  die  Savannenwälder,  welche  in  Argen- 
tinien  z.  B.    in   der  Provinz  Tucuman,   ausserdem  wohl  auch  im  Nord- 


Fig.  258.      Aus   dem   argentinischen    Dornwalde   (Espinal- 
formation:  Schinopsis  Lorentzii  [Griseb]  engl.,  eine  baum- 
artige Anacardiacee).     */t  nat.  Gr.     Nach  Engler  in:   Nat. 
Pflanzenfamilien. 


J)  Lorentz  bezeichnet  die  Formation  als  Monte,  d.  h.  Wald. 

*)  Vgl.  über  diese  Wälder:  Lorentz  1.  c.  S.  20  u.  f.,  Tschudi  1.  c.  S.   14. 


IV.  Die  ininierfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    525 

Osten,  auftreten.  In  Tucuman  gehören  zu  denselben  die  Cebilwälder, 
die  beinahe  ausschliesslich  von  Acacia  Cebil  gebildet  sind;  unter- 
geordnet tritt  höchstens  noch  Caesalpinia  melanocarpa  auf.  Der 
Boden  ist  von  einem  aus  schmalblätterigen  Arten  gebildeten  Gras- 
teppich überzogen,  in  dessen  Lücken  verschiedene  dicotyle  Stauden, 
namentlich  Solidago -Arten  und  Plantago  scandens  nebst  einigen 
Sträuchern  sich  angesiedelt  haben. 


Fig.  259.     Eucalyptus  globulus.     2/5  nat.  Gr.     Nach  einer  Photographie. 


Die  ausgedehntesten  und  eigenartigsten  aller  Savannenwälder  sind 
die  Eucalyptus- Wälder,  die  die  Küstengebiete  Australiens  von  Süd- 
Australien  bis  Queensland  zum  grossen  Theile  bedecken  und  auch  in 
Tasmanien  vorkommen.  Diese  Wälder  weichen  in  einiger  Hinsicht  von 
gewöhnlichen  Savannenwäldern  ab,  z.  B.  häufig,  aber  nicht  immer,  durch 
die  grössere  Höhe  der  Bäume,  ferner  durch  das  immergrüne  Laub,  jedoch 
nicht  in  wesentlichen  Merkmalen  z.  B.  dem  reichen  Graswuchs  zwischen 
den  in  ganz  lockerem  Bestand  sich  erhebenden  Stämmen,  bei  fehlendem 
oder  ganz  zurücktretendem  Unterholz.  Wie  andere  Savannenwälder  geht 
auch  der  Eucalyptus- Wald  allmählich  in  Savanne  über  (Fig.  260 — 262). 


526 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Eine  der  charakteristischsten  Eigenthümlichkeiten  der  Eucalypten 
(Fig.  259)  wurde  bereits  von  R.  Brown  meisterlich  geschildert.  Er 
erwähnt,  dass  „ihre  Blätter,  oder  diejenigen  Theile,  welche  Blattfunction 
verrichten,  den  Rand  gegen  den  Zweig  richten,  wodurch  alfeo  beide 
Oberflächen  dasselbe  Verhältniss  zum  Lichte  erhalten ;  diese  Einrichtung, 
welche  bei  den  Acacien  durchweg  stattfindet,  ist  hier  Folge  der  ver- 
tikalen Erweiterung  des  blattförmigen  Blattstiels,  während  sie  bei 
Eucalyptus,  wo  sie  zwar  sehr  allgemein,  aber  nicht  ohne  Ausnahme 
eintritt,  von  einer  Drehung  des  Blattstiels  abhängt/4')    In  Folge 


Fig.  26  i<     Blick  auf  den  Eucalyptus -Wald  in  den  Bluc  Mountains,  Neu-Süd-Wald 
Nach  einer  Photographie. 

der  erwähnten  Drehung  der  Blattstiele  wirft  die  Krone  der  Eucalypten 
nur  einen  schwachen  Schatten.  Der  Zusammenhang  zwischen  solcher 
Lage  der  Blätter  und  den  klimatischen  Bedingungen  ist  einleuchtend 
und  fehlt  bei  den  Eucalypten  —  wie  auch  bei  den  australischen 
Phyllodien-Acacien  —  den  jungen  Pflanzen,  deren  Blätter  vielmehr  ihre 
von  den  älteren  auch  abweichend  gestalteten  Spreiten  senkrecht  zum 
stärksten  diffusen  Lichte  stellen.    Die  Blätter  der  Eucalypten  sind  auch 


*)    1.    C.    S.    122. 


1 


Fig.  260.     Eucalyptus -Wald  und  Savanne  in  den  Blue  Mountains,  New  -  Süd -Wales. 
Nach  einer  Photographie. 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    527 

in  ihrer  Structur  ausgesprochen  xerophil  und  mit  dicker  Cuticula,  ein- 
gesenkten Spaltöffnungen  und  Wachsüberzug  versehen. 

Behr  entwirft  von  den  Eucalyptuswäldern  des  südaustralischen 
Gebirgslandes  folgende  in  ihren  Hauptzügen  für  die  Formation  über- 
haupt geltende  Schilderung: 

„Ein  in  der  Regel  ziemlich  dichter  Wiesenteppich,  wozu  sich  in 
den  meisten  Fällen  ein  lichter,  parkartiger  Wald  von  riesigen 
Eucalypten  gesellt,  dessen  Kronen  sich  jedoch  nie  untereinander  be- 
rühren.    Die   glatten,    der   äusseren   Rindenschicht   beraubten   Stämme 


Fig.  262.     Das  Innere  des  Eucalyptus- Waldes  in  Queensland.     Nach  einer  Photographie 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Semon. 

stehen  in  abgemessenen  und  oft  sehr  regelmässigen  Entfernungen.  .  .  . 
Wo  der  Boden  magerer  ist,  treten  hin  und  wieder  Casuarinen  auf, 
deren  braungrüne  Kronen  im  Frühjahr  sonderbar  mit  dem  saftigen 
Grün  des  Rasens  contrastiren.  Sie  erreichen  die  Höhe  von  20', 
höchstens  30'  und  stehen  wie  Zwerge  neben  den  Eucalypten.  Die 
gummiliefernden  Acacien,  A.  retinodes  und  pyenantha,  gehören  eben- 
falls zu  dieser  Vegetation.  .  .  .ul) 

Schomburgk  entwirft,    ebenfalls    für  Süd  -  Australien ,    folgendes  Bild    des 
Eucalyptus -Waldes :    „Das  Waldland   Süd -Australiens   nimmt   vornehmlich    die 


>)  1.  c  S.  546. 


528  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

bergigen  Bezirke  ein  und  erstreckt  sich  auch  längs  der  Basen  der  Gebirge. 
Die  Wälder  haben  nicht  den  dichten  Wuchs  und  die  Baumhöhe  anderer 
Gegenden,  ihre  Ausdehnung  ist  geringer  und  sie  sind  oft  von  Grasflächen 
unterbrochen.  Ihr  Unterholz  ist  offener  und  leichter  zu  durchdringen,  Euca- 
lypten  sind  die  hauptsächlichen  Waldbäume  .  .  .  namentlich  sind :  E.  paniculata 
Sw.,  viminalis  Labill,  rostrata  Schlecht,  odorata  Behr.  häufige  Arten. 

„Die  Waldbäume  sind  nicht  gehäuft  und  die  Zweige  eines  Baumes  be- 
rühren selten  diejenigen  eines  benachbarten.  Die  Abhänge  sind  zum  grössten 
Theile  ähnlich  bewaldet,  und  die  Bäume  gehen  oft  bis  zu  den  Gipfeln, 
während  die  übrigen  Theile  zur  Hälfte  oder  zu  Zweidritteln  von  Grasflächen 
bedeckt  sind,  mit  welchen  hier  und  da  Gebüsche  aus  niederen  Sträuchem 
und  mit  verzweigten  Zwergbäumen  abwechseln;  oft  sind  jedoch  die  Abhänge 
ganz  begrast,  ohne  einen  einzigen  Baum  oder  Strauch. 

.  .  .  Das  ebene  Tafelland  ist  im  Allgemeinen  von  Gras  bedeckt  und 
entbehrt  der  Sträucher.  Hier  sieht  man,  zerstreut  wachsend,  die  majestätischsten 
Eudalypten;  solche  Tafelländer  sind  mehr  parkähnlich,  da  die  Bäume  in  an- 
scheinend abgemessenen  Entfernungen  von  einander  stehen,  frei  oder  in 
kleinen  Gruppen,  wie  von  einem  Kunstgärtner  angepflanzt  Der  Boden  solchen 
Tafellandes  ist  im  Allgemeinen  sehr  fruchtbar  ...  Im  Unterholz  der  Wälder 
sind  vornehmlich  folgende  Gattungen  vertreten:  Correa  (Rutaa),  Alyxia 
(Apocyn.),  Prostanthera  (Labiat.),  Grevillea  (Proteac),  Hakea  (id.),  Isopogon 
(id.),  Exocarpus  (Santal.),  Acacia,  Banksia  (Thymel.),  Cassia  (Caesalpin»\ 
Calytrix  (Myrtac),  Pomaderris  (Rhamnac),  Leucopogon  (Epacrid.)»  Leptosper- 
mum  (Myrtac),  Daviesia  (Papilion.),  Dillwynia  (id.),  Eutaxia  (id.),  Platylobram 
(id.),  Pultenaea  (id.)  und  strauchige  Eucalypten." *) 


3.  Die  Grasflurformationen  der  warmtemperirten  Gürtel. 

§  i.  Verbreitung.  Die  Grasflurformationen  der  warmen  Gürtel 
der  temperirten  Zonen  sind  den  tropischen  oft  ähnlich  und  stellen  dann 
Savannen  mit  freistehenden  meist  kleinen  Bäumen  und  Sträuchern  dar; 
so  hohe  Baumgestalten,  wie  in  manchen  tropischen  Savannen  kommen 
nicht  vor.  In  anderen  Fällen  stellen  die  Grasfluren  echte  baumlose 
Steppen  dar. 

Die  Grasfluren  haben  im  nördlichen  warmtemperirten  Gürtel  geringe 
Ausdehnung.  Sie  sind  meist  sehr  trocken  und  eher  als  Halbwüsten 
zu  bezeichnen.  In  Neu -Mexiko  und  Texas  sind  dürre  $avannen  sehr 
ausgedehnt;  charakteristisch  ist  für  sie  in  erster  Linie  der  Mezqirite, 
Prosopis  juliflora,  der  je  nach  Klima  und  Boden,  bald  als  kleiner  Baum 
(Fig.  263),  bald  als  Strauch  zerstreut  in  der  Savanne  wächst  oder  auch 
zu    lockeren    Savannenwäldern     zusammentritt.      Mit    ihm    zusammen 


!)  1.  c.  S.   7 — 8.     Die  Familiennamen  habe  ich  hinzugefügt,   ebenso  die  Orthographie 
einiger  Namen  geändert. 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    529 

wächst  oft  der  Riesencactus,  Cereus  giganteus.  Die  sogenannten  Steppen 
Spaniens  dürften  wohl  eher  zu  den  Wüsten  und  Halbwüsten  zu  rechnen  sein. 

Im  Gegensatz  zur  nordtemperirten ,  ist  die  südtemperirte  Zone  in 
ihrem  warmen  Gürtel  reich  an  Grasfluren.  Namentlich  sind  solche 
in  den  südöstlichen  Theilen  der  australen  Continente  sehr  ausgedehnt. 

Alle  diese  Grasflurgebiete  dürften,  ihrer  floristischen  Zusammen- 
setzung   nach,   in   allen  wesentlichen  Punkten  genügsam  bekannt  sein. 


Fig.  263.    Prosopis  juliflora  D.  C,  der  „Mezquite".    Texas,  am  unteren  Rio  Grande. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  C.  G.  Pringle.     (Mitgeth.  von  Herrn  Prof.  Sargent.) 


Aber  wie  sich  die  Bestandtheile  den  klimatischen  Bedingungen  gegen- 
über verhalten,  in  welcher  Weise  ihre  Abhängigkeit  von  diesen  in  ihren 
Formen  aufgeprägt  ist,  wie  sich  die  verschiedenen  Glieder  der  Gemein- 
schaft gegenseitig  beeinflussen,  welcher  Antheil  den  zahllosen  pflanzen- 
fressenden und  samenschleppenden  Säugethieren  und  Vögeln,  den  be- 
stäubenden Insekten,  den  wühlenden  Thierchen  aller  Art  an  der^Ge- 
staltung  und  Verbreitung  der  einzelnen  Formen  zukommt,  das  alles 
harrt   noch    der  Forschung.     In    den   meisten   Fällen    liegen   keine   an 

Schimper,  Pflaniengeographie.  34 


5JO  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Ort  und  Stelle  gemachten  Beobachtungen  vor,  sondern  die  ganze 
Naturkunde  der  Grasflur  ist  wesentlich  auf  die  Specimina  der  Herbarien 
und  die  darauf  gegründeten  Verzeichnisse  beschränkt. 

§  2.  Südafrikanische  Grasfluren.  Thode  giebt  folgende  anschauliche 
Schilderung  der  Savanne  in  Britisch -Kaffrarien: 

„Die  Monate  Mai  bis  Juli  bezeichnen  die  trockenste  Jahreszeit  und  sind 
daher  auch  die  blüthenärmsten  *) :  wolkenlos  wölbt  sich  über  der  winterlich 
dürren  Landschaft  der  Himmel,  klar  und  durchsichtig  lässt  die  reine,  trockene 
Luft  die  Umrisse  entfernter  Gegenstände,  die  tiefe  Bläue  des  Oceans  aufs 
schärfste  hervortreten.  Dann  zeigen  die  ausgedehnten  Grasflächen  ein  fahles, 
einförmiges  Aussehen,  die  Sträucher  und  Bäume  mit  periodischer  Belaubung 
verlieren  ihre  Blätter,  nur  die  saftreichen  Crassulaceen  und  dornengewehrten 
Celastrineensträucher,  die  kletternden  Senecionen  und  Asparagus -Arten  machen 
sich  durch  zahlreiche  weisse  oder  gelbe  Blüthen  bemerkbar.  Kaum  sind 
jedoch  im  Frühjahr  die  ersten  Niederschläge  gefallen,  so  beginnt  der  miss- 
farbige Grasrasen  mit  wunderbarer  Schnelligkeit  zu  grünen,  Orchideen  (Habe- 
naria),  Zwiebelgewächse  und  Stauden  der  verschiedensten  Familien  entspringen 
dem  durchfeuchteten  Boden  .  .  ." 

Die  gesellig  wachsenden  Gramineen  (vorzüglich  Arten  von  Danthonia, 
Panicum  und  Eragrostis)  „erreichen  weder  die  Höhe  tropischer  Savannengräser, 
noch  die  Weichheit  ihrer  die  Wiesen  Mitteleuropas  bildenden  Verwandten". . . 
„Der  bunte  Blumenteppich,  in  welchem  indessen  doch  die  gelben  und  weissen 
Farben  vorherrschen,  gewährt,  an  die  Physiognomie  der  Prärieen  Nord-Ameri- 
kas erinnernd,  einen  erfreulichen  Anblick,  der  nur  in  der  trockenen  Periode 
für  einige  Wochen  vermisst  wird.  Die  verschiedensten  Familien  sind  hier 
vertreten  und  nach  der  Jahreszeit  einem  gewissen  Wechsel  unterworfen.  So 
können  für  den  Frühling  die  Zwiebelgewächse  (besonders  Liliaceen  und  Iri- 
deen)  und  Orchideen  (Disa  cornuta,  Satyrium),  für  den  Sommer  die  Sero- 
phularineen  (Cycnium,  Graderia)  und  Asclepiadeen  (Gomphocarpus) ,  sowie 
unter  den  Compositen  die  Gnaphalieen  (Leontonyx,  Helichrysum) ,  ja  sogar 
eine  gesellig  wachsende  Umbellifere  (Peucedanum  Cynorrhiza),  für  den  Herbst 
die  Malvaceen  (Sida,  Hibiscus),  Oxalideen  (Oxalis)  und  Campanulaceen  (Lo- 
belia, Wahlenbergia)  als  charakteristisch  gelten,  wogegen  die  Leguminosen 
und  Compositen  im  Allgemeinen  zu  jeder  Zeit  die  Hauptrolle  spielen  .  .  . 

„Noch  merkwürdiger  aber  als  durch  die  niedrigen  Bestandteile  wird  das 
Grasfeld  durch  die  einzeln  oder  gruppenweise  darüber  vertheilten  Holz- 
gewächse, deren  dunkele  Belaubung  gegen  das  hellere  Grün  oder  fahle  Stroh- 
gelb der  Rasendecke  lebhaft  contrastirt;  man  könnte  sie  mit  den  Mezquite- 
Gebüschen  der  südlichen  Prärieen  vergleichen,  insofern  wie  dort  als 
charakteristisches  Erzeugniss  die  Mimosenform  bei  weitem  vorherrscht,  während 
die  übrigen  Arten  fast  ausnahmslos  als  Flüchtlinge  aus  den  Uferdickichten 
zu  betrachten  sind.  Der  gesellige  Karroodorn  (Acacia  horrida),  eine  durch 
die  ganze  Kolonie  verbreitete  Akazie  mit  starren,  elfenbeinweissen  Dornen 
und   gelben,   wohlriechenden    Blüthenköpfchen ,    erhebt   sich  hier  wie  in  den 


!)  Diese  Schlussfolgerung  ist  nicht  richtig. 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel.    531 

trockenen  Flussbetten  der  Karroo  zuweilen  zu  baumartigem  Wüchse  und 
gleicht  dann  mit  seiner  schirmförmig  ausgebreiteten  Krone  den  Pinien.  Kein 
Gewächs  ist  für  die  Grasflächen  bezeichnender  als  dieses :  wohin  es  sich  auch 
wenden  mag,  begegnet  das  Auge  des  Wanderers  dem  feinzertheilten  Fieder- 
blatte der  Akazien.  —  Oft  sind  die  nur  wenig  schattenden  Laubkronen  von 
Schlinggewächsen  der  Convolvulusform  durchrankt  oder  von  holzigen  Parasiten 
(Loranthus  Dregei)  bedeckt .  .  .  Auch  andere  Sträucher,  wie  die  allgegenwärtige 
Grewia  occidentalis  aus  der  Familie  der  Tiliaceen,  der  periodisch  seine  Blätter 
abwerfende  Büffeldorn  (Zizyphus  mucronata),  einige  Arten  von  Royena,    eine 


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Fig.  264.     Savanne  im  nördlichsten  Natal.     Nach  einer  Photographie. 


stark  aromatische  Verbenacee  (Lippia  asperifolia)  u.  a.  m.  finden  sich  häufig 
in  Gesellschaft  der  Dornbüsche."1) 

Nach  Norden  hin,  mit  der  Annäherung  an  den  Wendekreis,  werden  die 
Bäume  der  Savanne  stattlicher,  der  Charakter  derselben  ganz  entschieden 
tropisch  (Figur  264).  Hingegen  ist  die  westlich  von  Natal  sich  ausdehnende 
Hochebene  der  südafrikanischen  Republiken  beinahe  reine  Grasflur  (Figur  265), 
ausser  in  der  Nähe  der  Wasserläufe.  In  westlicher  Richtung  werden  Zwerg- 
bäume und  Sträucher  häufiger  (Vaalboschsteppe)  (Figur  266),  die  Grasvege- 
tation niedriger  und  dürrer,  der  Gesammtcharakter  halbwüstenartig. 


>)  1.  c.  S.  597—599- 


34* 


532  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

§  3.  Die  südamerikanischen  Grasfluren.  Die  Pampas  der  argenti- 
nischen Provinz  Santa  Fe*  werden  von  Lorentz  folgendermaassen  geschildert: 
„Die  Vorstellungen,  die  wir  in  unserer  Gegend  von  den  Pampas  einzusaugen 
gewöhnt  sind,  und  in  denen  sie  sich  in  unserer  Phantasie  als  absolute  Ebenen 
mit  meeresgleichem  Horizonte  darstellen,  in  welchen  auf  Hunderte  von  Meilen 
nicht  die  geringste  Erhöhung  des  Bodens  zu  bemerken  ist,  ist  für  die  nörd- 
lichen Pampas  unrichtig;  mehr  soll  sie  auf  die  Pampas  im  Norden  der  Provinz 
Buenos  Aires  passen.  Das  Terrain  der  erstgenannten  ist  flachwellig  und 
wenn  auch  dem  Auge  die  Erhöhungen  und  Vertiefungen  nicht  imponirend 
entgegentreten,  so  bemerkt  man  sie  doch  gleich  an  der  verschiedenen  Ve- 
getation, und  den  Pampasbewohnern  sind  sie  aus  Tausenden  praktischen 
Gründen  von  der  höchsten  Bedeutung.  Vor  Allem  dem  europäischen  Ein- 
wanderer, der  mehr  sein  Augenmerk  auf  Ackerbau  als  auf  Viehzucht  richtet 
.  .  .  Die  Ansiedelungen  des  Ackerbauers  sind  stellenweise  an  die  Canadas, 
die  flachen  Vertiefungen  gebunden,  in  deren  Grunde  dann  oft  Lagunen  Vieh 
und  Menschen  den  nöthigen  Wasserbedarf  liefern,  oder  doch  Wasser  in  ge- 
ringerer Tiefe  zu  ersenken  ist;  wo  schon  die  Natur  durch  einen  dichten 
mehr  mit  Blättern  untermischten  weichen  Rasen  besonders  günstige  Vegetations- 
bedingungen andeutet  und  wo  die  Culturpflanzen  einen  reicheren  und  sicheren 
Wasserzufluss  und  in  dem  fetten,  jungfräulichen,  an  löslichen  mineralischen 
Nahrungsmitteln  reichen  Boden  ein  üppiges  Gedeihen  finden.  In  den  dichteren 
Grasrasen  mischen  sich  dann  noch  allerlei  andere  Pflanzen  aus  verschiedenen 
Familien;  eine  je  nach  dem  Salzgehalte  und  dem  Feuchtigkeitszuflusse  ver- 
änderliche Vegetation  von  Gewächsen,  die  oft  mit  fleischigen  Blättern  versehen 
und  dem  Boden  anliegend,  zuweilen  auch  dem  Menschen  eine  gesunde  und 
angenehme  Nahrung  darbieten  (wie  verschiedene  Portulac-Arten),  zuweilen  sein 
Auge  durch  reichen  Schmuck  in  brennendsten  Farben  prangender  Blüthen 
erfreuen  (Portulac-Arten,  Verbenen,  besonders  die  herrliche  Scharlach verbene, 
Korbblütler,  Schmetterlingsblüthler,  Euphorbien)  und  fast  durchweg  dem  Vieh 
eine  rasch  fettmachende  Nahrung  gewähren". 

„Trockener  sind  die  flachen  Anschwellungen  der  unendlichen  Pampa  und 
ihre  Vegetation  trägt  hauptsächlich  jene  Eigentümlichkeiten  an  sich,  die 
dem  Europäer,  besonders  dem  Deutschen,  durch  den  Gegensatz  zu  seiner 
Heimath  auffallen". 

„Nicht  der  schwellende,  dichte,  üppige  Grasrasen  ist  es,  von  Blumen 
durchwebt,  welcher  unsere  Wiesen  schafft,  sondern  zerstreute  dichte  Büschel 
harter  Gräser  (vorwiegend  Stipa-  und  Melica-Arten),  die  sich  inselartig  über 
den  gelbbraunen  Lehmboden  erheben.  WTo  die  Formation  am  ausgeprägtesten 
ist,  befindet  sich  zwischen  diesen  isolirten  Grasbüscheln  nackter  Lehmboden, 
oft  ausgewaschen  und  durch  Regen  fortgeführt,  so  dass  die  einzelnen  Gras- 
büschel auf  wirklichen  Erhöhungen  aufsitzen ;  oft  aber  auch,  besonders  in  der 
günstigen  Jahreszeit,  ist  er  mit  allerlei  zarteren  Gräsern  und  Stauden  bedeckt, 
wenigen  Arten,  aber  zum  Theil  mit  prächtigen  Farben.  Zwischen  die  wenigen 
Grasarten  der  oben  erwähnten  Gattungen,  welche  ohne  Zweifel  den  Hauptton 
in  der  Grasvegetation  angeben ,  mischen  sich  noch  eine  Anzahl  anderer  . . . 
Für   das   Auge    stellen   diese    Gräser   eine   geschlossene   Grasdecke   dar  und 


IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  GürteL    533 


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534  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

die  Pampa  bietet  den  Anblick  grosser  Rasenfluren  von  sehr  verschiedener 
Färbung  je  nach  den  Jahreszeiten:  Kohlschwarz  im  Frühjahre,  wenn  die  alten 
Grasreste  weggebrannt  sind ;  lebhaft  blaugrün,  wenn  die  jungen  Blätter  hervor- 
kommen; später  braungrün,  die  Farbe  des  erwachsenen  Grases;  endlich  — 
zur  Blüthezeit  —  wenn  die  silberweissen  Blüthenähren  die  Rasen  überragen, 
gewährt  sie  auf  weiten  Strecken  den  Anblick  eines  wallenden,  wogenden 
Meeres  von  flüssigem  Silber  . .  . 

Die  Pflanzenfamilie,  die  nach  den  Gramineen  durch  die  grasste  Anzahl 
Individuen  in  den  Pampas  vertreten  ist,  ist  die  der  Compositen ;  meist  struppige 
Halbsträucher  mit  unansehnlichen  Blüthen,  nur  eine  lebhaft  gelbe  Solidago 
leuchtet  aus  den  arideren  hervor. 

Sonst  sind  es  hauptsächlich  Verbenen,  Portulac- Arten,  Malven  und  einige 
Schmetterlingsblüthler,  die  den  ärmlichen  Blüthenschmuck  der  Pampa  bilden 
.  .  .  Schilfgräser  und  eine  hohe  Mannstreu  (Eryngium)  wachsen  häufig  am 
Rande  von  Gewässern."1) 

§  4.  Die  australischen  Grasfluren.  Von  den  ausgedehnten 
Savannen  und  Steppen  des  Inneren  von  New -South -Wales  (Fig.  266) 
und  Victoria  liegen  Schilderungen  nicht  vor.  Die  vielfach  von  niederen 
Hartlaubgehölzen  (Scrub)  und  von  Wüsten  unterbrochenen,  in  ihren 
mehr  fertilen  Theilen  meist  in  Getreidefelder  umgewandelten  Grasfluren 
Süd -Australiens  werden  von  Schomburgk  folgendermaassen  beschrieben: 
„Das  sogenannte  Grasland2)  nimmt  den  grösseren  Theil  der  Oberfläche 
Süd -Australiens  ein  und  besteht  aus  endlosen  welligen  Ebenen,  die 
sich  von  der  Küste  nach  Norden  und  Osten  ausdehnen.  Längs  der 
Küste  und  Hunderte  von  Meilen  im  Inneren  sind  die  Grasebenen 
grösstentheils  verschwunden  und  bilden  nur  landwirtschaftliche  Bezirke, 
wo  das  beste  aller  bekannten  Getreide  gezogen  wird;  der  Boden  ist 
bald  von  bester,  bald  von  massig  guter  Qualität." 

Die  Ebenen  des  Innern  sind  zum  grössten  Theil  wüstenartig  und  ihr 
Boden  oft  sehr  salzreich.  „Die  Ebenen  in  der  Nähe  der  Küste  haben  anderen 
Charakter,  ihr  Boden  ist  meist  fruchtbar  .  .  .  Die  Gräser  gehören  mehr 
nahrhaften  Arten  an  als  im  Innern,  nämlich :  Poa,  Panicum,  Festuca,  Agrostis, 
Aira,  Andropogon,  Cynodon,  Stipa,  Pennisetum,  Bromus,  Eriachne,  Anthistiria, 
Hordeum  etc.  Hier  erscheinen  auch  zahlreiche  niedrige  Sträucher,  wie 
Bursera  und  Grevillea,  sowie  kleine,  starkverzweigte  Bäume  von  „Peppermint" 
(Eucalyptus  odorata),  Myoporum,  Pittosporum,  Casuarina  und  Acacia,  die 
bald  einzeln  wachsen,  theils  zu  Hainen  ohne  Unterholz,  ähnlich  Oasen  in 
der  Wüste,  vereint  sind.8)  Die  Ufer  der  Flüsse  und  ihrer  Mündungen  sind 
von  majestätischen  Eukalypten,  oft  riesenhafter  Dimensionen,  und  von  Sträuchern 
eingefasst.  Diese  Ufervegetation  stellt  gleichsam  grüne  Bänder  dar  . . .  Das 
Grasland,   thatsächlich  die  ganze  Oberflächenbildung  der  Ebenen,  hat  grosse 


*)  Lorentz,  S.  17—19. 

2)  Schomburgk  rechnet  zu  demselben  auch  die  Wüste. 

3)  Kleine    Savannenwälder,  offenbar   in    feuchten  Depressionen,   ähnlich  wie  in    den 
Campos  Brasilien^. 


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IV.  Die  immerfeuchten  und  sommerfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel,    jic 

Aehnlichkeit  mit  den  Savannen  von  Britisch-Guiana  —  natürlich  bei  grossem 
Unterschied  beider  Floren;  die  Savannen  haben  meistens  ebenfalls  den 
welligen  Boden,  die  zerstreuten  reich  verzweigten  Bäume,  die  Oasen,  die 
Baumgürtel  längs  der  Wasserläufe,  und  die  Gräser-  und  Kräuterdecke  zeigt, 
während  der  Trockenzeit,  das  gleiche  vertrocknete  vergilbte  Aussehen.  Nach 
Beginn  der  Regenzeit  kommt  das  gleiche  zauberartige  Erscheinen  von  Gräsern 
und  Kräutern  zum  Vorschein." 

„Die  Regenzeit  beginnt  gewöhnlich  im  Mai  und  hat  auf  die  Kräuterdecke 
der  Ebene  eine  zauberartige  Wirkung;  einige  starke  Regenschauer  wandeln 
die  strohähnliche  Decke  in  einen  schönen  grünen  Teppich  um." 

„Die  Schnelligkeit,  mit  welcher  namentlich  die  einjährigen  Gräser  auf- 
gehen, ist  so  gross,  dass  die  Ebene  nach  wenigen  Tagen  in  einem  saftigen 
Grün  erscheint,  welches  sonst  nur  in  nördlichen  Zonen  gesehen  wird.  Gleich- 
zeitig mit  dem  Gras  kommen  viele  Blüthen  zum  Vorschein,  die  gelben  von 
Ranunculus  lappaceus  Sm.,  rivularis  Banks;  Oxalis  cognata  Steud;  Hypoxis 
glabella  R.  Br.,  die  weissen  von  Drosera  rosulata  Lehm;  die  blauen  von 
Wahlenbergia  gracilis  Dec;  Anguillaria  biglandulosa  R.  Br.;  Stackhousia  ob- 
tusa  Lindl.  Jede  Woche  fügt  neue  Farben  hinzu :  Die  scharlachrothen  Blüthen 
von  Kennedya  prostrata,  die  violetten  von  Swainsonia  procumbens  F.  Muell., 
die  zarten  Blüthen  des  an  trockenen  Grashalmen  emporkletternden  oder  nie- 
deres Gesträuch  überziehenden  Thysanotus  Patersoni.  Die  Blüthen  der  frei- 
stehenden und  der  in  Haine  vereinigten  Bäume  glänzen  bald  in  gelbem 
Kleid.  Loranthus  Exocarpi  Behr.  und  Miqueli  Lehm.,  welche  auf  Casuarina 
und  Eucalyptus  odorata  schmarotzen,  hängen  bedeckt  von  rothen  Blüthen,  frei 
in  die  Luft  Die  kleinen  Sträucher  von  Bursera  spinosa  sind  von  weissen 
Blüthchen  besäet,  mitten  unter  roth  blühenden  strauchigen  Grevillea -Arten; 
Compositenblüthen  sind  überall  in  den  verschiedensten  Farben  sichtbar  .  .  . 
Gegen  Ende  November  wird  die  Zahl  der  blühenden  Pflanzen  bereits  viel 
kleiner,  die  einjährigen  Gräser  und  andere  krautige  Gewächse  vertrocknen 
und  verschwinden,  das  Grasland  gleicht  im  Januar  einem  reifen,  dürren  Korn- 
feld und  nur  wenige  vereinzelte  Sträucher  und  Kräuter,  wie  Convolvulus 
erubescens,  Lobelia  gibbosa  Labill.,  mit  fleischigen  Stielen  und  Blättern,  Mesem- 
bryanthemum  australe  Soland.  In  einigen  Gegenden  erscheint  diese  Periode 
früher  oder  auch  später.  Die  Samen  der  einjährigen  Gewächse  sind  gefallen, 
die  Stauden  sind  in  Schlaf  versunken,  um  bei  Beginn  der  nächsten  Regen- 
zeit zu  neuem  Leben  zu  erwachen,  und  die  Ebenen  haben  während  des 
Sommers  ein  düsteres,  vertrocknetes  Aussehen."1) 

*)  L  c.  S.  ii— 12. 


536  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Die  subtropischen  und  die  temperirten  Regenwälder. 

Di  eis,  L.  Vegetations  -  Biologie  von  Neu -Seeland.  Engler's  Botan.  Jahrb. 
Bd.  XXII.     1896. 

Hochstetter,  F.  v.     Neu -Seeland.     Zwei  Bände. 

Ihering,  H.  v.  Zur  Kenntniss  der  Vegetation  der  südbrasilianischen  Sub- 
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Johow,  F.  Estudios  sobre  la  flora  de  las  islas  de  Juan  Fernandez.  San- 
tiago  1896. 

Krone.     Bilder  aus  Australien.     Isis  1877. 

Lorentz,  P.  G.  Vegetationsverhältnisse  der  argentinischen  Republik. 
Buenos -Aires  1876. 

Mayr,  H.     I.    Die  Waldungen  von  Nordamerika.     München  1890. 

—  IL  Aus  den  Waldungen  Japans.     München  1891. 

P  h  i  1  i  p  p  i ,  R.  A.  Botanische  Reise  nach  der  Provinz  Valdivia.  Botanische 
Zeitung.     Bd.  XVI.     1858. 

Rein,  J.  J.     Japan  nach  Reisen  und  Studien.     Bd.  I.     Leipzig  1881. 

Sargent.  Die  Wälder  von  Nordamerika.  (Auszug.)  Petermann's  Mit- 
theilungen 1886. 

Tenison-Woods.      On    the    forests    of    Tasmania.      Nature.      Bd.  XXI. 

s.  573. 


2.  Die  xerophilen  Gehöliformationen. 

B  e  h  r ,  H.  Ueber  die  Verhältnisse  der  südaustralischen  Flora  im  Allgemeinen. 
Linnaea.     1847.     S.  543. 

Brown,  R.  Bemerkungen  über  die  Flora  Australiens.  Vermischte  Schriften. 
Bd.  I. 

Hieronymus,  G.  Ueber  die  klimatischen  Verhältnisse  der  südlichen 
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Lorentz,  P.  G.  I.  Vegetationsverhältnisse  der  argentinischen  Republik. 
Buenos-Aires.     1876. 

—  IL  La  Vegetacion  del  Nordeste  de  la  provincion  de  Entre-Rios.  Buenos- 
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Schomburgk,  R.     The  flora  of  Southaustralia.     Adelaide  1875. 

Tschudi,  J.  J.  v.  Reisen  durch  Südamerika.  Bd.  IV.  (Südbrasilien,  Argen- 
tinien).    Leipzig   1868. 


8.  Die  Grasflurformationen. 

Bolus,  H.     Grundzüge  der  Flora  von  Südafrika.    Aus  dem  Englischen  von 

O.  Kersten.     Leipzig  1888. 
Hieronymus  s.  u.  2. 
Kurtz,   F.      Dos   viajes   botanicos  al   Rio    Salado   superior.     Bolet   de  la 

Academia  nac.  de  Cordoba.     T.    XIII.     1893. 
Lorentz  s.  u.  2. 


Auswahl  der  Literatur. 


537 


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Bd.  Vni.     1887.     Beiblatt  No.   18. 

Niederlein.  I.  Südöstliche  Pampa  bis  Rio  Salado.  Zeitschr.  der  Gesell- 
schaft für  Erdkunde.     Bd.  XVI  und  XVIII. 

—  IL  Einige  wissenschaftliche  Resultate  einer  Reise  in  die  südöstliche  Pampa 

bis  zum  Rio  Salado.    Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde.    Bd.  XVIII. 

1883. 
Schomburgk  s.  u.   2. 
Scott  Elliot,  G.  F.    Notes  on  the  regional  distribution  of  the  Cape  Flora. 

Transactions  of  the  botanical  Society.    Vol.  XVIII.    Edinburgh  1891. 
Thode,  J.    Die  Küstenvegetation  von  British -KatTrarien  und  ihr  Verhältniss 

zu  den  Nachbarfloren.     Engler's  Botan.  Jahrb.    Bd.  XII.     1890.    S.  589. 

—  Die  botanischen  Höhenregionen  Natal's.    Engler's  Botan.  Jahrb.    Bd.  XVIII. 

1894.     Beibl.     No.  43. 


V.  Die  winterfeuchten  Gebiete  der  warm- 
temperirten  Gürtel. 

§  i.  Die  Hartlaubgehölze  im  Allgemeinen.  Verbreitung  und  ökologischer 
Charakter  der  Formationen.  Blattstructur.  Nebenbestandtheile.  Existenzbedingungen.  —  §  2. 
Die  Hartlaubgehölze  der  Mittelmeerländer.  Maquis.  Physiognomie.  Systema- 
tische Zusammensetzung.  Charakter-Gewachse.  —  §  3.  Die  kapländi sehen  Hartlaub- 
gehölze. Niedrige  Gebüsche.  Seltenheit  der  Bäume.  Vorwiegen  kleiner  linealiscber 
Blätter.  —  §  4.  Süd-  und  westaustralische  Hartlaubgehölze.  Oekologische 
Aehnlichkeit  mit  anderen  Hartlaubgehölzen.  Vorherrschen  schmal  elliptischer  Blätter.  Der 
südwestliche  „Scrub"  nach  Schomburgk  und  nach  Behr.  —  §  5.  Die  kalifornischen 
Hartlaubgehölze.  Oekologischer  und  systematischer  Charakter.  Gesträuche.  Hoch- 
wälder von  Sequoia  sempervirens.  Die  „Chaparrals".  —  §  6.  Die  chilenischen  Hart- 
lau bgehölze.     Oekologie  und  systematische  Bestandteile. 

§  1.  Die  Hartlaubgehölze  im  Allgemeinen.  Während  die  im  Vor- 
hergehenden besprochenen  Gebiete  in  dem  Zusammenfallen  der  Regen- 
zeit mit  hohen  Temperaturen  klimatisch  den  Tropen  ähnlich  sind  und 
dementsprechend  eine  tropenähnliche  Vegetation  besitzen,  hört  die 
Aehnlichkeit  in  den  Strecken  vollkommen  auf,  wo  die  Niederschläge 
mit  den  niederen  Temperaturen  zusammenfallen ,  während  die  wannen 
Jahreszeiten  ganz  oder  nahezu  regenlos  sind.  Dem  scharfen  Unter- 
schied der  klimatischen  Bedingungen  entspricht  hier  ein  völlig  ver- 
ändertes Vegetationsbild,  welches  eines  Analogon  zwischen  den  Wende- 
kreisen durchaus  entbehrt.  Die  mildtemperirten  Gebiete  mit 
Winterregen  und  langer  Sommerdürre  sind  die  Heimath 
der  immergrünen  xerophilen  Holzpflanzen,  die  wir  wegen 
der  Härte  ihrer  dicken,  lederartigen  Blätter  als  Sklerophyllen  oder 
Hartlaubhölzer  bezeichnet  haben. 

Die  in  diese  Gruppe  gehörigen  klimatischen  Gebiete  sind  die 
Küstenländer  des  Mittelmeeres,  die  Südwestecke  Afrika's,  Südwest- 
australien und  der  grössere  Theil  von  Südaustralien,  das  mittlere  Chile 
und  der  grössere  Theil  des  Küstenlands  von  Californien.    In  allen  diesen 


V.   Die  winterfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel. 


539 


weit  von  einander  entfernten  Ländern,  trägt  die  Vegetation,  trotz  aller 
tiefgreifenden  Unterschiede  der  floristischen  Zusammensetzung,  wesent- 
lich das  gleiche  Gepräge.  Sie  ist  von  den  Sklerophyllen  und,  in 
untergeordneter  Weise  aber  regelmässig ,  von  Knollen-  und  Zwiebel- 
pflanzen beherrscht.  Formationen  immergrüner  xerophiler  Laubhölzer 
zeigen  sich,  ausserhalb  der  erwähnten  Gebiete,  beinahe  nur  im  Bereich 
des  Höhenklimas.  So  bilden  sie  z.  B.,  wie  in  einem  spätem  Kapitel 
gezeigt  werden  soll,  auf  den  Berggipfeln  des  malayischen  Archipels 
ausgedehnte  Gebüsche.  Wesentlich  abweichende  anatomische  Anpas- 
sungen der  Blätter  zeichnen  jedoch  diese  Gewächse  vor  den  Hartlaub- 


Fig.  268.     Oelbäume  bei  Nizza.     Nach  einer  Photographie. 


gehölzen  der  winterfeuchten  temperirten  Niederungen  aus.  Hingegen  kön- 
nen edaphische  Einflüsse  das  Colonisiren  benachbarter  Gebiete  von  ab- 
weichendem Klima  durch  die  Hartlaubgehölze  bedingen.  So  treten  sie 
in  den  Savannengebieten  des  östlichen  Kaplands  als  Bekleidung  san- 
diger Dünen  auf.  Ausserdem  haben  sich  vereinzelte  Arten  neuen  kli- 
matischen Bedingungen  angepasst  und  treten  als  Nebenbestandtheile  in 
den  klimatischen  Formationen  anderer  Gebiete  auf,  wie  Lorbeer  und 
Buchs.  Es  handelt  sich  jedoch  in  solchen  Fällen  um  untergeordnete 
Erscheinungen,  ausser  in  Australien,  wo  die  Hartlaubgehölze  eine  sehr 
grosse  Verbreitung  haben.  Viele  Erscheinungen  machen  es  wahrschein- 
lich, dass  das  winterfeuchte  und  sommertrockene  Westaustralien,  wo  die 


54Q 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


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V.   Die  winterfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel. 


541 


Hartlaubflora   bei   weitem   ihren   grössten   Reichthum   zeigt,    der  Heerd 
ist,  aus  welchem  dieselbe  andere  Gebiete  Australiens  colonisirt  hat. 

Innerhalb  der  Hartlaubgebiete  zeigen  sich  an  zwei  Stellen  Grasfluren, 
nämlich  im  Sacramento-Thal  in  Californien  und  in  einem  Theil  Süd -Austra- 
liens. Hohe  Temperaturen  erlauben  hier  die  Entwickelung  der  Gräser  wäh- 
rend des  Winters,  ausserdem  dürften  edaphische  Einflüsse  dieselbe  begünstigen. 
Der  Boden  ist,  wie  die  Getreide-Culturen  zeigen,  für  das  Gedeihen  der  Gräser 
in  ganz  hervorragender  Weise  geeignet. 


Fig.  270.     Kapländische  Hartlaubflora:    Proteaceenvegetation  auf  dem  Tafelberg. 
Nach  einer  Photographie. 


Die  Hartlaubhölzer  der  winterfeuchten  Gebiete  sind,  da  wo  der  Mensch 
die  ursprünglichen  Verhältnisse  nicht  zerstört  hat,  stets  zu  zusammen- 
hängenden und  dichten  Gehölzen  vereinigt,  welche  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  vorwiegend  oder  ausschliesslich  aus  Sträuchern  bestehen,  stellen- 
weise aber  echte,  wenn  auch  nur  niedere  bis  mittelhohe  Wälder  bilden. 

Die  Bäume  sind  meist  niedrig,  ihr  Stamm  ist  gewöhnlich  massiv,  ihre 
Aeste  sind  knorrig.  Die  Blätter  sind  (Fig.  271 — 278)  höchstens  mittel- 
gross, etwa  von  der  Grösse  von  Lorbeer-  oder  von  Oleanderblättern, 
meistens  kleiner  bis  sehr  klein;  sie  sind  beinahe  niemals  zusammen- 
gesetzt, in  der  Regel  schmal  lanzettlich  oder  linealisch  bis  nadeiförmig, 


542 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


meist  ganzrandig.  Sie  stellen  sich  gewöhnlich  nicht  mit  ihrer  breiten 
Fläche  senkrecht  zur  Richtung  des  stärksten  Lichtes,  sondern  pflegen 
dem  letzteren  durch  schiefe  oder  gar  durch  parallele  Stellung  auszuweichen. 
Reiche  lufthaltige  Haarüberzüge  gehen  den  Blättern  ab  oder  sind  auf 
die  Unterseite  beschränkt,  dagegen  sind  Drüsenhaare  auf  beiden  Blatt- 
seiten  nicht   selten.     Auch   bei  Fehlen   der  Behaarung  sind  die  Blätter 


Fig.  271.    Kapländische  Hart- 
laubflora.    Breites    lorbeerähn- 
liches Blatt  von  Olea  capensis. 
Nat.  Gr. 


Fig.  272.     Kapl&ndische  Hartlaubflora. 

Olinia  acuminata  L.  IC  (Oliniaceae). 

Nat.  Grösse. 


relativ  selten  glänzend,  sondern  häufiger,  auch  bei  glatter  Oberfläche, 
vielleicht  durch  Harzausscheidungen,  matt,  oft  bläulich.  In  histologischer 
Hinsicht  ist  das  Laub  charakterisirt  durch  Dickwandigkeit  sämmtlicher 
auch  der  parenchymatischen  Zellen,  Reichthum  an  Sklerenchym,  starke 
Ausbildung  der  Cuticula,  Zurücktreten  der  Intercellularen ;  alle  diese 
Eigenschaften  zusammen  verleihen  ihm  seine  charakteristische,  hart 
lederartige  Beschaffenheit. 


V.    Die  winterfeuchten  Gebiete  der  warmtemperirten  Gürtel. 


543 


Knoblauch  hat  die  Blätter  der  kapländischen  Hartlaubgehölze  näher 
untersucht  Dieselben  gehören  vorwiegend  dem  e  r  i  k  o  i  d  e  n  Typus  an.  Die- 
selben besitzen  auf  einer  Blattseite  eine  oder  zwei  Längsfurchen,  in  welchen 
die  Spaltöffnungen  sich  ausschliesslich  oder  fast  ausschliesslich  befinden: 
Ericaceen,  Verbenaceen,  Rubiaceen,  Rhamnaceen  (Phylica),  Thymelaeaceen, 
Rosaceen  (Cliffortia  falcata),  Anacardiaceen  (Rhus  rosmarinifolia). 

Im  pinoiden  Blatttypus  ist  das  Chlorophyllgewebe  centrisch  gelegen. 
Derselbe  zeigt  sich  bei  verschiedenen  Leguminosen,  Bruniaceen,  Diosmeen, 
Proteaceen,  Polygalaceen,  Thymelaeaceen,  Ericaceen. 

Die    flachen  Blätter  treten    in    der    Capflora   zurück,    namentlich   solche 
grosser  Dimensionen  (Leucadendron  argenteum.    Protea  macrophylla,  Pr.  coc- 
cinea).    Ihre  Epidermis  besitzt  stets  sehr 
dicke  Aussenwände. 

Vergleicht  man  die  Sklerophyllen 
mit  anderen  xerophilen  Holzpflanzen, 
so  fällt,  nächst  dem  immergrünem 
Laube,  namentlich  das  Fehlen  eines 
der  gewöhnlichsten  Schutzmittel 
gegen  die  Gefahr  des  Vertrocknens, 
dasjenige  der  Wasserspeicher,  auf, 
welche  sich  weder  im  Laube,  noch 
in  den  Wurzeln  zeigen.  Bereits 
wurde  auf  das  gewöhnliche  Fehlen 
schützender  Haarbekleidung  an  der 
Blattoberseite  sowie  auf  die  Selten- 
heit der  in  anderen  xerophilen  Ver- 
einen so  häufigen  Fiederblätter  hin- 
gewiesen. Die  bei  anderen  xerophilen 
Gewächsen  ebenfalls  häufige  Dorn- 
bildung ist  bei  den  Sklerophyllen  bei- 
nahe unbekannt  und  die  Laubknospen 
entbehren  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
einer  schützenden  Schuppenhülle. 

Wenn  auch  die  Sklerophyllen  die  Vegetation  in  den  durch  sie 
charakterisirten  Gebieten  vollkommen  beherrschen,  so  sind  sie  doch 
stets  von  Gewächsen  abweichender  Structur  und  Lebensweise  be- 
gleitet. Unter  diesen  nehmen  Zwiebel-  und  Knollenpflanzen 
einen  hervorragenden  Platz  ein;  man  findet  sie  stets  in  nächster  Nähe 
der  Hartlaubgebüsche  und  meist  in  grösster  Formenmannigfaltigkeit. 
Der  Reichthum  der  Mediterranländer,  des  Caplandes,  Chiles  und  Cali- 
forniens  an  solchen  Gewächsen  ist  allgemein  bekannt  und  auch  für 
Süd-  und  Südwestaustralien  wird  dieselbe  betont.  Nirgends  in  an- 
deren Gebieten  bilden  sie  einen  so  wesentlichen  Bestandtheil  der  Vege- 
tation.    Zwischen   den  Sklerophyllen   sieht   man   einzelne  aphylle  Holz- 


Fig.     273.       Kapländische     Hartlaubflora. 

Grubbia  stricta  A.  DC.  (Grubbiaceae).  Nat.  Gr. 

Nach  Hieronymus  in:  Nat.  Pflanzenfam. 


544 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


gewächse,  einige  Succulenten,  z.  B.  Cacteen  in  Amerika,  Mesembryan- 
themum  am  Cap ;  doch  sind  diese  Gewächse  keineswegs  formenreich  und 
sind  stets  Colonisten  aus  andern  Gebieten,  namentlich  aus  den  Wüsten. 
Die  Holzlianen  sind  spärlich  und  sehr  dünnstämmig;  dagegen  sind  krautige 
Schlingpflanzen  manchmal  häufig.  Sonstige  Kräuter  bieten  ausser  den 
schon  erwähnten  Succulenten,  nichts  charakteristisches.    Moose  undFlech- 


Fig.  274.     Californische  Hartlaubflora:  Umbellularia  californica  (Laurac).     Nat  Gr. 

(Herb.  Dudley.) 


ten  sind  auf  der  Rinde  der  Bäume  sehr  spärlich  oder  fehlen  ganz;  höhere 
Epiphyten  sind  nie  vorhanden,  auch  da,  wo  sie  in  benachbarten  Gebieten 
mit  ähnlichen  oder  niedrigeren  Temperaturen  vorkommen  (Kapland,  Chilel 
Es  wäre  verfrüht,  die  eben  erwähnten  Eigentümlichkeiten 
der  Sklerophyllen  und  der  von  ihnen  gebildeten  Vereine,  nament- 
lich  in   Bezug   auf  ihre   Unterschiede    anderen   Xerophilen    gegenüber, 


V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


545 


auf  Grund  der  vorhandenen  klimatischen  Daten  deuten  zu  wollen.  Da 
bleibt  vielmehr  für  exakte  physiologische  Forschung  ein  weites  Feld 
offen.  Doch  lässt  sich  der  Nutzen  der  auffallendsten  Eigenthümlichkeit 
der  Sklerophyllen,  das  immergrüne  Laub,  schon  jetzt  mit  Wahrschein- 
lichkeit nachweisen.  Die  Vegetation  in  den  Hartlaubgebieten  ist 
nämlich  nur  kurzen,  aber  häufigen  und  unregelmässigen  Perioden  des 
Stillstandes  unterworfen,  die  theils  durch  Winterkälte,  theils  durch 
sommerliche  Trockenheit  bedingt  sind ;  anderseits  bieten  nur  kurze  Pe- 
rioden in  Bezug  auf  Temperatur  und  Feuchtigkeit  Optimalbedingungen. 
Vielmehr  zeigen  diese 
beiden  wichtigsten  kli- 
matischen Factoren  des 
Pflanzenlebens  meist  eine 
sehr  ungünstige  Trennung 
voneinander.  Die  Winter- 
temperaturen sind  an  vie- 
len Tagen  hoch  genug, 
um  die  an  wenig  Wärme 
gebundene  Arbeit  der 
Assimilation  zu  ermög- 
lichen *)  und  während  die- 
ser Zeit  der  grössten 
Bodenfeuchtigkeit  ist  der 
Zufluss  von  Rohsaft,  so- 
wie dessen  Verarbeitung 
gewiss  weit  ergiebiger 
als  während  der  sommer- 
lichen Trockenheit. 

Während  der  letz- 
teren ist  die  Temperatur 
für  die  Assimilation  zwar 
andauernd  günstig ;  da- 
gegen wirkt  ihr  die 
Trockenheit,    indem    sie 

Verengung  oder  Verschluss  der  Spaltöffnungen  bedingt,  entgegen.  Es 
wäre  von  grossem  Interesse,  die  Ergiebigkeit  der  Assimilation  bei  den 
Sklerophyllen  während  der  verschiedenen  Jahreszeiten  und  bei  möglichst 
verschiedener  Witterung,  natürlich  nur  an  natürlichen  Standorten,  zu 
untersuchen,  und  festzustellen,  ob  die  niedrigen  Temperaturen  des 
Winters  oder  die  Trockenheit  des  Sommers  ihr  mehr  entgegenwirken. 
Höchst  wahrscheinlich   ist    die  jährliche  Assimilation  der  Sklerophyllen 


4AJU-*« 


Fig.  275.  Californische  Sklerophyllen :  Quercns  chrysolepis. 
Nat.  Gr.     Nach  Sargent. 


J)  Ueber  winterliche  Assimilation  bei  chilenischen  Sklerophyllen  s.  Meigen,  II.    S.  101. 
Schimper,  Pflanzengeographie.  35 


546 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


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Fig.  276.   Mediterrane  Hartlaubflora.    Cneo- 
rum  tricoccum.     Nat.  Gr. 


Fig.  277.  Kapländische  Hartlaubflora.  Poh- 
gala  myrtifolia.     Nat  Gr. 


Fig.  278.      Westaustralische   Hartlaubflora. 

Amphithalea   ericifolia   E.  et  Z.     Nat.  Gr. 

Nach  Taubert  in:  Nat.  Pflanzenfam. 


Fig.  279.     Kapländische   Hartlaubflon : 
Phylica  ericoides.    Nat.  Gr. 


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V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


547 


nicht  grösser  als  die  der  periodisch  grünen  Holzpflanzen,  indem  letztere 
nicht  nur  ein  zarteres  Laub  mit  weniger  geschützten  Spaltöffnungen 
besitzen,  sondern  dasselbe  ausserdem  unter  viel  günstigeren  Bedingungen 
functioniren  lassen. 

Der  grosse  Nutzen  des  immergrünen  Laubes  in  einem  Klima  mit 
winterlichen  Regen  und  sommerlicher  Trockenheit  ist  nach  dem  Vor- 
hergehenden  einleuchtend.     Von  den  übrigen  Eigentümlichkeiten  der 


Fig.  281.     Mediterrane  Hartlaubflora:    Quercus  Ilex.     Nach  Flahault. 

Sklerophyllen  erscheint  auch  die  grosse  Häufigkeit  unbeschuppter  Knos- 
pen wohl  begreiflich,  indem  letztere  während  des  Winters  keines 
Schutzes  gegen  Trockenheit  bedürfen,  im  Sommer  aber  ausgebildet 
werden  und  daher  eine  starre  Hülle  entbehren  müssen;  der  nöthige 
Schutz  wird  durch  Behaarung,  Harzüberzüge  etc.  geliefert. 

§  2.  Die  Hartlaubgehölze  der  Mittelmeerländer.    Das  bekannteste 
der  von  Sklerophyllgehölzen  bewohnten  Gebiete  ist  das  Küstenland 

35* 


548 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


des  Mittelmeers;1)  dasselbe  bietet  jedoch  kaum  irgendwo  noch 
ein  unverändertes  Bild  der  ursprünglichen  Vegetation  dar.  Weite 
Strecken  erscheinen  in  der  Ferne  beinahe  pflanzenleer,  indem  das 
fahle,  staubige  Gestrüpp,  das  den  Boden  dürftig  bedeckt,  sich  in  der 
Farbe  nur  wenig  von  demselben  unterscheidet.  Solche  öde  Strecken, 
die  in  Südfrankreich  „garigues"  genannt  werden,  kommen  meist  nur 
auf  Kalkboden  vor  und  stellen  die  Ueberreste  früherer  Wälder,  in 
welchen    Steineiche    (Quercus    Hex    L.    Fig.    281)    und    Aleppokiefer 

(Pinus  ha]  epensts)  herrsch- 
ten, dar;  nur  selten  sind 
diese  Bäume  noch  zu 
niedrigen  lichten  Wäl- 
dern gruppirt  AuflGeseU 
boden  ist  die  Vegetation 
üppiger ;  das  Gesträuch 
wird  dichter,  höher  und 
stellt  den  sogenannten 
„Maquis"  dar  (Fig.  280), 
der  namentlich  in  Corsika 
zu  reicher,  typischer  Au* 
bildung  gelangt  ist.  Auch 
der  Maquis  ist  vielfach 
als  das  allein  erhallen  1 
Unterholz  ursprünglicht*: 
Wälder  zu  betrachten 
deren  Bäume,  bis  auf 
einige  Exemplare,  der  Axt 
verfallen  sind.  Auf  Kiesel- 
boden  sind  diese  Bäumt 
in  Südfrankreich ,  vor- 
nehmlich Pinus  mannen. 
und  Quercus  Subcr,  wih~ 
rend  Steineiche  und  Alep 
pokiefer  nur  noch  unter 
geordnet  auftreten.  Die 
auf  den  meisten  Landschaftsbildern  aus  den  Mittelmeerländern  vertretene 
Pinie  (Pinus  Pinea  Fig.  283)  bildet  hie  und  da,  auf  Sandboden,  lockere 
Bestände,  ohne  einen  wesentlichen  und  allgemeinen  Bestandtheil  der 
Vegetation   zu    bilden,   wie   die    eben    genannten   weniger   schön   ge- 


Fig.  282.     Quercus  Dex.     2/3  nat.  Gr. 


!)  Die  genauesten  diesbezüglichen  Arbeiten  sind  diejenigen  von  Flahanlt.  (VgL  das 
Literaturverzeichniss.)  Eine  sehr  anziehende  Schilderung  hat  Grisebach  in  der  Vegetariern 
der  Erde   Bd.  I,  S.  240  u.  f.  auf  Grund  eigener  Beobachtungen  gegeben. 


V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


549 


stalteten  Kiefern.    Noch  mehr  tritt  die  allbekannte  Cypresse  (Fig.  284) 
im  wildwachsenden  Zustande  zurück. 


Fig.  283.     Pinus  Pinea  am  Mittelmeer.     Nach  einer  Photographie. 


Die   Maquis   besitzen   manchmal    auf   weiten   Strecken    eine    sehr 
monotone    Zusammensetzung;     so     sind     sie    in    Spanien     meilenweit 


55o 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


ganz  vorwiegend  von  Cistus-Arten  (Fig.  285),  im  Osten  nicht  selten 
hauptsächlich  von  Pistacia  Lentiscus  (Fig.  286),  gebildet.  Auch  in 
diesen  Fällen  jedoch  sind  den  vorherrschenden  andere  Typen  bei- 
gemengt und  ein  buntes  Formengemisch  bildet  wohl  die  Regel. 

Die  systematische  Zusammensetzung  der  Hartlaubgehölze  zeigt  je 
nach  der  Gegend,  der  Höhe  über  dem  Meere,  der  physikalischen  und 
chemischen  Beschaffenheit  des  Bodens  mannigfache  Unterschiede; 
überall  jedoch  ist  ihr  ökologischer  Charakter  bewahrt.  Niedrig  und  locker 
in  den  Garigues,  höher  und  mehr  verschlungen  in  den  Maquis,  zeigen 

Sträucher  und  Bäume  stets 
aufrechte,  steife,  mattgrüne 
Blätter.  Man  möchte  diesel- 
ben für  Glieder  einer  grossen 
Familie  betrachten ,  wenn 
die  Blüthen,  die  in  keiner 
erkennbaren  Weise  den  Ein- 
fluss  des  Klimas  erlitten 
haben,  nicht  sofort  eines 
anderen  belehrten. 

Die  Zahl  der  häufigen 
Sklerophyllen  ist  in  den 
Mittelmeerländern  eine  so 
grosse,  dass  eine  Auswahl 
besonders  wichtiger  Formen 
stets  willkürlich  erscheinen 
wird.  Doch  wird  man  immer 
den  Oelbaum,  Olea  euro- 
paea  L.  (Fig.  268),  erwähnen, 
welcher  stellenweise  in  den 
Maquis  des  Orients  und  der 
mediterranen  Inseln  noch  als 
Strauch  wild  wächst  und 
als  Culturbaum  das  ganze 
Culturland  des  Gebiets  beherrscht.  Er  stellt  einen  typischen  Vertreter 
des  Sklerophylltypus  dar,  mit  seinem  massiven,  schon  in  geringer  Höhe 
verzweigten  Stamme,  seinen  knorrigen  Aesten,  seiner  tiefrissigen,  dicken 
Borke,  namentlich  aber  mit  seinen  kleinen,  schmalen,  harten  Blättern, 
die  oberwärts  spärlich  behaart  und  mattgrün,  unterwärts  aber  durch 
schuppige  Behaarung,  silberglänzend  erscheinen. 

An  die  Olive  schliesst  sich  habituell  Quercus  Hex  L.  (Fig.  281 
u.  282)  nahe  an.  Diese  Art  vertritt  in  den  Mediterranländern,  mit  einigen 
anderen,  wie  Q.  coccifera  (Fig.  288)  und  Q.  Suber  den  Sklerophylltypus 
in   der  Gattung  Quercus,   während   andere  häufige  Arten  des  Gebiets 


Fig.  284.  Cupressus  sempervirens,  die  Cypresse.  Oben 
ein  Ast  von  Olea  europaea.  Ravenna,  Corner  See. 
Nach   einer  Photographie   des  Herrn   Fr.  Sönnecken. 


V.    Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


551 


wie  Q.  lusitanica,  sommergrün  geblieben  sind.  Die  Hartlaubeichen 
haben  kleine,  harte,  bei  Q.  Hex  meist  ganzrandige,  bei  anderen  Arten 
spitz  gezähnte  Blätter. 

Einige  durch  die  Cultur  auch  nach  Deutschland  gelangte  Sträucher 
und  kleine  Bäume  der  Mediterranländer  tragen  das  Sklerophyllgepräge 
nicht  weniger  zur  Schau.  Allerdings  sind  zwei  der  bekanntesten  der- 
selben, Oleander  und  Lor- 
beer, kaum  als  typische 
Vertreter  des  Maquis  zu  be- 
trachten. Nerium  Oleander 
wächst  am  Rande  und  auf 
den  Inselchen  des  steinigen 
Bettes  wasserarmer  Ströme 
und  der  Lorbeer  (Laurus 
nobilis),  dessen  Verbreitung 
sich  über  Westfrankreich  er- 
streckt, ist  im  Maquis  eine 
seltene  Erscheinung  und, 
wie  der  Oleander,  mehr 
grossblätterig  als  dessen 
gewöhnliche  Bestandtheile. 
Recht  typische  und  häufige 
Mäquissträucher  sind  hin- 
gegen die  Myrte  (Myrtus 
communis)  mit  ihren  kleinen, 
steifen  Blättern  und  die  aro- 
matischen Labiaten  wie  Ros- 
marin (Rosmarinus  officina- 
lis) ,  Lavendel  (Lavandula 
latifolia)  und  Thymian  (Thy- 
mus vulgaris),  während  die 
Salbei  (Salvia  officinalis)  mit 
ihren  breiten ,  filzig  be- 
haarten, weicheren  Blättern 
wiederum  aus  dem  Typus 
ausschlägt. 

Alle  diese  Culturge- 
wächse  zusammen  vermögen  jedoch  keineswegs  ein  Bild  der  natür- 
lichen Mediterrangehölze,  sei  es  des  Waldes,  des  Maquis  oder  der 
Garigue  zu  geben,  da  so  viele  ihrer  Bestandtheile  nur  im  wilden 
Zustande  vorkommen.  Letzteres  gilt  z.  B.  von  den  zahlreichen, 
namentlich  auf  Kieselboden  sehr  häufigen  Cistus -Arten,  welche  durch 
ihre    grossen   weissen    oder    carminrothen   Blüthen    zu   den   schönsten 


Fig.  285. 


Mediterrane  Hartlaubflora.     Cistus  crispus. 
Nat.  Gr.     Nach  Reichenbach. 


552 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


natürlichen  Zierpflanzen  der  Mediterranländer  gehören;  ihre  Blätter 
sind  bald  lederartig  und  glänzend,  bald  von  harzigen  Ausscheidungen 
klebrig,  bald  stark  behaart  und  in  diesem  Falle  von  weicherer  Beschaffen- 
heit. Bei  keinem  Bestandtheile  der  Maquis  jedoch  ist  der  Sklerophyll- 
typus  mehr  ausgeprägt  als  bei  solchen  unscheinbaren  und  sehr  häufigen 
Arten,  wie  Daphne  gnidium  (Fig.  287,  /),  Phillyrea  media  (Fig.  287,^), 
Cneorum   tricoccum   (Fig.  276),    Globularia    alypum   (Fig.    287,6)  mit 


Fig.  286.     Mediterrane  Hartlaubflora:  Pistacia  Lentiscus.     Xat  Gr. 


ihren  starren,  schmalen  Blättern,  die  sich  schief  oder  nahezu  parallel  zur 
Richtung  der  Lichtstrahlen  stellen.  Zur  Nadelform  wird  das  immergrüne 
Blatt  (bezw.  Cladodium)  bei  dem  selten  fehlenden  Asparagus  acutifolius, 
bei  den  zum  Theil  an  Kieselboden  gebundenen  Erica-Arten,  unter 
welchen  Erica  arborea  (Fig.  287,  5)  durch  ihren  nahezu  baumartigen 
Wuchs  besonders  hervorragt.  Dazwischen  zeigen  sich  einige  Gewächse 
von  etwas  abweichendem  Aussehen,   wie  Pistacia  Lentiscus  (Fig.  286, 


V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


553 


Fig.  287.    Mediterrane  Hartlaubflora.    /  Daphne  gnidium.    2  Passerina  hirsuta.   3  Lavandula 
Stoechas.     4  Phillyrea   media.     5  Erica   multinora.     6  Globularia   Alypum.     Nat.    Grösse. 

(Nach  Reichenbach.) 


554 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


der  einzigen  immergrünen  Holzpflanze  mit  gefiederten  Blättern,  in  den 
Mediterranländern,  wie  ihre  laubabwerfende,  ebenfalls  fiederblätterige 
Verwandte,  Pistacia  Terebinthus,  wie  das  aphylle  Spartium  junceum  oder 
auch  noch  als  häufigster  Vertreter  der  wenigen  Kletterpflanzen,  Smilax 
aspera,  die  in  ihren  harten,  persistirenden  Blättern  allerdings  dem 
Sklerophylltypus  sich  nähert. 

An  freien  oder  doch  weniger  von  Gesträuch  bestandenen  Stellen 
entwickeln  sich  in  zahlreichen  Formen  Knollen-  und  Zwiebelpflanzen, 
die  gewöhnlichen  Begleiter  der  Sklerophyllen.  Es  sind  hier  namentlich 
Tulpen,  Narcissen,  Asphodelen,  Arten  von  Muscari,  Orchis,  Ophrys, 
Gladiolus,  Arum  etc. ;  auch  die  Anemonen  kann  man  ihnen  anschliessen. 
In    ihrer   Gesellschaft    zeigen    sich   schmalblätterige,   xerophile   Gräser, 

perennirende  Kräuter  mit 
persistirenden  harten  Blät- 
tern ,  kurzlebige  Frühlings- 
annuellen  in  grosser  Mannig- 
faltigkeit. 

Um  die  mediterranen  Hart- 
laubformationen genauer  zu 
charakterisiren ,  sei  hier  her- 
vorgehoben, dass  die  Quercus 
Hex- Formation  in  Frankreich 
stets  folgende  Gewächse  auf- 
weist1): Cistus  monspeliensis 
und  albidus,  Lavandula  lati- 
folia,  Thymus  vulgaris,  Genista 
scorpius ,  Daphne  Gnidium, 
Brachypodium  ramosum,  Smi- 
lax aspera,  Quercus  coccifera, 
Phillyrea  angustifolia ,  Pistacia 
Terebinthus ,  Dorycnium  suf- 
fruticosum,  Juniperus  Oxycedrus.  Meist,  aber  nicht  immer  treten  noch 
folgende  Arten  hinzu:  Pistacia  Lentiscus,  Rosmarinus  officinalis,  Cneorum 
tricoccum,  Spartium  junceum,  Rhamnus  alaternus,  Cercis  siliquastrum ,  Erica 
multiflora. 

In  den  wärmsten  Theilen  Südfrankreichs,  an  der  Küste  der  Provence, 
treten  diesen  allgemein  verbreiteten  Gewächsen  noch  folgende  hinzu  *) :  Myrtus 
communis,  Cneorum  tricoccum,  Calycotome  spinosa,  Anthyllis  cytisoides, 
Anth.  barba  jovis,  Hyoseris  radiata,  Convolvulus  althaeoides,  Teucrium  fruti- 
cans,  Orchis  longebracteata,  Anagyris  foetida,  Erica  arborea,  Thapsia  villosa, 
Ferula  nodiflora,  Cistus  ladaniferus,  C.  crispus,  C.  populifolius,  Vitex  Agnus 
Castus,  Thelygonum  Cynocrambe. 


Fig.  288.   Mediterrane  Hartlaubflora :  Quercus  conifera. 
*/.  nat.  Gr. 


1)  Flahault,  Carte,  S.  66. 

2)  Ibid.  S.  69. 


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V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete.  ccc 

In  der  Nähe  ihrer  klimatischen  Grenze  sind  die  Gehölze  wieder  ab- 
weichender Zusammensetzung: 

Genista  scorpius,  Psoralea  bituminosa,  Sedum  altissimum,  Rubia  peregrina, 
Carlina  corymbosa,  Lavandula  latifolia,  Thymus  vulgaris,  Euphorbia  Characia 
Jasminum  fruticans,  Aegilops  ovata,  Brachypodium  ramosum,  Asparagus  acuti- 
folius,  Dorycnium  suffruticosum,  Rhamnus  Alaternus,  Spartium  junceum,  Ononis 
minutissima,  Scabiosa  maritima,  Catananche  coerulea. 

Meist  nur  in  vereinzelten,  zu  wenigen  Arten  gehörigen  Individuen, 
zeigen  sich  in  den  Hartlaubgehölzen  sommergrüne  Holzgewächse.  Im 
westlichen  Theile  des  Mediterranlandes  ist  unter  ihnen  nur  Pistacia 
Terebinthus  sehr  häufig;  Vitex  Agnus  Castus,  Cercis  siliquastrum  sind 
es  nur  stellenweise.  Pappeln,  Eschen  und  andere  laubabwerfende 
Bäume  nordischer  Verwandtschaft,  die  im  Littoral  häufig  sind,  kommen 
nicht  in  den  Sklerophyllgehölzen,  sondern  in  der  Nähe  der  Gewässer 
auf  immer  feuchtem  Boden,  vor;  Wälder  laubabwerfender  Bäume,  zu- 
nächst von  Kastanien,  fehlen  dem  Küstenlande  und  zeigen  sich  erst 
in  den  klimatisch  abweichenden  Gebirgsgegenden,  oberhalb  der  Oliven. 

§  3.  Die  kapländischen  Hartlaubgehölze.  Alle  in  Bezug  auf  zeit- 
liche Vertheilung  der  Regen-  und  Trockenzeit  mit  der  Mediterranküste 
übereinstimmende  Gebiete  wiederholen  in  ihrer  Vegetation  die  wesent- 
lichen ökologischen  Züge  der  Mediterranvegetation.  So  könnten  z.  B. 
die  Schilderungen,  welche  Bolus  und  Scott-Elliot  von  der  südwestlichen 
Kapflora  entworfen  haben,  soweit  sie  sich  auf  die  vegetativen  Organe 
beziehen,  auf  die  Mediterranflora  ohne  weiteres  übertragen  werden  und 
passen,  wie  wir  nachher  sehen  werden,  nicht  weniger  gut  zu  den  an- 
deren Hartlaubgebieten. 

Nach  Bolus  ist  die  Südwestecke  Afrika's  von  immergrünem  „nied- 
rigem Gebüsch  von  dunkler  oder  bläulichgrüner  Farbe"  überzogen. 
Seine  Bestandtheile  haben  gewöhnlich  sehr  kleine  Blätter  und  sind 
von  einer  graugrünen  oder  stumpfen  Farbe,  so  dass  sie  von  der 
Ferne  einen  sehr  düstern  Eindruck  machen.  An  der  Küste  sind  die 
Büsche  übrigens  grösser,  zumeist  4 — 8  Fuss  hoch.  Bäume,  namentlich 
Proteaceen,  sind  auf  die  feuchteren  Abhänge  und  Schluchten  des  Tafel- 
bergs beschränkt. 

Im  Vergleich  zu  den  Blättern  der  Mediterrangehölze  sind  hier 
sehr  kleine  Blätter  noch  häufiger,  obwohl  relativ  grosse  Blätter  (z.  B. 
bei  Leucadendron  argenteum  Fig.  294)  an  etwas  feuchteren  Standorten  nicht 
fehlen.  Hier  scheint  ausserdem  das  Klima  auch  die  Blüthen  beeinflusst 
zu  haben,  welche  meist  sehr  klein,  aber  dicht  gedrängt  sind  und  oft 
eine  Reduction  der  Corolle  zu  Gunsten  der  Staubfäden  aufweisen. 
Annuellen  scheinen  zu  fehlen.  Diese  geringen  ökologischen  Unterschiede 
zwischen  Capland  und  Mediterrangelände  hängen  mit  der  noch  grösseren 
Trockenheit   des   ersteren   zusammen  und  sind  gegenüber  den  schwer- 


556 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


wiegenden  Uebereinstimmungen  bedeutungslos.    Letztere  erstrecken  sich 
auch  auf  die  Begleitpflanzen,  zu  welchen  Zwiebel-  und  Knollenpflanzen 


Fig.  290.     Kapländische  Hartlaubvegetation:  Leucadendron  argenteum  am  Tafelberg. 
Nach  einer  Photographie. 


in  erster  Linie  gehören.    Auch  hier  sind  die  Dorngewächse,  die  Aphyllen 
die  Succulenten,   die  Holzpflanzen  mit  Fiederblättern  nur  schwach  ent- 


Fig.  29 1 .  Kapländische  Hartlaubflora.  /  Gnidia  pinifolia  L.  (Thymelaeaceae).  2  Leucadendron 
Levisancus  R.  Br.  (Proteaceae).  3  Berzelia  abrotanoides  Brongt.  (Bruniaceae).  4  Diosma 
sncculentum  (Rutaceae-Diosmeae).  5  Phylica  paniculata  (Rhamnacea).  6  Coleonema  album 
(Rutaccae).     7  Agathosma  capitatum   L.    (Rutaceae).     Nat.  Gr.      (R.  Anheisser  n.  d.  Nat.) 


558 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


wickelt,  während  sie  in  den  benachbarten,  nicht  weniger  oder  noch 
mehr  regenarmen,  aber  in  der  Zeit  ihrer  Niederschläge  abweichenden 
Gebieten  eine  wesentliche  Rolle  spielen. 

Sammlungen  von  Pflanzen  auf  dem  reichen  Abhang  etwa  des  Tafelbergs, 
des  Lion's  Head,  des  Devil's  Peak,  des  Minzenbergs,  der  Houwhoek-Gebirges 
gemacht,  zeigen,  nach  Scott -Elliot,  eine  bemerkenswerthe  Aehnlichkeit  der 
Lebensweise  und  des  Aussehens.  Es  sind  sämmtlich  strauchige  Perennen. 
Anscheinend  giebt  es  nicht  eine  einzige  unzweifelhafte  Annuelle  in  der  süd- 
westlichen Flora.  Die  Blätter  sind  klein,  hart  und  häufig  am  Rande  eingerollt, 
die  Blüthen  sind  ebenfalls  klein;  jedoch  zahlreich  und  dicht  gehäuft.    „Dieser 

Typus  ist  in  den  verschiedensten  Ordnungen  vertreten, 
z.  B.  bei  zahlreichen  Arten  von  Heliophila  unter  den 
Cruciferen ;  bei  vielen  Arten  von  Polygala  und  Muraltia, 
von  Polycarpon,  Hermannia  und  Maternia,  bei  der 
ganzen  Gruppe  der  Diosmeen  unter  den  Rutaceen, 
bei  Phylica  und  Noltea  unter  den  Rhamnaceen ;  unter 
den  Leguminosen  bei  Amphithalea,  Borbonia,  Rafhia, 
Listia,  Lebeckia  und  anderen,  und  höchst  vollkommen 
in  der  grossen  Gattung  Aspalathus;  unter  den  Rosa- 
ceen finden  wir  Cliffortia;  die  Ordnung  der  Brunia- 
ceen  besteht  ebenfalls  aus  solchen  Gewächsen." 

§  4.  Süd-  und  westaustralische  Hartlaub- 
gehölze. Der  west-  und  südaustralische  Scrub 
nähert  sich  in  seinem  ökologischen  Gepräge  den 
anderen  Sklerophyllformationen  so  vollkommen, 
dass  eine  Schilderung  desselben  einer  Wieder- 
holung gleichen  muss :  Immergrüne,  vornehmlich 
strauchige  Gewächse,  mit  steifen,  saftarmen, 
einfachen,  ganzrandigen  Blättern,  die  sich  schief 
oder  sogar  parallel  zum  Lichte  stellen,  eine 
matte,  hier  oft  durch  Harz-  oder  Wachskörnchen 
bläuliche  Oberfläche  besitzen  und  Behaarung, 
wenn  überhaupt,  nur  an  der  Unterseite  auf- 
zuweisen pflegen.  Auch  die  Nebenvegetation 
stimmt  überein  mit  ihrem  Reichthum  an  Zwiebel-  und  Knollenpflanzen 
(Liliaceen,  Haemodoraceen,  Orchideen),  ihrer  Armuth  an  Dorngewächsen 
und  Fiederblättern.  Wiederum  würde  man  nach  den  vegetativen  Organen 
die  Glieder  eines  Verwandtschaftskreises  vermuthen  und  denselben  zu 
demjenigen  der  Mediterranküste  und  des  Kaplandes  in  Beziehung 
stellen,  und  doch  handelt  es  sich  im  australischen  Scrub  um  ein  äusserst 
formenreiches  Gemisch  meist  ganz  eigentümlicher  Typen  aus  den 
Familien  der  Mimosaceen ,  Myrtaceen ,  Proteaceen ,  Thymelaeaceen, 
Epacridaceen,  Myoporaceen  etc. 

Schmal  elliptische,  denjenigen  der  Olive  und  des  Oleander  ähnliche 


^A,J***A*r 


Fig.    292.       Kapländische 

Hartlaubflora.  Cliffortia 

ilicifolia  (Rosaceae).     Nat. 

Grösse. 


V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


559 


Blätter   herrschen   vor  (Fig.  297),    doch  kommen   auch   linealische   und 
breitere  Formen  vor. 

Leider  sind  wir  über  die  formenreichen  und  oft  waldartigen  Hart- 
laubgehölze West -Australiens  nur  ganz  im  Allgemeinen  unterrichtet. 
Genauere  Schilderungen  liegen  nur  für  den  Scrub  Süd-Australiens  vor. 
Schomburgk  spricht  sich  darüber  folgendermaasen  aus: 

„Die  Gebiete  des  sogenannten  „Scrublands"  erscheinen  auf  der  ganzen 
Oberfläche  Süd-Australiens  in  den  verschiedensten  Bezirken,  doch  dehnen  sie 


Fig«  293-     Kapländische  Hartlaubflora.     Cunonia  capensis  L.  (Cunoniaceae). 


sich  vornehmlich  nach  Norden  und  Osten  aus  und  nehmen  ungefähr  den  achten 
Theil  der  Colonie  ein.  Sie  stellen  weite  trostlose,  dürre  Flächen  dar,  deren 
Boden  von  schlechtester  Beschaffenheit  und  für  die  Cultur  ungeeignet  ist; 
derselbe  besteht  bald  aus  lehmigem  Thon,  bald  aus  reinem  Sande  und  seine 
Oberfläche  ist  von  Kieseln,  Eisenstein  und  Eisensand  bedeckt;  Wasser  ist  in 
diesen  Gegenden  nicht  sichtbar.  Die  Vegetation  ist  von  zwerghaftem  Wuchs 
und  der  Scrub  beinahe  frei  von  Gräsern  und  anderen  Kräutern.  Die  wenigen 
Genera  der  ersteren  sind  vorwiegend  Neurachne,  Stipa,  Isolepis,  Spinifex,  das 
wohlbekannte  Kanguroogras,  Anthistiria  ciliaris  und  einige  Juncaceen,  nämlich 
Xerotes  glauca  R.  Br.  und  filiformis  R.  Br. ;  alle  wachsen  nur  in  vereinzelten, 
weit     von    einander   stehenden    Büscheln.      Das    Fehlen    anderer   Kräuter    ist 


JÖO  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

während  des  Sommers  ebenso  gross;  aber  ihre  Abwesenheit  ist  durch  die 
endlose  Mannigfaltigkeit  der  Genera  und  Arten  der  Sträucher  aufgewogen. 
Der  allgemeine  Eindruck,  den  der  Scrub  hervorruft,  ist  düster,  obwohl  die 
grosse  Mannigfaltigkeit  der  hier  zusammenwachsenden  Sträucher  den  Botaniker 
interessirt.  Diese  Sträucher  werden  gewöhnlich  4  bis  6'  hoch  und  sind 
untermischt  von  Zwergbäumen  aus  den  Genera  Eucalyptus,  Casuarina,  Santalum, 
Melaleuca,    Exocarpus1),  Camphoromyrtus2),   Dodonaea3),  Frenela4),  Banksia 


Fig-  294.     Kapländische  Hartlaubflora:  Leucadendron  argentenm.     */9  nat.  Gr. 
(R.  Anheisser  n.  d.  Nat.) 

(Fig.  297, /)5)  etc.  Kleinere  Sträucher  aus  den  Genera  Pimelea  (Fig.  295,  j)\ 
Leucopogon  (Fig.  298,7)®),  Dillwynia7),  Acrotriche6),  Calythrix  (Fig.  295, <?}*) 
bedecken  den  Boden  und  sind  überragt  von  solchen  höheren  Wuchses,  wie 
Hakea  (Fig.  298,  ^)8),  Logania,  Alyxia9),  Myoporum  (Fig.  295,6),  Stenochilus 10), 
Euphrasia,  Thomasia11),  Bursaria12),  Pomaderris18),  Haloragis,  Melaleuca 
(Fig.  295, z)8),  Leptospermum  (Fig.  298,3*)2),  Eutaxia7),  Acacia  (Fig.  296),  Iso- 
pogon8),    Correa14),    Rhagodia15)    etc.,    welche    zuweilen    undurchdringliche 


»)  Santalac.  «)  Myrtac.  *)  Sapindac.  4)  Callitris  Vent.  Conif.  a)  Thymel.  6)  Epacrid. 
*)  Papilion.  8)  Proteac.  9)  Apocyn.  10)  Myopor.  n)  Stercul.  ia)  Pittospor.  ,g)  Rhunnac 
u)  Rutac.     ,B)  Chenopod. 


Fig.  295.     Westaustralische  Hartlaubflora. 

/  Melaleuca  densa  R.  Br.  (Myrtac).    2  Brachysema  undulatum  R.  Br.  (Papilion).   3  Pimelea  spectabilis  Lindl. 

(Thymelaeac).    4  Chorizema  triangularis  (Papil.).     s  Styphelia  (Leucopogon)   squarrosa  Benth.  (Epacrid.). 

6  Myoporum  tuberculatum  R.  Br.   (Myoporac.)     7   Styphelia  verticillata   Spreng.   (Epacrid.).    S  Calythrix 

glabra  Br.  (Myrtac).    9  Boronia  crenulata  Smith  (Rutac.)    Nat.  Gr. 

Schimper,  Pflanzengeographie.  36 


562 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Dickichte  bilden;  an  anderen  Orten  besteht  der  Scrub  ausschliesslich  aus 
Eucalyptus  dumosa  A.  Cunn.  oder  aus  anderen  buschigen  Eucalypten,  wie 
E.  uncinata  Turcz.,  bicolor  A.  Cunn.  und  incrassata  Labil.,  welche  nur  6 
bis  8'  hoch  werden  und  über  Hunderte  von  Meilen  sich  ausdehnen." 

„Die  bei  weitem  vorherrschende  Farbe  im  Scrub  ist  ein  bläuliches  Grün, 
hier  und  da  gesprenkelt  durch  die  weisslichen  Blätter  der  Rhagodia  und  die 
röthlich  braunen  anderer  Sträucher.  Die  meisten  Blätter  sind  eiförmig,  ganz- 
randig,  lederartig  und  scharfspitzig;  Sträucher  mit  gefiederten  Blättern  sind  selten. 


Fig.  296.     Westaustralische  Hartlaubflora.    Acacia- Arten.     /  A.  armata.    2  A.  marginata. 
2  A.  decipiens  R.  Br.     4  A.  alata  R.  Br.     Nat.  Gr. 


„Das  einförmige  und  düstere  Aussehen  eines  ausgedehnten  Scrub  ist  er- 
drückend, namentlich  bei  der  Betrachtung  von  einer  Erhöhung.  Die  gleich- 
massige  Höhe  der  Gewächse,  die  mattbläuliche  Laubfarbe  sehen  in  der  Ferne 
wie  ein  bis  an  den  Horizont  sich  ausdehnendes  Meer  aus;  wenigstens  machte 
mir  der  erste  Blick  auf  den  über  Hunderte  von  Meilen  sich  erstreckenden 
Murray  Scrub  diesen  Eindruck.  Jeder  vermeidet  den  Scrub  so  viel  als 
möglich.  Viele  haben  in  demselben  ihren  Weg  verloren  und  sind  an  Wasser- 
mangel zu  Grunde  gegangen." 

„Die  Scrubgehölze  der  verschiedenen  Bezirke  machen  alle  den  gleichen 
gesammten  Eindruck,  doch  gehören  die  dieselben  zusammensetzenden  Pflanzen 


Fig.  297.    Westaustralische  Hartlaubflora:  Proteaceae.    /  Banksia  marginata  Cav.    2  Banksia 
serrata  L.  fil.    3   Dryandra   mucronulata  R.  Br.     4  Banksia  ericaefolia  L.  fil.    5   Banksia 

spinulosa  Sra. 

36»      . 


Fig.  298.     Australische  Hartlaubflora.     Wiederholung  ähnlicher  Blattformen. 

/  Pittosporum  phillyraeoides  D.  C.  (Pittosporac).     •?  Acacia  linearis.    J  Ac  floribunda.    4  Hakea  salif»a 

Schrad.   (Proteac).     S  Leptospermum  resiniferum   (Myrtac).     6  Metrosideros  vimtnalis   Girtn.  (Myrtac  - 

7  Leucopogon  Cunninghami  (Epacridac).    Nat.  Grosse. 


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V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete.  eße 

nicht  zu  den  gleichen  Genera  und  Arten,  da  Bodenqualität  und  Standort  den 
floristischen  Charakter  beeinflussen.1) 

Stets  findet  man  die  eine  oder  die  andere  Strauchart  in  Blüthe.  Die 
meisten  Arten  entfalten  ihre  Blüthen  im  September  oder  October  und  die 
Regenzeit  ist  von  geringem  Einfluss  auf  dieselbe;  doch  weckt  sie  zahlreiche 
terrestrische  Orchideen  zu  neuem  Leben,  nämlich  Arten  von  Erochilus,  Ca- 
ladenia,  Diuris,  Prassophyllum,  Dipodium,  Microtis,  Cyrtostylis  etc.  In  ihrer 
Gesellschaft  erscheinen  einige  Stauden  und  Annuellen,  Arten  von  Helichrysum, 
Drosera,  Helipterum,  Scaevola,  Brunonia,  Thysonanthus,  Euphrasia,  Goodenia, 
Hypoxis,  Senecio  etc.  und  einjährige  Gräser.  Aber  ihre  Dauer  ist  kurz,  da 
sie  beim  Eintritt  der  Trockenzeit  ebenso  rasch  verschwinden,  als  sie  erschienen 
waren.1)  „Heideartiges  Laub  oder  vertical  gestellte  Blätter,"  sagt  Behr, 
„drängen  sich  um  moosartig  in  einander  gewachsene  kugelförmige  Sträucher 
oder  verdecken  nur  spärlich  die  Blossen  der  langen  Ruthen,  die  sich  aus 
hässlich  sparrigem  Gestrüpp  herausstrecken.  Die  herrschende  Farbe  des 
Laubes  ist  ein  todtes  Blaugrün  •,  doch  legt  sich  die  Natur  in  dieser  Beziehung 
wenig  Zwang  an;  die  Rhagodia  trägt  weisses  Laub,  anderes  Gesträuch  braun- 
rothes;  am  unheimlichsten,  weil  in  solcher  Umgebung  am  unnatürlichsten, 
ist  das  lebhafte  Maigrtin  der  Cassia  und  des  Santalum.  Gefiedertes  oder 
sonst  zusammengesetztes  Laub  ist  selten;  ich  erinnere  mich  nur  als  einzigen 
Beispiels  einer  Art  von  Cassia.  Sonst  findet  sich  bei  dem  rigiden  Laube 
möglichste  Mannigfaltigkeit,  vom  Eirund  durch  die  Lanzettform  bis  zur  blossen 
Borste,  von  der  dichtesten  Gedrängtheit  durch  alle  möglichen  Nuancen  zum 
kahlen,  blattlosen  Zweige.  Bei  alledem  treten  oft  Pflanzen  aus  sehr  ver- 
schiedenen Familien  im  Habitus  so  zusammen,  dass  nur  Blüthe  oder  Frucht 
ein  sicheres  Criterium  geben  können.  Die  Gesträuche  und  Bäume  der  Scrub- 
gegenden  sind  von  sehr  verschiedener  Höhe,  manche  Eucalyptus- Arten  wett- 
eifern mit  denen  des  fruchtbaren  Landes  .  .  ." 2)  Schomburgk's  Schilderung 
stimmt  mit  der  vorhergehenden  wesentlich  überein. 

§  5.  Die  califomischen  Hartlaubgehölze.  Das  califo mische 
Küstenland  ist  vornehmlich  von  immergrünem  Gesträuch  bedeckt,  aus 
welchem  Bäume  sich  meist  nur  vereinzelt  erheben.  Die  wichtigsten 
dieser  letzteren,  welche  an  trockenen  Standorten  auch  als  Sträucher 
auftreten,  sind  Quercus  agrifolia  N6e,  Q.  chrysolepis  Liebm.  (Fig.  275 
und  299),  Q.  dumosa  (Fig.  300,  6),  Q.  oblongifolia  Torr.  u.  a.  m., 
sammtlich  immergrüne  Arten  mit  kleinen,  lederartigen,  ganzrandigen 
oder  mit  Stachelzähnen  versehenen  Blättern;  ihnen  gesellen  sich  zwei 
immergrüne  Bäume  anderer  Verwandtschaft,  der  kalifornische  Lorbeer, 
Umbellularia  californica  Nutt  (Fig.  274)  und  der  Chinquapin,  Castanopsis 
chrysophylla  A.  D.  C.  zu.  Das  den  Hauptbestandtheil  der  Vegetations- 
decke bildende,  auf  Vorbergen  und  Hügeln  schwer  durchdringliche 
Dickichte  bildende  Gesträuch  (Fig.  302),  setzt  sich,  wie  die  ent- 
sprechenden Formationen  anderer   Sklerophyllgebiete ,   aus  Vertretern 


*)  1.  c.  S.  9—10. 
Uc.s.  548—549. 


Fig.  300.     Aus   der   californischen   Hartlaubflora:     Chaparralvegetation   des   Küstengebirges 

/  Arctostaphylos  tomentosa.    2  Adenostoma  fasciculatum  H.  v.  A.   3  Ceanothus  cuneatus  Nutt.    4  C  papil- 

losus  Torr,    j  Pickeringia  montana  Nutt.    6  Quercus  dumosa.  Nutt.    Ex  herb.  Prof.  Dudley. 


V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


567 


der  verschiedensten  Familien  zusammen,  wie  Eichen  (Fig.  300, 6),  Compo- 
siten,  Rosaceen,  (Adenostoma  fasciculatum,  Prunus  ilicifolia  (Fig.  300,2), 
Zygophyllaceen,  Anacardiaceen  (Rhus -Arten),  Rhamnaceen  (mehrere  Cea- 
nothus-Arten)  (Fig.  300  j,4\  Leguminosen,  Hydrophyllaceen,  Ericaceen 
(Arctostaphylos)  (Fig.  300,/),  Labiaten  etc.     Succulenten   sind   häufiger 


Fig.  301.     Californische  Hartlaubflora:    Dendromecon  rigidum  (Papav.).     Nat.  Gr. 

(Herb.  Dudley.) 

als  in  anderen  Hartlaubgebieten  und  durch  verschiedene  Cacteen  vertreten. 
Zwiebel-  und  Knollenpflanzen  sind  hier  wiederum  als  Begleiter  der  Hart- 
laubhölzer massenhaft  vorhanden. 

Der  Fuss  des  Küstengebirges  (Coast  ränge)  ist  in  Nordcalifornien, 


*)  Mayr,  N.-Amerika,  S.  261  u.  f. 


Fig.  30a.     Am   drr   calttbrnU>chcn    i 

Louu   Torr,     f 


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■M 


569 

eher   und    flo- 
grossen   Theile 
ud    Häufigkeit 
immergrüne 
Neide  baumartig, 
1  strauchig  bleibt 


We  (Coast- Range)  Califomiens ;  Sequoia  sempervirens. 
fctncr  Photographie. 


Itckichte  bildet.  Die  charakteristischen  Sträucher 
I  Uosacee  AdeDostoma  fasciculatum  (Fig.500,2),  ein 
Bat  Spiraeabltithen  versehener  Strauch,  der  oft  für 
deichte  bildet  Häutig  und  charakteristisch  ist  auch 
t  (Fig.  300,^),  ein  buschiger,  bis  2  m  hoher,  weiss 
Strauch,    der    ebenfalls    die  Neigung    hat   gesellig    zu 


568 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


dank  den  reicheren  Niederschlägen,  von  Hochwäldern  bedeckt,  die  vor- 
nehmlich von  Sequoia  sempervirens  gebildet  sind  (Fig.  304).  Das  Unter- 
holz jedoch  ist  von  typischen  Hartlaubsträuchern  gebildet.  Weiter  südlich 
sind  sowohl  auf  dem  Küstengebirge  als  an  der  unteren  Region  der  Sierra 
Nevada  immergrüne  Gebüsche  und  Gesträuche,  in  welchen  Eichen  auf 
weiten   Strecken   beinahe   allein    herrschen.     Dicht    am   Meere   erhebt 


Fig.  303.     Californische  Hartlaubflora:    Prunus  ilicifolia.     Nat.  Gr.     Nach  Sargent, 


sich    manchmal,     freistehend    oder    in    lichten    Beständen,    Juniperus 
macrocarpa  (Fig.  305.). 

Schilderungen  des  Vegetationscharakters  an  der  Küste  Kaliforniens  sind 
äusserst  spärlich.  Nach  C.  A.  Purpus  nimmt  an  der  südwestlichen  Sierra  Nevada 
Quercus  Douglasii  die  unteren  Abhänge  ein;  bei  etwa  2000'  beginnt  eine 
Baum-  und  Strauchvegetation  von  wesentlich  anderer  Zusammensetzung ;  es  sind 


V.   Die  winterfeuchten  und  warmtemperirten  Gebiete. 


569 


die  sogenannten  Chaparrals,  die  in  ähnlicher  physiognomischer  und  flo- 
ristischer  Zusammensetzung  durch  das  Küstengebirge  zum  grossen  Theile 
bedecken.  Unter  den  Bäumen  zeichnet  sich  durch  Grösse  und  Häufigkeit 
aus  Quercus  chrysolepis.  Mit  ihr  zeigen  sich  die  ebenfalls  immergrüne 
Q.  Wislizeni  D.  C.  und  die  laubabwerfende  Q.  Kellogi  Newb.,  beide  baumartig, 
während  die  nicht  weniger  charakteristische  Q.  Breweri  Engelm.  strauchig  bleibt 


Fig.  304.    Aus  dem  pacifischen  Küstenwalde  (Coast-Range)  Californiens :  Sequoia  sempervirens. 

Nach  einer  Photographie. 


und  schwer  durchdringliche  Dickichte  bildet.  Die  charakteristischen  Sträucher 
sind  aber  in  erster  Linie  die  Rosacee  Adenostoma  fasciculatum  (Fig. 5  00, 2),  ein 
immergrüner  erikenartiger,  mit  Spiraeablüthen  versehener  Strauch,  der  oft  für 
sich  allein  ausgedehnte  Dickichte  bildet.  Häufig  und  charakteristisch  ist  auch 
Ceanothus  cuneatus  Hook  (Fig.  300,  j),  ein  buschiger,  bis  2  m  hoher,  weiss 
oder  hellblau  blühender  Strauch,    der   ebenfalls    die  Neigung   hat    gesellig   zu 


S70 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


wachsen  und  dichtes  Gestrüpp  zu  bilden.  Ferner  erwähnt  Purpus  namentlich 
die  gross  blühende  Sterculiacee  Fremontia  californica,  die  sommergrüne  Aesculus 
californica,  die  Rosacee  Cercocarpus  parvifolius  Nutt.,  Arctostaphylos- Arten, 
namentlich  A.  Manzanita,  Arten  von  Rhamnus  (Rh.  tomentella  Benth.,  Rh.  crocea, 
Nutt.,  beide  immergrün),  Rhus  diversiloba  Torr,  et  Gray.,  Pentstemon  diver- 
sifolius  Ldl.,  Diplacus  glutinosus  Benth.  (Scrophul.),  Eriodictyon  glutinosum 
Hook,  et  Arn.  (Hydrophyll.) ,  Bigelowia  arborescens  Gray.  (Compos) ,  Um- 
bellularia   californica   Nutt.    (eine   weiter   nördlich,     in    feuchteren   Gegenden 

baumartige  Lauracee. 
Fig.  274)  und  einige 
Schlingsträucher :  Lo- 
nicerahispidula  DougL 
und  Clematis  lasiantha 
Nutt.  Das  in  der 
Coast  Range  häufige 
Dendromecon  rigidum 
Benth.  (Fig.  30 1),  eine 
strauchige  Papavera- 
cee  mit  grossen  Blü- 
then,  die  habituell  an 
die  mediterranen  Cist- 
rosen  erinnert,  ist  in 
den  Chaparrals  der 
Sierra  Nevada  seltener. 
§  6.  Die  chile- 
nischen Hartlaub- 
gehölze. Die  mit- 
telchilenischen 
Hartlaubgehölze  zei- 
gen sich  nament- 
lich in  der  Berg- 
region ,  in  Höhen 
zwischen  1000  und 
2000  m;  da  bilden 
sie  schwer  durch- 
dringliche, immer- 
grüne Gestrauche, 
die  an  besonders 
günstigen  Stellen  von  Bäumen  überragt  erscheinen.  Ihr  häufigster  Be- 
standteil, als  Strauch  wie  als  Baum,  ist  Quillaja  Saponaria.  Constante 
Begleiter  der  letzteren  sind  Kageneckia  oblonga  und  Litsaea  caustica; 
es  treten  aber  noch  zahlreiche  andere  Sträucher  hinzu  (Fig.  304).  Alle 
diese  Holzgewächse  haben  kleine,  bis  höchstens  mittelgrosse,  saftarme, 
sklerenchymreiche  Blätter  mit  dicker  Cuticula.  Halbstrauchige  und  krau- 
tige   Schlingpflanzen    sind    in    diesen   Gehölzen    häufig,    Knollen-    und 


Fig.  305.     Cupressus  macrocarpa,  die  Monterey-Cypresse  an  der 
Meeresküste  bei  San  Francisco.     Nach  einer  Photographie. 


Fig.  306.     Chilenische  Hartlaubflora. 

/  Quillaja  Saponaria  Mol.     2  Escallonia  arguta  Presl.    3  Kageneckia  oblong».    4  Kageneckia  angustifolia 

Don.    5    Colliguaya  odorifera.     6  Col.   intcgerrima  Gill.   et  Hook.     7  Rhu»   caustica  Hook.    8  Satureja 

virgata.    g  Baccharis  rosmarinifolia.    10  Aristotelia  maqui  L'He>.    Nat.  Gr. 


C72  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Zwiebelpflanzen  (Liliaceen,  Amaryllidaceen,  Iridaceen  bes.  Sisyrinchium, 
Oxalis-Arten  etc.)  wachsen  in  ihrer  Nähe.  Abweichende  häufige  Formen 
sind  die  mächtige  Bromeliacee,  Puya  coarctata  sowie  Cereus  Quisco. 


Auswahl  der  Literatur. 

Bolus,    H.       Grundzüge    der    Flora     von     Südafrika.      Uebersetzung    von 

G.  Kersten.     1888. 
Flahault,  Ch.  I.    La  distribution  gdographique  des  vdg^taux  dans  un  coin 

du  Languedoe.     Montpellier  1893. 

—  II.     Les  herborisations  aux  environs  de  Montpellier.    Journal  de  botanique. 

Tomes  I  und  II. 

—  III.    Projet  de  carte  botanique,  forestifcre  et  agricole  de  la  France.    Bulle- 

tin  de   le   Soctetd   botanique    de   France.     Tome  LI.     1894.     S.  LVI. 

—  IV.  La  garigue.     Journal  de  botanique.     1888. 

Jönsson,  Bengt.  Bidrag  tili  Kännedomen  om  bladetsanatomista  byggnad 
hos  Proteacerna.     In.-Diss.     Lund  1880. 

Knoblauch,  E.  Oekologische  Anatomie  der  Holzpflanzen  der  südafrika- 
nischen immergrünen  Buschregion.    Habilitationsschrift  1897. 

Mayr,  H.     Die  Waldungen  von  Nordamerika.     München  1890. 

M eigen,  Fr.  I.  Skizze  der  Vegetationsverhältnisse  von  Santiago  in  Chile. 
Engler's  Jahrbücher.     Bd.   17. 

—  II.  Biologische  Beobachtungen  aus  der  Flora  Santiagos  in  Chile.    Trocken- 

schutzeinrichtungen.    Ibid.     Bd.  18. 
Neger,  F.  W.    Zur  Biologie  der  Holzgewächse  im  südlichen  Chile.    Engler's 
Jahrbücher.     Bd.  XXHI.     1896. 

—  Die   Vegetationsverhältnisse    im   nördlichen   Araucanien   (Flussgebiet   des 

Rio  Biobio).     Engler's  Jahrb.     Bd.  XXIII.     1896. 
Purp us,  C.  A.  T.  I.     Die  Chaparralregion  der  südwestlichen  Sierra  Nevada 
von    Californien.     Mittheil.    d.    deutschen    dendrolog.  Gesellsch.     No.  6. 
1897. 

—  II.  Bericht  über  meine  Tour  in  die  südliche  Sierra  Nevada  und  die  Argus 

und  Madurango  Ranges.     Ibid. 

Reiche,  K.  Die  Vegetationsverhältnisse  am  Unterlaufe  des  Rio  Maule 
Engler's  Jahrbücher.     Bd.  21. 

Sargent.  Die  Wälder  von  Nordamerika.  (Auszug.)  Petermann's  Mit- 
theilungen 1886. 

Schomburgk.     Flora  of  South- Australia.     Adelaide  1875. 

Scott-Elliot  Regional  distribution  of  the  Cape  Flora.  Transact  of  the 
botanical  Society.     Vol.  XVIII.     Edinburgh   1891. 

Willkomm,  M.  Grundzüge  der  Pflanzenverbreitung  auf  der  iberischen 
Halbinsel.     Die  Vegetation  der  Erde.    I.  Theil.    Leipzig  1896. 


VI.  Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den 
kalttemperirten  Gürteln. 

§  i.  Allgemeines.  —  §2.  Wald  und  Prärie  in  den  Vereinigten  Staaten. 
Vier  Klima-  und  Vegetationsgebiete.  Mittlerer  Regenfall  in  den  vier  Gebieten.  Die  Winde. 
—  §  3.  Klima  und  Vegetation  in  Russland.  Das  Klima  der  Steppen.  Ungleiche 
Windverhältnisse  in  Nord-  und  Südrussland.  Klimatische  Verhältnisse  im  mittel-  und  nord- 
russischen  Walde.  —  §  4.  Das  ungarische  Tiefland.  Hunfalvy  über  das  ungarische 
Steppenklima.  —  §  5.  Das  kalttemperirte  Ostasien.  Niederschlagsverhältnisse.  Ver- 
theilung  von  Wald-  und  Grasflur. 

§  1.  Allgemeines.  Mit  der  Entfernung  vom  Wendekreise  werden 
die  Formationen,  soweit  sie  vom  Klima  abhängig  sind,  immer  weniger 
mannigfach.  Xerophile  Gehölze  fehlen,  wenigstens  als  klimatische  For- 
mationen, der  Unterschied  zwischen  Hochwald  und  Niederwald  lässt 
sich  kaum  durchfuhren,  die  Gesträuchformationen,  die  in  den  Heiden 
ihren  verbreitetsten  Typus  besitzen,  sind  in  erster  Linie  von  edaphischen 
Einflüssen  abhängig.  Die  Grasflur  ist  meist  als  Steppe,  seltener  als 
Wiese,  niemals  aber  als  Savanne  ausgebildet. 

In  einem  grossen  Theile  der  winterkalten  temperirten  Zonen  ist 
die  Vegetationsdecke  durch  die  transformirende  oder  verheerende 
Thätigkeit  des  Menschen  und  seiner  Hausthiere  derart  verändert  wor- 
den, dass  man  nur  noch  in  den  seltensten  Fällen  von  natürlichen  For- 
mationen sprechen  kann,  z.  B.  in  Mitteleuropa,  im  grössten  Theile  von 
China  und  Japan,  in  einem  beträchtlichen  Theile  von  Russland  und 
Nordamerika.  Etwas  weniger  verändert  ist  die  ursprüngliche  Vege- 
tationsdecke im  östlichen  und  südlichen  Russland,  im  temperirten 
Sibirien,  und  in  manchen,  namentlich  westlichen  Landschaften  Nord- 
amerika^. Auch  sind,  in  den  zuletzt  erwähnten  Ländern,  die  Zerstö- 
rungen verhältnissmässig  neuen  Ursprungs  und  der  Naturcharakter  lässt 
sich  aus  den  Schilderungen  von  Augenzeugen  wiederherstellen.  Russ- 
land und  Nordamerika  sind  diejenigen  Länder  des  nördlichen  kalttempe- 
rirten Gürtels,  in  welchen  die  klimatischen  Bedingungen  der  Gehölze, 
Grasfluren  und  Wüsten  am  ehesten  noch  erkannt  werden  können.  Der 
kalttemperirte  Gürtel  der  südlichen  temperirten  Zone  ist  auf  dem  Lande 
so  schwach  entwickelt,  dass  er  kaum  in  Betracht  kommt. 


tjA  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

§  2.  Wald  und  Prärie  in  den  Vereinigten  Staaten.  Die  Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika  zeigen,  bezüglich  derHydrometeore,  eine  östlich- 
westliche Gliederung  in  vier  Hauptgebiete.1}  (Vergl.  die  Tabelle  I  u.  II.) 

Das  atlantische  Gebiet  ist  ohne  Trockenzeit;  Regen  fallen  reich- 
lich zu  allen  Jahreszeiten,  mit  einem  erkennbaren  Maximum  im 
Sommer.  Die  Niederschläge  betragen  im  Küstenlande  ca.  iooo  mm 
jährlich,  im  Süden  und  am  Golf  1200  mm,  nach  Osten  fallen  sie  auf 
800—900  herunter.  Die  östliche  Grenze  des  Gebiets  ist  ungefähr  durch 
den  Mississippi  bezeichnet. 

Westlich  vom  Mississippi  erstreckt  sich  bis  zum  Fuss  der  Felsen- 
gebirge ein  Gebiet  mit  trockenen  Wintern  und  feuchten  Früh- 
sommern; die  Niederschläge  sind  geringer  als  im  atlantischen  Gebiet 
und  betragen  500 — 600  mm;  sie  nehmen  von  Osten  nach  Westen  ab. 

Das  zwischen  Felsengebirge  und  Sierra  Nevada  gelegene  Plateau 
hat  beinahe  überall  sehr  spärliche  Niederschläge  (30  cm  oder 
weniger),  die  entweder  zu  allen  Jahreszeiten  fallen  oder  im  Hochsommer 
beinahe  ganz  fehlen. 

Die  pacifische  Küste  westlich  von  der  Sierra  Nevada  (Washington, 
Oregon,  Californien)  ist  ein  Gebiet  der  Winterregen.  Im  Norden  sind 
die  Niederschläge  sehr  reichlich  und  auch  der  Sommer  ist  feucht,  obwohl 
viel  weniger  als  der  Winter.  Nach  Süden  werden  die  Niederschläge 
geringer  (ca.  500  mm)  und  der  Sommer  wird  regenlos,  der  südlichste 
Theil  von  Californien  erhält  nur  sehr  spärliche  Niederschläge  (ca.  250  mm). 

Aus  der  Menge  und  namentlich  der  jahreszeitlichen 
Vertheilung  der  Niederschläge  Hesse  sich  der  Vege- 
tationscharakter aller  vier  Gebiete  schon  imVoraus  mit 
Sicherheit  angeben.  Das  östliche  Gebiet  mit  seinen  vielen  auch 
während  des  Winters  fallenden  Niederschlägen  hat  ein  echtes  Wald- 
klima und  ist  in  der  That  von  Wäldern  bedeckt,  welche  im  Nord- 
westen, entsprechend  der  Abnahme  der  Regenmenge,  an  Höhe  und 
Ueppigkeit  abnehmen.  Im  südlichen  wintermilden  Theil  sind  die 
Wälder  hygrophil  (subtropischer  Regen wald),  im  Norden  sind  sie,  der 
Winterkälte  entsprechend,  tropophil.  Das  Gebiet  zwischen  Mis- 
sissippi und  Felsengebirge  besitzt  in  erster  Linie  durch  seine 
trockenen  Winter  und  gleichmässig  feuchten  Frühsommer,  in  zweiter 
Linie  durch  die  massige  Menge  seiner  Niederschläge,  ein  ganz  typisches 
Grasflurklima.  Es  mag  gleich  hinzugefugt  werden,  dass  der  baum- 
feindliche Charakter  des  kalten  Winters  durch  häufige  Nordwinde  bei 
scharfem  Frost  noch  erhöht  wird.  Dieses  Gebiet  ist  dasjenige  der 
P  r  ä  r  i  e  e  n  genannten  baumlosen  Steppen.   Das  Plateau  zwischen  Felsen- 


!)  Die  Meteorologen  unterscheiden   nach  Greely  dreizehn  Typen.     Für  die  hier  in  Be- 
tracht kommenden  Fragen  ist  eine  so  weitgehende  Gliederung  überflüssig. 


VI.   Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  kalttemperirten  Gürteln. 


575 


gebirge  und  Sierra  hat  zum  grössten  Theile  Wüstenküma  und  dem  ent- 
spricht sein  Vegetationscharakter  vollkommen.  Das  paci fische  Ge- 
biet endlich  besitzt,  mit  Ausnahme  des  südlichen  wüstenartigen  Theils, 
ausgeprägtes  Gehölzklima;  den  massigen  Niederschlägen  im  mittleren 
Californien  entsprechen  xerophile  Gehölze,  den  reichen  des  winterkalten 
Nordens  tropophile  Hochwälder. 

Folgende  Tabelle  bringt  nach  Hann  Procente  der  Jahressumme  des 
Regens  für  das  mittlere  atlantische  Waldgebiet  und  das  in  gleicher 
Breite  (ca.  400  N)  gelegene  Grasflurgebiet  der  Prärie  (Nebraska, 
Kansas). 

Tabelle  I. 


Jan.  |  Febr. 

März 

April    Mai 

Juni     Juli 

Aug.  1  Sept. 

Oct.  |  Nov. 

Dec. 

Atlantisches   ~ 
Waldgebiet  ||    *4 

7.8 

8.8 

7.1* 

7-5 

8-5 

9.8 

9.6 

8.2 

8.4 

8.1 

7.8 

Grasflur 
(Prärie) 

'  2.7* 

2.8 

5-o 

10.6 

M.5 

17.2 

14.4 

12.0 

7.9 

6.4 

3.2 

3.3 

Die  Tabelle  II  bringt,  ebenfalls  nach  Hann,  für  eine  grössere  An- 
zahl Landschaften  die  wirklichen  Regenmengen. 


Tabelle  II. 
Mittlerer   Regenfall    in   den   Vereinigten   Staaten. 


1 

i                      Atlantisches   Gebiet 

il 

1                                 Wald 

l| 

Prärien- 
Gebiet 
Ueppige 
Grasflur 

Hl 

Plateau  des 
Felsen- 
gebirges 
Wüste 

Pacil 
Ki 

Sä 

Ssche 
iste 

Q-2.S 

j 

Neu- 

1  England 

1 

3*3 

3  3 

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il 

in 

II 

.13    « 

104 

c 

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67 

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45* 

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13* 

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je 

6    .    V 

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3£ 

.13  -~. 

£  vO 

Jan.         96 

94 

107* 

130 

24* 

16* 

21 

36* 

136 

90* 

Febr.i     91 

87 

91 

120 

103 

64 

45 

14 

29 

12* 

28 

31 

126 

73 

März,      97 

97 

110* 

165* 

101 

68 

58 

23 

41 

18 

22 

25 

117 

56 

April       81 

79 

98 

137 

95 

55* 

68 

42 

74 

36 

14 

24 

68 

47 

Mai         7  9* 

78* 

95 

103 

90 

71 

95 

68  |io4 

70* 

IO* 

19 

49 

14 

Juni         88 

93 

130 

125 

118* 

83 

116* 

72*jl22* 

65 

13 

10 

34 

6 

Juli     1   102* 

107  1   147 

120 

109 

91* 

98 

54 

103 

41 

49 

5 
5* 

15* 

1 

Aug.      102 

113* 

161* 

n6 1  91 

73 

90 

60 

81 

36 

60* 

15 

0* 

Sept.       77 

88 

133 

96 

70 

72 

98 

3i 

31 

25 

7 

38 

4 

Oct         94 

80 

104 

67* 

68*|  75 

67 

35 

16 

T8 

65 

22 

14 

15 

72 

22 

Nov.        95  |     80 

79*!   105 

86  |  72 

5° 

_33 
30 

14 

16 

20 

119  ,  48 

Dec.        84        84 

103  j  123 

91  '  69 

47 

16 

29  1  31 

146*    84 

Jahr:  1086 

1080 

US» 

1407 

1 126 

860 

877 

446 

784 

377 

301 

227 

935 

445 

576 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  IE. 
Winde  im  nordamerikanischen  Waldgebiet. 


Winter:                       I 

N 

NE 

E 

SE 

s 

SW  i   W     NW 

Gebiete   des  Ohio  u.  Tennessee  i 

8 

7 

5 

9 

12 

28   ,    16      16 

Südatlantische  Staaten  .     .     .     .  ' 

13 

J3 

7 

6 

II 

18  j    14  ,  17 

Mittelatlantische  Staaten     .     .     .  1 

9 

12 

5 

6 

7 

14       19     28 

Neu-England | 

9 

II 

4 

7 

7 

M  '   15     33 

Sommer : 

1 

Gebiete   des  Ohio  u.  Tennessee  , 

7 

II 

7 

9 

ii 

31   |   12      11 

Südatlantische  Staaten   .     .     .     .  I 

7 

12 

8 

12 

17 

26      11       8 

Mittelatlantische  Staaten     .     .     .  j 

8 

IO 

6 

II 

14 

19      16      15 

Neu-England 

5 

IO 

8 

IO 

12 

24   ,   14      16 

Woeikof  H,  35. 


Tabelle  IV. 
Winde    in  der  nordamerikanischen   Prärie. 


Winter : 


N      NE 


SE 


SW  '   W  .  NW 


Gebiet  d.  mittl.  Missouri  (Kansas 
und  Nebraska) 

22 

8 

6 

9 

15 

12   1   18      20 

Gebiet    des  Mississippi   zw.  38 ° 
bis  430  NB. | 

9 

8 

5 

15 

12 

13   1   U  j  24 

Gebiet  des  oberen  Mississippi     . 

7 

9 

5 

16 

1 1 

15       10  '  26 

Indianerterritorium  mittleres  Texas 

20 

11 

14 

15 

12   |    9    |    6       13 

Sommer : 

!          ! 

Gebiet  des  mittleren  Missouri    . 

10 

10 

13 

18 

26 

13   1   10      10 

Gebiet   des   Mississippi   zw.  38  ° 
bis  43°  NB , 

9 

10 

9 

22 

16 

12       11      11 

Gebiet  des  oberen  Mississippi     .  | 

Indianerterritorium 

Mittleres  Texas 

6     f    11 

7 

21 

13 

21       10      12 

6 

8 

14 

22   |  27 

12       5        6 

3 

6 

11 

54 

17 

6:2.1 

Woeikof  ü,  S.  33 

§  3.  Klima  und  Vegetation  in  Russland.  Das  südliche  Russland 
ist  von  baumlosen  Steppen  eingenommen,  welche  im  Norden  und 
Westen  durch  immer  zahlreicher  werdende  Baumgruppen  und  Gebüsche 
unter  gleichzeitiger  Annahme  von  Wiesencharakter  allmählich  durch 
Waldgebiete  ersetzt  werden,  östlich  und  südöstlich  hingegen  dürftiger 
bewachsen  werden  und  in  die  Kaspische  Wüste  übergehen.  Südlich  ist 
die  Steppe  durch  das  Schwarze  Meer  begrenzt. 

Vielfach  wurde  die  Frage  erörtert,  warum  dieses  ungeheure  und 
fertile  Steppengebiet   des  Baumwuchses   entbehrt   und   das  Fehlen  des 


VI.    Gehölzkliraa  und  Grasflurklima  in  den  kalttemperirten  Gürteln.  577 

letzteren  in  der  Regel  mehr  auf  geologische  und  geognostische  als  auf 
klimatische  Ursachen  zurückgeführt,  obwohl  Woeikof  dieselben  bereits 
ganz  richtig  betont  hatte.  Die  russische  Steppe  besitzt  nicht 
bloss  ein  typisches  Grasflurklima,  sondern  dasselbe  ent- 
hält baumfeindliche  Elemente.1) 

Die  Niederschläge  in  der  russischen  Steppe  sind  massig.  Sie  sind 
dank  ihrer  Vertheilung,  wie  nachher  gezeigt  werden  soll,  für  die  Grasflur 
genügend,  für  kräftigen  Waldwuchs  aber  unzureichend.  Ihre  Menge 
schwankt  zwischen  37  und  47  cm  jährlich,  z.  B.  Pensa  46  cm,  Ssimbirsk 
44  cm,  Ssamara  39  cm,  Orenburg  43  cm,  Kursk  43  cm,  Lugan  37  cm, 
Margaritowka  am  Asowschen  Meer  47  cm ,  Odessa  40  cm ,  Nikolaew 
37  cm ,  Sewastopol  40  cm ,  Ssimferopol  44  cm.  In  den  benachbarten, 
jetzt  zum  grössten  Theil  der  Cultur  anheimgefallenen  ursprünglichen 
Waldgebieten,  ist  die  jährliche  Menge  der  Niederschläge  stets,  und 
meist  beträchtlich,  grösser,  z.  B.  nicht  weit  von  der  Nordgrenze  der 
Steppe:  Kosmodenjansk  57  cm,  Pinsk  61  cm.  Die  westlich  von  der 
Steppe  gelegenen  Waldgebiete  sind  noch  regenreicher,  z.  B.  beträgt 
die  durchschnittliche  jährliche  Menge  der  Niederschläge  in  Oesterreich- 
Ungarn,  nach  Hann,  74  cm.  Allerdings  fehlt  es  nicht  an  einzelnen  Punkten 
Mitteleuropa^  an  Orten,  wo   die  Regenmenge   40  cm  wenig  übersteigt. 

Solche  Gehölze,  wie  sie  in  der  winterkalten  Zone  vorkommen,  sind 
alle  tropophil  und  scheinen  zu  normalem  Wuchs  einerMinimalhöhe 
der  Niederschläge  von  etwa  50  cm  zu  bedürfen.  Bei  ge- 
ringen Mengen  wird  der  Waldwuchs  sehr  dürftig.  Wir  haben  allerdings 
in  den  warmen  Zonen  xerophile  Wälder,  trotz  der  viel  höheren  Tempe- 
ratur, bei  noch  geringeren  Niederschlägen  wachsen  sehen;  xerophile 
Wälder  haben  sich  aber  in  den  winterkalten  Zonen  nicht  ausgebildet, 
da  es  eines  dazu  geeigneten  Klima's,  nämlich  eines  ausgeprägt  trockenen 
Sommers  bei  feuchtem  Winter  bedarf. 

Ein  anderes  dem  Baumwuchs  noch  viel  ungünstigeres  Element  im 
Klima  des  Steppengebiets  ist  in  den  heftigen,  trockenen  Ost- 
winden gegeben. 

Der  auffallendste  klimatische  Unterschied  zwischen 
Süd- und  Nordrussland  besteht  nach  Woeikof  darin,  dass 
ersteres  während  des  Winters,  sowie  imHerbst  undFrüh- 
jahr  vorwiegend  Ostwinde  besitzt  (NO,  O);  während  das 
russische  Waldgebiet,  wie  Mitteleuropa,  das  ganze  Jahr 
hindurch  ein  Vorherrschen  der  Westwinde  aufweist.*  Die 
Ostwinde  sind  aber  trocken  und  wehen  zu  einer  Zeit,  wo 
der  gefrorene  Boden  denVerlust  derPflanzen  an  Wasser 
nicht  ersetzen  kann. 


*)  Vgl.  s.  188. 

Schimper,  Pflanzengeographie.  37 


578 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Dass  trockene  Winde  zur  Zeit,  wo  der  Boden  gefroren  ist,  den 
Bäumen  weit  mehr  schaden  als  den  niedrigen  Gewächsen,  geht  aus 
unseren  früheren  Darlegungen  (vgl.  S.  183)  zur  Genüge  hervor. 

Während  der  Süd-  und  Westwinde  ist  die  Luftfeuchtigkeit  im  Winter 
beträchtlich,  so  dass  der  Mittelwerth  der  letzteren  für  den  ganzen  Winter 
nicht  gering  ist. 

Auch  im  Sommer  ist  zu  grosse  Lufttrockenheit  ein  dem  Baum- 
wuchs ungünstiges  klimatisches  Element.  Trotz  Vorherrschen  der 
Westwinde  ist  in  der  Steppe  bei  klarem  Wetter,  nach  überein- 
stimmenden Angaben  die  Luft  im  Sommer  äusserst 
trocken.  Während  dieser  Zeit  herrschen  aber  hohe, 
starke  Transpiration  bedingende  Temperaturen. 

Nach  dem  Gesagten  trägt  das  russische  Steppengebiet 
durchaus  nicht  den  Charakter  eines  Waldklimas.  Um  so 
mehr  ist  sein  Charakter  als  Grasflurklima  ausgeprägt: 
Trockener  Winter,  feuchter  Frühling  und  namentlich 
Frühsommer  (Juni),  milde  Temperatur  und  Häufigkeit  der 
Niederschläge  während  der  Vegetationszeit. 

Die  Dürre  im  Spätsommer  und  Herbst  tritt  am  Schluss  der  Vege- 
tationszeit auf  und  ist  daher  ohne  schädliche  Wirkung. 

Das  mittlere  und  nördliche  Russland  hat  ein  weniger  ausgeprägtes 
Waldklima  als  z.  B.  das  atlantische  Nordamerika  und  besitzt  dem- 
entsprechend einen  viel  weniger  üppigen  Waldwuchs.  Die  Niederschläge 
sind  weit  weniger  reichlich,  namentlich  während  des  Winters,  die  un- 
günstige Wirkung  des  letzteren  Umstandes  wird  aber  dadurch  aufgehoben, 
dass  im  russischen  Waldgebiet  im  Gegensatz  zur  Steppe,  die  West- 
winde vorherrschen  und,  auch  während  des  Winters,  nicht  die  ver- 
heerende trocknende  Wirkung  besitzen,  welche  den  Ostwinden  zukommt. 
Dem  russischen  Waldgebiet  kommt  es  auch  zu  Gute,  dass  sein  Klima 
der  Grasflur  ungünstig  ist,  indem  der  Frühsommer  relativ  regenarm  ist 
und  die  Niederschläge  vornehmlich  im  Spätsommer  und  Herbst  fallen. 

Tabelle  V. 
Windrichtung    in    den    Steppen    Mittel-    und    Südrusslands 
zwischen  dem  530  und  dem  Schwarzen  Meere. 


9 

_ 

NE 
13 

*' 

SE 

s 

s\v 

w 

X\V 

Januar    1 

21 

15 

9 

10 

11 

Februar  bis  April 

8 

11 
10 

20 
17 

11 
12 

II 

12 

10 

Mai 1 

9 

12 

1 1 

17 

12 

Juni  bis  Juli    ... 

1 1 

10 

14 
19 

10 
13 

10 

II 

20 

15 

August  bis  September   , 

1 2 
9 

I 

I  2 

9 

I I 

8 

10 

13 

12 

October 

14 

12 
11 

II 
*3 

_I4_ 
13 

11 

Novemb.  bis  Decerab.  .( 

9 

18    1     iS 

10 

(Woeikof  Klimate,  n,  159-) 


VI.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  kalttemperirten  Gürteln. 


579 


Tabelle  VI. 

Windstärke    in    der    südrussischen    Steppe. 

a:   i   p.  m.,  ungef.  Zeit  grösster  Winstärke;  b:  7   a.  m.  9  p.  m., 
Zeit  geringster  Windstärke. 


" 

'" 

|  Nov.  bis  Febr.  1  März  bis  April 

Mai  bis  August   Sept.  u.  Octob. 

'      a      |      b      ]       a 

b 

a      1      b      '      a      |      b 

Nikolajew 

. 

5-3 

4.4 

7.1 

4.8    I    5-3       3-5 

4.8  ;  2.6 

Seuastopol     . 

4-6 

3-7 

5-6 

3-3 

4.9         1.4 

4.7 

1.9 

Lug  an 

5-9 

4.4 

6.4 

4-3 

6.5         2.5 

7.1 

27 

Astrachan 

. 

i   5.2 

3-9 

6.2 

4.0 

5-3    |    3-o 

5.6  |  2.9 

(Woeikof,  Klimate  II,   165.) 

Winter: 

Sommer: 

N  JNE 

E 

SEJ    S   |S\V|  W    NW 

N   ,N  E|  E   1  SE     S   |SWi  W  |NW 

Simferopol    . 

7   I15 

31 

17  1    6 

6     iO|   8 

7    j  15,31 j  17  '  6   1  6      10     8 

Jekatarinoslaw 

5  |'o 

20 

16  ;  21 

131  io|  s 

5     |   IO|20|   l61  21   1  13'  IO,    5 

Lugan       .     . 

7   1  14 

23 

9 

8     12    21  (   5 

7  |  Ml  23 

9      8     12 

21   1    5 

Taganrog 

9     14 

25 

10 

10  J  9      16 

7 

9   | 14 1 25 

10 1 10  1  9 

16  t    7 

Charkow  .     .  | 

j       1 

I 

1 

1 

Poltawa    .     .  J 

5  I  I2 

22 

8 

9     x4 

18   12 

8   j  10 

15 

7 

6 

15  24  16 

Woltschansk  ) 

1 

1     1 

Odessa     .     . 

17  1  14 

10 

9 

1S  |  IO 

13  1 12 

25     5 

7 

10  j  25  1  5    |  10  |  13 

Nikolajew 

J3  I  24 

7 

10 

iJ 

* 

13 

5 

13 

i8|  1 

7 

2 

7 

14 

|io 

1     1» 

(Woeikof,  Klimate  II,   16 1.] 

Tabelle  VII. 
Mitteltemperatur   in    der   südrussischen    Steppe. 


Lugan 


Januar        März 
"—8  3  |  -1.8 


Zaryzin     . 

Jekaterinoslaw  I  — 2.2 
Odessa     .     .      — 3.9 


— 10.4    — 3^2 
2.0 


April  Mai 

8.6     |     16.7 

17.0 


^•5 


9.2 


16.2 


Juli      |Septemb.  I  October   Novemb. 


22.8 


23-7 

_24.7_ 

23.0 


15-8   | 

^5-7 
18.0 


8.2 
7.2 


12.8 


17.0    |    10.6 


_L*4 
0.4 

"6-9 
4.5 


Julitemperaturen  in  denselben  Breiten  (45 ° — 50°)  Mitteleuropa^:  Laibach 
19,7;  Graz  19,9;  Wien  (Land)  19,6;  Genf  19,3;  Stuttgart  18,8;  Strassburg  19.2. 
Die  Julitemperaturen  der  russischen  Steppen  zeigen  sich  nur  in  der  ungarischen 
Tiefebene,  also  ebenfalls  in  einem  Steppengebiet:  Budapest  22,3;  Debreczin 
22,4;  Szegedin  22,8;  Pancsova  23,0.  (Woeikof.) 


37* 


58o 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  VIII. 

Vertheilung   der   Niederschläge    in   der   russischen    Steppe 
verglichen  mit  Mitteleuropa  (Zwischenklima)   (in  Procenten). 


Jan. 

Feb. 

März 

Apr. 

Mai 

Juni 

Juli  |Aug.|Sept.l  Oct 

Nov. 

Dcc. 

Centralruss.     Wald- 

i 

~ 

r 

" 

~     ■ 

'  "\ 

gebiet     .... 

6 

4 

5 

6 

IO 

8 

14  1 

12     11 

7 

9 

8 

Uebergangssteppe: 

. 

Ssamara    .... 

5 

4 

4 

6 

IO 

12 

14 

12  1 1 

9 

8 

6 

Orenburg       .     .     . 

7 

6 

6 

8 

9 

*3 

ii 

9  1  IO, 

8 

8 

8 

Kiew   .     .     . 

5 

5 

6 

8 

9 

11 

«51 

io,     9  I 

8 

6 

7 

Südruss.   Steppe: 

1 

i        1 

Westlicher  Theil    . 

5 

4 

7 

7 

9 

13 

12 

»1     9, 

8 

10 

8 

Oestlicher  Theil     . 

5 

5 

6 

7 

12 

15 

13 

9,     »I 

6 

9 

6 

Südl.      Uebergangs- 

1               1 

steppe  (Bessarabien) 

4 

5 

6 

7 

II 

16 

14 

11  1     7  l 

5 

6 

5 

Gebiet  der 

■    1 

Balkanhalbinsel: 

1    ' 

Belgrad  u.  Umgegend  . 

7 

6 

8 

6 

9 

12 

8 

"  l    7 : 

6 

13 

6 

Ungarische   Steppe 

7 

5 

7 

7 

ii 

13 

11 

10       6 

8 

8 

8 

Mähren      .     . 

5 

5 

7 

7 

n 

12 

12 

'3|     ?' 

7 

7 

7 

Süddeutschland 

1                j 

(Württemberg,   Nord- 

1           ! 
! 

Bayern)    .... 

6 

6 

7 

7 

9 

12 

10  i 

11  i     7  | 

8 

9 

7 

(Nach 

Woeikof. 

Tabelle  IX. 

Dauer  der  Dürreperioden  in  der  russischen  Steppe. 

a  mittlere  Dauer  des  Zwischenraumes  zwischen  zwei  Regen,  b  mittlere  Dauer 

der  aufeinander  folgenden  Regentage. 


Wladimir 

Charkow 

Ssamara 

Orange 

'        a.       |       b. 

a.       '       b. 

a.       j       b. 

a.             b. 

April   .     . 

4:5     1       2-l 

J-5          2-o 

_5±j__n__ 

3.0           2.0 

Mai      .     . 

4.6     ,       1.8 

3.0            2.2 

A-2_    \       —_ 

__3j_4_      J-8_ 

Juni     .     . 

2.8     j       2.3 

2.5     ,       2.0 

3-5    !     — 

_419_     J'6 

Juli      .     . 
August 
September 
October   . 

3.o     |      i.8_ 

4^1     1      1.9 

4-6     1      1.5 
4.0    ;      1.8 

3-9     |       2-° 
4.1      1       2.1 
4.6            2.0 

— 1- "- 

4.7       — 

_5l2__     _l;3 
1-3      _12- 
4.4         i.j 

3.6         1.9 

Orange,     im    Mittelmeer- Gesträuchklima,    wurde    vergleichsweise    heran- 
gezogen, um  die  schwächere  Vertheilung  der  sommerlichen  Niederschläge  zu  zeigen. 

(Woeikof,  Klimate,  IV,  S.  25  f.  < 


VL    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  kalttemperirten  Gürteln. 


58l 


§  4.  Das  ungarische  Tiefland.  Die  Steppe  des  ungarischen  Tief- 
lands zeigt  grosse  klimatische  Aehnlichkeit  mit  derjenigen  Südrusslands. 
Hann  erwähnt  als  charakteristisch  für  dieselbe  dem  umgebenden  Wald- 
gebiet gegenüber:  Grössere  Temperaturextreme,  Einschränkung  der 
frostfreien  Zeit  auf  die  eigentlichen  Sommermonate,  ein  dürrer  Sommer 
(d.  h.  Spätsommer)  und  Herbst  und  austrocknende  Winde. 

Genauere  Daten  über  das  ungarische  Steppenklima  bringt  die 
Monographie  Hunfalvy's: 

In  den  beiden  Becken  (des  Tieflandes)  ist  der  Jänner  der  kälteste  Monat, 
und  die  mittlere  Temperatur  sinkt  überall  unter  o°  R Die  mittlere  Tem- 
peratur des  Februars  ist  in  den  einzelnen  Stationen  um  1 — 3  Grad  höher, 
steht  aber  an  einzelnen  Orten  noch  unter  o°.  Die  mittlere  Temperatur  des 
März  steht  um  3 — 4  Grad  höher  als  die  des  Februars;  im  April,  Mai  und 
Juni  steigt  die  Temperatur  noch  höher  und  erreicht  im  Juli  (an  einigen 
Orten  im  Juni  oder  August)  das  Maximum.  Im  September  und  October 
fällt  die  mittlere  Temperatur  nur  massig,  desto  rascher  im  November  und 
December.  In  dem  westlichen  und  südlichen  Randgebiet  ist  der  Jänner  ver- 
hältnissmässig  milder  als  im  Tieflande,  aber  auch  die  Sommermonate  sind 
weniger  heiss,  und  die  Temperatur  des  wärmsten  und  kältesten  Monats  beträgt 
bloss  16 — 190,  während  sie  im  Tiefland  17  —  210  erreicht. 

Im  Durchschnitt  beträgt  die  mittlere  relative  Luftfeuchtigkeit  nach  den 
einzelnen  Jahreszeiten: 

Tabelle  X. 


1 

Frühling 
67.7 

Sommer 
63.1 

Herbst 

Winter 
82.8 

Jahr 

Tiefland  (Steppe) 

72.1 

71.5 

Randgebiet      .     .   ! 

71.2 

69.2 

81.0 

84.1 

76.8 

Oberland    .     .     . 

74.5 

7  5.7 

83.2 

86.7 

81.5 

Siebenbürgen  .     .  j| 

69.9 

72.6 

76.5 

87.3 

76.6 

Man  sieht,  dass  die  relative  Luftfeuchtigkeit  im  Tiefland  am  geringsten, 
im  Oberland  am  grössten  ist.  Im  Tieflande  sind  aber  besonders 
die  durchschnittlichen  Minima  der  Luftfeuchtigkeit  sehr 
gering,  wie  folgende  Uebersicht  zeigt : 


Tabelle  XI. 

l_J»-_ 

Pressburg  .     54.8 

Febr. 
53.o 

März   April  1  Mai  |  Juni 
37.8  1  22.2  |  27.2     29.8 

JuliJ  Aug. 

30.2    24.8 
34.0131.0 

35-I<32.5 
28.0,  28.2 

Sept.     Oct.  |  Nov. 

32.5    3 9 j!  53-4 
39.0145.0153.0 
37. 6141. 2    51.0 
29.7  1  33.7    43.7 

Dec. 
56-9 

Fünfkirchen  51.0 

63.0 

53.0 
41.8 

30.7 

39.0 1  39.0  (36.0 

41.0 

Pest.     .     .  i!  59-3 
Ofen     .     .158.3 

13± 
44-3 

35° 

33.o 

2s:5 

32.8I35.1 
28.5  29^ 
34.0  37.0 

58.8 
62.1 

Szegedin    .  !;66.o 

46.O 

30.0 

34.0  36.0 
2 1.0 ,  22.0 

33-°   5°-° 

64.0 

75-° 

Panscova   .   J54.0 

42.0 

2  0.0 

28.0 

20.0  26.0 

23.01  32.0 

40.0 

46.0 

582 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Nach  den  an  der  Ofener  Realschule  angestellten  Beobachtungen  betrug 
die  Verdunstung  einer  freien  Wasserfläche  im  Jahre  1863  vom  26.  Mai  bis 
31.  December  699.55'  Par.  Linien. 

Die  absolute  und  procentige  Menge  der  Niederschläge  in  den  einzelnen 
Monaten  beträgt  nach  Hunfalvy  (Monate  in  Linien,  Jahr  in  Zöllen): 


Tabelle  XII. 

Früh 
i     abs. 

ling 
/o 

Sommer 

Herbst 
abs.     J_    «/0 

Winter 
abs.    '     o/0 

Jahr 
abs. 

Tiefland.     .      54.72 

25.1   1     63.80     29.6  |     56.59 

26.4 

T8.r 
20.7 

41.46     18.8  ' 

17.96 

Randgebiet  .  !   96.60 

24.5   ,  107.42 

27.2 

IIO.87 
59-40 

79.891  20.2 
54.15!  l8-4 

35-22 

Oberland      .      6 1 .7  2 

21.3 

II  I.69 

39.5 

23-99 

Siebenbürgen  '  77.91 

27.9 

113.84 

39-8 

55.49 

18.2 1 39.27  j  14.1 

23.87 

Also   sind    die   Niederschläge    im   Tieflande    bei    weitem 
am  geringsten. 

Tabelle  XIII. 
Monatliche  Regenmengen. 


Jan.   1  Febr.  |  März 

April 

Mai 

25.49 
39.66 

Juni 

JuU 

Aug. 

Sept. 

Oct.      Nov.  1  Dec. 

1 

Tiefland  13.7  8' 10.01  13.64 
Rand-      f          \  *      \ 
gebirge'21-"26-97!19'47 

16.43 
44.10 

15-23 

24-5° 
37-47 

20-77 

30.00 



43.02 

l8  Ol  I7.O5!  17.64  2  2.58^  l6.0I 
36.7 4J32.74  42.69  46.03  44.26 

Ober-       ;          !         J 

land  i7.ori4.38|i7-23 

29.26 

38.72 

29.95 

18.0532.32  18.13  22.16 

Sieben-              j          I   0 
bürgen;  II'3°iI3,2T33 

23.6l 

35-88 

43-33 

39.65 

2O.85 

21.53 

16.4518.26  14.68 

1            i 

Die  grössten  Regen  fallen  demnach  im  Tieflande  wäh- 
rend des  Frühsommers  (Mai,  Juni),  der  Hauptvegetationszeit  der  Gras- 
flur.    Regenwind  ist  vornehmlich  der  südwestliche. 

Durchschnittliche  Anzahl  der  Regentage  im  Tiefland: 


Jan. 

Febr. 

März 

April 

Mai 

Juni 

JuU 

Aug. 

Sept. 

Oct       Nov. 

Dec. 

8.5 

7-9 

8.8 

9.1 

10.3 

9.1 

8.5 

7.3 

6.3 

6.6        8.9 
Jahr: 

9-2 
101.4. 

Aus  den  allgemeinen  klimatischen  Angaben  sei  aus  derselben 
Arbeit,  theilweise  wörtlich,  folgendes  entnommen:  Der  Gang  der  Tempe- 
ratur ist,  wie  er  in  einem  dem  oceanischen  Einfluss  entrückten  Binnen- 
lande zu  sein  pflegt :  sehr  schwankend,  schnell  veränderlich  und  extrem. 
Der  Winter  ist  im  Allgemeinen  strenge,  doch  sehr  veränder- 
lich. Bis  Mitte  Mai  wechseln  gewöhnlich  warme  Tage  mit  windigen 
und  rauhen  ab;    Nachtfröste    dauern  bis  April  und  Mai.     Im  Ganzen 


VI.    Gehölzklima  und  Grasflurklima  in  den  kalttemperirten  Gürteln.  583 

genommen  sind  die  trockenen  und  heissen  Sommer  häu- 
figer als  die  feuchten  und  kühlen.  In  solchen  heissen  Som- 
mern bleibt  nun  das  Thermometer  oft  wochenlang  auf  22 — 300  im 
Schatten  stehen.  Dann  beginnt  die  schwüle  Hitze  schon  des  Morgens 
um  7 — 8  Uhr  und  dauert  bis  Abends  6 — 7  Uhr.  Die  Luft  ist  ausser- 
ordentlich trocken;  kein  Thautropfen  labt  die  Vegetation. 

Fast  jeden  Morgen  erhebt  sich  ein  Wind,  der  bis  zum 
Abend  gleichmässig  weht.  So  vergehen  Tage  und  Wochen. 
Die  Blätter  der  Bäume  und  Gesträuche  welken  in  Folge 
der  grossen  Hitze,  Dürre  und  Ausdünstung  ab,  die  Saaten 
vergilben,  die  Grasnarbe  der  Wiesen  vertrocknet  gänzlich  .  .  .  Die  Winde 
sind  im  Tieflande  häufig,  und  wehen  oft  andauernd  und  stark.  Im 
Sommer  steigern  sie  die  Dürre,  indem  sie  die  Aus- 
dünstung befördern.  Besonders  gilt  dies  von  den  östlichen,  nord- 
östlichen und  südöstlichen  Winden. 

Diese  Schilderung,  in  welcher  ich  die  wichtigsten  Stellen  durch 
gesperrten  Druck  hervorgehoben  habe,  gibt  das  Bild  eines  echten  Gras- 
flurklimas und  gleichzeitig  eines  dem  Baumwuchs  ungünstigen  Klima. 
Als  Grasflurklima  ist  dasselbe  gekennzeichnet  wie  in 
Südrussland  und  Nordamerika,  durch  den  trockenen 
Winter,  feuchten  Frühsommer,  massige  Regenmenge, 
Häufigkeit  der  Niederschläge  sowie  milde  Temperatur 
während  der  Vegetationszeit  der  Gräser.  Dem  Baum- 
wuchs ungünstig  sind  wiederum  die  massigen  Nieder- 
schläge, der  trockene  kalte  Winter,  der  trockenheisse 
Spätsommer,  die  heftigen  Winde  und  die  herrschende 
grosse  Lufttrockenheit. 

§  5.  Das  kalttemperirte  Ostasien.  Das  nordtemperirte  Japan  hat 
reichliche,  zu  allen  Jahreszeiten,  namentlich  aber  im  Herbst  und  Frühwinter 
fallende  Niederschläge.  Das  Klima  ist  ein  Waldklima  und  dem  entspricht  der 
Vegetationscharakter;  ähnlich  wie  Nord-Japan  verhält  sich  Sachalin,  wo  das 
Niederschlagsmaximum  jedoch  entschieden  herbstlich  ist  Das  nordöstliche 
China  und  das  Amurland  haben  trockene  Winter  und  niederschlagreiche  Sommer ; 
das  Klima  trägt  den  Charakter  eines  Grasflurklimas  und  thatsächlich  sind  natür- 
liche Steppen  und  Wiesen  in  grosser  Ausdehnung  vorhanden.  Das  besonders 
baumfeindliche  Element  in  Steppengebieten,  das  Wehen  starker,  trockener  Winde 
im  Winter,  fehlt  hier,  denn  der  Winter  ist  sehr  luftstill.  Der  Baumwuchs  ist 
dementsprechend  reichlicher,  im  überaus  niederschlagarmen  Ostsibirien  in  Form 
dürrer  lockerer  Coniferenwälder  vorherrschend,  während  am  Amur  Grasfluren  und 
Waldparceilen  miteinander  abwechseln.  Welche  klimatische  oder  edaphische 
Einflüsse  im  letzeren  Falle  für  das  Auftreten  des  einen  oder  des  anderen 
Vegetationstypus  maasgebend  sind,  ist  zur  Zeit  eine  ungelöste  Frage. 


584 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Tabelle  XIV. 
Jährliche    Periode    des    Regenfalls    im   aussertropischen 

Ostasien.  2) 


1      Ost-Sibirien 
|   55°  N,  in  L 

1A> 

1  2 

Oo 

1*" 

Jesso  u.  Nippon 

8  = 

4 

7 

6  " 
J3 

1                 M 

1 

5  0 
**- 

4*~ 

5 

f"> 

3 

7 

13 

13 

£  - 

0 

1     s 

Januar     .     .     .     .  ||     3 

I 

2* 

5 

8 

0* 

Februar  .     . 

\\2* 

I* 

2 

4* 

6 

1 

März  .     . 

2 

I 

3 

6 

6* 

7 

1 

April . 

3 

4 

6 

6 

6 

7 

3 

Mai    .     . 

7 

IO 

8 

7 

6 

8 

7 

Juni    .      . 

14 

lS 

IO 

7 

6 

9 

17 

14 

Juli    .     . 

— 

- 

23 

23 

12 

8 

7 

10 

10 

20 

33 

August    . 

21 

24 

21 

13 

9 

10 

9 

17 

24 

September 

!  1 1 

i3 

16 

16 

11 

*5 

1 1 

14 

11 

October  . 

,      6 

4 

2 

2 

I  I 

6 

3 

12 

12 

1 1 
~8  ~ 
~6~ 

6 

_4 

2* 

4 
5 
4 

3 

November 

i     4 

10 

.     6 

13 

10 

2 

December 

i'  4 

1 

Jahr  cm 
Die  w 

ese 

ntli 

id 

27 
ien  Ei 

44 
gebnii 

49 
>se  die 

1    54 
jses  K 

137 
apitels 

130      175 
lassen  sich 

i  IIQ 
in  fol 

53 

gende 

Sätze  zusammenstellen: 

1)  Die  Gliederung  der  Vegetationsdecke  ist  im  winterkalten  Gürtel 
einfacher  als  in  wärmeren  Gürteln,  indem  ein  Unterschied  zwischen 
hygrophilen  und  xerophilen  Wäldern  kaum  noch  besteht  und  klimatische 
Gesträuchformationen  —  ausser  im  Hochgebirge  —  fehlen.  Es  stehen 
demnach  nur  Wald  und  Grasflur  (letztere  als  Wiese  oder  Steppe,  nie 
als  Savanne)  einander  gegenüber. 

2)  Die  zur  Existenz  des  Waldes  nöthige  Höhe  der  Niederschläge 
ist  jedenfalls  nach  Temperatur  nnd  Trockenheit  des  Sommers 
schwankend;  in  einem  grossen  Theile  Europas  dürfte  sie  ihre  untere 
Grenze  bei  50  cm,  im  sommerheissen  Nordamerika  wohl  etwas  höher 
besitzen.  Elemente  des  guten  Baumklimas  sind  ausserdem  ein  nieder- 
schlagreicher, windstiller  Winter,  in  welchem  namentlich  bei  starkem 
Frost  trockene  Winde  nicht  wehen,  und  das  Fehlen  trockenheisser 
Winde  im  Sommer. 

3)  Der  Grasflur  als  Steppe  scheint  bei  der  Kürze  der  Vegetations- 
zeit eine  Regenmenge  von  30 — 40  cm  jährlich  zu  genügen,  falls  dieselbe 
vornehmlich  im  Frühjahr  und  Frühsommer   in   möglichst   reicher  Ver- 


•)  Hann  1.  c.  Bd.  III.  S.  223. 


Auswahl  der  Literatur. 


585 


theilung  fallt.     Die  baumwidrigen  klimatischen   Faktoren   sind   auf  die 
Grasflur  ohne  Einfluss. 

4)  Unter  30  cm  Regen,  oder  bei  vornehmlich  winterlichen  oder 
auch  gleichmässigen  Niederschlägen,  schon  bei  grösserer  Höhe  derselben 
wird  der  Vegetationscharakter  wüstenartig. 


Auswahl  der  Literatur. 

Die  allgemeinen  klimatischen  Charakteristiker  stützen  sich  auf  Hann's 
Handbuch  der  Meteorologie,  3.  Aufl.  Bd.  III,  sowie  desselben  Verfassers  Atlas 
der  Meteorologie,  Gotha  1887,  ferner,  namentlich  für  Russland:  Woeikof, 
Die  Klimate  der  Erde.     Jena  1887. 

Hann,  J.     I.  Handbuch  der  Klimatologie.     2.  Aufl.     3  Bde.     1897. 

—  II.  Die  Vorschläge  zur  Milderung  der  Sommerdürre  in  Ungarn.     Zeitschr. 

d.  österr.  Geseilsch.  für  Meteorologie.     Bd.  IL     1867. 
Hunfalvy,    J.      Die     klimatischen   Verhältnisse    des    ungarischen    Länder- 

complexes.     Ibid.  id. 
Peschel,  O.     Physische  Erdkunde.     2.  Aufl.     1883. 
Woeikof.     Die  Klimate  der  Erde.     Jena  1887. 


VII.   Die  Waldformationen  der  kalt- 
temperirten  Gürtel. 

1.  Allgemeine  Oekologie  des  Sommerwaldes.  §  i .  Einleitung.  Tropophilcr 
Charakter  des  Waldes  in  den  kalttemperirten  Gürteln.  Nadelwald  und  Laubwald.  —  §  2. 
Der  winterkahle  Laubwald.  Vergleich  mit  dem  Regenwald.  Ueppige  Entwickelung 
an  Gewässern.  Lichtwirkungen.  Unterholz.  Lianen.  Fehlen  oder  Seltenheit  höherer  Epiphyten. 
Optimale  Beleuchtung  der  Schattenflora.  Lichtbedürfniss  von  Hepatica  triloba  und  anderen 
Schattenpflanzen.  Structur  der  Bäume.  Ihre  Zweigordnung,  ihre  Blätter.  Vergleich  der 
Bäume  mit  denjenigen  xerophiler  tropischer  Gehölze.  Structur  der  Sträucher.  —  §  3.  Der 
Nadelwald.  Beleuchtung.  Xerophile  Structur  der  Bäume.  Tropophile  Lebensweise. 
Immergrüne  Laubhölzer.  2.  Specielle  Darstellungen.  §1.  Nordamerika.  Gliederung 
des  nordamerikanischen  Waldes  nach  Sargent.  Der  subpolare  oder  nördliche  Waldgürtel. 
Der  atlantische  und  der  pacifische  nördliche  Wald.  Die  paciflschen  Wälder  sind  Nadel- 
wälder. Der  pacifische  Küstenwald.  Nördlicher  Theil  desselben.  Wald  der  Sierra  Nevada. 
Sequoia  gigantea.  Der  pacifische  Binnenwald.  Dürftiger  Charakter.  Atlantische  Walder. 
Provinz  der  Weymouthkiefer.  Oekologischer  und  floristischer  Charakter.  Der  sommergrüne 
Laubwald  des  Mississipi  und  der  atlantischen  Ebene.  Die  Waldungen  von  Nord-Carolina 
nach  W.  W.  Ashe.  —  §  2.  Europa,  Urwälder  in  Böhmen  nach  Göppert  Wald  an  den 
Östlichen  Gestaden  des  Schwarzen  Meeres.  —  §  3.  Sibirien  und  Ostasien.  Vergleich 
des  sibirischen  Waldes  und  des  subpolaren  nordamerikanischen  Waldes.  Physiognomie  des 
sibirischen  Waldes  nach  Middendorff.  Ostasiatische  Wälder  in  Kamtschatka,  am  Amur,  auf 
Sachalin.  Die  Sommerwälder  Japan's  nach  Rein  und  Mayr.  —  §4.  Die  Wälder  Feuer- 
lands.    Ihr  Charakter  nach  Düsen. 


1.  Allgemeine  Oekologie  des  Sommerwaldes. 

§  1.  Einleitung.  Im  Gegensatz  zu  den  Wäldern  der  warmtempe- 
rirten  Gürtel  stellt  in  den  kalttemperirten  Gürteln  die  Winterkälte  einen 
ganz  wesentlichen  Factor  in  der  Oekologie  des  Waldes  dar.  Die  Kälte- 
perioden sind,  ähnlich  wie  regenlose  Perioden,  Zeiten  des  Wasser- 
mangels für  die  Vegetation,  während  die  Wärmeperioden,  im  Gegensatz 
zu  denjenigen  des  grössten  Theils  der  warmtemperirten  Gürtel,  nament- 
lich in  Anbetracht  der  massigen  Temperatur  und  der  während  des 
Winters    im     Boden     angesammelten    Wasservorräthe ,     durch    grosse 


VII.   Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  587 

Feuchtigkeit  ausgezeichnet  sind.  Der  Abwechselung  physiologisch 
trockener  und  feuchter  Perioden  entspricht,  ähnlich  wie  in  tropischen 
Gebieten  mit  trockenen  und  nassen  Perioden,  ein  abwechselnd  xero- 
philer und  hygrophiler  Charakter  des  Waldes;  letzterer  ist  typisch 
tropophil.  Wegen  der  hervorragenden  ökologischen  Bedeutung  der 
Sommerwärme  soll  der  kalttemperirte  tropophile  Wald  Sommerwald 
genannt  werden. 

Die  Wälder  der  winterkalten  Gürtel  sind  allgemeiner  als  diejenigen 
wärmerer  Zonen  in  Nadelwälder  und  Laubwälder  differenzirt ;  doch  fehlt 
es,  namentlich  in  Nord-Amerika,  nicht  an  Mischwäldern  und  die  gegen- 
wärtige scharfe  Trennung  ist  manchmal,  namentlich  in  Europa,  auf  be- 
wusste  Eingriffe  des  Menschen  zurückzufuhren.  Im  Grossen  und  Ganzen 
nehmen  die  Nadelwälder  die  kälteren,  die  Laubwälder  die  mittleren 
Gebiete  ein;  letztere  sind  demnach  vornehmlich  im  Süden  sowie  im 
Bereich  des  Seeklimas,  erstere  im  Norden  sowie  in  höheren  vertikalen 
Regionen  vertreten,  doch  giebt  es  von  dieser  Regel  viele  Ausnahmen,  die 
theils  durch  die  Beschaffen heit  des  Bodens,  theils  durch  Eigentümlich- 
keiten bestimmter  Arten  bedingt  sind.  So  findet  man  in  den  Laub- 
holzgebieten Kiefernwälder  auf  Sand-  und  Torfboden,  während  Birken- 
gehölze den  Nadelwald  sowohl  in  horizontaler  wie  in  vertikaler  Richtung 
überschreiten  können. 

§  2.  Der  winterkalte  Laubwald.  Auch  auf  der  Höhe  der  Vege- 
tationszeit ist  das  vom  sommergrünen  Laubwalde  gebotene  Bild 
von  demjenigen  des  immergrünen,  namentlich  des  Regenwaldes,  sehr 
schieden.  Von  oben  betrachtet,  breitet  er  sich  als  beinahe  gleichmässige 
rein  grüne  Fläche  aus,  im  scharfen  Gegensatz  zum  reich  nüancirten, 
vorwiegend  düstern  Dache  des  Tropenwaldes.  Das  Profil  ist  niedriger, 
ruhiger,  regelmässiger,  indem  die  Bäume  des  Oberholzes  in  Höhe  und 
Verzweigung  weniger  ungleich  sind. 

Herrscht  im  Innern  des  Regenwaldes  meist  Ueberfiillung,  so  bietet 
häufiger  dasjenige  des  sommergrünen  Waldes  ein  Bild  der  Leere.  Das 
Unterholz  fehlt  bei  dichtem  Bestände  der  Bäume  oft  ganz  und  zeigt 
nur  in  lockeren  Beständen  oder  am  Waldrande  einige  Ueppigkeit ;  doch 
gestattet  es  stets  freien  Einblick  in  das  Innere.  Anstatt  der  fünf  Stock- 
werke des  tropischen  Regenwalds  sind  hier  deren  höchstens  drei  vor- 
handen, zwischen  den  Stämmen  etwas  Gesträuch,  zwischen  diesem 
einige  Bodenkräuter  und  Moose.  Die  üppigsten,  hochstämmigsten 
Wälder  jedoch  bestehen  meist  wesentlich  nur  aus  Bäumen.  Unterholz 
fehlt  oder  ist  dünn  gesät  und  der  vom  verwesenden  Abfall  des  Laub- 
dachs bedeckte  Boden  ernährt,  wenigstens  während  des  Sommers,  nur 
spärlich  Kräuter,  Farne  und  Moose,  welchen,  beim  Herannahen  des 
Herbstes,  die  Schaar  der  Hutpilze  sich  zugesellt.  Das  Frühjahr  ist  aller- 
dings durch  einen  reicheren,  aber  vergänglichen  Blütenflor  ausgezeichnet. 


c 88  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Die  Lianen,  diese  nie  fehlenden  Bestandteile  aller  Regenwälder, 
sind,  mit  Ausnahme  von  Japan,  im  winterkalten  Walde  selten,  zudem 
klein  und  wenig  verschiedenartig.  Noch  mehr  tritt  die  epiphytische 
Vegetation  zurück.  Die  Baumrinde  trägt  nur  einzelne  kleine  Moose  und 
Flechten,  im  tiefsten  Schatten  aber  höchstens  einen  zarten  Anflug  von 
Soredien. 

In  lockeren  Beständen  oder  am  Waldsaum,  überall  da,  wo  das  Licht 
mehr  Zutritt  erhält,  werden  die  Lücken  auch  mehr  ausgefüllt.  Vor- 
nehmlich ist  dieses  der  Fall  am  Rande  der  Gewässer,  wo  dem  beleben- 
den Einflüsse  des  Lichtes  derjenige  grosser  Feuchtigkeit  hinzukommt. 
Hier  bildet  das  strauchige  Unterholz  Dickichte;  Epheu,  Giftsumach 
und  andere,  allerdings  meist  dünnstämmige  Holzlianen  wachsen  an 
Baumstämmen  empor,  andere  durchziehen  das  Gesträuch  und  die 
Baumrinde  bedeckt  sich  mit  Moospolstern.  Doch  wird  auch  bei  grosser 
Feuchtigkeit  und  rasches  Wachsthum  begünstigender  Sommerwärme 
die  Ueppigkeit  der  Regenwälder  nicht  erreicht,  wenn  auch  die  in  beider 
Hinsicht  begünstigten  Sommerwälder  Japans  denselben  näher  treten. 
Die  Kürze  der  warmen  Perioden,  die  Winterkälte  mit  ihren  trocknenden 
Wirkungen,  setzen  der  Entfaltung  der  Vegetation  engere  Schranken 
als  im  immerfeuchten  Regenwalde. 

Die  Bedeutung  der  Waldbeleuchtung  geht  schon  aus  der  Zunahme 
der  Schattenvegetation  bei  abnehmender  Dichtigkeit  des  Oberholzes 
hervor ;  zum  gleichen  Ergebniss  führt  auch  der  Vergleich  zwischen  der 
kargen  Schattenflora  des  Sommers  und  dem  relativ  üppigen  Frühlings- 
flor oder  zwischen  dem  zeitweise  lichten  Laubwald  und  dem  immer 
dunkelen  Nadelwalde.  Der  viel  grössere  Reichthum  der  Schattenvege- 
tation in  warmen  Zonen  ist  theils  direkt  auf  ihre  höheren  Lichtintensi- 
täten, theils  aber  auf  die  von  Wiesner  festgestellte  Thatsache  zurück- 
zufuhren, dass  das  Lichtbedürfniss  der  Pflanzen  mit  abnehmender 
Wärme  steigt,  so  dass  ein  und  dieselbe  Art  im  warmen  Klima  noch 
in  tiefem  Schatten,  im  temperirten  Klima  nur  an  hellen  Standorten 
gedeiht. 

Wiesner   hat    die   besonders   wichtige    geringste   Lichtintensität    für  ver- 
schiedene sommergrüne  Laubbäume  zu  Wien,  Mitte  Mai  bis  Mitte  Juli,  fest- 
gestellt und  u.  a.  folgende  Zahlen  für  geschlossene  Bestände  gefunden: 
L  (min.)  I  (max.) 

Fagus  silvatica  1/60 0.021. 

Asculus  Hippocastanum  ljhl 0.023. 

Quercus  pedunculata  */26 0.050. 

Fraxinus  excelsior  1/R.8 0.224. 

So  steht,  wie  im  Regenwalde,  auch  im  Sommerwalde  die  Vege- 
tation im  Banne  der  Beleuchtung.  Doch  besteht  hier  der  Kampf  ums 
Licht  meist  nicht,  wie  dort,  in  einem  Wettbewerb  kräftiger  Organismen 


VII.   Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  589 

unter  sich,  in  welchem  sogar  die  Hochbäume  durch  kleine  Gewächse 
besiegt  werden,  sondern  nur  in  Anpassungen  an  das  ungünstige  Licht- 
klima. An  besonders  begünstigten,  hellen  Stellen  allein  machen 
sich  Concurrenten  den  Raum  streitig.  Der  grössere  Theil  des  Wald- 
bodens gehört  demjenigen,  der  sich  auf  demselben  überhaupt  ent- 
wickeln kann. 

Zur  Entfaltung  eines  reichen  Unterholzes  ist  in  den  Wäldern  der 
hohen  Zonen  das  Licht  zu  schwach,  zum  Erklettern  der  Bäume  nach 
dem  Lichte  hin  ist  die  Feuchtigkeit  zu  gering.  Nur  in  den  sehr 
feuchten  Sommerwäldern  Japan 's,  wo  der  Winter  milder  ist,  erreichen 
einige  Lianen  ähnliche  Dimensionen  wie  in  Regenwäldern;  den 
sommergrünen  Wäldern  fehlt  sonst  die  Vereinigung  grosser  Wärme 
und  grosser  Feuchtigkeit,  welche  der  jungen  Liane  das  schnelle  Empor- 
schiessen bis  zum  Laubdache  ermöglicht  und  die  trocknende  Wirkung 
des  Winters  würde  den  zarten  und  langen  Stengel  rasch  vernichten. 
Lianen  zeigen  sich  daher  in  Europa  und  Nordamerika  nur  in  lichten 
Gehölzen  oder  am  Waldsaume. 

Noch  weniger  als  die  Lianen  sind  in  den  winterkalten  Wäldern 
jene  vollkommensten  Erzeugnisse  des  Kampfes  ums  Licht,  die  Epi- 
phyten  entwickelt.  Man  findet  wohl  hie  und  da  in  den  Höhlungen 
alter  Stämme,  an  den  Ufern  der  Gewässer,  Kräuter  und  kleine  Sträucher, 
deren  Samen  durch  den  Wind  oder  durch  Vögel  dorthin  getragen 
worden  sind.1)  Epiphyten  aber,  d.  h.  an  die  Lebensweise  auf  anderen 
Pflanzen  angepasste  Gewächse  entwickeln  sich  daraus  nicht.  Die  Tiefe 
des  von  ihnen  beanspruchten  Substrats,  ihre  Beschränkung  auf  die 
Nähe  der  Gewässer  zeigen,  dass  es  ihnen,  um  Epiphyten  zu  werden, 
an  der  immer  von  Dampf  gesättigten  Luft,  die  sich  Nachts  als  Thau 
niederschlägt  und  an  den  beständig  hohen  Temperaturen  gebricht, 
welche  zu  jeder  Zeit  die  Verwerthung  des  spärlichen,  aber  häufig  er- 
neuerten Wasservorraths  des  Substrats  ermöglicht.  Nur  wenige  Epi- 
phyten haben  sich  aus  den  tropischen  Regenwäldern  bis  in  die  Sommer- 
wälder der  winterkalten  Gebiete  hinausgewagt,  nämlich  Malaxis  japonica 
in  den  feuchten  Wäldern  Japans,  Polypodium  incanum  und  Tillandsia 
usneoides  in  Nord -Amerika,  sämmtlich  Formen,  die  sich  in  der  Heimath 
an  lange  Perioden  der  Trockenheit  angepasst  hatten,  und  daher  auch 
die  trocknenden  Wirkungen  des  Winters  zu  ertragen  vermögen.  Meist 
nur  Moose  und  Flechten  haben  auf  der  Rinde  von  Stamm  und  Aesten 
der  Bäume  eine  Heimath  gefunden,  Organismen,  die  Monate  lang  im 
ausgetrocknetem,  bezw.  gefrorenem  Zustande  fortexistiren  und  Nieder- 
schläge gierig  durch  ihre  ganze  Oberfläche  aufsaugen. 

Die   kleineren  Gewächse   des   Bodens,    Sträucher,    Kräuter,    Moose 


*)  Wittrock  1.  c. 


dpO  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

besiedeln  diejenigen  Stellen,  die  ihnen  genügendes  Licht  bieten,  wobei 
ihre  Ansprüche  theilweise  ungleich  sind,  und  nutzen  die  Frühjahrsmonate, 
in  welchen  die  Beleuchtung  einigermaassen  günstige  Bedingungen  bietet, 
nach  Möglichkeit  aus.  So  ergrünen  die  meisten  Sträucher  vor  den  sie 
beschattenden  Bäumen;  nur  solche  verzögern  ihre  Laubentwickelung, 
die  dazu  nur  einer  sehr  massigen  Beleuchtung  bedürfen  (Cornus  sanguinea). 
Viele  Stauden  durchlaufen  während  dieser  kurzen  Zeit  den  Cyclus  ihrer 
oberirdischen  Entwickelung  und  leben  nach  Vollendung  des  Laubdaches 
nur  noch  in  ihren  unterirdischen  Theilen  fort  (z.  B.  bei  uns  Anemone, 
Adoxa,  Corydalis  etc.).  Entschiedene  Schattenpflanzen  grünen  dagegen 
weiter,  je  nach  dem  Grade  ihrer  Fähigkeit,  auch  bei  schwacher  Be- 
leuchtung zu  assimiliren,  denn  die  Assimilation  bleibt,  nach  Vollendung 
des  Laubdaches,  die  einzige  wichtige  Lichtwirkung.  So  verhalten  sich 
bei  uns  z.  B.  Farne,  Oxalis  acetosella  etc.  Hemisaprophyten  gehören  zu 
den  gegen  Beleuchtung  genügsamsten  grünen  Gewächsen  und  blühen 
sogar  im  Hochsommer  z.  B.  Arten  von  Pirola,  Goodyera,  Listera  cordatau 
Corallorhiza.  Holosaprophyten,  wie  Monotropeen,  Epipogum,  zahlreiche 
Pilze,  und  die  meisten  Parasiten  des  Waldes,  wie  Lathraea  und  Clandes- 
tina kommen  im  tiefsten  Schatten  fort. 

So  ungünstig  die  Bedingungen  der  Beleuchtung  im  Waldesschatten 
erscheinen,  so  entsprechen  sie  doch  für  die  Mehrzahl  seiner  charak- 
teristischen Gewächse,  namentlich  für  die  Bodenkräuter,  dem  Optimum. 
Zwar  findet  man  manchmal  im  tiefsten  Schatten  einen  leichten  Anflug 
von  Gräsern  und  anderen  verkümmerten  Pflänzchen,  die  nicht  zur  Blüthe 
kommen  und  dadurch,  sowie  durch  ihr  ganzes  Aussehen  bekunden,  dass 
zu  ihrer  Entwickelung  mehr  Licht  nothwendig  wäre;  zwar  bleiben  die 
wenigen  Bäume,  die  aus  den  Samen  des  Oberholzes  hervorgehen, 
zwerghaft,  bis  eine  Lücke  im  Laubdache  mehr  Licht  durchlässt.  Aber 
die  Pflanzen,  die  wir  namentlich  im  Frühjahr,  bei  aller  Zartheit  doch 
gesund  aussehend,  blühend  und  fruchtend  beobachten,  befinden  sich 
da  unter  ihren  optimalen  Bedingungen.  Allerdings  sind  sie  auf  die 
Stelle  beschränkt,  wo  sie  dieselben  vorfinden  und  fliehen  daher  den 
tiefsten  Schatten.  So  hat  Wiesner,  dem  wir  werthvolle  Untersuchungen 
über  die  Vegetation  im  Schatten  verdanken,  nachgewiesen,  dass  der 
Lichtgenuss  von  Hepatica  triloba  an  ihren  natürlichen  Standorten  der 
zweckmässigsten  Beleuchtung  entspricht.  Erhöhung  wie  Verminderung 
dieser  optimalen  Lichtintensität  ruft  eine  Reduction  der  Blätter  hervor, 
die  sich  an  natürlichen  Standorten  niemals  zeigt. 

Zur  Zeit,  wo  Hepatica  triloba  ihre  Blätter  und  Blüthen  entwickelt,  ist  der 
Buchenwald  noch  entlaubt  und  daher  auch  der  Boden  relativ  stark  beleuchtet; 
die  Pflanze  blüht  bei  L  1j1.8 — i/e»  gewöhnlich  bei  */s —  1jz  (I  max.  = 
0.499  —  0.333;  I  med*  =  °-242 — 0.166).  Während  der  etwas  später  (Mitte 
April)  stattfindenden  Blattentwickelung  ist  der  Wald  noch  wenig  belaubt;  die 


VII.   Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  cgi 

Lichtintensität  des  Buchenschattens  beträgt  um  diese  Zeit  1/8 — 1jH  (I  max.  = 
0.123  —  °-329j  I  med.  =  0.062 — 0.17 1).  Herangewachsen  findet  man  die 
Blätter  normal  und  functionirend  bis  L  x/15  und  darunter;  im  äussersten  Falle, 
aber  nicht  mehr  assimilirend  und  verkümmert,  bei  L  1/27  (I  max.  =  0.036). 
Aus  den  Versuchen  Wiesner's  über  die  Einflüsse  der  Beleuchtung  auf 
Entwickelung  der  Hepatica  entnehmen  wir  folgende  Daten: 

Bei  L  =  1  (I  max.  =  1.250;  I  med.  =  0.598)  entwickelten  sich  derbe 
hellgrüne  Blätter,  welche  im  Durchschnitte  folgende  Dimensionen  hatten: 

Blattstiel 29  mm. 

Länge  der  Spreite 18  mm. 

Breite  der  Spreite 29  mm. 

Bei  L  =  1/6  (I  max.  =  0.317;  I  med.  =  0.167)  entwickelten  sich 
Blätter  von  durchaus  normaler  Grösse  und  normalen  Abmessungen: 

Blattstiel  durchschnittlich.     .     .108  mm. 

Länge  der  Spreite 37  mm. 

Breite  der  Spreite 60  mm. 

Bei  L  =  */8  (I  max.  =  0.158;  I  med.  =  0.082)  desgleichen,  nämlich: 

Blattstiel  durchschnittlich  .     .     .100  mm. 

Länge  der  Spreite 34  mm. 

Breite  der  Spreite 55  mm. 

Bei  L  =  1/15  (I  max.  =  0.066;  I  med.  =  0.038)  waren  schon  die 
Blattstiele  sichtlich  überverlängert  und  die  Spreiten  reducirt. 

Höchst  auffallend  war  der  etiolirte  Charakter  der  Versuchspflanzen  bei 
L  =  V26  (I  max.  =  0.039;  I  med.  =  0.019),  indem  der  Blattstiel  eine 
I^änge  von  145  mm  erreichte,  die  Lamina  aber  im  Durchschnitt  bloss  22  mm 
lang  und  32  mm  breit  war;  die  Oberseiten  der  blassgrünen  Blätter  waren 
stark  concav. 

Im  Dunkeln  hatten  die  Blattstiele  eine  durchschnittliche  Länge  von 
174  mm  erreicht,  während  die  Abmessungen  der  chlorophylllosen  Lamina  bloss 
1 1    bezw.  1 7  mm.  betrugen. 

Demselben  Autor  entnehmen  wir  noch  folgende  Angaben  über  die  Be- 
leuchtungsbedingungen der  Schattenkräuter  mitteleuropäischer  Wälder: 

Cynanchum  Vincetoxicum.  Wächst  im  Freien  bei  L  =  1/1.5 — 1/83 
(L  max.  =  1 — 0.045);  bei  1/B0 — 1/88  schon  deutlich  verkümmert.  Blüht  bei 
L  =  1/1.5 — 1/22  (L  max.  =  1 — 0.068);  bei  1/20 — 1/22  ist  sie  schon  arm- 
blüthig. 

Convallaria  multiflora.  Blattentwickelung  bei  L  =  1/1<8 — x/8. 
Blüthe  bei  L  =  J/10— -lflk. 

Prenanthes  purpure a.  Ueppiges Wachsthum  und  Blühen  bei  L  (med) 
=  1/18  (L  med  =  0.099 — °-°33)-  Bei  L  (med)  =  1/20 — 1/80  (I  med  = 
0.055 — °«°37)  m^  verkümmerten  oder  ohne  Blüthen. 


CQ2  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Corydalis  cava:  21/2 — */4.  Anemone  nemorosa:  L  (med)  reicht  bis  !,5; 
I  med  =  0.089.  Nur  bis  L  med  =  1/8.8  ist  die  Pflanze  üppig,  bei  L  —  1i 
tritt  sie  schon  spärlich  und  nicht  mehr  kräftig  entwickelt  auf.  Sisymbrium 
Alliaria  L  78— Vir 

Wie  das  Gesammtbild  des  Waldes,  ist  auch  das  Bild  seiner  einzelnen 
Bestandteile ,  soweit  es  sich  in  nachweisbarem  Zusammenhange  mit 
dem  Klima  befindet,  von  den  entsprechenden  Erscheinungen  im  Regen- 
walde abweichend.  Die  sommergrünen  Bäume  zeigen  in  dem  Verbände 
des  xerophilen  Habitus  ihrer  perennirenden  Glieder  mit  dem  hygro- 
philen  ihres  Laubes  typischen  tropophilen  Charakter.  Stämme  und 
Aeste  sind  von  einer  dicken  Korkhülle,  die  im  Alter  durch  Borken- 
bildung tiefrissig  wird,  bedeckt;  die  Dauerknospen  sind  in  harten 
schuppigen  Niederblättern  eingeschlossen  und  ausserdem  häufig  von 
Gummi  oder  Harz  überzogen.  Im  Gegensatz  zu  diesen  Schutzvorrich- 
tungen gegen  winterliche  Transpiration  sind  die  Blätter  zarter  als 
diejenigen  der  hohen  Bäume  im  Regenwalde;  sie  besitzen  eine  dünne 
Cuticula,  dünnwandige  Mesoptfiyllzellen ,  wenig  oder  kein  Sklerenchym, 
ein  reich  entwickeltes  System  luftfuhrender  Intercellularen,  oberflächliche 
Spaltöffnungen.  Allerdings  ist  an  sonnigen  Standorten  das  Laub  durch 
geringere  Fläche  und  grössere  Dicke,  durch  stärkere  Entwickelung 
der  Cuticula,  schwächere  Ausbildung  der  Intercellularen  besser  gegen 
Transpiration  geschützt  als  das  Schattenlaub.1)  Doch  stellen  sich  die 
Blätter  stets  senkreckt  zur  Richtung  des  stärksten  mittleren  Lichteinfalls, 
anstatt  demselben  durch  schiefe  oder  parallele  Stellung,  wie  in  wärmeren 
Gebieten,  auszuweichen.-) 

Diesen  Unterschieden  von  den  tropischen  und  subtropischen  Bäumen 
tritt  als  weitere  Eigenthümlichkeit  der  Bäume  winterkalter  Zonen  ihre  viel 
reichere  Verzweigung  hinzu.  Während  sie  bei  den  ersteren  die 
Zweigordnungszahl  5  selten  überschreitet,  sind  bei  temperirten  Bäumen 
und  Sträuchern  Zweige  des  6.  und  7.  Grades  häufig  und  solche  des  8. 
nicht  seltene  Erscheinungen.  Unverzweigte  Bäume  sind  in  winterkalten 
Ländern   unbekannt. 

Maximalhöhe  der  Zweigordnungszahl  bei  Bäumen  des  winterkalten  nördlichen 

Gürtels,  nach  Wiesner. 

Laubbäume. 

Gleditschia  triacanthos 5 

Populus  alba 5 

Aesculus  hippocastanum 6 

Quercus  pedunculata 6 

Robinia  Pseudacacia 7 

*)  Stahl.     -)  Wiesner. 


VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  593 

Ulmus  campestris 7 

Fraxinus  excelsior 7 

Betula  alba 7 

Carpinus  betulus 8 

Fagus  silvatica 8 

*  Laubsträuche  r. 

Caragana  arborescens 2 — 3 

Cornus  sanguinea 4 

Sambucus  nigra 6 

Viburnum  Lantana 6 

Ligustrum  vulgare 7 

Syringa  vulgaris 7 

Nadelbäume. 

Larix  decidua 3 — 4 

Abies  excelsa 5 

Pinus  Laricio 5 

Taxus  baccata 8 

Umgekehrt  schwankt  die  Blattgrösse  der  Holzgewächse  zwischen 
weit  engeren  Grenzen  als  bei  tropischen  Regenbäumen  und  bleibt  im  All- 
gemeinen weit  unter  den  bei  letzteren  gewöhnlichen  Dimensionen.  Solche 
Blätter  wie  die  der  Platane  und  Rosskastanie  sind  in  winterkalten  Gebieten 
eine  aussergewöhnliche  Erscheinung,  im  tropischen  Regenwalde  würden 
sie  ungefähr  dem  Durchschnitte  entsprechen  und  von  den  Blättern 
vieler  Arten  weit  übertroffen  werden.  Die  Blattgestalten  der  sommer- 
grünen Gehölze  sind  sehr  verschiedenartig;  doch  treten  gefiederte 
Formen  zurück  (Fraxinus,  Sorbus,  Robinia,  Juglans,  Negundo  etc.).  Die 
Behaarung  ist  meist  schwach  entwickelt  oder  fehlt,  ausser  an  ganz 
jungen  Blättern,  wo  sie  als  Transpirationsschutz  häufiger  auftritt  (Buche  etc.). 

Plankengerüste  an  der  Basis  der  Baumstämme  sind  auf  nassem 
Boden  hier  und  da  angedeutet,  z.  B.  bei  der  Pyramidenpappel;  sie 
erreichen  niemals  bedeutende  Entwickelung.  Cauliflorie  kenne  ich  im 
winterkalten  Gebiete  nicht;  Ramiflorie  nur  bei  einem  Strauche,  Cercis 
canadensis. 

Während  beim  Vergleich  zwischen  den  sommergrünen  Bäumen 
der  winterkalten  Gebiete  mit  den  Bäumen  des  tropischen  Regenwaldes 
die  Unterschiede  mehr  in  die  Augen  fallen  als  die  Aehnlichkeiten,  sind 
letztere  beim  Vergleiche  mit  den  laubabwerfenden  Bäumen  xerophiler 
Tropen  gewächse  vorherrschend.  Hier  sind  die  Stämme  ebenfalls 
niedriger  und  relativ  dicker  als  im  Regenwalde,  ohne  Plankengerüst, 
von  dicker  schuppiger  Borke  bedeckt  und  mit  scharfen  Jahresringen  im 
Holze  versehen;  die  Verzweigung  ist  reicher;  die  Knospen  sind  von 
harten  Schuppen  umhüllt;   die  Blätter  sind  kleiner;   Cauliflorie  ist  sehr 

S  c  h  i  m  p  c  r ,  Pflantengeographie.  38 


CQ4  Zweiter  Abschnitt:  Die  temperirten  Zonen. 

selten.  Kurz,  ein  solcher  xerophiler  Tropenbaum  besitzt  —  abgesehen 
von  extremen  früher  besprochenen  Fällen  —  ein  ähnliches  klimatisches 
Gepräge,  wie  etwa  eine  Eiche  oder  ein  Apfelbaum;  der  einzige  Unter- 
schied ist  die  xerophile  Blattstructur.  Der  Vergleich  zeigt  also,  dass 
nicht  die  Verhältnisse  der  Temperatur,  sondern  solche  der  Feuchtigkeit 
die  erwähnten,  von  der  systematischen  Verwandtschaft  unabhängigen 
Aehnlichkeiten  und  Unterschiede  hervorgerufen  haben.  Die  Borke 
unserer  Bäume,  die  Schuppen  ihrer  Knospen  bilden  weniger  einen 
Schutz  gegen  die  Kälte  an  sich,  als  gegen  die  Transpiration,  zu  einer 
Zeit,  wo  Ersatz  aus  dem  Boden  wegen  dessen  zu  tiefer  Temperatur 
unmöglich  ist. 

Die  Sträucher  und  jungen  Bäume  des  Unterholzes,  die  Kräuter  des 
Bodens  haben  das  typische  Gepräge  von  Schattenpflanzen.  In  der 
horizontalen  Verzweigung  im  Walde  wachsender  junger  Ulmen  und 
Buchen  erblickt  Wiesner  den  Ausdruck  des  Strebens  nach  möglichst 
vollem  Lichtgenuss.  Die  Axen  der  Kräuter  sind  langgestreckt,  die 
Blätter  sind  dünn  und  zart;  ihre  sattgrüne  Färbung  ist  theils  dadurch, 
dass  ihr  Chlorophyll  nicht  zerstört  wird,  theils  durch  das  Vorhandensein 
des  letzteren  in  der  Epidermis  bedingt.  Die  grossen  Intercellularräume 
des  Mesophylls,  die  dünne  Cuticula,  die  zahlreichen  Spaltöffnungen  weisen 
auf  grosse  Luftfeuchtigkeit  hin. 

§  3.  Der  Nadelwald.  Die  stets  aus  Nadelbäumen  bestehenden  immer- 
grünen Sommerwälder  besitzen,  entsprechend  der  noch  schwächeren  Be- 
leuchtung des  Bodens,  eine  noch  ärmere  und  mehr  gleichförmige  Neben- 
vegetation als  die  Laubwälder.  Ihr  Laubdach  absorbirt  allerdings  das 
Tageslicht  etwas  weniger  als  die  breitblätterigen  Kronen  der  Buchen  und 
Eichen,  aber  die  der  Boden  Vegetation  zu  Gute  kommende  helle  Früh- 
jahrsperiode geht  dem  Nadelwalde  ab.  In  Folge  dieses  Wechsels  er- 
scheinen im  Laubwalde  manche  Gewächse  genügsamer  in  Bezug  auf  Be- 
leuchtung als  im  Nadelwalde,  mit  seinem  zwar  durchschnittlich  helleren, 
aber  immerdauernden  Lichtschirme.  So  fand  Wiesner  die  Leberblume 
nach  am  Grunde  der  Buchenstämme  bei  einer  Lichtintensität  von  '  l6, 
während  sie  im  Kiefernwalde  bei  1jn  nicht  mehr  fortkommt,  eine  Folge 
des  Umstandes,  dass  im  Frühjahr  der  Schatten  des  Hauptstammes  der 
Buche  */«  anstatt  */i5  w*e  *m  Sommer  beträgt. 

Im  Uebrigen  kann  das  im  Vorhergehenden  von  der  Schatten- 
vegetation der  Laubwälder  Gesagte  auf  die  Nadelwälder  übertragen 
werden.  Zahlreiche  Einzelheiten  bringen  die  folgenden  Einzeldarstel- 
lungen. 

Die  Nadelbäume  selbst  unterscheiden  sich  von  den  sommergrünen 
Laubbäumen  ökologisch  wesentlich  durch  die  xerophile  Structur  und 
entsprechend  geringere  Transpiration  ihrer  Blätter.  (Vergl.  S.  i/9> 
Dennoch  ist  es  keineswegs  angängig,  dieselben,  wie  Warming  es  gethan, 


VIL  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  cgc 

deswegen  zu  den  Xerophilen  zu  rechnen.  Wohl  passt  letztere  Be- 
zeichnung bis  zu  einem  gewissen  Maasse  für  mehrere  Pinus-  und 
Juniperus -Arten  des  trockenen  Sand-  und  Steinbodens,  wo  die  Xero- 
philie  durch  edaphische  Einflüsse  bedingt  ist,  dagegen  nicht  für  die 
meisten  Abies- Arten,  unsere  Tannen  und  Fichten  z.  B. ,  welche  an 
Feuchtigkeit  ebenso  hohe  Ansprüche  als  breitblätterige  Laubhölzer 
stellen  und  nach  ihrer  ganzen  Lebensweise  zu  den  Tropophilen  gehören. 
Uebrigens  haben  die  jungen  Sprosse,  im  Gegensatz  zu  denjenigen  echter 
Xerophilen,  nur  schwache  Schutzmittel  gegen  Transpiration. 

Es  wurde  an  anderer  Stelle  erwähnt,  dass  die  xerophile  Structur 
der  Coniferen  eine  erbliche  Eigenthümlichkeit  darstellt,  welche  den 
gegenwärtigen  Existenzbedingungen  nicht  immer  zu  entsprechen  scheint. 
Dieser  letztere  Satz  bezieht  sich  jedoch  wesentlich  nur  auf  gewisse 
Standorte  in  den  Tropen,  z.  B.  auf  Java  und  Sumatra.  Ein  tropophiler 
Baum  der  Gebiete  mit  kalten  Wintern  muss  in  seinen  perennirenden 
Theilen  xerophile  Structur  besitzen;  ist  derselbe  sommergrün,  so  wird 
sich  letztere  auf  Axen  und  Knospen  beschränken,  ist  er  dagegen 
Wintergrün,  so  bedürfen  auch  die  Blätter  eines  energischen  Transpira- 
tionsschutzes für  die  Wintermonate.  Dementsprechend  nähern  sich  die 
Nadeln  der  Lärche  in  ihrer  histologischen  Structur  mehr  als  diejenigen 
der  Tannen  und  Fichten  an  den  hygrophilen  Typus  sommerlicher 
Laubblätter.  Der  kleine  Rest  von  xerophiler  Structur  muss  bei  ihr  als 
eine  erbliche,  mit  den  jetzigen  Existenzbedingungen  in  Widerspruch 
stehende  Eigenthümlichkeit  betrachtet  werden. 

Wie  die  Mehrzahl  der  Nadelhölzer  sind  auch  die  immergrünen  Laub- 
hölzer der  winterkalten  Gebiete,  mit  wenigen  Ausnahmen  in  ihren  Existenz- 
bedingungen durchaus  tropophil.  Epheu  und  Stechpalme  z.  B.  gedeihen 
am  besten  in  feuchter  Luft  und  erreichen  dementsprechend  ihre  statt- 
lichsten Dimensionen  in  Europa  an  den  Küsten  des  atlantischen  Oceans, 
vornehmlich  im  westlichen  England,  wo  der  berühmte  Wald  von  Dean 
zum  grossen  Theile  aus  prächtigen  Hex -Bäumen  besteht.  Trotzdem  ist 
das  Laub  aller  dieser  Holzgewächse  ausnahmslos  xerophil,  nach  dem 
Sklerophylltypus  gebaut  (Fig.  28,  S.  25). 


2.  Specielle  Darstellungen. 

§  I.  Nordamerika.  Das  ausgedehnteste  und  am  reichsten  ge- 
gliederte Sommerwaldgebiet  ist  dasjenige  Nord- Amerika's  und  dasselbe 
ist  trotz  bereits  weit  fortgeschrittener  Verheerung  noch  hinreichend  er- 
halten, um,  im  Gegensatz  zu  den  alten  Culturländern,  ohne  Mitwirkung 
unsicherer  Hypothesen,  in  seiner  ursprünglichen  Physiognomie  recon- 
struirt   werden  zu  können.     In  meisterhafter  Weise  ist  eine  solche  Dar- 

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596 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Stellung  durch  den  hervorragendsten  Kenner  des  nordamerikanischen 
Waldes,  Sargent,  gegeben  worden,  dessen  Arbeit  die  folgenden  Aus- 
fuhrungen, wo  nicht  anders  bemerkt,  im  Wesentlichen  entnommen  sind 
(vgl.  Karte  IV). 

Ein  breiter  Streifen  von  Nadelhölzern,  der  den  ganzen  Continent 
in  südost-nordwestlicher  Richtung  von  dem  Süden  der  Halbinsel  Labra- 
dor nach  Alaska  durchzieht,  stellt  den  nördlichsten  Wald  dar,  dessen 
nördliche  Grenze  mit  derjenigen  des  Baumwuchses  überhaupt  zusammen- 
fällt.    Dieser  subpolare  Wald  ist  licht  und  dürftig,  seine  Bäume  erreichen 


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Fig.  306.     Aus   dem   pacifischen    Küstenwald,   nördl.  Theil.     Wald   in   Sitka,    Süd -Alaska- 
Rechts:    Tsuga  Mertensiana.     Links:    Chamaecyparis   nutkaensis?    Nach  einer  Photographie. 


in]  Folge  der  Kürze  der  Vegetationszeit,  der  niedrigen  Temperatur 
derselben  und  der  massigen  jährlichen  Niederschläge  niemals  stattliche 
Dimensionen.  Im  Gegensatz  zu  den  südlicheren  Theilen  des  nord- 
amerikanischen Waldes  sind  die  Baumarten  wenig  verschiedenartig. 
Die  Schwarz-  und  die  Weissfichte  (Picea  nigra  und  P.  alba)  herrschen 
vor.  Laubbäume  zeigen  sich  beinahe  nur  in  Thälern,  wo  Pappeln, 
Zwergbirken  und  Weiden  auftreten.  Der  subpolare  Waldstreifen  zeigt 
in  seiner  ganzen  Breite  das  gleiche  ökologische  Gepräge;  dagegen 
zeigt    die    floristische    Zusammensetzung    im    östlichen    und    westlichen 


*ig-  3°7*     Aus  dem  Walde  der  Sierra  Nevada  (Californien).     Pinus  Lambertiana  (Zuckerkiefer). 
Im  Hintergrunde  rechts:    Abies  concolor. 


VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  507 

Theile  einige  Unterschiede,  so  dass,  mit  Sargent,  ein  atlantischer 
und  ein  pacifi scher  nördlicher  Wald  unterschieden  werden 
können. 

Der  subpolare  Wald  setzt  sich  nicht  als  zusammenhängende  Fläche 
nach  Süden  fort,  sondern  in  Form  breiter  Streifen,  die  durch  weite 
Grasflur-  und  Wüstengebiete  von  einander  getrennt  sind.  Die  südliche 
Fortsetzung  des  pacifischen  nördlichen  Waldes  ist,  wie  der  letztere, 
von  Nadelhölzern  gebildet  und  stellt  Anfangs  ein  über  ungefähr  zwei 
Längsgrade  sich  erstreckendes  Band  dar,  das  südlich  des  52.  Grades 
durch  das  Wüstengebiet  des  Great  Basin  in  einen  westlichen  und  einen 
östlichen  Streifen  gespalten  wird.  Doch  zeigt  sich  schon  lange  vor  dieser 
Spaltung  ein  deutlicher  floristischer  und  ökologischer  Unterschied  zwi- 
schen dem  pacifischen  Wald  der  Küste  und  demjenigen  des  Binnen- 
walds (B  u.  C  auf  der  Karte). 

Der  pacifischeKüstenwaldistin  Britisch  Columbien,  Washing- 
ton und  Oregon,  zwischen  dem  60.  und  dem  43.  Breitegrad,  namentlich 
aber  südlich  vom  51.  „der  üppigste,  wenn  auch  nicht  mannigfachste 
des  Continents".  Die  Douglas -Tanne  (Pseudotsuga  Douglasii),  die  Sitka- 
Fichte  (Picea  sitchensis  Bong.),  die  Hemlocktanne  (Tsuga  Mertensiana 
Carr.),  (Fig.  306),  die  Alaska- Ceder  (Chamaecyparis  nutkaensis)  und 
die  rothe  Ceder  (Thuja  gigantea)  erlangen  hier  riesige  Dimensionen. 
Die  bis  90  m  hohen  Bäume  erheben  sich  nur  wenige  Fuss  von  ein- 
ander. Der  Boden  ist  von  einem  dichten,  weichen  Teppich  von 
Moosen  und  Farnkräutern,  oft  von  riesigem  Wuchs  bedeckt.  Lichte 
Stellen  sind  von  undurchdringlichen  Dickichten  verschiedener  Sträucher, 
in  welchen  beinahe  baumartige  Heidelbeeren,  Corylus  und  Acer 
circinatum  die  Hauptrolle  spielen,  ausgefüllt.  Dieser  Wald  verdankt 
seine  ausserordentliche  Ueppigkeit  den  sehr  reichen,  namentlich 
während  des  Winters  fallenden  Niederschlägen,  deren  Menge  (200  cm 
und  mehr)  nur  an  wenigen  anderen  Stellen  der  temperirten  Zonen 
erreicht  wird.  Die  Vegetationszeit  ist  kühl,  aber  von  relativ  langer 
Dauer.  Der  Boden  ist  ein  poröser,  nur  wenige  Zoll  tiefer  Kiesboden 
glazialen  Ursprungs. 

Während  in  der  Breite  der  stärksten  Entwickelung  des  Küstenwalds 
die  Abhänge  des  Kaskadenkette  von  lichteren  Gehölzen  ähnlicher  Zu- 
sammensetzung wie  der  Küstenwald  bedeckt  sind  (Fig.  308),  beginnt 
zwischen  dem  420  und  430  N.  B.  der  berühmte  Hochwald  der 
Sierra  Nevada,  die  Heimath  der  Riesenbäume.  Derselbe  ist  zwar 
ein  Höhenwald,  dessen  klimatische  Bedingungen  denjenigen  des  be- 
nachbarten Tieflands  gar  nicht  mehr  entsprechen  und  der  daher,  ent- 
sprechend der  Gliederung  dieses  Buches,  erst  in  dem  der  Höhenvege- 
tation gewidmeten  Abschnitt  zur  Behandlung  kommen  sollte.  Doch 
schien  es  zweckmässig,  die  ökologisch  und  floristisch  ebenso  wie  geo- 


598 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


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Piß-  3°9-     Californischer  Nadelwald:  Sequoia  gigantea,  33  Fuss  Stammdurchmesser. 
Nach  einer  Photographie. 


VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


599 


graphisch  zusammenhängende  Waldecke  Nord-Amerika's,  soweit  sie 
dem  Typus  des  Sommerwaldes  gehört,  im  Zusammenhang  zu  be- 
handeln. Der  schmale  und  kurze  californische  Küstenwald  wurde  mit 
den  Hartlaubwäldern  zusammen  behandelt. 


Fig.  310.     Aus  dem  pacifischen  Küstenwald.     Sierra  Nevada:    Sequoia  giganteal 
Nach  einer  Photographie. 


Der  Hochwald  der  Sierra  Nevada  beginnt  südlich  von  Mount  Shasta 
im  Norden  und  setzt  sich  südlich  bis  35 °  fort.  Vorherrschend  ist  in 
diesem  Walde  die  Zuckerkiefer,  Pinus  Lambertiana  (Fig.  307),  „welche 
sich  hier  am  prächtigsten  entwickelt  und  diesem  Bergwald  unübertreff- 
liche Schönheit  verleiht".    Mit  ihr  zusammen  machen  die  Douglas-Tanne, 


6oo 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


die  gelbe  Kiefer  (Pinus  ponderosa),  zwei  Abies-Arten  (A.  concolor  und 
A.  bracteata),  die  weisse  Ceder  (Libocedus  decurrens)  und  im  Süden 
die  Riesen -Sequoia  (Sequoia  gigantea,  Fig.  309  u.  310),  welche  sich  zu- 
nächst in  vereinzelten  Gruppen  zeigt,  noch  weiter  im  Süden  jedoch 
einen  mehr  oder  weniger  zusammenhängenden  Streifen  von  mehreren 
Meilen  bildet.  Im  Gegensatz  zu  dem  mehr  nördlichen  Walde  an  den 
Westhängen    der  Kaskadenkette   ist   der  Sierra- Wald  beinahe  frei  von 


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Fig.  311a.     Aus   dem   pacifischen   Binnenwald.     Parklandschaft   am  Yellowstone-Fluss,  Rocky 
mountains.     Pinus  ponderosa.     Nach  einer  Photographie. 


Unterholz.     Die   Ursache   dieses  Unterschieds   ist   nicht    aufgeklärt.    In 
den  Thälern  ist  der  Wald  licht  und  von  Eichen  gebildet. 

Als  östlicher  Zweig  des  pacifischen  Waldes,  von  dem  westlichen 
durch  die  beinahe  baumlose  Wüste  des  Great  Basin  getrennt,  zieht  sich 
längs  der  Felsengebirge  und  ihrer  südlichen  Ausläufer  der  schmale 
pacifische  Binnenwald  (C  auf  der  Karte),  zu  welchem  Sargent 
auch  den  Wald  am  östlichen  Abhänge  der  Sierra  Nevada  heranzieht. 
Entsprechend  der  spärlichen  Niederschläge  ist  der  Wald  meist  kümmerlich 
und   dünn    gesäet ,    ohne  Unterholz.     Er   zeigt  sich  nur  auf  den  steilen 


Fig.   31 '.     Aus  dem  pacifischen  Binnenwald.     Grosser  Canon  des  Yellowstone-  Flusses, 
Rocky  Mountains.     Pinus  ponderosa.     Nach  einer  Photographie. 


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VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  ÖOI 

Abhängen  und  Canons  (Fig.  311  u.  311a),  während  die  Thäler,  mit  Aus- 
nahme der  unmittelbaren  Flussnähe,  baumlos  oder  nahezu  baumlos  sind. 
Im  Norden  besteht  dieser  Wald  ganz  vorwiegend  aus  einer  Zwergkiefer 
(Pinus  Murrayana);  südlich  von  520  N.  B.  nimmt  die  Ueppigkeit  und 
die  Artenzahl  etwas  zu;  die  Douglas -Tanne,  die  Gelbkiefer  (Pinus  ponde- 
rosa)  und  die  westliche  Lärche  (Larix  occidentalis)  treten  hinzu.  Im 
südlichsten  Theile  der  Felsen gebirge ,  auf  den  Höhen  der  Colorado- 
Gebirge  bei  2400 — 3000  m,  rufen  reichere  Niederschläge  einen  üppigen 
Waldwuchs  hervor  (Picea  Engelmanni.)  Die  niedrigeren  Höhenzüge 
tragen  hier  Wälder  von  gelben  Kiefern  und  Rothtannen,  während  in 
den  Flussthälern  Pappeln,  Erlen  und  Ahorne  oder  Abies  concolor  vor- 
herrschen. Die  Vorhöhen  hingegen  sind  von  mehr  oder  weniger 
wüstenartigem  Charakter  mit  spärlichem  und  kümmerlichem  Wachholder 
und  einer  kleinen  Eiche.  Der  südlichste  Theil  des  pacifischen  Binnen- 
waldes dehnt  sich  auf  den  Höhen  der  Gebirge  von  Neu-Mexiko  bis 
Texas  und  West-  und  Nordwest -Arizona  aus  und  erreicht  stellenweise 
beträchtliche  Ueppigkeit 

Der  atlantische  Wald,  der  eine  weit  grössere  Fläche  als  der  paci- 
fische  einnimmt  und  sich  in  seiner  grössten  Breite  über  zwanzig  Längs- 
grade ausdehnt,  ist  in  seinem  nördlichen  Theile  und  längs  der  Küste 
vornehmlich  Nadelwald,  im  Innern  vornehmlich  sommergrüner  Laubwald. 
Das  von  dem  atlantischen  Wald  eingenommene  Areal  ist  überall  reich 
an  Niederschlägen  und  die  Vegetation  dementsprechend  üppig. 

Sargent  unterscheidet  im  atlantischen  Wald  drei  grosse  Provinzen, 
eine  nördliche  der  Weymouthskiefer,  eine  östliche  der  Lang- 
nadelkiefer nnd  eine  westliche  des  Laubwaldes. 

Der  westindische  und  der  mexikanische  Tropenwald  senden  nach 
Florida  und  Süd -Texas  je  einen  Fortsatz  von  sehr  geringer  Ausdehnung, 
bezüglich  welcher  auf  ein  früheres  Kapitel  verwiesen  sein  mag,  in 
welchem  auch  die  südliche  Provinz  Sargent's  bereits  nähere  Berück- 
sichtigung gefunden  hat  (S.  501). 

Die  Provinz  der  Weymouthskiefer  (Pinus  Strobus,  Fig  313), 
besitzt  ausgedehnte  Wälder  dieses  technisch  hochgeschätzten  Baumes 
nur  auf  den  sandigen  Ebenen  des  Lorenzo- Beckens,  im  Uebrigen  nur 
kleinere  Bestände  und  Gruppen  inmitten  anderer  Wälder.  In  letzteren 
zeigt  sich  die  Weymouthskiefer,  wie  die  meisten  Kiefern,  an  grossen  Sand- 
reichthum  des  Bodens  gebunden.  Weniger  durchlässige  Bodenareale 
sind  entweder  von  Beständen  der  Schwarzfichte  (Picea  nigra,  Fig.  314) 
oder  von  Laubwäldern  eingenommen.  Maassgebend  wird  hier  wohl  die 
Temperatur  sein.  Uebrigens  wachsen  Schwarzfichten  zerstreut  in  den 
Laubwäldern.  Mehrere  andere  Coniferen  sind  hier  häufig  und  üppig 
(z.  B.  Tsuga  canadensis,  Juniperus  virginiana)  und  mehrere  Laubbäume 
weisen   in    der  Weymouthsprovinz  ihre  reichste  Entwickelung  auf,    wie 


602 


Zweiter  Abschnitt:  Die  temperirten  Zonen. 


die  Schwarzlinde  (T.  americana),  die  schwarze  und  weisse  Esche  (Fr. 
sambucifolia  und  F.  americana),  der  Zuckerahorn,  verschiedene  Birken 
und  Ulmenarten    während  andere  Bäume  in  derselben  ihre  Nordgrenze 


Fig.  313.     Wald  der  Weymouthskiefer  (Pinus  Strobus)  in  Pennsylvanien. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Rothrock. 


erreichen,  z.  B.  die  meisten  Eichen,  Juglans,  Liriodendron,  Sassafras  etc. 
Abgesehen  von  der  floristischen  Zusammensetzung,  sind  diese  Wälder, 
welche  ich  an  einigen  Stellen,  allerdings  nicht  im  ursprünglichen  Zustande 


VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


603 


kennen  lernte,  den  mitteleuropäischen,  z.  B.  denjenigen  der  Vogesen, 
sehr  ähnlich.  Das  allerdings  sehr  mannigfache  Unterholz  ist  nur  in 
lichten    Wäldern   reich   entwickelt,   aber   auch   da   meist   von   geringer 


Fig.  314.     Picea  nigra  (Syn.  P.  rubra)  in  Pennsylvanien.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Prof.  Rothrock. 


Höhe,  und  Lianen  zeigen  sich,  mit  Ausnahme  des  Rhus  Toxicodendron, 
nur  am  Waldrande  oder  in  sehr  feuchten  oder  lichten  Gehölzen 
(Fig.  315),  so  dass  überall  freie  Durchsicht  zwischen  den  nur  wenig  von 


604 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Moosen  und  Flechten  bedeckten  Stämmen  gegeben  ist.  In  vielen  Wäldern 
sah  ich  den  Boden  nackt  oder  etwas  bemoost,  mit  spärlichen  kleinen 
Halbsträuchern  und  Kräutern  (Pirola,  Chimaphila,  Cornus  canadensis  etc.). 
Der  sommergrüne  Laubwald  des  Mississipi  und  der 
atlantischen  Ebene  entbehrt  keineswegs  der  Nadelhölzer,  vielmehr 
erreichen  manche  Arten,  z.  B.  Juniperus  virginiana,  hier  ihre  reichste 
Entwickelung.  Charakteristisch  sind  jedoch  in  erster  Linie  die  aus- 
gedehnten Bestände  von  Laubhölzern ,  in  welchen  die  grosse  Mehrzahl 


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F*g«  3!5»     Wald  im  Tiexland  des  White  River,  Indiana.     Ampelopsis  quinqnefolia 
Michx.  als  Liane.     Nach  „Garden  and  Forest14. 


der  reichen  und  charakteristischen  Laubhölzer  Nord -Amerika 's  ihre 
ausschliessliche  oder  hauptsächliche  Heimath  besitzen  und  in  reichster 
Mischung  auftreten.  Ueppiges  grossblättriges  Unterholz,  auf  feuchtem 
Boden  auch  Lianen  (Vitis,  Ampelopsis  Fig.  315,  Rhus  toxicodendron» 
tragen  auch  dazu  bei,  diesen  Wäldern  eine  von  den  Laubwäldern  der 
Weymouthsprovinz  abweichendes  Gepräge  zu  geben.  Sie  erreichen  ihre 
grossartigste  Entwickelung  an  den  Abhängen  der  Alleghanies  in  Nord- 
Carolina  (Fig.  317  u.  318)  und  im  Thal  des  Red  River,  einem  rechts- 
seitigen Nebenfluss  des  Mississipi. 


VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


605 


Der  vortrefflichen  Monographie  von  W.  W.  Ashe  entnehme  ich  die 
folgenden  Angaben  über  die  Wälder  von  Nord- Carolina,  welche  im 
Tiefland  als  nördlichster  Theil  der  südlichen  Küstenprovinz  angehören  und 
den  Uebergang  der  warmtemperirten  in  die  kalttemperirten  Waldtypen  zeigen, 


Fig.  316.  Pinus  palustris  L.  (P.  australis  Michx.)  in  Nord -Carolina.     Nach  Ashe. 

auf  den  Höhen  aber  der  Laubwaldprovinz  angehören  und  deren  Charakter  in 
besonders  reiner  und  üppiger  Entwickelung  darstellen.  Ashe  gliedert  die 
Waldfläche  von  Nord -Carolina  in  drei  der  Küste  parallele  Gürtel,  einen 
östlichen,  von  nur  geringer  Erhebung,  einen  mittleren  höheren  der  Vorhügel 
(Piedmont)  und  einen  westlichen  des  Berglands. 


6o6  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Der  Küstengürtel  allein  gehört  der  südlichen  Provinz  an.  Der  Boden  ist 
in  ihm  bald  sandig  trocken,  bald  sumpfig  und  trägt  dementsprechend  eine 
ungleiche  Waldvegetation.  Ausserdem  ist  die  nächste  Nähe  des  Meeres 
durch  immergrüne  Laubwälder  charakterisirt ,  deren  Bestandtheile  im  Binnen- 
land von  Nord -Carolina  fehlen,  während  sie  weiter  südlich  auch  in  grösserer 
Entfernung  des  Strandes  auftreten  (Quercus  virens,  Sabal  Palmetto  etc).  Dieser 
schmale  immergrüne  Waldstreifen  ist  der  nördlichste  verkümmerte  Fortsau  des 
weiter  südlich  reich  entwickelten  subtropischen  Regenwalds.  Er  verdankt  sein 
Bestehen  in  so  nördlicher  Breite  offenbar  der  milden  Temperatur  und  grossen 
Luftfeuchtigkeit  am  Meere.  Sommergrüne,  zu  nördlichen  Arten  gehörende  Bäume 
fehlen  allerdings  nicht  ganz  (Tilia  heterophylla,  Planera  aquatica  etc.)  und  ver- 
mitteln den  Uebergang  zum  Sommerwald. 

Im  Gegensatz  zu  den  Wäldern  in  unmittelbarer  Nähe  des  Strandes  haben 
die  Wälder  des  Binnenlands  schon  entschieden  den  Charakter  von  Sommer- 
wäldern, wenn  auch  manche  Arten,  namentlich  die  auf  trockenem  Sandboden 
vorherrschende  Langnadelkiefer  (Pinus  palustris  L.-P.  australis  Michx.),  auch 
im  Süden  häufig  sind.  Andere  Kiefern  (z.  B.  P.  taeda)  sind  nördlich  und 
das  Unterholz  in  den  den  Sand  und  sandigen  Lehm  beherrschenden  Kiefern- 
wäldern ist  zum  weitaus  grössten  Theile  winterkahl  (Eichen,  Ulmen,  Carya- 
Arten,  Celtis  occidentalis,  Cornus  florida  etc.). 

Einen  besonders  kümmerlichen  Kiefernwald  bildet  die  Vegetation  der  so- 
genannten Pine-Barrens,  wo  das  Substrat  einen  beinahe  reinen,  grobkörnigen, 
schon  bald  nach  dem  Regen  trockenen  Sand  darstellt  Hier  ist  das  Ober- 
holz nur  von  der  genügsamen  Pinus  palustris  gebildet,  während  kümmerliche 
Eichen  ein  dürftiges  Unterholz  bilden,  da  wo  der  Boden  nicht  ganz  nackt 
oder  nur  von  einigen  steifen  Grasbüscheln  bewachsen  ist 

Ist  hiergegen  der  Boden  durch  Beimischung  von  Thon  lehmig  und  weniger 
trocken,  so  wird  Pinus  taeda  die"  herrschende  Baumart;  der  Wald  ist  mehr 
hochstämmig  (90 — 100'  hoch)  und  meist  dicht:  bei  lockerem  Bestand  zeigt 
sich  üppiges  Unterholz. 

Sehr  mannigfach  ist  die  Vegetation  der  Sümpfe,  welche  in  Nord -Carolina 
(Dismal  Swamps,  Wilmington  Swamps)  Tausende  von  Kilometern  überziehen. 
Je  nach  der  physikalischen  und  chemischen  Beschaffenheit  des  Bodens,  je 
nachdem  der  letztere  alljährlich  länger  oder  weniger  lang  überschwemmt  ist 
bietet  der  Wald  ein  anderes  Bild.  Feuchter,  lehmiger,  aber  nur  im  Frühjahr 
überschwemmter  Boden  wird  von  den  Oak  flats  eingenommen,  wo  verschiedene 
winterkahle  Eichen,  Pappeln,  Ahorne  etc.  bis  100'  hohe  Wälder  bilden,  in 
deren  Schatten  kleine  Bäume  als  Unterholz  gedeihen  (Quercus  minor,  Car- 
pinus  caroliniana,  Crataegus).  An  den  tiefsten,  stets  überschwemmten  oder 
doch  nur  oberflächlich  trocknenden  Stellen  bilden  Taxodium  distichum  und 
Liquidambar  styraciflua  mit  wenigen  und  untergeordneten  anderen  Bäumen 
den  Sumpfwald.  Auf  sandigem  und  torfigem  Boden  dehnen  sich,  einen 
wesentlichen  Theil  der  dismal  swamps  bildend,  Wälder  von  Cupressus  thyoides, 
in  welchen  Laubbäume,  wie  der  Tulpenbaum,  Liquidambar,  Persea  borbonia  etc 
zerstreut  vorkommen  und  wo  der  humusreiche  Boden  zwischen  den  Stämmen 
oft  ganz  von  Sphagnum  überzogen  ist.  Auf  sehr  sterilem  Boden  der  Dismal 
swamps  herrscht  Pinus  serotina  vor,  welche  an  Genügsamkeit  der  P.  palustris 


*ig-  3f7-     Sommerwald  im  südlichen  Alleghany-Gebirge.     Nord-Carolina.     Typus  zwischen  700  bis 

1000  m  ü.  M.     Pinus  strobus  in  der  Mitte  und  rechts,  Tsuga  canadensis,  Castanea  vesca  var  ameri- 

cana,  Quercus  alba  im  Hintergrund.     Rhododendron  maximum  als  Unterholz. 

Nach  einer  Photogr.  von  Herrn  W.  W.  Ashe,  Forester  to  the  geol.  Survey  of  North  -  Carolina. 


Fig-  3!8«  Natürlicher  Sommcrwald  des  südl.  Alleghany  -  Gebirges ,  Nord  -  Carolina.  Typus  zwischen 
800  und  1400  ni.  Tsuga  canadensis,  Betula  lenta  u.  B.  lutea,  Quercus  rubra,  Acer  rubrum,  Acer 
barbatum,  Prunus  serotina,  Liriodendron  tulipifera,  Magnolia  acuminata  v.  Fraseri.  Unterholz  ist 
Rhododendron  maximum.    Nach  einer  Photographie  des  Herrn  \V.  W.  Ashe,  Forester  to  the  North- 

Carolina  geological  Survey. 


VII.  Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  607 

gleichkommt   und  letztere   auf  nassem   Boden   ersetzt.     Die   Bestände   dieser 
Kiefern  sind  locker  und  reich  an  sträuchigem  Unterholz. 

Die  Wälder  der  Vorhügel  bilden  eine  Uebergangsstufe  zwischen  den- 
jenigen des  tiefen  Küstenlands  und  denjenigen  der  Gebirge.  Auf  weichem, 
durchlässigem,  feuchtem  Boden  sind  es  sommergrüne  Laubwälder,  in  welchen 
Eichen  und  Carya- Arten  vorherrschen,  während  auf  sandigem  Boden  Kiefern 
(Pinus  mitis,  P.  taeda)  das  Oberholz  bilden. 

Im  Gebirge  machen  sich  Unterschiede  des  Bodens  weniger  geltend  als 
im  Tiefland,  um  so  mehr  aber  solche  der  Temperatur  und  Niederschläge. 
Ihre  grösste  Ueppigkeit  zeigen  die  Gebirgswälder  auf  den  nördlichen  feuchten 
Abhängen,  während  die  südlichen  Abhänge  mehr  lockere  Bestände  besonders 
lichtbedürftiger  Arten  aufweisen.  Zwischen  1500  und  3000'  bestehen  diese 
Wälder  aus  Kiefern  und  Laubbäumen,  letztere  sind  von  den  ersteren  meist 
etwas  überragt  (Fig.  317).  Die  Kiefern  sind  vornehmlich  Pinus  strobus,  oft 
100 — 150'  hoch,  P.  mitis,  P.  rigida,  P.  pungens,  die  Laubhölzer,  die  stellen- 
weise bis  90'  Höhe  erreichen  sind  Eichen  (Q.  alba,  prinus,  tinctoria,  coccinea, 
rubra,  imbricaria),  Kastanien  (Castanea  vesca  var.  americana),  Carya -Arten, 
Cornus  florida  etc.  Die  Laubbäume  kommen  um  so  mehr  vor,  als  der  Boden 
feuchter  und  fruchtbarer  wird.  In  weniger  dichten  Beständen  bilden  zwei 
sommergrüne  Ericaceen,  Rhododendron  maximum  und  Kalmia  latifolia,  reiche 
Dickichte  zwischen  den  Stämmen. 

Die  grossartigsten  Wälder  der  südlichen  Alleghanies  und  diejenigen,  welche 
ihren  ursprünglichen  Charakter  am  meisten  bewahrt  haben,  nehmen  die  Region 
zwischen  3000  und  5000'  (Fig.  318)  ein.  Ihre  reichste  Entwickelung  zeigen  sie 
auf  den  feuchten  humusreichen  nördlichen  Abhängen.  Nur  ein  Nadelbaum, 
Tsuga  canadensis,  pflegt  sich  in  diesen  Wäldern  zu  zeigen;  im  Uebrigen  be- 
stehen sie  aus  dem  reichsten  Gemisch  von  Laubbäumen:  Birken,  Ahorne, 
Buchen,  Kastanien,  Eichen  (Q.  rubra,  alba).  Tulpenbaum,  Esche  (Fr.  americana), 
Magnolia  acuminata,  Aesculus  flava  wachsen  durch  einander ;  die  höchsten  Kronen 
bilden  ein  zusammenhängendes  dichtes  Laubdach  von  90 — 120'  Höhe,  unter- 
halb welches,  in  der  Nähe  ihrer  Mutterpflanzen,  junge  Exemplare  der  hohen 
Bäume  oft  üppig  gedeihen,  während  andere  Stellen  durch  dichtes  wintergrünes 
Gesträuch  von  Rhododendron  maximum  und  Kalmia  latifolia  bedeckt  sind. 

Oberhalb  dieser  Waldstufe  wird  der  Laubwald  durch  Nadelwald  von  Picea 
nigra  und  Abies  Fraseri  ersetzt. 

§  2.  Europa.  Sind  wirkliche  Urwälder,  d.  h.  Wälder,  deren  Ent- 
wickelung vom  Menschen  weder  tiefgreifend  noch  dauernd  beeinflusst 
worden  sind,  so  dass  sie  das  Gepräge  natürlicher  Bedingungen  un- 
verändert zeigen,  in  den  erst  seit  relativ  kurzer  Zeit  dem  menschlichen 
Zerstörungswerk  ausgesetzten  Wäldern  Nord-Amerika's  bereits  selten,  so 
ist  dieses  natürlich  in  Europa  noch  in  weit  höherem  Maasse  der  Fall. 
Hier  bieten  nur  noch  einige  kleine  Waldparcellen  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  das  Bild  des  ehemaligen  europäischen  Urwalds. 

Zu  den  letzten  Waldresten,  welche  einigermaassen  die  Bezeich- 
nung Urwälder  verdienen,  gehören  die  im  Böhmerwald  gelegenen 
des  Fürsten  Ad.  v.  Schwarzenberg,  von  welchen,  nach  einer  Anordnung 


VII.   Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


609 


des  Besitzers,  „3200  Joch  für  immer  erhalten  werden  sollen".  Göppert 
hat  dieselben  eingehend  geschildert  (Fig.  31$).  Im  Gegensatz  zu  den 
Kunstwäldern  oder  Forsten,  bestehen  solche  Naturwälder  aus  einem  bunten 
Gemische  von  Fichten,  Tannen  und  Buchen,  zwischen  welche  noch  ein- 
zelne andere  Laubbäume  (Acer  Pseudo-Platanus,  Ulmus  campestris,  Alnus 
incana   und   glutinosa,   Betula  alba  und   pubescens,    Salix   caprea)   ein- 


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Fig.  320.     Vegetation  bei  Batum.     Ficus  carica.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Prof.  Krassnow. 


gesprengt  wachsen.  Erst  in  höheren  Regionen  wird  die  Fichte  allein  herr- 
schend. Andere  Abweichungen  von  den  Forsten  sind  die  zahlreichen 
abgefallenen  Baumstämme,  aus  deren  morscher  Substanz  zahlreiche 
junge  Bäume  sich  erheben,  welche  später,  ihrem  Ursprung  entsprechend, 
reihenweise  auf  Stelzen  stehen  werden;  ferner  die  zahlreichen  Baum- 
schwämme (Polyporus  pinicola  Fr.)  und  die  knollenförmigen  Auswüchse 

Schimper,  Pflanzengeographie.  19 


6io 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


der  Stämme.  Der  dicht  bemooste  Boden  zwischen  den  Stämmen 
trägt  reichen  jungen  Nachwuchs  von  Buchen,  Fichten  und  Tannen, 
die  im  Waldschatten  nur  geringe  Grösse  erreichen,  aber  sobald  durch 
den  Fall  eines  Baumriesen  eine  Lücke  im  Laubdach  entsteht,  zu  nor- 
maler Höhe  heranwachsen.  So  soll  es  vorkommen,  dass  Fichten,  die 
120—140,  sogar  160  Jahre  in  unterdrücktem  Zustande  verblieben  waren 


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Fig.  321.     Wald  von  Larix  dahurica  auf  Sachalin.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Prof.  Krassnow. 


und  dabei  nur  5 — 7  Zoll  Durchmesser  im  Stamme  erreicht  hatten,  sich 
nachträglich  zu  mächtigen  Bäumen  entwickelten. 

Durch  grössere  Ueppigkeit,  namentlich  bezüglich  der  inneren  Raum- 
ausfullung,  zeichnen  sich  die  Wälder  an  den  östlichen  Gestaden  des 
Schwarzen  Meeres  aus  (Fig.  320),  namentlich  diejenigen  Abchasiens, 
von  welchen  Radde  folgendes  Bild  entwirft: 


VE.    Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  6 1 1 

„Unmittelbar  am  Meere,  gleich  hinter  dem  schmalen,  durch  die  Wellen 
aufgeworfenen,  nackten  Geröllwalle,  vermehren  sich  an  der  Abchasischen  Küste, 
mit  Hülfe  des  lästigen  Smilax  und  der  Clematis- Ranken,  Gesträuche  und 
Bäume  zu  undurchdringlichen  Wänden.  Wo  nicht  gerade  ein  verdeckter  Pfad 
von  den  Besitzungen  der  Abchasen  zum  Meere  fuhrt,  dürfte  es  wohl  sehr 
schwer  sein,  diese  hohen  Pflanzen-Barrieren  zu  durchbrechen.  Asclepien  über- 
wuchern unantastbare  Rubus-  und  Rosa-Gebüsche  oder  bedecken  Crataegus 
und  Paliurus.  Feine  Asparagus-Pflanzen  winden  sich  durch  die  Maschen  des 
groben  dornigen  Netzes,  Smilax  gibt  ihm  Halt  bis  in  die  Wipfel  der  höchsten 
Bäume,  er  erdrückt  den  Epheu  und  wilden  Wein.  Aus  solchem  Chaos  ver- 
wirrt ineinander  gewebter  Kletter -Pflanzen  strecken  Eichen  und  Rüstern  die 
knorrigen  Aeste,  deren  Belaubung  und  seitliche  Theilung  hier  am  Meere  nur 
eine  dürftige  ist,  da  die  heftigen  Seestürme  gegen  die  Riesen  anprallen.  Desto 
schöner  und  voller  sind  die  Kronen  der  hinter  ihnen  tiefer  im  Lande  stehen- 
den Hochstämme  .  .  .  Auch  an  ihnen  hat  Smilax  oft  förmliche  Netze  ge- 
sponnen, deren  Höhe  nicht  selten  50 — 60'  beträgt  .  .  ."  (S.  18). 

§  3.  Sibirien  und  Ostasien.  Das  Klima  Sibiriens  ist  demjenigen 
des  nördlichen  Waldgürtels  Nord-Amerika's  ganz  ähnlich,  sowohl  was 
die  Temperatur,  als  die  besonders  in  Betracht  kommenden  Hydro- 
meteore  betrifft.  In  beiden  Gebieten  sind  die  Niederschläge  spärlich, 
namentlich  während  des  Winters,  sodass  die  Bäume  dem  bei  langer 
Dauer  besonders  schädlichen  trockenen  Frostwetter  ausgesetzt  werden. 
Der  klimatischen  entspricht  eine  weitgehende  ökologische  Analogie. 
Auch  der  sibirische  Wald  ist  ein  lichter,  dürftiger,  oft  verkümmerter 
Nadelwald  ohne  oder  mit  ganz  spärlichem  Unterholz.  Vorherrschend 
sind  Lärchen  (Larix  sibirica  und,  im  Osten,  L.  dahurica,  Fig.  321); 
mit  ihnen  wachsen  die  Zirbelkiefer  (P.  Cembra),  Fichten  (Picea  obovata 
und  ajanensis),  Birken  und,  im  Süden,  Tannen  (Abies  Pichta). 

Während  an  der  Westküste  Nord-Amerika's  bereits  in  hohen  Breiten 
reiche  Niederschläge  bei  milderer  Temperatur  sich  einstellen  und  reichen 
Waldwuchs  bedingen,  reicht  das  dem  Gehölz  ungünstige  Klima  und 
hiermit  der  dürftige  Waldcharakter  in  Sibirien  bis  in  viel  südlichere 
Breiten  hinab,  stellenweise  bis  zum  500  Breitegrad. 

Der  kümmerliche  Charakter  des  sibirischen  Waldes  wird  von  Midden- 
dorff1  emphatisch  betont:  „Wiederholt  habe  ich  darauf  zurückkommen  müssen, 
wie  sehr  ich  mich  getäuscht  fand,  als  ich,  die  gebahnten  Strassen  Sibiriens 
verlassend,  Urwäldern  entgegensah,  von  denen  ich  erwartete,  dass  sie  in  mir 
die  Sehnsucht  stillen  könnten  nach  dem  bewältigenden  Eindrucke  des  An- 
blickes, den  unsere  Phantasie  sich  malt,  wenn  sie  von  riesigen  Zeugen  ver- 
gangener Jahrhunderte,  ja  Jahrtausende  träumt;  von  kernfesten  Riesen  des 
Urwalds,  welche  die  durch  Wind  und  Wetter  über  sie  ausgeschütteten  Unbilden 
unerschütterlich  von  ihren  greisen  Häuptern  schütteln." 


l)  S.  630. 

39* 


612 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Nach  einem  Hinweis  auf  die  üppigen  hochstämmigen  Wälder,  die  in 
der  gleichen  Breite  wie  Jenisejsk  (5  8°),  im  nordwestlichen  Amerika  wachsen, 
und  auf  die  Hochwälder  Mitteleuropas,  fährt  er  fort:  „Wie  meine  ersten,  an 
die  Akademie  eingesendeten  Reiseberichte  bezeugen,  wurde  ich  darin  bitter 
enttäuscht.  Von  Jenisejsk  an  nordwärts  möchte  man,  dem  in  Livland  ge- 
wonnenen Augenmaasse  zu  Folge,  den  Waldungen  im  Allgemeinen  kaum  mehr 
als  ein  halbes  Jahrhundert  geben,  nie  ein  ganzes.  Diese  scheinbar  jugend- 
liche Physiognomie  des  Waldes  nimmt  sogar  zu,  je  mehr  man  dem  Norden 
entgegenreist  —  bis  man  Gelegenheit  findet  näher  hineinzuschauen,  und  der 


Fig.  322.     Baumgrenze   auf  Sachalin:    Verkrüppelte  Larixbäume.     Nach  einer  Photographie 

des  Herrn  Prof.  Krassnow. 


Behang  mit  langen  Barten  schwarzgrauer  Moose  und  Flechten  verräth,  dass 
man  es  schon  lange  mit  verkümmerten  Greisen  der  Baumwelt  zu  thun  hatte. 
Einzelne  kräftige,  starke  Stämme,  denen  ich  südlich  von  Jenisejsk  begegnete, 
dienten  nur  dazu,  mich  um  so  augenscheinlicher  erkennen  zu  lassen,  wie 
feindlich  das  rauhe ,  unstete  Klima  dem  Baumwuchs  in  Sibirien  entgegentritt, 
schon  bevor  man  den  60  Grad  erreicht  hat"  ... 

.  .  .  „Der  dickste  Baum,  den  ich  in  Süd-Sibirien  gesehen,  war  eine  Pappel 
von  6'  Durchmesser.  Nächst  ihm  erreichten  die  Lärchen  (etwa  41/*')»  ^^ 
die  Kiefern  und    darauf  die  sibirischen  Tannen  die   grösste  Dicke  unter  den 


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VII.   Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


613 


614  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Bäumen  Sibiriens.  Dass  diese  stärksten  unter  ihren  Verwandten  als  Ausnahmen 
von  der  gewöhnlichen  Lebensdauer  und  als  tausendjährige  Nestoren  anzusehen 
waren,  bewies  ihre  Seltenheit,  indem  wenigstens  99  Hunderttheile  aller  schein- 
bar erwachsenen  Bäume  des  Waldes,  sogar  an  günstigen  Oertlichkeiten  Südost- 
Sibiriens,  nicht  mehr  als  1 — 6/4'  Dicke  besassen.  Nachdem  ich  mich  im 
Jenisejthal,  nordwärts  vom  60.  Breitengrade,  in  Bezug  auf  den  Wuchs  der 
Bäume  so  sehr  enttäuscht  gefühlt  hatte,  setzte  ich  meine  ganze  Hoffnung  auf 
Südost -Sibirien.  Da  es  mir  hier  auch  nicht  besser  erging,  finde  ich  mein 
Tagebuch  mit  Klagen  über  diesen  Umstand  erfüllt."1) 

Wie  der  nördliche  nordamerikanische  Waldgürtel  löst  sich  auch 
der  sibirische  nach  Süden  in  einige  Fortsätze  auf,  während  die  übrigen 
centralasiatischen  Landschaften,  wie  die  cerrtral-rrordamerikanischen,  von 
Steppen  und  Wüsten  eingenommen  sind.  Der  eine  dieser  Fortsätze  um- 
fasst  das  nordchinesische  Gebirgsland  vom  Altai  bis  zum  Baikal-See,  ein 
anderer,  viel  von  Steppen  unterbrochener  erstreckt  sich  über  die  süd- 
östliche Ecke  Sibiriens  und  das  nordöstliche  China,  ein  dritter  bedeckt 
Kamtschatka  und  ein  vierter  dehnt  sich  von  der  Insel  Sachalin  süd- 
lich nach  Japan  aus ,  wo  auf  Yezo  und  dem  nördlichen  Nippon  der 
tropophile  Sommerwald,  in  Süd-Nippon  aber  der  temperirte  Regen- 
wald herrscht. 

Diese  südlicheren  Wälder  Nordasiens  besitzen,  dem  Klima  ent- 
sprechend, einen  anderen  floristischen  Charakter  und  grössere  Ueppig- 
keit  als  der  sibirische,  aber  nur  an  wenigen  Stellen  den  Charakter  von 
Hochwäldern.  Vielmehr  ist  für  viele  Landschaften  ein  parkartiger  Cha- 
rakter bezeichnend,  z.  B.  in  Kamtschatka,  wo  nach  dem  Atlas  von 
Kittlitz  (Fig.  237  und  323)  die  üppigsten  Wiesen  mit  dichten  Laub-  und 
Nadelwaldparcellen  abwechseln,  im  südlichen  Theil  Sachalins  (Fig.  323, 
325  u.  326),  im  Gegensatz  zum  entschieden  sibirischen  Charakter  be- 
sitzenden nördlichen  (Fig.  321  u.  322),  und  im  Gebiet  des  Amur. 

Ihre  reichste  Ausbildung  erreichen  die  ostasiatischen  Sommer- 
wälder auf  Nippon,  wo  sie,  im  Gegensatz  zu  den  europäischen  und 
in  Uebereinstimmung  mit  den  nordamerikanischen,  aus  einer  bunten 
Fülle  verschiedener  Holzarten  bestehen,  von  denen  nur  selten  ein- 
zelne, wie  Buchen  oder  Eichen,  geschlossene  Bestände  bilden.  Physio- 
gnomisch  zeigen  dieselben  durch  die  kräftige  Ausbildung  des  Unter- 
holzes und  der  oft  manneshohen  Bodenkräuter,  durch  einige  mächtige 
Lianen  und  epiphytische  Farnkräuter,  Anklänge  an  die  Regenwälder. 
Diese  unter  den  winterkalten  Laubwäldern  exceptionelle  Ueppigkeit 
ist  eine  Folge  vieler  Niederschläge,  der  hohen  Temperatur  der  Vege- 
tationszeit und,  was  das  Unterholz  betrifft,  des  lockeren  Schlusses  des 
Laubdaches. 


»)  I,  S.  631—632. 


Fig.  326.     Angelophyllum  ursinum  und  Spiraea  sachalinensis  unter  einer  Erle. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Prof.  Krassnow. 


Sachalin. 


VII.    Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  6 1  5 

Die  hervorragendsten  Bestandtheile  eines  solchen  blattwechselnden  Waldes 
sind  Eichen,  Buchen,  Hainbuchen,  Ahorne,  Birken,  Rosskastanien,  Magnolien, 
Aralien,  Wallnüsse,  Ulmen,  Planeren,  verschiedene  Rosaceen  und  an  mehr 
feuchten  Stellen  auch  Eschen  und  Erlen  (Quercus  serrata  und  Qu.  dentata, 
Qu.  crispula  und  Qu.  glandulifera,  Fagus  Sieboldii  und  F.  silvatica,  Castanea 
vulgaris,  Aesculus  turbinata,  Cercidiphyllum  japonicum,  Tilia  cordata  und 
T.  mandschurica,  Calopanax  ricinifolia,  Magnolia  hypoleuca,  Acer  japonicum, 
A.  pictum  und  andere,  Carpinus  laxiflora,  C.  cordata,  Planera  Keaki,  Ulmus 
campestris,  U.  montana,  U.  parvifolia,  Prunus  Pseudocerasus ,  Perocaria  rhoi- 
folia,  Fraxinus  longicuspis,  Betula  alba,  Alnussp.  u.  a.  m.).  Die  Mannig- 
faltigkeit wird  durch  das  Auftreten  einzelner  Nadelbäume  noch  erhöht  (z.  B. 
Pinus  densiflora,  Chamaecyparis,  Thuja,  Sciadopitys,  Tsuga). 

Die  Lianen  sind  wohl  zum  grösseren  Theile  Wurzelkletterer:  Schizo- 
phragma  hydrangeoides  S.  et  Z.,  Hydrangea  petiolaris  S.  et  Z.  und  Rhus 
toxicodendron  var.  radicans  Miq.  tibertreffen  alle  anderen  an  Stärke  und 
Häufigkeit  „Bis  zu  25  m  hoch  kriechen  ihre  mehr  als  armdicken  und  selbst 
bemoosten  Stämme"  an  Bäumen  und  Felsen  empor.  An  lichten  Stellen 
klettert  der  immergrüne  Evonymus  radicans  Sbd.  und  vertritt  gewissermaassen 
den  weniger  häufigen  Epheu.  Neigung  zum  Schlingen  zeigt  sich  bei  ver- 
schiedenen Magnolien  und  Ternstroemiaceen.  Die  ausgebildetsten  Schling- 
pflanzen des  japanischen  Waldes  sind  die  bis  30  m  hohe  Wistaria  chinensis 
S.  et  Z.  und  die  Lardizabaleen,  namentlich  Akebia- Arten.1) 

Eine  reichliche  Menge  von  Halbbäumen  und  Sträuchern,  wie  Syringa, 
Evonymus,  Viburnum,  Hamamelis,  finden  in  dem  zumeist  lockeren  Schlüsse 
ihr  Fortkommen ;  mächtige  Kletterpflanzen,  wie  Actinidia,  Vitis,  Schizophragma, 
senden  ihre  bis  schenkeldicken  Stämme  zu  den  Gipfeln  der  Bäume  empor, 
während  dem  tippigen,  jungfräulichen  Boden  riesige  Petasites,  Polygonum, 
Heracleum,  Farne  entsprossen,  in  deren  Dickicht  Reiter  und  Pferd  verschwinden.2) 

Wie  in  Europa  weisen  auch  in  Japan  die  winterkalten  Gebiete  neben 
J^aubwäldern  ausgedehnte  Nadelwälder  auf,  die.  in  entsprechend  wechselnder 
systematischer  Zusammensetzung,  an  der  Meeresküste,  als  Kiefernbestände  auf 
den  Dünen  und  trockenen  Hügeln  die  Waldvegetation  allein  vertreten  und 
die  Laubwaldregion  vielfach  unterbrechen,  ihre  grösste  Ausdehnung  aber,  so- 
wohl in  verticaler  wie  in  horizontaler  Richtung,  erst  jenseits  der  letzteren  er- 
reichen. Mehr  als  die  Namen  ihrer  Bestandtheile  ist  von  diesen  Wäldern 
nicht  bekannt ;  doch  scheint  solche  Raumanfüllung  durch  Unterholz,  Lianen  etc., 
wie  sie  den  Laubwäldern  zukommt,  hier  durchaus  zu  fehlen. 

§  4.  Die  Wälder  Peuerlands.  In  der  südlichen  Hemisphäre  sind 
wohl  die  Wälder  des  südwestlichen  Patagoniens  und  Feuerlands  zu  den 
Sommerwäldern  zu  rechnen,  nicht  bloss  weil  sie  zum  Theile  aus  der  sommer- 
grünen Fagus  antarctica  bestehen,  sondern  auch  weil  die  bereits  tiefen 
winterlichen  Temperaturen  offenbar  eine  ausgeprägte  winterliche  Ruhezeit 
bedingen.  Uebrigens  sind  wir  über  die  Oekologie  dieser  Wälder  noch  gar 
nicht  unterrichtet. 


*)  Rein  1.  c. 

*)  Mayr  II,  S.  16  u.  f. 


6i6 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Folgende,   einer  Arbeit  Dusdn's    entnommene  Stellen   beziehen   sich  auf 
die  tippigsten  Wälder  Feuerlands: 


Fig-  327.     Der  tropophile  Buchenwald  Feuerlands  im  Winter.     Fagus  entblättert 
Xach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  Michaelsen. 


„Im  Innern  des  Hafens   von  Puerto  Angosto    kommt    ein   typischer   von 
Drimys  Winteri  Forst,  und    Fagus  betuloides  Mirb.  zusammengesetzter  Urwald 


VII.   Die  Waldformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


61; 


vor,  der  in  Bezug  auf  die  dichtstehenden  Bäume,  die  herrschende  Dunkelheit 
und  die  Menge  von  am  Boden  kreuz  und  quer  liegenden,  modernden  Baum- 
stämmen an  die  von  mir  gesehenen  westafrikanischen  Urwälder  erinnerte,  sich 


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jedoch  von  ihnen  dadurch  unterscheidet,  dass  der  Boden  nicht  nackt,  sondern 
von  einer  vollständig  geschlossenen  Decke  von  Lebermoosen  überwachsen 
ist  ...    Die   Phanerogamen   sind   in   diesem   Urwald   wenig   zahlreich.      Von 


6i8 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Sträuchern  kommen  Berberis  ilicifolia  Forst,  Desfontainea  spinosa  Remy  in 
voller  Blüthe  und  Pernettya  mucronata  Gaud.  vor,  zu  denen  man  auch 
Libetanthus  americanus  Endl.  rechnen  kann.  Uebrigens  war  nur  Callixene 
marginata  Juss.  zu  finden.  Die  Farrenkräuter  dagegen  waren  zahlreich  ver- 
treten: hier  und  da  bildete  Gleichenia  acutifolia  Kolonieen,  und  Hymeno- 
phyllaceen  waren  mehr  oder  weniger  zahlreich  in  die  Moosdecke  eingewebt, 
unter    ihnen    das   schöne   Hymenophyllum    pectinatum  Cav.     Die  den  Boden 


Fig.  329.     /  Fagus  Dombeyi.     2  Fagus  betuloides.     Antarkt.   Amerika.     Nat.  Gr. 


verbergende  Moosdecke  breitete  sich  über  alle  heruntergefallenen  Baumstämme 
aus  und  reichte  mehr  oder  weniger  an  den  Baumstämmen  empor,  die  übrigens 
von  Hymenophyllaceen ,  Grammitis  australis  und  dem  hoch  emporkletternden 
Libetanthus   americanus   Endl.   bekleidet   waren." 

.  .  .  „Es  giebt  wohl  kaum  irgend  eine  Gegend  der  Welt,  —  die  feuchtesten 
Gebiete  der  Tropen  nicht  ausgenommen,  —  die  eine  üppigere  Moosvegetation 
als  die  niederschlagsreichsten  Theile  unseres  Gebiets  aufweisen.  Eigener 
Erfahrung   gemäss   kann    ich  versichern,    dass  die  üppige  Moosvegetation  der 


Auswahl  der  Literatur. 


619 


äusserst  feuchten  westlichen  Abhänge  des  Kamerungebirges  keineswegs  besser 
entwickelt  ist  als  die  bei  Puerto  Angosto.  Es  zeigt  sich  jedoch  eine  Ver- 
schiedenheit in  dem  Auftreten  der  Moose  innerhalb  unseres  Gebietes  und 
der  Tropen;  während  die  Moose  innerhalb  jener  am  artenreichsten  und 
üppigsten  an  Baumzweigen,  Blättern  und  Stämmen  wachsen,  selten  auf  Steinen, 
niemals  auf  der  Erde,  so  erreichen  dieselben  innerhalb  dieser  Gegend  ihre 
grösste  Ueppigkeit  am  Boden,  kommen  selten  an  Zweigen  und  Stämmen  vor, 
niemals  auf  Blättern."1) 

Südlich  vom  Rio  Grande   sah  Dusdn   reine  Bestände  der  sommergrünen 
Fagus  obliqua  Popp,  et  Endl. 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Allgemeine  Oekologie  des  Sommerwaldes. 

Beyer,   R.      Ergebnisse    der   bisherigen   Arbeiten   bez.   der  Ueberpflanzen 

ausserhalb  der  Tropen.     Abh.  bot.  Ver.  Prov.  Brandenburg.   Bd.  XXXVII. 
Bürgen,  M.     Bau  und  Leben  unserer  Waldbäume.     Jena  1897. 
Drude,  O.     Deutschlands  Pflanzengeographie.     1.  Thi.     1896. 
Focke,   W.  O.     Ueber   epiphytische  Gewächse.     Abh.   der  naturw.  Ver.  in 

Bremen.     Bd.  XII.     1893. 
Griiss.    Beiträge  zur  Biologie  der  Knospe.   Pringsheim's  Jahrb.     Bd.  XXIII. 

1892. 
J  o  h  o  w ,  Fr.    I.  Die  chlorophyllfreien  Humuspflanzen  nach  ihren  biologischen 

und   anatomisch  -  entwickelungsgeschichtlichen  Verhältnissen.     Pringheim's 

Jahrb.     Bd.  XX.     1889. 

—  IL   Die  phanerogamen  Schmarotzerpflanzen.     Santiago  1890. 

Low,  E     Anfange    epiphytischer   Lebensweise   bei    Gefasspflanzen.     Abh.  d. 

botan.  Ver.  d.  Prov.  Brandenburg.     Bd.  XXXIII.     1891. 
Mikosch,  C.    Beiträge  zur  Anatomie  und  Morphologie  der  Knospendecken 

dicotyler    Holzgewächse.      Sitzungsb.    der   Wiener    Akademie.      Bd.    73. 

itcAbth.     1876. 
Müller,   P.  E.     Studien  über  die  natürlichen  Humusformen  und  deren  Ein- 
wirkung auf  Vegetation  und  Boden.     Berlin  1887. 
Schenck,   H.     Beiträge   zur  Biologie   und  Anatomie   der   Lianen.     1.  Thl. 

Jena.     1892. 
Stahl,   E.     Ueber  den  Einfluss  des  sonnigen  oder  schattigen  Standortes  auf 

die  Ausbildung  der  Laubblätter.   Jenaische  Zeitschr.  für  Naturw.    Bd.  XVI. 

1883. 
Wiesner,    J.      I.     Die    heliotropischen    Erscheinungen    im    Pflanzenreiche. 

IL  Theil.     Denkschriften  der  Wiener  Akademie.     Bd.  43.     1880. 

—  IL    Untersuchungen  über  den  Lichtgenuss  der  Pflanzen  mit  Rücksicht  auf 

die  Vegetation  von  Wien,    Cairo  und  Buitenzorg.     Sitzungsb.  d.  Wiener 
Akademie.     Bd.  CIV.   Abth.  I.     1895. 


')  1.  c.  S.  189  u.  190. 


Ö20  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Wittrock,  V.  B.     Ueber  die  höhere  epiphytische  Vegetation   in  Schweden. 
Acta  Horti  Bergiani.     Bd.  II.    No.  6.     1894. 


2.  Specielle  Darstellungen« 

Ashe,  W.  W.  The  forests,  forest  lands,  and  forest  products  of  Eastern  North 
Carolina.     Raleigh.     1 894. 

Brendel,  F.  Flora  Peoriana.  Die  Vegetation  im  Klima  von  Mittel- 
Illinois.     (Ref.)     Engler's.  Botan.  Jahrb.     Bd.  IV.     1883.     S.  469. 

Christ,  H.     Das  Pflanzenleben  der  Schweiz.     1879. 

D  r  u  d  e ,  O.  I.  Vegetationsformationen  der  centraleuropäischen  Flora.  Engler's 
Botanische  Jahrbücher.     Bd.  XI. 

—  IL   Deutschlands  Pflanzengeographie.     1.  Theil.     1896. 

Dusdn,  P.  Ueber  die  Vegetation  der  feuerländischen  Inselgruppe.  Englers 
Botanische  Jahrbücher.     Bd.  XXIV.     1897. 

Focke,  W.  O.  Ueber  die  Vegetation  des  nor(Jwestdeutschen  Tieflands.  Ab- 
handlungen des  naturwissenschaftl.  Vereins  zu  Bremen.     1871. 

Göppert,  H.  R.  Skizzen  zur  Kenntniss  der  Urwälder  Schlesiens  und  Böh- 
mens.    Nova  Acta   der  Leopoidinischen  Akad.  d.  Naturforscher.     1868. 

Grevillius.  Biologisch  -  physiognomische  Untersuchungen  einiger  schwe- 
discher Hainthälchen.     Bot  Zeit     1894. 

Hock,   F.     I.   Begleitpflanzen   der  Buche.     Botanisches  Centralblatt     1892. 

—  II.   Nadelwaldflora   Norddeutschlands      KirchhofTs  Forschungen   zur  deut- 

schen Landes-  und  Volkskunde.     Bd.  VII.     1893. 

—  III.   Begleitpflanzen  der  Kiefer  in  Norddeutschland    Ber.  d.  deutsch.  Bot 

Ges.     Bd.  XI.     1893. 

—  IV.   Brandenburger  Buchenbegleiter.     Verh.   d.   botan.   Vereins   Branden- 

burg.    Bd.  XXXVI.     1895. 

—  V.   Die  Flora  der  Nadelwälder  Norddeutschlands.     Natur  1892. 

—  VI.   Laubwaldflora  Norddeutschlands.    Forschungen  zur  deutschen  Landes- 

und Volkskunde   IX.    4.    Stuttgart  1896. 
Kessler,    W.     Wald   und    Waldzerstörung    auf  dem   westlichen    Continent 

Verh.  der  Gesellsch.  für  Erdkunde.     Bd.  XVII.     1890.     S.  299. 
K  i  1 1 1  i  t  z.   Vierundzwanzig  Vegetationsansichten  von  Küstenländern  und  Inseln 

des  stillen  Oceans.    1850 — 1852. 
Krassnoff,    A.      Bemerkungen    über    die   Vegetation   des   Altai.      Auszug. 

Engler's  Jahrb.    Bd.  IX.     1888. 
Martin,  K.    Der  patagonische  Urwald.    Mittheil,  des  Vereins  für  Erdkunde 

zu  Halle.    1882.    S.  88. 
Mayr,  H.     L   Die  Waldungen  von  Nordamerika.     München  1890. 

—  IL    Aus  den  Waldungen  Japan's.     München   1891. 
Middendorff.     Sibirische   Reise:    Die   Gewächse   Sibiriens.     S.    582   u.  f. 

1864. 

Michaelsen,  Dr.  W.  Reisebericht  In :  Hamburger  Magalhaensische  Sammel- 
reise.    Hamburg,  Friedrichsen  1896. 

Nakamura,  Yaroku.  Die  japanische  Waldflora.  Unters,  aus  dem  Forst- 
botanischen  Institut  zu  München.     Bd.  III. 

Pinchot,  Gifford  and  Ashe,  W.W.  Timber  trees  and  forests  of  North- 
Carolina.    North -Carolina  Geological  survey.    Winston  1898. 


Auswahl  der  Literatur.  62 1 

Radde.     I.  Reisen   im   Süden   von  Ostsibirien,    1855 — 1859.     Beiträge   zur 
Kenntniss  des  russischen  Reiches.    Bd.  XXIII. 

—  IL   Reisen   und   Forschungen    im  Kaukasus   im  Jahre  1865.     Petermann's 

Geographische  Mittheilungen  1867. 
Rein,  J.  J.     Japan  nach  Reisen  und  Studien.     Bd.  I.     1881.     S.   166. 
Sargent,  Ch.     Die  Wälder  von  Nordamerika.     Petermann's  Mittheil.    1886. 

S.  238.     (Auszug). 
Schmidt,    Fr.     Reisen  im  Amur- Lande   und   auf  der  Insel  Sachalin.     Md- 

moires  de  l'acad.   imperiale  de  S**  Pdtersbourg.     VIF  serie.     Tome  XII. 

1868. 
Sendtner,  O.     I.   Vegetationsverhältnisse  Süd -Bayerns  1854. 

—  II.   Die  Vegetationsverhältnisse  des  bayrischen  Waldes.     1860. 
Tanaka,  Jo.    Untersuchungen  über  die  Pflanzenzonen  Japan's.    Petermann's 

geogr.  Mittheilungen.     1887. 


VUL  Die  Grasflixrformationen  der  kalt- 
temperirten  Gürtel. 

1.  Allgemeine  Oekologie.  Wiese  und  Steppe.  Schutzmittel  der  Wiese  gegen  die 
winterliche  Trockenheit.  Hygrophiler  Charakter  in  der  Vegetationszeit  Xerophile  Structnr 
der  Steppenpflanzen.  2.  Vegetationsbilder  aus  Wiesen-  und  Steppengebieten. 
§  I.  Die  Wiesen.  Europäische  Wiesen.  Wiesen  in  ostasiatischen  Parklandschaften  und 
in  Nord- Amerika.  —  §  a.  Die  Steppen.  Westlicher  Theil  der  nordamerikanischen  Prärie. 
Die  Prärie  in  Kansas  nach  Hitchcock,  in  Nebraska  nach  Pound  und  Clements.  Die  Steppe  im 
Gebiet  des  Schwarzen  Meeres  nach  Rehmann.    Die  Hochsteppe  bei  Alexandrowsk  nach  Grüner. 


1.  Allgemeine  Oekologie  der  Grasfluren. 

Der  Formationskreis  der  Grasfluren  ist  in  den  kalttemperirten 
Gürteln  nur  durch  Wiesen  und  Steppen  vertreten;  die  noch  in  den 
wintermilden  Zonen  stellenweise  vertretenen  Savannen  fehlen,  indem 
die  Grasflurklimate  der  höheren  Breiten  in  der  gewöhnlich  mit  bewegter 
Luft  verbundenen  starken  Winterkälte  ein  baumwidriges  Element  besitzen. 

Wo  die  Grenze  zwischen  Wiesen  und  Steppen  zu  ziehen,  ist  zur 
Zeit  nicht  in  allen  Fällen  mit  Sicherheit  anzugeben,  und  überhaupt  ist 
die  Oekologie  der  Grasfluren  der  Aufklärung  noch  sehr  bedürftig. 
Auch  ist  der  Wiesen-  oder  Steppencharakter  nicht  nur  vom  Klima, 
sondern  auch  vom  Boden  in  hohem  Grade  abhängig  und  zeigt  in  un- 
ebenen Landschaften  raschen  Wechsel,  indem  höhere  Stellen  von 
xerophiler,  tiefer  gelegene  von  tropophiler  bezw.  hygrophiler  Vegetation 
eingenommen  sind  und  die  Bezeichnung  des  einen  Typus  als  klimatisch, 
des  anderen  als  edaphisch  ist  dann  auch  sehr  willkürlich. 

Ob  die  Wiesen  der  winterkalten  Gürtel  zu  den  tropophilen  oder 
den  hygrophilen  Formationen  zu  rechnen  sind,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht 
mit  voller  Sicherheit  entscheiden.  Wahrscheinlich  wird  eine  nähere 
Untersuchung  bezüglich  des  Trockenschutzes  während  des  Winters  eine 


VIII.   Die  Grasflurformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  623 

Entscheidung  ermöglichen.  Einstweilen  scheint  es  mir,  dass  einige 
Erscheinungen  als  xerophile  Schutzvorrichtungen  der  Wiese  gegen  die 
trocknenden  Einflüsse  der  Winterkälte  aufzufassen  sind,  namentlich  der 
Umstand,  dass  die  emporragenden  Theile  am  Schlüsse  der  Vegetations- 
zeit zu  Grunde  gehen,  so  dass  die  Wiese  gegen  die  trocknenden  Wir- 
kungen des  Windes  geschützt  und  durch  die  Schneedecke  vollkommen 
überzogen  wird. 

Während  des  Winters  sind  die  Spaltöffnungen,  wie  bei  grosser 
Trockenheit,  geschlossen  und  die  chemischen  Veränderungen,  welche 
beim  Eintritt  der  Kälte  in  den  Blättern  vor  sich  gehen,  stehen  vielleicht 
ebenfalls  mit  dem  Trockenschutz  im  Zusammenhang.  Sie  scheinen  den 
submersen  Pflanzen  zu  fehlen.  Dennoch  ist  jedenfalls  die  Trocken- 
gefahr und  daher  der  xerophile  Charakter  der  Wiese  im  Winter  weit 
geringer  als  im  Walde  und  das  oberflächliche  Aufthauen,  welches, 
wegen  der  damit  verknüpften  Erwärmung  und  höheren  Transpiration 
des  Gezweiges,  nur  dem  letzteren  schädlich  ist,  kommt  im  Gegentheil 
der  seichtwurzelnden  Wiese  zu  Gute.  In  milden  Wintern  grünt  die 
Wiese  ununterbrochen  und  das  Auftreten  einzelner  Blüthen  zeigt,  dass 
die  Wachsthums-  und  Ernährungsvorgänge  nicht  erloschen  sind. 

Die  Wiesenpflanzen  entbehren  während  der  Vegetationszeit  aus- 
geprägter Schutzmittel  gegen  Transpiration ;  ihre  Structur  ist  hygrophil, 
wenn  auch  in  weniger  hohem  Maasse  als  diejenige  der  krautigen  Schatten- 
flora der  Wälder.  Die  Laubflächen  sind  gross,  ihre  Dicke  relativ  gering, 
die  Cuticula  massig  entwickelt,  Schutzüberzüge  fehlen  oder  sind 
schwach  entwickelt,  Succulenten  und  Halbsträucher  sind  selten,  ausser 
auf  trockenem  Boden.  Hauptbestandteile  der  Wiesen  sind  perennirende, 
meist  büschelartig  wachsende,  seltener  mit  kriechenden  Rhizomen  ver- 
sehene Gräser,  deren  bandförmige,  flache,  krautige,  frischgrüne  Blätter 
sich  bei  trockener  Witterung  nicht  einrollen.  Zwischen  ihnen  wachsen 
perennirende  und  zweijährige  —  nur  wenige  einjährige  —  Kräuter,  die 
der  Mehrzahl  nach  rosettenartige  Hauptsprosse  besitzen,  aus  welchen 
in  der  Vegetationszeit  fertile,  vor  dem  Winter  vertrocknende,  Seiten- 
sprosse sich  erheben.  Die  ganz  auf  die  unterirdischen  Theile  sich 
zurückziehenden  Stauden  sind  relativ  selten  (z.  B.  Colchicum,  Orchis- 
Arten  etc.). 

Gräser  und  Stauden  pflegen  eine  dichte,  zusammenhängende  Narbe 
zu  bilden.  Nur  auf  sterilerem  Boden  sind  breite  Zwischenräume  be- 
moost. Das  Auftreten  ganz  nackter  Stellen  zeigt  zunehmende  Trocken- 
heit des  Bodens  an  und  die  Vegetation  nimmt  einen  xerophilen,  dem- 
jenigen der  Steppen  sich  nähernden  Charakter  an.  Solche  trockene 
Wiesen,  wo  tiefwurzelnde  Stauden  die  Gräser  zu  überwiegen  pflegen, 
werden  als  T  r  i  f t  e  n  bezeichnet.  Ihr  Auftreten  ist  stets  auf  edaphische 
Standortseinflüsse  zurückzufuhren. 


624  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Die  Steppen  der  winterkalten  Gürtel  unterscheiden  sich  von 
denjenigen  wärmerer  Gebiete  durch  weniger  hohen  Wuchs.  Kleine 
Holzgewächse,  die  den  Uebergang  zum  Typus  der  Savanne  bewirken, 
kommen  in  ihnen  häufiger  vor  als  in  den  Wiesen,  die  mit  Ausnahme 
der  später  zu  besprechenden  Höhenwiesen  oder  Matten  ganz  krautig 
sind.  Namentlich  aber  sind  Halbsträucher  in  der  Steppe  häufige  Er- 
scheinungen. Die  Steppengräser  haben  im  Allgemeinen  schmälere 
Blätter  als  die  Wiesengräser,  und  dieselben  besitzen  bei  vielen  Arten 
die  Eigenthümlichkeit,  sich  bei  trockener  Witterung  einzurollen.  Hierin 
liegt  ein  wesentliches  aber  nicht  das  einzige  Schutzmittel  gegen  Wasser- 
verlust; es  treten  ausserdem  Wachsüberzüge,  dicke  Cuticula,  eine 
dichtere  Structur  hinzu.  Die  Annuellen  oder  besser  Ephemeren  sind 
in  der  Steppe  zahlreicher  als  in  der  Wiese,  ebenso  die  Knollen-  und 
Zwiebelpflanzen.  Die  immergrünen  Stauden  und  Halbsträucher  sind 
meist  kleinblätterig  und  gewöhnlich  mit  Schutzüberzügen,  namentlich 
mit  luftfuhrenden  Haaren  bedeckt.  Succulenten  kommen  weit  häufiger 
vor  als  in  den  Wiesen,  namentlich  in  Nordamerika.  Die  Grasnarbe 
der  Steppe  ist  oft  von  nackten  Zwischenräumen  unterbrochen;  doch 
giebt  es,  namentlich  in  Nordamerika,  sehr  dicht  bewachsene  und  doch 
ausgesprochen  xerophile  Steppen.  Die  Gräser  wachsen  meist  in  Büscheln, 
doch  sind  auch  kriechende  Arten  vorhanden,  und  diese  namentlich 
sind  es  (z.  B.  Bulbilis  dactyloides  in  Nordamerika,  Fig.  335),  welche 
geschlossene  Steppen  bilden.  Während  des  Winters  sind  die  ober- 
irdischen Theile  typischer  Steppen,  im  Gegensatz  zu  denjenigen  der 
Wiesen,  zum  grössten  Theile  vertrocknet.  Wo  der  Hochsommer  regen- 
los ist,  tritt  das  Vertrocknen  bereits  während  desselben  ein. 

2.  Vegetationsbilder  aus  Wiesen-  und  Steppengebieten. 

§  1.  Die  Wiesen.  Natürliche  Wiesen  nehmen  anscheinend  weniger 
grosse  Flächen  ein  als  natürliche  Steppen  und  zeigen  sich  vornehmlich 
in  klimatischen  Uebergangsgebieten  mit  parkähnlichem  Vegetations- 
charakter, d.  h.  wo  Grasfluren  und  Waldparcellen  mit  einander  ab- 
wechseln. Letzteres  hängt  damit  zusammen,  dass  das  feuchtere  Wiesen- 
klima dem  Baumwuchs  günstiger  ist  als  ein  echtes  Steppenklima. 

Möglicherweise  hat  die  natürliche  Planzendecke  Europa's  eine  solche 
parkähnliche  Physiognomie  gezeigt.  Das  europäische  Klima  ist  nicht  ein 
ausgesprochenes  Gehölz-  oder  Grasflurklima,  sondern  beiden  Formations- 
kreisen gleich  günstig  und  das  Auftreten  zahlreicher  Gewächse,  die  der 
Waldflora  fehlen,  spricht  für  das  einstige  Vorhandensein  von  Natur- 
wiesen. Solche  sind  allerdings  nicht  mehr  vorhanden,  auch  da  wo  sie 
ursprüngliches  Wiesenareal  einnehmen.  Mähen,  Abweiden,  Düngung, 
verschiedene  Meliorationen   haben   das   ursprüngliche   Bild   einer    euro- 


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Vm.    Die  Grasflurformationen  der  kalttemperirten  Gürtel.  625 

päischen  Wiese  unzweifelhaft  in  tiefgreifender  Weise  modificirt.  Von 
einer  Einzelschilderung  der  mitteleuropäischen  Wiese  soll  daher  hier  ab- 
gesehen werden.  *) 


Fig.  331.     Typische  natürliche  Prärie  in  Jowa  (Cherokee  Co).     Der  dunkele  Streifen  in  der 
Mitte  entspricht   einem  früheren  Pfade.     Nach   einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Coulter. 

Ueppige  Urwiesen  zeigen  sich  in  den  Parklandschaften   am  Amur, 


')  Treffliche  Darstellungen  haben  Drude  1.  c.  S.  339,  Stebler  u.  Schröter  sowie  Weber  gegeben. 
Schi mp er,  Pflantcngeographie.  ^0 


626  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

in  Kamtschatka  (Fig.  325),  auf  der  Insel  Sachalin  (Fig.  326 — 328).  In  der- 
selben zeigen  manche  Kräuter,  namentlich  Umbelliferen  und  Spiraea-Arten 
grösste  Ueppigkeit  und  werden  oft  weit  über  manneshoch.  Wahrscheinlich 
werden,  wie  in  klimatischen  Uebergangsgebieten  überhaupt,  kleine  Unter- 
schiede des  Bodens  für  das  wechselnde  Auftreten  der  beiden  Vege- 
tationsformen maassgebend  sein ;  ein  mehr  durchlässiger  oder  durch  In- 
filtration von  seitwärts  in  der  Tiefe  feuchter  Boden  wird  die  Gehölze, 
ein  wenig  durchlässiger,  nur  oberflächlich  benetzter  Boden  die  Gras- 
flurparcellen  hervorrufen.     Doch  liegen  darüber  keine  Berichte  vor. 

Das  grösste  natürliche  Wiesengebiet  dürfte  dasjenige  der  östlichen 
Prärie  in  Nordamerika  sein,  doch  ist  manchmal  die  Ansicht  aus- 
gesprochen worden1),  dass  dasselbe  ursprünglich  von  Wäldern  bedeckt 
war,  welche  durch  die  Indianer  vernichtet  wurden,  um  Grasflächen  für 
die  Büffel  zu  schaffen.  Stichhaltige  Gründe  werden  für  diese  Ansicht 
allerdings  nicht  gebracht.  Doch  wird  es  wohl  kaum  möglich  werden, 
Sicherheit  darüber  zu  erlangen. 

§  2.  Die  Steppen.  Die  Steppengebiete  haben  mehr  als  die 
meisten  Wiesengebiete,  wenigstens  stellenweise  ihre  ursprüngliche  Phy- 
siognomie bewahrt,  indem  sie  von  Menschen  weniger  dicht  bevölkert 
sind  und  behufs  ihrer  Umwandlung  in  Culturland  höhere  Ansprüche 
stellen  als  die  ersteren.  Namentlich  ist  der  westliche  Theil  der 
nordamerikanischen  Prärie,  in  Dakota,  Nebraska,  Kansas  und 
Texas,  unzweifelhaft  eine  ursprüngliche,  wenn  auch  neuerdings  vielfach 
modificirte  Steppe,  deren  xerophiler  Charakter  in  ost-westlicher  Richtung 
zunimmt,  so  dass  er  am  Missouri  in  den  Wiesen-,  am  Fuss  der  Felsen- 
gebirge in  den  Wüstentypus  übergeht. 

Hitchcock  hat  von  der  trockenen,  westlichen  Steppe  im  Staate 
Kansas,  eine  anschauliche  Schilderung  entworfen: 

Die  Prärie  ist  mehr  ausgedehnt  als  alle  übrigen  Formationen  zu- 
sammen. Die  westliche  Hälfte  des  Staates  liegt  in  dem  unter  dem 
Namen  „Great  Plains"  bekannten  Gebiet,  welches  sich  westlich  bis  zu 
den  Felsengebirgen,  südlich  bis  nach  Texas  und  nach  Norden  weit 
erstreckt.  Das  Land  in  diesem  Gebiet  ist  nahezu  flach,  hier  und  da 
durch  Flussthäler  unterbrochen.  „Man  kann  viele  Meilen  reisen,  ohne 
irgend  eine  sichtbare,  die  Eintönigkeit  der  nach  allen  Richtungen  bis 
zum  Horizont  sich  ausdehnenden  Ebene,  unterbrechende  Anhöhe  zu 
erblicken.  Es  giebt  keine  Bäume,  keine  Sträucher  (obwohl  viele  Pflanzen 
an  der  Basis  verholzt  sind),  keine  hohen  Kräuter  ..." 

Folgende  Pflanzen  sind  für  die  westliche  Ebene  charakteristisch:  Ery- 
simum    asperum,    Polygala    alba,    Malvastrum     coccineum,     Linum    rigidum. 


*)  Vgl.  Mayr  1.  c.  S.  231. 


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VIII.   Die  Grasflurformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


627 


Sophora  tomentosa,  Psoralea  tenuiflora,1)  Cereus  viridiflorus  (S.  W.  Kansas), 
Opuntia  Rafinesquii,  O.  Missouriensis,  O.  fragilis,  Gutierrezia  2)  Euthamiae, 
Aplopappus2)  spinulosus,  Evax  prolifera,9)  Engelmannia  pinnatifida,2)  Thele- 
sperma2)  gracile ,  Artemisia  Wightii,  Senecio  Douglasii,  Cnicus  ochrocentrus, 
Asclepias  Jamesii,  Krynitzkia8)  crassisepala ,  Ipomoea  leptophylla,  Solanum 
triflonim,  Chamaesaracha4)  sordida,  Verbena  bipannitifida,  CladothrixR)  lanu- 
ginosa,  Chenopodium  olidum,  C.  Fremonti  incanum,  Allium  Nuttallii,  Aristida 
purpurea,  Munroa  squarrosa  (Fig.  337),  Elymus  Sitanion.  Die  folgenden 
dehnen  sich  weiter  in  östlicher  Richtung  aus:  Kuhnia6)  eupatorioides,  Liatris6) 


Fig.  333«      Typische    natürliche    Prärie    (Präriegras  -  Formation).      Sporobolus    asperifolius, 

Koeleria  cristata,  Panicum  scribnerianum.    Lincoln,  Nebraska.    375  m  ü.  M.,   19.  März  1898. 

Photographie  von  Herrn  Prof.  Bessey. 


punctata,  Solidago  Missouriensis,  Ambrosia  psilostachya,  Lepachys6)  columnaris, 
Echinospermum  Redowskii  occidentale,  Evolvulus  argenteus,  Solanum  rostratum, 
Oxybaphus7)  angustifolius ,  Andropogon  furcatus,  A.  scoparius,  Chrysopogon 
nutans  (diese  drei  Gräser  herrschen  in  den  östlichen  Prärieen  vor),  Schedon- 
nardus  Texanus,8)  Bouteloua8)  oligostachya ,  B.  racemosa,  Buchloe8)  dacty- 
loides  (Fig.  336),  Koeleria  cristata,  Eatonia8)  obtusata. 

Die  Physiognomie  der  westlichen  Ebenen  ist  eigenartig.     Die  herr- 
schende Pflanze   ist  das  Büffelgras  (Buchloe  dactyloides,  Fig.  336),    oft 


l)  Papilion.    *)  Composit.    8)  Boragin.    4)  Solan.    6)  Amarant.    6)  Composit.    7)  Nyctagin. 
•)  Gramin. 


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628  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

mit  Beimischung  des  Gramagrases  (Bouteloua  oligostachya).  Sie  bilden 
eine  dichte  graugrüne  Matte  von  zwei  oder  drei  Zoll  Höhe.  Die  übrigen 
Gewächse  sind  hier  und  da  in  dem  Rasen  zerstreut.  Die  Opuntien 
fallen  in  die  Augen,  obwohl  sie  auf  der  Kante  liegen  und  sich  nur 
wenig  über  das  Gras  erheben.  Die  am  meisten  augenfälligen  Pflanzen 
sind  jedoch  Asclepias  Jamesii  und  Cnicus  ochrocentrus,  welche  ein  bis 
zwei  Fuss  Höhe  besitzen.1) 

Galeriewälder  sind  namentlich  längs  derjenigen  strömenden  Gewässer 
entwickelt,  welche  nicht  oder  nur  selten  austreten.  Die  vorherrschenden 
Bäume  sind:  Asimina  triloba,  Tilia  americana,  Acer  dasycarpum,  Negundo 
aceroides,  Cercis  canadensis,  Gymnocladus  canadensis,  Gleditschia  triacanthos, 
Ulmus  americana,  Celtis  occidentalis,  Monis  rubra,  Platanus  occidentalis,  Juglans 
nigra,  Carya  olivaeformis,  C.  sulcata,  C.  amara,  Quercus  macrocarpa,  Q.  palustris, 
Salix  amygdaloides,  S.  nigra,  Populus  monilifera.  Die  Sträucher  (und  Lianen) 
sind:  Menispermum  canadense,  Xanthoxylum  americanum,  Vitex  cinerea,  V. 
cordifolia,  Aesculus  arguta,  Staphylea  trifolia,  Ribes  gracile,  Sambucus  cana- 
densis, Symphoricarpos  vulgaris,  Smilax  hispida.2) 

In  vortrefflicher  Weise  ist  neuerdings  durch  Pound  und  Clements 
die  Oekologie  des  zum  grossen  Theile  zu  dem  ursprünglichen  Prärien* 
gebiete  gehörigen  Staates  Nebraska  dargestellt  worden.  Die  Grasflur  be- 
deckt weite  wallende  Flächen  und  nimmt  an  tieferen,  feuchteren  Stellen 
mehr  wiesenartigen,  auf  den  Rücken  typischen  steppenartigen  Charakter 
an.  Ausserdem  ist  letzterer  auf  Thcmboden  (Buffalo gras- Formation 
mehr  xerophil,  als  auf  Lehmboden  (Präriegras-Formationk 

Ausser  an  trockenen  Standorten  stellt  die  Präriegras-  Formation  einet)  ge- 
schlossenen Rasen  dar,  mit  Sporobolus  a^erifolius,  Koeleria  cristata,  Eatonia 
obtusata  und  Panicum  scribnerianum  als  vorherrschende  Arten,  Zeitlich  «etgt 
die  Formation  abwechselnd  ein  frühjahrliches  und  ein  sonimerlich*herbstIiche^ 
Gepräge.  Im  ersteren  besteht  die  Prärie  vorherrschend  aus  Gräsern,  zwischen 
welche  zahlreiche  Frühblüthler  zerstreut  sind.  Letztere  haben  theils  uns4— ^— 
bare  Blüthen,  wie  Draba  caroliniana,  Androsace  occidentalis,  Scutellaria  par- 
vula,  und  die  überaus  häufige  Antennaria  campestris;  andere,  wie  Peucedanum 
foeniculaceum  und  Carex  pennsylvanica  haben  zwar  kleine,  aber  zu  vielgliedrigen 
gelben  Inflorescenzen  vereinigte  Blüthen;  grossblüthige  Arten  sind  an  höheren 
Standorten  namentlich  Astragalus  crassicarpus ,  Baptisia  bracteata,8)  Anemone 
caroliniana,  Comandra  umbellata,4)  an  tieferen  Stellen  aber  Allium  mutabile, 
Callirhoe  alcaeoides,5)  C.  involucrata,  Lithospermum  angustifolium ,  Viola 
pedatifida. 

Das  sommerliche  und  herbstliche  Gepräge  ist  in  erster  Linie  durch  zahl- 
reiche blühende  Pflanzen  beherrscht.  Namentlich  zahlreich  zeigen  sich  Arten 
von  Amorpha,6)  Solidago,  Verbena,  Kuhnistera,6)  während  des  Frühherbstes 
solche  von  Aster  und  Laciniaria. 


«)  Hitchcock  1.  c.  S.  63  u.  f.    *)  Hitchcock  1.  c.  S.  68.    8)  Papilion.    4)  Santal.    *)  Malvac 
6)  Pound  and  Clements  1.  c.  S.  244  u.  f. 


VIII.    Die  Grasflurformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


629 


Die  sehr  niedrigen,  vollständig  geschlossenen  Rasen  der  trockenen  Buffalo- 
gras  -  Formation  sind  oft  ausschliesslich  von  Bulbilis  dactyloides  gebildet 
(Fig.  336).  Andere  Gräser  (Bouteloua  curtipendula  und  oligostachya  etc.) 
treten  zurück  und  Kräuter  sind  ebenfalls  sehr  beschränkt  (Asclepias  pumila, 
Verbena  pennatifida).1) 

Die  Ursteppe  im  Gebiete  des  Schwarzen  Meeres  wird  von 
Rehmann,  nach  Beobachtungen  am  Ingul,  mit  folgenden  Worten  in 
ihrer  Physiognomie  geschildert: 

„Die  Zahl  der  Species,  welche  den  ursprünglichen  Pflanzenteppich  bilden, 
ist  sehr  bedeutend  und  die  Gruppirung  derselben  kann  je  nach  der  Beschaffen- 


Fig.  334.     Natürliche   Prärie   bei  Lincoln  (Nebr.).     375  m  ü.M.     März.     Im  Vordergrund: 
Wagenspuren  mit  Andropogon  —  ihrem  steten  Begleiter  —  im  Hintergrund  die  Präriegras- 
Formation.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Bessey. 


heit  des  Bodens  sehr  mannigfaltig  sein.  Das  wichtigste  Merkmal  dieser  Vege- 
tation bildet  aber  hier  das  gesellschaftliche  Vorkommen  von  Stipa  pennata 
und  Stipa  Lessingiana;  beide  Species  sind  an  einen  trockenen,  sterilen  Boden 
gebunden  und  bedecken  mit  einem  homogenen  Rasen  alle  höheren  Positionen; 
an  tieferen,  mehr  fruchtbaren  Stellen  nimmt  die  Menge  des  Grases  ab  und 
an  seine  Stelle  tritt  eine  Reihe  von  anderen  krautartigen  Gewächsen;  sehr 
selten,  nur  an  feuchteren,  an  Ufern  der  Gewässer  oder  in  Niederungen  ge- 
legenen   Standorten   verschwindet   die    Stipa    gänzlich    und    ihr    Mangel    wird 


l)  Pound  and  Clements  1.  c.  S.  244  u.  f. 


63O  Zweiter  Abschnitt:  Die  temperirten  Zonen. 

durch  das  Erscheinen  einiger  sehr  charakteristischer,  nur  solchen  Stellen  eigen- 
tümlicher Pflanzen  begleitet.  Dieses  Verhältniss  bleibt  sehr  constant  und 
wiederholt  sich  auf  der  chersonischen  Steppe  mit  grosser  Genauigkeit  Alle 
trockenen  erhabenen  Stellen  sowohl  am  Boh  wie  am  Ingull  werden  fast  aus- 
schliesslich von  Stiparasen  bedeckt ;  die  Zahl  der  accessorischen  Bestandteile, 
welche  an  solchen  Stellen  die  Stipareiser  begleiten,  ist  aber  gering;  ich  fand 
nur  Euphorbia  Gerardiana,  E.  nicaeensis,  Erysimum  repandum,  Arenaria 
graminifolia ,  Astragalus  vesicarius  und  Gypsophila  paniculata;  sie  treten  in 
sehi  geringer  Zahl  von  Exemplaren  auf  und  spielen  nur  eine  untergeordnete 
Rolle.  Von  Weitem  gesehen,  machen  solche  mit  Stipaformation  bedeckte 
Stellen  den  Eindruck  sandiger  Hügel  \  in  der  Nähe  verwandelt  sich  die  sand- 
graue Farbe  in  ein  Silberweiss  und  der  Anblick  dieser  flüchtigen,  ewig  hin 
und  her  schwebenden  Fluren  erinnert  lebhaft  an  leicht  bewegte  Wasserwellen 
und  macht  trotz  seiner  ganzen  Monotonie  einen  milden  und  anmuthigen  Ein- 
druck. Viel  interessanter  gestaltet  sich  das  Bild  an  tieferen  Stellen,  wo  die 
Stiparasen  etwas  abnehmen;  zahlreiche,  nur  diesen  Gegenden  eigentümliche 
Pflanzenarten,  nehmen  den  von  den  Stiparasen  theilweise  befreiten  Boden 
in  Anspruch,  die  mannigfaltigsten  Formen  erscheinen  nebeneinander  und 
bilden  ein  buntes  Gemisch  von  Blättern,  Stengeln,  Blumen  und  Blüthenständen 
und  die  Vegetation  der  Steppe  pflegt  dann  auf  verhältnissmässig  geringen 
Räumen  eine  Mannigfaltigkeit  zu  entwickeln,  von  welchen  unsere  nordischen 
Wiesen  nur  einen  sehr  schwachen  und  ungenauen  Begriff  geben  können.  Die 
erste  Stelle  unter  den  Steppenbewohnern  nimmt  die  Crambe  tatarica  ein, 
sie  bildet  Gruppen  von  prachtvollen  zwei  Fuss  breiten,  gefiederten  Blättern 
und  hohen  verästelten  Blumenschäften ;  zwischen  den  Stiparasen  wachsen  zahl- 
reich die  Compositen  (Serratula,  Jurinea  und  Centaurea)  und  ihre  grossen, 
blauen  oder  gelben  Blumenköpfe  erheben  sich  auf  den  schlanken  Stielen  hoch 
über  das  silberne  Gefieder  der  Stipa,  und  zwischen  dem  lockeren  Gehälm 
der  Gramineen  (Triticum,  Poa,  Hierochloä)  versteckt  entfalten  Iris  humilis 
und  I.  hungarica  ihre  niedlichen,  kurzgestielten,  blauen  Blumen«  Ein  buntes 
Blätterwerk  bilden  die  Labiaten  (Phlomis,  Salvia)  und  höchst  eigentümliche 
Astragalus -Arten  verlieren  ihre  grossen,  gelben  Blumenbouquets  in  der  Masse 
ihrer  gefiederten  Blätter.  Einen  sehr  wichtigen  Bestandtheil  dieser  Vegetation 
bilden  einige  Euphorbien ;  ihre  steifen,  aschgrauen  Stengel  wachsen  in  dichten, 
zusammengeschlossenen  Nestern  zerstreut  über  die  ganze  Steppe  und  bilden 
einen  auffallenden  Contrast  mit  dem  lockeren  Gewebe  anderer  Pflanzenfonnen. 
Von  strauchartigen  Pflanzen  kommt  hier  nur  Caragana  frutescens  in  Menge 
vor,  ihre  niederen  Stengel  verschwinden  aber  unter  den  erhabenen  Gestalten 
anderer  Pflanzen;  dasselbe  Schicksal  trifft  auch  Spiraea  crenata.  Sehr  cha- 
rakteristisch für  diese  Vegetation  ist  auch  der  vollkommene  Mangel  von 
Cyperaceen."1) 

Grüner  hat  die  Hochsteppen  im  Gebiete  von  Alexandrowsk  genauer  ge- 
schildert: Die  Frühlingsflora  der  Hochsteppe  ist  eine  sehr  arme  und  ein- 
förmige, was  zum  Theil  dadurch  bedingt  ist,  dass  die  massenhaft  auf- 
tretenden Arten  häufig  auf  eng   begrenzte  Bodenareale   beschränkt  sind  und 

»)  1.  c  S.  25—27. 


VHI.   Die  Grasflurformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


631 


632  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

entweder  gelb  oder  unscheinbar  blühen.  Die  erste  Frühlingsflora  von  März 
bis  Mitte  April  ist  nur  durch  wenige  Familien  vertreten,  von  welchen  folgende 
nach  Zahl  der  Arten  und  Individuen  die  Hauptrolle  spielen:  Liliaceen  (Gagea, 
Tulipa,  Hyacinthus,  Bulbocodium),  Ranunculaceen  (Ceratocephalus),  Cruciferen 
(Alyssum  minimum,  Draba  verna,  Sisymbrium  thalianum),  Rosaceen  (Potentilla 
opaca),  Scrophulariaceen  (Veronica  triphyllos,  praecox,  verna,  agrestis)  und 
Cyperaceen  (Carex  stenophyila,  Schreberi).  Der  Uebergang  zur  späteren 
Frühlingsflora  wird  durch  Amygdalus  nana,  Valeriana  tuberosa,  Androsace 
elongata  und  maxima,  Vinca  herbacea,  Iris  pumila  vermittelt  Die  spätere 
Frühlingsvegetation,  welche  den  Monat  Mai  und  etwa  ein  Drittel  des  Juni  um- 
fasst,  ist  die  Zeit  des  üppigsten  Pflanzenwuchses  in  der  Hochsteppe. 

Der  Habitus  der  Hochsteppe  wird  um  diese  Zeit  namentlich  durch 
folgende  Arten  bedingt:  Ranunculus  illyricus,  Glaucium  corniculatum ,  Ery- 
simum  canescens,  Lepidium  perfoliatum,  Coronilla  varia,  Achillea  Millefolium, 
Carduus  hamulosus,  Echinospermum  Lappula  und  £.  patulum,  Thymus  Mar- 
schallianus,  Ajuga  genevensis,  Euphorbia  Gerardiana,  E.  nicaeensis  und  zahl- 
reiche Gramineen,  namentlich  Stipa  Lessingiana,  Poa  bulbosa,  Bromus  squarrosus 
und  B.  tectorum,  Koeleria  cristata. 

Im  Juni  erlischt  an  den  vorherrschenden  höheren  Stellen  die  Vegetation 
gänzlich  mit  Ausnahme  der  Euphorbia  und  Stipa-Rasen,  die  Mehrzahl  der 
Sommerpflanzen  zeigt  sich  an  minder  vertrockneten  Stellen,  namentlich  in  den 
durch  das  Regenwasser  hervorgerufenen  Furchen  und  Ravinen  (Balkas).  Mehrere 
der  Frühlingspflanzen  zeigen  sich  noch  im  Sommer  (Glaucium,  Isatis  tinctoria, 
Coronilla,  Achillea  Millefolium  etc.),  andere  sind  auf  die  letztere  Jahreszeit 
beschränkt  und  unter  diesen  sind  besonders  häufig:  Malva  borealis,  Melilotus 
alba  und  M.  officinalis,  Portulaca  oleracea,  Centaurea  diffusa,  Onopordon 
Acanthium,  Lactuca  Scariola,  Taraxacum  serotinum,  Verbascum  Lychnhis, 
Linaria  vulgaris  und  L.  genistaefolia,  Manubium  vulgare,  Teucrium  Polium, 
Statice  scoparia,  Polygonum  Convolvulus,  Ceratocarpus  arenarius,  Triticum 
cristatum,  Eragrostis  poaeoides,  Stipa  capillata,  Setaria  viridis. 

Die  Herbstflora  endlich  ist  durch  die  Behaarung  der  meisten  Arten, 
welche  die  Steppe  vegetativ  wie  mit  einem  grauen  Gewände  bekleidet,  cha- 
rakterisirt:  „Zwischen  den  verstümmelten  und  doch  mit  einigen  Blüthenästchen 
besetzten  Pflanzen  der  Sommerflora  und  deren  vertrockneten  Ueberresten 
erhebt  sich  eine  neue  Vegetation,  deren  Hauptrepräsentanten  Salsolaceen, 
Artemisien,  Polygonum  Bellardi  und  aviculare,  Amaranthus  retroflexus  und 
Xanthium  spinosum  sind.  Von  den  ersteren  treten  namentlich  Salsola  Kali, 
Atriplex  laciniata,  Chenopodium  album,  Ceratocarpus  arenarius  und  Echino- 
psilon  sedoides  in  einer  solchen  Unmasse  von  Individuen  auf,  dass  sie  in 
dieser  Hinsicht,  wenn  überhaupt,  so  bloss  von  Artemisia  austriaca,  Xanthium 
spinosum  und  Amaranthus  retroflexus  tibertroffen  werden,  von  denen  namentlich 
die  beiden  erstgenannten  in  gedrängtem  Stande  ganze  Flächen  überziehen, 
erstere  mehr  der  Hochsteppe,  letztere  mehr  dem  unteren  Theile  der  Abhänge 
den  Vorzug  gebend.  Wegen  des  geselligen  Wachsthums  und  der  verhaltnbs- 
mässig  nicht  unbedeutenden  Grösse  der  Einzelindividuen  machen  sie  sich 
mehr    bemerkbar,    als    es    andere    Gewächse,    wie    z.   B.   Atriplex   laciniata. 


VIII.   Die  Grasflurformationen  der  kalttemperirten  Gürtel. 


633 


Polygonum  aviculare,  Portulaca  oleracea  und  Eragrostis  poaeoides  trotz  der 
colossalen  Individuenzahl  zu  thun  vermögen.  ..." 

„Von  Einfluss  auf  den  Charakter  der  Herbstvegetation  sind  wegen  ihrer 
grossen  Häufigkeit  noch  folgende  Pflanzen:  Taraxacum  serotinum,  Achillea 
Millefolium ,  Polycnemum  arvense,  Artemisia  campestris  und  A.  scoparia, 
sowie  ferner  Artemisia  Absinthium,  Chenopodium  opulifolium,  Atriplex  nitens, 
A.  rosea  und  Kochia  prostrata,  die  zwar  reichlich  genug  auftreten,  aber  doch 
nicht  allenthalben  vorkommen.  .  .  .  Eine  wichtige  Rolle  spielen  dagegen  auch 
jetzt  noch  die  Euphorbien  (E.  nicaensis),  indem  sie,  wenngleich  auch  nur 
selten  mit  Blüthen  geschmückt, 
durch  ihr  verhältnissmässig 
lebhaftes  Grün  von  dem  ein- 
förmigen Grau  der  maass- 
gebenden  Pflanzen  angenehm 
abstechen.  Im  September  und 
October  mischt  sich  zu  der 
letzteren  Farbe  auch  das 
freudige  Grün  des  hervor- 
sprossenden Grases"  (S.  106 
bis   110). 

Der    Uebergang     des 
Waldgebietes  in  das  Step- 
pengebiet   Südrusslands 
wird  von  Rehmann  folgen- 
dermaassen  geschildert: 

„Die  natürliche  Grenze 
des  Steppengebietes  wird 
durch  Eichenbestände  an- 
gezeigt; der  Verlauf  der 
Grenzlinie  ist  nicht  über- 
all gleichmässig ,  am  tiefsten 
dringen  die  Wälder  in  das 
Steppengebiet  mit  dem  Fluss- 
bette des  Dniester  und  des 
Boh  herein.  .  .  ." 

„An  dieser  ganzen  Linie 
treten  die  Wälder  in  klei- 
nen, zerstreuten  Partieen  auf 

und  ihre  Existenz  ist  fast  überall,  wo  ich  sie  gesehen  habe,  an  Thäler 
und  tiefere  Schluchten  gebunden;  sie  bedecken  die  inneren  Ufer  dieser  Ver- 
tiefungen und  pflegen  sich  von  denselben  gar  nicht  zu  entfernen.  Die  grossen 
Strecken  des  ebenen  Landes,  welches  zwischen  den  hiesigen  Flussthälern  und 
Schluchten  liegt,  sind  noch  vollkommen  waldlos,  mit  der  charakteristischen 
Steppen- Vegetation  bedeckt  und  stehen  in  dem  engsten  Zusammenhange  mit 
dem  eigentlichen  Steppengebiete.  Aber  auch  weiter  gegen  Norden,  wo  die 
Wälder  schon  in  die  Ebene  heraustreten,    sind  ihre  Dimensionen  sehr  gering 


Fig.    336.      Nordamerikanische     Prärienflora:      Munroa 
squarrosa  Torr.    (Nutt.).     Nat.  Gr.     Kgl.  Herb.  Berlin. 


634  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

und  das  Verhältniss  zu  der  gesammten  Oberfläche  des  Landes  unbedeutend, 
dasselbe  wird  noch  immer  tiberwiegend  von  krautartigen  Formationen  be- 
herrscht. Alle  Wälder  an  der  ganzen  Grenzlinie  sind  fast  ohne  Ausnahme 
reine  Eichenwälder;  sie  werden  durchgehends  von  Quercus  sessiliflora  gebildet, 
in  geringer  Menge  erscheint  zuweilen  Q.  pedunculata  und  Q.  pubescens ;  sehr 
selten  findet  man,  und  zwar  nur  am  Rande  der  Eichenbestände,  eine  Bei- 
mischung von  Acer  campestre,  Ulmus  eflusa,  U.  campestris  und  Carpinus 
betulus.  In  solchen  Eichenwäldern  treten  gewöhnlich  sehr  zahlreich  die 
hiesigen  Gesträuche  auf  und  bilden  einen  dichten  Unterwuchs,  an  welchem 
sich  stellenweise  die  zierliche  Rosa  altaica  betheiligt ;  wenn  dieser  Unterwuchs 
mangelt,  so  bedeckt  sich  der  Boden  mit  einer  grossen  Menge  krautartiger 
Pflanzen,  welche  eine  sehr  üppige  und  mannigfaltige,  wiesenartige  Vegetation 
darstellen  und  fast  überall  gemähet  werden."  Die  hier  mitgetheilte  Liste  der 
hauptsächlichsten  Bestandteile  dieser  Waldwiesen  zählt  eine  Reihe  von  Arten 
auf,  die  meist  auch  bei  uns  in  Wäldern  und  auf  grasigen  Waldlichtungen, 
namentlich  bei  Kalkunterlage,  vorkommen. 

„Nebst  der  Eiche  tritt  an  der  Grenze  des  Waldgebiets  in  hervorragender 
Weise  Carpinus  Betulus  auf,  so,  dass  Eichen-  und  Weissbuchenstände  aus- 
schliesslich Waldformationen  an  der  Grenze  des  Steppen-  und  des  Waldgebietes 
bilden.  Die  Weissbuche  erscheint  zuweilen  in  vereinzelten  Exemplaren  am 
Rande  der  Eichenwälder,  sonst  bildet  sie  aber  selbstständige  Bestände,  welche 
mit  den  Eichenwäldern  in  gar  keinem  Zusammenhange  stehen  und  von  den- 
selben sich  durch  ihre  eigentümliche  Physiognomie  in  auffallender  Weise 
unterscheiden.  Während  in  einem  Eichenwalde  die  Bäume  sehr  zerstreut, 
aber  in  ansehnlichen  Exemplaren  auftreten,  werden  die  Weissbuchenbestände 
von  lauter  schlanken,  dünnen  und  schwachen  Exemplaren  gebildet,  welche 
aber  in  enormer  Zahl  auftreten  und  ein  undurchdringliches,  dunkles  Dickicht 
darstellen.  In  solchem  Zustande  verträgt  die  Weissbuche  keine  anderen  Bäume 
und  Gesträuche,  der  reichliche  Unterwuchs  der  Eichenwälder  fehlt  hier 
durchaus.  Die  Gesträuche  können  hier  wegen  Mangel  an  Licht  nicht  ge- 
deihen und  dieselbe  Ursache  scheint  auch  alle  krautartigen  Pflanzen  zu  ver- 
treiben."1) 


Auswahl  der  Literatur. 

Drude,  O.     Deutschlands  Pflanzengeographie.     Bd.  L     S.  339. 

Grüner,  L.    Zur  Charakteristik  der  Boden-  und  Vegetationsverhältnisse  des 

Steppengebiets  und  der  Dniepr-  und  Konka- Niederung  unterhalb  Alexan- 

drowsk.     Bullet  de   la  Soctetd  impdr.  des   natural,   de  Moscou.    Ann£e 

1872.    No.  1. 
Ha  ekel,   E.     Ueber   einige  Eigentümlichkeiten   der  Gräser  trockener  Kli- 

mate.     Verhandl.  der  zoolog.-botan.  Gesellsch.   Wien  1890. 


*)  Rehmann  1.  c.  S.  47—50. 


Auswahl  der  Literatur.  63  c 

Hitchcock,  A.  S.  Ecological  plant  geography  of  Kansas.  Transactions 
of  the  Academy  of  science  of  Sl-  Louis.     Vol.  VIII.     1898. 

Krassnow,  A.  I.  Geol.  -  botanische  Untersuchungen  in  den  Kalmüken- 
steppen.  Nachrichten  der  Kais,  russischen  geographischen  Gesellschaft. 
Bd.  XXII.  (Russisch.)  1886.  (Ref.  v.  Herder's  in  Engler's  Jahrb. 
Bd.  X.    1889). 

—  IL  Die  Grassteppen  der  nördlichen  Halbkugel.  1894.  (Russisch.  Vgl. 
Kusnezow.) 

Krause,  E.  H.  L.     Die  Steppenfrage.     Globus  1894. 

Kusnezow,  N.  J.  Uebersicht  der  in  den  Jahren  1891 — 1894  über  Russ- 
land erschienenen  phyto  -  geographischen  Arbeiten.  §  5.  Das  Steppen- 
gebiet des  europäischen  Russlands.  Engler's  Botan.  Jahrbücher.  Bd.  XXVI. 
1898  (Referat  über  Arbeiten  von  Krassnow,  Tanfiljew  u.  A.  Nur  Seite 
16 — 32  konnten  noch  benutzt  werden). 

Middendorff,  A.  v.  Die  Barabä.  Mdm.  de  l'ac.  imp.  de  Saint  P6ters- 
bourg.     Tome  XTV.     1870. 

Pound,  R.  and  Fr.  E.  Clements.  The  Phytogeography  of  Nebraska. 
I.  General  Survey.     Lincoln,  1898. 

Rehmann,  A.  Einige  Notizen  über  die  Vegetation  der  nördlichen  Gestade 
des  schwarzen  Meeres.     Brunn  1872. 

Stebler  und  Schröter.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Matten  und  Weiden 
der  Schweiz.     Landw.  Jahrb.  d.  Schweiz.    X.    1892. 

Tschirch,  A.  Beiträge  zu  der  Anatomie  und  dem  Einrollungsmechanismus 
einiger  Grasblätter.     Pringsheim's  Jahrbücher.     Bd.  XIII.     1882. 

Weber,  C.  Ueber  die  Zusammensetzung  des  natürlichen  Graslandes  in 
Westholstein,  Dithmarschen  und  Eiderstedt.  Schriften  des  naturw.  Ver- 
eins für  Schleswig -Holstein.     Bd.  IX.     1892. 


IX.  Die  Wüsten. 

Einleitung.  Verbreitung  und  Klima  der  Wüsten  im  Allgemeinen.  1.  Die  Wüsten 
der  östlichen  Hemisphäre.  §  i.  Das  nordafrikanische  und  südwestasiatische 
Wüstengebiet.  Ausdehnung.  Klima.  Landschaftscharakter.  Flora  der  Frühlingsregen. 
Bedeutung  des  Grundwassers  für  die  Vegetation.  Schutzmittel  der  Pflanzen  gegen  Wasser- 
verlust.  Wüstenformationen  im  äquatorialen  Ostafrika.  —  §2.  Daswest-und  central- 
asiatische  Wüstengebiet.  Klima.  Charakterflanzen.  Physiognomie  der  Wüste  am 
Kaspimeer.  —  §  3.  Die  südafrikanische  Wüste.  Ausdehnung.  Klima.  Vegetations- 
charakter  in  der  Littoralwüste ,  in  der  Karroo.  Welwitschia  mirabilis.  Acanthosicyos  hor- 
rida.  —  §  4.  Die  australische  Wüste.  2.  Die  Wüsten  Amerikas.  §  1.  Die 
nordamerikanische  Wüste.  Ausdehnung.  Klima.  Untere  Sonora-Region.  Charakter- 
pflanzen.  Standorts-Oasen.  Obere  Sonora-Region.  Schutzmittel  gegen  Trockenheit-  Flora 
der  Frühlingsregen.  Die  „Badlands"  in  Dakota  und  Nebraska.  Wüste  Plateaulandschaftes 
am  östlichen  Fuss  der  Rocky  mountains.  —  §  2.  Die  mexikanischen  Wüsten  und 
Halbwüsten.  Klima.  Vegetationscharakter  nach  G.  Karsten.  —  §  3.  Südamerika- 
nische Wüsten.     Physiognomie  der  patagonischen  Wüste  nach  Niederlein. 


Einleitung. 

Die  ausgedehntesten  Wüsten  befinden  sich  in  der  Nähe  der  Wende- 
kreise, die  sie  auf  der  Aequatorseite  nur  wenig,  nach  der  Polseite  be- 
trächtlich überschreiten.  Da  wir  ausserdem  über  die  Vegetation  der 
temperirten  Wüsten  besser  unterrichtet  sind  als  über  diejenige  der  tro- 
pischen, so  soll  dieses  Kapitel  Klima  und  Vegetation  der  Wüsten  im 
Allgemeinen  behandeln. 

Das  grösste  Wüstengebiet  erstreckt  sich  von  der  atlantischen  Küste 
Afrika's  zwischen  dem  20  °  und  30  °  N.  B.  quer  durch  den  ganzen  Con- 
tinent,  wo  es  sich  stellenweise  nach  Norden  hin  erbreitert,  über  Arabien, 
Süd-Persien  und  Belutschistan  nach  der  nordwestlichen  Ecke  Vorder- 
indiens. Das  zweitgrösste  Wüstengebiet  umfasst  einen  grossen  Thefl 
Centralasiens  vom  Kaspimeer  bis  zu  den  Gebirgen ,  die  die  Mongolei 
von  der  Mandschurei  trennen.  Nord -Amerika  besitzt  ein  kleineres 
zwischen  den  30  °  und  40  °  N,  1200  und  1120  W  gelegenes  Wüsten- 
gebiet ,   zu   welchem   namentlich  die  Staaten  Utah ,   Nevada ,   ein  Thefl 


IX.    Die  Wüsten.  637 

Arizona's,  das  südliche  Californien  gehören  und  das  sich  in  die  Halb- 
wüsten der  mexikanischen  Hochebene  fortsetzt.  Die  grösste  Wüste  in 
der  südlichen  Hemisphäre  ist  die  centralaustralische,  kleinere  Wüsten 
besitzen  das  südwestliche  Afrika,  der  schmale  westliche  Küstenstrich 
Süd- Amerikas  von  50  S.  B.  bis  30  °  S.  B.,  das  westliche  Argentinien 
und  das  östliche  Patagonien. 

Die  Regenmenge  ist  natürlich  in  diesen  verschiedenen  Wüsten- 
gebieten eine  ungleiche,  doch  übersteigt  sie  nie  30  cm  und  bleibt  meist 
wesentlich  tiefer.  Nach  der  Zusammenstellung  Woeikof s  wäre  der 
regenärmste  Punkt  der  Erde,  soweit  meteorologische  Beobachtungen 
vorliegen,  Copiapo  in  Chile  mit  durchschnittlich  I  cm  im  Jahr.  Weniger 
als  10  cm  haben  nach  demselben  Autor:  Fort  Mohave  in  Arizona  6  cm, 
San  Juan  in  Argentinien  7,  Serena  in  Chile  4,  Suez  6,  Nukusi  am  Amu- 
Daria  7,  Petro-Alexandrows  6,  Leh  in  Westtibet  7,  Aden  5,  die  Insel 
Ascension  8.  Auch  die  Vertheilung  der  spärlichen  Regenmenge  über 
das  Jahr  ist  eine  ungleiche.  In  der  Sahara  sind  die  Niederschläge  un- 
regelmässig, doch  wohl  vorwiegend  im  Frühjahr.  Am  Amu-Daria  und 
in  Nord-Chile  ist  das  Maximum  im  Herbst,  in  Australien  im  Sommer. 
Doch  haben  bei  der  Spärlichkeit  der  Niederschläge  solche  Maxima  und 
Minima  keine  praktische  Bedeutung;  die  Vegetationsperioden  sind  von 
der  Wärme  abhängig,  welche  die  schädlichen  Wirkungen  der  Trocken- 
heit erhöht  und  daher  zur  Zeit  ihres  Maximum  das  Pflanzenleben  zur 
Ruhe  bringt.  Im  gleichem  Sinne  wie  die  Wärme  wirkt  die  Luft- 
trockenheit, die  in  Wüsten  weit  grösser  zu  sein  pflegt,  als  in  Gehölz- 
und  Grasflurgebieten,  und  im  Sommer  ihre  Maxima  aufweist. 

Die  Oekologie  der  meisten  Wüstenfloren  ist  bis  jetzt  nur  sehr  wenig 
bekannt,  so  dass  die  folgenden  Darstellungen  ganz  fragmentarischen 
Charakter  tragen. 

1.  Die  Wüsten  der  östlichen  Hemisphäre. 

§  1.  Das  nordafrikanische  und  südwestasiatische  Wüstengebiet« 
Zwischen  35  °  und  20  °  n.  B.,  18  °  w.  L.  und  70  °  ö.  L.  zieht  sich  band- 
förmig quer  durch  Nordafrika,  Arabien,  Süd-Persien  und  Belutschistan 
bis  über  den  Indus  ein  vorwiegend  von  Hochebenen  gebildetes  Gebiet, 
in  welchem  die  Niederschläge  jährlich  weniger  als  20  cm  betragen,  sodass 
die  Vegetation  durchaus  wüstenartiges  Gepräge  zeigt.  Bezüglich  seiner 
Wärmeverhältnisse  gehört  dieses  grösste  aller  Wüstengebiete  dem  Gürtel 
der  milden  Winter  an;  nur  an  seinen  nördlichsten  Punkten  treten  im 
Winter  leichte  Fröste  und  vergängliche  Schneefälle  auf.  Die  Sommer- 
temperaturen gehören  zu  den  höchsten  der  Erde  und  fallen  mit  der 
Zeit  grösster  Trockenheit  zusammen;  in  einem  grossen  Theile  dieses 
Wüstengebietes  beträgt  die  Julitemperatur  36  °  und  darüber. 


638 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Die  folgenden  Tabellen  bringen  genauere  Daten  für  einen  extrem 
westlichen  (Kap  Juby),  zwei  mittlere  (Ghardaia  und  Kairo)  und  einen 
extremöstlichen  Punkt  (Multan)  des  nordafrikanischen  und  südwest- 
asiatischen Wüstengebiets. 

Tabelle  I. 
Kap  Juby.     270  58'  N.,  120  52'  W.,  am  Meere.     1885. 


Temperatui 
1    Mittel    1   Absol. 

r. 
Extreme 

Relat 

Luft- 

feuchtigk. 

Bewöl- 
kung 

Wind- 
stärke 

Regen- 
menge 

Januar  . 

16.0 

24.8 

9-4 

81.5 

35 

2.7 

44.8 

Februar 

16.8 

39.8 

10.9 

86.0 

4.4 

3-2 

19.0 

März     . 

16.3 

20.2 

10.7 

83.0 

4.0 

3-4 

8.1 

April     . 

16.8 

20.1 

12. 1 

83.0 

4.9 

3.8 

7.1 

Mai .     . 

17.5 

20.2 

15.4 

92.0 

6.8 

2-5 

0 

Juni .     . 

19.7 

22.9 

15.6 

91.0 

35 

2.0 

0 

Vorherrsch. 

Winde: 

NE  vl  NNE 

Juli  .     . 

i    19-1 

22.3 

16.9 

93-o 

6.0 

2.0 

0 

August . 

20.2 

26.7 

17. 1 

94.0 

3.0 

2.0 

0 

das   ganze  Jahr 

Septmbr. 

20.4 

28.7 

15-5 

92.0 

3.8 

2.6 

347 

Regentage  mit 

mehr  als  0.3  mm 

1884:  52 

October 

1    18.8 

25-9 

13.6 

92.0 

4.6 

30 

55-9 

Novmbr. 

|    18.1 

25-7 

11.6 

89.0 

2.2 

3.4 

38.1  | 

1885:  55 

Decmbr. 

,    16.8 

25.0 

9-3 

87.0 

3-9 

3-2 

17.3  ! 

1885:  225.0 
1884: 138.5 

(MeteoroL  Zeitschrift 


1887,  S.  26.) 


Tabelle  IL 


Ghardaia.     1887  — 1892.    320  35' n.  B.,  30  40' E.     520  m  ü.  M. 


|         Temperatur 

Mittlere 
!  Monats-  |  Extreme 

Relat 

7  Uhr 

ive  Feuch 
1  Uhr 

tigkeit 
7  Uhr 

Be- 
wölkung 

Regen- 
menge 

Januar .     . 

0.0 

20.7 

70 

40 

53 

1.2     !         19 

Februar    . 

1      I,Q 

23.8 

64 

31 

42 

x-3 

7 

März    .     . 

•  i      3-3 

30.7 

54 

26 

34 

i-5 

15 

April    .     . 

jl     7-7 

34.3 

46 

21 

28 

1.3 

8 

Mai      .     . 

'|   10.1          39.0 

40 

17 

22 

i-4 

17 

Juni      .     . 

j    16.4     1      45.1 

3i 

14 

18 

0.9 

1 

Juli .     .     . 

i1  22.3          47.4 

28 

12 

*5 

0.7 

0 

August 

il   *9-9 

46.6 

33 

15 

17 

°-5      1           2 

September 

i,  15.1 

42.6 

44 

19 

22. 

i.5 

4 

October    . 

|      8.1          36.7 

55 

31 

39 

i.7 

3 

November 

1     2.6     |      27.1 

67 

37 

49 

1.6 

16 

December 

l|     0.9     |      21. 1 

71 

45 

55 

1.6     ,         28 

i 

50 

26 

33 

1 

114 

IX.   Die  Wüsten. 


639 


Zu  Ghardaia  gab  es  189 1  8  Regentage  mit  messbarer  Menge,  46  mit 
unmessbarer;  1892  resp.  18  und  23.  —  Die  absoluten  Temperaturextreme 
zu  Ghardaia  waren  innerhalb  5  Jahre:  50 °  Juli  1891  und  — 1°  December 
1889  und  Januar  1891.  Die  Jahressumme  des  Regens  war  1886 — 1892  (in 
Millimetern):   128,  145,  131,  53,  110,  87,   144. 

Meteorolog.  Zeitschr.   1893,   S.  471. 
Tabelle  IH 
Kairo.     300  5'  N.,  310  17'  E.     33  m  ü.  M. 


P      Te 

II         <■ 
||  Mittel 

mperatur 
868-87) 
Abs.  |  Extr. 

Feuch 
Rel. 

tigkeit 
Mittl. 
Min. 

(4J.) 

Be- 
wöl- 
kung 
(15  JO 

Mittlere 

Ver- 
dunstung 
(2  J.) 

•0 

•^  01 

V 

Re| 
me 

87 

gen- 
nge 

88 

Regen- 
tage 
87]  88 

Januar 

j 

12.2 

0.0 

28.0 

68 

32 

3-5 

2.29 

3-9 

6.4 

3-9 

6 

3 

Februar 

■  ! 

13.3 

— 2.0 

3o-4 

63 

22 

36 

2.65 

2.4 

8.3 

4.4 

3 

2 

März  . 

.  '   16.8 

0.4 

41.2 

55 

13 

3.2 

5-55 

4.2 

1.6 

0.0 

1 

0 

April  . 

.  ||  21.6 

6.5 

43-5 

45 

7 

2.4 

6.43 

4.4 

o.5 

6.2 

1 

3 

Mai     . 

:  25.2 

8.8 

46.9 

43 

12 

i.7 

8.16 

4.8 

0  0 

11. 2 

0 

3 

Juni    . 

11 28.3 

12.0 

46.0 

42 

8 

0.7 

9.98 

5-i 

0.0 

1.2 

0 

1 

Juli     . 

ii  29.0 

13.8 

44-3 

46 

*5 

0.9 

n-93 

6.3 

0.0 

0.0 

0 

0 

August 

1 

28.0 

14.4 

47-3 

53 

19 

1.1 

10.00 

5-9 

0.0 

0.0 

0 

0 

September 
October  .  ! 

26.0 

13-° 

42.5 

59 

21 

i-5 

7.54 

7.2 

0.0 

0.0 

0 

0 

23.0 

12.0 

42.1 

64 

17 

2.1 

5-47 

7.8 

0.0 

0.0 

0 
1 

0 

November 

18.8 

5-5 

35-6 

67 

25 

2.9 

4.00 

4.4 

O.I 

10.8 

3 

December  1 

14.7 

0.5 

28.4 

68 

27 

3.5 

3.17 

4.9 

5.2 

4.8 

1 

10 

! 

22.1 

42.5 

13 

25 

')  Kilometer  per  Stunde. 
Multan    im 


Meteorolog.  Zeitschr.  1891,  S. 
Tabelle  IV. 
Pendjab.      122  m  ti.  M.     41/2  Jahre. 


419. 


L 


Temperatur 
Mittel        iTägl.  Schwank. 

(7  J.)  (V/t  j.) 


Relative 
Feuchtigkeit 

(5  j) 


Regenmenge 

(9  j.> 


December 

•  |        13-1 

18.6 

54 

9 

Januar    . 

.           11.6 

16.8 

52 

1 1 

Februar  . 

.  1        15.2 

16.2 

49 

9 

März.     . 

20.4      !       15.9 

47 

20 

April 

1       26.8      |       19.8 

36 

24 

Mai   .     . 

|l      32.2      |       20.1 

28 

10 

Juni  .     . 

33.3             17.3             30 

8 

Juli    .     . 

'        33-7        i        15-3        1         4o 

41 

August    . 

319 

14.3 

46 

29 

September  . 

1        29.8 

153 

41 

14 

October . 

1,        23.9 

18.7 

43               7 

November 

l!        lSl 

20.8 

48       1        1 

Jahr  .     .     , 

1! 

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183  mm 

(Zeitschr.  d.  österr.  Gesellsch.  fiir  Meteor.   1875,  S.  329.) 


64O  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Felsige,  terrassenartig  übereinander  geschichtete  Hochebenen,  die 
von  Thälern,  den  oft  sandigen  Wadis  durchfurcht  sind,  steiniges,  bald 
hügeliges,  bald  flaches  Tiefland,  sandige,  meist  von  parallelen  Dünen 
gewellte  Ebenen,  weite,  lehmige  Becken  setzen,  bald  in  mannigfachem 
Wechsel,  bald  auf  weiten  Strecken  alleinherrschend,  das  ungeheure 
Wüstengebiet  der  Sahara  zusammen.  Trotz  der  ausserordentlichen 
Trockenheit  des  Klimas,  trotz  dem  stellenweisen  grossen  Reichthum 
an  Kochsalz,  trotzdem  der  Boden,  ausser  in  lehmigen  Landschaften, 
das  spärliche  Regenwasser  schnell  durchsickern  lässt,  so  sind  die  Stellen 
doch  selten,  wo  ein  Rundblick  keine  einzige  Pflanze  zu  entdecken  ver- 
mag. Die  Vegetation  ist  allerdings  streckenweise  überaus  dünn  gesät 
und  die  einzelnen  Gewächse  sind,  obwohl  zum  grossen  Theile  strauchig, 
von  geringer  Grösse. 

Am  wenigsten  bewachsen  zeigen  sich  die  steinigen  Hochebenen 
(Hamäda  Fig.  337);  da  erheben  sich  nur  in  weiten  Abständen  aus 
dem  Boden  halbkugelige  Sträucher,  mit  dicht  gedrängten,  dornigen 
Aesten,  die  meist  den  Zygophyllaceen  oder  den  Papilionaceen  an- 
gehören. Weit  reicher  bewachsen  sind  die  solche  typische  Steinwüsten 
durchziehenden  Wädis,  namentlich  aber  die  unmittelbaren  Ufer  der 
meist  trockenen  Wasserläufe. 

Die  Sandwüste  (Areg.  Fig.  338)  hat  eine  weniger  spärliche  Vege- 
tation, ausser  auf  den  Dünen  (Fig.  334),  die  oft  ganz  pflanzenleer  sind 

Den  schärfsten  Contrast  zu  den  öden,  nur  mit  wenigen,  niedrigen, 
fahlen  Gewächsen  versehenen  eigentlichen  Wüst;. strecken  bieten  die 
tiefsten  Thäler  und  die  Quellen  führenden  Mulden,  die  Oasen  (Fig.  339). 
Meist  von  der  Wüste  so  scharf  abgegrenzt,  dass  man  ihre  Contour 
durch  eine  Linie  bezeichnen  könnte,  ernähren  sie  eine  üppige  Vege- 
tation von  Bäumen  und  Kräutern,  die  allerdings  sämmtlich  cultivirt  sind, 
da  die  Oasen  sämmtlich  vollständig  bewirthschaftet  werden. 

Die  Vertheilung  der  Gewächse  der  Wüste  zeigt  sich  weit  mehr 
von  dem  in  der  Tiefe  angesammelten  Grundwasser  als  von  der  direkten 
Benetzung  des  Bodens  durch  den  Regen  abhängig.  Doch  ist,  an- 
scheinend in  allen  Wüsten,  ein  ephemerer  Regenflor  vorhanden. 
Trotz  ihrer  kurzen  Dauer  und  Spärlichkeit  rufen  die  Frühlingsregen 
zahlreiche  annuelle  Gewächse  hervor,  die  zum  grössten  Theile  gleich 
nach  Ende  der  Regenzeit  ganz  verschwinden,  so  dass  der  vorher 
grüne  Boden  jetzt  wieder  ebenso  vegetationsleer  wie  vor  dem  Regen 
erscheint.  Auch  für  die  ausdauernden  Gewächse  sind  die  Frühlings- 
regen von  Bedeutung,  allerdings  oft  mehr  durch  die  Herabsetzung 
der  Transpiration  als  durch  direkte  Benetzung  der  in  grosser  Tiefe 
befindlichen  Wurzeln.  Manche  Arten  sind  nur  zu  dieser  Zeit  belaubt 
und  mit  Blüthen  versehen.  Doch  blühen  andere  während  des  trockenen 
und  kühlen  Winters.    Es  sind  demnach  zwei  ökologische  Gruppen  von 


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DC  Die  Wüsten. 


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§ 


Schimper,  Pfianzengeographie. 


41 


642 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Wüstenpflanzen  zu  unterscheiden,  eine  wo  die  Existenz  unmittelbar  an 
den  Regen,  und  eine  wo  sie  an  die  Anwesenheit  von  Grundwasser 
gebunden  ist. 

Die  Regenpflanzen  der  Wüste1)  sind  theils  Annuellen,  die  bei  Be- 
ginn des  Regens  keimen,  beim  Schluss  desselben  ihre  Samen  reifen 
und  gleich  darauf  zu  Grunde  gehen,  theils,  jedoch  in  geringerer 
Anzahl,    solche,   die  durch  unterirdische  Theile   perenniren,  aber  nach 

den   Regen   von   der   Bodenoberfläche    ebenso 
verschwinden,  wie  die  Annuellen. 

Meine  eigenen  Beobachtungen  über  die 
Flora  der  Sahara  beschränken  sich  auf  die 
nächste  sandige  Umgebung  von  Port -Said  und 
auf  den  nördlichsten  Theil  der  algierischen 
Sahara,  bei  Biskra,  wo  ich  mich  kurze  Zeit 
während  der  scheinbar  kaum  feuchtenden  Früh- 
lingsregen befand.  Der  feste  meist  lehmige  Boden 
der  Wüstenstrecken  zwischen  den  Oasen  bot 
das  Bild  eines  sehr  sparsam  bepflanzten  und 
sehr  eigenartigen  Gartens,  wo  die  einzelnen 
Pflanzen  durch  meterbreite  oder  noch  breitere 
nackte  Streifen  von  einander  getrennt  waren. 
Die  meisten  von  ihnen  waren  kleine,  rund- 
liche, dichte  Sträucher,  die  bei  oberflächlicher 
Betrachtung  einander  so  ähnlich  sahen,  dass 
es  eine  Ueberraschung  war,  bei  näherer  Be- 
trachtung derselben  ungleiche  Blätter  oder 
Blüthen  zu  finden  (Leguminosen,  Zygophylla- 
ceen);  es  fehlte  aber  nicht  an  flach  ausgebrei- 
teten, dem  Boden  angedrückten  Halbsträuchern 
und  an  struppigen,  besenartigen  Formen,  letztere 
meist  zu  einer  Artemisia  gehörig,  die  häufig 
von  einer  saftstrotzenden,  stattlichen,  purpurnen 
Orobanche  begleitet  war.  Der  sandige  Boden 
trockener  Wasserläufe  war  von  salzbedeckten 
Tamarisken  bewachsen.  Dies  waren  die  Ver- 
treter des  Grundwasserflors.  Der  Regenflor  be- 
stand aus  weit  kleineren  und  zarteren  Pflanzen;  namentlich  zeigten  sich 
allenthalben  die  Rosetten  der  Scorzonera  alexandrina,  eines  schmal- 
blätterigen  unscheinbaren  Krauts  mit  grpssen,  violetten,  duftenden  Stern- 
köpfchen auf  kurzem  Stiel,  und  die  wohl  bekannte  Anastatica  hierochun- 
tica,  letztere  jedoch  nur  in  den  trockenen  Betten  der  Wasserläufe. 


Fig.  340.    Flora  der  Sahara: 

Retama  Retam.    Nat.  Grösse. 

Nach  Taubert  in:  Natürliche 

Pflanzenfamilien. 


l)  Vgl.  namentlich  Volkens  II. 


IX.  Die  Wüsten. 


643 


Solchen  Regenkräutern  der  Wüste  merkt  man  in  keiner  Weise  die 
Ungunst  des  Klimas  direkt  an.  Letztere  kommt  zwar  in  ihrer  überaus 
schnellen  Entwickelung  und  kurzen  Lebensdauer  zum  Ausdruck,  aber 
weder  in  den  zarten  krautigen  Stengeln  und  Blättern,  noch  in  den 
dünnen  Wurzeln,  welche,  im  Gegensatz  zu  den  Grundwasserpflanzen, 
den  Boden  nicht  tiefer  durchdringen  als  der  Regen,  noch  in  den  manch- 
mal recht  ansehnlichen  Blüthen.  Volkens  hat  eine  grosse  Anzahl  der- 
artiger Annuellen  der  Wüste  näher  untersucht  und  meist  keine  xero- 
philen Eigenthümlichkeiten  auffinden  können,  z.  B.  Malcolmia  aegyp- 
tiaca  Spr. ,  Matthiola  livida  D.  C,  Roemeria  dodecandra  Stapf.,  ver- 
schiedene Papilionaceen  (Arten 
von  Astragalus  u.  a.),  viele  un- 
scheinbare Compositen,  einige 
Boragineen,  Gräser  etc. 

Andere,  ebenfalls  annuelle 
Pflanzen  verdanken  ihre  Fähig- 
keit die  Trockenzeit  eine  Zeit 
lang  zu  ertragen,  den  Wasser- 
vorräthen,  die  sie  während  der 
Regenzeit  angesammelt  haben 
und  deren  Erschöpfung  ihr 
Lebensende  bezeichnet.  Dahin 
gehören,  nach  Volkens,  nament- 
lich die  wenigen  Aizoaceen  der 
Sahara  (Mesembryanthemum 
cristallinum  L. ,  Aizoon  cana- 
riense  L.),  ferner  verschiedene 
Par onychieen  ,  Reseda  -  Arten , 
Cruciferen  etc. 

Die  Regenstauden,  d.  h. 
solche  perennirenden  Kräuter, 
die  nur  während  der  Regen- 
zeit ein  oberirdisches  Leben  führen,  sind  theils  monocotyle  Zwiebel- 
pflanzen, z.  B.  in  der  ägyptischen  Sahara  Pancratium  Sickenbergeri  Aschs. 
et  Schweinf.,  Urginea  undulata  Steinh.,  Allium  Crameri  Aschs.  et  Boiss., 
theils,  aber  in  kleinerer  Zahl,  Dicotylen,  wie  Erodium-,  Heliotropium- 
Arten  u.  a. 

Die  zweite  Categorie  von  Wüstenpflanzen  zeigt  ihre  Abhängigkeit 
vom  Grundwasser  ganz  allgemein  schon  an  der  ungeheuren  Länge  ihres 
Wurzelsystems,  welche,  die  tiefe  Lage  des  unterirdischen  Wasserniveaus 
zur  Lebensbedingung  macht.  Nur  die  wenigsten  dieser  Pflanzen  sind 
Annuellen  (z.  B.  Monsonia  nivea,  nach  Volkens),  die  meisten  haben 
verholzte   Axen    und   ausgeprägte   xerophile   Structur.      Doch    giebt   es 

41* 


Fig.  34 1 .    Flora  der  Sahara :  Odontospermum  pyg- 
maeum   O.  Hoff.     /   Mit   geschlossenen   Köpfchen 
(Trockenheit).     2  ein  offenes  Köpfchen  (Feuchtig- 
keit).    Nat.  Gr. 


644 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


unter  ihnen  ein  stattliches  und  doch  krautiges,  in  ihren  oberirdischen 
Theilen  sogar  ausgeprägt  hygrophil  gebautes,  lebhaft  transpirirendes 
Gewächs,  und  dasselbe  zeigt  besser  als  irgend  eine  andere  Wüsten- 
pflanze die  Bedeutung  des  Grundwassers  für  die  Wüstenvegetation;  es 
ist  Citrullus  Colocynthis,  eine  unserer  cultivirten  Gurke  ähnliche  Cucur- 
bitacee,  deren  lange,  saftige,  relativ  dicht-  und  grossblätterige  Sprosse 
den    ganzen    Sommer    hindurch    grünen    und    ihre    kindeskopfgrossen 

Beeren  entwickeln,  so  dass  es 
den  Anschein  hat,  als  wären 
sie  gegen  Wasserverlust 
aussergewöhnlich  geschützt 
In  Wirklichkeit  jedoch  ver- 
welken abgerissene  Zweige 
schon  nach  wenigen  Minuten. 
Ganz  allein  die  ausser- 
ordentliche Länge  ihrer  Wur- 
zeln ermöglichen  der  Bitter- 
gurke die  Existenz  in  der 
Wüste.  Die  beträchtliche 
Wurzellänge  ist  in  mehr 
oder  weniger  hohem  Grade 
allen  Wüstengewächsen  ge- 
meinsam und  hat  die  Be- 
wunderung aller  Reisenden 
hervorgerufen. 

„So  oft  ich  es  auch 
versuchte,"  sagt  Volkens, 
„ältere  Büsche  perenniren- 
der  Gewächse  bis  zum  Wur- 
zelende auszuheben,  ist  mir 
das  doch  niemals  gelungen. 
Was  ich  zumeist  nur  zu  con- 
statiren  vermochte,  war, 
dass  die  Wurzel  in  ein  bis 
zwei  Meter  Tiefe  dünner  geworden  war  als  oben.  Ein  kaum 
Jiandhohes  Exemplar  von  Calligonum  comosum  hatte  eine  oben  daum- 
starke Wurzel,  i1/2  m  weiter  unten  war  sie  noch  von  der  Dicke 
des  kleinen  Fingers  und  so  kann  man  getrost  annehmen,  dass  hier 
die  Länge  der  unterirdischen  Theile  diejenige  der  oberirdischen 
um  das  zwanzigfache  übertraf.  Ein  ähnliches  Verhältniss  zeigen  viele 
andere,  nach  einer  Mittheilung,  die  ich  Herrn  Professor  Schwein- 
furth  verdanke,  speciell  auch  die  Acacien.  Bei  Gelegenheit  der  Aus- 
grabung des  Suezcanals  fand  man   auf  dessen  Sohle  Wurzeln,  die  zu 


Fig.  342.    Flora  der  Sahara:  Zilla  spinosa  (L.)  Prantl, 
Nat.  Gr.     Nach  Prantl  in:   Nat.  Pflanzenfamilien. 


IX.   Die  Wüsten. 


645 


hoch   oben   auf  seitwärts   gelegenen  Höhen  wachsenden   Bäumen   ge- 
hörten."1) 

Bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Grundwasserpflanzen  zeigen  die  ober- 
irdischen Theile,  im  Gegensatz  zur  Bittergurke,  eine  ganz  ausgeprägte 
xerophile  Structur,  welche  direkt  auf  den  Einfluss  sehr  trockener  Luft 
hinweist.  Fehlen  oder  sehr  schwache  Entwickelung  der  Laubflächen, 
Dornbildung,  filzige  Behaarung,  Succulenz,  dicke  Cuticula,  Wachsüber- 
züge, Reduction  der  Intercellularen ,  Schutz  der  Spaltöffnungen  und 
andere  xerophile   Eigenschaften    kommen    einzeln    oder    zu    mehreren 


Fig.  343.     Flora  der  Sahara:  Alhagi  maurorum  Med.     Nach  Taubert  in:   Nat.  Pflanzenfam. 

vereinigt  der  grossen  Mehrzahl  der  perennirenden  Saharapflanzen  zu. 
Allerdings  sind  unter  den  letzteren  so  auffallende  Gestalten,  wie  sie 
die  südafrikanische  Wüste  namentlich  in  ihren  cactusähnlichen  Euphor- 
bien und  Asclepiadeen  aufweist,  selten  und  auf  die  westlichsten  und 
südlichsten  Punkte  beschränkt. 

Als  wesentliche  Bestandteile  der  Flora  der  ägyptischen  Sahara  wären, 
nach  Volkens,  besonders  folgende  hervorzuheben:  Cocculus  Leaeba  (Del.) 
Guill.  Perr.  Rieh.,  mit  dünnen,  bis  4  m  langen,  auf  dem  Boden  kriechenden, 


l)  Volkens  II,  S.  7. 


646 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


äusserst  schwach  belaubten  Sprossen;  Farsetia  aegyptiaca,  ein  bis  meterhoher, 
filzig  behaarter  Halbstrauch;  Zilla  myagroides  Forsk.,  die  in  den  Thälern 
meterhohe,  blattlose,  dornige,  oft  kugelige  Büsche  bildet ;  Capparis  spinosa  L. 
var.  aegyptiaca,  vornehmlich  in  Felsspalten  wachsend,  durch  einen  Wachs- 
überzug ergiebig  gegen  Transpiration  geschützt;  Gymnocarpus  decander  Forsk. 
eine  succulentblätterige  und  doch  trockenkahle  Paronychiee;  schuppenblätterige, 


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dürre  Tamaricaceen  mit  Salzausscheidungen;  Genista  (Retama)  Raetam  Forsk., 
ein  stattlicher,  blattloser,  besenartiger  Strauch;  dornige,  regengrüne  Astragalus- 
sträucher;  Alhagi  manniferum  Desv.,  eine  dornige  kleinblätterige  Papilionacee ; 
Acacia  tortilis  Hayne,  ein  dorniger  Strauch  oder  kleiner  Baum;  Convolvulus 
lanatus  Vahl.,  ein  filziger,  sparrig  ästiger  Strauch;  Lycium  arabicum  Schweinf, 
ein  immergrüner,  immerblühender  dorniger  Strauch  mit  ungemein  langen,  theil- 
weise  knollig  angeschwollenen  Wurzeln;    Lavandula  coronopifolia,  ein  nahezu 


IX.    Die  Wüsten. 


647 


blattloser  Strauch,  nebst  anderen  strauchigen,  schwach  belaubten,  filzig  be- 
haarten Labiaten;  Statice  pruinosa  L.,  ein  nur  kurze  Zeit  belaubtes,  von 
dichtem    Kalkstaub    bedecktes    Kraut;    Atriplex   Halimus   L.,    ein   stattlicher 


Fig-  345.     Aristida  pungens.    Blattquerschnitt. 
Nach  Tschirch. 


Fig.  346.  Capparis  spinosa  var.  aegyp- 

tiaca.     Blattquerschnitt.     Vergr.  40. 

Nach  Volkens. 


l'ig-  348.    Mesembryanthemum  cristalli- 
num.    Stammquerschnitt.   Nach  Volkens. 


fig-   347-     Neurada   procumbens.     Blattquerschnitt. 
Vergr.   140.     Nach  Volkens. 


Strauch,  dessen  Blätter,  dank  ihren  massenhaften  Blasenhaaren,  in  der  Trocken- 
zeit lange  grün  bleiben,  und  verschiedene  andere  Salsolaceen  mit  inneren 
Wassergeweben;    Gräser   des  Sandbodens   mit    eingerollten   Blättern   und   un- 


648 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


geheuer  langen  Wurzeln  (Cynodon  Dactylon  Rieh.,  Danthonia  Forskalii  (Vahl) 
Trin.,  Sporobolus  spicatus  (Vahl)  Kth.,  Andropogon-,  Aristida-Arten  u.  a.). 

In  der  tropischen  Sahara,  zwischen  160  und  200  s.  Br.,  z.  B.  in  Air,  ist 
der  Vegetationscharakter  ein  anderer  und  im  Ganzen  weniger  dürftig  als  im 
Norden  der  Sahara.  Die  Berge  entbehren  zwar  jeden  Pflanzenlebens,  dagegen 
erreichen  in  den  Wadis,  wo  das  Grundwasser  sich  ansammelt,  die  Bäume 
stattliche  Dimensionen.  Allerdings  sind  sie  meist  sehr  kleinblätterig  und 
dornig,  also  von  xerophilem  Gepräge.  Zu  ihnen  gehören  namendich  Acacia 
Seyal  Del.,  Maerua  rigida  R.  Br.,  Zizyphus  spina  Christi  (L.)  Willd.,  Balanites 
aegyptiaca  Del.  und  die  Palme  Hyphaene  thebaica.  Eine  Stapelia  wächst  auf 
den  Felsen.  Der  Granitsand  der  ehemaligen  Wasserläufe  in  den  Wadis  ist 
von  Panicum  turgidum  Forsk.  bewachsen,  während  Gräser  imUebrigen  selten  sind. 


Fig.  349.     Sudarabische  Felsenwüste.     Aden.     Nach  einer  Photographie. 


Die  Ostküste  Afrika's  an  der  südlichen  Hälfte  des  Rothen  Meeres 
und  bis  zum  Aequator  ist  zwar  weniger  regenarm  als  die  Sahara.  Sie 
ist  es  aber,  in  Folge  der  grossen  Hitze,  noch  genug,  um  streckenweise 
den  Charakter  der  Halbwüste  oder  der  Wüste  anzunehmen,  sobald  der 
Boden  mehr  durchlässige  Beschaffenheit  erhält.  Solche  gleichzeitig 
durch  klimatische  und  edaphische  Einflüsse  bedingte  Wüsten  und  Halb- 
wüsten wechseln  z.  B.  mit  weniger  ausgeprägten  xerophilen  Formationen 
im  äquatorialen  Ostafrika  zwischen  dem  Kilimandscharo  und  der  Küste. 

Volkens  schildert  anschaulich  eine  solche  Formation  (Fig.  350):  „Eis  ist 
eine  reine  Succulenten-Steppe  *),  das  dürrste  und  unfruchtbarste  Gebiet,  weiches 
man  sich  denken  kann,  aber  gerade  darum  von  einer  Vegetation  bedeckt, 
wie    sie  mir  in  ähnlicher  Seltsamkeit    nur    in  den  trockensten  Wüstenstrichen 


*)  Nach  unserer  Noraenclatur  keine  Steppe. 


IX.   Die  Wüsten. 


649 


Aegyptens  begegnet  ist.  Jede  Pflanze  ist  eigentlich  eine  Karikatur.  Im 
Anfange  treten  noch  Bäume  im  geschlossenen  Bestände  auf,  deren  kurzer, 
mannsdicker  Stamm  eine  grüne  Krone  fingerstarker,  durchaus  blattloser,  theils 
hängender,  theils  ineinander  geschobener  Zweige  trägt.  Es  ist  die  Euphorbia 
Tirucalli,  sicher  wild  an  dieser  Stelle,  während  sie  an  der  Küste,  ebenso  wie 
in  Abessinien,  angepflanzt  zu  sein  scheint.  Weiterhin  giebt  es  nur  noch 
wenige  von  dem  allenthalben  gemeinen  Cissus  quadrangularis  oder  C.  rotundi- 
folia  durchrankte  Bäumchen,  Acacia  Salvadora,  eine  Gymnosporia  *)  mit  ihren 
Rand  zenithwärts  richtenden  Blättern  und  Anaphrenium  abyssinicum.  Dafür 
ist  hier  die  sandige  Ebene  auf  stundenweite  Entfernungen,  so  weit  man  sehen 


Pyrenacantha  malvifolia. 


Stapelia  caralluma. 


Adenia  globosa. 


Fig.   35o.     Halbwüste  mit  Succulenten  bei  Kihuiro,   am  Fusse  des  Kilimandjaro.     Verklein. 

einer  Fig.  Volkens'. 


kann,  mit  knie-  bis  manneshohen  Gewächsen  bedeckt,  die  —  durch  nackten 
oder  mit  einem  Stachelkraut  (Blepharis  Togodelia*))  überzogenen  Boden 
isolirt  —  lauter  einzelne  Gruppen  bilden.  Jede  Gruppe  besteht  in  der 
Hauptsache  aus  dornigen  Cactus-Euphorbien 8) ,  aber  um  und  zwischen  diese 
vertheilen  sich  andere  Proletarier  des  Pflanzenreiches,  wie  ich  sie  genannt 
habe,    die   womöglich    noch   struppiger   und   ruppiger   denn   diese   aussehen. 


*)  Celastr. 
*)  Acanth. 

8)  „Euphorbia   heterocproma   und    eine  noch   unbeschriebene   Art    mit    kurzen,    lang- 
gedornten, dreikantigen,  breitgeflügelten  Gliedern41. 


650  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Caralluma  codonoides1)  reckt  armstarke,  vierkantige  und  bedornte  Sprosse 
auf,  die  an  der  Spitze  einen  kinderkopf grossen  Ballen  fast  schwarzer  und 
furchtbar  stinkender  Blüthen  tragen;  ein  Adenium2)  mit  knolligem  Stamm, 
sarcocaulonartigen  Zweigen  und  schmal  lanzettlichen  Blättern  breitet  daneben 
rothleuchtende,  duftende  Sterne  aus ;  eine  Kleinia  überragt  beide  mit  bleichem, 
blattlosem,  aber  saftstrotzendem  Astwerk.  Auch  die  schon  erwähnten  drei 
Sansevieren 8)  vermissen  wir  nicht,  dazu  eine  vierte  breitblätterige  Art,  wenn- 
gleich sie  hier  den  Succulenten  gegenüber  zurücktreten.  Lücken  werden  aus- 
gefüllt durch  das  überall  in  unserer  Kolonie  den  schlechtesten,  dürrsten  Boden 
verrathenden ,  gelblich  blühenden  Talinum  caffrum4),  als  Seltenheit  von  einer 
Stapelia  mit  korallenartigen,  dem  Sande  aufliegenden  Stachelzweigen  und  über 
thalergrossen ,  braun  marmorirten  Blumen.  Die  sonderbarsten  Gebilde  aber, 
die  wir  hier  und  dort  das  Centrum  einer  Pflanzengruppe  einnehmen  sehen, 
sind  meterbreite  und  fast  ebenso  hohe  gewaltige  Knollen,  abgerundeten  Blöcken 
gleich,  von  denen  die  einen  glatt  wie  mit  hellfarbigem  Leder  überzogen,  die 
anderen  rauh  gekörnt  und  dunkelgrün  erscheinen.  Es  sind  zwei  Pflanzenarten, 
die  zu  den  merkwürdigsten  ganz  Ost-Afrika's  gehören.  Die  eine,  die  erste, 
Pyrenacantha  malvifolia5),  lässt  zur  Trockenzeit  überhaupt  nichts  weiter  als 
den  zu  so  unförmigen  Verhältnissen  aufgetriebenen  Stamm  erkennen ;  erst 
wenn  die  Regen  nahen,  entspringen  der  oberen  Wölbung  desselben  unten 
kaum  daumenstarke  Sprosse,  die,  mit  malvenartigen  Blättern  besetzt,  im  um- 
gebenden Buschwerk  sich  emporschlingen.  Die  andere,  Adenia  globosa,  trägt 
dauernd  am  Gipfel  ihres  Knollenstammes  kaskadenartig  bogig  zur  Erde  sich 
biegende  oder  an  Bäume  und  Sträucher  sich  anlehnende  und  aufsteigende 
grüne  Ruthenäste,  die,  statt  Blätter  zu  führen,  mit  nadelspitzen,  konischen, 
harten  Dornen  bewehrt  sind.6)  .  .  ." 

Der  ökologische  Vegetationscharakter  der  Sahara  bleibt  östlich  von 
derselben  bis  nach  Nordwestindien  der  gleiche  und  auch  die  Flora  zeigt 
grosse  Uebereinstimmung.  Nach  Brandis  gibt  es  Wälder  längs  des 
Indus,  im  Bereich  des  reichlichen  Grundwassers,  ausserhalb  des  letzteren 
aber  gedeiht  nur  ein  spärliches,  aus  Arten,  die  auch  in  den  Wüsten- 
gegenden Afrika's  wachsen,  bestehendes  Gesträuch. 7) 

§  2.  Das  west-  und  centralasiatische  Wüstengebiet.  Die  grosse 
centralasiatische  Wüste  stellt  eine  nordöstliche  Abzweigung  der  nord- 
afrikanisch-arabischen Wüste  dar,  welche  sich  von  den  Küsten  des 
Kaspimeers,  ungefähr  bei  50  °  ö.  L.  bis  nach  dem  östlichen  China,  un- 
gefähr bei  1200  ö.  L.  ausdehnt. 

Sie  zerfällt  in  einen  westlichen  Theil,  vom  Kaspimeer  bis  zum  Tien- 
Schangebirge  und  einen  östlichen  Theil,  von  dem  genannten  Gebirge 
bis  zum  chinesischen  Chingangebirge.  Die  westliche  oder  transkaspische 
Wüste  ist  ein  Tiefland,  die  östliche,  die  Gobi,  eine  Hochebene. 

Beide  Wüstengebiete  gehören  dem   kalttemperirten  Gürtel  an   und 


l)  Asclep.     2)  Apocynac.    8)  Haemodorac.    4)  Portulac.    5)  Olacin.    •)  l.  c  S.  17 — jS. 
7)  1.  c.  S.  4H. 


Fig-  35 1.     Aus  der  transkaspischen  Wüste:  Karabugas.     Jelgunn. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Prof.  Andrussow. 


Salsolaceac. 


Fig.  352.     Transkaspische  Wüste:    Landschaft  nördlich  von  Krasnovodsk,  beim  Brunnen  Uschok. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Prof.  Andrussow. 


IX.    Die  Wüsten. 


651 


besitzen   ein   extremes   Klima.     Ueber   das   Klima   der   Gobi   berichtet 
Prschewalsky : 

„Charakteristika  des  dortigen  Klima's  sind  die  schroffen  Temperatur- 
kontraste und  die  hochgradige  Trockenheit.    So  beobachteten  wir  unter 


Fig.  353.     Transkaspische  Wüste:   Karabugas.    Salzboden.    Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Prof.  Andrussow. 


dem  42  °  N.  in  der  südöstlichen  Mongolei  Ende  November  (1871)  eine 
Temperatur  von  32,7°.  Diese  starken  Nachtfröste  währten  den  ganzen 
Winter  über  und  zogen  sich  bis  in  das  Frühjahr  hinein.  Andererseits 
erlebten  wir  an  eben  diesen  Orten  während  der  Sommerzeit   eine    fast 


r 


Fiß-  354.    Transkaspische  Wüste:  Bei  Karabugas.    Muschelsandboden  mit  Salsolaceen, 
Calligonum  sp.     Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Prof.  Andrussow. 


tropische  Hitze,  welche  durch  den  Mangel  der  Wälder  und  durch  die 
grosse  atmosphärische  Trockenheit  um  so  fühlbarer  wird.  Der  Wüsten- 
boden erhitzt  sich  während  des  Sommers  bis  zu  +  50  °  —  60  °, ^während 
er    sich    im  Winter  bis  — 26,5°    und   mehr  erkaltet.     Die  Uebergänge 


6$2 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


zwischen  Kälte  und  Hitze  sind  im  Frühjahr  und   umgekehrt  im  Herbst 
sehr  schroff.1) 

Die  folgenden  Tabellen,  welche  sich  auf  einen  westlichen  (V)  und 
einen  östlichen  Punkt  des  Wüstengebietes  (VT)  beziehen ;  zeigen ,  ver- 
glichen mit  den  Tabellen  I — IV  in  deutlichster  Weise  die  klimatischen 
Unterschiede  zwischen  der  nördlichen  und  der  südlichen  Wüste. 

Tabelle  V. 

Nukuss  am  Amu-Darja.     420  27'  N.,  590  37'  O.     66  m  iL  M. 
I.Jahr  (X.  1874  bis  X.  1875). 


Te 
Mittel 

mp  eratur 
Extreme 

Rel. 
Mittel 

Feuchtigkeit 
2p3i.|  Min. 

Bewölkung        Regen- 
0 — 10      Menge'  Tage 

December 

; 

0.8 

17.7 

-17.8 

83 

67 

28 

6.3        !    10 

10 

Januar 

—3-5 

io-5 

—21.8 

93 

82 

56 

6.3        |    18 

6 

Februar    . 

-5.6 

14.0 

—15-0 

79 

57   1   20 

2.1                  Ol 

März   .     . 

2.7 

24.5 

—151 

78 

65 

15 

6.6          23 

17 
9 

April  .     . 

14.0 

33.7 

—  0.9 

59 

40 

14 

5-°          *3 

Mai     .     . 

!     19.7 

35-7 

6.4 

44 

25 

7 

2.8          13        9 

Juni 

':    22-5 

38.2 

3-8 

42 

19 

5 

1.8       ■     0  |     3 

Juli      .     . 

1 

26.4 

40.5 

11.6 

So 

29 

14 

2.9       |5      10 

August 

233 

35-5 

9-4 

55 

30 

12 

0.9       1     6        3 

September 

1     18.8 

36.1 

3-9 

53 

26 

12 

0.4            0        0 

October  . 

!'     7I 

21.9 

-9J 

62 

35 

11 

2.0     !    0      1 

November 

!    5.4 

22.0 

10.2 

63 

39 

15 

2.7         1      2 

1 

1 

1 89 

7i 

Zeitschr.  d.  östenr.  Gesellsch.  f.  Meteor.   1877,  S.  219. 


Tabelle  VI. 
Urga  (Wüste  Gobi).     470  55'  N.,  1060  45'  O.     1330  m  ü.  M.     1870. 


|!        Mittel 

Temperatur 
Minimum 

Maximum 

Regenmenge 

Bewölkung 

Januar   . 

.  !      —28.6 

—  37-4 

— 12.9 

0.4 

2-3 

Februar 

.    i     — 25.0 

-38.5 

—  6.6 

0.7 

2.6 

März 

•  ji  —13.8 

—  25-5 

+  6.5 

4.8 

3-4 

April 

.  ■     +0.6 

— 16.0 

17. 1 

- 
0.0 

2.7 

Mai  .     . 

.  .  •       8.9 

-2.4 

29.9 

4.5 

34 

Juni  .     . 

13.1 

5-5 

25-7 

46.2 

5-6 

Juli  .     . 

18.2 

9.8 

30.5 

28.4 

4-5 

August  . 

.    !           152 

4.0 

32.1 

27.2 

39 

September 

9-3 

—  6.6 

27.7 

5-8 

39 

l)  1.  c.  S.  247—248. 


IX.   Die  Wüsten. 


Tabelle  VI  (Fortsetzung). 


653 


October     .     . 

—  2.4 

—  26.2 

13-9 

5.7 

3-2 

November  .     . 

—  16.8 

—  32-5 

39 

1.4 

3-8 

December  .     . 

1     —25-5 

—  39.9 

-^8.1 

0.0 

1.8 

Jahr:  | 

125. 1 

Zeitschr.  d.  österr.  GeseUsch.  f.  Meteor.   1873,  S.  108. 

Die  Kälte  des  Winters  bedingt  natürlich  eine  wesentlich  andere 
Zusammensetzung  der  Flora  als  im  südlichen  Wüstengebiet.  Die  Nord-, 
Ost-  und  Südosttheile  der  Gobi  haben  etwas  reichlichere  Niederschläge 
als  die  centralen  und  westlichen  Theile. 

Die  transkaspische  Wüste  wird  von  Radde  folgendermaassen  kurz 
charakterisirt :  „Nur  wolkenlosen  Himmel,  nacktes  Gebirge,  Flüsse  ohne 
Mündung  und  ohne  Wasser,  Staubwolken,  grenzenlosen  Flugsand  und 
völlig  todte  Salzflächen  gab  die  Natur  diesem  Lande."  Die  Sandwüste 
ist  reich  an  Dünen,  die  theils  vegetationslos  und  beweglich,  theils  von 
lockerem  niederem  Gesträuch  befestigt  sind. 

Die  von  Pamir  nach  Chingan  über  4260  km  sich  erstreckende  Gobi- 
wüste1) schwankt  in  ihrer  Höhe  über  dem  Meere  meist  zwischen  1000 
und  1 500  m,  doch  ist  sie  an  einzelnen  Punkten  theils  tiefer,  theils  höher 
gelegen.  Sie  ist  von  Gebirgsketten  durchzogen  und  in  Abtheile,  die 
besondere  Namen  tragen,  gegliedert.  Mehrere,  theils  salzige,  theils 
süsse  Seen  sind  an  ihrer  Oberfläche  zerstreut.  Die  Quellen  sind  spär- 
lich und  meist  salzig. 

„Der  Boden  der  Wüste  besteht  aus  Triebsand,  lösshaltigem  Thon, 
Kieselerde,  Kiessand  und  Schutt.  An  den  verschiedenen  Theilen 
herrscht  immer  eines  dieser  genannten  Materiale  Vor.  Der  Triebsand 
ist  am  meisten  im  Süden  der  Wüste  Gobi,  am  Tarim-Fluss  über  Ala- 
Schan  nach  Ordos  und  nach  der  Dsungarei  zu,  also  in  dem  eigentlichen 
Bassin  des  früheren  Binnenmeeres  vertreten  und  zeigt  sich  in  der 
Wüste  nur  sporadisch.  Schutt  und  Kiesel  findet  sich  am  Fusse  der 
Gebirgsausläufer,  Kiessand,  untermischt  mit  Quarz,  Achat,  Chalcedon- 
Kiesel  sind  die  Repräsentanten  der  unwirthlichsten  Wüstentheile  (kommen 
vielfach  in  der  Dsungarei  vor).  Endlich  findet  sich  der  Lössboden 
meistens  im  Verein  mit  Triebsand,  Schutt  und  Kies  vor.  In  reinem 
Zustand  oder  in  Gestalt  von  Salzsümpfen  tritt  er  nur  sporadisch  und 
zwar  am  häufigsten  in  den  Süd-,  Mittel-  und  Westtheilen  der  Wüste  auf." 

Von  der  östlichen  Gobi  (ca.  1100  W.)  entwirft  Prschewalsky 
folgendes  Bild: 

„Die  Oberflächengestalt  dieser  Steppe  zeigt  nur  wenig  Abwechselung. 
Im  allgemeinen  ist  der  Boden  der  Gobi  leicht  gewellt,  obschon  durch- 


*)  Prschewalsky  1.  c.  S.  245  u.  f. 


654 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


aus  ebene  Flächen  sich  bisweilen  10  Werst  weit  ausdehnen.  Dergleichen 
Oertlichkeiten  sind  der  centralen  Gobi  eigentümlich,  während  in  ihrem 
nördlichen  und  südlichen  Theile  Berge  häufig  vorkommen,  theils 
archipelartig  gruppirt,  theils  kettenartig  hingelagert.  Diese  erheben  sich 
nur  wenig  über  die  zu  ihrem  Fusse  ausgedehnten  Flächen  und  sind 
überreich  an  Felsen,  deren  man  fast  auf  jedem  Schritt  begegnet.  Man 
trifft  in  ihnen  häufig  ausgetrocknete  Flussbetten,  welche  sich  nur 
während  der  Zeit  der  Regen  füllen.  In  ihren  oberen  Theilen  liegen 
die  Brunnen.     In   der  Gobi  wie   in   der  ihr  vorgelagerten  Region   fehlt 


Fig.  355.    Aus  der  Wüste  Gobi  (Westen).    Sanddüne  mit  halbvergrabenem  Tamarix-Gestranch, 
Südliches  Kaschgarien  zwischen  Tschertschen  und  Nia.     Nach  Piertzow. 


es  durchaus  an  ausdauernden  Wasserläufen.  Während  der  Regen- 
zeit bilden  sich  temporäre  Seen  und  Flüsse,  welche  Vährend  der 
heissen  Jahreszeit  austrocknen.  Seen  mit  andauerndem  Wasser  giebt 
es  nicht." 

„Der  Boden  der  eigentlichen  Gobi  besteht  aus  grobkörnigem 
rothen  Sand,  dem  bisweilen  verschiedenes  Geröll  beigemischt  ist.  Auf 
durchaus  vegetationslose  Flächen  stösst  man  nur  selten,  dagegen  er- 
reicht an  vielen  Stellen  die  Grasdecke  kaum  I  Fuss  Höhe,  so  dass 
sie  den  rothen  Boden  nur  nothdürftig  verhüllt.  Längs  der  Thal- 
gesenke,   wo    zur   Zeit    der   Regen    das   Wasser    abläuft    und   sich    in 


IX.   Die  Wüsten. 


655 


Pfützen  und  Seen  ansammelt,  wird  der  Graswuchs  üppiger  und  erreicht 
3  Fuss  Höhe  .  .  ." 

„Wald  fehlt  der  Gobi  gänzlich  und  nur  selten  steht  am  Fusse 
eines  Berges  oder  am  Rande  eines  ausgetrockneten  Flussbettes  ein 
einsamer  Baum,  der  Gegenstand  religiöser  Verehrung  bei  den  Mon- 
golen. In  der  armseligen  Flora  der  Gobi  herrschen  die  Gramineen 
und  Compositen  vor.  Charakterpflanze  ist  hier  die  Artemisia  sp., 
welche  der  Wintersturm  häufig  entwurzelt,  mit  anderen  Schicksals- 
genossinnen in  einen  Haufen  zusammenwirft  und  über  die  Fläche  vor 
sich  hertreibt." 


Fig.  356.     Aus  der  Wüste  Gobi.     Umgebung  des  Sees  Lob-Nor.     Nach  Prschewalski. 

„.  .  .  Wochenlang  hat  man  immer  dieselben  Formen  vor  Augen,  bald 
unabsehbare  Flächen,  gelb  gefärbt  vom  vertrockneten  Grase,  bald 
schwärzliches  zerklüftetes  Gefels,  bald  flaches  Gehügel,  auf  dessen 
Spitze  bisweilen  der  Umriss  der  schnellfussigen  Antilope  gutturosa 
auftaucht." ') 

Die  Wüste  Chami  im  westlichen  Theile  der  Gobi  wird  von  dem- 
selben Reisenden  mit  folgenden  Worten  geschildert: 

„Die  Wüste  in  ihrer  ganzen  Wildheit  zeigte  sich  uns  erst  vier 
Tagereisen  von  Chami  (ca.  940  W.,  43 °  N.)  entfernt;  denn  da  begann 


l)  1,  s.  10. 


656 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


die  absolute  Vegetationslosigkeit.  Kiesel,  Sand,  Gestein,  dazwischen 
zerstreut  Lössblöcke,  hie  und  da  die  Gebeine  eines  verendeten  Kamels 
oder  Pferdes  war  alles,  was  das  Auge  erblickte.  Kein  Baum,  kein 
Strauch,  kein  Vogel,  kein  Thier  —  ja  nicht  einmal  eine  Eidechse 
belebte  diese  trostlose  Oede.  Der  Boden  glühte,  auch  die  Nacht 
brachte  keine  Erfrischung.  Furchtbare  Stürme  wirbelten  Sandwolken 
auf  .  .  ." 

Flora  und  Vegetationscharakter  trägt  in  der  transkaspischen  und 
der  Gobiwüste  sehr  ähnlichen  Charakter.  Der  kalttemperirte  Charakter 
der  Flora  zeigt  sich  am  deutlichsten  an  feuchten  Standorten,  in  den 
Oasen,  (Fig.  358)  an  Flussufern,  in  den  kiesigen  Betten  trockener 
Flüsse.     Da  wachsen   nur  laubabwerfende  Bäume   und   Sträucher  von 


Fig.  357.     Saxaul  und  Calligonum  in  der  Wüste  Kara-Kum.     Nach  Fedschenko. 


nördlichem  Typus,  namentlich  häufig  Populus  euphratica  (P.  diversifolia), 
P.  alba,  P.  nigra,  Ulmus  campestris,  Salix  alba,  Fraxinus -Arten,  so 
in  der  Oase  Satscheu  (oder  Sutschu  ca.  97  °  W.,  400  N.),  wo  Rosa 
canina,  Rubus  idaeus,  Crataegus  pinnatifida  und  eine  Lonicera  als 
Gesträuch  auftreten  und  Phragmites  communis  Röhrichte  bildet. 

In  der  Wüstenflora  herrschen  die  Chenopodiaceen,  namentlich  auf 
den  ausgedehnten  salzigen  Flächen,  vor.  Eine  grosse  Rolle  spielen 
ferner  Tamaricaceen  (als  Sträucher,  Tamarix,  Reaumuria),  Artemisien, 
Astragalus-Arten,  Polygonaceen  (Calligonum,  in  der  Gobi  Rheum-Arten), 
Liliaceen  (Allium,  Tulipa),  einige  Gräser  etc. 

Die  meisten  dieser  Gewächse  sind  kleinblätterig  oder  unbelaubt 
und  überhaupt  in  ähnlicher  Weise  gegen  Trockenheit  geschützt,  wie  in 
der  Sahara.     Auch  hier  sind   die  Gewächse   theils  von   dem  Frühlings- 


IX.   Die  Wüsten. 


657 


regen  abhängig  und  nur  wenige  Wochen  über  dem  Boden  sichtbar, 
theils  durch  das  Grundwasser  gespeist  und  während  des  ganzen  oder  des 
grösseren  Theils  des  Sommers  beblättert.  Radde  erwähnt  das  schnelle 
Vergehen  der  Frühlingsflora,  namentlich  der  Cruciferen,  Gräser  etc. 
beim  Eintritt  der  Sommerhitze.  Die  augenfälligsten  Bestandtheile  der 
ephemeren  Flora  sind  aber  Tulpen,  namentlich  Tulipa  uniflora,  die  in 
der  Gobi  überall  und  oft  in  grosser  Menge  aufzutreten  scheint.  So 
berichtet  Prschewalski  über  die  sonst  so  öde  Dschungarische  Wüste, 
die    nordwestliche  Abzweigung   der  Gobi:     „Die   Ebene   war   wie   um- 


Fig.  358.     Wüste  Gobi.     Oase  Keria.     Nach  Piertzow. 


gewandelt     durch     den    Schmuck     ihrer     blühenden,     wohlriechenden 
Tulpen."  l) 

Charakterpflanze  der  centralasiatischen  Wüste  ist  in  erster  Linie 
der  Saxaul  (Haloxylon  ammodendron) ,  ein  bis  6  m  hohes  Bäumchen 
mit  blattlosen  Zweigen  und  relativ  dickem  Stamme  (Fig.  357).  Er  hat  ein 
sehr  hartes  schweres  Holz  und  eine  ungemein  saftreiche,  anscheinend  als 
Wasserreservoir  dienende  Rinde;  im  Mai  trägt  er  kleine  gelbe  Blüthen 
und  im  September  kreiseiförmige,  etwas  fleischige  Früchte.  Manchmal 
bildet  der  Saxaul  kleine  Wälder. 


»)  U,  S.  11. 

Schimper,   Pflanzengeographie. 


42 


6c 8  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Zu  den  auffallenden  und  sehr  verbreiteten  Gewächsen  gehört  ferner 
Lasiagrostis  splendens,  ein  über  21/2  m  Höhe  erreichendes  Gras,  welches 
vornehmlich  auf  salzigem  Thonboden  wächst  und  an  günstigen  Stand- 
orten ausgedehnte  Dickichte  bildet. 

Recht  gemein,  aber  weniger  charakteristisch  ist  die  bis  Südrussland 
und  auch  in  Australien  verbreitete  Nitraria  Schoben,  ein  kleinblätteriger, 
etwas  succulenter  und  stacheliger  Strauch,  der  am  besten  auf  salzigem 
Thonboden  gedeiht  und  bis  30  cm  hoch  wird.  Seine  Beerenfrüchte 
werden  von  allen  Wüstenthieren  gierig  aufgefressen. 

Zu  den  stattlichen  Gewächsen  gehören  ferner  die  Tamarix-Arten, 
z.  B.  T.  Pallasii,  die  3  m  hoch  wird. 

Darstellungen  der  Pflanzenformationen  in  den  west-  und  central- 
asiatischen  Wüsten  liegen,  wenigstens  in  den  westeuropäischen  Sprachen 
nicht  vor,  mit  Ausnahme  der  folgenden  Skizze  des  äussersten  westlichen 
Randes  der  Wüste  an  der  unteren  Wolga,  welche  v.  Herder  nach  Krass- 
now  entworfen  hat: 

Der  Hauptcharakterzug  dieser  Wermuthsteppenformation *)  besteht  in  dem 
niedrigen  Wüchse  der  dazu  gehörenden  Pflanzen,  in  ihrem  seltenen  Allein- 
stehen2), indem  sie  weite  Räume  nackter  Erde  zwischen  sich  lassen,  und  haupt- 
sächlich in  dem  Ueberwiegen  graugrüner  Kräuter,  die  mit  Haaren  versehen 
sind,  welche  unter  den  Strahlen  der  Sonne  lustig  hervorwachsen  und  reich  an 
ätherischen,  aromatischen  Oelen  sind.  Die  Ablösung  einer  Form  durch  eine 
andere  vollzieht  sich  auf  diesen  Steppen  ungewöhnlich  rasch  und  häufig,  in- 
dem nach  dem  Erscheinen  neuer  Formen  von  den  alten,  verblühten  oft  keine 
Spur  übrig  bleibt.  Die  Steppe  ist  eigentlich  nie  vollständig  ausgebrannt,  ob- 
wohl sie  lange  so  aussieht.  Das  kommt  daher,  weil  meist  sehr  wenige  Arten 
in  Blüthe  sind,  ausgenommen  im  ersten  Frühling,  in  welchem  zarte  und  saftige 
Kräuter  aus  den  Familien  der  Ranunculaceae ,  Cruciferae,  Papaveraceae  und 
Liliaceae  und  von  den  Gräsern  Poa  bulbosa  überwiegen.  Später  treten  an 
ihre  Stelle  Achillea  Gerberi  und  die  ganze  Menge  von  Gräsern  mit  zusammen- 
gedrehten und  harten  Blättern.  Auf  sie  folgen,  parallel  mit  der  zunehmenden 
Trockenheit  und  Hitze :  Alhagi  camelorum,  Xanthium  spinosum,  Ceratocarpus 
arenarius  und  Eryngium  campestre,  d.  h.  lauter  ungewöhnlich  stachelige  Pflanzen, 
deren  zarte  Blätter,  womit  sie  im  Frühling  bedeckt  sind,  jetzt  den  bei  trockenem 
Wetter  hervortretenden  Stacheln  Platz  machen.  Am  Ende  des  Sommers  endlich 
erlangen  das  vollständige  Uebergewicht  die  Wermutharten  (Artemisia  frigida 
und  maritima)  und  die  Salzkräuter,  deren  Wurzeln,  da  sie  zwei  Saschenen  tief 
in  die  Erde  eindringen,  hinreichende  Feuchtigkeit  diesen  Formen  auch  dann 
verschaffen,  wenn  alle  Nachbarn  vor  Trockenheit  zu  Grunde  gehen.8) 

§  3.  Die  südafrikanische  Wüste.  Die  westliche  Küste  Süd-Afrika's 
von  Cap  Frio  (ca.   i8°S.)  bis  ungefähr  zum  30 °  S.  besitzt  ausgeprägt« 

*)  Nach  unserer  Terminologie*,  ist  dieselbe  bereits  zu  den  Wüstenformationen  zu  rechnen- 

*)  sie! 

»)  1.  c.  S.  58. 


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IX.   Die  Wüsten. 


659 


Wüstenklima.  Das  Binnenland  derselben  Breiten  hat,  südlich  vom  Wende- 
kreis, ein  nur  wenig  regnerisches  Klima  und  auch  das  südlich  gelegene 
Tafelland  der  Karroo  besitzt  durchschnittlich  weniger  als  30  cm  Nieder- 
schläge. Das  ganze  Gebiet  trägt  bald  ganz  typischen,  bald  weniger  aus- 
geprägten Wüsten  Charakter,  ersteren  an  der  Küste,  letzteren  im  Binnenland. 
Folgende  Tabelle  giebt  die  klimatischen  Verhältnisse  eines  Küsten- 
punktes. 

Südafrikanische  Wüste. 

Port  Nolloth.     290  14'  S.,   160  51'  E.     12m  ü.M. 

Temperatur  und  relative  Feuchtigkeit  2  Jahre  (1890 — 91),  Regen  14  Jahre. 


Temper. 
|      Mittel 

Absol.  E 
Max. 

xtreme  *) 
Min. 

Relative 

Feuchtigk. 

(1890») 

Regen- 
Menge           Tage 

Januar  .     .     , 

1      15.3 

21.7 

6.1 

90 

I.l 

0.8 

Februar 

15-5 

23.9 

7.8 

92 

1.6 

0.8 

März     .     . 

15-* 

29.4 

8.3 

92 

3.2 

i.3 

April     .     . 

143 

344 

7.2 

84 

5-° 

i.7 

Mai       .     . 

13.8 

33-3 

2.8 

90 

14.5 

24 

Juni       .     . 

13.0 

28.3 

5.6 

86 

7-9 

> 

Juli        .     . 

12.9 

25.6 

1-7 

88 

5-2 

i.7 

August .     . 

'        12. 1 

26.1             1.7 

87 

6.8 

1-5 

September 

12.8 

39.4 

2.8 

79 

5-6 

2.0 

October 

14.5 

32.8 

44             76 

2.8 

1.0 

November 

f      iS-o 

37-2 
38.3 

5.o 

80 

2.2 

0.8 

December 

ll     !5-7 

8.3 

88 

1.1 

0.7 

II  I  I   57.0mm      16.9 

Meteor.  Zeitschr.   1893,  S.  233. 

Regenverhältnisse    der   Karroo    in    °/0    der   Jahressumme. 


!l  Jan. 

Febr.    März 

April 

Mai 

Juni      Juli 

Aug. 

Sept. 

Oct. 

Nov. 

Dec. 

Südkarroo 
33«  S.  B.    1    8.1 
Jahr  27  cm  || 

I33 

16.6 

9.2 

8.7 

5-1 

5-2 

5-4 

5.6 

8.6 

8.1 

6.1 

Nordkarroo 

310  S.  B.    1  15.1 
Jahr  23  cm  .1 

12.6 

22.4 

97 

8.9 

4.8 

3.6 

3.2 

5-5 

4.2 

6.0 

4.6 

Die  südafrikanische  Wüste  ist  in  ihrem  Küstentheile  ein  im  Sande 
begrabenes,  aus  sehr  alten  Gesteinen  bestehendes  Hochgebirge,  dessen 
Gipfel  allein  frei  hervorragen.  Nach  Osten  erstrecken  sich,  bis  zu  der 
Kalahari,  steinige,  von  seichten  Thälern  durchzogene  Hochebenen,  welche, 
unter  dem  Namen  Karroo,  tief  in  das  Innere  des  Kaplands  eindringen. 


*)  Die  Zahlen  für  das  Jahr  1891  zeigen  keine  wesentlichen  Unterschiede. 


42* 


66o 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Die  Vegetation  ist  dementsprechend,  je  nach  dem  Standorte,  eine  solche 
des  Sandes,  des  lockeren  Steinbodens  oder  der  Felsen. 

Im  Littoralgebiete  ist  die  Vegetation  äusserst  dürftig;  die 
Pflanzen  erheben  sich  ganz  vereinzelt  in  weiten  Abständen  von  ein- 
ander, ausser  an  einzelnen  Stellen,  wo  Grundwasser  sich  angesammelt, 
oder,  im  Damaraland,  längs  der  Wasserläufe,  deren  Ufer  von  dichten, 


Fig.  360.     Südwestafrikanische  Wüste:    Grossnamaland,  Aloe  dichotoma  an  Gneissfelsen  bei 
Khukhaus,  südl.  von  Aos.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  A.  Schenck. 


vorwiegend  aus  Acacien  (A.  detinens  var.  bijuga,  A.  hebeclada),  nebst 
einigen  anderen  kleinen  Bäumen  und  Sträuchern  (Terminalia  prunioides* 
und  einer  Liane,  Clematis  orientalis  subsp.  brachiata  bestehenden  Ge- 
hölzen bekleidet  sind. 

Der  Charakter  der  Vegetation  erfährt  von  den  Ufern  des  Meeres  bis  zu 
der  Grenze  der  halbwüstenartigen  Steppen  und  Gehölze  der  Kalahari,  eine 


IX.   Die  Wüsten. 


66l 


allmähliche  zonenartige  Veränderung,  die  theils  auf  die  Unterschiede  in 

der  physikalischen  Beschaffenheit  und  im  Wassergehalt  des  Bodens,  theils 

auf  solche  des  Klimas  zurückzuführen  sind.    In  einigen  Meilen  Entfernung 

vom  Strande  mit  seiner  kümmerlichen  Halophytenflora  erhebt  sich  ein 

breiter  Gürtel  von  Dünen  und  Felsen,  auf  welchen  sich  an  vereinzelten 

Stellen   kleine  Colonien    einer  Gieseckia,    eines  Zygophyllum  oder  von 

Aristida   subacaulis   ansiedelt;    sie   sind    von   kurzer  Dauer,   denn   bald 

werden  sie  unter  dem  vom  Winde  zugewehten  Sande  vergraben.     Nur 

eine    Pflanze    vermag    da    der 

Gewalt  des  Windes  Widerstand 

zu  leisten,  eine  bis  iV2  m  hohe 

strauchige    Asclepiadacee    mit 

ruthenförmigen    Zweigen    und 

dicken,    lederartigen   Blättern, 

Ectadium  virgatum  var.   latifo- 

lium.      Dieselbe    wächst    aber 

nicht   im   Sande,    sondern    ist 

zwischen  Felsen  bewurzelt  und 

auf  deren  Leeseite  beschränkt. 

Jenseits  der  Dünen  wird, 
mit  dem  Auftreten  von  Grund- 
wasser, die  Vegetation  etwas 
reichlicher.  Da  tritt  der  Melk- 
bosch auf,  eine  succulente  Eu- 
phorbiacee.  „Gleich  Heuscho- 
bern auf  einer  immensen  Wiese 
stehen  diese  dunkelgrauen  i1^ 
bis  2*/2  hohen  Büsche  auf  der 
weissen,  sandigen  Fläche  zer- 
streut. "  (Schinz.)  Stets  sind 
die  Euphorbien  von  dem  statt- 
lichen Wurzelschmarotzer  Hyd- 
nora  africana  begleitet.  Noch 
weiter  ostwärts  treten  allmählich 
andere  Sträucher  auf,  dornige, 

sparrige  Büttneriaceen,  Acanthaceen,  Scrophulariaceen,  Acanthaceen.  Sie 
werden  immer  zahlreicher  und  endlich  zeigt  sich  als  erster  Baum,  Aloe 
dichotoma(Fig.  360).  Der  Wüstencharakter  wird  schwächer ;  die  niedrigen 
Acaciengehölze,  die  dürre  Aristida-Steppe  der  Kalahari  stellen  sich  ein. 

Die  Vegetation  der  1800 — 2000'  hohen  kapländischen  Karroo- 
Halbwüste  ist  etwas  weniger  dürftig  und  zeigt  eine  grössere  systema- 
tische Mannigfaltigkeit.  Die  Ufer  der  meist  trockenen  Flussbette  sind,  wie 
im  nördlichen  Theile  der  Küstenwüste,   von  Acaciagebüschen  umsäumt 


Fig.  361.     Pelargonium    undulatum    Andr.     Eine 

Knollenpflanze   der   Kapflora.     1/a  nattirl.  Grösse. 

Nach  Andrews. 


662  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

(Acacia  horrida),  allerhand  Gesträuch  und  Gestrüpp  erhebt  sich  aus  dem 
zur  trockenen  Jahreszeit  vorwiegend  kahlen  Boden,  aus  welchem  die 
Frühlingsregen,  wenn  hinreichend  ergiebig,  —  was  nicht  jedes  Jahr  der 
Fall  — ,  die  grünenden  und  blühenden  Sprosse  zahlreicher  Bulbosen 
(Pelargonium  sect.  Hoareia,  Liliaceen,  Iridaceen,  Amaryllidaceen  etc.) 
hervorlocken.  Die  persistirenden  Gewächse  sind  zum  grossen  Theile 
Succulenten,  wie  Euphorbien,  Stapelien,  Mesembryanthemum,  Crassula- 
Arten,  die  sonderbaren  Sarcocaulon  mit  schützender  Harzhülle,  im  übrigen 
Gewächse  vom  ericoiden  Typus  und  dann  vielfach  in  ihren  vegetativen 
Organen  so  ähnlich,  dass  erst  genauere  Betrachtung  einer  z.  B.  aus 
Vertretern  der  Compositen,  Polygalaceen,  Leguminosen,  Euphorbiaceen, 
Ficoideen  und  Scrophulariaceen  bestehenden  Gruppe,  deren  systema- 
tische Heterogeneität  nachweist.1)  Sehr  viele  der  Karroopflanzen  sind 
dornig  und  dadurch  gegen  die  umherstreifenden  Antilopenheerden 
etwas  geschützt. 

Die  merkwürdigsten  Gewächse  der  südafrikanischen  Wüste  sind 
Welwitschia  mirabilis  und  die  Cucurbitacee  Acanthosicyos  horrida,  welche 
beide  auf  dem  nördlichen  Theil  des  Küstengebiets,  von  der  Walfischbai 
bis  Cap  Negro  beschränkt  sind  und  innerhalb  ihres  Verbreitungsbezirks 
nur  einzelne  Stellen  bewohnen. 

Die  zu  den  Gnetaceen  gehörige  Welwitschia  mirabilis,  welche  erst  1860 
durch  Welwitsch  bei  Mossamedes  entdeckt  wurde,  aber  auch  südlicher  bei  der 
Walfischbai  reichlich  vorkommt,  bewohnt  die  steinigen  Flächen  des  Littoral- 
gebietes (Fig.  362  u.  366).  Sie  besteht  aus  einem  kurzen,  beinahe  knolligen, 
un verzweigten  Stamme,  der  nur  1  dm  hoch  über  den  Boden  hervorragt  und 
sich  nach  unten  in  eine  lange  Pfahlwurzel  verjüngt  Der  bis  4  m  im  Umkreis 
messende  oberirdische,  von  röthlicher  Borke  umhüllte  Stammtheil  ist  auf  seinem 
zweilappigen  Gipfel  schüsselartig  vertieft,  und  trägt  an  seinem  Rande  zwei 
gegenständige,  ungeheuer  lange,  bandförmige  Blätter,  die  einzigen  Assimilations- 
organe, welche  nach  den  Cotyledonen  erzeugt  werden;  da  die  Pflanze  an- 
scheinend 100  Jahre  alt  wird,  so  würden  diese  Blätter  alle  anderen  ähnlichen 
Pflanzenglieder  an  Lebensdauer  weit  übertreffen;  doch  ist  letztere  nur  eine 
morphologische,  nicht  eine  physiologische.  Die  Blätter  werden  nämlich  an 
ihrer  Basis  durch  Zellenbildung  und  Wachsthum  fortwährend  verjüngt,  während 
ihr  Gipfeltheil  allmählich  abstirbt  und  vertrocknet.  An  jungen  Pflanzen  ganz- 
randig,  sind  die  Blätter  älterer  Pflanzen  in  zahlreiche  Riemen  zerspalten,  die 
in  mannigfach  unregelmässigen  Krümmungen  regellos  auf  dem  Boden  umher- 
liegen. Die  zapfenartigen  monöcischen  Blumenstände  erheben  sich  aus  Gruben 
in  den  Blattachseln. 

Da  es  an  vergleichbaren  Verwandten  der  Welwitschia  an  anderen  Stand- 
orten durchaus  fehlt  —  die  übrigen  Gnetaceengattungen  sind  ganz  abweichend 
gestaltet  — ,  so  wäre  die  Frage  nach  dem  Antheil,  welcher  an  der  Ausbildung 
dieser  sonderbaren  Pflanzenform  den  klimatischen  Bedingungen  zukommt,  eine 


J)  Scott -Elliot. 


Fig.  362.     Südwestafrikanische  Wüste:  Welwitschia  mirabilis  auf  sandig  -  steinigen  Ebenen  nördlich 
von  Tsoaaub,  Damaraland.    Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  A.  Schenck. 


^ig-  3°3-     Südwestafrikanischc  Wüste:   Flussbett  des  Khusub  bei  üagugam,  Namaland.     Links 
Acacia  giraffae,    in  der  Mitte  Euclea   pseudebenus,    rechts  Acacia  spinosa.     Nach  einer  Photo- 
graphie von  Herrn  Dr.  A.  Schenck. 


IX.  Die  Wüsten. 


663 


mtissige.  Jedenfalls  erscheint  die  einzig  dastehende  Structur  und  die  Art 
ihrer  Entwicklung  mit  den  Lebensbedingungen  in  der  Wüste  in  vollstem 
Einklang. 

Die  Naras,  Acanthosycios  horrida,  steht  im  System  weit  weniger  isolirt 
da,  so  dass  die  Abweichungen  ihrer  vegetativen  Organe  von  denjenigen  anderer 
Cucurbitaceen  sich  zum  grossen  Theile  auf  Anpassung  an  das  Klima  zurück- 
fuhren lassen.  Während  die  Welwitschia  auf  Steinboden  zwischen  den  Sand- 
dünen beschränkt  ist,  bekleiden  die  bis  1  */2  m  hohen  struppigen  Narasbüsche 
deren  Gipfel  und  Abhänge.  Die  weit  verzweigten  grünen,  sehr  festen,  bis 
2  cm  dicken  Achsen  tragen  in  der  Achsel  rudimentärer  Blätter  gegenständige 
kräftige  Dornen.     Die  Sprosse  werden,  wie  bei  den  meisten  anderen  Wüsten- 


Fig.  364.  Aus  der  südwestafrikanischen  Wüste. 

Sarcocaulon  Marlothi  Engl.  Hereroland.    Nat. 

Grösse.     Nach  Engler. 


Fig.  365.     Sarcocaulon  sp.     Harzhülle 
des  Stengels.     2/8  nat  Gr. 


pflanzen,  durch  die  Wurzeln  weit  übertrofFen.  Letztere  sind  armsdick  und 
oft  über  15m  lang.  Die  Blüthen  bieten  nichts  Bemerkenswerthes ;  die  Früchte 
sind  grossen  Apfelsinen  oder  besser  Pampelmussen  an  Grösse  und  Form 
vergleichbar. 

In  vollendeter  Weise  ist  die  Pflanze  den  so  ungünstigen  Existenz- 
bedingungen angepasst  Die  Wurzeln  wachsen  in  die  Tiefe,  bis  sie  das  für 
das  Leben  der  Pflanze  unumgänglich  nothwendige  Grundwasser  erreichen ;  der 
allerdings  reichliche  nächtliche  Thau,  welcher  die  Existenz  mancher  kleinen 
Kräuter  ermöglicht,  ist,  da  er  den  Boden  nur  oberflächlich  benetzt,  für  die 
Naras  nutzlos.  Ist  aber  die  Verbindung  mit  dem  Grundwasser  hergestellt,  so 
zeigt  die  Naras  lebhaftes  Wachsthum  und  grosse  Zähigkeit.  An  windigen 
Standorten  auf  losem  Sande  wachsend,  wird  sie  häufig  vollständig  verschüttet, 


664 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


doch  bald  ragen  ihre  Zweige  wieder  frei  empor  und  wird  so  allmählich  zum 
Mittelpunkt  eines  Dünenhügels,  dessen  Gipfel  der  grüne  Narasbusch  krönt 
Die  Aeste  sind  in  vollkommenster  Weise  gegen  übermässige  Verdunstung 
durch  mannigfache  Vorrichtungen,  wie  einen  mächtigen  Sklerenchymring  —  der 
auch  die  nothwendige  Biegungsfestigkeit  bedingt  — ,  Reduction  der  Inter- 
cellularen,  wasserhaltiges  Hypoderma,  vertiefte  Lage  der  Spaltöffnungen,  dicke 
Cuticula  und  Wachsschicht  geschützt.  Die  sehr  saftigen  Früchte  wachsen  und 
reifen  zu  der  Zeit,  in  welcher  das  Grundwasser  am  reichlichsten  vorhanden  ist 


Fig-  366.     Welwitschia  mirabilis. 


Intensiv  bittere  Stoffe  schützen  sämmtliche  Theile  der  Pflanze  gegen  die 
Fressgier  der  Thiere,  verschwinden  jedoch  in  den  reifen  aromatischen  Früchten, 
deren  Verbreitung  durch  Schakale  geschieht 

§  4.  Australische  Wüste.  Ueber  die  Formationen  der  australischen 
Wüste  liegen  brauchbare  Mittheilungen  nicht  vor.  Die  dürftig  bewachsenen 
oder  unbewachsenen  Flächen  scheinen  von  denjenigen,  die  von  „Scrub" 
bedeckt  sind,  sehr  zurückzutreten.  Triodia -Arten,  in  Südaustralien  auch 
Spinifex  hirsutus  (Fig.  368),  bilden  auf  Sandboden  die  Hauptbestandtheile 


IX.  Die  Wüsten. 


665 


der  Vegetation,  während  verkrüp- 
pelte Eucalypten  hier  und  da  auf- 
treten und  salzige  Standorte  von 
Chenopodiaceen  und  Zygophylla- 
ceen  bewohnt  sind. 

2.  Die  Wüsten  Ämerika's. 

§  I.  Die  nordamerikanische 
Wüste.  Das  breite  Thal  zwischen 
Sierra  Nevada  und  Rocky  Moun- 
tains, bezw.  ihren  südlichen  Fort- 
sätzen, in  welchen  die  Staaten 
Nevada  und  Utah,  das  westliche 
Arizona  und  das  südliche  Califor- 
nien  liegen,  besitzt  ein  typisches 
Wüstenklima  mit  weniger  als  20  cm 
jährlichen  Niederschlägen,  die  im 
südlichen  Theile  vorwiegend  im 
Hochsommer,  im  mittleren  und 
nördlichen  jedoch  mehr  im  Winter 
fallen,  aber  anscheinend  keine 
grosse  Regelmässigkeit  zeigen. *) 
Die  Lufttrockenheit  ist  eine  sehr 
grosse.  Der  nördliche  hochgelegene 
Theil  hat  kalte,  der  südliche  tiefge- 
legene milde  Wintertemperaturen; 
die  .Sommertemperaturen  sind  na- 
mentlich im  Süden  sehr  hoch  und 
stellenweise  die  höchsten,  die  über- 
haupt in  Nordamerika  vorkommen. 

In  den  gleichen  Breiten  wie 
die  Wüste  ist  am  östlichen  Abhang 
der  Rocky  Mountains,  namentlich 
in  den  westlichen  Theilen  von  Süd- 
Dakota,  Wyoming,  Nebraska,  Kan- 
sas, Colorado  und  im  östlichen 
Neu -Mexico,  das  Klima  weniger 
regenarm  und  von  Grasflurcharakter, 
so  dass  thonige  oder  thonlehmige 
Bodenarten  sich  mit  Steppen  über- 


aß- 367-    Harpagophytum  pinnatifidum  Engl., 

eine  südafrikanische  Knollenpflanze.     Griqua- 

land.     Nach  Engler. 


*)  Vgl.  Hann,  Handb.  m,  S.  289  n.  Atlas  XI  u.  XII. 


Fig.  368.    Australische  Wüstenflora:  Spinifex  hirsutus.   A  Vegetativer  Spross.    B  Frachtstand. 

2/8  nat.  Gr. 


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IX.  Die  Wüsten. 


667 


ziehen,  sobald  hingegen  der  Boden  durchlässiger  wird,  reichen  die  noch 
sehr  massigen  Niederschläge  nicht  mehr  hin  und  der  Wüstencharakter 


Fig.  370.     Aus  der  nordamerikanischen  Wüste:  Sarcobatus  Baileyi  Cov.     Nach  Coville. 


tritt  mehr  oder  weniger  typisch  zum  Vorschein.  Dieses  ist  namentlich 
der  Fall  in  den  sogenannten  „bad  lands"  (Süd-Dakota,  Nebraska)  und 
im  Llano  Estacado  von  Neu -Mexico. 


668 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Klima  der  nordamerikanischen  Wüste. 

Mittlere  monatliche  Regenmenge  in  zehn  Stationen 
(in  englischen  Zoll,   I   Zoll  =  25  mm  40). 

(Californien:    Barstow,  Bishop  Creek,   Camp  Cady,   Camp  Independence. 
Daggelt,   Fenner,   Keeler,   Needles.   —    Nevada:    El   Dorado    Canon.   — 

Arizona:  Yuma.) 


Januar          .     .  I 

0.638 
0.609 

Mai    .     .     . 
Juni    .     .     . 
Juli     .     .     . 
August     .     . 

.  i1  0.318 

.  •   0.035 

.      0.218 

0.300 

September   . 
October  .     . 
November    . 
December    . 

0.141 

Februar  .     .     . 

.      0.184 

März  .     .     .     .  1 

0.642 

.      0.278 

April  .     .     .     .  , 

0.165 

1.627 

Jahr:   5.155  inches  =   13.09  cm. 


Temperaturverhältnisse 

in  Ut 

ah 

und  S.-W 

.-Arizona. 

1   Januar 
•     —3.0 

April  ; 
9.6 

Juli 
24.1 

Octbr. 

Salt  Lake 

City  (400 

46'  N.,   1300  m  ü 

.  M.) 

IO.S 

Fort  Mohave  in  Arizona  (350  6'  N.,   180  m  ü.  M.)  ;    11.2   |  23.2  j  34.7     23.8 


Klima  von  Death  Valley  (Californien,  Furnace  Creek). 
(360  4'  N.,  1160  51'  W.,  ca.  Meeresniveau.     1891.) 


Temperatur 


!  Mittlere  |Tägliche 
Extreme 


Absol. 
Maxim. 


Relative  1 
Feuchtigkeit' 
Mittel!  5  p.     summe 


Regen- 


Bewöl- 


Wind- 
Geschwind. 
pr.m  in  See.     ^^> 

3.0 


Mai 

36.1 

21. 1 

40.6 

26 

18 

4.6 

44 

J^i ' 

41. 1 

25.0 

50.0 

20 

14 

i.3 

47 

Juli ' 

46.7 

30.6 

50.0 

20 

13 

9-4 

41 

August       .     .     .     .  | 

46.1 

28.3 

50.0 

21 

13 

15-2 

4.6 

September      .     .     .  ( 

40.0 

24.4 

48.3 

27 

20 

5.1 

5° 

31 

J."5 

2.8 

Vom  30.  Juli  bis  9.  August  stieg  die  relative  Feuchtigkeit  bei  den 
Nachmittagsbeobachtungen  nicht  über  13%  hinaus,  das  Mittel  war  8°/0.  AbsoL 
Minimum  d.  relat.  Feucht.:  5°/0  bei  440  C.  —  Wahrscheinliche  jährliche  Regen- 
menge:   114  mm.  Meteor.  Zeitschr.  1893,  S.  19  u.  f. 

Die  einzige  auch  ökologische  Verhältnisse  berührende  Arbeit  über 
die  nordamerikanische  Wüste  westlich  von  den  Rocky  Mountains  ist 
der  Bericht  Coville's  über  seine  Reise  in  Süd-Californien,  namentlich  im 
trockenheissen  „Death  Valley." 

Die  nordamerikanische  Wüste  setzt  sich  aus  mehreren  Höhenstufen 
zusammen,  von  welchen  nur  die  unterste,  die  „untere  Sonora- Region", 
von  Coville  untersucht  wurde.  Dieselbe  ist  durch  zwei  häufige  und  auf 
sie  beschränkte  Sträucher,  die  Zygophyllacee  Larrea  tridentata  und  die 
Composite  Franseria  dumosa  charakterisirt  und  erstreckt  sich  über  den 


Fig.  371.     Nordamerikanische  Wüste:  Cereus  giganteus  im  Giladesert. 
Nach  einer  Photographie. 


IX.   Die  Wüsten. 


669 


westlich   von    der   Sierra   Nevada    gelegenen   Theil    Californiens   sowie 
über  Theile  von  Nevada,  Utah  und  Arizona. 

Das  Areal  ist  vornehmlich  von  ausgedehnten  „mesas"1)  eingenommen, 
deren  Boden  steinig  ist  oder  sogar  aus  grösseren  Blöcken  besteht, 
während  horizontale,  von  den  Bergen   entferntere  Flächen   gleichmässig 


Fig.  372.     Washingtonia  filifera  Wendl.     In  der  süd-californischen  Wüste. 
Aus  „Garden  and  Forest". 


feinkörnige  Bodenbeschaffenheit  zeigen.  Letztere  ist  kalkig,  thonig 
oder  kieselig,  je  nach  der  Felsart,  dem  der  Boden  seinen  Ursprung 
verdankt. 

Holzgewächse   sind   zahlreich,  jedoch  sämmtlich  strauchig,    ausser 
den  Yucca-Arten  (Yucca  brevifolia2),  welche  eher  als  baumartig  zu  be- 


*)  Span. :  Tisch.     9)  Syn. :    Yucca  arborescens  Torr. 


670 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


zeichnen  sind,  Fig.  369  und  Y.  macrocarpa)  und  beide  auf  die  höheren 
Theile  der  Region  beschränkt  sind. 

Besonders  häufige  Sträucher  sind  ausser  den  beiden  anfangs  er- 
wähnten: Tetradymia  comosa,  Acamptopappus  sphaerocephalus,1) 
Amphiachyris  Fremontii, l)  Aster  mohavensis,  Atriplex  confertifolia,  A. 
hymenelytra,  Bebbia  juncea  aspera,1)  Cassia  armata,  Cereus  Engel- 
manni,  Echinocactus  polycephalus ,  Ephedra  californica,  Hymenoclea 
salsola1),  Krameria  parvifolia,  Lycium  Andersonii,  Opuntia  basilaris, 
O.  echinocarpa,  Salazaria  mexicana2). 

Manche  dieser  Arten  sind ,  ähnlich  wie  die  Yucca  (  an  höhere 
Regionen    gebunden ;     einige    zeigen    sich   von    edaphischen    Einflüssen 


' 


Fig.  373-     Aus  der  nordamerikanischen  W liste:  Ufer  des  grossen  Salzsee*,  Utah 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Fr,  Socnneeken* 


abhängig;  so  wachst  Atriplex  hymenelytra  nur  auf  alkali reichem  kiesigen! 
Boden,  Cassia  armata  auf  trockenem  Sande. 

Die  gewöhnlichsten  Stauden  der  Mesas  sind  Cladothrix  oblongifolia  *' 
Euphorbia  polycarpä,  Lepidium  Fremontii  und  Mirabilis  laevis,  während  unter 
den  zahlreichen  Annuellen  folgende  Arten  besonders  häufig  sind:  Atrichoseris 
platyphylla4),  Chorizanthe  rigida5),Cleomella  obtusifolia6),  Encelia  erioeephala4 ), 
Eschscholtzia  minutiflora,  Gilia  floecosa  7),  Leptosyne  Bigelovii  *),  Plantago  pa- 
tagonica,  gnaphaloides  und  Sisymbrium  canescens. 

Die  felsigen  Abhänge  der  Bergketten  tragen  nur  charakteristische, 
in  Spalten  oder  im  Schatten  der  Felsen  wachsende  Arten: 


*)  Composit.    2)  Labiat.    8)  Amarant.    4)  Composit.    ft)  Polygon.    6)  Capparid.    *)  Polemoa. 


Fig.  374.    Aus  der  Felsenwüste  im  nordwestlichen  Arizona.    Grosser  Canon  des  Coloradoflusses. 
Pinus  monophylla.     Nach  einer  Photographie. 


IX.   Die  Wüsten. 


67I 


Sträucher  wie  Aplopappus  cuneatus,  Bigelovia  teretifolia,  Coleosanthus 
atractylioides  *)  und  Hofmeisteria  pluriseta1);  Stauden  wie  Arenaria  macradenia, 
Eucnide  urens8)  und  einjährige  Pflanzen,  wie  Macrocalyx  micranthus 4),  Parie- 
taria  debilis  und  Pterostegia  drymarioides. 2) 

Sehr  eigenartige  Standorte  sind  die  sogenannten  trockenen  Seen, 
Stellen,  wo,  nach  einem  heftigen  Regenschauer,  das  Wasser  sich  an- 
sammelt, jedoch  meist,  um  bald  zu  verdunsten.  Der  Boden  besteht  aus 
sehr  hartem  Thon  und  ist  reich  an  Alkalien,  nicht  genug  jedoch,  um  zur 
Entstehung  krystallinischer  Ueberzüge  Anlass  zu  geben.  In  grossen  Thä- 
lern,  zwischen  hohen  Bergen,  bleibt  der  Boden  an  solchen  Lokalitäten 
beständig  feucht  und  zeigt,  wo  nicht  von  Wasser  bedeckt,  Salzüberzüge. 
In  solchen  Fällen  spricht  man  von  Sümpfen.    Die  trockenen  Seen  sind 


Fig.  375«     Nordamerikanische  Wüste  in  Arizona.     Artemisia  tridentata  (Sagebrush). 
Nach  einer  Photographie. 


nur  an  ihrem  Rande  bewachsen  und  zwar  zeigt  sich  vornehmlich  Ge- 
sträuch von  Atriplex  polycarpa,  oft  von  A.  confertifolia  und  Suaeda 
suflfrutescens  begleitet.  Die  Sümpfe  zeigen  ebenfalls  nur  an  ihren 
Rändern  Vegetation.  Letztere  ist  aber  oft  sehr  üppig  und  in  sehr 
deutliche,    zum  Theil  mehrere  hundert  Meter  breite  Gürtel  diflferenzirt. 

Dem  Sumpfe  zunächst  befindet  sich  ein  Gürtel  von  Allenrolfea  occiden- 
talis5).  gürtelweise  folgen,  alle  auf  von  Salz  bedecktem  Thonboden,  zunächst 
Juncus  Cooperi,  sodann,  zusammen,  Sporobolus  airoides  und  Pluchea.  Der 
vierte  Gürtel  zeigt  Anhäufungen  von  Sand  um  die  Pflanzenstöcke  herum; 
Prosopis  juliflora  und  Atriplex  canescens  (Fig.  382),  zuweilen  von  Suaeda 
suflfrutescens  begleitet,  bilden  hier  die  Vegetation.    Der  fünfte  Gürtel  ist  durch 


l)  Composit.     2)  Polygon.     a)  Loasac.     4)  Hydrophyll.     ö)  Chenopod. 


672 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


Atriplex  polycarpa,  der  sechste  durch  Larrea  tridentata  vornehmlich  gebildet. 
Dann  beginnt  die  gewöhnliche  Mesa -Vegetation. 

Die  Oasen  um  Quellen  herum  und  an  fliessenden  Gewässern  be- 
sitzen eine  Vegetation  tropophiler  Bäume  und  Sträucher,    wie   Populus 

Fremontii,  Prosopis  pubescens, 
Salix  longifolia,  S.  nigra,  venu- 
losa  und  verschiedene  ebenfalls 
von  denjenigen  des  Wüsten- 
bodens abweichende  Stauden. 
Die  über  1 500  m  liegenden, 
die  obere  Sonora-Region  bil- 
denden Theile  der  Wüste  sind 
weniger  trocken  als  die  unte- 
ren und  durch  einzeln  wach- 
sende Bäume  von  Pinus  mono- 
phylla  (Fig.  371)  charakterisirt. 
Auch  Juniperus  californica  uta- 
hensis  ist  hier  häufig.  Die 
Gesträuchflora  ist  von  der- 
jenigen der  unteren  Sonora- 
Region  nicht  weniger  verschie- 
den. Hier  ist  die  buschige 
graue  Artemisia  tridentata  häu- 
fig (Fig-  375  und  376),  ferner 
Ceanothus  Greggii ,  Garn  a 
Veitchii  flavescens ,  Kunzia 
glandulosa,  Ribes  leptanthum, 
brachyanthum,  Salvia  carnosa. 
Der  Uebergangsgürtel  zwischen 
dieser  Region  und  derjenigen 
der  unteren  Sonora  ist  nament- 
lich durch  Yucca  brevifolia 
charakterisirt.  Noch  höher,  ent- 
sprechend der  zunehmenden 
Feuchtigkeit,  zeigen  sich  auf 
den  höchsten  Gebirgen  der 
Wüste  Kiefernwälder,  welche  mit  denjenigen  der  Küstenseite  nahe 
übereinstimmen. 

Die  Anpassungen  an  die  klimatischen  Bedingungen,  namentlich  an 
die  Trockenheit  sind  denjenigen,  die  Volkens  so  genau  für  die  Sahara 
dargestellt  hat,  sehr  ähnlich;  doch  scheinen  sie,  mit  Ausnahme  der 
vorwiegend  auf  die  obere  Sonoraregion  und  die  Salzstellen  der  unteren 
beschränkten    Succulenten    (Cactaceen,    Chenopodiaceen)   der   Wasser- 


Fig.  376. 


Artemisia  tridentata.    Aus  der  Arizona- 
Wüste.     Nat  Gr. 


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§2 


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IX.   Die  Wüsten. 


673 


Speicher  zu  entbehren.  Die  Sträucher  sind  meist  dicht  buschig,  von 
rundlicher  Gestalt,  ähnlich  wie  in  der  Sahara  und  auf  feuchterem  Boden 
bedeutend  höher  als  an  den  trockensten  Standorten.  Von  den  beiden 
häufigsten  Sträuchern  wird  Larrea  tridentata  1  bis  1 1/2  m,  Franseria 
dumosa  nur  0,3  m  hoch,  die  Dimensionen  der  anderen  Arten  schwanken 
innerhalb  dieser  Extreme.  Reduction  der  Laubflächen  und  dichte 
Behaarung,  welche  der  Vegetation  eine  graue  Färbung  verleiht,  scheinen 
die  gewöhnlichsten  Schutzmittel  gegen  Transpiration  bei  den  Sträuchern 
darzustellen.     Dornige  Gewächse  sind  häufig. 

Die  „Grundwasservegetation"  ist  ganz  vorwiegend  strauchig;  Stauden 
sind  relativ  selten  und  nur  ganz  wenige  perenniren  durch  die  unter- 
irdischen Theile   (Cucurbita  palmata,  C.  foetidissima,   Rumex  hymeno- 


Fig.  378.     Wüste  in  den  San  Francisco  Mts,  Arizona  mit  Agave  applanata  var.  Parryi. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  Parry,  repr.  bei  Malford  1.  c. 


sepalus).  Die  übrigen  Stauden  sind  an  der  Basis  verholzt  und  daher 
eher  als  Halbsträucher  zu  bezeichnen. 

Wie  in  der  Sahara,  rufen  die  Frühjahrsniederschläge  eine  relativ 
artenreiche  kurzlebige  Regenflora  hervor,  deren  Arten,  mit  Ausnahme 
der  erwähnten  nur  unterirdisch  perennirenden  drei  Stauden,  sämmtlich 
Annuellen  sind.  Entsprechend  der  sehr  ungleichen  Ergiebigkeit  der 
Regen  ist  diese  Flora,  welche  im  Februar  erscheint  und  im  April  ab- 
stirbt, in  verschiedenen  Jahren  sehr  ungleich  üppig.  So  fand,  nach  Coville, 
Herr  C.  R.  Orcutt,  in  der  Colorado -Wüste,  einige  Wochen  nach  dem 
grossen  Februarsturm  von  1891,  10  Fuss  hohe  Stöcke  eines  Amarantus; 
ein  Jahr  später,  bei  sehr  geringer  Regenmenge,  sammelte  er  am  selben 
Orte  fruchtende  Exemplare  derselben  Pflanzenart,  die  nur  10  cm  hoch  waren. 

Coville  sammelte  in  Surprise  Canon  (Panamint  Mountains),  ohne 
besonders    kleine    Exemplare    zu    suchen ,     1 1    mm    hohe    fruchtende 

Schimper,  Pflanxengeographie.  43 


674 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


Exemplare  von  Lepidium  lasiocarpum,  17  mm  hohe  von  Mimulus 
rubellus,  16  mm  hohe  von  Draba  caroliniana  micrantha,  7  mm  hohe 
von  Piptocalyx  circumcissus  und  9  mm  hohe  von  Stylocline  micropoides. 

Ebenso  wie  in  der  Sahara,  entbehren  die  ephemeren  Regen- 
pflanzen der  nordamerikanischen  Wüste  der  ausgeprägten  xerophilen 
Structur. 

Der  durch  Mitwirkung  von  Boden  und  Klima  bedingte  wüstenartige 
Charakter  gewisser  Landschaften  am  östlichen  Fuss  der  Sierra 
Nevada    erreicht    seinen   Höhepunkt    in    den   zwischen   Missouri   und 


Fig.  379.    Nordamerikanische  Wüstenflora :  Tetradyma  canescens  D.  C.    /  anf  */,  verkleinert- 

2  nat.  Gr.     Kgl.  Herb.  Berlin. 

Platte  gelegenen  „bad  lands",  einem  nur  mit  überaus  dürftiger  Vege- 
tation besetzten,  reich  zerklüfteten  und  zerrissenen  Gebiet,  dessen 
lockerer,  durch  jeden  Regen  tiefdurchfurchter  Boden  seine  Oberfläche 
fortwährend  verändert  (Fig.  377.  380).  Oft  fehlt  auf  weiten  Strecken 
jede  Spur  von  Vegetation.  So  berichtet  Rydberg:  „Hier  war  ein 
mehrere  „sections"1)  grosses  Stück  Land  bestehend  aus  fortwährend 
aufeinander  folgenden,  durch  schmale  ^Rücken  getrennten  Canons. 
Nicht  ein  grüner  Fleck  war  sichtbar." 


l)  Eine  section  =  2.59  qkm. 


IX.  Die  Wüsten. 


675 


Zwei  Gewächse  bilden  die  Hauptmasse  der  dürftigen  Vegetation, 
Sarcobatus  vermiculatus ,  ein  dorniger,  1/a  bis  I  m  hoher  succulenter 
Strauch  (Fig.  382,  2,  3)  und  die  weiss  wollige  Eurotia  lanata  (Fig.  382,  7). 

Wüstenartige  Strecken  zeigen  sich  auch  auf  den  Plateaus,  am  östlichen 
Fusse  der  Rocky  Mountains,  sobald  der  Boden  durchlässige  Beschaffenheit 
annimmt ,  während  thonreichere  *  Böden  aus- 
geprägt xerophile,  wenn  auch  oft  geschlossene 
Steppenformationen  tragen.  Diese  dürren  Step- 
pen, deren  Grasarten  vornehmlich  Buchloe 
dactyloides  und  Bouteloua  oligostachya  sind, 
ernähren  oft  in  sehr  grossen  Mengen  eine 
niedere  Opuntia-Art  mit  auf  der  Kante  ge- 
stellten Gliedern,  Opuntia  oligostachya  (Fig.  383). 
Von  Anfang  Juli  an,  nach  dem  Vertrocknen 
und  Verschwinden  der  Gräser,  ist  die  ober- 
irdische lebende  Vegetation  beinahe  nur  noch 
von  der  Opuntia  gebildet;  dieselbe  bildet 
grüne  Flecke  zwischen  den  strohgelben  Ge- 
rippen des  Lepidium  intermedium  (Pfeffergras), 
welches  solche  Formationen  häufig  in  erster 
Linie  zusammensetzt  („Peppergrass  -  Cactusfor- 
mation"). 

Reinen  Wüstencharakter  zeichnet  die  „Halb- 
strauchformation" aus,  in  welcher  tiefwurzelnde, 
kleinblätterige,  stark  behaarte  Artemisia- Arten 
(Sagebrush),  namentlich  A.  tridentata  (Fig.  376), 
die  lockere,  durch  breite  nackte  Zwischenräume 
unterbrochene  Vegetation  bilden.  Stellenweise 
herrschen  andere  Compositen  von  nicht  minder 
xerophilem  Gepräge  in  der  Formation  vor, 
z.  B.  Eurotia  lanata  (Fig.  382,  7),  Bigelovia  gra- 
veolens  (Fig.  382,  1),  Gutierrezia  Sarothrae  u.  a. 
Alle  diese  Halbsträucher  werden  1  bis  i1/^  m 
hoch.  Für  sandige  Flächen  ist  Artemisia  filifolia 
charakteristisch;  sie  bildet,  im  Gegensatz  zu 
ihren  vorher  erwähnten  Verwandten,  rein  grüne, 
sehr   hohe   Büsche.  Ei&-  3*1.     Aus   der  nordamerika- 

nischen Wüstenflora:   Atriplex  ca- 

§  2.   Die  mexikanischen  Wüsten  und  nescens.    Nat.  Gr. 

Halbwüsten.     Das  mexikanische  Hochland 

besitzt  im  Durchschnitt  ein  trockenes  Klima,  doch  ist  dasselbe  meist 
beträchtlich  regenreicher  als  dasjenige  der  nordamerikanischen  Wüste. 
In  den  in  der  Literatur  befindlichen  klimatischen  Tabellen  wird 
man  nirgends  ein  Wüstenklima  finden,  sondern  Regenmengen  von 
50  cm  und  mehr,  welchen,  auch  bei  hohen  Temperaturen,  ausser 
auf  sehr   durchlässigem  Boden  eine   weniger   dürftige   Vegetation   ent- 

43* 


Fig.  382.     Aus  der  nordamerikanischen  Wüstenflora. 

/  Bigelovia  graveolens  Grai.    2— 3  Sarcobatus  vermiculatus  Torr.   4  Halostachy»  occidentaJis.  j—t>  Gram 

polygnloides  H.  et  A.     7  Eurotia  lanata  Mag.    Nat.  Gr.    Kgl.  Herb.  Berlin. 


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IX.   Die  Wüsten. 


677 


sprechen  muss.  Mexiko  hat  aber  ein  sowohl  in  horizontalen  als 
auch  in  vertikalen  Richtungen  ausserordentlich  rasch  wechselndes  Klima 
und  es  ist  mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  für  die  dürrsten,  un- 
bewohnten Gebiete  zahlenmässige  meteorologische  Daten  zur  Zeit 
noch  fehlen.  So  schreibt  Hann  über  ein  Gebiet,  in  welchem  aus- 
gedehnte Wüsteneien  sich  befinden:  „In  der  Umgebung  des  Pik  von 
Orizaba  herrscht  im  Sommer  der  NE  Passat,  das  Land  ist  bis  auf 
80  km  nach  SW.  hin  trocken  und  staubig,  nur  gelegentlich  fällt  ein 
Regenschauer,  an  der  Ostseite  regnet  es  dagegen  jeden  Nachmittag  .  .  . 


Fig.  384.     Yucca  glauca  auf  hohen  felsigen  Ebenen  im  westlichen  Nebraska. 
Nach  einer  Photographie  des  geolog.  Departm.  der  Univ.  Nebraska. 


Im  Winter  fällt  kaum  ein  Regen,  im  Sommer  oberhalb  500  m  reichlich, 
die  SW.-Seite  des  Berges  ausgenommen.  Von  der  Küste  bis  zu 
500  m  ist  das  Land  eine  Steppe,  die  Vegetation  dürftig.1* 

Dem  buntscheckigen  Klima  Mexiko's  entspricht  eine  ebenso  bunte 
Differenzirung  der  Vegetationsdecke.  Die  regenreichen  Abhänge  der 
Gebirge  tragen  Hochwälder  von  verschiedenartigem  Typus,  die  trockenen 
Abhänge  und  die  Hochebenen  hingegen  vornehmlich  xerophile  Dorn- 
gehölze mit  zahlreichen  Succulenten,  und  diese  Formationen  gehen,  bei  zu- 
nehmender Trockenheit  des  Klimas,  in  Wüsten  über.  Eine  scharfe  Grenze 
ist  natürlich  nicht  vorhanden  und  Uebergangsformationen,   Halbwüsten, 


678  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

sind  in  allen  Abstufungen  vorhanden.  Edaphische  Einflüsse  spielen  bei  der 
Gliederung,  jedenfalls  eine  grosse  Rolle.  Ausserdem  befinden  sich  die 
mexikanischen  Wüsten  meist  in  hohen  Regionen,  in  welchen  die  trocknenden 
Einflüsse  des  Höhenklimas  (vgl.Abschn.IV)  sich  bereits  geltend  machen.1) 

Herr  Dr.  G.  Karsten,  der  gemeinschaftlich  mit  Herrn  Prof.  Dr. 
Stahl  das  mexikanische  Hochland  im  Herbst  1895  bereiste,  hatte  die 
Güte  mir  folgende  Aufzeichnungen  auf  meinen  Wunsch  mitzutheilen. 
(Vgl.  Fig.  386-390.) 

„Die  Kakteen-Agaven  Vegetation  lernte  ich  besonders  in  der  Nähe 
von  Tehuacan  kennen.  Der  Ort  hat  eine  Meereshöhe  von  etwa  1700  m. 
Der  Sommer  hat  warme,  sonnige  Tage,  wenig  oder  kaum  Regen  und 
im  Verhältniss  sehr  kalte  Nächte.  Im  Winter  fällt  auch  Schnee,  der 
aber  nicht  liegen  bleibt." 

„Die  betreffende  Vegetation  bekleidet  die  sanft  gerundeten  Höhen- 
züge, die  sich  an  der  Strasse  nach  Esperanza  beiderseits  hinziehen; 
die  Süd-  und  Westseiten  sind  stets  reich,  die  Nordseiten  weisen  kaum 
einzelne  Mamillarien  als  letzte  Ausläufer  der  Vegetation  auf.  Der  Boden 
ist  Fels,  meist  sehr  kalkreich. " 

„An  solchen  Hügeln  überblickt  man  weithin  die  Formen  der  Boden- 
erhebung sehr  genau,  da  nur  eine  ganz  niedrige  graue  Vegetations- 
decke ihn  überzieht.  Vereinzelt  oder  zu  Gruppen  beisammen  fallen 
die  klotzigen  Echinocactus  ingens  -  Exemplare  auf,  wie  die  mehr  im 
Thal  bleibenden  grossen  Yuccabestände." 

„Bei  genauerer  Betrachtung  besitzt  diese  gleichmässig  graue  Vege- 
tationsdecke einen  staunenswerthen  Reichthum:  Agaven,  Dasylirien 
und  vereinzelte  Erdbromeliaceen ,  Sedum-  und  Echeveria- Arten ;  dann 
zahllose  Dornsträucher ,  besonders  Mimoseen,  eine  Cassia,  viele  roü- 
blätterige,  lederige,  weiss  behaarte  Sträucher,  meist  Compositen,  die 
einen  scharfen,  oft  insectenpulverartigen  Geruch  verbreiten,  und  blatt- 
loses Gestrüpp,  darunter  eine  Ephedra.  Der  Graswuchs  am  Boden  ist 
dünn  und  discontinuirlich.  Grüne  und  weisse  oder  doch  weissliche, 
oft  langstächelige  Mamillarien  und  dichte  Kugelrasen  von  kleinen  Echino- 
cactus-Arten,  dazwischen  oft  Tradescantia  navicularis,  bilden  die  krautige 
Vegetation." 

„Bemerkenswerth  erscheint  mir,  dass  die  Sträucher,  besonders  auch 
vereinzelte  grössere  Opuntien,  stets  mit  kleinen  sparrig-rosettigen  Tilland- 
sien behangen  sind;  die  Luftfeuchtigkeit  kann  also  nicht  so  ganz  ge- 
ring sein.  Die  tiefe  Temperaturerniedrigung  der  klaren  Nächte  dürfte 
—  vielleicht   in  Verbindung   mit   der   durch   die  Form   der  Tillandsien 


l)  Der  nahe  Zusammenhang  zwischen  den  mexikanischen  und  nordamerikanischen 
Wüstenformationen  veranlasste  mich,  sie  an  dieser  Stelle,  und  nicht  mit  den  Höhenfonna- 
tionen  zu  behandeln. 


Fig.   385.      Dürre  wüstenähnliche  Steppe.     Sybil  River,  Wyoming.     Buchloe  dactyloides, 
Artemisia  tridentata.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  F.  E.  Marcy. 


C/5 


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IX.   Die  Wüsten.  679 

verstärkten  Wärmeausstrahlung  —  wohl  allnächtlich  eine  Condensation 
von  Wasser,  wenn  auch  oft  nur  in  geringfügigem  Grade,  herbeiführen." 

„An  stärker  kalkhaltigen  Orten  —  fast  reinweisser  Kalkfels  — 
oberhalb  Carnero  bei  Tehuacan  treten  Echinocactus  robustus  mit  Mamil- 
laria  mutabilis  maschalacantha  auf,  ferner  eine  blattlose  besenförmige 
Euphorbiacee  mit  kleinen  weissen  Blüthen  und  Pedilanthus  -  Gestrüpp, 
das  ebenfalls  seine  Blätter  abgeworfen  hat,  vereinzelte  Bäumchen  von 
Peireskia  spathulata,  Agave  Corderoyi  und  die  weiss  geränderte  Agave 
Gilbeayi,  endlich  zahlreiche,  nicht  näher  bestimmte  Bromeliaceen  mit 
scharf  dornigen,  stechenden  Blättern." 

„Eine  ähnliche,  aber  ärmlichere  Vegetation  sah  ich  dann  noch  auf 
dem  Plateau  von  Oaxaka  von  St.  Dionysio  bis  Oaxaka  selbst  (1750  m 
bis  1600  m):  ganz  niedrige  silberweisse  Mamillarien  in  grosser  Menge, 
einem  ebenfalls  niedrigen  Bromeliaceenrasen  von  grauer  bis  weisser 
Färbung  eingesprengt.  Es  war  im  November  und  des  Morgens  lag 
Reif.  Mais  und  Bohnen  waren  erfroren.  Am  Tage  herrschte  eine  Tem- 
peratur von  15 — 200  C." 

§  3.  Südamerikanische  Wüsten.  Der  schmale  westliche  Wüsten- 
strich von  Süd- Amerika,  von  Peru  bis  Nordchile,  hat  eine  überaus  dürf- 
tige, Ökologisch  noch  gar  nicht  untersuchte  Vegetation.  Der  Wüsten- 
streifen östlich  der  Anden  stellt  in  seinem  argentinischen  Theile 
eine  Verkümmerung  der  Espinalformation  dar,  ausser  auf  den  aus- 
gedehnten salzigen  Flächen,  welche  eine  hauptsächlich  von  Salsolaceen 
gebildete  Halophytenvegetation  besitzen.  Folgende  Schilderung  des 
südlichen,  patagonischen  Theils  dieses  Wüstengebiets  durch  Niederlein 
giebt  einige  Vorstellung  von  den  Existenzbedingungen  der  Vegetation 
und  berührt  die  damit  zusammenhängenden  ökologischen  Eigenthümlich- 
keiten. 

.  .  .  „Man  kann  den  monotonen,  d.  h.  allgemein  dürftigen  und  strengen, 
oft  unheimlichen  Ausdruck  der  Vegetation  verstehen.  Denn  hier  liegt  die 
traurige  patagonische  Formation  bloss,  dort  ist  für  Tausende  von  Quadrat- 
leguas  nur  dürres  Gras  und  loser,  mit  Salzen  gemengter  Sand  aufgehäuft. 
Darüber  wölbt  sich  ein  klarer,  kalter,  unwirklicher  Himmel.  Die  Sonne  brennt 
und  Cordillerenstürme  und  Winde  vom  südlichen  Eismeere  fegen  über  die 
Steppe  und  Wüste.  Weiter  nördlich,  und  zwar  im  Nordosten,  ist  meist  erst 
der  Kampfplatz,  wo  ein  Nord-  oder  Nordostwind  den  Sieg  erringt.  Die  Regen 
fallen  mithin  selten.  Ihr  Wasser  ist  bald  von  den  flachen  Wölbungen  in  die 
Mulden  und  Senkungen  der  weiten  Ebenen  verlaufen  oder  in  die  Salzmoräste 
der  Dünenthäler,  wenn  nicht  in  die  Lagunen  der  enorm  ausgedehnten  Sand- 
flächen verflossen.  Kein  Bach,  kein  Fluss  schlängelt  sich  zu  den  wenigen 
Strömen;  und  nur  dadurch,  dass  der  rothe  und  der  schwarze  Fluss  das  Hoch- 
gebirgswasser  in  tiefer  Rinne  hinabwälzen,  erreichen  sie  das  Meer.  Der  Salz- 
fluss  versiegt  inmitten  der  Wüste.  Auch  am  Abhänge  der  Cordilleren,  da, 
wo  die  Erosion  so  grossartige  Gewaltakte  in  Millionen  Canadas,  Klüften  und 


68o 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


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Fig.  390.    Mexiko:  Yucca  (baumartig),  Echinocereus  (rechts).    Im  Hintergrund:  Opuntia,  fruchtende 

Agave.     San  Geronimo  bei  Tehuacan. 

Nach  einer  Photographie  von  Herrn   Prof.  Dr.   E.  Stahl. 


IX.   Die  Wüsten.  68 1 

Schluchten  markirt  hat,  sucht  man  vergeblich  nach  beständigen  Bei-  und 
Zuflüssen.  Erst  während  des  Regens  wird  es  lebendig  in  jenen  Grüften. 
Dann  sickert,  springt  und  rauscht  es  überall.  Sandkorn  an  Sandkorn  wird 
fortgeführt,  Gerolle  rutschen  und  Schollen  und  Felsen  stürzen.  Aus  den 
Tausenden  von  sprudelnden  Zuflüssen  werden  zerstörende  Bäche.  Als  reissende, 
mit  Schutt  und  anderem  Material  beladene  Flüsse  brechen  sie  aus  dem 
Schluchtenchaos  hervor  und  sich  in  den  hochgeschwollenen  und  weit  über 
die  Ufer  getretenen  Nauquerstrom  stürzend,  wälzen  sie  sich  ungestüm  und 
gewaltig  weiter  bis  zum  Meere.  Doch  ist  die  Wolke  entladen,  die  Nebelhülle 
zerrissen  und  schaut  die  Sonne  in  die  Tiefen,  dann  versiegen  die  Gewässer. 
Etwas  später  herrscht  die  frühere  Ruhe.  Nur  Winde  wehen  darüber  hin. 
Der  Boden  wird  in  kurzer  Zeit  trocken  und  bald  grinst  die  Oede  wieder  so 
unheimlich  wie  zuvor.  Aehnlich  findet  man  es  am  Oberlaufe  des  Rio  Co- 
lorado. Etwas  anders  ist  es  dagegen  am  Payen  und  längs  der  Sierra  Roca. 
Doch  gilt  in  Gegenden,  wo  die  Erosion  nichts  Wunderbares  zu  gestalten 
vermochte,  wo  kein  Wässerchen  fliesst,  keine  Berge  sind,  das  Gesagte  ebenso 
von  Steppen  und  Wüsten.  Es  bezeichnen  mithin  die  Begriffe  zerklüftetes 
und  hügeliges  Cordillerenabfallsland ,  Stromthäler,  Steppen  und  Wüsten  das 
geschilderte  Territorium,  dessen  Ausdruck  düster  und  wild  ist. 

Den  terrestrischen  und  physikalischen  Verhältnissen  entspricht,  wie  ge- 
sagt, vortrefflich  die  Vegetation.  Starr  sind  die  wenigen  Gräser,  verholzt 
und  meist  klebrig  oder  behaart  die  Stauden;  sparrig,  struppig  und  dornig 
und  durch  auffallend  geringe  Blätterfülle  anscheinend  todt  die  meisten  durch- 
schnittlich i — 3  m  hohen  Sträucher.  Das  Ganze  bildet  mit  einigen  Aus- 
nahmen ein  Gemisch  hoher  und  niedriger,  ovaler,  runder,  langgestreckter  oder 
noch  anders  geformter,  dunkler,  graugrüner  oder  gelbgrüner,  lichter  (und  dann 
schattenloser)  oder  dicht  verwachsener  Dornhaufen  oder  gestrüppartiger  Holz- 
gewächse auf  hartem,  grauem  oder  röthlichem  Felsgeröll-,  Grus-  oder  Sandboden, 
oder  auf  Dünen,  wenn  nicht  eingeweht  vom  Flugsande,  den  die  Stürme  fast 
beständig  mit  sich  führen.  Es  zeigt  sich  bald  dicht,  bald  mit  enormen  Lücken. 
Hier  stehen  die  Individuen  einzeln,  dort  gruppenweise  oder  im  Wettkampfe 
mit  anderen,  je  nachdem  der  magere  Boden  sie  nährt  und  das  Grundwasser 
ihnen  Feuchtigkeit  nach  oben  spendet.  Eine  Strauchart  steigt  kräftig,  freilich 
auch  mit  dem  Ausdrucke  verkümmerter  Existenzen,  empor,  eine  andere  kriecht, 
eine  dritte  ist  zu  Boden  gedrückt,  eine  vierte  zur  Zwergform  gepresst,  eine 
fünfte  straucht  sich  zu  Polstern  u.  s.  f.  Die  meisten  Gesträuche  sind  dicht-, 
kurz-,  aufrecht-  und  oft  krumm  verzweigt  und  ruthig,  struppig,  dornig,  auch 
knorrig  oder  sonstwie  verkrüppelt.  Nicht  selten  findet  man  die  älteren  Zweige 
abgestorben.  Schwarzbraun,  graugrün  oder  gelbgrün  und  meist  rauh  beobachtet 
man  die  stark  verkorkte  Rinde;  ferner  ist  sie  hier  Wachs  absondernd,  dort 
mit  harziger  oder  gummiartiger  Sekretion  versehen.  Die  Blätter  präsentiren 
sich  durchschnittlich  als  winzig  und  abfällig,  zuweilen,  wie  bei  Fabiana  Hiero- 
nymi  Ndzln.,  als  Schuppen,  bei  Salzsträuchern  als  fleischig,  bei  anderen 
Büschen  als  lederartig,  hart  und  bedornt,  bei  noch  anderen  mitunter  zu  Dornen 
umgebildet  oder  prismatisch  zu  Nadeln  geformt,  und  während  die  Blätter  bei 
den  Mimosen  und  anderen  Familien  periodisch  wiederkehren,    fehlen  sie  bei 


682  "  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Monthea  aphylla,  Cassia  aphylla  und  einigen  anderen  Sträuchern.  Von 
den  Blüthen  zeichnen  sich  nur  wenige  durch  Schönheit,  Wohlgenich  oder 
Grösse  aus."1) 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Afrikanische  und  asiatische  Wüsten. 

de  Bary,  Erw.  Ueber  den  Vegetationscharakter  von  Air.  Zeitschr.  d. 
Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin.     Bd.  XIII.     1878. 

Bolus,  H.  Grundzüge  der  Flora  von  Südafrika.  Aus  dem  Englischen  von 
O.  Kersten.     Leipzig  1888. 

Brand  is,  D.     Regen  und  Wald  in  Indien.     Meteorolog.  Zeitschrift     1887. 

Bunge,  A.  v.  Pflanzengeographische  Betrachtungen  über  die  Familie  der 
Chenopodiaceen  in  M&n.  de  l'Acad.  imp.  des  sciences  de  St  P^ters- 
bourg.     VII e  s€r.     Bd.  XXVII. 

Dove,  K.     Das  Klima  des  aussertropischen  Südafrika.     Göttingen  1888. 

Herder,  v.     Referat  in  Engler's  Botan.  Jahrb.  Bd.  X. 

Marloth,  R.  Die  Naras,  Acanthosycios  horrida  Welw.  var.  namaquana. 
Engler's  Botanische  Jahrbücher.     Bd.  IX.     1888. 

Martins,  Ch.     Von  Spitzbergen  zur  Sahara.     2  Bde.     Jena  1868. 

Maury,  P.  Anatomie  compar^e  de  quelques  esp£ces  caracteristiques  du 
Sahara  algdrien.  Assoc.  francaise  pour  l'avanc.  des  sciences,  Congr£s 
de  Toulouse,  1887.  (Ref.  in  Journal  de  botanique  Bd.  IL  Rev. 
bibliog.  S.  101.) 

Prschewalski,  N.  M.  I.  Von  Kiachta  nach  Peking.  Petermann's  Mit- 
theil.    1872. 

—  II.     Reisen  in  Tibet  und  am  oberen  Laufe  des  Gelben  Flusses.     Deutsch 

von  Stein-Nordheim.     Jena  1884. 
Radde,  G.     Vorläufiger  Bericht  über  die  Expedition  nach  Transkaspien  und 

Nord-Chorassan  in  1886.     Petermann's  Mittheilungen  1886. 
Schenck,  A.      Das   deutsche   südwestafrikanische   Schutzgebiet      VerhandL 

der  Gesellsch.  für  Erdkunde  zu  Berlin.     1889. 

—  Gebirgsbau   und  Bodengestaltung   von  Deutsch- Südwest- Afrika.     VerhandL 

des  X.  deutschen  Geographentags   in  Stuttgart.     1893.     Berlin  1893. 
Schinz,  H.     Deutsch-Südwestafrika.     Oldenburg  u.  Leipzig  1884 — 1887. 

—  Die    deutsche   Interessensphäre    in   Südwest  -  Afrika.     Fernschau,    Bd.   IV. 

Aarau  1890. 
Scott-Elliot,  Z.  F.     Notes  in  the  regional  distribution  of  the  Cape  Flora. 

Transactions  of  the  botanical  society.     Vol.  XVIII.     Edinburgh   1891. 
Stapf,  Otto.     Der  Landschaftscharakter  der  persischen  Steppen  und  Wüsten. 

Oesterr.-Ungarische  Revue  1888. 
Volkens,    G.      I.     Zur  Flora   der  ägyptisch  -  arabischen  Wüste.     Sitzb.  der 

Königl.  Akad.  zu  Berlin.     1886. 


l)  Niederlein  1.  c.  S.  88—90. 


Auswahl  der  Literatur.  683 

Volke ns,  G.    II.  Die  Flora  der  ägyptisch-arabischen  Wüste  auf  Grundlage 
anatomisch-physiologischer  Forschungen.     Berlin  1887. 

—  III.     Chenopodiaceae  in:  Engler  u.  Prantl,  Natürl.  Pflanzenfam.  III.  ia. 

—  IV.     Der  Kilimandscharo.     1898. 


2.   Amerikanische  Wüsten. 

Coville,  F.  Vern.     Botany  of  the  Death  Valley  Expedition.     Contributions 

from  the  U.  S.  national  herbarium.     Vol.  IV.     1893. 
Hitchcock,  A.  S.      Ecological   plant  geography  of  Kansas.     Transactions 

of  the  Academy  of  science  of  St.  Louis.     Vol.  VIII.     1898. 
Lorentz,  P.  G.    Vegetationsverhältnisse  der  argentinischen  Republik.  Buenos- 

Aires  1876. 
Mulford,  A.  Isab.     A  study  of  the  Agares  of  the  United  States.    Missouri 

Botanical  Garden.     7th  Rep.     1896. 
Niederlein,    G.      Einige   wissenschaftliche   Resultate    einer   argentinischen 

Expedition   nach    dem   Rio   Negro  (Patagonien).     Zeitschr.  der  Ges.  für 

Erdkunde.     1881. 
Pound,  R.,  and  Fred.  E.  Clements.     The  phytogeography  of  Nebraska. 

I.     General  survey.     Lincoln,  Nebr.,  1898. 
vom  Rath,  G.     Arizona,  das  alte  Land  der  Indianer.     2.  Aufl.  1888. 


X.  Edaphische  Wirkungen  in  den  tempe- 
rirten  Zonen. 

1.  Allgemeines.  2.  Die  temperirten  Starandformationen.  Strandsümpfe,  Strand- 
wiesen,  Dünen.  3.  Die  Heide.  Calluna  vulgaris.  Existenzbedingungen.  Begleitpflanzen. 
4.  Die  Moore.  Wiesenmoore  und  Torfmoore.  Das  Torfmoos,  Sphagnum.  Bedingungen 
der  Ernährung.     Fleischfressende  Pflanzen  der  amerikanischen  Moore. 


1.  Allgemeines. 

An  den  verschiedensten  Stellen  wurde,  in  diesem  Abschnitt,  auf 
die  Rolle  des  Bodens  in  der  Oekologie  und  Zusammensetzung  der  For- 
mationen hingewiesen.  Es  sei  erinnert  an  die  Kiefernwaldungen,  welche 
auf  durchlässigem  Boden  Laubwälder  ersetzen,  an  die  Sumpfwälder, 
welche  in  Nordamerika  schlecht  drainirten,  nassen  Boden  überziehen 
(Fig.  48  u.  391),  an  die  zunehmende  Ueppigkeit  aller  Waldformationen 
in  der  Nähe  der  Flüsse  und  Seen,  wo  durch  Infiltration  der  Wasser- 
gehalt des  Bodens  erhöht  wird.  Die  Zunahme  des  Grundwassers  wirkt 
in  noch  auffallenderer  Weise  in  den  Grasflurgebieten,  wo  sie  das  Auf- 
treten von  Galleriewäldern  längs  der  flüsse  und  von  Waldparcellen  in 
Vertiefungen  des  Bodens  bedingt  und  in  den  Wüsten ,  wo  sie  ein  oft 
üppiges  Vegetationsbild  hervorzaubert.  Endlich  wurde  die  maassgebende 
Bedeutung  edaphischer  Einflüsse  in  den  Uebergangsgebieten  betont ,  wo, 
beispielsweise,  kleine  Unterschiede  der  Bodenbeschaffenheit  für  das  Auf- 
treten von  Gehölz  oder  Grasflur,  oder  von  Grasflur,  bezw.  Gehölz  und 
Wüste  maassgebend  werden  können. 

In  den  soeben  erwähnten  Fällen  stehen  Klima  und  Boden  derartig 
in  Wechselwirkung,  dass  eine  getrennte  Behandlung  der  Factoren  bei- 
der Gruppen  widernatürlich  und  verwirrend  gewesen  wäre.  Anders 
verhält  es  sich  mit  den  edaphischen  Formationen  von  scharf  be- 
grenztem lokalem  Auftreten,  deren  Charakter  im  Gehölz-  und  Grasflur- 


X.   Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen. 


685 


klima,  zum  Theil  sogar  im  Wüstenklima,  im  Wesentlichen  der  gleiche 
bleibt   und   welche   selbständige   Erscheinungen    in  den   verschiedenen 


Fig.  391.     Waldsumpf  in  Louisiana.     Baumstämme  unterwärts  erbreitert.      Die  Aeste 
mit  Tillandsia  usneoides  behangen.     Nach  einer  Photographie. 


Fig.  392.    Raoulia  Haastii  Hook,  f.,  im  trockenen  steinigen  Flussbett  des  Craigieburn  River. 
Neu -Seeland  (S.  Insel).     Nach  einer  Photographie  des  Herrn  L.  Cockayne. 


686  Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 

Gebieten  darstellen.  Dahin  gehören  u.  a.  die  Sand-  und  Kieselformationen 
in  und  an  den  Flussbetten.  Da  dieselben  in  allen  Klimaten  wesentlich 
die  gleiche  Oekologie  besitzen  und  die  letztere  bereits  früher  be- 
sprochen worden  ist,  so  soll  auf  diese  Gruppe  von  Formationen  nicht 
mehr  zurückgekommen  werden.  Bloss  sei  noch  erwähnt,  dass  die  für 
die  kühleren  Gebiete  der  südlichen  temperirten  Zone  charakteristischen 
niedrigen  Polstergewächse,  namentlich  die  Raoulia -Arten  Neu-Seeland's, 
sehr  häufig  auf  den  trockenen  Kiesbetten  von  Wasserläufen  auftreten 
(Fig.  392). 

Charakteristischer  sind  die  Formationen  des  Meeresstrandes,  welche 
in  wesentlichen  Punkten  von  denjenigen  der  Tropen  abweichen,  nament- 
lich aber  die  Heiden  und  Moore,  welche  in  den  tropischen  Klimaten 
fehlen. 

2.  Temperirte  Strandformationen. 

Die  Küsten  der  temperirten  Meere  bieten  den  Pflanzen  ganz  ähn- 
liche Standorte  wie  in  den  Tropen:  Felsige,  sandige,  thonige  Ufer, 
stets  trockene  und  zur  Fluthzeit  überschwemmte  Flächen.  Hingegen 
ist  der  den  verschiedenen  Standorten  entsprechende  Vegetationstypus 
weit  weniger  verschiedenartig,  indem  zusammenhängende  Gehölze, 
namentlich  die  in  den  Tropen  so  verbreiteten  Mangroven,  in  Folge  der 
starken  winterlichen  Winde  fehlen,  und  die  Holzpflanzen  in  der  Regel 
auf  niedrige  zerstreut  wachsende  Sträucher  beschränkt  sind. 

Der  zur  Fluthzeit  überschwemmte  Thon  oder  thonige  Lehm,  der 
in  den  Tropen  das  Substrat  der  meisten  Mangroven  darstellt,  ist  an 
temperirten  Küsten  nur  in  Aestuarien  und  an  Lagunen  bewachsen.  In 
Mittel-  und  Nordeuropa  ist  der  erste  Ansiedler  solcher  Strandsümpfe 
Salicornia  herbacea  (Fig.  394  a),  ein  blattloses,  succulentes  Kraut,  dessen 
ausgeprägt  xerophile  Structur  dem  hohen  Salzgehalt  des  Substrats, 
entspricht.  Am  Mittelmeer  treten  an  derartigen  Standorten  andere 
strauchige  Salicornia -Arten  auf  (S.  truticosa,  macrostachya,  sarmentosa). 
An  südeuropäischen  Küsten  ist  der  Schlammboden  im  Bereich  der  Fluth 
oft  von  einem  Gras,  Spartina  stricta,  überzogen.  Diese  Pflanzen  stehen 
zur  Fluthzeit  unter  Wasser.  Auf  etwas  höherem,  der  Ueberschwemmung 
weniger  ausgesetztem  Boden  zeigen  sich  zahlreichere  Pflanzen,  in  Nord- 
Europa  z.  B.  Statice  Limonium,  Aster  Tripolium,  Obione  pedunculata, 
Chenopodina  maritima,  Cochlearia  anglica,  Juncus  Gerardi  etc.  In  Süd- 
Europa  treten  ebenfalls  Arten  von  Statice,  Obione  und  Aster  mit  den 
Salicornien  auf,  aber  zum  Theil  in  anderen  Arten  und  mit  ihnen  Suaeda 
maritima,  Inula  crithmoides  etc.  Merkwürdig  erscheint  das  Vorkommen 
der  stattlichen  Phelipaea  tinctoria  als  Schmarotzer  der  Chenopodiaceen 
auf  salzigem  Schlammboden.     Die  meisten  Arten  sind  succulent. 


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X.    Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen.  687 

Noch  höher  gelegener  Thonboden  ist  von  Strandwiesen  ein- 
genommen, welche  sich  von  den  benachbarten  Wiesen  des  Binnenlands 
durch  ihren  floristischen  Charakter  und  durch  die  mehr  xerophile  Structur 
ihrer  Gewächse  unterscheiden.  Vorherrschend  ist  Festuca  thalassica; 
mit  ihr  zusammen  wachsen  an  den  nördlichen  europäischen  Küsten: 
Festuca  distans,  Triglochin  maritimum,  Samolus  Valerandi,  Glaux  mari- 
tima, Trifolium  fragiferum  etc.  Ganz  allmählich  gehen  solche  Wiesen 
in  die  nicht  salzigen  des  Binnenlands  über. 

Der  sandige  Strand  ist,  wie  in  den  Tropen,  erst  oberhalb  der 
Fluthlinie  bewachsen.    Da  zeigen  sich  in  Nordeuropa  zuerst  Salsola  Kali, 


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Fig.  394.     Steinige  und  felsige  Küstenpartie  am  Schwarzen  Meere.     Pinus  maritima. 
Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Prof.  Kusnezow. 

Cakile  maritima,  Honkenya  peploides,  Agropyrum  junceum.  Gewöhnlich 
erheben  sich  hinter  dem  Strande  Dünen,  deren  äusserste  Reihen  schwach 
bewachsen  sind,  während  die  Wiesen  eine  mit  der  Entfernung  vom  Meere 
mehr  zunehmende  Dichtigkeit  und  Mannigfaltigkeit  ihrer  Vegetation 
zeigen.  Die  ersten  oder  doch  die  vorherrschenden  unter  den  ersten 
Ansiedlern  sind  Psamma  arenaria  (Ammophila  arenaria,  der  Helm)  und 
Elymus  arenarius  (der  blaue  Helm),  deren  kriechende  und  reich  ver- 
zweigte Rhizome  den  Dünensand  auffangen  und  befestigen  und  welche 
um  so  üppiger  wachsen,  je   stärker   die  Düne   fortwährend  aufstaubt.1) 


l)  Buchenau,  S.  252. 


688 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


In  ihrer  Gesellschaft  wächst  bereits  auf  den  äussersten  Dünen  das 
stattliche  Eryngium  maritimum,  Glaucium  flavum  etc.,  sowie  die  Pflanzen 
des  flachen  sandigen  Strandes.  Auf  älteren  Dünen  zeigen  sich  an  der 
Nordsee  Hippophae  rhamnoides,  Salix  repens,  Rosen,  Brombeeren  und 
zahlreiche  Kräuter  von  nichthalophilen  Eigenschaften. 

Die  südeuropäischen  Dünen  zeigen  ganz 
ähnliche  Unterschiede  der  äusseren  und  inneren 
Reihen.  Auf  den  ersteren  zeigt  sich  wiederum 
und  in  der  gleichen  Rolle  wie  im  Norden 
Psamma  arenaria.  Die  dieselbe  begleitenden 
Gewächse  sind  theilweise  die  gleichen  wie  an 
nördlichen  Küsten  (Eryngium  maritimum, 
Honkenya  peploides,  Agropyrum  junceum, 
Cakile  maritima,  Salsola  Kali,  Calystegia 
Soldanella),  theils  sind  sie  südlichen  Arten 
angehörig  (in  Portugal:  Artemisia  crithmi- 
folia,  Crucianella  maritima,  Euphorbia  Pa- 
ralias,  Scrophularia  frutescens,  Diotis  maritima, 
Pancratium  maritimum). 

Als  sandbindende  erste  Bewohner  der 
Dünen  in  der  Camargue  erwähnen  Flahault 
und  Combres:  Juncus  maritimus,  Cynodon 
Dactylon,  Scirpus  Holoschoenus ,  Eryngium 
maritimum,  Agropyrum  junceum,  A.  acutum, 
A.  campestre,  Ephedra  distachya,  Ammophila 
arenaria,  Echinophora  spinosa,  Clematis  Flam- 
mula,  Schoenus  nigricans,  Juncus  acutus, 
Saccharum  cylindricum,  Juniperus  phoenicea, 
Medicago  marina,  Anthemis  maritima,  Ten- 
crium  Polium,  Artemisia  campestris,  Helicbry- 
sum  Stoechas. 

Die  felsigen  Klippen  besitzen  eine 
weniger  ausgeprägt  halophytische  Flora 
als  der  sandige  und  namentlich  als  der 
sumpfige  Strand  und  ihre  Vegetation 
schliesst  sich  ökologisch  derjenigen  der 
Felsformationen  überhaupt  an. 

Schilderungen  der  Strand formationen 

liegen   nur   für   die   europäischen   Küsten 

Unsere  Figur  393  aus  Florida  und  396   aus  Neu -Seeland  zeigen. 


?V%*/u.4*. 


Fig.  394  a.    Salicornia  herbacea,  eine 
halophile  unbelaubte  Fettpflanze. 


vor. 


dass  die   dortige  Dünenvegetation   sich   bei  ungleicher  floristischer  Zu- 
sammensetzung ökologisch  der  europäischen  nähert. 


X.    Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen. 


689 


3.  Die  Heide.1) 

Die  Heide  ist  nur  im  kalttemperirten  Europa,  namentlich  im  Westen 
und  Nordwesten,  in  typischer  Form  und  grosser  Ausdehnung  vertreten. 
Sie  ist  durch  das  gesellige  Auftreten  der  Calluna  vulgaris  bedingt, 
deren  Vorkommen,  mit  Ausnahme  einiger  weniger  Standorte  in  Nord- 
amerika, auf  Europa  beschränkt  ist  und  da  auch  nur  in  Gebieten  des 
Seeklimas  eine  wesentliche  Bedeutung  erlangt.  Andere  Ericaceen  treten 
z.  Th.  als  Nebenbestandtheile  der  Heide  auf;  sie  bilden  aber  keine 
selbständige  Heideformation. 


Fig.  395.     Düne   auf  der  Insel  Fano  (Nordsee).     Rechts:  Elymus  arenarius,   links:  Psamma 

arenaria.     Nach  Warming. 


Calluna  vulgaris,  das  Heidekraut,  bildet  sowohl  auf  sandigen,  wie 
auf  moorigen  Standorten,  wenn  dieselben  sehr  kalkarm  sind,  auf  weite 
Strecken  den  Hauptbestandtheil  der  Vegetation.  Der  Sandboden,  auf 
welchem  sich  Calluna  angesiedelt  hat,  erhält  bald  einen  Ueberzug  von 
saurem  Heidetorf,  so  dass  der  chemische  Unterschied  beider  Substrate 
nicht  gross  bleibt.  Der  Moorboden  ist  wohl  physikalisch  nässer  als  der 
sandige  Heideboden,  aber  die  freien  Humussäuren  machen  ihn  physi- 
ologisch  trocken.     Torf  und   Sand    sind    sehr    arm    an   mineralischen 


1)  Vgl.  namentlich  Gräbner  1.  c. 
Schi  in  per,  Pflanzengeographie. 


44 


ggo  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Nährstoffen,  und  dieser  Umstand  kommt  der  Calluna  zu  Gute,  indem 
deren  Wurzeln  nur  in  überaus  verdünnten  Nährlösungen  fortkommen, !) 
während  die  meisten  anderen  Gewächse  höhere  Ansprüche  machen. 
Die  gleiche  Eigenschaft  kommt  noch  anderen  Ericaceen  zu,  welche 
daher,  theils  an  trockneren,  theils  an  feuchteren  Standorten  das  gemeine 
Heidekraut  begleiten  (z.  B.  Arctostaphylos  uva  ursi,  Erica  tetralix  und  im 
Westen  Erica  cinerea,  Vaccinium  Vitis  idaea,  uliginosum,  Myrtillus). 
Aber  auch  kleine  Bäume,  Sträucher  und  Kräuter  aus  anderen  Familien 
treten  als  Nebenbestandtheile  der  Heide  auf,  z.  B.  Juniperus  vulgaris, 
Sarothamnus  scoparius,  Genista  pilosa,  germanica,  tinctoria,  Cytisus 
sagittalis,  Betula  alba,  Salix  aurita,  repens,  Aira  flexuosa,  Molinia 
coerulea  u.  a.  Gräser  etc.  Alle  diese  Gewächse  kommen  ausserdem 
noch  an  anderen  Standorten,  theils  auf  trockenem,  sterilem  Boden, 
theils  auf  saurem  Humus,  in  Mooren  und  dünnen  Waldungen  vor. 

Das  Vorherrschen  des  immergrünen  Heidekrauts  verleiht  der  Heide 
einige  Aehnlichkeit  mit  den  dürftigsten  Hartlaubformationen  der  winter- 
feuchten wärmeren  Gebiete.  Eine  gewisse  klimatische  Analogie  ist 
wohl  vorhanden;  wie  die  Hartlaubgehölze  ist  die  Heide  an  feuchte 
Winter  gebunden  und  gedeiht  nur  gut,  wo  auch  im  Sommer  die  Luft 
feucht  ist.  Die  Unterschiede  sind  jedoch  überwiegend.  Die  Hartlaub- 
gehölze bilden  ausgeprägt  klimatische  Formationen,  welche  die  von 
ihnen  bewohnten  Gebiete  beherrschen  und  eine  weitgehende  Un- 
abhängigkeit vom  Boden  zeigen,  während  die  Heide  an  Sand  und 
Torf  gebunden  ist.  Ferner  sind  die  Hartlaubgehölze  beinahe  aus- 
schliesslich aus  immergrünen  Arten  zusammengesetzt  und  letztere 
gehören  den  verschiedensten  systematischen  Typen,  auch  solchen  an, 
die  in  anderen  Klimaten  periodisch  kahl  sind.  Bei  ihnen  ist  der 
immergrüne  Charakter  offenbar  eine  klimatische  Anpassung.  Die  Heide 
hingegen  enthält  zahlreiche  winterkahle  Formen  und  die  immergrünen 
gehören  systematischen  Typen  an  (Ericaceen,  Coniferen),  bei  welchen 
der  immergrüne  Charakter  erblich  ist  und  sich  bei  den  meisten  Arten 
unter  den  verschiedenartigsten  klimatischen  Bedingungen,  auch  mitten 
unter  der  laubabwerfenden  Vegetation,  erhalten  hat.  Das  immergrüne 
Laub  stellt  nicht  eine  Anpassung  an  die  Existenzbedingungen  in  der 
Heide  dar,  sondern  ein  morphologisches  Merkmal  einiger  der  die  Heide 
bewohnenden  Pflanzenarten,  namentlich  der  Calluna,  und  beherrscht  nur 
wegen  des  Ueberwiegens  der  letztgenannten  Pflanze  die  ganze  Formation. 

4.  Die  Moore. 

Reiche  Bildung  von  Torf  auf  nassem  Boden  führt  zur  Entstehung 
der  Moore,    welche   namentlich   in    kühlen   und    feuchten  Gebieten  der 

1)  Nach  Gräbner. 


X.   Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen.  69 1 

kalttemperirten  Gürtel  grosse  Verbreitung  besitzen.  In  den  wärmeren 
Gürteln  kommt  es,  wegen  der  rascheren  Zersetzung  der  Pflanzensubstanz, 
weniger  oft  zur  Bildung  mächtiger  Torflager. 

Die  Moore  besitzen  eine  sehr  ungleiche  Vegetation,  je  nachdem 
ihre  mineralische  Unterlage  kalkarm  oder  kalkreich  ist.  Sie  werden  im 
ersten  Falle  Hochmoore,  im  letzteren  Wiesenmoore  genannt. 
Das  Wasser  der  Hochmoore  ist  kaffeebraun  und  reich  an  organischen 
Stoffen,  indem  es  neben  freien  Humussäuren,  auch  humussaure  Alkalien 
in  Lösung  enthält ;  letztere  treten  im  Wasser  der  Wiesenmoore  zurück, 
indem  die  Humussäuren  unlösliche  Verbindungen  mit  Kalk  bilden.  Die 
Unterschiede  der  Flora  hängen  zum  grossen  Theile  mit  der  ungleichen 
Menge  des  Kalkes  in  Hoch-  und  Wiesenmooren  zusammen;  jedoch 
kommt  auch  der  ungleichen  chemischen  Zusammensetzung  der  Humus- 
stoffe, allem  Anscheine  nach,  eine  nicht  unwichtige  Bedeutung  in  dieser 
Hinsicht  zu.  Viele  sonst  bodenvage  Pflanzen  nämlich,  die  auf  Wiesen- 
mooren gut  gedeihen,  gehen  den  Hochmooren  vollständig  ab,  indem 
sie  von  den  letzteren  wahrscheinlich  durch  die  grosse  Menge  gelöster 
Humussalze  ferngehalten  werden. 

So  kommen  nach  Sendtner  33  Phanerogamen,  die  an  anderen  Standorten 
bodenvag  sind,  in  Bayern  auf  Wiesenmooren,  aber  nicht  auf  Hochmooren 
vor,  dagegen  nur  4  auf  Hochmooren,  die  nicht  der  Wiesenmoorflora  angehören. 

Der  ausgezeichnete  Kenner  der  bairischen  Moore,  Sendtner,  schil- 
dert den  ungleichen  Charakter  der  Vegetation  der  Hoch-  und  Wiesen- 
moore seiner  Heimath  treffend  in  folgender  Weise: 

„Der  Unterschied  der  Vegetation  ist  gross  genug,  um  dem  land- 
schaftlichen Gemälde  des  Ganzen  schon  in  einiger  Entfernung  einen 
veränderten  Ausdruck  zu  geben.  Die  rothe  Sphagnumdecke,  grössten- 
teils von  dichten,  oft  kaum  1'  hohen  Wäldern  der  Filzkoppe  (Pinus 
montana  var.  uncinata)  überragt,  charakterisirt  nicht  minder  als  Einzelheiten 
die  Hochmoore,  während  die  Wiesenmoore  weite,  nach  den  Jahreszeiten 
verschieden  grüne  Wiesenstrecken  repräsentiren,  denen  als  verkrüppelt 
baumartiges  Gewächs  die  Waldföhre  (Pinus  silvestris)  eine  von  der 
Legföhre  sehr  verschiedene  Ausstattung  gewährt."1) 

Die  Charakterpflanze  der  Hochmoore  ist  das  Torfmoos,  Sphag- 
num  (Fig.  397),  in  Deutschland  und  in  der  Schweiz  namentlich  Sphagnum 
cymbifolium,  dessen  schwammartige,  wasseraufsaugende  Polster  allmählich 
in  die  Höhe  wachsen,  während  ihre  unteren  Theile  in  Torf,  sogenannten 
Moostorf  übergehen.  Dieses  Aufwachsen  verursacht,  dass  das  Moor 
sich  allmählich  über  das  Niveau  des  Grundwassers  erhebt,  namentlich 
in  der  Mitte,  da  sie  dem  älteren  Theil  des  Moors  entspricht.  Die  aller- 
dings schwache  Convexität  der  Sphagnummoore,  —  das  Centrum  kann 

l)  1.  c.  S.  626. 

44* 


692 


Zweiter  Abschnitt:    Die  temperirten  Zonen. 


bis  4  m  höher  liegen  als  der  Rand,  —  hat  zu  ihrer  Bezeichnung  als 
Hochmoore  gefuhrt.  Vermöge  der  wasseraufsaugenden  Kraft  der  Sphag- 
numpolster  bleiben  auch  die  höchst  gelegenen  Theile  des  Moors  dauernd 
von  Wasser  durchtränkt. 

Die  Wasseraufsaugung  durch  die  Sphagnen  findet  theilweise  durch  Ver- 
mittelung  capillarer  Zellräume,  theils  äusserlich  in  den  groben  Capillaren 
zwischen  den  Blättern  statt  (Fig.  398);  der  erstere  Modus  ist  bei  den  häufigsten  der 
Hochmoorsphagna  der  normale  und  durch  das  sehr  vollkommene  Capillar- 
system    innerhalb    der  Achsen    und  Blätter   zu  grosser  Wirksamkeit    gebracht 


Fig-  396.    Strandvegetation  Neu-Seeland's  (S.  Insel).    Dünen  bei  New-Brighton.    Rechts:  Co- 

prosma  acerosa  A.  Cunn.,   links:    Cassinia  fulvida  Hook,  f.,   auf  der  Düne   Desraoschoenos 

spiralis  Hook.  f.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Cockayne. 


Die  Stengelrinde  und  die  Blätter  bestehen  bei  allen  Sphagnen  aus  zweierlei 
Elementen,  nämlich  chlorophyllhaltigen  Zellen  und  plasmaleeren  Zellräumen. 
Letztere,  welche,  ähnlich  wie  die  Tracheen  höherer  Pflanzen,  mit  faserigen 
Verdickungen  ausgesteift  zu  sein  pflegen,  stehen  mit  einander  und  mit  der 
Umgebung  durch  runde  Oeffnungen  in  ununterbrochener  Communication  und 
stellen  ein  System  continuirlicher  Capillarröhren  dar,  durch  welches  das  aus 
dem  Medium  geschöpfte  Wasser  rasch  den  entferntesten  Theilen  der  Pflanze 
zugeführt  wird. 

Bei  Sphagnum  cymbifolium  und   seinen  Verwandten    sind  die  oberfläch- 
lichen   Zellen    der   Rinde    mit    zahlreichen    nach    aussen    mündenden    Poren 


X.   Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen.  603 

versehen  und  unten  auch  durch  grössere  Oeflhungen  verbunden  als  bei  anderen 
Arten,  wo  die  hyalinen  Zellräume  mehr  zur  Aufspeicherung  als  zur  Fortleitung 
des  Wassers  dienen.  Die  Wasserbewegung  findet  bei  Sph.  cymbifolium,  nach 
Oltmanns,  theils,  und  zwar  vornehmlich,  in  der  Stengelrinde,  theils  durch  die 
Blätter  statt,  deren  capillare  Zwischenräume  den  Uebertritt  des  Wassers  aus 
dem  unteren  zum  oberen  Blatt  vermitteln.  Bei  anderen  Sphagnum  -  Arten 
kommt  die  grobe  Saugung  in  den  äusseren  Capillaren  mehr  zur  Geltung. 

Aehnliche  Blattstructur  und  Wasserbewegung  wie  bei  Sph.  cymbifolium, 
letztere  jedoch  nur  in  den  Blättern,  zeigt  sich  bei  dem  systematisch  entfernten, 
aber  in  der  Lebensweise  übereinstimmenden  Leucobryum  glaucum,  ebenfalls 
einem  häufigen  Moose  der  Torfmoore,  wieder.  Dasselbe  ist  jedoch  nicht  auf 
letztere  beschränkt,  sondern  zeigt  sich  noch  an  anderen  nassen  kalkfreien 
Standorten. 

Im  Uebrigen  setzt  sich  die  Flora  der  Hochmoore  theils  aus  Pflanzen- 
arten zusammen,  die  auch  an  torffreien,  trockenen  Standorten  vor- 
kommen, wie  bei  uns  Calluna  vulgaris,  Vaccinium  vitis  idaea,  Betula  pu- 
bescens  etc.,  theils  aus  solchen,  die  zwar  an  Torfboden  gebunden  sind, 
aber  auch  auf  Wiesenmooren  vorkommen,  wie  Drosera  rotundifolia  und 
longifolia,  Polygala  uliginosa,  Comarum  palustre,  Pedicularis  palustris, 
Salix  repens,  die  Eriophorum-Arten,  viele  Carices,  theils  aus  Arten  oder 
Varietäten,  die  für  das  Hochmoor  charakteristisch  sind,  wie  Pinus  montana 
var.  uncinata,  Drosera  obovata  und  intermedia,  Viola  palustris,  Vaccinium 
Oxycoccos,  Andromeda  polifolia,  Betula  nana,  Rhynchospora  alba  etc. 

Die  Vegetation  der  Wiesenmoore  weist  eine  grössere  Anzahl  Pflanzen- 
arten auf,  die  auch  an  anderen  Standorten  vorkommen,  als  die  Hoch- 
moore, was  wohl  auf  ihren  geringeren  Reichthum  an  gelösten  organischen 
Stoffen  und  ihren  grösseren  Reichthum  an  Mineralstoffen  zurückzufuhren 
ist.  Doch  besitzt  das  Wiesenmoor  auch  seine  charakteristischen  Arten, 
so  in  Baiern,  nach  Sendtner:  Epilobium  palustre  und  tetragonum,  Senecio 
aquaticus  und  paludosus,  Gentiana  Pneumonanthe ,  Gratiola  officinalis, 
Juncus  conglomeratus,  Rhynchospora  fusca,  mehrere  Carices  etc. 

In  wie  fern  die  charakteristischen  Pflanzen  der  Moore  der  organischen 
Bestandtheile  des  saueren  Humus  bedürfen  oder  nur  deswegen  auf 
dieselben  beschränkt  sind,  weil  sie,  ähnlich  den  Halophyten,  dieselben 
ertragen  und  bei  der  geringeren  Concurrenz  anderer  Arten  sich  zu 
behaupten  vermögen,  ist  für  manche  derselben  noch  eine  offene  Frage. 
Doch  vermögen  nachweisbar  mehrere  typische  Moorpflanzen,  namentlich 
solche  des  Wiesenmoors,  in  Cultur  auch  auf  gewöhnlichem  Boden  zu 
gedeihen,  wie  z.  B.  Gratiola,  die  Epilobien  etc. 

Dass  eine  Verwendung  des  Humus  für  die  Ernährung  gewisser 
Arten  der  Moorflora  stattfindet,  geht  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
daraus  hervor,  dass  bei  vielen  derselben  (Ericaceen,  Empetrum, 
Orchideen)  die  endotrophische  Mycorhiza  nachgewiesen  worden  ist. 
Doch  scheint  auch  für  die  Pilze  die  Assimilation  des  Humus  im  Moor- 


694 


Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 


boden  weit  schwieriger  zu  sein  als  diejenige  des  milden  Humus,  indem 
die  auf  letzterem  so  massenhaft  auftretenden  stattlichen,  chlorophyll- 
freien saprophytischen  Pilze   den  Mooren  gänzlich  fehlen. 

Noch  in  anderer  Hinsicht  bieten  die  Moore,  namentlich  die 
mächtigen  Hochmoore ,  dem  Pflanzenleben  ungünstige  Bedingungen, 
nämlich  in  ihrer  Armuth  an  Mineralstoffen,  bedingt  durch  die 
grosse  Entfernung  der  Pflanzendecke  von  der  mineralischen  Unter- 
lage und  durch  die  absorbirende  Wirkung  des  Humus,  die  ein  Auf- 
saugen der  gelösten  Salze  erschwert  oder  unmöglich  macht.  In  der 
erdigen  Humusschicht,  welche  die  Hochmoore  in  einer  Mächtigkeit 
von    2  —  3,5  Fuss   überzieht,   ist   das   Verhältniss   der   organischen   Be- 


Fig.  397.    Sphagnum  fimbriatum.    Zweig 
in  natürl.  Grösse.    Nach  W.  P.  Schimper. 


Fig.  398.     Sphagnum  cymbifolium. 
a  Chlorophyllhaltige  Zellen,     w  Wasser- 
zelle mit  Verdickungsleisten  und  Löchern 
L.  von  der  Fläche.     L.  d.  B. 


standtheile  zu  den  anorganischen  ungefähr  5 : 2  während  es  in  guter 
humöser  Erde  auf  etwa  1:2  herabsinkt.  Die  Torflager  der  Wiesen- 
moore sind  weit  weniger  mächtig  und  weit  reicher  an  MineralstorTen 
als  diejenigen  der  Hochmoore,  deren  Mächtigkeit  in  der  Mitte  30  Fuss 
betragen  kann. 

Auch  in  Bezug  auf  den  Gehalt  an  assimilirbaren  Stick- 
stoffsubstanzen  gehören  die  Moore,  namentlich  die  Hochmoore, 
zu  den  ärmsten  Böden.  Stickstoff  ist  zwar  reichlich  vorhanden,  aber 
in  der  unzugänglichen  Form  humificirter  Eiweisskörper.  Nitrificirende 
Bacillen  sind  in  Folge  der  SauerstofTarmuth  spärlich  vorhanden,  und 
der  Bacillus  der  Leguminosenknöllchen  gedeiht  in  Torfmooren  nicht. 


X.   Edaphische  Wirkungen  in  den  temperirten  Zonen.  Qg  5 

Die  eben  erwähnten  Uebelstände  sind  bei  manchen  Moorpflanzen, 
namentlich  solchen  der  amerikanischen  Flora,  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  dadurch  ausgeglichen,  dass  dieselben  sich  die  kleine  Thierwelt, 
als  fleischfressende  und  fleischverdauende  Pflanzen  zu 
Nutzen  machen.  Die  Moore  stellen  die  Heimath  der  meisten  dieser 
merkwürdigen  Gewächse  dar. 

Bekannt  ist  auf  unseren  Mooren  das  Vorkommen  der  üppigen 
Rasen  von  Drosera,  an  Stellen  wo  sonst  keine  oder  nur  eine  kümmer- 
liche Vegetation  gedeiht.  Auch  Pinguicula  vulgaris  und  Arten  von 
Utricularia  sind  Bewohner  der  deutschen  Moore.  Indess6n  kommt  die 
fleischfressende  Flora  unserer  Moore  neben  derjenigen  der  nord- 
amerikanischen gar  nicht  in  Betracht.  So  sah  ich  auf  den  Hochmooren 
von  Massachussets ,  ausser  grossen  Droseren,  Sarracenia  purpurea 
und  die  bodenbewohnende  Utricularia  cornuta,1)  einen  wesentlichen 
Theil  der  Vegetation  bilden,  und  in  Florida  stattliche  Insektenfresser, 
wie  Pinguicula  lutea,  elatior  und  pumila,  Sarracenia  variolaris  die 
Moorvegetation  geradezu  beherrschen.  Ausserhalb  der  Moore  bewohnen 
die  fleischfressenden  Pflanzen  vorwiegend  sterilen  Sand,  also  ein 
Substrat,  welches,  wie  der  Torfboden,  durch  grosse  Armuth  an  Nähr- 
stoffen ausgezeichnet  ist.  So  sah  ich  in  Florida  die  kleine  Utricularia 
subulata  als  einzigen  Besiedler  von  Sandflächen,  aus  welchen  ihre 
haardünnen  blattlosen  Schäfte  hervorragten,  während  die  im  Boden 
verborgenen  Blasen  des  Rhizomsystems  beinahe  die  ganze  Nahrungs- 
aufnahme besorgten. 

Dadurch,  dass  einige  insektenfressende  Pflanzen,  z.  B.  Nepenthes- Arten, 
auf  einem  reicheren  Substrat  vorkommen,  wird  ihrer  Bedeutung  für  die  Flora 
steriler  Böden  kein  Abbruch  gethan.  Uebrigens  sah  ich  einen  Nepenthes 
(N.  melamphora?)  in  üppigen  Exemplaren  auf  den  sterilen  Gerollen  des 
Vulkans  Goentoer  auf  Java. 


Auswahl  der  Literatur. 

1.  Allgemeines. 

Vergl.  die  Literaturübersicht  S.  206. 

2.  Die  temperirten  Strandformationen. 

Ascherson,  P.     Die  Salzstellen  der  Mark  Brandenburg.    Zeitschr.  d.  deutsch. 

geolog.  Gesellsch.     XL     1859. 
B  r  i  c  k ,  C.     Beiträge  zur  Biologie  und  vergleichenden  Anatomie  der  baltischen 

Strandpflanzen.     Schriften  der  naturf.  Gesellsch.  zu  Danzig.     1888. 

•)  Schimper  1.  c.     Da  näheres  über  die  Oekologie  dieser  Gewächse. 


6g6  Zweiter  Abschnitt:   Die  temperirten  Zonen. 

Buchenau,  Fr.     I.     Flora  der  ostfriesischen  Inseln.     1887. 

—  IL     Vegetationsverhältnisse  des  Helms.     Abh.  d.  naturw.  Ver.  in  Bremen. 

Bd.  IX.     1887. 

—  III.     Die  Pflanzenwelt  der  ostfriesischen  Inseln.     Ibid.    S.  A.  s.  d. 
Contejean,  Ch.     Geographie  botanique.     1881. 

Daveau,   J.     La   flore   littorale    du   Portugal.     Bullet  de  l'herbier  Boissier. 

Vol.  IV.     1896. 
Drude,  O.     Deutschlands  Pflanzengeographie.     Erster  Theil.     1896. 
Flahault,    Ch.,    et   P.  Combres.      Sur   la   flore   de   la  Camargue   et  les 

alluvions  du  Rhone.     Bullet  de  la  Soc.  botanique  de  France.    Tome  41. 

1894. 
Schimper,  A.  F.  W.     Die  indo-malayische  Strandflora.     Jena  1891. 
Schulz,  A.     Vegetationsverhältnisse  der  Umgebung  von  Halle.     Mittheil.  d. 

Vereins  für  Erdkunde.     1887. 
Warming,  E.     I.     Fra  Vesterhavskystens  Marskegne.    Vidensk.  Meddelelser 

naturh.  Forening,  Kjöbenhavn   1890. 

—  II.     De  psammofile  Vegetationer  i  Danmark.     Ibid.     1891. 

—  III.     Exkursionen  til  Fanö  og  Blaavand  i  Juli  1893.    Bot  Tidsskrift  1894. 
Willkomm,  M.     Vegetation  der  Strand-  und  Steppengebiete  der  iberischen 

Halbinsel.     1852. 

3.  Die  Heide. 

Borggreve.     Heide  und  Wald.     Berlin  1889. 

Drude,  O.  I.  Ueber  das  gemischte  Auftreten  von  Heide-  und  Wiesen- 
vegetation.    Flora.     1876. 

—  IL     Deutschlands  Pflanzengeographie.     I.     1886.     S.  331. 

F  o  c  k  e ,  W.  Ueber  die  Vegetation  des  nordwestdeutschen  Tieflandes.  Abh. 
d.  naturw.  Vereins  in  Bremen.     187 1. 

—  Einige   Bemerkungen   über   Wald  und   Heide.      Abh.    d.    naturw.  Vereins 

Bremen.     Bd.  III. 

Graebner,  P.  Studien  über  die  norddeutsche  Heide.  Engler's  Botan. 
Jahrbücher  Bd.  XX.     1895. 

Krause,  E.  H.  L.     Die  Heide.     Engler's  Botan.  Jahrbücher  XIV.     1892. 

Müller,  P.  E.  Studien  über  die  natürlichen  Humusformen  und  deren  Ein- 
wirkung auf  Vegetation  und  Boden.     Berlin  1887. 

4.  Die  Moore. 

Christ,  H.     Das  Pflanzenleben  der  Schweiz.     1879. 

Drude,  O.     Deutschlands  Pflanzengeographie.     I.     1886.     S.  335. 

Fischer-Benzon.  Die  Moore  der  Provinz  Schleswig-Holstein.  Abh.  d. 
naturw.  Ver.  Hamburg.     Bd.  XI.     1891. 

Grisebach,  A.  Ueber  die  Bildung  des  Torfes  in  den  Emsmooren.  Ge- 
sammelte Abhandlungen.     Leipzig   1886. 

Müller,  P.  E.     Studien  über  die  natürlichen  Humusformen  etc.    Berlin  1887. 

Schimper,  W.  P.  Versuch  einer  Entwickelungsgeschichte  der  Torfmoore. 
1858. 

Sendtner,  O.     Vegetationsverhältnisse  Südbayerns.     1854. 

Weber,  CA.  Ueber  die  Vegetation  des  Moores  von  Augstumal  bei  Heyde- 
krug.  Mitth.  d.  Vereins  zur  Förderung  d.  Moorcultur  im  deutschen 
Reiche.     Bd.  IX.      1894. 


Dritter  Abschnitt. 

Die  arktische  Zone. 


I.  Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen 
auf  Vegetation  und  Flora. 

1.  Charakteristik  des  polaren  Klimas.  Allgemeine  Eigenschaften.  Sommertempe- 
raturen. Unterschiede  zwischen  der  Temperatur  der  Luft  und  derjenigen  bestrahlter  Gegenstände. 
Niederschläge.  Klimatische  Tabellen.  2.  Wirkungen  des  arktischen  Klimas  auf  das 
Pnanzenleben.  §  I.  Uebersicht  der  klimatischen  Factoren.  —  §  2.  Vegetations- 
zeit und  periodische  Erscheinungen.  Lebensbedingungen  der  Pflanzen  in  der  Arktis  nach 
Kjellman.  Erwachen  der  Vegetation  aus  dem  Winterschlaf.  MiddendorfTs  Beobachtungen. 
Reifen  der  Früchte.  —  §  3.  Wachsthum  und  Stoffwechsel  der  Vegetations- 
organe. Zwerghafter  Wuchs.  Wachsthum  bei  dauernder  und  unterbrochener  Beleuchtung. 
Assimilation  im  continuirlichen  Sonnenlicht  Durch  continuirliche  Beleuchtung  bedingte 
histologische  Eigenthümlichkeiten.  —  §  4.  Xerophile  Structur  der  Vegetations- 
organe. Xerophile  Merkmale  durch  die  Bodenkälte  bedingt.  Polsterform.  —  §  5.  Re- 
productionsorgane.  Grosser  Blttthenreichthum.  Relativ  grosse  Blüthendimensionen.  — 
§  6.  Angebliche  Schutzmittel  gegen  Kälte.  3.  Floristischer  Charakter  der 
arktischen  Lander.    Grönlands  Flora  nach  Warming.    Spitzbergen^  Flora  nach  Nathorst. 

1.  Charakteristik  des  arktischen  Klimas. 

Von  den  beiden  polaren  Kappen  deß  Erdballs  soll  die  eine,  die 
südliche,  jeder  Vegetation  entbehren.  Diese  Annahme  wird  vielleicht 
durch  spätere  Forschungen  widerlegt  werden.  Jedenfalls  entzieht  sich 
zur  Zeit  das  südliche  Polargebiet  der  pflanzengeographischen  Betrach- 
tung. Die  arktischen  Polarländer  tragen  hingegen  überall,  soweit  sie 
im  Sommer  eisfrei  sind,  noch  jenseits  der  Baumgrenze  eine  artenarme 
und  dürftige  Pflanzendecke. 


ßgg  Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 

Die  Baumgrenze  bildet  in  ökologischer  Hinsicht  die  natürliche  Süd- 
grenze des  arktischen  Vegetationsgebiets.  Sie  liegt  bald  nördlich,  bald 
südlich  des  Polarkreises,  ersteres  in  Europa  und  Asien,  letzteres  in 
Amerika,  am  nördlichsten  an  einzelnen  Punkten  Sibiriens,  am  südlichsten 
in  Labrador. 

Temperatur  und  Beleuchtung  bieten  die  Hauptmerkmale  des 
Polarklimas,  erstere  in  dem  langen  kalten  Winter  und  dem  kurzen  kühlen 
Sommer,  letztere  in  der  langen  Winternacht  und  dem  langen  Sommer- 
tag. Die  winterliche  Dunkelheit  ist  für  das  Pflanzenleben  wenigstens  auf 
dem  Festland  irrelevant.  Auch  den  tiefen  Wintertemperaturen  kommt 
nicht  eine  so  hervorragende  Bedeutung  zu,  als  ihnen  z.  B.  noch  Grise- 
bach  zuschrieb ;  sie  sind  im  Allgemeinen  nicht  einmal  so  streng  als  an 
manchen  Punkten  der  temperirten  Zonen.  Von  grösserer  Bedeutung  für 
das  Pflanzenleben  als  die  Temperaturminima  ist  die  Armuth  der  Nieder- 
schläge im  Winter,  sind  die  heftigen  Winde,  welche  die  meist  nicht  sehr 
mächtige  Schneeschicht  zu  Haufen  zusammenwehen  und  weite  Strecken 
bewachsenen  Bodens  rein  fegen.  Verhängnissvoll  sind  ausserdem  für 
die  Vegetation  während  des  Winters  die  Klarheit  des  Himmels  und  die 
zeitweise  herrschende  Trockenheit  der  Luft,  welche  so  gross  werden 
kann,  dass  auch  bei  der  grössten  Kälte  der  Athem  sich  nicht  verdichtet 
und  der  Tabak  zu  Staub  zerfallt. 

Der  Winter  setzt  sich  weit  in  die  Frühjahrsmonate  fort,  so  dass  oft 
der  März,  im  nordeuropäischen  Polargebiet  sogar  noch  der  April,  die 
grösste  Kälte  bringen  kann.  „Im  Mai  steigt  die  Temperatur  rasch,  und 
fast  überall  und  stets  ist  der  Juli  der  wärmste  Monat,  da  im  August  die 
Sonnenstrahlung  schon  wieder  rasch  abnimmt"  (Hann). 

Während  des  grössten  Theiles  der  drei  Sommermonate  (Juni,  Juli, 
August)  ist  die  Sonne  über  dem  Horizont  ununterbrochen  65  Tage  lang 
unter  dem  70.,   134  Tage  lang  unter  dem  80.  Breitegrad. 

Die  Sommertemperaturen  sind  in  den  verschiedenen  Theilen  des 
Polargebiets  sehr  ungleich,  aber  nicht  so  sehr  von  dem  Breitegrade, 
als  von  der  Vertheilung  von  Land  und  Wasser  und  von  dem  Vorhanden- 
sein oder  Fehlen  warmer  Strömungen  abhängig.  Immerhin  ist  beinahe 
überall,  auch  während  des  wärmsten  Monates,  Juli,  die  Lufttemperatur 
eine  niedrige.  So  beträgt  sie  in  Ost- Grönland  3,8°  C,  in  Spitzbergen 
(Nordenskjöld)  4,6;  an  der  Westküste  von  Nowaja  Semlja  4,6;  in 
Boothia,  an  der  Nordspitze  Amerika's  5,2:  in  Grinellland  2,8;  in  Godt- 
haab  an  der  Westküste  Grönlands  6,6.  Wärmer  ist  die  Nordküste  Asiens, 
wo  das  Maximum  stellenweise  erst  im  August  eintrit,  z.  B.  Tolstoj  Noss 
(August)  8,8°;  Filipows-Koje  (August)  10,7;  Ussjansk  (Juli)  13,4  (Hann 
und  Woeikof). 

Die  tägliche  Wärmeschwankung  an  5  Orten  zwischen  dem  700  und 
750  N.  B.  beträgt  nach  Hann:  Mai  5,4°;  Juni  4,5;  Juli  2,4;  August  2,9. 


I.    Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Flora.  ßOQ 

Die  Lufttemperatur,  namentlich  die  mittlere,  giebt  allerdings  noch 
weniger  als  in  niederen  Breiten  eine  Vorstellung  von  der  Wärmemenge, 
die  der  Pflanzenwelt  thatsächlich  zur  Verfügung  steht.  An  jenem  Pol, 
der  sein  Sommerhalbjahr  hat,  ist  die  Bestrahlung  vor  und  nach  der 
Sonnenwende,  also  durch  56  Tage,  stärker  als  an  irgend  einem  Punkte 
der  Erde  und  während  84  Tage  grösser,  als  die  gleichzeitige  am 
Aequator  (Hannj.  Allerdings  ist  die  Wärmeabsorption  durch  die  Atmo- 
sphäre auf  dem  langen  Wege  zum  Pole  eine  weit  grössere  als  auf  dem 
kürzeren  zum  Aequator;  aber  die  Lufttemperatur  wäre  dennoch  eine 
weit  grössere,  als  sie  thatsächlich  ist,  wenn  die  Sonnenwärme  nicht 
zum  grösssten  Theile  zum  Schmelzen  der  Eismassen  Verwendung  fände. 

Der  Temperaturunterschied  zwischen  der  Luft  und  den  direkt  be- 
strahlten Gegenständen  ist  dementsprechend  in  den  Polarländern  weit 
grösser,  als  in  Gebieten,  die  während  des  Sommers  frei  von  Schnee 
und  Eis  sind.  Aus  dem  gleichen  Grunde  wird  trockener  Boden  durch 
die  Sonne  stärker  erwärmt  als  solcher,  der  in  geringer  Tiefe  Grundeis 
enthält.  Auch  werden  geneigte  Bodenflächen  stärker  erwärmt  als  hori- 
zontale, wo  das  Schmelzwasser  über  dem  ewigen  Bodeneise  stagnirt 
und  immer  wieder  von  unten  gefriert  (Hann).  Endlich  kommt  bei  ge- 
neigten Flächen  auch  die  Stellung  zum  Horizont  wesentlich  in  Betracht 
indem  der  Boden  bei  günstiger  Lage  zum  Sonnenlicht  unter  weniger 
schiefem  Winkel  oder  gar  senkrecht  von  demselben  getroffen  wird. 

Folgende  Angaben  illustriren  das  über  den  Temperaturunterschied  zwischen 
Luft  und  direkt  bestrahlten  Gegenständen  Gesagte: 

„Nach  Kane's  Beobachtungen  an  einem  geschwärzten  Thermometer  (im 
Vacuum)  in  Rensselaerhafen  (j&1/20  N.)  stieg  die  Temperatur  in  der  Sonne 
vom  16.  Mai  bis  zum  4.  September  stets  über  den  Gefrierpunkt  und  erreichte 
selbst  2i°  C.  Die  Luftwärme  dagegen  war  nur  von  Mitte  Juni  bis  Mitte 
August  über  o.  In  der  Assistancebai  (7  4 2/2°  N.)  beobachtete  man,  dass  schon 
im  März  bei  einer  Lufttemperatur  von  — 31  °  bis  — 33 °  C.  der  Schnee  in 
der  Sonne  zum  Schmelzen  kam,  wo  er  über  Steinen  oder  in  der  Nähe  des 
dunklen  Schiffskörpers  lag."     (Hann,  S.  745.) 

Von  der  Vega-Expedition  wurde  auf  dem  Sandstrande  bei  Pittlekaj  am 
8.  Juli  um  10  Uhr  die  Lufttemperatur  1  m  über  dem  Boden  auf  +6.8°  G, 
an  der  Oberfläche  desselben  auf  -(-I4-5°»  m  IO  cm  Tiefe  auf  +  230,  in 
15  cm  Tiefe  auf  -|-i70C.  festgestellt.     (Kjellman.) 

Auch  Kihlman  widmete  dem  Gegenstande  in  Russisch-Lappland  seine 
Aufmerksamkeit:  „Auf  dem  Tundraplateau  bei  Orlow  beobachtete  ich  am 
10.  Mai  um  1  Uhr  Nachmittags,  während  der  Schnee  nur  stellenweise  ge- 
schmolzen war  und  das  Thermometer  im  Schatten  gleichzeitig  -\-8  bis  90  C. 
zeigte,  folgende  locale  Erwärmungen.  In  einer  horizontalen  Flechten-Heide 
(Grundeis  5  cm,  Schneewasser  etwa  20  Schritte  entfernt)  war  die  Temperatur 
dicht  am  Boden  -|- 1 40 ;  1  dm  von  der  Oberfläche ,  in  gleicher  Höhe  mit 
den  Astspitzen  der  Zwergbirke,   12°-   5  dm  von  der  Oberfläche  90.     Ein  3  dm 


7oo 


Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 


hoher,  mit  Empetrum  und  Cladina  bewachsener  Torfhtimpel  zeigte  an  seiner 
steilen  Südseite  24.5  °  (Grundeis  5  cm  entfernt).  Ein  zweiter,  4  dm  hoher, 
aber  weniger  steiler  Hümpel  hatte  eine  30.2  °  warme  Oberfläche  (Grundeis 
dicht  unter  den  Reisern).  Eine  ausgetrocknete  Vertiefung  des  Bodens,  von 
wasserreichen  Hypna  bekleidet,  war  13.50  C.  warm  (Grundeis  4  cm  entfernt). 
In  der  vorhergehenden  Nacht  war  das  Minima-Thermometer  auf  — 4.30  ge- 
sunken, und  in  der  folgenden  sank  es  wieder  auf  -I-0.50."1) 

Derselbe  Forscher  hat  ausserdem  instructive  Beobachtungen  über  die 
Temperatur  des  Bodens  unter  einer  Schneedecke  angestellt:  „Als  bisher 
wenig  oder  gar  nicht  beachteter  Factor  bei  der  Verminderung  der  Schnee- 
decke kommt  nach  meinen  Beobactungen  noch  eine  untere  Abschmelzung 
hinzu.  An  sonnigen  Frühlingstagen  sieht  man  nämlich  oft  längs  dem  Saume 
der  Schneefelder  die  Unterfläche  derselben  von  dem  Boden  durch  eine 
deutliche,  mitunter  bis  decimeterhohe  Lufthöhle  isolirt;  ihre  Breite  nach  innen 
beträgt  nicht  selten  2 — 3  Fuss  .  .  .  Bei  Gegenständen,  die  über  dem  Boden 
emporragen,  aber  noch  von  dem  Schnee  vollständig  bedeckt  sind,  ist  Aehn- 
liches  wahrzunehmen.  Sobald  die  zusammensinkende  Schneebedeckung,  z.  B. 
oberhalb  eines  Steines,  ein  gewisses  Maximum  von  Dicke,  das  jedenfalls  nicht 
sehr  beträchtlich  sein  kann,  erreicht  hat,  beginnt  eine  Unterschmelzung,  die 
zur  Herstellung  eines  Hohlraums  zwischen  dem  Steine  und  dem  Schnee 
führt  .  .  .  Trotz,  der  äusserst  geringen  Durchlässigkeit  des  Schnees  für  Wärme 
bleibt  wohl  eine  durch  Strahlenabsorption  erfolgte  Erwärmung  der  Oberfläche 
des  im  Schnee  begrabenen  Körpers  die  einzig  mögliche  Erklärung  des  Vor- 
gangs. Er  ist  mit  dem  von  den  Gletschereinschlüssen  hervorgerufenen  Entstehen 
prismatischer  Hohlräume  im  Eise  ganz  analog  und  auf  dieselben  Ursachen 
zurückzufuhren.  Eine  Voraussetzung  für  das  deutliche  Hervortreten  des 
Phänomens  ist  die  vorhergehende,  mehr  oder  weniger  vollständige  Umwandlung 
des  Schnees  in  Firnschnee  oder  Firn  ...  da  wohl  dem  Firn,  der  in  seinen 
physikalischen  Eigenschaften  zwischen  Hochschnee  und  Eis  steht,  auch  eine 
im  Vergleich  mit  dem  ersteren  erhöhte  Diathermaneität  zukommt"*) 

„Eine  direkte  Bestätigung  dieser  Vermuthungen  fand  ich  durch  folgende 
Beobachtung.  Am  11.  Mai,  einem  sonnigen,  warmen  Tage,  wurde  Mittags 
am  Rande  einer  Schneeansammlung  auf  einem  schwach  geneigten,  südlichen 
Bergabsatz  der  2 — 3  cm  dicke  Eissaum  durchlöchert  und  durch  das  enge 
Loch  ein  Thermometer  eingeschoben,  so  dass  seine  Kugel  auf  der  aus  filzig 
verbundenem  Empetrum,  Vaccinium  und  Cladina  bestehenden  Unterlage  zu 
stehen  kam.  Das  Eindringen  warmer  Luft  von  der  Seite  wurde  so  gut  es 
gehen  wollte  durch  vorgestellte  Eisstücke  verhindert;  die  Entfernung  der 
Thermometerkugel  von  der  Unterfläche  des  Eises  betrug  nur  etwa  2  cm. 
Obgleich  nun  das  Heruntersinken  des  kalten  Schmelzwassers  längs  der  Thermo- 
meterröhre nicht  gänzlich  vermieden  werden  konnte,  hielt  sich  die  Temperatur 
längere  Zeit  auf  -(-  7  °  C.  Sobald  die  Eisscholle  durch  eine  gleichdicke 
Scheeschicht  verstärkt  wurde,  sank  die  Temperatur  auf  30,  später  auf  -|-i0  C. 
Unmittelbar  in  der  Nähe,  auf  schneefreiem  Boden,  zeigte  ein  Thermometer, 
dessen    Kugel    zwischen    den   Reisern    versteckt   und    vor   direkter  Besonnung 


!)  1.  c.  S.  31.     2)  1.  c.  S.  48. 


I.   Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Flora.  70 1 

geschützt  wurde,    -|-2o0.     Die  Temperatur  der  Luft,   in  gewöhnlicher  Weise 
gemessen,  war  gleichzeitig  -|-70."     (S.  48 — 49.) 

So  günstige,  durch  direkte  Bestrahlung  hervorgerufene  Boden- 
temperaturen sind  von  kurzer  Dauer,  indem  die  Wolken  und  nament- 
lich die  häufigen  Nebel  die  Sonnenscheibe  bald  wieder  verdecken. 
Ausserdem  sind  sie  auf  eine  Oberflächenschicht  von  geringer  Dicke 
beschränkt,  unterhalb  welcher,  etwas  tiefer,  oder  etwas  weniger  tief,  je 
nach  der  horizontalen  oder  schiefen  Lage  des  Bodens,  bald  der  ewige 
Nullpunkt  erreicht  wird. 

So  berichtet  Middendorff:  „Auf  dem  unmittelbar  von  der  Sonne 
beschienenen  Boden  sah  ich  wiederholt  das  Thermometer  zu  Anfang 
August  bis  über  24  °  R  steigen,  so  dass  es  wohl  den  dreifachen  Betrag 
der  Luftemperatur  erreichen  mag.  Von  der  Oberfläche  des  Bodens  bis 
in  die  Tiefe  hinein  nimmt  aber  die  Temperatur  so  rasch  ab,  dass  es 
in  2  Zoll  Tiefe  kaum  halb  so  warm,  in  4  Zoll  Tiefe  nochmals  halb  so 
warm  ist,  etwa  nur  +  30  R  war,  während  auf  if  bis  i1/«/  Tiefe  der 
Boden  steif  gefroren  bleibt  und  seine  nähere  Umgebung  auf  dem  Gefrier- 
punkt erhält."1) 

Die  Niederschläge  sind  während  der  Vegetationszeit  gering 
(vgl.  die  Tabellen),  aber  sehr  häufig.  Von  grosser  Bedeutung  für  die 
nur  aus  seicht  wurzelnden  Pflanzen  bestehende  Vegetation  dürften  die 
häufigen,  nassen  Nebel  sein.  So  sagt  Martins  von  Spitzbergen:  „Die 
Nebel  halten  fast  beständig  an  und  sind  von  einer  Dichtigkeit,  dass 
man  die  Gegenstände  auf  ein  paar  Schritt  vor  sich  nicht  erkennt; 
diese  Nebel,  feucht  kalt  und  durchdringend,  durchnässen  oft  wie 
Regen." 2) 

In  ähnlicher  Weise  spricht  sich  Kihlman  über  Russisch-Lappland 
aus :  „Dichter,  bisweilen  wochenlang  anhaltender  Nebel,  der  alles  durch- 
nässt  und  zeitweise  von  feinem  Staubregen  kaum  zu  unterscheiden  ist, 
ist  für  die  Sommermonate  der  Küstengegenden  geradezu  charakte- 
ristisch."8) 

Hann  erwähnt  den  Sommernebel  in  seiner  allgemeinen  Charakte- 
ristik des  Polarklimas  als  eines  häufigen  „grossen  Uebelstands." 

Die  folgenden  Tabellen  weisen  in  westöstlicher  Richtung  die  kli- 
matischen Verhältnisse  an    einzelnen  Punkten   der  Nordpolarländer  auf. 


*)  1.  c.  S,  666. 

*)  1.  c.  Bd.  I,  S.  83. 

8)  1.  c.  S.  40. 


702 


Dritter  Abschnitt:    Die  arktische  Zone. 


Tabelle  L 
Fort  Conger  (Grinnell-Land).     8i°  44'  N.,  640  45'  W„  Meeresniveau 

2  Jahre  (1881 — 83). 


Te 

1                  <! 
1       Mittel 

mperatur 
881—82) 

Extreme 

Rel. 

Feuch- 
tigkeit 

TS  M 

Ü. 

7.9 

Wind- 
geschwin- 
digkeit 

Nieder- 
schläge 
Menge'   Tage 

Klara 
Wetter 
Stunden 

August .     . 

0.8 

7-7 

—   9.1 

78 

1.8 

12    |      7.O 

73 

September. 

|      —  ".7 

—    1.1 

— 23.6 

84 

6.3 

1.9 

9 

i°-5 

196 

October     . 

\      — 22.9 

—12.8 

—35-1 

83 

4.5 

I.I 

6 

7-5 

35» 

November . 

—31.4 

—  19.4 

—41.7 

— 

2.7 

0.5 

5 

4-5 
5-5 

470 

December . 

,     —35-6 

—  23.3 

—46.8 

— 

3-6 

O.4 
O.4 

8 

425 

Januar  .     . 

1     —39-° 

—  23.1 

—  50.1 

3.4 

10 

6-5 

454 

Februar 

!     —  43-6 

—23-3 

—52.3 

- 

2.8 

o-3 

3  4.5 

11  I11.5 

4  6.0 

426 

März     . 

i     ~34-4 

— 21.7 

—43-8 

— 

4.9 

0.8 

286 

April     .     . 

— 22.6 

IO.I 

—41.2 

— 

3-5 

1.1 

415 

Mai .     .     . 

—   8.1 

2.1 

— 17.2 

79 

6.0 

i.7 

10 

9-5 
5-Q 
9.0 

176 

Juni.     .     . 

0.6 

11.7 

— 10.7 

79 

6.6 

2.5 

5 

140 

Juli  .     .     . 

2.7 

10.2 

—    I.I 

80 

7.i 

2.0 

17 

66 

Jahr      .     . 

—  2O0.O 

1 

Maximum 

82—83: 

II.3 

Minimum 
82-83: 
—  492 

100 
mm 

87.0 

1080 

Maximum  der  Sonnenstrahlung  im  Mai:  im  Mittel  21°  3.    Absol.  Maximum  51  °  4  (Mai  83). 
Differenzen  zwischen  Schatten  und  Sonne  plus  40 — 50  °. 

Meteor.  Zeitschr.   1890,  S.   17  u.f. 

Tabelle  IL 
Godthaab  (West-Grönland).     640  11'  N.,  510  44'  W.,  26.2  m  iL  M. 

Jahr  1882 — 83. 


Jahr 


' 

T< 
Mittel 

4-6 

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— 0.6 
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4.6 

Nieder-    |  Relativ« 

schlage    !    Feuch- 

Menge     Tage  \     ttgkeit 

August .     .  ! 

5.l]    7-6 

34  !     I5|     90 

September . 

2.7 

9.0 

7.5 

8.0 

230       25  ,      86 

October     . 

-3-o 

6.8 

—  "•3 

6.8 

6.0 

1.6 

18         7  i     78 

November. 

—7.5 

1.8 

7-i 

6.6 

0.2 

15         6       74 

December . 

6.1 

—  14.4    1    6.5 

7.0 

"8.5 
84 

— 0.3 

8  |      5  '     76 

Januar  . 

—9.7 

— 15-5 

7-4 

—  20.0    -    7.8 

— °-5 

3         7        81 

Februar 

2.0 

—  24.2 

—  23.4 

9-4 
91 

40  ;   10     93_ 

März     .     . 

— 6.0 

-5-6 

1 1.2 

69  I    17       85 

April     .     . 

5-3 

— 130 

6.9 

7.5 

—  O.I 

12         9       84 

Mai       .     . 

O.I 

71 

—3-7 

6.2    1   7.0 

0.2 

33         6        88 

Juni       .     . 

2.7 

14. 1 

—1.9 
2.3 

°-3 
4.8 

201       17        87 

Juli        .     . 

6.3 

14.9 

6.2 

7.8 

187  i     17        89 

i 


835  134 


Meteor.  Zeitschr.   1890,  S.  143- 


I.    Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Flora.        .  703 


Tabelle  in. 
Sabine-Insel  (Ost- Grönland).     740  32'  N.,   180  49'  W. 


T 
Mittel 

e'mperatur 

Extreme 

Tägl. 
Ampi. 

Bewöl- 
'  kung 

Wind- 
stärke 

(1-12) 

Stunden- 
Nieder- 
schlag 

December  .     . 

1  —19.3 

—  2.9       — 27.8 

0.5 

6.3 

4.1 

71 

Januar 

— 22.0 

—  7.3 

—33-6 

05 

3-7 

1.6 

63 

Februar  . 

,    —25-° 

—  10.3 

— 40.2 

I.l 

5-3 

3-i 

47 

März 

;    —23.4 

— 12.7 

—  340 

3-4 

4.2 

3-5 

43 

April 

—  15-3 

—  0.9 

—3i.5 

5.6 

5-i 

3-° 

38 

Mai    .     . 

1        —5.O 

+  5.0 

-18.5 

5.4 

5-2 
6.5 
3-9 

1.9 

58 

Juni  .     . 

|        +2.0 

+  8.0 

-3.8 

3-9 

I-9 

88 

Juli    .     . 

1     +4.0      +I3-1 

— 1.2 

3.8 

1.2 

72 

August    . 

1  +I.I 

+  II.5    1      -6-1 

4.4 

4.5 

i.7 

37 

September 

—5-7 

+  5.0 

— 11.8 

3-o 

5-° 

2.6 

33 

October . 

—  13.2 

—4.4 

—  22.8 

i.3 

4.2 

2-3 

43 

November 

80.3  1 
der  mensch 

'age 
ichc 

1  — J7.5 
mit  völlig 
;  Athem  n 

Zeits 

—  9.1 

wolkenfr 
icht  als  > 

ehr.  d.  öste 

—  25.4 

eiern  Him 
febel  sich 

rr.  Gesellsc 

0.7 

mel.     Se 
tbar. 

h.  für  Met 

5.4 
slbst  bei 

eorologie. 

3.6          42 
strengster  Kälte 

1876.    S.  123. 

Tabelle  IV. 
Spitzbergen  (Mosselbai).     790  53'  N.,  160  4'  E.,   12  m  ü.  M.     1872 — 73. 


Mittel 


Temperatur 
I  Extreme 


Tägl. 
Ampi. 


Relative 
Feucht. 


Bewöl- 
kung 


December 

—  n-5 

—3-4 
+  36 

—  26.6 

0.6 
~i.3~ 

86 
"85"" 

5-1 

Januar   . 

- 

—13-7 

—32.4 

7-9 

Februar 

— 18.1 

+  1.6 

-38.2 

0.8 
1-3 

94 

6.7 

März 

—  20.7 

—0.4 

+0.2 

—  38.0 
— 32.6 

92 
97 

6.6 

April 

—  17.4 

3-3 

6.7 

Mai  .     . 

-8.5 

+  3.6 

—  19.4 

2.7 

90 
79 

8.1 

Juni  .     . 

+  1.1 

+  9-4 

—3-9 

0.0 

1.9 

8.2 

Juli  .     . 

+  5.3 

+  12.8 

— 

— 

— 

August  . 

!      +2.1 

+9.0 
+6.1 

—  2.6 

—  *9-o 

—  27.2 

o-9_ 
1.0 

96 
94 

— 

September . 

—4.6 

8.7 

October 

—9.9 

—0.6 

8.0 

November 

1     —  ".3 

+  2.6 

—19-5 

0.7 

93 

7.i 

Die  im  Winter  häufigen  und  starken  Südwinde  erniedrigen  die  Feuchtig- 
keit um  2o°/0    und    erhöhen    die  Temperatur   um    10 — 2o°/0   über  den  nor- 

malen  Werth 

Zeitschr.  d.  österr.  Gesellsch.  für  Meteorologie.     1876.     S.  123. 


704 


Dritter  Abschnitt:    Die  arktische  Zone. 


Tabelle  V. 
Nowaja  Semlja  (Kleine  Karniakul).     790  23'  N.,  520  36'  E„  7.1  m. 

Jahr   1882 — 83. 


Temperatur 
Mittel               Extreme 

Relative 
Feuchtig- 
keit 

Wind- 
geschwin- 
digkeit 

Be- 
wöl- 
kung 

Nieder- 
schläge 
Menge  |  Tage 

Bod 
tempe 
Oberfl. 

en- 

ratur1) 
0.8  in 

O.4 

—0-3 

"  —6.1 

Septbr. . 

—  0.3 

7-9 
3.i" 

—  1 1.0 

95 

6.0 

8.1 

32 

13 

—  2.9 

October 

-6.5 
— 12.0 

—23  4 

87 
82 

7-5 

8.7 

34 

12 

-6.5 

Novbr.  . 

O.9     |  29.6 

7.0 
7.3 

4 

8 

—  13.0 

Decbr.  . 

! — »5-3 

— 1.8    — 30.0 

86 

7.6 

24   |    23 

— 16. 1    — 11.9 

Januar  . 

1  —9.7 

—  1.6 

—  39-5 

82 

9-3 

6.5 

20   |    19 

— 22.3 

— 16.1 
— 11. 1 

Februar 

0.2 

—  28.2 

90 

8.6 

8.1 

54 

21 

—  10.5 

März     . 

—14.9 

—2.5 

—28.9 

79- 

9.0 

6.2 

86 

13 

—  15-7 

—  12.3 

April     . 

-6.4 

3-7 

— 20.1 

80 

8.6 

7-5 

21 

13 

—6.4 

—9.0 

Mai 

—5.1 

9.8  1—17.3 

80 

8.2 

7-7 

23 

11 

—4.2 

—7.2 

-0.5 

Juni 

1.2 

8.8  :    —2.4 

87 

7.i 

8.8 

J5 

*5 

4.1 

Juli.     . 

5-7 

15.7  ;    —0.6 

85 

7-1 

8.7 

50 

19 

7.0 

o-5 

August . 

5.5 

14.9 

—  o-S 

78 

6.6 

6.9 

3 

16 

10.7 

1.2 

Jahr      .  ! 

366 

173 

Meteorol.  Zeitschrift  1890,  S.  210. 
*)  Bei  1.6  m  Tiefe  ist  der  Boden  constant  gefroren. 

Tabelle  VI. 
Ssagastyr  (Sibirien).  730  23'  N.,   1240  5'  E.,  4.9  m  ti.  M.    IX.  82  bis  VL  84. 


Temperatur 
Mittel  |         Extreme 

Relative 
Feuch- 
tigkeit 

.112 

Be- 
wöl- 
kung *) 

Niede 

Menge 
(mm) 

13 

rschl.1) 
Tage 

Boc 
tempe 
Oberfl. 

ien- 
ratur') 

«Min 

04 

—  14.8 

—21.7 

Septbr. . 

1           O.I 
|-l7.2 

11.0 

—  12.3 

89 

6.7 

9.0 

14 

O.I 

Octbr.  . 

—2.5 

— 29.6 

90 

6.5 

7.2 

3 

7 

—15.0 

Novbr.  . 

1— 27.9 

-18.3 

—36.3 

87 

5.6 

6.0 

3 

12 

—27.5 

Decbr.  . 

—33-6 

—  19.4 

—492 

82 

5-3 

5.1 

6 

9 

—32.8 

Januar  . 

—36.9 
— 42.0 

—25.91—47.8 

83 

4.3 

3-7 
2.6 

1 

2 

-35-4 

Februar 

—  27.1  —53-2 

81 

5-° 

0 

2 

—  39  9  —247 

März 

— 33-3'  — 18.7  —  41.6 

84 

47 
5.6 

3-3 

0 

I 

— 32.2  — 22.6 

April     . 

j  —  21.0  — 10.2 

—32.8 

87 

5.2 

0 

O 

—  20.4—18.5 

Mai  .     . 

;  -s.s     3.3 

— 24.2 

91 

6.9 

8.6 

7 

14 

-7.8 

— 13-4 

Juni.     . 

0.7     12.5 

— 12.6 

92 

6.8 

8.4 

18 

IO 

3° 

—"•5 

Juli  .     . 

1 49 

3.5 

12. 1 

— 0.2 

92 

8.9 

7.6 
8.5 

7 

5 

7.0 

2.4 

August  . 

12.8 

— 1.2 

90 

7.0 

36 

8 

5-5        2I 

94 

84 

Bei  0.8  m  Tiefe  ist  der  Boden,  ausser  im  September,  gefroren.  —  Die 
stärksten  Winde  sind  E  und  ESE,  die  grösste  mittlere  Windstärke  erreicht 
der  ESE  im  Sommer  mit  nahe   10  m  pro  Secunde. 

*)  Die  Zahlen  stammen  aus  1882 — 83.  Meteorol.  Zeitschrift  1890,  S.  218. 


I.  Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Floren.         705 


2.  Wirkungen  des  arktischen  Klima  auf  das  Pflanzenleben. 

§  I.  Uebersicht  der  klimatischen  Factoren.  Die  Elemente  des 
polaren  Klima's,  welche  geeignet  erscheinen,  das  Pflanzenleben  in  tiefer 
und  charakteristischer  Weise  zu  beeinflussen,  können  folgendermaassen 
zusammengestellt  werden: 

1)  Die  andauernde  Sommerbeleuchtung:  Hemmende 
Wirkungen  auf  das  Wachsthum.  Förderung  der  Assimilation,  der  Bil- 
dung von  Pigmenten  und  anderen  Stoffen.  Beeinflussung  der  histo- 
logischen Structur. 

2)  Niedere  Lufttemperatur  des  Sommers:  Hemmende 
Wirkungen  auf  die  meisten  Lebensvorgänge,  namentlich  auf  das  Wachs- 
thum der  Laubsprosse. 

3)  Niedere  Bodentemperaturen  des  Sommers:  Hem- 
mende Wirkungen  auf  das  Wachsthum  der  unterirdischen  Glieder. 
Erschwerung  der  Wasserabsorption  durch  die  Wurzeln  und  dement- 
sprechend ähnliche  Wirkungen  wie  Trockenheit  des  Bodens:  Hemmung 
des  Wachsthums  der  Laubsprosse,  Förderung  der  Bildung  der  Sexual- 
organe, Austrocknungsgefahr. 

4)  Erwärmung  durch  Bestrahlung:  Zeitweilige  Aufhebung 
der  Wirkungen  niederer  Luft-  und  Bodentemperatur. 

5)  Trockene  bewegte  Winterluft:  Austrocknungsgefahr, 
ähnliche  Wirkungen  wie  3. 

6)  Kürze  der  warmen  Jahreszeit:  Beschleunigung  der  perio- 
dischen Erscheinungen ;  Gefahren  für  die  Samenreife ;  Beschränkung  des 
Dickenwachsthums  der  Achsen. 

Es  ist  zur  Zeit  noch  nicht  möglich,  den  Antheil  jedes  einzelnen  der 
eben  erwähnten  Factoren  an  den  charakteristischen  Erscheinungen  des 
Pflanzenlebens  in  den  arktischen  Ländern  anzugeben,  doch  sind,  nament- 
lich durch  die  Untersuchungen  Kjellman's  und  Kihlman's,  die  ersten 
Schritte  in  dieser  Richtung  zurückgelegt  worden. 

§  2.  Vegetationszeit  und  periodische  Erscheinungen.  Kjellman 
stellt  die  klimatischen  Lebensbedingungen  der  Pflanzen  in  der  gesammten 
Arktis  folgendermaassen  'dar: 

„Die  Zeit,  während  welcher  die  Entwickelung  der  arktischen  Pflanzen 
mit  wenigstens  einem  grösseren  Grade  von  Energie  stattfinden  kann, 
ist  auf  ungefähr  zwei  Monate  beschränkt,  zu  denen  an  besonders  gün- 
stigen Stellen  vielleicht  noch  einige  Tage  hinzukommen,  wovon  in 
ungünstig  gelegenen  Theilen  des  Gebiets  aber  auch  einige  Tage  ab- 
gehen." 

Schimper,  Pflanzengeographie.  ac 


706  Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 

„So  lange  die  mittlere  Tagestemperatur  den  Nullpunkt  nicht  über- 
steigt, kann  die  Entwickelung  als  nicht  begonnen  betrachtet  werden. 
In  der  letzten  Hälfte  des  Juni  trifft  dies  zwar  zuweilen  ein,  doch  ist 
aber  auch  dann  die  Kälte,  besonders  während  der  Nacht,  oft  gross. 
An  sonnigen  Stellen  erwacht  wohl  die  eine  oder  andere  Pflanze  zum 
Leben,  der  grösste  Theil  der  Vegetation  liegt  aber  noch  im  Winter- 
schlafe. Erst  Anfang  Juli  thaut  die  Oberfläche  des  Bodens  auf  und 
schmilzt  den  Schnee  fort.  Am  nördlichen  Gänsecap,  auf  der  Westküste 
von  Nowaja  -  Semlja ,  unter  ungefähr  72  °  n.  Br.,  also  in  geringer  Höhe 
gegen  Norden,  waren  im  Jahre  1875  sowohl  das  Binnenland  wie  auch 
die  Strandabhänge  auf  bedeutenden  Strecken  noch  am  23.  Juni  mit 
Schnee  bedeckt.  Nur  dne  geringe  Zahl  von  Pflanzen  war  in  der  Ent- 
wickelung begriffen,  und  diese  befand  sich  noch  im  ihren  ersten  An- 
fange. Bei  Pitlekaj,  dem  Ueberwinterungsplatze  der  Vega -Expedition, 
wurde  die  erste  Blüthe  für  das  Jahr  am  23.  Juni  gesehen.  Der  Monat 
September  kann  der  Vegetationsperiode  der  arktischen  Pflanzen  nicht 
zugezählt  werden :  der  Frost  hat  dann  schon  seinen  Anfang  genommen 
und  Schneefall  hat  sich  eingestellt.  Als  die  schwedische  Expedition 
von  1872 — 1873  am  3.  September  an  der  Mosselbai,  an  der  Nord- 
küste von  Spitzbergen  ankam,  waren  bereits  alle  kleineren  Wasser- 
ansammlungen mit  Eis  bedeckt  und  die  Pflanzen  auf  dem  Lande 
erfroren.  Im  Jahre  1875  hatte  bei  Matoschkin- Schar,  der  Strasse, 
welche  die  beiden  Hauptinseln  von  Nowa-  Semlja  von  einander  trennt, 
der  Winter  sich  schon  in  den  ersten  Tagen  des  September  ein- 
gestellt. Die  ganze  Landvegetation  war  in  den  Winterschlaf  versenkt 
und  die  den  Sund  umrahmenden  Felsen  mit  Schnee  bedeckt. 
Während  des  ganzen  Monats  September  konnten  von  der  Vega- 
Expedition  auf  der  Nordküste  von  Sibirien  nur  Pflanzen  eingesammelt 
werden,  die  ihre  Thätigkeit  für  dieses  Jahr  bereits  abgeschlossen 
hatten.1) 

Nach  sämmtlichen  Augenzeugen  wird  die  Vegetation  wie  durch 
Zauberschlag  aus  ihrem  Winterschlafe  geweckt.  Kjellman  schildert  den 
Anfang  der  Vegetationszeit  folgendermaassen : 

„Es  ist  hier  nicht  so  wie  unter  südlicheren  Breitegraden,  wo  die 
eine  Art  nach  der  anderen  allmählich  zur  Entwickelung  gelangt;  es 
giebt  im  hohen  Norden  nicht,  wie  weiter  im  Süden,  eine  aus  verschie- 
denen, zu  einer  bestimmten  Zeit  blühenden  Gewächsen  zusammen- 
gesetzte, schärfer  begrenzte  Frühlings-,  Sommer-  und  Herbstflora.  In  den 
Polargegenden  kommt  alles  oder  doch  fast  alles  gleichzeitig  zum  Leben, 
die  Entwickelung  beginnt  überall  in  dem  gleichen  Stadium  und  schreitet 
mit  gleicher  Schnelligkeit  fort,  so  dass  auch  beinahe  das  ganze  Blüthen- 


*)  1.  c.  S.  45o—45». 


L   Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Floren.         707 

wachsthum  auf  einmal  und  zwar  gleich  im  Beginn  der  Vegetationsperiode 
mit  einem  Sommerkleide  geschmückt  ist." 

„Bei  Pitlekaj,  also  unter  einem  verhältnissmässig  südlichen  Breite- 
grade, war  während  der  ganzen  ersten  Hälfte  des  Juni  die  mittlere 
Temperatur  der  Luft  6°.  Am  2.  Juni  zeigte  das  Thermometer  — 14,3° 
und  die  mittlere  Temperatur  belief  sich  an  diesem  Tage  auf  — 9,4°. 
Noch  am  letzten  Tage  des  Juni  ging  das  Thermometer  in  der  Nacht 
auf  —1,8°  herab  und  die  Mitteltemperatur  war  unter  Null." 

„Am  2.  Juli  war  die  Temperatur  der  Luft  um  Mitternacht  — 1° 
und  in  den  ersten  neun  Tagen  dieses  Monats  wechselte  die  Temperatur 
zwischen  6°  und  +4°C.  Längs  der  ganzen  Küste  und  weit  ins  Meer 
hinaus  lagen  mächtige,  undurchdringliche,  ungebrochene  Eismassen.  Auf 
einem  steil  gegen  das  Meer  abfallenden,  gegen  Süden  gekehrten  Strand- 
abhang und  auf  dem  umliegenden  Flachlande  war  am  10.  Juli  das  Aus- 
sehen der  Vegetation  folgendes:  Die  ganze  Salixvegetation,  aus  mehreren 
Arten,  wie  Salix  artica,  Salix  boganidensis ,  Salix  reticulata  u.  a. ,  be- 
stehend, war  allgemein  in  voller  Blüthe.  Betula  glandulosa,  eine  unserer 
Zwergbirke  sehr  ähnliche  Art,  war  neu  belaubt  und  blühte.  Ledum 
palustre  hatte  seine  Blüthenstandknospen  geöffnet  und  seine  Blüthen- 
knospen  aus  ihrer  Umhüllung  hervorgestreckt.  Polygonum  polymorphum 
hatte  vollkommen  entwickelte  Blätter  und  sichtbare  Blüthenstände. 
Cassiope  tetragona  und  Diapensia  lapponica  standen  an  günstigen 
Stellen  in  vollem  Flor  .  .  ." 

Nicht  minder  anschaulich  wird  von  demselben  Forscher  der  Schluss 
der  Vegetationszeit  dargestellt: 

„Eine  arktische  Landschaft  bei  Einbruch  des  Winters  gleicht  am 
meisten  einer  südlichen  Gegend,  welche  durch  eine  heftige  Frostnacht 
verheert  worden  ist,  noch  ehe  der  Winter  zu  erwarten  war.  Viele 
Pflanzen  sind  in  den  Schlaf  versetzt  worden,  während  sie  noch  in  voller 
Entwicklung  begriffen  waren.  Sie  stehen  jetzt  da  mit  erfrorenen, 
lebenskräftigen  Blättern,  mit  schwellenden  Blüthenknospen  in  den 
Blütenständen,  mit  halbgeöffneten  und  ganz  ausgeschlagenen  Blüthen, 
mit  halB  oder  beinahe  ganz  reifen  Früchten.  Die  Ruhe  ist  nicht  nach 
vorhergegangener  Vorbereitung  eingetreten.  Während  die  Pflanzen  in 
voller  Thätigkeit  waren,  wurden  sie  von  der  erstarrenden  Kälte  ge- 
lähmt."2) 

Folgende  Stelle  in  MiddendorfTs  häufig  citirtem  Werke  stellt  in  an- 
schaulicher Weise  den  Einfluss.der  Sonnenstrahlung   auf  die  Vegetation  dar: 

„Am  14.  April  n.  St.  befand  ich  mich  am  Jenis'ej,  beim  Kirchdorfe 
Düdino  .  .  .  die  Landschaft  lag  hier  noch  in  tiefer  Winterlichkeit  begraben, 
und  der  helle  Schein  der  fast  ununterbrochen  über  dem  Horizonte  weilenden 


!)  L  c.  S.  468.    2)  1.  c.  S.  475—476. 

45 ' 


7o8 


Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 


Sonne  vermochte  dennoch  die  Lufttemperatur  im  Schatten  nicht  über  i6°bis 
2o°  R.  Frost  während  der  wärmsten  Mittagsstunde  zu  erheben.  Vor  und  nach 
dieser  Stunde   hielt  sich  das  Thermometer  recht   regelmässig  zwischen  — 230 


Fig.  400.    Winterknospe  von  Primula  nivalis,  durchschnitten.    Nat.  Gr.    Nach  Kjellman. 


bis  — 300  R.  Ich  machte  mich  auf,  die  Gegend  zu  mustern.  Wo  sich  der 
Schnee  gesackt  hatte  oder  vom  Winde  abgefegt  war,  da  brachen  die  hervor- 
ragenden Aeste  der  Strauchweiden,  über  die  ich  fortrutschte,  unter  meinen 
Schneeschuhen   wie  Wachs.      Sie  waren    steif  gefroren   und   auf  dem  Bruche 


L  Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  uno  Floren.         709 

sichtlich  von  eisigem  Saft  durchsetzt.  Plötzlich  hielt  ich  ganz  überrascht  inne, 
denn  vor  mir  gucken,  theils  unmittelbar  aus  dem  Schnee,  theils  nicht  mehr 
als  i1/^  Zoll  über  die  Schneefläche  hervorragend,  silberweisse  Weidenkätzchen 
im  Glänze  vollendeter  Entwickelung  hervor.  Nur  ein  paar  Zoll  tiefer  abwärts 
im  Schnee  waren  dieselben  Zweige,  die  diese  Kätzchen  trugen,  unterhalb 
wiederum  steif  gefroren;  um  so  mehr  aber  die  ganz  im  Schnee  begrabenen 
Aeste,  der  Stamm  und  die  Wurzeln  des  Strauches."  !) 

Das  überraschend  schnelle  Erscheinen  der  Blätter  bei  Beginn  der 
wärmeren  Jahreszeit  hängt  mit  dem  Umstände  zusammen,  dass  sie  schon 
in  der  vorhergehenden  Vegetationszeit  angelegt  und  vollkommen  dif- 
ferenzirt  werden  (Fig.  400),  so  dass  die  ersten  wärmenden  Strahlen  der 
Sonne  nur  die  zur  Streckung  der  Glieder  nöthige  Kraft  zu  liefern  haben. 

Bunge  berichtet  über  das  Erwachen  der  Vegetation  in  Ssagastyr  (vgl. 
Tabelle  VI):  „Am  Morgen  des  28.  Mai  1883  erhob  sich  die  Temperatur 
zum  ersten  Male  wieder  nach  250  Tagen  ununterbrochenen  Frostes  über  den 
Gefrierpunkt.  Am  29.  Juni  fand  ich  die  ersten  blühenden  Pflanzen:  Chryso- 
splenium,  Draba,  Rhododendron  (?)."  *) 

Ueber  Fort  Conger  (Tabelle  I)  wird  berichtet:  „Am  1.  Juni  kam  Saxi- 
fraga  oppositifolia  in  Blüthe,  drei  Tage  später  blühten  die  Kätzchen  von 
Salix  arctica,  am  nächsten  Tage  Oxyria  reniformis,  am  11.  Juni  Cochlearia 
nudicaulis,  am  21.  Papaver  nudicaule." 8) 

Trotz  der  Kürze  der  Vegetationszejt  fehlt  es  sogar  in  der  hoch- 
arktischen Flora  nicht  an  Arten,  die  schon  lange  vor  Ende  des  kurzen 
Sommers  ihren  Vegetationscyclus  mit  der  Bildung  reifer  Samen  ab- 
schliessen.  So  hatten,  nach  Middendorff,  im  Taymirlande,  Ranunculus 
nivalis  und  Androsace  septentrionalis  am  27.  Juli  schon  reife  Früchte, 
und  die  Blüthen  von  Sieversia  glacialis  waren  schon  am  10.  Juli  ver- 
welkt, obwohl  diese  Pflanze  nicht  zu  den  ersten  gehört,  die  sich  regen, 
sondern  erst  drei  Wochen  vorher  aus  ihrem  Winterschlaf  erwacht  war. 
Kjellman  erwähnt  als  Pflanzenarten,  die  schon  früh  reife  Früchte  hervor- 
bringen: Chrysosplenium  alternifolium  (Ende  Juli);  Caltha  palustris, 
Ranunculus  pygmaeus,  R.  nivalis,  Cardamine  bellidifolia  (August). 

Von  den  klimatischen  Existenzbedingungen  der  Vegetation  in  Nord- 
sibirien (Taimyrland)  giebt  folgende  Stelle  aus  demselben  Werke  eine  Vor- 
stellung: „Am  10.  Mai  erhob  sich  die  Temperatur  zur  Mittagszeit  zum  ersten 
Male,  und  zwar  um  drei  Grade,  über  den  Gefrierpunkt;  doch  wechselten  so 
warme  Tage  bis  Ende  des  Monats  mit  einer  grösseren  Anzahl  kalter  Tage, 
an  denen  die  Temperatur  um  die  Mittagszeit  71/*0  unter  Null  stehen  blieb. 
Bis  zu  Mitte  Juni  gab  es  noch  zur  kleineren  Hälfte  Tage,  an  denen  es  um 
Mittag  bis  20  kalt  war.  Erst  von  Mitte  Juni  an  begann  der  Sommer;  denn 
von  nun  an,  den  ganzen  Juli  und  August  hindurch,  bis  zu  den  ersten  Tagen 

*)  1.  c.  S.  653. 

*)  Meteorol.  Zeitschr.   1890,  S.  216. 

8)  Ibid.  S.  17. 


7io 


Dritter  Abschnitt:    Die  arktische  Zone. 


des  September  n.  St  war  die  Luft  im  Schatten  stets  über  den  Gefrierpunkt 
erwärmt,  so  dass  die  Durchschnittstemperatur  des  Juni  sich  +i1/2°  R->  diejenige 
des  Juli  +7V20»  des  August  S1^0,  des  September  aber  schon  fast  — iV^R. 
herausstellte."  *) 

§  3.  Wachsthum  und  Stoffwechsel  der  Vegetationsorgane.  Nie- 
driger, ja  zwerghafter  Wuchs  ist  die  gemeinsame  Signatur  der  arktischen 
Vegetation.  Die  Bäume  an  der  Baumgrenze  werden,  bevor  sie  ganz  auf- 
hören, zu  Miniaturgestalten  und  die  Sträucher  und  Kräuter  der  Tundra 
erheben  sich,  ausser  an  geschützten  Stellen,  meist  kaum  zu  Fingerhöhe 
über  den  Boden.  Der  Vergleich  zwischen  Individuen  derselben  Art  in 
Skandinavien  und  den  arktischen  Gebieten  zeigt,  wie  aus  folgender 
Tabelle  hervorgeht,  dass  die  geringe  Grösse  nicht  eine  Arteigenthüm- 
lichkeit,  sondern  eine  aus  den  Existenzbedingungen  hervorgegangene 
Reduction  darstellt. 


Matricaria  inodora 
Artemisia  vulgaris  . 
Saussurea  alpina  . 
Solidago  virgaurea 
Pedicularis  palustris 
Comarum  palustre 
Parnasia  palustris  . 
Epilobium  palustre 
Polygonum  viviparum 


Skand. 

Pol.  Geb. 

7-* 

Fuss 

2   Zoll 

2—4 

„ 

4  —  5        n 

1 — 2 

tt 

2—3 

» 

1 — 2 

tt 

3—4 

t 

V.-« 

tt 

2—3      1 

• 

I 2 

tt 

4—5 

; 

V,-« 

tt 

1 

tt 

I 2 

tt 

2 

tt 

8 — 12 

Zoll 

2—3 

t 

Die  Reduction  erstreckt  sich  auf  das  Längen-  und  Dickenwachs- 
thum  der  oberirdischen  Achen  sowie  auf  das  Flächenwachsthum  der 
Laubblätter.  Die  Wurzeln  hingegen  scheinen,  ähnlich  wie  bei  Pflanzen 
trockener  Standorte,  relativ  grosse  Dimensionen  zu  erreichen. 

Von  der  Kleinheit  der  Laubtriebe  in  der  Tundra  geben  einige  von 
Kjellman  angestellte  Messungen  eine  Vorstellung.  Anfang  August,  zu 
einer  Zeit,  wo  die  Jahrestriebe  ihre  volle  Länge  erreicht  hatten,  schwankte 
die  letztere  bei  Salix  polaris  meist  zwischen  I  und  5  mm  und  erreichte 
nur  in  einigen  Fällen  9—1 1  mm.  Jeder  Jahrestrieb  besass  zwei  oder 
drei  Laubblätter,  deren  Länge  zwischen  7  und  1 1  mm  und  deren  Breite 
zwischen  5  und  11  mm  schwankte.  Die  Jahrestriebe  von  Ledum  pa- 
lustre, welche  noch  bei  Haparanda,  also  nur  wenig  südlicher,  130  mm 
Länge  erreichen,  waren  in  Pitlekaj  8  bis  30  mm,  im  Mittel  ungefähr 
20  mm  lang;  ihre  Blätter  waren  klein  und  schmal.  Die  Blätter  von 
Vaccinium  vitis  idaea  waren  kaum  4  mm  lang  und  3,5  mm  breit,  die- 
jenigen von  V.  uliginosum  selten  mehr  als  5  mm  lang.  Die  Krauter 
erscheinen   meist   weniger   reducirt   und   einige,   wie  Sieversia  glacialis, 


*)  1.  c.  S.  656. 


I.   Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Floren.         711 

Nardosmia  frigida  und  Saxifraga  punctata  erreichen  sogar  ziemlich  statt- 
liche Dimensionen. 

Das  secundäre  Dickenwachsthum  der  Achsen  nimmt  nordwärts  noch 
schneller  ab  als  ihr  Längenwachsthum,  so  dass  Middendorff  die  letzten 
der  aufrechten  Bäume  wegen  ihrer  schlanken  Gestalt  zuerst  für  junge 
Bäume  hielt.  An  der  äussersten  Grenze  jedoch  wird  auch  das  Längen- 
wachsthum stark  beeinträchtigt. 


Fig.  401.     Links:  Vaccinium  uliginosum.     Rechts:  Vaccin.  Vitis  idaea  von  der  Insel 
Waigatsch.     Nat.  Gr.     Nach  Kjellman. 


Messungen  der  Zahl  und  Dicke  der  Jahresringe  in  der  Nähe  der 
Baumgrenze  sind  namentlich  von  Middendorff  und  von  Kihlman  an- 
gestellt worden.  Der  letzterwähnte  Forscher  fand  z.  B.  in  dem  zu 
unterst  83  mm  dicken  Stamme  eines  Wachholderbäumchens  544  Jahres- 
ringe von  durchschnittlich  0,19  mm  Breite.  Bei  den  Sträuchern  musste 
die  Zählung  unter  dem  Mikroskop  geschehen;  oft  (Empetrum,  Vaccinium 
uliginosum)  war  der  Jahresring  in  radialer  Richtung  nur  von  einem 
Gefäss  und   einer  Holzparenchymzelle    gebildet.     Diese  Aufzeichnungen 


712 


Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 


beziehen  sich  auf  den  subarktischen  Gürtel.  Ueber  Alter  und  Dicken- 
zuwachs der  Zwergsträucher  der  Tundra  sind  Angaben  nicht  vorhanden. 
Die  Frage,  welche  Ursache  die  Verminderung  der  Wachsthums- 
intensität  veranlasst,  lässt  sich  nicht  ohne  weiteres  beantworten,  da,  wie 
vorher  gezeigt  wurde,  die  arktische  Vegetation  drei  verschiedenen 
wachs thums feindlichen  Factoren,  der  niedrigen  Sommertemperatur,  der 
physiologisch  wie  Trockenheit  wirkenden  Kälte  des  Bodens  und  der 
andauernden  Beleuchtung  ausgesetzt  ist. 

Von  diesen  drei  Elementen  kommt  das  letzterwähnte,  die  Länge 
des  Polartages,  wie  Versuche  Kjellman's  zeigen,  wohl  in  Folge  der 
Absorption  durch  die  Atmosphäre,  im  Schatten  nicht  merklich  zur  Gel- 
tung. Im  ununterbrochenen  Tageslichte  gezogene  Pflanzen  wurden  sogar 
beträchtlich  grösser  als  solche,  die  durch  künstliche  Verdunkelung  dem 
Wechsel  von  Tag  und  Nacht  ausgesetzt  wurden.    Das  ergiebigere  Wachs- 

thum  im  ersteren  Falle  ist  natürlich  nicht  eine 
direkte  Lichtwirkung,  sondern  die  Folge  stär- 
kerer Ernährung  durch  ununterbrochene  Assi- 
milation. Ueber  die  Wirkungen  des  direkten 
Sonnenlichts  fehlt  es  an  Versuchen. 

Die  Versuchspflanzen  Kjellman's  blieben  theils 

unbedeckt,    theils    wurden    sie    täglich    während 

1 2  Stunden  (8  p.  m.  bis  8  a.  m.)  verdunkelt    Als 

erstes  Objekt    wurde  Lepidium   sativum   ausgesät 

Nach  zwei  Monaten,  während  welcher  die  Pflänz- 

chen   sich  ganz    normal   entwickelt   hatten,  betrug 

das    Gewicht    der    15    grössten    der   constant   be- 

Fig.  402.    Salix  polaris.  leuchteten   Pflanzen    3,78  g,    dasjenige   der   zeit- 

Nat-  G*-  weise  verdunkelten  3,53  g;  die  Maximallänge  war 

in  der  ersten  Gruppe  (gemessen  vom  Haftpunkte 

des.  Keimblattes    bis  zur  Spitze  des  längsten  Laubblattes)    110    mm   und   die 

Durchschnittslänge    95,2    mm,    während    die    entsprechenden   Zahlen    in   der 

zweiten  Gruppe  94  mm  und  75  mm  waren. 

Zu  viel  ausgeprägteren  Unterschieden  zu  Gunsten  der  ununterbrochenen 
Beleuchtung  führten  Versuche  mit  echten  Polarpflanzen,  Cochlearia  fenestrata 
und  Catabrosa  algida,  von  welchen  überwinterte  Exemplare  zur  Verwendung 
kamen.  Von  den  Cochlearia  wogen  nach  24  Tagen  (am  20.  Juli)  die  fünf 
stärksten  der  periodisch  verdunkelten  Individuen  5,80  g,  also  das  Exemplar 
im  Durchschnitt  1,16  g,  während  die  entsprechenden  Zahlen  sich  bei  den 
constant  beleuchteten  auf  10,51  g,  bezw.  2,10  g  erhöhten.  Catabrosa  zeigte 
ähnliche  Unterschiede. 

Endlich  wurden  von  Cochlearia  fenestrata  auch  zufällig  aufgefundene 
Keimpflanzen,  acht  im  Ganzen,  in  der  angegebenen  Weise  vom  12.  Mai  bis 
zum  18.  Juni  behandelt  Die  vier  im  vollen  Lichtgenuss  gewesenen  Exemplare 
hatten  am  Schlüsse  des  Versuchs  4 — 6  ausgebildete  Laubblätter,  die  anderen 


I.   Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Floren.         713 


deren  nur  2 — 4;   das  Gesammtgewicht  der  ersteren  Gruppe   betrug    13,5  cg, 
dasjenige  der  letzteren  nur  6  cg.     (Fig.  404.) *) 

Der  grosse  Unterschied  zwischen  den  beiden  polaren  Arten  und  dem 
aus  Skandinavien  mitgebrachten  Lepidium  in  Bezug  auf  den  fördernden  Einfluss 
der  ununterbrochenen  Beleuchtung  scheint  mit  Anpassungen  in  Zusammenhang 
zu  stehen. 

Die  Assimilation  während  des  continuirlichen  Sommerlichtes  wurde 
durch  Curtel,  zwar  nicht  in  den  Polarländern,  sondern  in  Norwegen 
zahlenmässig  festgestellt.  Seine  Ergebnisse  haben  natürlich  auch  für  die 
noch  höheren  Breiten  Gültigkeit.  Sie  zeigen,  dass  die  Assimilation 
ununterbrochen  vor  sich  geht,  aber  mit  einem  Minimum  um  Mitternacht, 
entsprechend  dem  Minimum  der  Beleuchtung.  Die  Versuche  wurden 
in  der  Nacht  vom  31.  Juli  zum  1.  August 
ausgeführt. 

Wie  Bonnier  nachgewiesen  hat,  und 
an  früheren  Stellen  gezeigt  wurde,  ent- 
wickeln sich  die  Pflanzen  in  continuir- 
licher  Beleuchtung  anders  als  bei  dem 
Wechsel  von  Tag  und  Nacht.  Nach  dem- 
selben Forscher  sind  gewisse  Unterschiede 
der  histologischen  Structur  der  gleichen 
Pflanzenarten,  je  nachdem  sie  im  Höhen- 
klima niederer  Breiten  oder  im  Niederungs- 
klima hoher  Breiten  sich  entwickelt  haben, 
auf  die  andauernde  Beleuchtung  der 
Vegetationszeit  zurückzufuhren,  nament- 
lich die  grössere  Dicke  und  geringere 
Differenzirung  der  Laubblätter.  Die  Frage 
wird    jedoch    erst    in    den   Polarländern, 

auf  Grund  vergleichender  Culturen    bei  unterbrochener   und  andauern- 
der Beleuchtung,  entschieden  werden  können. 

§  4.  Xerophile  Structur  der  Vegetationsorgane.  Der  Charakter  der 
polaren  Pflanzenwelt  ist  entschieden  xerophil  (Fig.  5,  6,  12).  Warming 
konnte  mit  Recht  Grönland's  Vegetation  in  dieser  Hinsicht  mit  der- 
jenigen der  Sahara  vergleichen;  doch  handelt  es  sich  nicht,  wie  <er  es 
annahm,  in  beiden  Fällen  um  die  gleiche  klimatische  Ursache,  nämlich 
um  zu  geringe  Feuchtigkeit,  denn  die  Schutzmittel  gegen  Transpiration 
sind  auf  constant  feuchtem  Boden  nicht  weniger  ausgeprägt  als  auf 
trockenem.  Vielmehr  sind  hier,  wie  in  so  vielen  anderen  Fällen, 
ungleiche  äussere  Factoren  pflanzenphysiologisch  gleichwerthig  und 
haben  dementsprechend  ähnliche  Anpassungen  hervorgerufen. 


Fig.  403.    Cochlearia  fenestrata. 
Keimpflanzen  von   denen   b    täglich 
12  Stunden  vom  Lichte  abgeschlossen, 
a  dagegen  demselben  ununterbrochen 
ausgesetzt  gewesen  ist.  Nach  Kjellman. 


*)  Kjellman  1.  c.  S.  503—506. 


7H 


Dritter  Abschnitt:    Die  arktische  Zone. 


Kurze  Zeit,  nachdem  ich  den  Zusammenhang  zwischen   xerophiler 
Structur  und  Kälte  des  Bodens  für  unsere  immergrünen  Holzgewächse 


Fig.  404.     Aus  der  nordpolaren  Flora:   Draba  alpina  vom  Cap  Tscheljuskin.    Nat.  Gr. 

Nach  Kjellman. 


nachgewiesen  und  die  grosse  Wahrscheinlichkeit  betont  hatte,  dass  der 
xerophile  Charakter  der  Polar  Vegetation  auf  die  gleiche  Ursache  zurück- 


I.   Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Floren.         j\t 

zufuhren  sein  dürfte,  wies  Kihlman,  ganz  unabhängig  von  mir,  auf 
Grund  ausgedehnter  Untersuchungen  in  Russisch -Lappland  nach,  dass 
die  polaren  Gewächse  thatsächlich,  wegen  des  permanenten  Vorhanden- 
seins von  Grundeis,  schon  in  geringer  Tiefe  an  erschwerter  Wasser- 
zufuhr leiden  und  dementsprechend  ähnliche  Vorrichtungen  zur  Herab- 
setzung der  Transpiration  entwickelt  haben,  wie  an  anderen  physiologisch 
trockenen  Standorten. 

Kihlman  stellt  die  xerophilen  Merkmale  der  arktischen  Vegetation 
in  folgender  Uebersicht  zusammen: 

„Die  Blätter  sind  lederartig,  steif  und  hart,  stark  cutinisirt  mit 
schuppen-  oder  nadeiförmig  verminderter  Oberfläche  (Lycopodium, 
Diapensia,  Andromeda  hypnoides),  oder  sie  haben  eine  deutliche 
Neigung  zur  Succulenz  (Saxifraga  oppositifolia  und  andere  Steinbruch- 
Arten,  Eutrema,  Rhodiola).  Dabei  erhalten  die  Spaltöffnungen  eine 
versteckte  Lage  entweder  in  mehr  oder  weniger  abgeschlossenen  Hohl- 
räumen (Andromeda  tetragona,  Empetrum)  oder  unter  einer  zottigen 
Haarbedeckung  der  Blattunterseite  (Ledum,  Dryas  octopetala,  Potentilla 
nivea  und  multifida,  Loiseleuria  procumbens,  Phyllodoce).  In  anderen 
Fällen  ist  die  spaltöffnungstragende  Unterseite  des  lederartigen  Blattes 
nur  von  einem  dicken,  sicherlich  auch  die  Transpiration  herabsetzenden 
Wachsüberzug  bedeckt  (Andromeda  polifolia,  Vaccinium  Vitis  Idaea, 
Salix  glauca  und  reticulata).  Unter  den  grasartigen  Gewächsen  könnte 
eine  ganze  Reihe  hochnordischer  Arten  namhaft  gemacht  werden,  die 
durch  Zusammenrollen,  Trockenheit  und  starke  Cutinisirung  der  Blätter 
zu  dem  Typus  der  Steppengräser  gerechnet  werden  müssen  (z.  B. 
Hierochloa  alpina,  Festuca  ovina,  Nardus,  Carex  rupestris  und  pedata). 
Dagegen  ist  der  Schutz  durch  einen  dichten  Haarfilz  in  den  hoch- 
nordischen Gegenden  schwach  repräsentirt  (Antennariae ,  Drabae, 
Eritrichia,  Salix  Lapponum  und  lanata").1) 

Die  bei  den  Gewächsen  windreicher  Standorte  häufige  Neigung, 
durch  reiche  und  dichte  Verzweigung  halbkugelige  Polster  zu  bilden, 
zeigt  sich  bei  verschiedenen  arktischen  Arten,  namentlich  bei  Draba 
alpina,  Papaver  nudicaule,  Eritrichium  villosum,  Cerastium  alpinum, 
Aira  caespitosa,  und  ist,  nach  Kjellman,  besonders  an  den  ungünstigsten 
Standorten  ausgeprägt.     (Fig.  405.) 

„Von  den  23  Arten,  welche  die  äusserste  Nordspitze  Asiens  bewohnten, 
hatten  nicht  weniger  als  13  in  Folge  starker  Zweigbildung  die  Gestalt  von 
dichten  Kugel-  oder  halbkugeligen  Massen.  Diese  Arten  waren:  Eritrichium 
villosum,  Saxifraga  oppositifolia,  S.  decipiens,  Cardamine  bellidifolia ,  Draba 
alpina,  Papaver  nudicaule,  Stellaria  longipes,  Cerastium  alpinum,  Alsine  macro- 
carpa,  Oxyria  digyna,  Catabrosa  algida,  Aira  caespitosa,  Luzula  arcuata,  welche 

*)  1.  c.  S.   105. 


7i6 


Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 


alle    an   anderen    Stellen    in   spärlich    verzweigten,   wenig   buschigen    Formen 
auftreten." J) 

§  5.  Reproduktionsorgane.  Das  für  die  vegetative  Sphäre  so 
ungünstige  arktische  Klima  enthält  keine  ausgesprochen  blüthenfeind- 
lichen  Elemente  und  in  seiner  physiologischen  Trockenheit  sogar  ein 
blüthengünstiges  Element.  Thatsächlich  zeichnen  sich  die  arktischen 
Gewächse  im  Allgemeinen  durch  auffallend  grossen  Blüthenreichthum 
aus,  welcher  durch  den  Gegensatz  zur  schwachen  Entwickelung  der 
Laubsprosse  sehr  in  die  Augen  fällt  und  daher  von  den  meisten 
Polarreisenden  erwähnt  wird.  Begreiflicherweise  ist  der  Blüthenreich- 
thum an  den  klimatisch  für  die  vegetativen  Glieder  ungünstigsten  Stand- 
orten am  grössten.  An  derartigen,  allen  Unbilden  der  Witterung  aus- 
gesetzten Stellen  sah  Kjellman  die  Polster  von  Papaver  nudicaule  oft 
mit  ungefähr  einhundert  offenen  Blüthen,  die  Rasenflächen  von  Eritri- 
chium  villosum  ganz  blau,  hoch-  und  ganz  gelbe  oder  ganz  weisse 
Drababälle.  *) 

Auch  dem  Wachsthum  der  einzelnen  Blüthenglieder  ist  das  arktische 
Klima  weniger  ungünstig  als  demjenigen  der  Laubsprosse,  indem,  wie 
früher  gezeigt  wurde,  die  nützlichen  Temperaturen  für  die  Entwickelung 
der  Blüthentheile  meist  tiefer  liegen,  als  für  die  Glieder  der  Laubsprosse. 
Die  Berichte  über  die  arktische  Vegetation  erwähnen  stets  der  letzteren 
als  reducirt,  während  die  Blüthen  häufig  als  gross  bezeichnet  werden. 
In  der  That  erscheinen  die  Dimensionen  der  Blüthen  im  Verhältniss 
zu  denjenigen  der  Laubsprosse  oft  sehr  beträchtlich.  Doch  scheint  es 
auch  in  der  arktischen  Flora  nicht  ganz  an  Arten  zu  fehlen,  deren 
Blüthenbildung  an  höhere  Temperaturen  gebunden  ist.  So  entbehren, 
nach  Kihlman,  die  meisten  Nadelholzkrüppel  jenseits  der  Baumgrenze 
der  Zapfen;  Rubus  chamaemorus  ist  an  seinen  nördlichsten  Stand- 
orten ohne  Blüthen. 

In  gewissen  Fällen  reichen  die  Temperaturen  noch  für  die  Bildung 
der  Blüthen,  jedoch  nicht  mehr  für  die  an  höhere  Grade  gebundene 
Bildung  der  Früchte  und  Samen.  So  entwickeln  an  der  Baumgrenze 
viele  Nadelhölzer  noch  Zapfen;  dieselben  bleiben  aber  zum  grossen 
Theile  steril.  Infolge  der  frühen  Blüthe  jedoch  entwickeln  sich  Früchte 
und  Samen  meist  in  der  wärmsten  Jahreszeit,  so  dass  sie  zum  grossen 
Theil  reif  zu  werden  pflegen  (Kjellman). 

Die  in  den  meisten  Reiseberichten  erwähnte  gesteigerte  Farben- 
intensität der  arktischen  Blüthen  wird  gewöhnlich  und  wohl  mit  Recht, 
als  eine  Wirkung   der   andauernden  Beleuchtung   aufgefasst.  *)     Andere 


*)  Kjellman  1.  c.  S.  496 — 497. 

2)  S.  497- 

8)  Vgl.  Schübeier  1.  c,  Bonnier  et  Flahault  L  c. 


L   Das  arktische  Klima  und  seine  Wirkungen  auf  Vegetation  und  Floren.         717 

Stoffe,  deren  Bildung  ebenfalls  vom  Lichte  begünstigt  wird,  z.  B.  äthe- 
rische Oele,  sind  selten;  wohlriechende  Blüthen  sind  auf  die  wenigen, 
nicht  sehr  weit  nördlich  gehenden  Orchideen  und  auf  Ranunculus  Pallasii 
beschränkt  und  aromatische  Vegetationsorgane  ebenfalls  selten. 

§  6.  Angebliche  Schutzmittel  gegen  Kälte.  Da  der  Mensch  es 
im  hohen  Norden  sehr  kalt  findet  und  der  luftdichtesten  Bedeckung 
bedarf,  glaubt  er,  dass  es  der  Pflanze  ebenso  ergehen  muss.  Dement- 
sprechend wurden  früher,  z.  B.  noch  von  Grisebach,  alle  Eigentümlich- 
keiten der  Polarvegetation  auf  die  Kälte  zurückgeführt.  Von  einer 
Kritik  der  ganz  unklaren  physiologischen  Vorstellungen,  welche  noch 
der  letztgenannte  hochverdiente  Forscher  in  Bezug  auf  Kältewirkungen 
hegte,  kann  hier  wohl  Abstand  genommen  werden. 

Bereits  Kjellman  erkannte,  dass  die  arktische  Vegetation  den 
Kältewirkungen  ohne  entsprechende  Gegenwehr  preisgegeben  erscheint. 
Er  zeigte,  dass,  im  Gegensatz  zu  den  herrschenden  Vorstellungen,  die 
oberirdischen  Theile  der  Pflanze  die  im  Boden  verborgenen  an  Masse 
meist  überwiegen  und  dass  auch  die  letzteren  den  niedrigsten  Tem- 
peraturgraden ausgesetzt  sind.  Er  wies  nach,  wie  übertrieben  die  herr- 
schenden Vorstellungen  über  den  Schutz  des  Schnees  gegen  Kälte  sind, 
zumal  wenn  es  sich,  wie  gewöhnlich,  nur  um  dünne  Schneelagen  han- 
delt (vgl.  S.  699).  Er  verneinte  in  den  meisten  Fällen  einen  Knospen- 
schutz der  überwinternden  Theile  und  wo  ein  solcher  vorhanden  war, 
schien  derselbe  nicht  mehr  ausgeprägt  zu  sein,  als  in  südlicheren  Zonen. 
Aehnlich  geht  es  mit  der  häufig  als  Kälteschutz  beanspruchten  Be- 
haarung, welche  weder  allgemeiner  noch  reichlicher  ist,  als  im  tempe- 
rirten  Europa.  Als  ein  specifisches  Schutzmittel  gegen  Kälte  betrachtet 
Kjellman  nur  noch  „die  zuweilen  sehr  dichte  Bekleidung  von  verwelkten 
dürren  Blättern  und  Blattresten,  welche  die  überwinternden  Stammtheile 
über  dem  Boden  besitzen"  (viele  Leguminosen,  Papaver  nudicaule  etc.). 
Doch  entbehren  viele  Pflanzen  auch  solcher  Vorrichtungen  und  sind, 
trotz  jeglichen  Fehlens  eines  äusseren  Schutzes,  doch  resistent,  wie  z.  B. 
die  Cochlearia  fenestrata,  welcher  bereits  in  einem  früheren  Kapitel 
eingehendere  Betrachtung  gewidmet  wurde  (S.  44).  Fälle  der  letzteren 
Art  sind  die  instructivsten,  denn  sie  zeigen,  dass  die  Schutzmittel  der 
arktischen  Pflanzen  innere,  intracelluläre  sind  und  wahrscheinlich  im 
Protoplasma  selbst  beruhen.  Möglicherweise  werden  genaue  histologische 
Untersuchungen  darüber  Aufklärung  bringen. 

Kihlman  hat  mit  den  letzten  der  von  Kjellman  noch  anerkannten 
äusseren  Schutzmitteln  gegen  Kälte  aufgeräumt  und  auch  die  Vorstel- 
lungen dieses  Forschers  über  die  in  der  arktischen  Vegetation  nöthigen 
Material ersparniss  als  physiologisch  unhaltbar  nachgewiesen. 


718  Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 

3.  Floristischer  Charakter  der  arktischen  Länder. 

Die  arktische  mikrotherme  Flora  besitzt  keine  ihr  eigentümliche 
Familie,  sondern  stellt  ein  abgeschwächtes  Bild  der  nordtemperirten 
mesothermen  Flora  dar.  Grönland,  das  in  seinem  südlichen  Theile 
noch  nicht  ein  ausgesprochen  polares  Klima  besitzt,  hat  nach  Warming 
386  Arten  von  Gefässpflanzen ,  die  zu  53  Familien  gehören.  Die 
letzteren  sind,  in  der  Reihenfolge  ihrer  in  Klammern  beigefügten 
Artenzahlen  folgende:  Cyperaceae  (56),  Gramineae  (50),  Caryophylla- 
ceae  (28),  Cruciferae  (id.),  Compositae  (22),  Rosaceae  (18),  Filices  (15), 
Ranunculaceae  (14),  Scrophulariaceae  (id.),  Juncaceae  (id.),  Saxifragaceae 
(12),  Ericaceae  (10),  Oenotheraceae  (7),  Polygonaceae  (id.),  Gentianaceae 
(6),  Salicaceae  (id.),  Betulaceae  (id.),  Lycopodiaceae  (id.),  Fluviales  (5), 
Orchideae  (5),  Pyrolaceae  (4),  Equisetaceae  (id.).  Drei  Arten  haben: 
Halorrhageae ,  Callitrichaceae ,  Violaceae ,  Crassulaceae ,  Vacciniaceae, 
Campanulaceae.  Mit  zwei  Arten  sind  vertreten:  Papilionaceae ,  Um- 
bellatae,  Plantaginaceae,  Primulaceae,  Lentibulariaceae,  Rubiaceae.  Nur 
eine  Art  haben:  Pomaceae,  Geraniaceae,  Empetraceae,  Portulacaceae, 
Parnassiaceae,  Papaveraceae,  Cornaceae,  Plumbaginaceae,  Polemoniaceae, 
Boragineae,  Labiatae,  Diapensiaceae,  Caprifoliaceae,  Typhaceae,  Jun- 
caginaceae,  Colchicaceae ,   Convallariaceae ,  Coniferae  und  Isoetaceae.  *) 

Das  ausgeprägt  arktische  Spitzbergen  besitzt  nach  Nathorst  102 
Arten  aus  24  Familien :  Compositae ,  Campanulaceae ,  Gentianaceae, 
Scrophulariaceae ,  Boragineae ,  Polemoniaceae ,  Ericaceae ,  Rosaceae, 
Saxifragaceae,  Empetraceae,  Cruciferae,  Papaveraceae,  Ranunculaceae, 
Caryophyllaceae ,  Polygonaceae ,  Betulaceae ,  Salicaceae ,  Gramineae, 
Cyperaceae ,  Juncaceae ,  Colchicaceae ,  Polypodiaceae ,  Lycopodiacea, 
Equisetaceae.  Die  Gramineen  sind  am  stärksten  vertreten  (23  Arten), 
danach  kommen  Cruciferae  (15),  Cyperaceae  und  Caryophyllaceae  (je  121, 
Saxifragaceae  (11),  Ranunculaceae  (8)  etc.  Die  artenreichsten  Gattungen 
sind  Saxifraga  und  Carex  mit  10  Arten,  Ranunculus  mit  8  oder  9, 
Poa  mit  6,  Potentilla  mit  5  etc. 


Auswahl  der  Literatur. 

Die  klimatischen  Angaben  sind  hauptsächlich  aus  Hann's  Handbuch  der 
Meteorologie,  3.  Aufl.,  sowie  aus  Woeikof:  Die  Klimate  der  Erde  (Jena  1887) 
entnommen. 

')  Einige  der  von  Warming  als  besondere  Familien  unterschiedenen  Gruppen  ▼erden 
gewöhnlich  als  Unterfamilien  aufgefasst :  Vacciniaceae,  Pomaceae,  Colchicaceae,  Convallariaceae. 


Auswahl  der  Literatur. 


719 


Bonnier,    G.,    et    Ch.   Flahault.      Observations  sur  les  modifications  des 

vdg^taux  suivant  les  conditions  physiques  du  milieu.     Ann.  des  sciences 

naturelles.     Botan.  VIe  s£rie.     Tome  VII.     1879. 
Bonnier,    G.      Les    plantes   arctiques    compar^es    aux   mSmes   esp&ces   des 

Alpes  et  des  Pyrdndes.     Revue  g^ngrale  de  botanique.     1894. 
Curtel,  G.      Recherches   physiologiques  sur  la  transpiration  et  rassimilation 

pendant  les  nuits  norvdgienne.     Revue  g£n£rale  de  botanique.    Tome  IL. 

1890. 
Flahault,  Ch.      Nouvelles  observations   sur  les  modifications   des  vdggtaux 

suivant  les  conditions  physiques  du  milieu.    Ann.  des  sciences  naturelles. 

Botanique.     6C  s£rie.     Tome  IX.     1878. 
K  i  h  1  m  a  n ,  A.  O.     Pflanzenbiologische  Studien  aus  Russisch-Lappland.    S.  A. 

aus  Acta  Societatis  pro  fauna  et  flora  fennica.     T.  VI.     1890. 
Kjellman,   F.   K.      Aus  dem  Leben  der  Polarpflanzen,    in:   Nordenskjöld, 

Studien  und  Forschungen  veranlasst  durch  meine  Reisen  im  hohen  Norden. 

Leipzig  1885.     S.  443. 
Middendorff,  A.  v.    Die  Gewächse  Sibiriens.    In:  Sibirische  Reise.    Bd. IV. 

Theil   1.     Lieferung  4.     1864. 
Schübeier,  C.     Die  Pflanzenwelt  Norwegens.     Kristiania  1875. 
Warming,    E.      Om    Grönlands   Vegetation.      (Mit   französischem   Rdsumd.) 

Kjobenhavn   1888. 
—  lieber  Grönlands  Vegetation.     Engler's  Jahrbücher  Bd.  X.     1888. 


II.  Die  arktischen  Pflanzenformationen. 

Die  Tundra.  Charakteristische  Eigentümlichkeiten.  Moostundra.  Flechtentundra. 
Moore.  Oasen.  Die  Tundra  im  Taimyr-Lande  nach  Middendorff.  Die  Formationen  Grön- 
lands nach  Warming. 

Jenseits  der  letzten  krüppelhaften  Bäume  herrscht  auf  den  arktischen 
Festländern  und  Inseln,  soweit  das  Eis  den  Boden  nicht  bedeckt,  die 
Kältewüste  oder  Tundra  beinahe  allein.  Nur  in  den  weniger  kalten, 
also  vornehmlich  den  südlichen  Strichen  der  Arktis,  sind  an  günstigeren 
Localitäten  weniger  dürftige  Formationen  vertreten,  z.  B.  Weiden- 
gebüsche und  kleine  Wiesen  an  Flussrändern  und  in  Fjorden,  oder 
auch  Zwergstrauchformationen,  welche  aus  einem  dichtem  Wüchse 
derselben  immergrünen  kleinblätterigen  Straucharten  bestehen,  die  sich 
auf  der  Tundra  vereinzelt  zwischen  Mooren  und  Flechten  erheben. 

Zwerghafter  Wuchs,  ausgeprägte  Xerophilie,  Vorwiegen  der  Moose 
und  Flechten,  unvollkommene  Bedeckung  des  Bodens  sind  überall  die 
Merkmale  der  Tundra.  Ihr  spärliches  Pflanzenmaterial  ist  jedoch  keines- 
wegs gleichmässig  vertheilt.  Bald  sind  die  Moose  —  es  sind  beinahe 
ausschliesslich  Polytrichum -Arten  —  bald  sind  Flechten  —  anscheinend 
nach  der  geringeren  oder  grösseren  Trockenheit  des  Bodens  —  vor- 
herrschend, so  dass  man  eine  Moos-  oder  Poly trichum-Tundra 
von  der  Flechten-Tundra  unterscheidet.  Letztere  bietet  wiederum, 
je  nach  dem  Vorherrschen  des  einen  oder  des  anderen  Flechtentypus, 
verschiedene  Facies,  die  verschiedenen  klimatischen  Bedingungen  ent- 
sprechen, wie  die  Cladina- Tundra  (Cladonia  rangiferina  u.  a.  A., 
Sphaerophoron  corallioides),  die  Platysma -Tundra  (Platysma  cucullatura 
u.  a.  A. ,  Cetraria  islandica  u.  a.  A.),  die  Alectoria-Heide  (Alectoria- 
Arten). 

In  den  weniger  kalten  Gebieten  der  Tundra  tritt  der  unbewachsene 
Boden  gegen  den  bewachsenen  zurück ;  es  können  sogar  weite  Flächen 
einen  zusammenhängenden  Ueberzug  von  Flechten  tragen.  Wo  das 
Klima  am  strengsten  herrscht,  da  bildet  die  Vegetation  nur  noch  kleine 


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II.   Die  arktischen  Pflanzenformationen.  721 

weitgetrennte  Flecke  auf  dem  nackten,  meist  steinigen  Boden  (Felsen- 
tundra,  Warming's  Felsenflur  und  Fjeldformation). 

Flache  Vertiefungen  der  Tundra,  wo  das  Schmelzwasser  sich  im 
Boden  ansammelt,  versumpfen  zu  den  Tundramooren,  wo  spärlicher 
Torf  eine  dürftige  Sphagnumlage  mit  einigen  kleinen  Phanerogamen 
trägt.  Solche  Stellen  entsprechen  physikalisch,  aber  nicht  physiologisch 
den  Oasen  der  Trockenwüste.  Die  physiologischen  Analoga  der  letz- 
teren sind  in  der  Tundra  die  Wärmeoasen,  sonnige,  gegen  die 
trocknenden  Winde  geschützte  Abhänge,  auf  welche  die  Sonnenstrahlen 
beinahe  senkrecht  fallen  und  dadurch  das  Bodenwasser  derart  erwärmen, 
dass  es  den  Pflanzen  wirklich  reichlich  zur  Verfugung  steht.  Solche 
Standorte  gleichen  manchmal  den  Blumenbeeten  eines  Gartens.1) 

„Die  Pflanzen  der  Abhänge  sind  in  mehrfacher  Hinsicht  die  interessantesten. 
Die  meisten  derselben  treten  als  kräftig  entwickelte  Individuen  auf,  welche 
hier  vollkommen  zu  gedeihen  scheinen  und  welche  ihre  Samenreife  jährlich 
erreichen  dürften.  Dies  gilt  natürlicherweise  für  die  guten  Localitäten,  d.  h. 
für  die  Abhänge,  welche  bald  schneefrei  werden.  Hier  hat  man  auch  Ge- 
legenheit, den  merkwürdigen  Einfluss  der  Sonnenstrahlen  beobachten  zu  können. 
Abhänge,  welche  kurz  vorher  mit  Schnee  bedeckt  waren,  sind  wenige  Tage 
später  mit  mehreren  Blumen  geziert;  die  Entwicklung  derselben  kann  so 
schnell  geschehen,  dass  man  bald  auch,  wie  bei  den  Drabae,  Früchte  findet. 
Hier  sieht  man  zuweilen  ganze  blaue  Rasen  von  Polemonium  pulchellum  oder 
rothe  von  Saxifraga  oppositifolia  mit  einer  bunten  Mischung  von  anderen 
Farben,  gelb,  weiss,  grün.  .  .  .  Wenn  die  Pflanzen  der  Abhänge  in  den  Ebenen 
auftreten,  sind  dieselben  gewöhnlich  nicht  so  kräftig  entwickelt,  wie  auf  den 
Abhängen,  doch  ist  die  Verschiedenheit  in  dieser  Hinsicht  bei  einigen  Pflanzen 
weit  grösser  als  bei  anderen."5) 

Middendorff  entwirft  folgendes  Bild  von  der  trockenen  Tundra  im 
Taimyr-Lande:  „Auf  dem  trockenen,  festen  Boden  des  hochwelligen 
Landes  fusst  eine  karge  Pflanzenwelt,  nicht  vermögend  den  als  Grund- 
lage dienenden  lehmigen  Geröllsand  zu  verhüllen.  Moos  und  Sauer- 
gräser, ziemlich  zur  Hälfte,  bilden  die  Decke  der  Oberfläche,  welche, 
weil  sie  eben  nur  fleckenweise  und  nicht  ununterbrochen  gleich  unseren 
Rasendecken  bewachsen  ist,  wie  mit  schwachen  Humpeln  besetzt  er- 
scheint. Hauptsächlich  verschiedene  Arten  von  Polytrichum,  Bryum 
und  Hypnum,  zumal  zahlreiche  Arten  der  letztgenannten  Gattung,  bil- 
den die  Moosdecke  der  hohen,  trockenen,  von  mir  so  genannten  Poly- 
trichum-Tundra.  Aus  der  wie  ein  flaches  Rinnennetz  sich  darstellen- 
den schmutzig- gelbbraunen  Moosfläche,  heben  sich  Grasflecken  hümpel- 
artig  empor,  aber  die  schon  bei  Eröffnung  des  Sommers  halbabgestorbenen 
brandgelben  Spitzen  der  Binsen,  Riede  und  des  Wollgrases  stechen  nur 


*)  Vgl.  Kjellman  1.  c.  S.  462. 
2)  Nathorst  1.  c.  S.  444- 
Schimper,  Pflanzengeographie.  46 


722 


Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 


unbedeutend  von  der  Grundfarbe  der  Moosdecke  ab;  nur  unrein,  wie 
durch  einen  Flor,  schimmert  die  untere  grössere  Hälfte  des  Grases 
hervor,  denn  als  echte  Frühjahrspflanzen  haben  die  Sauergräser  ihre 
Blumen  schon  im  vorangegangenen  Sommer  vorgebildet,  und  schon  zu 
Anfang  des  hochnordischen  Sommers  (Juli  10.  bis  20.)  sind  dieselben  in 
vollster  Blüthe  und  färben  sich  braun,  während  die  Süssgräser  sich  erst 
in  der  Knospenbildung  begriffen  zeigen." 

„Auf  orographisch  gleichförmig  gestalteten  Flächen  gewinnt  das 
hässliche  Aeussere  der  Tundra  das  Ansehen  ödester  Einförmigkeit  .  . . 
Keine  Abwechselung,  kein  Schatten,  keine  Nacht.  Licht,  Wind  und 
Schall  werden  durch  nichts  aufgehalten.  Ueberall  weht  es,  überall  ist 
es  unheimlich  still  und  stumm.  Den  ganzen  Sommer  hindurch  währt 
auf  der  hochnordischen  Tundra  der  eine  und  einzige  endlos  lange 
Sommertag,  beleuchtet  von  dem  blassen  Lichte  eines  mondartigen  in 
Nebelwallen  verschleierten  Gestirnes,  das  der  Mensch  frechen  Blicks  an- 
glotzen kann." 

„...Die  Tundra  gewinnt  aber,  je  mehr  wir  den  Fernblick  auf- 
geben und  unsere  Aufmerksamkeit  unserem  nächsten  Umkreise  widmen. 
Obgleich  bei  näherer  Einsicht  Gräser  in  Menge  vorhanden  erscheinen, 
vermisst  das  Auge  doch  noch  mehr  die  Grasdecke  sowie  das  frische 
Grün  unserer  heimischen  Gegenden,  als  die  Blumen;  es  bemerkt,  dass 
der  abgetragene  Teppich  zu  unseren  Füssen  ab  und  zu  (Vjq  bis  1!i0 
der  Oberfläche)  mit  unscheinbaren  Fleckchen  der  zierlichen  Haide 
(Cassiope  tetragona),  der  Wasserbeere  (Empetrum  nigrum)  oder  der 
buschigen  Dryas  octopeta  geblümt  ist,  dass  hie  und  da  ein  spärliches 
Rennthiermoos  als  weisse  Koralle  den  Grund  ziert,  ja  dass  mitunter  eine 
kaum  zu  entdeckende  halbvergrabene  Zwergweide  verstohlen  sich  zeigt, 
oder  gar  Zwergblümchen  des  verkümmerten  Chrysosplenium  alterni- 
folium,  oder  zwergiger,  theilweise  verdorrter  Krüppel  der  ohnehin 
zwergigen  Hungerblümchen  (Drabae),  oder  des  Zwergranunkels  (Ranun- 
1  culus  pygmaeus)  sich  hervorthun.  Der  Kenner  unterscheidet  allerdings 
sogar  unter  den  winzigen  Hungerblümchen  die  grösste  Mannigfaltigkeit, 
ja  10  verschiedene,  im  Taimyrlande  vorkommende  Arten  dieses  einen 
Geschlechtes ;  doch  der  Eindruck ,  den  alle  diese  Blümchen  auf  den 
Beobachter  hinterlassen,  ist  nicht  mit  demjenigen  der  Zierden  unserer 
blumigen  Landschaften  zu  vergleichen,  sondern  alles  geht  in  dem  einen 
Begriffe  jämmerlicher  Dürftigkeit  auf  .  .  .  Diese  Hungerblümchen  aber 
walten  dermaassen  vor  allen  anderen  Blumen  im  Taimyrlande  vor 
(10  verschiedene  Arten),  dass  ihre  Mannigfaltigkeit  nur  von  derjenigen 
der  Saxifragen  (12  Arten)  übertroffen  wird.  Das  Ganze  macht  den 
Eindruck  unverkennbarer  grosser  Dürre,  zumal  die  verdorrten  vor-, 
sogar  vorvorjährigen  Blattschöpfe,  Blüthenstiele  und  Fruchtkapseln  den 
grünenden    und    blühenden   Theilen    des   laufenden   Jahres    noch    fest 


II.   Die  arktischen  Pflanzenformationen.  723 

ansitzen,  noch  jahrelang  nach  ihrem  Absterben  die  grünenden  Knospen 
umhüllend  schützen.  Kratzt  man  aber  den  Boden  auf,  so  findet  man 
sich  in  feuchter  Erde ,  und  stösst  in  Fingertiefe  auf  Eis ,  ja  das  Moos 
der  Rinnchen  ruht  unmittelbar  auf  dem  Bodeneise." 

„Hie  und  da  zeigt  sich  wohl  auch  auf  der  hohen  Tundra  ein  Alpen- 
mohn oder  eine  Pedicularis,  meist  sind  das  aber  die  Vorläufer  dessen, 
dass  man  sich  Plätzen  nähert,  über  welche  im  Frühsommer  Wasser 
rieselt.  An  solchen  Stellen  gewinnt  auch  gewöhnlich  das  Gras  und 
ein  frischeres  Grün  die  Oberhand,  die  Hümpel  vergrössern  sich  bis 
zu  einem  Schritte  im  Durchmesser  und  1/2  Fuss  Höhe,  die  Blätter  der 
Gräser  sprossen  nicht  nur  länger,  d.  i.  bis  3  oder  4  Zoll  Höhe,  einzelne 
Halme  bis  7  Zoll  Höhe  empor,  sondern  stehen  auch  dichter,  namentlich 
aber  das  Moos  verschwindet,  Dryas  und  Cassiope  wachsen   freudiger." 

„Wo  sonst  noch  auf  der  hohen  Tundra  ein  entschieden  und 
freudig  grünender  Fleck  sich  schon  in  weiter  Ferne  aus  dem  Braun- 
gelb der  Gesammtfläche  hervorhebt,  da  kann  man  mit  Sicherheit  auf 
Süssgräser  und  auf  eine  der  beiden  folgenden  aussergewöhnlichen 
Ursachen  schliessen :  entweder  sind  Baue  des  Eisfuchses  dort  vorhanden 
oder  es  sind  verlassene  Zeltstellen  der  Samojeden  .  .  ." 

„Wie  auf  diesen  glücklichen  Oasen  inmitten  der  allgemeinen  öden 
Wüste  sich  die  Kraft  der  Düngung  sogar  im  äussersten  Norden  bewährt, 
so  auch  in  den  angeschwemmten  und  jährlich  unter  Wasser  gesetzten 
schlammreichen  Niederungen.  Nur  in  diesen  —  der  Lajdy  —  ver- 
mögen die  hochnordischen  Gräser  sich  zu  zusammenhängenden  Rasen- 
flächen zu  vereinigen.  In  geeigneten  Buchten  solcher  Niederungen  fand 
ich  handhohe  Schwaden  vorjährigen  Heues,  2  bis  20  Schritte  breit, 
welche  uns  auf  das  Erwünschteste  als  Lagerstellen  dienten.  Die 
längeren  Halme  hatten  bis  i*/4  Fuss  Höhe  erreicht;  die  Sense  hätte 
Arbeit  gehabt  ..." 

„Die  üppigsten  Oasen  des  Hochnordens  finden  wir  aber  an  den 
Abhängen,  welche,  vor  dem  Einflüsse  rauher  Winde  geschützt,  die 
Sonnenwirkung  senkrecht  anprallender  Strahlen  entgegennehmen,  zumal 
wenn  sie  mit  fetten  Uferabstürzen  sich  verbinden,  deren  frische  Boden- 
kraft locker  daliegt  und  mit  Hülfe  ihrer  Schwärze  die  Sonnenstrahlen 
noch  vollständiger  aufsaugt." 

„Auch  auf  diesen  Uferabstürzen  treten  die  Süssgräser  nur  in  ein- 
zelnen Rasenfleckchen  und  Rasenschöpfen  auf,  und  unsere  Rasendecke 
vermissen  wir  auch  hier ;  aber  um  so  mehr  überrascht  uns  die  Farben- 
pracht, sowie  der  Formenreichthum  der  Blumenstücke,  welche  sich  vom 
dunklen  Boden  hervorheben.  Von  oben  betrachtet  sehen  wir  oft 
mehr  Blumen  als  Laub  an  den  Pflanzen.  Hier  prangen  die  Sieversia 
glacialis,  die  Ranunkeln,  die  Caltha  palustris,  die  Potentillen  und  Löwen- 
zahne mit  ihren  üppigen  hochgelben,  Saussurea  alpina  mit  ihren  grossen 

46* 


724  Dritter  Abschnitt:   Die  arktische  Zone. 

blauen  Blumen,  vom  saftigen  Laube  der  Blätter  gehoben,  oder  das 
blaue  Polemonium  humile  und  das  Vergissmeinnicht ;  hier  prunken  die 
zierlich  geschlitzten,  rosafarbenen  Oxytropis-,  hier  die  Pedicularis -Arten, 
mit  ihren  verschiedenfarbigen  schöngeformten  Blüthen ;  hier  der  frische 
zarte  Schmelz  der  gelben,  blauen,  purpurfarbenen  und  weissen  Saxi- 
fragen,  die  rothen  Köpfe  der  Armeria  arctica,  hier  Polygonum  bistorta, 
oder  die  schönen  zusammengesetzten  Formen  der  Matricaria  inodora 
var.  phaeocephala ,  hier  Erigeron  uniflorus  und  andere  Compositen, 
hier  der  üppige  Alpenmohn  (Papaver  nudicaule),  hier  das  ausgezeichnet 
schöne  Delphinium  Middendorffii,  der  riesige  Senecio  palustris  mit 
seinen  zollgrossen  Blumen,  bis  40  an  der  Zahl  .  .  ." !) 

Grönland  besitzt  eine  Reihe  von  Formationen,  deren  Unterschiede  theils 
durch  klimatische,  theils  durch  locale  Factoren  bedingt  sind.  Zunächst  ist 
zwischen  der  südlichen,  subarctischen  Spitze  und  den  nördlicheren,  wirklich 
arctischen  Theilen  zu  unterscheiden.  Das  südlichste  Grönland  besitzt  Birken- 
büsche, die  bis  10'  Höhe  erreichen  und  welche  vorwiegend  von  Betula 
odorata  var.  tortuosa  und  B.  intermedia  gebildet  sind.  Als  Nebenbestandtheile 
enthalten  sie :  Sorbus  americana,  Alnus  ovata  var.  repens,  Juniperus  communis 
var.  nana,  Salix  glauca  und  S.  myrsinites. 

In  den  nördlicheren  Breiten  Grönlands  zeigen  sich  noch  bei  68°  N. 
mannshohe  Gebüsche  von  Salix  glauca,  die  auf  ihrem  schwarzen,  feuchten 
Boden,  namentlich  in  der  Nähe  der  Bäche,  einen  tippigen  Krautflor  (Ar- 
changelica,  Alchemilla  vulgaris  etc.)  ernähren.  In  Upernivik  (ca.  730  N.) 
haben  diese  Büsche  nur  noch  2'  Höhe. 

Ein  grösserer  Theil  des  südlichen  und  mittleren  Grönland  ist  von  War- 
ming's  „Heide-Formation"  eingenommen,  welche  wir  lieber,  da  ihr  ökologischer 
Charakter  weit  mehr  als  in  mittleren  Breiten  durch  das  Klima  beeinflusst  ist, 
Zwergstrauch-Tundra  nennen  wollen.  Die  Vegetation  besteht  aus  immergrünen, 
einen  halben  Fuss  hohen  klein-  und  derbblätterigen  Sträuchern  (namentlich 
Empetrum  nigrum,  auch  Cassiope  tetragona  etc.),  aus  Stauden  (z.  B.  Pyrola 
grandiflora),  Moosen  und  Flechten.  Ueberall  zeigt  sich  zwischen  den  einzelnen 
Pflanzen  der  trockene,  sandige  Boden. 

Echten  Tundracharakter  zeigt  Warming's  Fjeld-Formation ,  welche  den 
grössten  Theil  des  nicht  von  Eis  bedeckten  Grönland  einnimmt  und  im 
Norden  allein  noch  vorhanden  ist.  Während  in  der  Zwergstrauch-Tundra  die 
Vegetation  noch  den  allgemeinen  Farbenton  bedingt,  ist  die  Farbe  der  Fjeld- 
Formation  diejenige  des  meist  kiesigen,  bald  trockenen,  bald  nasskalten  Bodens. 
Zwergsträucher  treten  hier  ganz  zurück;  die  dürftige  Flora  ist  von  Stauden, 
Moosen  und  Flechten  gebildet. 

l)  1.  c.  S.  730—734. 


Auswahl  der  Literatur.  725 

Auswahl  der  Literatur. 

Kihlman,  A.  O.     Pflanzenbiologische  Schilderungen  aus  Russisch-Lappland. 

Acta  Soc.  pro  fauna  et  flora  fennica.     T.  VI.     1890. 
Kjellman,   F.    K.      Aus  dem  Leben   der  Polarpflanzen,   in:    Nordenskjöld, 

Studien  und  Forschungen.     Leipzig  1883. 
Middendorff,  A.  v.     Die  Gewächse  Sibiriens.    In :  Sibirische  Reise.  Bd. IV. 

1.  Thl.     1864. 
Nathorst,   A.  G.      Studien   über   die   Flora   Spitzbergens.     Engler's  Botan. 

Jahrbücher  für  Systematik  etc.     Bd.  IV.     1883. 
Warming,  E.      Ueber  Grönlands  Vegetation.      Engler's  Botan.  Jahrbücher. 

Bd.  X.      1888. 


Vierter  Abschnitt. 

Die  Höhen. 


I.  Das  Höhenklima. 

1.  Die  Luftverdünnung.  Abnahme  des  Luftdrucks  bei  zunehmender  Höhe  über 
dem  Meere.  Gleichzeitige  Abnahme  der  Lufttemperatur  und  Zunahme  der  Wärmestrahlung. 
Ungleiche  Temperatur  in  Sonne  und  Schatten  auf  den  Höhen.  Nächtliche  Abkühlung.  Zu- 
nahme der  Lichtintensität.  Reicherer  Gehalt  des  Höhenlichtes  an  stark  brechbaren  Strahlen. 
2.  Die  Hydrometeore,  Zunahme  des  Regens  bei  zunehmender  Höhe.  Niveau  des 
grössten  Regenfalls.  Abnahme  des  Regens  oberhalb  desselben.  Der  ewige  Schnee.  Die 
Bewölkung.  Abnahme  des  Wasserdampfes  auf  grossen  Höhen.  Rascher  Wechsel  von 
Feuchtigkeit  und  Trockenheit  der  Luft.     Grosse  Intensität  der  Verdunstung  im  Höhenklima. 


1.  Die  Luftverdünnung. 

Der  wichtigste  Unterschied  zwischen  dem  Klima  der  Niederungen 
und  demjenigen  der  Höhen  ist  die  mit  steigender  Entfernung  vom 
Meeresniveau  stattfindende  Abnahme  des  Luftdrucks,  welche  nicht  blos 
schon  an  sich  ein  abweichendes  Klima  bedingt,  sondern  auch  die  an- 
dern klimatischen  Factoren,  Wärme,  Licht,  Hydrometeore  wesentlich 
beeinflusst. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Luftdruck  am  Meeresniveau 
762  mm  beträgt  und  die  Temperaturabnahme  je  0,5°  C.  für  je  100  m 
beträgt,  ergeben  sich  für  die  Verminderung  des  Luftdruckes  bei  Inter- 
vallen von  500  m  bezw.   1000  m  folgende  Werthe: 


I.   Das  Höhenklima. 


727 


Seehöhe 


Temperatur  im  Meeresniveau 


(m)     ! 

!   o° 

5° 

IO° 

i5° 

20  ° 

[   250 

O 

1  762 

762 

762 

762 

762 

762 

500 

716 

716 

717 

718 

719 

720 

IOOO 

671 

673 

675 

676. 

678 

679 

1500 

630 

632 

634 

636 

639 

641 

2000 

59o 

593 

596 

599 

601 

604 

2500 

553 

556 

559 

563 

566 

569 

3000 

5i7 

521 

525 

529 

532 

536 

35°° 

484 

488 

492 

497 

501 

505 

4000 

452 

457 

461 

466 

470 

475 

5000 

394 

399 

404 

410 

4i5 

420 

6000 

.   343 

348 

353 

35° 

364 

37o 

Jede  Abnahme  des  Luftdrucks  ist  von  einer  solchen 
der  Lufttemperatur  begleitet  indem  die  Absorbtion  der  Strahlen 
mit  zunehmender  Verdünnung  abnimmt.  Die  bei  zunehmender  Höhe 
stattfindende  Erkaltung  beträgt  im  Mittel  0,58°  C.  für  100  m,  also 
etwas  mehr  als  in  der  vorhergehenden  Tabelle  angenommen  wurde ;  sie 
ist  jedoch  in  gewissem  Grade  von  lokalen  Einflüssen  abhängig.  Fol- 
gende, von  Hann  zusammengestellte  Tabelle  giebt  die  durchschnittliche 
Abnahme  der  Wärme  mit  der  Höhe,  wie  sie  in  verschiedenen  Gebirgs- 
ländern  direkt  festgestellt  wurde. 

Wärmeänderung   pro  100  m  in  Celsiusgraden. 
I.     Tropische  Gebirge. 

Anden  von  Columbien  und  Mexico  (Humboldt) °-53° 

Anden  von  Südamerika  zwischen  n°N.  u.  50  S.  (Boussingault)  0.5 7 ° 

Nordwest-Himalaya  (Blanford) 0.5 6° 

Nordwest-Himalaya  mit  Tibet  (Hill) 0.5 1° 

Mittlerer  Himalaya  (Blanford) 0.5  2  ° 

Nilgiri  (Hann) 0.620 

Ceylon  (Hann) 0.650 

Java  (Batavia-Pangerango) 0.5  6° 

IL     Temperierte  Gebirge. 

Siebengebirge  (Bischof) 0.5  6° 

Erzgebirge  (Reich) 0.5  20 

Erzgebirge  (Hann) °-59° 

Harz  (Hann) 0.580 

Blaue  Berge  vom  Norden  von  South- Wales  (Hann) 0.5 1° 

Kaukasus  und  Armenien  (Wild) °-45° 

Mount  Washington,  North- Hampshire  (Hann) °-55° 

Pikes  Peak,  Colorado  (Hann) 0.6 30 

Kalifornien  (Colfax,  Summit) 0.7  50 

Bei  Christiania  6o°  N.  B.  (Mohn) 0.5  50 

Alpen  (Hann,  Hirsch,  Wielemann) 0.580 


728  Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 

In  den  Klimaten  mit  kalten  Wintern  existirt  eine  jährliche  Periode  der 
Wärmeänderung  mit  der  Höhe. 

Mitteleuropa     (Erzgebirge,    Harz,    Alpen).  Wärmeabnahme 

pro    100  m. 
Winter  Frühling  Sommer  Herbst  Jahr 

0.45  0.67  0.70  0.53  0.59. 

Eine  weitere  Folge  der  Luftverdünnung,  welche  sich  bei  zu- 
nehmender Höhe  ebenso  direct  bemerkbar  macht,  wie  die  abnehmende 
Luftwärme,  ist  die  wachsende  Intensität  der  Wärmestrahlung. 
Die  den  Wärmestrahlen  ausgesetzten  Gegenstände  erwärmen  sich  mehr 
als  im  Tiefland,  kühlen  sich  aber  auch  rascher  und  stärker  ab. 

Bekanntlich  besitzt  die  Atmosphäre  die  Eigenschaft,  die  von  einer 
glühenden  Wärmequelle,  z.  B.  von  der  Sonne,  entsandten  Strahlen  leicht, 
die  von  einem  dunklen  Körper  herrührenden  schwer  durchzulassen.  Dem- 
entsprechend wird  im  Tiefland  der  Boden  durch  die  Sonnenstrahlen  stark 
erhitzt,  durch  die  eigene  nächtliche  Strahlung  aber  wenig  abgekühlt  Je 
dünner  die  Atmosphäre,  desto  grösser  ist  die  Erhitzung  am  Tage,  aber  auch 
die  Abkühlung  in  der  Nacht 

Zu  der  Verdünnung  der  Atmosphäre  kommt  in  hohen  Lagen  ein  anderer 
Factor  verstärkend  hinzu,  die  Abnahme  des  Wasserdampfes.  Der  atmo- 
sphärische Wasserdampf  absorbirt  nämlich,  nach  Violle,  eine  fünfmal  grössere 
Wärmemenge,  als  trockene  Luft. 

Die  absorbirende  Wirkung  der  Luft  auf  die  Sonnenstrahlung  wird  von 
Hann  wie  folgt  drastisch  charakterisirt :  „Wenn  die  Sonne  nahe  senkrecht 
über  Indien  steht,  ist  der  Betrag  des  directen  Sonnenlichtes,  das  auf  die 
Thäler  von  Tibet  fällt,  wo  noch  Getreide  cultivirt  wird,  nahe  1 1/2  mal  grösser 
als  die  Lichtmenge,  die  auf  die  Ebenen  Hindostan's  fallt,  ja,  wenn  die  Sonne 
450  hoch  steht,  ist  die  chemische  Wirkung  derselben  auf  dem  Hochland  mehr 
als  2  mal  grösser  als  auf  den  Ebenen." 

Von  den  ungleichen  Temperaturen  an  der  Sonne  und  im  Schatten 
auf  grossen  Höhen  geben  folgende  Daten  (nach  Peschel,  Hann  und 
Junghuhn)  eine  Vorstellung: 

Hooker  beobachtete  auf  dem  Himalaya  bei  3000  m  Höhe  55  °  C. 
am  geschwärzten  Quecksilberthermometer  in  der  Sonne  und  — 5,6  °C. 
im  Schnee,  im  Schatten.  Prschewalski  fand  auf  dem  Hochlande  von 
Tibet  (Seehöhe  nicht  angegeben)  am  27.  October  1879  zu  gleicher 
Zeit  +  16,3  °  C.  auf  der  Sonnenseite  und  — 8,0  °  C.  auf  der  Schatten- 
seite seines  Zeltes.  „Cayley  sah  am  11.  August  1867  zu  Leh  das 
Thermometer  in  der  Sonne  auf  57,8°  C.  steigen,  während  die  Tempe- 
ratur im  Schatten  bloss  23,9°  C.  war,  ein  geschwärztes  Thermometer 
in  einer  luftleer  gemachten  Glashülle  (Solar  -  Thermometer)  stieg  sogar 
auf  101,7  °  C.,  d.  i.  fast  um  140  höher  über  den  Siedepunkt  des  Wassers, 
der  in  dieser  Höhe  nur  mehr  88°  C.  beträgt." 


I.   Das  Höhenklima. 


729 


Folgende  von  Hann  zusammengestellte  Tabelle  zeigt,  wie  viel  grösser 
der  Temperaturunterschied  in  Sonne  und  Schatten  auf  den  Höhen  als 
im  Tieflande  ist: 


Ort 


Oakland  Park 


Riffelberg 


Hörnli  . 


Gornergrat 
Whitby 


Pontresina 


Bernina  H. 


Diavolezza 


Seehöhe  in  m 
(Sonnenhöhe  60  °) 


Thermometer 
Schatten       I        Sonne 


46 


30.0 


41.5 


2570 


2890 


3I40 


1800 


233° 


24.5 


20.1 


14.2 


32.2 


26.5 


19.1 


45-5 


48.1 


47.O 


37.8 


44.0 


46.4 


2980 


6.0 


59-5 


Von  der  ungleichen  nächtlichen  Abkühlung  in  den  Niede- 
rungen und  auf  den  Höhen  geben  folgende  Beobachtungen  Belege: 
„Vergleichende  Messungen  der  Wärmestrahlung  zu  Brienz  und  auf  dem 
2 110  m  hohen  Faulhorngipfel  ergaben  eine  37%  grössere  Wärmeaus- 
strahlung auf  letzterem  Punkte;  ebensolche  gleichzeitig  zu  Chamounix 
und  auf  dem  Grand  -  Plateau  du  Mont-Blanc  (3930  m)  ausgeführt  er- 
gaben auf  diesem  2880  m  höher  liegenden  Punkte  eine  beinahe  doppelt 
so  grosse  (um  93  °)  Wärmeausstrahlung.  Die  Temperatur  des  §chnees 
auf  dem  Grand-Plateau  sank  in  den  Nächten  vom  28.  bis  31.  August 
1844  auf —  19,2°  während  die  Lufttemperatur  noch  —  6,5 °  betrug"  (Hann). 

Ueber  die  nächtliche  Temperaturabnahme  auf  den  9 — 12000'  hohen 
Gipfeln  der  Vulkane  Java's  theilt  Junghuhn  Folgendes  mit,  das  ich  nach 
eigenen  Erlebnissen  nur  bestätigen  kann: 

„Kaum  hat  die  Sonne  den  Rand  des  Horizonts  berührt,  so  tritt  eine 
schnelle,  ja  plötzliche  Veränderung  ein.  Auf  dem  Gipfel  selbst  steht  auf  ein- 
mal alle  Bewegung  still.  Der  Wind  legt  sich  gewöhnlich  ganz,  kein  Nebel- 
streifen zieht  mehr  vorbei  und  die  Luftwärme  sinkt  so  schnell  und  tief  herab, 
dass  man  nicht  zögert,  sich  in  seinen  Mantel  oder  seine  Decke  zu  hüllen. 
Die  Javanen  kauern  sich  immer  näher  um  die  brennenden  Feuer  zusammen, 
denn  das  Thermometer,  das  kurz  vorher,  während  die  Sonne  unterging,  noch 
auf  8,4°  R.  (10,5  °  C.)  stand,  ist  nun  schon  auf  5,3  °  R.  (7  °  C),  ja  zuweilen 
von  9,3°  R.  (ii,6°  C.)  bis  auf  4,4°  R.  (5,5°  C.)  herabgesunken  .  .  .  Ehe 
Mitternacht  herangekommen  ist,  sinkt  dann  die  Temperatur  oft  bis  auf,  ja 
unter  den  Nullpunkt  herab  und  alles  Wasser  in  Gefössen,  die  man  auf  einem 
schlechten  Wrärmeleiter  in  freier  Luft  ausgestellt  hat,  wird  zu  Eis.  Selbst  auf 
Wassertümpeln  schiessen  Eiskrusten  an  und  aller  Thau  der  Pflanzen,  besonders 
der  spitzen  Gräser,  die  auf  offenen  Plätzen  wachsen,  ist  gefroren.  Unter  den 
Laubschirmen  der  Gebüsche  ist  dies  nie  der  Fall,  denn  die  stabile  Wärme 
des  Bodens,  2    unter  der  Oberfläche,  beträgt  8°  R.  (10  °  C.)." 


Bagneres 

Pic 

Untersch.  auf  Pic 

2  2.3°   C. 

IO.I0 

—  12.2° 

36.1  ° 

38.8  ° 

4.     2.3  • 

27.I  ° 

13-2° 

—  139  ° 

50.3  ° 

52.3  ° 

+     2» 

730  Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 

Ch.  Martins  hat  Versuche  über  die  ungleiche  Erwärmung 
des  Bodens  in  der  Niederung  und  auf  denHöhen  angestellt 
Die  Stationen  waren  Bagnfcres  (551  m)  und  der  Gipfel  des  Pic  du  Midi 
(2877  m);  die  horizontale  Entfernung  beider  Punkte  beträgt  14,5  Kilo- 
meter. Die  Messungen  wurden  an  drei  heiteren  Septembertagen  ge- 
macht und  zwar  mit  der  gleichen  Bodenart,  einer  schwarzen  Modererde: 

Mittlere  Lufttemperatur  .  .  . 
Mittlere  Boden  wärme  .  .  . 
Maximum  der  Lufttemperatur  . 
Maximum  der  Bodentemperatur 

Nicht  bloss  in  Bezug  auf  die  Wärmestrahlung  zeigt  sich  zwischen 
Tiefland-  und  Höhenklima  ein  Unterschied,  sondern  natürlich  auch  auf 
die  Lichtstrahlung.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  es  aber,  dass 
das  Höhenlicht  reicher  ist,  als  dasjenige  des  Tieflands, 
an  blauen,  violetten  und  ultravioletten  Strahlen,  indem 
der  stark  brechbare  Theil  des  Spectrum  von  der  Atmosphäre  am 
Stärksten  absorbirt  wird. 


2.  Die  Hydrometeore. 

Vermöge  ihrer  tieferen  Temperatur  wirken  die  Gebirge  conden- 
sirend  auf  den  Wasserdampf  der  Luft  und  sind  dementsprechend  im 
Allgemeinen  regenreicher  als  das  benachbarte  Tiefland. 

„So  haben  die  höheren  Plateaus  und  Gebirge  der  mittleren  Sahara  regel- 
mässigen Sommerregenfall,  an  den  Gebirgen  der  nubischen  und  arabischen 
Küste  entladen  sich  Gewitter  mit  schweren  Regengüssen.  Wo  aus  den  Steppen- 
gebieten Mittel- Asiens  sich  Hochgebirge  erheben,  findet  sich  in  gewisser  Höhe 
Baumwuchs  und  Wald  ein  in  Folge  reichlicher  Niederschläge.  Aehnlich  verhält 
es  sich  in  den  Wüsten  des  westlichen  Nord -Amerika."  (Hann.) 

Zunehmende  Höhe  ist  mit  Zunahme  des  Regenfalles 
verbunden,  jedoch  nur  bis  zu  einer  gewissen,  nach  den 
allgemeinen  klimatischen  Bedingungen  und  nach  localen 
Verhältnissen  schwankenden  Linie,  welche  dem  Maximum 
entspricht  und  oberhalb  welcher  die  Niederschläge  rasch 
wieder  abnehmen. 

Zunahme  der  Niederschläge  mit   der  Höhe    im   deutschen 

Mittelgebirge: 

Seehöhe  m  1 — 200     2—300    3 — 400     4 — 500     5 — 700     700 — 1000 

Niederschlag  cm         58  65  70  78  85  100 

Die  deutschen  Mittelgebirge  erreichen  nicht  jene  Höhe,  von  welcher  an 
die  Niederschlagsmenge  wieder  abnimmt  (Hann  1.  c.  S.   186). 


I.   Das  Höhenklima.  73  I 

„Dass  es  an  hohen  Gebirgen  eine  obere  Grenze  der  maximalen  Nieder- 
schlagsmenge geben  muss,  ist  leicht  einzusehen.  Die  Abnahme  der  Tempe- 
ratur mit  zunehmender  Höhe  bedingt  nothwendig  auch  eine  Abnahme  des 
Wassergehalts  der  Luft  und  die  Intensität  der  Niederschläge  muss  dadurch  in 
einer  gewissen  Seehöhe  so  weit  verringert  werden,  dass  sie  auch  durch  eine 
grössere  Häufigkeit  derselben  nicht  mehr  compensirt  werden  kann.  Die 
maximale  Niederschlagsmenge  ist  im  Allgemeinen  in  jener  Höhe  zu  erwarten, 
wo  bei  dem  durchschnittlichen  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  in  der  Niederung 
diese  im  Emporsteigen  so  weit  abgekühlt  wird,  dass  die  Condensation  des 
Wasserdampfes  beginnt.  Denn  hier  fallen  noch  die  Niederschläge  bei  der 
höchsten  Sättigungstemperatur,  wo  für  jeden  Grad  Temperatur  -  Erniedrigung 
die  ausgeschiedene  Wassermenge  im  Maximum  ist."     (Hann.) 

Nach  Hill  liegt  die  Linie  des  grössten  Regenfalls  auf  dem  Hima- 
laya  bis  1270  m  ü.  M. ;  derselbe  beträgt  da  3,7  mal  mehr,  bei  3000  m 
ü.  M.,  dagegen  fünfmal  weniger  als  im  benachbarten  Tiefland.  Nach 
Junghuhn  ist  auf  Java  der  Regenfall  zwischen  2000— 4000'  ü.  M.  am 
stärksten. 

Für  die  temperirten  Zonen  liegen  genaue  Messungen  nicht  vor. 
Die  Verhältnisse  sind  hier  dadurch  erschwert,  dass  die  Zone 
grössten  Regenfalls  mit  der  Jahreszeit  schwankt  und 
zwar  im  Winter  weit  tiefer  liegt  als  im  Sommer.  Die 
Basis  der  Gebirge  erhält  also  vornehmlich  Winter-,  der  Gipfel  Sommer- 
niederschläge. 

Das  Erhaltenbleiben  des  Schnees  auf  den  Höhen  ist 
dadurch  bedingt,  dass  die  Sommertemperatur  überhaupt  nicht  oder 
nicht  hinreichend  lange  den  Thaupunkt  überschreitet.  Das  Vorhanden- 
sein einer  persistirenden  Schneedecke  ist  also  von  zwei  Factoren,  der 
Sommertemperatur  und  der  Menge  der  Niederschläge,  abhängig.  Ab- 
gesehen von  einigen,  durch  locale  Verhältnisse  bedingten  Schwankungen 
rückt  der  ewige  Schnee  mit  abnehmender  Breite  in  die  Höhe.  So  liegt 
dessen  untere  Grenze  auf  Spitzbergen  bei  460  m,  in  den  mittleren 
Alpen  bei  2700  m,  in  den  Anden  von  Quito  bei  4800  m,  auf  der 
tibetanischen  Seite  des  Himalaya  aber,  in  Folge  der  hohen  Sommer- 
temperatur der  benachbarten  Hochebene,  höher  als  am  äquatorialen 
Quito,  nämlich  bei  5670  m. 

Die  Bewölkung  stimmt  natürlich  im  Wesentlichen  mit  den 
Niederschlägen  überein.  Auf  den  tropischen  Gebirgen  ist  sie  auf  der 
Höhe  grösser  als  im  Tiefland,  wenigstens  während  der  Regenzeit.  Da- 
gegen haben  die  meisten  temperirten  Hochgebirge  namentlich  die  Alpen, 
während  des  Winters  weit  helleren  Himmel  auf  den  Höhen  als  in  den 
Tiefen,  während  das  Verhältniss  sich  im  Sommer  umkehrt. 


732 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


Mittlere  Bewölkung   auf  den  Höhen  und  im  Tiefland. 


1 

Höhe  (m) 

Winter 

Frühjahr 

Sommer 

Herbst 

Jahr 

Ebene  Schweiz  .     .  ' 

420 

7-3 

5.8 

5-2 

6.2 

6.1 

Tirol 

1300 

4.6 

5.3 

5-4 

5-2 

5-2 

Tirol 

1830 

3-7 

4.6 

5-° 

4.2 

4-4 

Ost-  und  West- Alpen  ( 

2600 

4.6 

6.1 

5.6 

5.5 

5-4 

In  den  temperirten  Zonen  haben  „die  höheren  Gebirgsthäler  und  Gipfel 
einen  heiteren  Herbst,  namentlich  aber  einen  heiteren  WinterhimmeL  Die 
grosse  Heiterkeit  des  Winterhimmels  in  den  Hochalpenthälern  gehört  zu  den 
hervorragendsten  klimatischen  Vorzügen;  sie  bedingt  neben  der  Lufttrocken- 
heit und  dem  verminderten  Luftdruck  eine  ungemein  intensive  Insolation." 
(Hann.) 

„Aus  Centralasien  haben  wir  die  interessanten  Beobachtungen  Sewerzow's 
in  Thianschan,  aus  denen  die  Erhebung,  welche  die  Wolken-  und  Regenregion 
vom  W'inter  zum  Sommer  erfahrt,  schön  zum  Ausdruck  kommt.  Die  Zone 
der  Wrinterschneewolken  befindet  sich  hier  in  einer  Höhe  von  2500 — 3000  m., 
es  ist  dies  zugleich  die  Höhenzone  der  Tannenwälder,  welche  in  geringeren 
Höhen  der  Trockenheit  wegen  fehlen.  Die  höheren  Regionen  empfangen 
wenig  Winterschnee,  dagegen  reichlicheren  Regen  durch  die  höheren  Sommer- 
wolken, und  dies  begünstigt  in  diesen  Höhenzonen  den  Graswuchs,  das  Vor- 
handensein guter  Weiden."     (Hann.) 

Mit  der  zunehmenden  Verdünnung  der  Atmosphäre  nimmt  ihr 
Gehalt  an  Wasser  dampf  ab  und  zwar,  wie  folgende,  von  Hann 
zusammengestellte  Tabelle  zeigt,  in  welcher  Druck  und  Wassergehalt 
der  Luft  im  Niveau  des  Meeres  gleich  I  gesetzt  sind,  im  Verhältniss 
viel  rascher. 


Seehöhe  (m)       Wasserdampf 

Luft         jl    Seehöhe  (m) 

Wasserdampf            Luft 

0              1           I.OO 

1.00         !          5000 

0.17 

0.54 

1000 

o.73 

0.88 

,          6000 

0.12 

0.47 

2000 

0.49 

0.78         |          7000 

008 

0.42 

3000 

0.35 

0.69 

8000 

0.06 

0.37 

Diese  Abnahme  bezieht  sich  nur  auf  den  absoluten  Wasserdampf- 
gehalt der  Luft,  während  der  relative  in  keiner  gesetzmässigen  Beziehung 
zur  Höhe  steht.  Alle  Beobachtungen  über  den  relativen  Dampfgehah 
der  Luft  in  grossen  Höhen  ergaben,  dass  derselbe  einem  ausserordent- 
lichen starken  und  raschen  Wechsel  unterliegt,  so  dass  ganz  gewöhnlich 
völlige  Sättigung  mit  Wasser  dampf  und  grösste  Trocken- 
heit in  kurzen  Intervallen  aufeinander  folgen,  je  nachdem 
aufsteigende  Bewegung  mit  Wasserdampf  oder  absteigende  Bewegung 
bezw.  Windstille  herrschen. 


I.   Das  Höhenklima.  733 

Solcher  Wechsel  zeigt  sich  in  den  Tropen  vornehmlich  während 
der  Regenzeit,  in  den  kühlen  Zonen  aber  nur  im  Frühling  und  im 
Sommer;  der  Winter  ist  auf  den  Höhen,  entsprechend  der 
geringen  Bewölkung,  durch  sehr  trockene  Luft  aus- 
gezeichnet. 

Nach  den  Beobachtungen  Junghuhn's  auf  Java  schwankte  die  relative 
Feuchtigkeit  auf  dem  Gipfel  des  Slamat  (10500'  =  3374  m)  im  Laufe  von 
weniger  als  24  Stunden  zwischen  13%  und  ioo°/0,  auf  dem  Gipfel  des 
Semerü  (11  480')  im  Laufe  von  45  Stunden  zwischen  35%  und  5  °/0.  Von 
der  Trockenheit  auf  letzterem  Gipfel  sagt  derselbe  Beobachter:  „Die  Luft 
war  auf  diesem  Gipfel  des  G.  Semerü,  dem  höchsten  der  Insel  Java,  so 
trocken,  dass  java'sche,  aus  Pandanusblättern  geflochtene  Matten,  die  an 
demselben  Morgen,  5000'  unterhalb  des  Gipfels,  noch  sehr  biegsam  waren, 
in  die  kleinsten  Stücke  gebrochen,  in  der  flachen  Hand  zu  Staub,  so  fein 
wie  Mehl,  zerrieben  und  in  die  Luft  geblasen  werden  konnten." 

Ch.  Martins  fand  auf  dem  Grand-Plateau  des  Mont  Blanc  (3930  m)  vom 
28.  August  bis  zum  1.  September  eine  relative  Luftfeuchtigkeit  von  durch- 
schnittlich 38°/0  (Minimum  13%),  während  sie  zu  Chamounix  82  °/0  (Mi- 
nimum 5o°/0)  betrug. 

Der  tägliche  Wechsel  der  Thal-  und  Bergwinde  bedingt  eine 
fortwährende  Bewegung  der  Gebirgsluft,  die  namentlich  in 
beträchtlicher  Höhe  und  auf  isolirten  Gipfeln  zu  grosser  Intensität  steigt. 
Auf  den  Hochgebirgen  der  temperirten  Zone  sind  die  Winde  im  Winter 
weit  weniger  heftig  als  im  Frühling  und  Sommer. 

Die  Luftverdünnung,  die  starke  Insolation,  die  zeitweise  eintretende 
ausserordentliche  Trockenheit  der  Luft,  die  Winde  bedingen  gemein- 
schaftlich die  auffallende  Intensität  der  Verdunstung,  die  jedem 
Bergsteiger  nur  zu  gut  bekannt  ist. 

Es  trocknet  Alles  viel  rascher  in  grossen  Höhen ,  getödtete  oder 
gefallene  Thiere  mumificiren,  ohne  zu  faulen,  der  Schweiss  verdunstet 
rasch,  die  Haut  ist  trocken  und  spröde,  das  Durstgefühl  wird 
gesteigert  Die  Evaporationskraft  des  Hochgebirgsklimas  darf  deshalb 
nicht  nach  der  relativen  Feuchtigkeit  allein  beurtheilt  werden,  der  ver- 
minderte Luftdruck  ermöglicht  eine  viel  raschere  Verbreitung  der 
gebildeten  Wasserdämpfe,  also  eine  Beschleunigung  der  Verdunstung. 
(Hann.) 

Die  beiden  folgenden  Tabellen  geben  die  Unterschiede  der  Hydrometeore 
zwischen  zwei  benachbarten,  ab§r  ungleich  hohen  Punkten  an  der  regenreichen 
Küste  des  westlichen  Schottlands,  die  dritte  für  den  isolirten  Mont  Ventoux 
in  Süd-Frankreich  unter  Hinweis  auf  das  benachbarte  Carpentras. 


734 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Tabelle  I. 
Fort  William.     Basisstation  vom  Ben  Nevis.     Seehöhe:  9  m. 


1 

Temperatur  mittl.  tägl. 
Max.      !      Min. 

Mittlere 
Temperat. 

Mittlere 
Extreme 

Monats- 
Extreme 

Regen- 
menge 

Januar  .... 

•  ;l    6*7 

i-5 

4.2 

II.6 

-5-6 

280 

Februar      .     .     . 

.  1    6.5 

0.7 

3.5 

10.6 

-6.3 

178 

März     .... 

7.8 

L3 

4.4 

13.2 

-5-6 

153 

April     .     . 

11.4 

2.8 

6.8 

15-7 

2.0 

98 

Mai 

1      *4  6 

5-8 

10.2 

21.9 

0.5 

92 

Juni       .... 

•  ,l  177 

8.4 

13.0 

2  5-4 

2.8 

94 

Juli 

17.9 

9.6            13.6 

25.0 

4.3 

145 

August  .     .     . 

. 

17.7 

9.6 

13-4 

23.1 

3.4 

141 

September      .     . 

15-7 

7-9 

11.6 

21.4 

0.9  !     143 

October     .     .     . 

11.4 

5-1 

8.2 

15.8 

—  1.6          193 

November. 

. 

8.6 

3-1 

5-9 

13.0 

—  4.0    |      220 

December .     .     . 

•  li    7.2 

0.9 

4-4 

12.4 

—  6.1    |      219 

Jahr: 

i 

8-3 

*956 

(Meteor.  Zeitschr.  Bd.  IX,  1892,  S.  469). 


Tabelle  IL 
Ben  Nevis.     560  47'  N.  B.,  40  58'  w.  L.,  1343  m.  ü.  M. 


Temper.  mittel. 

tägliches 
Max.     1     Min. 

Mittlere 
Temper. 

Mittlere  Temperat- 
Extreme 

MeJLene"      Relat       Wind* 
,      \     Feuchtig.!    stärke 
(mm.)    ;             *  | 

Januar     . 

—  1-7 

-5.6 

—  3-7 

3.8 

— 10.7 

403 

96 

3-56 

Februar 

1 

-3-1 

—  6.7 

—  5-° 
-4-8 

2.8 

—  "•5 

259 

95 

3-52 

März  . 

1 

—  3.0 

—  77 

34 

— 12. 1 

303 

95 

3°4 

April  . 

i 

—  1.4 

—  5-o 

—  3-1 

4.i 

—  9.2 

152 

93 

2.41 

Mai     . 

1        2.1 

—  1.6 

—  o-3 

8-5 

—  6.4 

177 

94 

2.20 

Juni    . 

li       6.0 

1.8 

3-9 

138 

—  2.7 

194           90      ■    1.80 

Juli     . 

i        6.4 

2.5 

4.5 

13.3 

—  1.8 

257 

94 

2.00 

August 

I 

1 

J 
! 

6.1 

2-5 

4-3 

11.7 

—  1.9 

296 

94 

1.92 

September 

5-4  1       1-4 

3-4 
—  o.3 

13.1 
8.1 

—  4.2 

298 

97 
93 

2.10 

October  . 

1.4 

—  2.0 

—  7.3 

377 

_2159_ 
2.79 
2.69 

November 

—  0.9 

—  4.1 

—  2.3 

5.i 

—  9-5 

376 

December 

n— 2.5 

—  6.0 

—  4.2 

3-7 

— 11. 1 

405     :      97 

Jahr    .     . 

1 

—  0.6 

3497 

(Meteor.  Zeitschr.    Bd.  IX.     1892.    S.  469—70.) 


I.   Das  Höhenklima. 


735 


Tabelle  in. 

Mont   Ventoux.      50  16'  ö.  L.,  440  17' N.  B.,    Höhe   1900  m. 

1886— 1887   (ausgen.  *). 


Mitt 
Max. 

Ter 
leres 
Min. 

np  er 
Ab! 
Max. 

atur 

solutes 
Min. 

Diff. 

gegen 

Carpen- 

tras 

Menge 

1886,87 

Niederschläge 
Tage    j|     ||    »-«- 

O                  fc  ~           1885/86 

Menge 

in 
Carpen- 

tras 

Decmbr. 

—  2.4 

-5-6 

2.0 

-13.8 

9.0 

144 

2 

8 

12 

12 

35 

Januar   .  , 

—  I.l 

—7.2 

9.8 

—  I3.8J     5.8 

156 

O 

8 

10 

300 

3i 

Februar. 

—  1.7 

-8.7 

8.0 

—  18.2 

9.6 

140 

O 

9 

5 

85 

59 

März 

—1.9 

—5-5 

14.2 

— 17.6 

IO.4 

226 

2 

9 

4 

190 

33 

April 

— 

—4-3 

0.2 

— 12.6 



130 

I 

14 

4 

143 

48 

Mai  .     . 

— 

— 2.2 

— 

7.2 



79 

5 

9 

8 

187 

21 

Juni  .     . 

20.5 

5-4 

25.0 

0.0 

7-7 

IOI 

6 

0 

1 

33 

20 

Juli  .     . 

21-5 

8.2 

26.4 

3.4 

II.9 

144 

9 

0 

3 

45 

47 

August  . 

17.6 

6-5 

25.2 

—0.4 

II.4 

5i 

10 

0 

6 

86 

20 

Septmbr. 

11.6 

3-6 

2I.O 

—3.6 

I0.2 

171 

7 

1 

6 

197 

67 

October 

3-8 

—  3-5 

11.8 

— 12.0 

9.4 

74 

4 

4 

10 

402 

12 

Novmbr.   ,     0.3 

—4.6 

7.2 

—7.6 

IO.O 

449 

4 

12 

9 

933? 

*35 

Jahr:  \ 

1865 

2613 

528 

(Meteor.  Zeitschr.  Bd.  VI,   1889,  S.  29.) 


Literatur. 

Die  klimatischen  Angaben  sind  hauptsächlich  aus  Hann's  Handbuch 
der  Meteorologie,  3.  Aufl.  1897,  entnommen.  Benutzt  wurde  ausserdem: 
Ch.  Martins,  Von  Spitzbergen  zur  Sahara.     Deutsche  Ausgabe.     1872. 


n.  Die  Regionen  der  Vegetation. 

1.  Klimatische  Faotoren  der  regionalen  Gliederung.  Unterscheidung  und 
kurze  Charakteristik  der  drei  Regionen:  Basale  Region,  montane  Region,  alpine  Region. 
Vergleich  der  Höhenregionen  und  der  Zonen.  Frühere  Uebertreibung  der  Wärmewirkungen. 
Humboldt's  Ansichten.  2.  Da«  Pflanzenleben  in  den  Höhenregionen.  §  i.  Gehölz, 
Grasflur,  Wüste  im  Hochgebirge.  Reihenfolge  des  Gehölzklima,  Grasflurklima  und 
Wüstenklima  bei  zunehmender  Höhe.  Uebereinstimmung  der  Formationen  in  der  basalen 
und  montanen  Region  mit  solchen  des  Tieflands,  charakteristisches  Gepräge  der  alpinen 
Formationen.  —  §  2.  Eigentümlichkeiten  der  alpinen  Gewächse,  Alpine 
Tracht  Krummholz,  Sträucher,  Polstergewächse,  Rosettenstauden,  Gräser.  Xerophile  Structur. 
Farbe,  Grösse,  Geruch  der  Blüthen.  Periodische  Erscheinungen.  Versuche  Bonnier's  und 
Kerner's  über  den  Einfluss  des  Höhenklimas  auf  Structur  der  Pflanzen.  Wirkung  der  ein- 
zelnen klimatischen  Factoren.  Assimilation  und  Transpiration  in  der  alpinen  Region.  Zu- 
nahme des  Zuckers  in  den  Nektarien.  Anwendung  der  Versuchsresultate  auf  die  natürliche 
alpine  Vegetation.  —  §3.  Das  Vorkommen  alpiner  Pflanzenarten  in  den  Tief- 
ländern. Vorkommen  tropischer  alpiner  Pflanzen  in  tieferen  Regionen  als  Epiphyten  und 
in  Solfataren.  Unterschiede  der  arktischen  und  alpinen  Pflanzenstructur.  —  §4.  Die  Höhen- 
grenzen des  Pflanzenlebens.     Saussurea  tridactyla. 

1.  Klimatische  Factoren  der  regionalen  Gliederung. 

Die  ersten  bei  der  Besteigung  eines  Berges  zum  Vorschein  tretenden 
Veränderungen  der  Vegetation  sind  durch  die  Zunahme  der  Nieder- 
schläge bedingt.  Wo  der  Pflanzenwuchs  im  Tiefland  dürftig,  ist  er 
in  der  Höhe  reichlicher ;  wo  im  Tiefland  der  Wald  nur  das  Irrigations- 
gebiet  der  Flüsse  einnimmt,  dehnt  er  sich  in  weiter,  zusammenhängender 
Decke  auf  den  unteren  Gebirgsabhängen  aus.  Die  maassgebenden 
Pflanzenarten,  z.  B.  die  häufigsten  Waldbäume,  sind  im  Gebirge  zunächst 
noch  dieselben  wie  auf  feuchten  Standorten  der  Niederung;  auch  ihre 
Lebensweise  und  Structur  zeigt  sich  noch  unverändert. 

Mit  wachsender  Höhe  tritt  zu  der  Feuchtigkeit  ein  zweiter 
auf  die  Vegetation  einwirkender  klimatischer  Factor  hinzu,  die  Ab- 
nahme der  Temperatur.  Alle  direct  oder  indirect  von  der  Wärme 
abhängigen  Eigenschaften  der  Pflanzen  zeigen  sich  entsprechend  be- 
einflusst.  Arten  der  Tiefländer  höherer  Breiten  treten  zum  Vorschein 
und  ersetzen  diejenigen  des  benachbarten  Tieflands,   die  entsprechend 


II.    Die  Regionen  der  Vegetation.  n-ij 

abnehmen.  Das  Gesammtbild  der  Vegetation,  sowohl  in  systematischer 
wie  in  ökologischer  Hinsicht,  hat  gleichsam  eine  Verschiebung  polwärts 
erlitten. 

Bei  noch  grösserer  Höhe  werden  die  Niederschläge  schwächer, 
während  die  Abnahme  der  Temperatur  fortschreitet.  Aber  noch  andere 
Factoren  des  Höhenklima  machen  nun  ihren  Einfluss  auf  das  Pflanzen- 
leben geltend,  wie  die  Luft  Verdünnung,  die  intensive  Sonnen- 
und  Erdstrahlung,  die  heftigen  Winde.  Die  Vegetation  erhält 
ein  eigenartiges  Gepräge,  das  wir  als  alpin  bezeichnen,  und  das, 
da  durch  charakteristische  Eigenschaften  des  Höhen- 
klima bedingt,  eines  Analogon  in  den  Tiefländern  ent- 
behrt. Wir  können  dementsprechend  auf  hohen  Gebirgen  drei  Stufen 
oder  Regionen  der  Vegetation  unterscheiden,  nämlich: 

i)  Basale  Region.  Vegetation  mehr  hygrophil,  aber  ebenso 
thermophil  als  im  benachbarten  Tiefland,  derjenigen  feuchter  Stand- 
orte in  letzterem  ähnlich. 

2)  Montane  Region.  Vegetation  mehr  hygrophil  und  weniger 
thermophil  als  im  benachbarten  Tiefland,  derjenigen  der  Tiefländer 
höherer  Zonen  vergleichbar. 

3)  Alpine  Region.  Vegetation  durch  das  gesammte  Höhen- 
klima beeinflusst,  ohne  Analogon  in  Tiefländern. 

Eine  Pflanze  der  basalen  Region  wird  in  der  Niederung  unverändert 
bleiben,  wenn  die  Feuchtigkeit,  eine  solche  der  montanen  Region, 
wenn  ausserdem  die  Temperatur  derjenigen  des  natürlichen  Standortes 
ähnlich  ist.  Eine  alpine  Pflanze  gedeiht  entweder  gar  nicht  im  Tief- 
land oder  büsst,  wenn  sie  es  thut,  ihre  alpine  Tracht  theilweise  ein. 

Die  Vegetationsregionen  der  Gebirge  sind  natürlich  nicht  scharf 
gegen  einander  abgegrenzt,  sondern  gehen,  ähnlich  wie  die  Vegetations- 
zonen, ganz  allmählich  in  einander  über.  Die  Grenzlinien  sind  dem- 
entsprechend bis  zu  einem  gewissen  Grade  der  Willkür  anheim  gestellt. 
Ausserdem  sind  dieselben  je  nach  dem  Gebirge  wechselnd,  indem 
andere  klimatische  Factoren  die  Wirkungen  des  Höhenklima  bald  unter- 
stützen, bald  abschwächen,  ersteres  namentlich  in  den  hohen,  letzteres 
in  den  niederen  Breiten.  Dennoch  können  alle  drei  Regionen  stets 
mit  Sicherheit  unterschieden  werden ,  am  leichtesten  zwischen  den 
Wendekreisen,  am  schwierigsten  in  den  circumpolaren  Gebieten. 

Da  die  ersten  Pflanzengeographen  nur  die  Temperatur  in  Betracht  zogen, 
so  erblickten  sie  in  den  Veränderungen,  welche  die  Vegetation  in  zunehmender 
Höhe  erleidet,  lediglich  die  Wirkung  ihrer  Abnahme.  So  kamen  sie  zu  der 
Vorstellung,  dass  ein  äquatorialer  Berg  mit  seinem  von  ewigem  Schnee  be- 
deckten Gipfel  klimatisch  gleichsam  eine  Erdhemisphäre  im  Kleinen  darstelle 
und  entsprechende  Florengürtel  aufweisen  müsse.  Der  von  Eis  und  Schnee 
bedeckte  Gipfel  stellte  für  sie  das  Analogon  einer  Polkappe  dar. 

Schimper,  Pflanzengeographie.  47 


738 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


Neuere  Untersuchungen  haben  den  Nachweis  geliefert,  dass  die  früheren 
Vorstellungen  über  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  geographische  Ver- 
breitung der  Gewächse  viel  zu  exclusiv  waren.  Immerhin  darf  die  Gliederung 
der  Höhen  lediglich  in  Wärmegürtel  in  der  Pflanzengeographie  nicht  ver- 
nachlässigt werden,  da  sie  für  manche  Fragen  der  floristischen  Pflanzen- 
geographie maassgebende  Bedeutung  behält 

Tropische  Gebirge  weisen  folgende  Wärmegürtel  auf: 
i)  Warmer  Gürtel  mit  tropischem  Klima. 

2)  Milder  Gürtel.     Mittlere  Temperatur  ca.  15° — 200,  nie  unter  o°. 

3)  Kühler  Gürtel.     Temperatur  zuweilen  unter  o°. 

4)  Kalter  Gürtel.     Temperatur  meist  unter  o°. 

Von  allgemeinen  Angaben  über  die  Temperaturen  gerade  der  beiden 
höchsten  Gürtel  glauben  wir  absehen  zu  müssen,  einerseits  weil  dieselben 
starke  Schwankungen  zeigen,  welche,  obwohl  für  das  Pflanzenleben  von  höchster 
Bedeutung,  bisher  nicht  hinreichend  festgestellt  sind,  sodann  weil  das  Wärme- 
klima dieser  Gürtel  mit  der  Entfernung  vom  Aequator  tiefgreifende  Ver- 
änderungen erleidet. 

Die  Wärmegürtel  der  Gebirge  hoher  Breiten  dürfen  wegen  der  polwärts 
zunehmenden  Unterschiede  der  Jahreszeiten  den  kühlen  und  kalten  Gürteln 
der  tropischen  Hochgebirge,  nicht  gleichgestellt  werden.  Der  Vergleich 
ist  nur  bei  nicht  zu  grossem  Breitenunterschied  zulässig  und  wurde  von 
früheren  Pflanzengeographen  viel  zu  weit  geführt. 

Der  Zusammenhang  zwischen  Hemisphären  und  Hochgebirgen, 
Erdzonen  und  Höhenzonen  wurde  von  A.  von  Humboldt  klimatisch 
begründet  und  auf  die  ganze  Erde  ausgedehnt,  nachdem  bereits  früher 
Tournefort  und  Gundelsheimer  nachgewiesen  hatten,  dass  der  Ararat 
von  unten  nach  oben  eine  armenische,  südeuropäische,  französische, 
skandinavische  und  arktische  Florenstufe  aufweist. 

Folgende  Vegetationsregionen  wurden  von  Humboldt  für  das 
äquatoriale  Andengebiet  aufgestellt: 


Höhe  über  dem 
Meere 

Mitteltemperatur 

für  die  ent- 
sprechende Höhe 
(Celsius) 

Erdzonen  mit 
ähnlicher  Tem- 
peratur im  Meeres- 
niveau 
(Breitegrade) 

Charakteristische  Gewächse 

0 — 600 

27-5 

0—15 

Palmen  und  Bananen 

600 — 1200 

24° 

I5~23 

Baumfarne  und  Feigen 

1200 — 1900 

21° 

2  3—34 

Myrten-  und  Lorbeergewächse 

1900 — 2500 

190 

34      45 

Immergrüne  Laubhölzer 

2500 — 3100 

160 

45-58 

Sommergrüne  Laubhölzer 

3100  —  3700 

i3ü 

58—66 

Nadelhölzer 

3700  —  4400 

8.5° 

66 — 72 

Alpenrosen 

4400 — 4800 

4-5° 

72 — 82 

Alpenkräuter 

über  4800 

i-5° 

82 — 90 

Kryptogamen  (Ewiger  Schnee) 

II.    Die  Regionen  der  Vegetation.  73  g 

Die  genialen  Anschauungen  Humboldt's  haben  sich  nur  zum  Theile 
bewährt.  Seine  Reihenfolge  der  Vegetationsstufen  in  äquatorialen 
Gebirgen  ist  beinahe  nie  vollzählig  vertreten.  So  zeigt  sich  in  den 
Tropen  die  Stufe  der  sommergrünen  Bäume  nur  in  einigen  Grenz- 
gebieten und  diejenige  der  Nadelbäume  ist,  wenn  überhaupt  vorhanden, 
meist  durch  Beimischung  vieler  Laubhölzer  verwischt.  Endlich  ist  die 
Höhe  der  Baumlinie  schwankend  und  auf  Kegelbergen  z.  B.  viel  tiefer 
gelegen  als  auf  Kettengebirgen. 


2.  Das  Pflanzenleben  in  den  HOhenregionen. 

§  1.  Gehölz,  Grasflur,  Wüste  im  Hochgebirge.  Die  Ver- 
änderung des  Klima  beim  Uebergang  vom  Tiefland  in 
die  Höhe  ist  zunächst  gehölzgünstig,  denn  die  Regen 
sind  hier  ergiebige  Gussregen,  durch  welche  der  Untergrund 
constant  feucht  erhalten  wird.  Dementsprechend  sind  die  Ab- 
hänge der  basalen  und  der  montanen  Region  gewöhnlich 
von  Gehölzen  überzogen,  die  in  regenreichen  Gebieten  diejenigen 
des  benachbarten  Tieflands  an  Ueppigkeit  zu  übertreffen  pflegen.  Im 
unteren  Gürtel  der  alpinen  Region  sind  die  Niederschläge  weniger 
reichlich  als  in  den  beiden  unteren  Regionen  und  nehmen  nicht  die 
Form  ergiebiger  lange  dauernder  Gussregen,  sondern,  wegen  der  geringen 
Capacität  der  verdünnten  Luft  für  Wasserdampf,  diejenige  leichter, 
kurz  dauernder,  aber  häufiger  oberflächlich  nässender 
Sprühregen.  Dadurch  erhält  das  Klima  im  unteren  Theil 
der  alpinen  Region  mehr  den  Charakter  eines  Grasflurklima. 
Zudem  enthält  dieses  Klima  in  den  häufigen  und  heftigen  Winden, 
welche,  bei  der  Verdünnung  und  der  häufig  grossen  Trockenheit  der 
Luft  noch  stärker  als  im  Tiefland  die  Transpiration  befördern,  ein 
ausgesprochen  bäum  feindliches  Element.  Die  klima- 
tischen Formationen  des  unteren  Gürtels  der  alpinen 
Region  sind  dementsprechend  Grasfluren;  Gehölze  zeigen 
sich  nur  als  niedrige,  xerophile  Standortsformationen,  auf  sehr  durch- 
lässigem, steinigem,  der  Grasflur  ungünstigem  Boden. 

Im  oberen  Gürtel  der  alpinen  Region  werden  einerseits  die  Nieder- 
schläge immer  geringer,  während  andererseits  die  trocknenden  Wir- 
kungen der  verdünnten  Luft  immer  stärker  zur  Geltung  kommt.  Das 
Grasflurklima  geht  in  Wüstenklima  über.  Ausser  an  nassen 
Standorten  ist  die  Vegetation  äusserst  spärlich  und  schliesslich  auf 
einige  Flechten  beschränkt. 

Die  Reihenfolge :  Gehölz,  Grasflur,  Wüste,  entsprechend  drei  Höhen- 
stufen, ist  nur  auf  den  höchsten  tropischen,  subtropischen  Bergen,  z.  B. 

47* 


740 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


am  Kilimandscharo,  anscheinend  auch  im  Tibet,  vertreten.    Meist  dehnt 
sich  dicht  über  der  Grasflur  ewiger  Schnee  aus. 

Die  Formationen  der  basalen  und  der  montanen  Region  zeigen 
keine  wesentlichen  ökologischen  Abweichungen  von  den  Formationen 
der  Tiefländer  und  sollen  daher  die  gleichen  Bezeichnungen  tragen. 
In  der  alpinen  Region  hingegen  tragen  die  Pflanzen- 
formationen das  charakteristische  Gepräge  des  Höhen- 
klima und  müssen  entsprechend  gekennzeichnet  werden,  was  durch  den 

Zusatz  alpin  geschehen 
soll.  Wir  stellen  daher  die 
alpinen  Grasfluren,  Ge- 
sträuche,Wüsten  neben 
diejenigen  des  Tieflands 
und  behalten  nur  für  die 
alpinen  Wälder  die  übliche 
Bezeichnung  Krummholz. 
§  2.  Eigentümlichkeiten 
der  alpinen  Gewächse.  Wo- 
rin die  charakteristische 
Tracht  der  Pflanzen  der  al- 
pinen Region  besteht,  lässt 
sich  am  besten  bei  den  auch 
im  Tiefland  vorkommenden 
Arten  nachweisen.  Die  al- 
pinen Individuen  ha- 
ben kürzere  Axen, 
kleinere  Blätter,  stär- 
ker entwickelte  Wur- 
zeln, gleich  grosse 
oder  etwas  grössere, 
häufig  etwas  tiefer  ge- 
färbte Blüthen,  und  die 
gesammte  Structur  ist 
bei  ihnen  xerophil. 
Im  Uebrigen  können  wir  in  der  Regel  folgende  Typen  unter- 
scheiden. 

i)  Das  Krummholz.  Diese  Bezeichnung  kam  früher  nur  für 
die  Legföhre,  Pinus  montana  var.  Pumilio,  welche  den  Typus  im  euro- 
päischen Hochgebirge  allein  vertritt,  zur  Anwendung.  Der  gleiche 
Habitus  kommt  aber,  wie  neuere  Untersuchungen  gezeigt  haben,  vielen 
tropischen  Bäumen  der  alpinen  Region  zu.  Er  ist  bedingt  durch  den 
kurzen,  knorrigen,  oft  schiefen  oder  horizontalen  Stamm  und  die 
langen,  schlangenartig  gewundenen,  hin  und  her  gekrümmten  Aeste. 


Fig.  406.     Alpine  Andensträucher  der  Paramos: 

/  Hinterhubera  ericoides  (Composit)  Venezuela.    2  Se- 

necio    vaccinioides.      Neu -Granada.      Nattirl.    Grösse. 

Nach  Weddell. 


II.    Die  Regionen  der  Vegetation.  ja\ 

2)  Die  alpinen  Sträucher  haben  theilweise  aufrechten  Wuchs 
und  unterscheiden  sich  dann  habituell  nicht  wesentlich  von  Tiefland- 
sträuchern.  In  den  höchsten  Vegetationsgürteln  jedoch  sind  sie  als 
kriechende  Zwergsträucher  ausgebildet,  mit  reich  entwickeltem  Wurzel- 
system und  meist  reich  verzweigten,  auf  dem  Boden  oder  dicht  unter 
dessen  Oberfläche  horizontal  ausgebreiteten  Axen.  Wie  das  Krumm- 
holz sind  die  Sträucher  beinahe  stets  immergrün. 

3)  Der,  abgesehen  von  den  Moosen,  nur  auf  den  Inseln  der  südlichen 
temperirten  Zone  und  in  der  Arktis  auch  in  den  Niederungen  vertretene 
Typus  der  Polsterpflanzen  ist  in  der  alpinen  Region  der  Gebirge 
der  höheren  Breiten  beider  Hemisphären  und  in  den  Anden,  durch 
eine   Fülle   von    Formen    der   verschiedenartigsten  Verwandtschaft   ver- 


Fig.  407.    Alpine  Zwergsträucher  Neu- Seelands:  Coprosma  cuneata  Hook.  fig.    Nat.  Gr. 

treten  (Fig.  408).  In  einem  derartigen  Polster  sind  die  Glieder  eines  Axen- 
systems,  dessen  Hauptaxe  bald  noch  vorhanden,  bald  abgestorben  ist, 
derart  an  einander  gepresst,  dass  sie  sich  allseitig  dicht  berühren  und  nur 
an  der  freien  Oberfläche  Blätter  und  Blüthen  aufweisen.  Die  Grösse  der 
Polster  ist  sehr  verschieden.  Bei  gewissen  Androsace-  und  Saxifraga- 
Arten  der  Alpen,  z.  B. ,  übertreffen  sie  kaum  diejenigen  der  Grimmia- 
und  Barbula- Arten,  die  bei  uns  auf  Mauern  und  Felsen  die  Polsterform 
vertreten,  während  andere  an  Korallenmassen  erinnern,  wie  bei  den 
neuseeländischen  Raoulia-  und  den  andinen  Azorella- Arten,  deren  bis  2  m 
hohe,  sammeartig  behaarte,  glatte  und  feste  Polster  aus  dicht  schliessen- 
den  prismatischen  Sprossen  zusammengesetzt  sind. 

4)  Eine  Hauptrolle,    namentlich   auf  den  alpinen  Wiesen,    kommt 
den  Rosettenstauden  zu,   welche    sich  von  denjenigen  der  Niede- 


742 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


rungen  durch  viel    kürzere   oberirdische  Sprossen  und  viel  längere  und 
kräftigere  Wurzeln  unterscheiden  (Fig.  409 — 412). 


Fig.  408.  Alpine  Andenflora  der  Paramos  und  Pirnas.  Polstergewächse  in  natürl.  Grösse. 
/  Erigeron  pulvinatum.  Punaformation,  Bolivien.  2  Maja  compacta  (Composit).  Neu-Granada. 
3  Oriastrum  pusillum  (Compos. - Mutis.).  Chile,  am  ewigen  Schnee.  4  Verbena  minima 
Meyen.  Peru  und  Bolivien.  5  Lysipoma  muscoides  (Lobeliac).  Neu-Granada,  am  ewigen 
Schnee.     6  Merope   aretioides  (Composit),   am  ewigen  Schnee.     Peru.     Alle  nach   Weddell. 


5)  Die  alpinen  Gräser  haben  meist  kürzere  Blätter  als  diejenigen 
des  Tieflands,    so    dass    die  alpinen  Grasfluren  niedrigen  Rasen  zu  be- 


II.   Die  Regionen  der  Vegetation. 


743 


sitzen  pflegen.  In  den  Tropen  sind  diese  Grasblätter  nach  dem  Steppen- 
typus gebaut,  schmal,  eingerollt,  hart,  stechend,  während  sie  in  hohen 
Breiten  oft  echte  Wiesengräser  darstellen. 

Das  Laub  ist,  wenigstens  auf  den  höheren  Stufen  der  alpinen 
Region,  mit  ausgeprägten  Schutzmitteln  gegen  Transpiration  versehen. 
Bei  den  Holzgewächsen  ist  es  meist  lederartig,  bei  den  Stauden,  ent- 
sprechend der  zeitweise  herrschenden  grossen  Lufttrockenheit,  oft  stark 
behaart.  Die  nicht  behaarten  Stauden  haben  dicke,  oft  sueculente 
Blätter,  eine  stark  ausgebildete  Cuticula,  enge  Intercellularen  und  die 
bei  Xerophyten  allgemein  verbreitete  mächtige  Entwickelung  der  Palis- 
saden. 

Die  Blüthen  der  alpinen  Gewächse  pflegen  lebhafte  Farben  zu 
besitzen,  und  bei  Arten,  die  gleichzeitig  die  Niederung  und  die  alpine 
Region  bewohnen,  zeigt  sich  in  dieser  Hinsicht  eine  deutliche  Bevor- 
zugung der  letzteren. 
In  manchen  Fällen  ist 
die  Blüthe  grösser,  z.  B. 
bei  Solidago  Virga  aurea, 
Betonica  officinalis,  He- 
lianthemum  vulgare  in 
den  mitteleuropäischen 
Gebirgen,  nach  Linde- 
mann auch  bei  Cam- 
panula  rotundifolia,  Mel- 
andryum  silvaticum,  Ta- 
raxaeum  officinale ,  im 
norwegischen  Hochge- 
birge.   Hingegen  ist  die 

alpine  Form  der  Parnassia  palustris !)  viel  kleinblüthiger  als  im  Tiefland. 
Der  Geruch  der  Blüthen  zeigt  mit  der  Höhe  eine  Zunahme. 

In  der  alpinen  Region  der  temperirten  Hochgebirge  treten  den  all- 
gemeinen Merkmalen  der  alpinen  Vegetation  solche  hinzu ,  die  auf 
die  Kürze  der  Vegetationsperiode  zurückzuführen  sind.  Dieselben 
zeigen  sich  am  auffälligsten  bei  den  dem  Tiefland  und  den  Höhen  ge- 
meinen Arten.  So  öffnen  sich  die  Blüthen  von  Calluna,  Parnassia, 
Gnaphalium  dioieum,  Gentiana  germanica,  Solidago  virga  aurea,  Dianthus 
superbus  auf  den  Hügeln  im  August,  in  der  alpinen  Region  im  Juli, 
obwohl  die  Vegetationszeit  im  letzteren  Falle  viel  später  eintritt.2) 

Die  Frage,   inwiefern  die  im  Vorhergehenden   zusammengestellten 


i<^ 


Fig.  409.  Alpine  Andenflora.  Achyrophorus  quitensis  Schultz 
Bip.  Neu -Granada  bis  Peru.    3000 — 4000  m.    */„  nat.  Gr. 


J)  Man   vergleiche   z.  B.   die  Blüthen   der  Parnassia  auf  der  Schynigen  Platte   und  bei 
Interlaken. 

*)  Vgl.  Sendtner  1.  c.  S.  239. 


744 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Eigenthümlichkeiten  der  alpinen  Gewächse  als  directe  Wirkungen 
des  Höhenklima  zu  betrachten  sind,  ist  durch  Versuche  A.  v. 
Kerner's  und  G.  Bonnier's  theilweise  beantwortet  worden,  indem  beide 
Forscher  Culturen  von  Pflanzen  der  Niederungen  im  Höhenklima  ver- 
anstalteten. Da  die  Versuche  Bonnier's  am  meisten  einwandfrei 
erscheinen ,  so  sollen  dieselben ,  obwohl  von  späterem  Datum  als  die- 
jenigen Kerner's,  in  den  Vordergrund  gestellt  werden. 

Die   höchstgelegenen   experimentellen   Culturen   Bonnier's    wurden 
in  den  Alpen  (aiguille  de  la  Tour)   bei  2300  m   und   in  den  Pyrenäen 

(Col  de  la  Paloume)  bei  2400  m  angelegt; 
die  Controlculturen  im  Tieflande  befanden 
sich  in  der  näheren  und  ferneren  Umgebung 
von  Paris  sowie  im  Departement  du  Gexs. 
Verschiedene  Zwischenstufen  bei  740,  1050  m 
(Chamounix)  etc.  wurden  ebenfalls  durch  Cul- 
turen berücksichtigt.  Bei  jeder  Versuchs- 
reihe diente  die  gleiche,  der  Höhenstation 
entnommene  Bodenart,  und  um  indivi- 
duellen Veränderungen  vorzubeugen,  kamen 
bei  mehrjährigen  Pflanzen  vegetative  Glieder 
desselben  Stockes,  bei  Annuellen  Samen  des- 
selben Stockes  zur  Verwendung.  In  sämmt- 
lichen  Culturen  bedingte  das  Höhenklima  Ver- 
änderungen der  äusseren  und  inneren  Structur, 
durch  welche  die  Gewächse  des  Tieflandes 
einen  mehr  oder  weniger  ausgeprägten,  aber 
stets  deutlichen  alpinen  Habitus  erhielten. 
Die  unterirdischen  Theile  erhielten,  wenig- 
stens relativ,  eine  stärkere  Ehtwickelung. 
Die  Axen  waren  kürzer,  mehr  behaart, 
zeigten  die  Neigung,  sich  flach  auszubreiten. 
Die  Blätter  waren  kleiner,  dicker,  stärker 
behaart ,  chlorophyllreicher.  Die  Blüthen 
waren  relativ,  manchmal  sogar  (Solidago 
Virga  aurea,  Carduus  defloratus,  Teucrium 
Scorodonia)  grösser  als  in  der  Niederung  und 
intensiver  gefärbt.  Der  histologische  Bau  zeigte  eine  ausgesprochene 
Zunahme  der  Schutzmittel  gegen  Wasserverlust :  Dickere  Cuticula,  stärkere 
und  frühere  Korkbildung,  Auftreten  eines  Hypoderms,  Verlängerung  der 
Palissaden  und,  nach  den  Figuren  zu  urtheilen,  Reduction  der  Inter- 
cellularen.  Doch  soll,  namentlich  an  der  Oberseite,  die  Zahl  der  Spalt- 
öffnungen eine  Zunahme  zeigen. 

Das  Kurzbleiben    der   oberirdischen  Sprosse   bei  den  alpinen  Ver- 


Fig.   410.      Celmisia    sessiliflora 
Hook.  fil.    Eine  alpine  Rosetten- 
pflanze (Composite)  Neu-Seelands. 
Nat.  Gr. 


II.    Die  Regionen  der  Vegetation. 


745 


suchspflanzen   war   mehr   durch    eine  Reduction    der  Länge,    als   durch 
eine   solche   der  Zahl    der  Internodien   bedingt   und    am    auffallendsten 


Fig.  411.    Dianthus  glacialis.     Alpen. 


bei  Helianthus  tuberosus,  dessen  Knollen  im  Höhenklima  nur  Blatt- 
rosetten, in  den  Culturen  der  Niederung  hingegen  normale  hoch- 
stämmige Sprosse  erzeugten.  Im 
Allgemeinen  jedoch  waren  die  Ver- 
änderungen, wenn  auch  wohl  aus- 
geprägt, doch  weniger  tiefgreifender 
Art.  Typische  Beispiele  stellen  Helian- 
themum  vulgare  (Fig.  414)  und  Leon- 
todon  Taraxacum  (Fig.  413)  ,dar. 

Der  alpine  Habitus  wurde  in 
Bonnier's  Höhenculturen  mit  jedem 
Jahre  stärker  und  verschwand  bei 
Cultur  in  der  Niederung  nur  im 
Laufe  der  Jahre.  Das  Höhenklima 
hat  demnach  ausser  seinen  unmittel- 
baren Wirkungen  auch  Nachwirkun- 
gen, in  welchen  die  partielle  Erblich- 

,     .      ,  .    .  .,     .         .  .      .  Fig.    412.      Alpine    Andenflora.      /    Viola 

keit  der  alpinen  Merkmale  typischer     gnmäoUL  Wedd     2  Viola  pygmaea  ,,oir 
Höhenpflanzen  ihre  Erklärung  findet.  */3  nat.  Gr.    Nach  Weddell. 


746 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


*ig-  4!3«    Leontodon  Taraxacum.    P  Tief landcultur  (ca.  %\h  nat.  Gr.).    M  Alpine  Cultur  (id.). 
M'  Alpine  Cultur.     Nat.  Gr.     Nach  Bonnier. 


II.   Die  Regionen  der  Vegetation. 


747 


Als  Beleg  für  die  durch  das  Höhenklima  verursachten,  structurellen 
Veränderungen   wurde  Bonnier's  Arbeit   folgende  Tabelle   entnommen: 

Trifolium  repens. 


In  Caddac  (Tiefland)  ge- 
pflanzte Hälfte.  Maximalgrösse 
0,22  m.  Blüthen  wenig  gedrängt, 
deren  Stiel  und  Kelch  ungefähr  gleich 
lang. 
Mittlere    Länge    der    Köpfchenstieie 

0,130  m. 
Mittlere  Länge  der  Blattstiele  0,0 15  m. 
Mittlere  Breite  der  Blättchen  0,015  m. 
Blätter    im    durchscheinenden    Lichte 

hell  grün  (14  h  des  Chromometer). 
Blätter  dünn. 
Blüthen  weiss. 


Auf  der  Arbizonkette  (Höhe) 
gepflanzte  Hälfte.  Maximalgrösse 
0,13  m.  Blüthen  dicht  gedrängt  (we- 
niger zahlreich  im  Köpfchen),  deren 
Stiellänge  ^8  0(^er  V4  derjenigen  des 
Kelchs  erreicht. 

Mittlere    Länge     der     Köpfchenstiele 

0,180  m. 
Mittlere  Länge  der  Blattstiele  0,020  m. 
Mittlere  Breite  der  Blättchen  0,010  m. 
Blätter    im    durchscheinenden   Lichte 

dunkelgrün  (14  e  des  Chromometer). 
Blätter  dick  (%  dicker  als  in  Caddac). 
Blüthen  rosa. 


Kerner's  Versuche  wurden  durch  Aussaat  von  Pflanzen  der  Ebene  in 
seinem  nahe  der  Kuppe  des  Blasers  in  Tirol  (2195  m)  befindlichen  alpinen 
Garten  angestellt  und  führten  im  Wesentlichen  zu  den  gleichen  Resultaten, 
wie  diejenigen  Bonnier's.  Doch  beobachtete  er  in  manchen  Fällen  ein 
Kleinerwerden  der  Blüthen  (z.  B.  bei  Parnassia  palustris),  und  die  Zahl  der 
letzteren  war  an  den  alpinen  Exemplaren  kleiner  als  an  solchen  des  Tief- 
lands. Trotz  dieser  letzteren  Ergebnisse  ist  ähnlich  wie  bei  den  Versuchen 
Bonnier's  auch  hier  auf  Bevorzugung  der  Blüthenbildung  zu  schliessen,  denn 
letztere  trat  relativ  früher  ein :  „Während  an  Viola  arvensis  auf  dem  Versuchs- 
beet in  Wien  die  Achselknospen  der  Laubblätter  1 — 6  unterdrückt  wären 
und  erst  aus  jenen  des  7.  und  8.  Laubblatts  Blüthen  hervorgingen,  entwickelten 
sich  an  derselben  Art  im  alpinen  Versuchsgarten  schon  aus  der  Achselknospe 
des    3.  und  4.  Laubblatts  Blüthen." 

Kerner  beobachtete  bei  vielen  Pflanzen  seiner  Höhenculturen  eine 
Verfärbung  der  vegetativen  Organe  in  Folge  partieller  Zer- 
störung des  Chlorophylls  (z.  B.  bei  Arabis  procurrens,  Digitalis 
ochroleuca,  Geum  urbanum,  Orobus  vernus  etc.).  Linum  usitatissimum 
ging  sogar  anscheinend  an  völliger  Zerstörung  des  Chlorophylls  zu 
Grunde.  Bei  anderen  Arten  wurde  die  grüne  Farbe  der  Laubsprosse 
durch  reichliche  Cyanophyllbildung  verdeckt,  so  das  in  der  Ebene  nur 
röthlich  angehauchte  Bohnenkraut,  welches  im  alpinen  Garten  tief 
rothbraun  wurde  und  die  in  der  Ebene  rein  grünen  Arten  von  Sedum, 
Dracocephalum  Ruyschiana,  Leucanthemum  vulgare,  Lychnis  Viscaria, 
Bergenia   crassifolia,  Potentilla   tirolensis,   die  Spitzen  von  Gräsern  etc. 

Bonnier  und  Kerner  stimmen  darin  überein ,  dass  die  Blüthen 
in  ihren  Höhenculturen  meist  eine  intensivere  Färbung 
besassen    als    in    den    parallelen    Tieflandculturen.      Ein 


74» 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Fig.  414.     Helianthemura  vulgare,     a  im  Tieflande,  */2  nat.  Gr.    b  im  Höhenklima,  1/a  nat  Gr. 
c  dasselbe  wie  ö,  aber  nat.  Gr.     Nach  Bonnier. 


II.    Die  Regionen  der  Vegetation. 


749 


Unterschied  ist  nicht  immer  vorhanden,  und  wo  letzteres  der  Fall,  nicht 
immer  sehr  ausgeprägt.  Am  meisten  fiel  der  fördernde  Einfluss  des 
Höhenklima  auf  die  Pigmentbildung  von  Blüthen,  die  im  Tiefland  weiss 
sind,  in  den  alpinen  Culturen  aber  mehr  oder  weniger  tief  carminrothe 
Färbung  erhielten,  wie  z.  B.  Libanotis  montana,  Trifolium  repens.  Unter 
den  auch  im  Tiefland  gefärbten  Blüthen ,  die  im  Höhenklima  dunkler 
werden,  sind,  nach  Kerner,  Agrostemma  Githago,  Campanula  pusilla, 
Dianthus  silvestris,  Gypsophila  repens,  Lotus  corniculatus ,  Saponaria 
ocymoides,  Satureja  hortensis,  Taraxacum,  Vicia  Cracca  und  Vicia 
sepium  auffallende  Beispiele.  Bonnier  hat  für  eine  Anzahl  Blüthen  die 
Unterschiede  in  einer  farbigen  Tafel  veranschaulicht.  Danach  scheint 
die  Verdunkelung  gelber  Blüthen  auf  der  Bildung  rothen  oder  violetten 


^^MMÄMä'  * 


Fig.  415.    Teucrium  Scorodonia.    Blattquer- 
schnitt,   a  im  Höhenklima,    b  im  Tieflande. 
Nach  Bonnier. 


Fig.  416.      Galeopsis    tetrahit.      Blattquer- 
schnitt,   a  im  Höhenklima,    b  im  Tief  lande. 
Nach  Bonnier. 


Farbstoffs,  wohl  gelösten  Cyanophylls,  wie  bei  den  normal  solchen 
enthaltenden  rothen  und  blauen  Blüthen,  zu  bestehen.  Das  gelbe 
Carotin  dürfte  also  unbeeinflusst  bfeiben. 

Die  von  Bonnier  und  Kerner  festgestellten  Erschei- 
nungen lassen  sich  sämmtlich  auf  bekannte  Factoren  des 
Höhenklima   zurück  führen. 

Das  Höhenlicht  wirkt  durch  seine  grössere  Intensität  stärker 
hemmend  auf  das  Wachsthum  der  Axen  und  Blätter  als  das  Licht 
des  Tieflands.  Die  grosse  Lichtintensität  bedingt  auch  die  stärkere 
Entwickelung  gewisser  Pigmente,  namentlich  des  Cyanophylls  in 
den   Blüthen    und    im    Laub,    während    sie    andererseits   raschere   Zer- 


75o 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Störung  des  Chlorophylls  bewirkt.  Der  Reichthum  des  Höhenlichts 
an  ultravioletten  Strahlen  fördert  wahrscheinlich  die  Entwickelung 
der  Blüthen. 

Die  trocknenden  Eigenschaften  des  Höhenklimas, 
bedingt  durch  die  starke  Insolation,  die  Luftverdünnung  und  die  Luft- 
bewegung, wirken  zum  Theil  in  gleicher  Richtung  wie  das  intensive 
Licht  auf  Entstehung  und  Wachsthum  der  Laubsprosse  und  Blüthen. 
Namentlich  aber  veranlassen  sie  die  allen  alpinen  Pflanzen  zukommende 
xerophile  Structur  der  belaubten  Theile  und  die  ebenfalls  bei  Xero- 
phyten gewöhnliche  starke  Entwickelung  der  Wurzeln. 

Die  niedere  Temperatur,  namentlich  in  der  Nacht,  hemmt 
das  nächtliche  Längen  wachsthum.  Ausserdem  bedingt  die  Kälte  des 
Wassers,  dass  die  Pflanzen  sehr  nasser  Standorte  xerophilen  Bau 
erhalten. 

Weniger  klar  als  die  im  Vorhergehenden  behandelten  sind  die  Wirkungen 
des  Höhenklima  auf  verschiedene  Vorgänge  des  Stoffwechsels.  Bonnier  hat 
Pflanzen  aus  seinen  alpinen  Culturen  in  subalpinen  Stationen  mit  den  in 
letzteren  gewachsenen  in  Bezug  auf  ihre  Kohlensto f f a ssimilation,  Re- 
spiration und  Transpiration  verglichen.  Es  stellte  sich  heraus,  dass 
gleiche  Oberflächen  der  alpinen  Stöcke  mehr  assimilirten  und  am  Lichte 
mehr,  im  Dunklen  aber  weniger  Wasserdampf  abgaben,  als  solche  der  tieferen 
Stationen.  Die  Beziehungen  zu  den  Frisch-  und  Trockengewichten  wurden 
nicht  festgestellt ;  ausserdem  fehlt  es  an  Angaben  über  die  Stoffwechselvorgänge 
der  alpinen  Versuchspflanzen  in  alpiner  Höhe.  Die  Befunde  können  auf  die 
letzteren  nicht  angewendet  werden. 

Mit  grösserer  Sicherheit  kann  ein  fördernder  Einfluss  der  alpinen  Höhe 
auf  die  Zuckerbildung  der  Blüthennektarien  angenommen  werden. 
So  sind  nach  Bonnier  und  Flahault  die  Blüthen  von  Silene  inflata,  Isatis 
tinctoria,  Euphrasia  officinalis,  Leontodon  autumnalis  u.  a.  zwischen  1500 
und  1800  m  ü.  M.  —  einem  Niveau  wo  die  Wirkungen  des  Höhenklima 
doch  noch  nicht  sehr  ausgeprägt  sind  — ,  nektarreicher  als  zwischen  200  und 
500  m.  Hermann  Müller  fand  bei  Piatanthera  bifolia  im  Tiefland  den  Sporn 
höchstens  über  1/3,  in  den  Alpen  oft  weit  über  die  Hälfte  mit  Nektar  angefüllt 

Interessant  ist  in  diesem  Zusammenhang  eine  von  Layens  mitgetheilte 
Angabe  aus  der  Bienenzuchtstatistik  des  Departements  des  Pyrdndes  Orientales, 
nach  welcher  letzteres  19829  Bienenstöcke  besitzt,  die  ziemlich  gleichmassig 
zwischen  o  und  1500  m  vertheilt  sind  und  die,  nach  Höhenzonen  von  300  m 
eingetheilt,  durchschnittlich  folgenden  Ertrag  geben: 

Höhe  in  m  Ertrag  in  kg 

O  —  300 3.06 

300 —  600 4.08 

600 —  900 5.00 

900 — 1200 7.00 

1200 — 1500 9.33. 


II.    Die  Regionen  der  Vegetation.  75  I 

Angeblich  soll  auch  das  Aroma  der  Pflanzen,  also  ihr  Gehalt  an  ätheri- 
schen Oelen,  mit  der  Höhe  zunehmen.  Thatsächlich  hat  auch  Bonnier  eine 
Zunahme  der  Harz-  und  Oelbehälter  in  seinen  alpinen  Culturen  festgestellt. 
Der  aromatische  Geruch  des  alpinen  Heues  wird  oft  und  mit  Recht  betont. 
Doch  scheint  die  Erscheinung  nicht  allgemein  zu  sein.  So  enthält  die  Flora 
der  baumlosen  Region  auf  Java  keine  einzige  Pflanze  mit  aromatischen  Blüthen, 
obwohl  solche  im  Tiefland  sehr  häufig  sind,  und  nur  wenige  mit  aromatischen 
vegetativen  Theilen  (Gaultheria,  Gnaphalium  etc.).  Die  Früchte  der  alpinen 
Rubus-  und  Vaccinium- Arten  sind,  abgesehen  von  einem  schwachen  Gehalt 
an  Säure,  völlig  geschmacklos,  und  das  Gleiche  gilt  von  den  im  oberen 
Theile  der  montanen  Region  cultivirten  europäischen  Bäumen,  z.  B.  den 
Pflaumen,  während  die  tropischen  Früchte  des  Tieflands  das  intensivste 
Aroma  besitzen. 

Viele  Eigentümlichkeiten  der  alpinen  Gewächse  erscheinen,  nach 
den  eben  geschilderten  Versuchen  und  Beobachtungen,  als  directe,  je- 
doch mehr  oder  weniger  erblich  gewordene  Wirkungen  des  alpinen 
Klima  und  unsere  Kenntniss  der  Elemente  des  letzteren  erlaubt  in 
vielen  Fällen  die  einzelnen  Ursachen  zu  erkennen.  Für  andere  Er- 
scheinungen können  wir  wohl  den  Nutzen,  den  sie  gewähren,  erkennen ; 
es  ist  aber  zur  Zeit  nicht  möglich  zu  entscheiden,  ob  sie  ebenfalls 
direct  durch  das  Klima  hervorgerufen  werden  oder  ob  sie  das  Resultat 
der  Auslese  zufälliger  Variationen  darstellen.  So  erscheint  uns  bei  der 
Kürze  der  Vegetationszeit,  das  immergrüne  Laub  sehr  zweckmässig; 
welche  Einflüsse  die  Annahme  desselben  bei  Pflanzentypen,  welche,  wie 
die  Weiden,  sonst  sommergrün  sind,  bleibt  unbekannt.  Ebenso  ist 
die  frühere  Entwicklung  der  Blüthen  im  Vergleich  zum  Tiefland  physio- 
logisch unaufgeklärt.  Manche  Erscheinungen  sind  sogar  ökologisch 
noch  räthselhaft,  so  die  offenbar  eine  Anpassung  an  das  alpine  Klima 
darstellende  Polsterform  und  der  charakteristische  Habitus  der  Krumm- 
holzbäume. In  beiden  Fällen  erscheint  ein  Zusammenhang  mit  den 
heftigen  Winden  am  wahrscheinlichsten.  Starker  Wind  ist  das  einzige 
gemeinsame  Merkmal  der  Standorte  der  Polsterpflanzen  auf  den  Inseln 
der  Südsee  und  in  der  alpinen  Region  und  die  Krummholzgestalten 
wiederholen  sich  oft  an  den  freistehenden  Bäumen  und  Sträuchern 
offener,  windiger  Meeresküsten. 

§  3.  Das  Vorkommen  alpiner  Pflanzenarten  in  tieferen  Regionen. 
Die  Flora  der  alpinen  Region  setzt  sich  überall  zusammen  1.  aus  Arten, 
die  ihr  ganz  eigenthümlich  sind  2.  aus  solchen,  die  auch  in  tieferen 
Höhenregionen  und  im  Tiefland  vorkommen.  Die  Pflanzen  der  letzteren 
Kategorie  bieten  besonderes  Interesse ,  indem  ihr  Vorkommen  an  un- 
gleichen Standorten  auf  die  Existenzbedingungen  im  alpinen  Klima 
manches  Licht  wirft,  bezw.  die  gewonnenen  Anschauungen  bestätigt. 

Die  auf  den  alpinen  Wiesen  und  Steppen  des  Hochgebirges  ver- 
tretenen Arten  der  Grasflur  des  Tieflands  zeigen  sich  so  modificirt,  dass 


752  Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 

sie  vielfach  als  Varietäten  (Var.  alpina)  unterschieden  werden.  Solche 
alpinen  Formen  besitzen  die  Eigenthümlichkeiten ,  die  wir  als  directe 
Wirkungen  des  Höhenklima  kennen  lernten. 

Alpine  Pflanzen,  welche  in  der  feuchten  basalen  und  montanen 
Region  auftreten,  verrathen  durch  ihre  Standorte  ihren  ausgesprochen 
xerophilen  Charakter.  So  kommen  eine  Anzahl  der  Gipfelpflanzen 
Java's  in  den  unteren  regenreichen  Regionen  vor,  aber  entweder  als 
Epiphyten  (z.  B.  Rhododendron  javanicum,  retusum,  Vaccinium  poly- 
anthum  etc.)  oder  auf  dem  salzreichen  Boden  der  Solfataren.1)  In 
Japan  hat  Mayr  ebenfalls  eine  reiche  Vegetation  alpiner  Gewächse  in 
den  Solfataren  der  tieferen  Regionen  beobachtet.  Aus  ähnlichem  Grunde 
kommen  manche  alpinen  Arten  des  Atlas  auf  dem  Meeresstrande  bei 
Algier,  aber  nicht  in  den  Zwischenregionen  vor.2) 

In  den  eben  erwähnten  Fällen  liegt  die  Analogie  in  den  Existenz- 
bedingungen an  verschiedenen  Standorten  in  der  erschwerten  Wasser- 
versorgung, welcher  durch  den  Besitz  xerophiler  Eigenschaften  vor- 
gebeugt ist.  Die  Temperatur  kommt  nicht  in  Betracht,  hingegen  ist 
sie,  neben  der  Xerophilie,  ein  Factor  des  Vorkommens  vieler  Pflanzen 
höherer  Tieflandsbreiten  im  Hochgebirge  niederer  Breiten.  So  kommen 
auf  den  alpinen  Höhen  des  tropischen  Afrika  mediterrane  und  süd- 
afrikanische Arten,  auf  denjenigen  der  nördlichen  temperirten  Zone 
polare  Arten  vor. 

Das  Vorkommen  vieler  polaren  Pflanzenarten  im  temperirten  Hoch- 
gebirge hat  zur  Annahme  einer  vollkommenen  Analogie  zwischen  alpiner 
und  arktischer  Flora  und  zwischen  alpinem  und  arktischem  Klima  in 
ihren  Wirkungen  auf  das  Pflanzenleben  gefuhrt.  Doch  hatte  bereits 
H.  Christ,  der  beste  Kenner  der  europäischen  alpinen  Flora,  gegen  die 
Existenz  einer  so  weitgehenden  Uebereinstimmung  protestirt,  und 
G.  Bonnier  hat  neuerdings,  auf  Grund  sorgfaltiger  Untersuchungen,  den 
Nachweis  geliefert,  dass  die  alpinen  und  arktischen  Individuen  derselben 
Art  sich  in  ihrer  Structur  wesentlich  von  einander  unterscheiden,  so 
dass  nur  sehr  plastische  Arten  gleichzeitig  in  beiden  Klimaten  existiren 
können.  Die  Unterschiede  zwischen  der  arktischen  Flora 
und  der  alpinen  Flora  der  nordtemperirten  Zonen  sind 
daher  nicht  bloss  auf  historische,  sondern  in  erster  Linie 
auf  gegenwärtig  noch  wirkende  physiologische  Ursachen 
zurückzuführen. 

Mit  dem  polaren  Klima  theilt  das  alpine  aller  Breiten  die  grosse 
Lichtmenge  und  die  niedere  Lufttemperatur.  Die  Verhältnisse  der  Be- 
leuchtung sind  aber  nicht  identisch,  indem  es  sich  im  ersteren  Falle  um 


»)  Vgl.  S.  413. 

2)  Vgl.  Battandier. 


II.    Die  Regionen  der  Vegetation.  753 

continuirlich  schwache,  im  zweiten  um  unterbrochene  intensive  Be- 
leuchtung handelt.  Die  niedere  Lufttemperatur  wird  im  alpinen  Klima 
bei  Sonnenschein  durch  intensive  Bestrahlung  in  ihren  Wirkungen  auf 
das  Pflanzenleben  aufgehoben,  im  Schatten  und  in  der  Nacht  aber  ver- 
stärkt, während  die  polaren  Pflanzen  derartigen  Wärmeschwankungen 
nicht  ausgesetzt  sind.  Endlich  ist  die  Gefahr  des  Wassermangels  bei 
den  alpinen  Pflanzen  vornehmlich,  wenn  auch  indirekt,  durch  die  Ver- 
dünnung der  Luft,  bei  den  polaren  durch  die  Kälte  des  Bodens  bedingt. 

Den  ungleichen  physiologischen  Wirkungen  des  alpinen  und  des 
polaren  Klima  entsprechen  Unterschiede  der  äusseren  und  inneren 
Pflanzenstructur.  So  sind,  nach  Bonnier,  die  oberirdischen  Theile  von 
Salix  polaris  und  Saxifraga  oppositifolia  in  polaren  Exemplaren  schwächer 
entwickelt  als  in  alpinen.  Besonders  charakteristisch  ist  aber 
für  die  polaren  Gewächse,  im  Gegensatz  zu  den  alpinen 
derselben  Arten,  der  Besitz  dickerer  Blätter  mit  weniger 
differenzirter  histologischer  Structur  und  grösseren 
Intercellularen.  Diese  Eigenschaft  der  polaren  Gewächse 
ist  aber,  wie  bereits  früher  gezeigt  wurde,  der  Ein- 
wirkung der  ununterbrochenen  schwachen  Beleuchtung 
zuzuschreiben,  während  die  intensive,  aber  unter- 
brochene Beleuchtung  des  alpinen  Klimas  niederer 
Breiten  im  Gegentheil  die  histologische  Differenzirung 
der  Blätter  begünstigt. 

§  4.  Obere  Grenze  des  Pflanzenlebens  im  Hochgebirge.  Die 
obere  Grenze  der  Vegetation  in  den  Hochgebirgen  ist  natürlich  nach 
dem  Klima  verschieden  und  liegt  in  den  Tropen  im  Allgemeinen  "höher 
als  in  den  temperirten  Zonen,  wo  bei  gleicher  Höhe  die  Temperatur 
tiefer  liegt.  Es  erscheint  nicht  ausgeschlossen,  dass  niedere  Kryptogamen 
auch  die  höchsten  Gipfel  bewohnen.  H.  Meyer  fand  einige  Flechten 
noch  auf  dem  Gipfel  des  Kilimandscharo  (6010  m),  und  es  ist  wahr- 
scheinlich, dass  dieser  Punkt  keineswegs  die  oberste  Grenze  der  Vege- 
tation überhaupt  darstellt.  Namentlich  dürften  Bacterien  noch  höher 
steigen. 

Viel  leichter  ist  es,  die  oberste  Grenze  der  Phanerogamen- 
vegetation  festzustellen.  Der  höchste  bekannte  Standort  von  Phanero- 
gamen  liegt  nicht  in  den  Tropen,  sondern  in  West -Tibet,  wo  bei  5800  m 
Saussurea  tridactyla  (Fig.  417)  noch  wächst.  Diese  am  höchsten  hinauf- 
gehende Blüthenpflanze  besitzt  nicht  einmal  in  besonders  hohem 
Maasse  die  alpine  Tracht,  indem  ihre  Axe  sich  zu  der  relativ  beträcht- 
lichen Höhe  von  ca.  1 5  cm  über  den  Boden  erhebt.  Gegen  Transpiration 
ist  sie  durch  eine  mächtige  Hülle  wolliger  Haare  geschützt.  Die  alpine 
Tracht  kommt  in  höherem  Grade  einigen  Arten  derselben  Gattung  zu, 
die  dieselben   Gebirge   wie   S.  tridactyla  bewohnen,    aber  deren  höch- 

Schimper,  Pflanxengeographie.  48 


Fig.  417.      Saussurea- Arten   der  alpinen  Flora  des  westlichen  Tibet.     A  Saussurea  tridactyla 

19000'.     B  S.  Thomsoni  17 — 18000'.     C  S.  Kunthiana   17—18000'.     D  S.  Wernerioides 

17—18000'.    Nat.  Gr.    N.  d.  Nat.  gez.  v.  M.  Smith.    Kgl.  Herb.  Kew. 


Auswahl  der  Literatur. 


755 


sten   Standort  nicht   erreichen,   sondern   zwischen    5000    und    5500  m 
wachsen  (Fig.  417,  B  -  D). 

Die  untere  Grenze  des  ewigen  Schnees  bezeichnet  keineswegs  die 
obere  Grenze  des  Pflanzenlebens,  nicht  einmal  diejenige  der  Blüthen- 
pflanzen,  welche  in  vereinzelten  Exemplaren,  in  den  Schweizer -Alpen, 
noch  bei  ungefähr  4000  m  auftreten. 


Auswahl  der  Literatur« 


Battandier.     Quelques  mots  sur  les  causes   de  la  localisation  des  esp£ces. 

Bulletin  de  la  soctetd  botanique  de  France.     1887. 
Bonnier,   G.     Cultures   exptfrimentales  dans  les   hautes   altitudes.     Comptes 

rendues  de  l'Acad.  des  sciences.     1890. 

—  Influence  des  hautes  altitudes  sur  les  fonctions  des  vdgtftaux.     Ibid. 

—  Etüde  experimentale   sur  1' influence   du    climat   alpin   sur  la  vdgdtation  et 

les  fonctions  des   plantes.     Bulletin  de  la  socidtd   botanique  de  France. 
1888. 

—  Observations  sur  la  Flore  alpine  d'Europe. 

—  Les   plantes  arctiques   compar^es   aux   mömes    esp£ces    des  Alpes    et  des 

Pyrdndes.     Revue  G£n6rale  de  botanique.     Tome  VI.     1894. 

—  Recherches  exp&rimentales  sur   l'adaptation   des   plantes   au    climat   alpin. 

Annales  des  sciences  naturelles.     7C  stfrie.     Tome  XX. 

—  Cultures  exp^rimentales  dans   les  Alpes  et  les  Pyrdndes.     Revue  gdndrale 

de  botanique.     Tome  II. 
Bonnier    et   Flahault.     Observations  sur  les  modifications   des   vdgdtaux 

suivant  les  conditions  physiques  du  milieu.     Annales   des  sciences  natu- 
relles.    VIe  sdrie.     Tome  VII.    ,p.  93.     187 9. 
Christ,  H.     Das  Pflanzenleben  der  Schweiz.     Zürich   1879. 
Dodel-Port,   A     Farbenpracht    und    Grösse   der   Alpenblumen.     Kosmos. 

Bd.  I.     1879. 
He  ekel.     Sur  l'intensitd    de£  couleurs   et   les   dimensions    considdrables    des 

fleurs  aux  hautes  altitudes.     Bullet,  de  la  soc.  botan.  de  France.     Tome 

XXX.      1883. 
Keller.     Die  Blüthen  alpiner  Pflanzen,  ihre  Grösse  und  Farbenpracht.    Basel 

1887. 
Kern  er,  A.  v.    Die  Abhängigkeit  der  Pflanzengestalt  von  Klima  und  Boden. 

Tageblatt  d.  43.  Vers,  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Innsbruck. 

1869. 

—  Pflanzenleben.     iA.    IL  p.     501   f. 

Layens.     Elevage  des  abeilles.     Paris  1876.     p.  206 — 207. 

Lazniewski,  W.  v.    Beiträge  zur  Biologie  der  Alpenpflanzen.  Flora.   Bd.  82. 
1896. 

Lindman,    C.    A.    M.      Blüthen    und    Bestäubungseinrichtungen    im    skandi- 
navischen Hochgebirge.     Botan.  Centralbl.     Bd.  XXX.      1887. 

48* 


756  Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 

Lindman,    C.    A.    M.      Bidräg    teil    Kännedomen    om    Skandinaviska   fjell- 

växteraas    blomning    och    befruktning.     Bihang   teil  K    Svenska  Vetensk. 

Akad.  Handlingar.    Bd.  XII.    Afd.  III.     1887. 
Müller,  Herrn.     Alpenblumen,  ihre  Befruchtung   durch  Insekten    und   ihre 

Anpassungen  an  dieselben.     Leipzig.     1881. 
Sargnon.     Causes  du  vif  coloris  que  prdsentent  les  fleurs   des   hautes  som- 

mites  alpines.     Annales  de  la  soc.  botan.  de  Lyon.     Tome  VII. 
Schimper,  A.  F.  W.     Ueber  Schutzmittel  des  Laubes  gegen  Transpiration, 

besonders  in  der  Flora   Java's.    Sitzungsber.  der  KönigL  preuss.  Akademie 

der  Wissenschaften  zu  Berlin.     Bd.  XL.     1890. 
Wagner,  A.     Zur  Kenntniss  des  Blattbaues    der  Alpenpflanzen   und   dessen 

biologischer   Bedeutung.      Sitzungsber.   der   Wiener   Akademie.     Bd.   CI. 

Abth.  I.     1892. 


IQ.  Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 

1.  Allgemeines.  Der  tempcrirte  Regenwald  der  montanen  Region  in  regenreichen 
Gebieten.  Alpine  Region.  Krummholz.  Alpines  Gesträuch.  Alpine  Steppe.  Alpine  Nieder- 
holzsavanne. 2.  Die  Kegionen  in  Ost- Asien«  Regionen  in  West-Java:  Der  temperirte 
Regenwald.  Krummholz.  Alpine  Savanne.  Alpine  Steppe.  Regionen  in  Ost-Java:  Tem- 
perirter  Savannenwald  von  Casuarina.  Alpine  Steppe.  Alpine  Sonnen-  und  Schattenvegeta- 
tion. Regionen  am  Kinabalu:  Pandanenwald  auf  dem  Lokon,  Celebes.  Temperirter 
Regenwald  in  der  montanen  Region  auf  Ceylon.  Nilgiri.  3.  Die  Regionen  im 
tropischen  Afrika.  Der  Kilimandscharo,  nach  Volkens.  Xerophiler  Charakter  der 
basalen  Region.  Temperirter  Regenwald  in  der  montanen  Region.  Physiognomie  und 
Flora  der  alpinen  Steppen  und  Wüsten.  4.  Die  Regionen  im  tropischen  Amerika. 
Südamerikanische  Cordillere.  Temperirter  Regenwald.  Krummholz.  Paramos.  Frailejon. 
Puna.  Mexico.  Xerophiler  Charakter  der  basalen  Region  im  mittleren  Mexico.  Regen- 
wälder. Sommerwälder  (Laub-  und  Nadelwalder)  in  der  montanen  Region.  Alpine  Region. 
Küstengebirge  Brasilien* s.     Itätiaia.     Serra  do  Picü. 


1.  Allgemeines. 

Die  basale  Region  tropischer  Gebirge  ist  meist  regenreicher  als 
das  benachbarte  Tiefland  und  dementsprechend  von  Formationen  be- 
deckt, welche  in  letzteren  feuchte  Standorte,  namentlich  das  Irrigations- 
gebiet der  Flüsse,  bewohnen.  Regenwälder  sind  hier  sehr  verbreitet  und 
gelangen  häufig  zu  grösster  Ueppigkeit. 

Die  montane  Region  hat  am  Aequator  in  ihren  unteren  Gür- 
teln noch  tropischen,  aber  nicht  mehr  äquatorialen,  in  der  Nähe  der 
Wendekreise  von  Anfang  an  temperirten  Charakter.  Der  Unterschied 
zwischen  dem  äquatorialen  Regenwald  der  basalen  und  dem  tropischen 
der  unteren  montanen  Region  ist  auf  die  systematische  Zusammen- 
setzung beschränkt.  In  den  temperirten  montanen  Formationen  hin- 
gegen tritt  die  niedrigere  Temperatur  auch  in  rein  öko- 
logischen Eigenthümlichkeiten  des  Pflanzenlebens  zum 
Vorschein  und  verleiht  den  Formationen  das  Gepräge 
solcher  höherer  Breiten.   So  wird  in  der  montanen  Region  feucht 


758 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


tropischer  Gebirge,  bald  bei  geringerer,  bald  bei  grösserer  Höhe  über 
dem  Meere,  der  tropische  Regenwald  durch  einen  ähnlichen  tempe- 
rirten  Regenwald  ersetzt,  wie  wir  ihn  für  die  regenreichen  Tief- 
länder Süd-Japan's,  Neu-Seeland's  und  Süd-Chile's  kennen  lernten. 

Die  Bäume  sind  in  demselben  immergrün;  sie  entbehren  stets  der 
Plankengerüste  und  besitzen  einen  massiveren  Wuchs,  reichere  Ver- 
zweigung, kleinere,  derbere  Blätter  als  im  tropischen  Regenwalde.  Die 
Lianen  sind  seltener  und  mehr  dünnstämmig;  die  Epiphyten  sind  viel 
kleiner,  meist  krautig  und  weit  mehr  durch  Kryptogamen  (Moose  und 
Farne)  als  durch  Phanerogamen  vertreten.  Die  ausserordentlich  üppige 
Entwickelung  der  epiphytischen  Moose  übertrifft  diejenige  des  tempe- 
rirten  Regenwaldes   der  Tiefländer   und   ist   auf  die   in   der   montanen 


Fig.  418.     Alpine  Savanne   auf  dem  Gipfel   des  Pangerango,   Java.     Die  grauen  Bäumchen 
sind  Anaphalis  javanica.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Region  herrschenden  Nebel  zurückzufuhren.  Die  Anwesenheit  vieler 
nahe  verwandter  Pflanzentypen  in  den  Regenwäldern  der  montanen 
Region  tropischer  Gebirge  und  des  Tieflands  höherer  Breiten  fugt  der 
ökologischen  die  floristische  Aehnlichkeit  hinzu. 

Der  Uebergang  der  montanen  in  die  alpine  Region  ist  durch 
Abnahme  der  Baumgrösse  und  Reduction  ihrer  Laubmasse,  welche  all- 
mählich ausgesprochene  xerophile  Structur  erhält,  gekennzeichnet.  Die 
Stämme  werden  kürzer  und  relativ  dicker,  die  Aeste  länger,  der  ganze 
Wuchs  wird  unregelmässig,  das  charakteristische  Bild  des  Krumm- 
holzes tritt  zum  Vorschein. 

Auf  die  Krummholz  Wäldchen  folgt  oft  ein  xerophiler  Gesträuch- 
gürtel, dann  herrscht  die  alpine  Grasflur,  ausser  auf  Felsen  und 
Gerollen,  wo  Niederholz  sich  behauptet.  Die  Grasflur  ist  meist  als  alpine 


III.    Die  Höhenregionen  in  den  Tropen.  759 

Steppe  ausgebildet ;  sie  besteht  aus  Büscheln  schmalblätteriger  Gräser, 
deren  Zwischenräume  bald  nackt,  bald  von  Zwergsträuchern  und  Stau- 
den eingenommen  sind;  das  Auftreten  von  Zwergbäumen  verleiht  ihr 
zuweilen  das  Gepräge  einer  Niederholzsavanne.  Nach  oben  wird, 
auf  den  höchsten  Gipfeln,  die  Grasflur  allmählich  durch  die  alpine 
Wüste  ersetzt.  Graswuchs  zeigt  sich  da  beinahe  nur  noch  in  feuchten 
Oasen ;  Zwergsträucher  und  Polsterpflanzen  bilden,  durch  weite  Zwischen- 
räume getrennt,  die  dürftige  Vegetation.  Einige  Flechten  stellen  die 
letzten  Spuren  der  Vegetation,  so  auf  dem  6010  m  hohen  Gipfel  des 
Kilimandscharo,  dar. 

Eine  so  reiche  Gliederung  der  Gebirgsabhänge  wie  die  eben  ge- 
schilderte zeigt  sich  nur  in  regenreichen  Gebieten.  In  trockenem  Klima 
tritt  der  Wald  erst  in  der  montanen  Region  auf  oder  fehlt  auch  ganz, 
wie  am  Westabhang  der  Cordilleren,  in  Peru  und  Bolivien,  wo  die 
Regionen  vom  Meeresniveau  bis  zum  ewigen  Schnee  eine  Reihenfolge 
von  Wüsten  darstellen. 


2.  Die  Regionen  in  Ost -Asien. 

Die  Hochgebirge  des  malayischen  Archipels  erreichen  zwar  nicht 
die  Schneegrenze  und  ragen  sogar  meist  nicht  weit  in  die  alpine  Region 
hinauf.  Sie  zeigen  aber  dennoch  eine  Reihe  wohl  ausgeprägter  Vege- 
tationsstufen und  sind  für  die  Untersuchung  der  pflanzenphysiologischen 
Wirkungen  des  Höhenklima  besonders  instructiv,  weil  die  tiefen  Tempe- 
raturen und  die  Schneemassen,  auf  welche  bei  Darstellungen  der  alpinen 
Vegetation  gewöhnlich  das  Hauptgewicht  gelegt  wird,  ihnen  fehlen. 

Der  tropische  Regenwald  geht  an  den  Abhängen  der  Vulkane  West- 
Java's  zwischen  1 500  und  2000  m  allmählich  in  den  temperirten  über. 
Die  Luft  wird  nasskalt,  vom  Winde  getriebene  Nebelmassen  ziehen 
zwischen  den  Stämmen,  und  der  prächtige  Gesang  eines  nur  den  tempe- 
rirten Regenwald  bewohnenden  Vogels,  Muscicapa  cantatrix,  wird  allent- 
halben vernehmbar.  Die  Laubmasse  wird  weniger  dicht,  die  Laubblätter 
werden  weniger  gross,  die  Stützpfeiler  verschwinden  an  den  massiver 
gewordenen  Stämmen,  die  Lianen  und  phanerogamischen  Epiphyten 
nehmen  immer  mehr  ab ;  wir  treten  in  das  Reich  der  Farne  und  Moose, 
namentlich  der  letzteren,  ein.  Sie  beherrschen  den  Wald,  namentlich  in 
seinen  oberen  Theilen.  Moose  hängen  in  meterlangen  Schleiern  von 
den  Baumästen  und  versperren  nach  allen  Richtungen  den  Weg,  andere 
überziehen  die  Stämme  mit  breiten  und  dicken  Polstern,  andere  noch 
bilden  auf  dem  Laube  zarte  spinnengewebeartige  Netze  oder  dichte 
Filze.  Sie  verschonen  nicht  einmal  die  Kräuter,  sondern  ziehen  festonen- 
artig   an   ihren   Stengeln   empor    und    nehmen    ihre    zarten   Blätter  in 


76o 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Beschlag.     Wo   das  Auge   sich   wendet,   sieht   es   nur  Moose  in   zahl- 
reichen mannigfaltigen  Formen.1) 

Die  unbedingte  Herrschaft  der  Moose  tritt  erst  im  oberen  Theile 
des  temperirten  Regenwaldes  auf.  Tiefer  sind  sie  von  anderen  Epi- 
phyten  begleitet,  jedoch  nur  von  solchen  niedrigen  Wuchses.  Eis  sind 
sämmtlich  Arten,  die  ihre  Nahrung  von  der  durch  die  Nebel  feucht 
gehaltenen  Rinde  schöpfen.  Solche,  die  Wurzeln  in  den  Boden  treiben, 
wie  sie  im  Tropenwalde  so  häufig  sind,  fehlen  hier  durchaus.  In  West- 
Java  ist  der  grösste  Epiphyt  dieser  Wälder  Asplenium  nidus;  im 
unteren  Theile  der  Region  hängen  seine  Riesentrichter  überall  an 
Stämmen  und  Aesten  (Fig.  139). 


Fig.  4*9-     Gesträuch  von  Anaphalis  javanica   auf  dem  Gipfel  des  Pangerango  (ca.  3000  m). 
Java.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Höchstens  200  m  unter  dem  Gipfel  (der  Pangerango,  die  höhere 
der  beiden  Spitzen  des  Gedeh  ist  ca.  3000  m  hoch)  wird  der  einst- 
weilen niedriger  gewordene  Hochwald  durch  Krummholz  Wäldchen 
ersetzt.  Die  Stämme  der  Zwergbäume,  welche  diese  Wäldchen 
zusammensetzen,  sind  kurz  und  dick,  schief  oder  sogar  horizontal  und 
treiben  dicke,  wenig  verzweigte  Aeste,  die  in  schlangenartigen 
Windungen  zu  einem  dichten  Geflechte  sich  verwirren.  Nur  an  ihren 
Enden  tragen  diese  Aeste  ein   spärliches,    lederartiges  Laub,   das  über 


')  Das  grossartigste  Beispiel  eines  solchen  ganz  bemoosten  Waldes  sah  ich  bei  Argasari 
im  Preanger. 


III.    Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


76l 


dem  Wäldchen  als  flaches,  undichtes  Dach  sich  ausbreitet.  Starke  Ent- 
wicklung des  Holzes  ist  im  Vergleiche  zum  Laube  hier  wie  für  jedes 
Krummholz  charakteristisch. 

Aralia,  Myrsine  avenis,  Vaccinium  floribundum  (im  temperirten  Regen- 
wald epiphytisch,  hier  im  Boden  wurzelnd),  Dicalyx  sessilifolia  konnte  ich 
im  Astgewirr  unterscheiden.  Einzelne 
Zwergbäumchen  von  Anaphalis  javanica 
und  ein  strauchiges  grossblüthiges  Hype- 
ricum erreichten  das  Laubdach  nicht. 
Der  Boden  ist  nur  wenig  bewachsen. 
Aus  dem  denselben  bedeckenden  mäch- 
tigen Lager  vermodernder  Blätter  und 
Aeste  erheben  sich  tiberall  die  roth  und 
gelb  gescheckten  Blüthenstände  von 
Balanophora  elongata,  einige  Farne,  eine 
zarte  Orchidee  (Thelymitra  angustifolia), 
Ranunculus  javanus,  die  schöne,  auf  dem 
Pangerango  endemische  Primula  imperia- 
lis  Jungh.,  einzelne  Gräser  und  junge 
Brombeeren,  während  die  knorrigen 
Stammbasen  vielfach  von  der  zierlichen 
Nertera  depressa  tiberzogen  sind,  nament- 
lich aber  dicke,  triefend  nasse  Moos- 
polster tragen. 

Ueber  dem  Krummholz,  den  Gipfel 
beinahe  ganz  überziehend,  tritt  dichtes 
übermannshohes  Gesträuch  auf,  mit 
kleinen,  höchstens  mittelgrossen  durch- 
aus xerophil  gebauten  Blättern.  Ganz 
vereinzelt  erheben  sich  aus  dem  Ge- 
sträuch kleine,  knorrige,  von  Usneen 
behängte  Bäume,  deren  meist  schirm- 
förmige Krone  während  meines  Be- 
suchs im  December  dicht  von  weissen 
Blüthen  bedeckt  war,  Leptospermum 
floribundum  (Fig.  421). 


Fig.  420.  Anaphalis  javanica.  Gipfel  eines 
blühenden  Sprosses  mit  stark  eingerollten 
Blättern.  Rechts  nicht  eingerolltes  Blatt 
eines  sterilen  Sprosses.  Nat.  Gr.  Gipfel 
des  Gedeh,  Java.     2900  m. 


Vorherrschend  unter  den  Sträuchern 
ist  die  wollige  Anaphalis  javanica,  welche, 
gesellig   wachsend,   andere    Holzpflanzen 

oft  ganz  ausschliesst  (Fig.  418,  419).  Häufig,  aber  zerstreut,  zeigt  sich  das  dicht 
beschuppte  Rhododendron  retusum,  welches  in  Form  der  Blätter  und  in  der 
Blüthengrösse  an  unsere  Alpenrosen  erinnert.  Vorherrschend  sind  jedoch  glatt- 
blätterige Sklerophyllen ,  zum  Theil  mit  schwacher  Neigung  zur  Succulenz 
(Myrsine   avenis,   Eurya  glabra,  Vaccinium   varingiaefolium    und   floribundum, 


762 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Gallith eria    punctata,    Myrica    javanica    etc.).      Auch    einige    Farnbäume    von 
gedrungener  Gestalt  fehlen  nicht. 

Stellenweise  ist  das  Gipfelgesträuch  durch  die  alpine  Steppe  unter- 
brochen, in  welcher  schmalblätterige,  niedrige  Gräser,  sammt  Plantago 
Hasskarlii ,  Gaultheria  repens  und  einem  stark  behaarten  Racomitrium 
vorherrschen. 

Im  Osten  Java's,  wo  im  Gegensatz  zum  Westen,  die  trockene 
Jahreszeit  sehr  arm  an  Niederschlägen  ist,  finden  wir  eine  wesentlich 
abweichende  Reihenfolge   der  Regionen.     Die   basale  ist  zwar  ebenfalls 

vom  tropischen  Regenwald  ein- 
genommen; derselbe  ist  aber 
weniger  üppig  als  im  Westen 
und  zeigt  im  reichlicheren  Laub- 
fall in  der  Trockenzeit,  Anklänge 
an  den  tropophilen  Wald.  Das 
Regenmaximum  liegt  hier  in 
der  basalen  Region.  In  der  mon- 
tanen reichen  die  Niederschläge 
für  den  Regenwald  nicht  mehr 
hin;  letzterer  ist  daher  durch 
eine  mehr  xerophile  Gehölzfor- 
mation, den  Tjemorowald,  er- 
setzt. Casuarina  montana  Jungh., 
Tjemoro  für  dieMalayen(Fig.422, 
423),  ist  der  einzige  Baum  dieses 
Waldes,  der  als  eigenartige  Form 
dem  Typus  des  Savannenwaldes 
angegliedert  werden  kann  und, 
wie  so  häufig  der  letztere,  stellen- 
weise in  ausgedehnte  Savannen 
übergeht  (z.  B.  auf  dem  Tengger 
und  dem  Plateau  Djeng.).  Nur 
die  höchsten  Gipfel  ragen  aus 
den  Tjemoro -Wäldern  und  den 
Tjemoro-Savannen  hervor,  so  der  Widodaren,  die  höchste  der  fünf 
Spitzen  des  erloschenen  Vulcans  Ardjuno. 

Der  Tjemoro -Wald  bedeckt  die  breiten  Rippen  der  tiefgefurchten 
Flanken  des  Ardjuno ;  die  engen  Schluchten  sind  durch  niederen  Laub- 
wald, vornehmlich  von  Quercus  pruinosa,  ausgefüllt.  Mit  solcher 
Zusammensetzung  der  Vegetation  erstreckt  sich  die  montane  Region 
etwa  von   1800  bis  2800  m  ü.  M. 

Ein  grösserer  Contrast  als  zwischen  dem  in  West -Java  die  ent- 
sprechende   Höhenstufe     einnehmenden    temperirten    Regenwald    und 


Fig.  421.     Leptospermum  floribundum   auf  dem 

Gipfel  des  Pangerango,  Java.    Nach  einer  Photogr. 

von  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


III.    Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


763 


diesem  xerophilen  Tjemoro-Wald  ist  kaum  denkbar.  Von  der  im 
ersteren  herrschenden  Frondosität  ist  keine  Rede  mehr.  Der  Wald  ist 
licht,  schattenlos;  die  kleinen  Bäume  und  Sträucher  des  Unterholzes 
(Anaphalis -Arten ,  Dodonaea  montana,  Albizzia  montana)  treten  ganz 
zurück;  Lianen  fehlen.  Die  Epiphyten  auf  den  Casuarinen  sind  auf 
einige  zwerghafte  Orchideen  und  ein  kleines  Acrostichum  beschränkt; 
nur  Usneen  sind  zahlreich  und  nehmen  aufwärts  immer  mehr  zu.  Die 
Luft  ist  nicht  feucht  genug,  nicht  genügend  von  Nebel  geschwängert, 
um  die  reiche  Moosvegetation  des  temperirten  Waldes  West- Java 's 
hervorzurufen.  Die  Bodenvege- 
tation ist  nicht  zart  und  gross- 
blätterig wie  im  Regenwalde, 
sondern  derb  belaubt  wie  die- 
jenigen eines  deutschen  lichten 
Kiefernwaldes.  Auch  systema- 
tisch hat  die  Flora  nordtemperir- 
ten  Charakter  und  erinnert  an  die- 
jenige unserer  lichtesten  Gehölze. 

Vorherrschend  fand  ich  in 
diesen  Wäldern  Festuca  nubigena, 
die  an  unsere  Euph.  amygdaloides  er- 
innernde Euphorbia  Rothii,  lockere 
Polster  geruchloser  Veilchen  (Viola 
serpens  u.  a.),  Plantago  asiatica, 
kleine  Doldenpflanzen  (Pimpinella 
Pruatjan  und  javanica),  kleine  Gna- 
phalien,  Valeriana  javanica,  Son- 
chus  javanicus,  Ranunculus  prolifer, 
Galium  javanicum,  Alchemilla  vil- 
losa,  Wahlenbergia  lavandulaefolia, 
Cynoglossum  javanicum,  Thalictrum 
javanicum,  Agrimonia  javanica  (auf 
dem  Tengger)  und  namentlich  Pteris 
aquilina. 

Bei  etwa  2800  m  hört  der  Wald  auf.  Die  Casuarinen  werden 
zwerghaft,  knorrig,  ihre  Aeste  sind  zum  grossen  Theile  abgestorben. 
Die  Bäumchen  von  Quercus  pruinosa  und  Vaccinium  myrtoides  nehmen 
Krummholzhabitus  an,  mit  kurzen  Stämmen,  schlangenartig  gewundenen 
Aesten  und  schirmförmiger  Krone,  Endlich  hört  der  Baumwuchs 
gänzlich  auf.  Der  Gipfel  ist  von  einer  alpinen  Steppe  bedeckt, 
deren  kurzer,  steifer  Rasen  büschelartig  aus  dem  Boden  hervorragt; 
die  Zwischenräume  sind  theils  nackt,  theils  von  einem  kriechenden  hart- 
blätterigen Zwergstrauch,  Leucopogon  javanicus  (Fig.  428),  eingenommen. 
Einige   Pflanzenarten   aus   dem   Tjemoro-Wald   zeigen   sich   noch    hier, 


Fig.  422.  Casuarina  montana  Jungh.  in  der 
montanen  Savanne,  Tengger,  Ost- Java,  ca.  6000 \ 
Nach   einer  Photographie  von  Herrn  J.  Kobus. 


764  Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 

jedoch  in  ganz  veränderter,  alpiner  Tracht,  mit  stark  verkürzten  Stengeln 
und  mächtigen  Wurzeln,  so  Alchemilla  villosa  (Fig.  430)  und  Pimpinella 


Fig.  423.     Casuarina  montana  Jungh.     Zweig  mit  Früchten,     (^  nat.  Gr.) 

Pruatjan.    Gnaphalium  involucratum  ist  in  ihrer  zwerghaften  alpinen  Form 
kaum  als  specifisch  identisch  mit  der  stattlichen  Pflanze   der  montanen 


III.    Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


765 


Region  erkennbar  (Fig.  429).  Eine  winzige  Gentiana  (G.  quadrifida,  Fig.  425) 
zeigt  allein  Annäherung  an  den  sonst  fehlenden  Polstertypus.  Steiniger 
Boden  trägt  buschige  Zwergst rauch  er,  mit  dicker,  rauher  Borke,  harten, 
ausgesprochen  xerophil  gebauten  Blättern  (Photinia  integrifolia,  Coprosma 
sundana,  Vaccinium  myrtoides,  Fig.  424, 426, 427)  und  dichtwollig  behaarte, 
stinkende  holzige  Gnaphalien  (Anaphalis  sp.  nov.).  Beinahe  alle  Gewächse 
waren  zur  Zeit  meines  Besuchs  (Februar)  von  Blüthen  reich  bedeckt. 

Die  Gipfelvegetation  der  Hochgebirge  Java's  weist, 
trotz  der  massigen  Höhe  der 
letzteren,  die  wesentlichen 
Eigenthümlichkeiten  alpiner 
Vegetation  auf;  Verkümmerung 
des  Baumwuchses  unter  Annahme 
der  Krummholzgestalt  und,  mit  wach- 
sender Höhe,  gänzliches  Schwinden 
derselben;  starke  Verkürzung  der 
Axen,  Zunahme  des  Wurzelsystems, 
reiche  Blüthenbildung ,  xerophile 
Structur. 

Die  Baumgrenze  liegt  hier  be- 
trächtlich tiefer  als  auf  vielen  anderen 
tropischen  Gebirgen.  Dieser  Um- 
stand ist  besonders  lehrreich,  indem 
er  ihre  Unabhängigkeit  von  tiefen 
Temperaturen  ergiebt.  Das  Verkrüp- 
peln der  Bäume  tritt  gleichzeitig  mit 
der  Spaltung  der  Gebirgsmassen  in 
Kegel  auf  und  hängt  mit  der  dadurch 
bedingten  Zunahme  der  Luftbewegung 
zusammen.  Um  solche  freien  Kegel 
weht  beinahe  fortwährend  ein  starker 
Wind,  dessen  Wirkung  auf  die 
obersten  Baumkrüppel  in  zahlreichen 
trockenen  Aesten  zum  Vorschein 
kommt.      Im    Windschatten,    so    am 

Innenrande  des  alten  Kraters  des  Pangerango,  ist  noch  reicher,  wenn 
auch  niedriger  Baumwuchs  bei  einer  Höhe  vorhanden,  wo  letzterer 
am  windigen  Aussenrande  bereits  ganz  aufgehört  hat.  In  deutlichster 
Weise   zeigt  sich   hier   die  Abhängigkeit   der  Baumgrenze  vom  Winde. 

Instructiv  ist  auf  den  Gipfeln  Java's  auch  der  Vergleich  der 
Sonnen-  und  Schattenvegetation.  Die  erstere  allein  be- 
sitzt alpinen  Habitus,  denn  sie  allein  ist  den  hier  wirkenden 
Factoren  des  alpinen  Klima    ausgesetzt.     Die  verlangsamende  Wirkung 


Fig.  424.    Photinia  integrifolia.     Alpiner 

Strauch.    Gipfel  des  Widodaren,  3330  m, 

Ost- Java.     */a  nat.  Gr. 


766 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


des  intensiven  Sonnenlichts  und  der  nächtlichen  Radiation  hört  im 
Schatten  der  Felsen  und  Sträucher  auf;  die  Luft  ist  hier  ruhig  und 
feucht,  so  dass  die  Transpiration  in  massigen  Grenzen  verbleibt.  Dem- 
entsprechend besitzen  die  Pflanzen  geschützter  Standorte  viel  mehr 
langgestreckte  Axen  und  viel  zarteres  Laub  als  diejenigen  der  sonnigen. 
Wie  gross  der  Unterschied  werden  kann,  zeigen  die  in  Fig.  425  ab- 
gebildeten Exemplare  von  Gentiana  quadrifida,  die  ich  auf  dem  Gipfel 
des  Widodar&n  an  zwei  dicht  bei  einander  befindlichen,  aber  sehr  un- 
gleich beleuchteten  Stellen  fand. 


Fig.  425.     Alpine  Flora  Java's.     Gentiana  quadrifida.     / — 2  an  der  Sonne, 
3  im  Schatten  gewachsen.     Gipfel  des  Widodaren.     Nat.  Gr. 


Ueber  die  Regionen  auf  den  Hochgebirgen  von  Celebes  sind  wir  nicht 
unterrichtet.  Höchst  eigentümlich  ist  das  Vorkommen  eines  dichten  Pandanus- 
Waldes  auf  dem  1560  m  hohen  Gipfel  des  Lokon  in  Celebes  (Fig.  431). 

Als  höchster  Gipfel  des  malayischen  Archipel  erhebt  sich  der  Kinabalu 
auf  Borneo  bis  13698'  (4175  m)  über  das  Niveau  des  benachbarten  Meeres. 
Stapf  hat  auf  Grund  der  vorhandenen  Sammlungen  und  Notizen  eine  Schilderung 
seiner  Vegetationsstufen  gegeben,  welcher  das  Folgende  entnommen  ist 

Der  Fuss  des  Berges  ist  von  Culturen  und  von  jungem  Walde  auf 
früherem  Culturboden  bedeckt.  Oberhalb  dieses  nirgendwo  mehr  von  ur- 
sprünglicher Vegetation  bedeckten  Gürtels  dehnt  sich  dichter  typischer  Regen- 
wald bis  7000'  (2134  m)  ü.  M.     Unterholz,   Lianen,   darunter  viele  Rotang- 


III.   Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


767 


palmen,    Epiphyten,    namentlich  Rhododendren   und  Orchideen,    treten   hier 
massenhaft  auf. 

Oberhalb  7000'  ist  der  Wald  nur  auf  einer  schmalen  Rippe  untersucht 
worden,  wo  er  starken  Winden  ausgesetzt  und  dementsprechend  krummholz- 
ähnlich ist:  „Die  Bäume  sind  verkrüppelt,  verkrümmt,  verwittert,  oft  über  den 
Weg  gebogen.     Stämme  und  Aeste  sind  von    mehrere  Zoll   tiefen   triefenden 


fes* 


Fig.  426.  Alpine  Sträucher  Java's :  Vac- 

cinium  myrtoides.  Gipfel  des  Widodaren. 

Nat.  Gr. 


Fig.  427.     Alpine  Sträucher  Java's:   Coprosma 
sundana.     Gipfel  des  Widodaren ,  ca.  3300  ra. 
Nat.  Gr. 


Moospolstern  und  langen  Bartflechten  überzogen.  Das  Laub  der  Bäume  und 
Sträucher  ist  oft  dicht  gedrängt  an  kurzen,  dicken  Aesten.  Die  Blätter, 
sitzend  oder  von  kurzen  dicken  Stielen  getragen,  sind  sehr  lederartig,  dunkel- 
grün, glatt,  wenigstens  oberseits,  und  glänzend.  Sie  zeigen  grosse  Neigung, 
rundliche  oder  ovale  Form  anzunehmen,  und  ihre  gewöhnlich  ganzen  Ränder 
sind  nicht  selten  gebogen."  (S.  84.)  Vorherrschend  sind  unter  diesen  Bäum- 
chen Ericaceen  (Rhododendron,  Diplycosia,  Vaccinium),  sodann  Eichen  (Quercus 
Havilandii),  Rubiaceen,  Myrsinaceen,  Coniferen  (Podocarpus  cupressina,  Dacry- 
dium  elatum).    Nepenthes- Arten  spielen  eine  wichtige  Rolle.    Die  systematische 


768 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Zusammensetzung  zeigt  nahe  Beziehungen   zu    den   temperirten  Regenwäldern 
Neu-Seeland's  und  Japan's. 

Oberhalb  der  Pakapaka-Höhle  (10450')  wird  die  Holzvegetation  strauch- 
artig und    bedeckt    nicht    mehr    die    gewaltigen  Felsmassen    des  Gipfels.     An 
den  höchsten  Standorten    ist    der  Habitus  der  Pflanzen  ganz  alpin,    die  Axen 
sind  stark  verkürzt,  die  Blätter  klein,  dicht  gedrängt,  sehr  dick.    Drei  Zwerg- 
sträucher   nur   wurden   zwi- 
schen  12000'  und   13000' 
gesammelt  (Symplocos  buxi- 
folia,    Coprosma    Hookeri, 
Drapetes  ericoides,  Fig.  432). 
Moorige    Stellen    sind   von 
krautiger  Vegetation  bedeckt 
mit  Arten  von  Ranunculus, 
Potentilla,  Haloragis,   Gen- 
tiana ,    Havilandia ,    Aletris 
(Boragin.     nov.    gen.)    und 
einigen   Cyperaceen.     Eine 
ganz     ähnliche    Vegetation 
zeigt  sich  in  den  Felsspalten, 
hier  wachsen  auch  zwei  auf 
den  Gipfel  beschränkte  Grä- 
ser ,    Deschampsia    flexuosa 
var.  und  Agrostis  canina  var. 
Das  Gebirgsmassiv  C  e  y- 
lon's  zeigt  an  seinen  west- 
lichen ,     regenreichen     Ab- 
hängen in  der  basalen  Region 
tropischen,  in  der  montanen 
temperirten  Regenwald.  Die 
Bäume    in    letzterem    (vor- 
nehmlich Calophyllum-  und 
Eugenia- Arten  Fig.  433)  ha- 
ben  massive   Stämme    und 
meist  schirmförmige  Kronen 
und  sind  habituell  manchen 
Bäumen  des  südchilenischen 
Regenwalds    ähnlich.      Die 
Blätter  sind  ziemlich  klein, 
glatt    und   glänzend.     Plankengerüste    an    den  Stämmen,    die    in    der    basalen 
Region    sehr    häufig  sind,    fehlen,    die  Lianen   sind   spärlich    und   dünn,    die 
Epiphyten  klein,   zuerst  Orchideen,  oberwärts  nur  noch  Moose.     Den  Gipfel 
des    höchsten    Berges,    Mount    Pidurutallagalla  (2540  m),    fand  ich  von  einer 
Art  Krummholz  von  knorrigen  Rhododendron-Bäumchen  bedeckt    Die  Vege- 
tation der  trockeneren  Ostabhänge  ist  mehr  xerophil,  im  Uebrigen  unbekannt. 
Der  Kamm  der  in  einem  höchsten  Gipfel  2690  m  erreichenden  Nilgiri- 
kette  trägt  ausser  dem  Krummholz  auch  alpine  Grasflur. 


Fig.  428.    Leucopogon  javanicus.    Gipfel  des  Widodaren, 
Java.     Nat.  Gr. 


III.   Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


769 


2.  Die  Regionen  im  tropischen  Afrika. 

Unter  den  afrikanischen  Hochgebirgen  ist,  dank  den  Untersuchungen 
Volkens',  der  Kilimandscharo  (6010  m)  in  Bezug  auf  seine 
Gliederung  in  Vegetationsstufen  und  auf  den  Charakter  der  letzteren, 
bei  weitem  am  besten  bekannt. 

Die  basale  Region  und  der  tropische  Theil  der  montanen  sind  von 
relativ  niedrigem ,  anschei- 
nend    tropophilem      oder 
xerophilem  Walde  bedeckt. 

Der  temperirte  Theil 
der  montanen  Region 
( 1 800  bezw.  1 900  m  bis  2600 
bezw.  3000  m)  ist  viel  feuch- 
ter und  grossentheils  von  ty- 
pischem temperirtem  Re- 
genwalde bedeckt,  wie  aus 
folgender  Schilderung  Vol- 
kens'  hervorgeht: 

„Specifisch  tropisch  kön- 
nen wir  ihn  (den  Wald)  nicht 
nennen.  Dazu  fehlen  die 
Palmen,  die  Lianen  vor 
Allem.  Nur  eine  einzige  der 
letzteren  ist  mir  vorgekom- 
men, die  bis  in  die  höchsten 
Bäume  klettert  und  aus  deren 
Wipfeln  bis  armdicke  Stämme, 
Tauen  gleich,  herniedersendet, 
und  diese  ist  ein  Vertreter 
der  Gattung,  zu  der  unsere 
heimische  nordische  Wald- 
rebe gehört,  die  Clematis 
simensis.  Noch  andere  Lianen 
kommen  ja  vor,  aber  es  sind 
in  der  Mehrzahl  krautig  blei- 
bende Cissus- Arten  und  Con- 
volvulaceen,  die  nur  das 
Unterholz  durchwinden.  Am 
höchsten  klimmt  noch  die 
Begonia  Meyeri  Johannis  empor,  die  prächtigste  Schmuckpflanze  des  ganzen 
Waldes,  denn,  wenn  sie  blüht,  ist  das  sonst  einförmige  Grün  von  Millionen 
weissen,  in  der  Mitte  gelben  Tupfen  durchsetzt,  die  oft  dicht  zusammen- 
gedrängt und  dann  einem  schneeigen  Laken  vergleichbar  von  oben  über 
tiefer  stehendes  Gesträuch  herabfallen." 

Schimper,  Pflantengeographie.  49 


Fig.  429.  Gnaphalium  involucratum  vom  Ardjuno  Qava). 
/  Aus  der  montanen  Casuarina- Region  (ca.  2000  m). 
2  Aus  der  alpinen  Region  (ca.  3300  m).     2/8  nat  Gr. 


770 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


„Der  ganze  Wald  ruft  in  uns,  wie  schon  von  Höhnel  hervorhebt,  das 
Gefühl  des  Gedrückten  und  Altersschwachen  hervor.  Schlank  aufstrebende, 
bis  weit  hinauf  astfreie  Bäume,  die  eine  Höhe  von  mehr  als  18  oder  20  m 
erreichen,  fehlen  am  Südabhange  des  Kilimandscharo  so  gut  wie  ganz,  am 
Nordabhange  sind  sie  allein  durch  den  bereits  früher  erwähnten  Wachholder, 
Juniperus  procera,  vertreten.  Wir  sehen  dafür  vereinzelte  Stämme,  welche 
die  Stärke  unserer  dicksten  Eichen  erreichen,  meist  zu  Schefflera  Volkensii, 
Agauria   salicifolia   oder  Pasiodendron  usambarense   gehörig,   die   aber  schon 

von  Mannshöhe  an  sich  zu  ver- 
zweigen beginnen,  so  dass  eine 
geschlossene,  kugelige  oder  pyra- 
midale Laubkrone  entsteht  Da- 
zwischen vertheilen  sich  solche 
massigeren  Umfanges,  mannsdicke 
oder  schenkelstarke,  die  mehr  zum 
Lichte  streben,  sich  zwar  auch 
schon  in  geringer  Höhe  über  dem 
Boden  verästeln,  aber  eine  grössere 
horizontale  Ausbreitung  der  Krone 
erst  gegen  den  Gipfel  hin  erfahren. 
Macaranga  kilimandscharica,  Mela- 
nodiscus  oblongus,  Hex  mitis,  Dom- 
beya  leucoderma,  Hagenia  abyssi- 
nica  gehören  hierher.  Alle  haben, 
die  milchsaftreiche  Voacanga  dicho- 
toma  ausgenommen,  nur  Blätter 
von  mittlerer  Grösse  wie  unsere 
Laubbäume  und  stehen  nicht  so 
dicht,  dass  sie  schon  allein  den 
Durchblick  auf  weitere  Ferne  ver- 
hindern würden;  dies  geschieht  nur, 
weil  unter  ihnen  eine  zweite  nie- 
drigere StafFel  von  Holzpflanzen  zur 
Entwickelung  gelangt  Theils  sind 
das  die  jüngeren  Exemplare  jener 
ersten,  die  sich  vielfach,  ganz  im 
Gegensatz  zu  ihrer  späteren  Erschei- 
nung, durch  ruthenförmigen,  an  Brombeerschosse  erinnernden  Wuchs  auszeichnen, 
theils  sind  es  besondere,  den  Schatten  ertragende  Arten,  die  5 — 10  m  er- 
reichen und  entweder  von  Grund  auf  oder  nach  Ausbildung  eines  armstarken 
und  mannshohen  Stammes  lockere,  wagerecht  ausspreizende  Seitenzweige 
treiben.  Galiniera  coffeoides,  die  von  Bülow  wohl  für  eine  wilde  Kaffeeart 
gehalten  hat,  Grumilea  platyphylla  und  exserta,  Urophyllum  Holstii,  Lasianthus 
kilimandscharicus,  Halleria  abyssinica,  Clausena  inaequalis,  Olinia  und  Peddiea 
Volkensii,  Cassine  aethiopica  sind  Beispiele.  Auffallige  Bestandteile  dieser 
zweiten,  niederen  Staffel  geben  auch  einige  Pflanzen  ab,  deren  Stamm  nicht 
eigentlich   verholzt,   so    die   durch    ihren   gabelig   sich  ausgliedernden  Wuchs 


Fig.  43°-     Alchemilla    villosa.      Alpine    Form. 
Gipfel    des    Widodaren,    3330    m,    Ost -Java. 

*/fl  nat  Gr. 


III.    Die  Höhenregionen  in  den  Tropen.  yy\ 

und  Schopf blätter  gekennzeichnete  Dracaena  usambarensis  und  die  Baumfarne 
Cyathea  Manniana   und  Aspidium  Kiboschense.     Letztere  sind  indessen,   wie 


Fig.  431.     Pandanenwald  auf  dem  Gipfel  des  Lokon  (1560  m),  Nord  -  Celebes.     Nach  einer 
Photographie  von  Herrn  Prof.  Kükenthal. 

ich  früher  mitttieilte,  nur  dem  Westen  eigen,  von  Kilema  ab,  und  auch  mehr 
auf  den  Rand  der  Bachläufe,  überhaupt  feuchtere  Stellen,  beschränkt." 

49* 


772 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


„Eine  dritte,    ein   bis   drei  Meter   hohe  Staffel   bilden   krautige  Stauden, 
Piper  capense,  Euphorbia  Engleri,  Pycnostachys  Volkensii  und  Meyeri,  Fleurya 


Fig-  432.    Gipfelflora  des  Kinabalu  aufBorneo,   12000 — 13000  Fuss.    A  Symplocos  buxifolia 

Hk.  f.   (Styracaceae).     B  Drapetes  ericoides  Hk.    f.   (Thymelaeac).     C  Coprosma   Hookeri 

Stapf.     Nat.  Gr.     Nach  der  Natur  von  M.  Smith  gez. 


monticola,  Claoxylon  Volkensii,  Pavonia  kilimandscharica  und  schimperiana. 
Die  stattlichste  aller,  wenn  auch  nicht  besonders  häufig,  ist  Lobelia  Volkensii, 
ein  Gewächs  einer  kleinen  Palme  gleich,  aus  deren  endständiger  Rosette  arm- 


m.   Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


773 


lang  herabhängender  Blätter  sich  ein  ährenförmiger ,  bis  zwei  Meter  langer 
Blüthenstand  erhebt.  —  Den  Boden  endlich  bedeckt  ein  dichter  grüner  Teppich 
von    Selaginellen ,   Farnen ,    Carex  -  Arten ,    Gräsern   und   Kräutern.      Prächtig 


Fig.  433.    Aus  der  Region  des  temperirten  Regenwaldes  auf  Ceylon :  Calophyllum  eugenioides. 

Nach  einer  Photographie. 


blühende  befinden  sich  unter  diesen,  so  namentlich  eine  ganze  Reihe  von  Bal- 
saminen, Acanthaceen  und  Labiaten,  in  den  verschiedensten  Formen  prangend, 
ein  Veilchen,  die  Viola  abyssinica,  auch  Knollen-  und  Zwiebelpflanzen,  wie 
Haemanthus  eurysiphon  und  Erd-Orchideen." 


774 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


„Das  Eigentümliche  des  Waldes    ist  nach    dem  Geschilderten,    dass   er 
vom  Boden  an  aus  einer  compacten  Blätterfiille  besteht,  die  nicht  nur  jeden 


3 

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8. 

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weiteren  Durchblick  und  Auf  blick  verwehrt,    sondern  auch  alle  Achsentheile, 
die  Zweige  und  Stämme   fast   vollständig  verdeckt.     Wir   sehen  Blätter   unter 


*/[  *  */y£rt^&£&dL£+r 


Fig.  435.  Alpine  Flora  des  Kilimandscharo :   /  Helichrysum  Lentii,  ,/a  nat.  Gr.    2  Blüthenstand, 
nat.  Gr.     (Herb.  reg.  Berol.  Leg.  Volkens.) 


776 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


uns,  neben  uns,  über  uns,  wo  wir  hinschauen,  während  in  allen  heimischen 
Wäldern  doch  neben  dem  Grün  des  Laubes  auch  die  braunen,  grauen  und 
schwarzen  Töne  der  Stämme  und  Aeste  ihre  Rolle  spielen.  Der  ganze  Raum, 
den  der  Wald  einnimmt,  ist  ausgefüllt  von  in  einander  geschobenem,  jahraus 
jahrein  gleichmässig  beblättertem  Zweigwerk.  Dazu  kommt  noch  eine  weitere 
Besonderheit,  welche  alle  Reisenden  tibereinstimmend  hervorheben  und  die 
darum  wohl  als   die   auffallendste  Erscheinung   gelten   kann.     Ich   meine    die 

dicke  Bedeckung  fast  aller  Holzpflanzen  mit 
kryptogamischen  Schmarotzern.  In  bis  meter- 
langen Schleiern  sehen  wir  sie  herabhängen, 
da  als  kugelige,  kopfgrosse,  Vogelnestern 
ähnliche  Ballen  den  Zweigspitzen  aufsitzen, 
da  wie  eine  bauschige  Hose  jüngere  auf- 
rechte Aeste  oder  stärkere,  horizontal  ge- 
richtete wie  eine  polsterartige  Masse  über- 
ziehen, die,  um  ein  Bild  von  Holst  zu 
gebrauchen,  nach  beiden  Seiten  überzulaufen 
droht.  Flechten,  Moose  und  Hymenophyl- 
laceen  sind  es  vor  Allem,  die  ersteren  mehr 
in  der  Höhe,  wo  Sonnenlicht  sie  trifft,  die 
anderen  unten  im  Schatten  der  Baumkronen. 
Bleich,  fast  weiss  erscheinen  die  Flechten, 
die  vom  Winde  hin-  und  hergewehten, 
herabwallenden  Fahnen  der  Usnea  barbata 
und  das  kugelige  Haufwerk  der  Anaptychia 
leucomelaena ,  grün,  in  allen  Abstufungen 
vom  dunkelsten  zum  hellsten,  die  Moose, 
die  strähnenartig  niederhängende  Pilotrichella 
imbricatula  und  die  schwellenden  Polster 
von  Hypnum  involvens,  Dicranum  Stuhl- 
mann i,  Neckera  Hoehneliana  und  platyantha. 
An  der  Basis  der  Baumstämme,  namentlich 
aller  dickeren  und  oft  bis  zur  Höhe  von 
zehn  und  mehr  Metern  hinauf,  gesellen  sich 
zu  den  erwähnten  Kryptogamen  auch  höhere 
Pflanzen,  Farne,  Bärlappe,  vereinzelte  Orchi- 
deen, Peperomien,  Streptocarpus  montanus 
und  andere  meist  in  solcher  Fülle,  dass  von 
der  als  Unterlage  dienenden  Rinde  auch  kein  Fleckchen  hervorleuchtet" 
(1.  c.  S.  298—302.) 

Die  alpine  Region  (2600  bezw.  3000  m  bis  zum  Gipfel)  ist  in 
ihrem  unteren  Theile  von  einer  Steppenformation  bedeckt,  welche 
Volkens  folgendermaassen  schildert: 

„Von  weitem  und  oben  betrachtet  scheint  es  eine  geschlossene 
Grasnarbe  zu  sein,  aber  schon  beim  Darüberhinwegschreiten  fühlt  man,  dass 
dies  nicht  der  Fall  ist.     Die  Grasbüsche  sind  isolirt,  dicht  zusammengedrängt 


Fig.  436.    Aus  der  alpinen  Flora  des 

Kilimandjaro.     Protea   Kilimandscha- 

rica  Engl.    1/t  nat.  Gr.    Leg.  Volkens. 

Kgl.  Herb.  Berlin. 


Fig.  437.    Alpine  Sträucher  des  Kilimandscharo.    /  Euryops  dacrydioides  Oliv.,  nat.  Grösse. 
2  Ganze  Pflanze  verkl.    g — 4  Ericinella  Mannii   Hook.  fiX    5  Dieselbe  verkl.     Herb.  reg. 

Berol.  Volkens  leg. 


778  Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 

freilich  zunächst,  zwischen  ihnen  bleibt  indessen  doch  immer  noch  so  viel 
Raum,  um  beim  Gehen  den  Fuss  umknicken  zu  lassen.  Sehen  wir  uns  die 
Grasbtische  näher  an.  Es  sind  faust-  bis  tellergrosse  Polster,  aus  denen 
senkrechte  oder  im  Bogen  nach  unten  zurückfallende  Blätter  und  darüber 
sich  erhebende  kniehohe,  seltener  bis  brusthohe,  im  Winde  sich  wiegende 
Halme  emporschiessen.  Die  meisten  sind  echte  Gräser,  das  bei  weitem 
häufigste,  oft  auf  weite  Strecken  fast  allein  herrschende,  ist  Eragrostis  olivacea ; 
einzeln  oder  gewöhnlich  in  kleineren  und  grösseren  Inseln  eingesprengt  finden 
sich  Koeleria  cristata,  Trisetaria  quinqueseta,  Setaria  aurea,  Andropogon 
exotheca,  Festuca  abyssinica  und  Deschampsia  caespitosa.  Daneben  aber 
vermissen  wir  auch  Cyperaceen  nicht,  denn  überall,  streckenweise  mehr  oder 
weniger  hervortretend,  ragen  zwischen  den  Rispen  der  Gräser  auch  die 
kugeligen  Bltithenstände  von  Fimbristylis  atrosanguinea ,  Cyperus  Kersteni 
und  Ficinia  gracilis  empor.  Was  aber  ist  zwischen  den  Grasbtischen,  in  dem 
Maschenwerk,  das  sie  allseitig  umspinnt,  einem  mäandrisch  verschlungenen, 
aus  Rillen  gebildeten  Flusssystem  gleich,  über  das  sich  ihre  Blätter  schatten- 
spendend hinwegneigen?  In  der  Trockenzeit  nackter  Boden  oder  ein  Filz 
von  Moosen  und  Flechten,  während  und  kurz  nach  den  Regenzeiten  ein 
Heer  von  Blüthenpflanzen ,  die  jetzt  im  Bunde  mit  den  Gräsern  die  Fläche 
in  den  schwellenden  Teppich  einer  Alpenmatte  verwandeln.  Zuerst  kommen 
wie  überall  die  Zwiebeln  und  Knollen,  die  Monocotylen  im  Allgemeinen, 
Hypoxis  angustifolia,  unseren  Gelbsternen  ähnlich,  die  violette  Romulea  cam- 
panuloides,  die  fleischrothe  Hesperantha  Volkensii  und  Dierama  pendula,  das 
Knabenkraut  Disa  polygonoides ,  die  blaue,  einer  Scilla  vergleichbare  Aristea 
alata  und  die  winzige,  im  Anfang  nur  aus  zwei  fleischigen,  kreisrunden,  flach 
auf  dem  Boden  liegenden  Blättern  bestehende  Holothryx  pleistodactyla.  Später, 
oder  auch  mit  ihnen,  treten  dann  die  dicotylen  Kräuter  auf,  Swertia  pumila 
und  Sebaea  brachyphylla ,  die  Gentianen  unserer  Hochgebirge  vertretend, 
eine  niedliche  Glockenblume,  Wahlenbergia  Oliveri,  Lathyrus  kilimandscharicus, 
Cerastium  vulgatum,  Lightfootia  arabidifolia,  Bartsia  abyssinica  und  die  Com- 
positen,  die  an  Habichtskräuter  erinnernde  Tolpis  abyssinica  und  Conyza 
subscaposa.  Die  schönste  von  allen  aber  ist  Helichrysum  Meyeri  Johannts 
(Fig.  435  d.  verw.  H.  Lentii),  denn  zu  Tausenden,  so  dass  man  sie  mähen 
könnte,  recken  sich  im  August  und  September  die  silberig -purpurnen  Blüthen- 
köpfe  dieser  Immortelle  über  die  Grasbüsche  hinaus  und  streuen  über  deren 
helles  Grün  wie  Schneeflocken  schimmernde  Sterne."     (S.  311 — 312.) 

Die  wenigen  auf  der  alpinen  Savanne  des  Kilimandscharo  vereinzelt 
wachsenden  Bäume  werden  nur  5 — 8  m  hoch;  sie  haben  unregelmässigen 
Wuchs  und  sind  meist  von  den  Herbststürmen  nach  Südwesten  geneigt  Viele 
von  ihnen  sind  abgestorben.  Ihre  Aeste  sind  von  Flechten,  namentlich  Usnea 
barbata,  über  und  über  behängt.  Sie  gehören  nur  wenigen  Arten  an :  Agauria 
salicifolia,  Erica  arborea,  Ericinella  Mannii,  im  Norden  auch  Gnidia  Volkensii. 
Zuweilen  schliesst  die  Erica  zu  kleinen  Hainen  zusammen,  in  deren  Schatten 
eine  hygrophile  Vegetation  sich  entwickelt. 

Mit  wachsender  Höhe  werden  die  Grasbüschel  spärlicher.  Dafür  tritt 
auf  den  von  grossen  Blöcken  besäten  Lava-  und  Schutthalden  eine  lockere, 
verkrüppelte  Gesträuchformation,   welche  Volkens   nach    der   vorherrschenden 


III.    Die  Höhenregionen  in  den  Tropen.  JJQ 

Art,  Ericinella  Manni  (Fig  437,  3,  4),  Ericinella-Formation  nennt.  Bei  3600  m  tritt 
ein  neuer  Strauch  hinzu,  der  allmählich  vorherrschend  wird  und  sich  über  4000  m 
erhebt,  Euryops  dacrydioides  (Fig.  437,  1,  2).  Mehr  und  mehr  wird  der  Charakter 
wüstenartig :  „Längst  hat  die  Vegetation  aufgehört  auch  nur  fleckenweise  im  Zu- 
sammenhang zu  sein.  Von  4200  m  an  gehören  oft  schon  ein  oder  mehrere 
Schritte  dazu,  um  uns  von  einem  einzelnen  kaum  handhohen  Grasbüschel  zu  an- 
deren blüthenerzeugenden  Vertretern  des  Gewächsreiches  zu  bringen,  denn 
wie  winzige  Tupfen  nur  sind  sie  über  die  steinigen  oder  sandigen  Flächen 
gebreitet  Bei  4500  m  endlich  haben  wir  auch  die  letzten  Vorposten  erreicht, 
alle  vereinzelt,  im  Schutze  von  Steinen  kleine  Polster  bildend.  Es  sind  zwei 
Gräser  noch,  Koeleria  cristata  und  Danthonia  trisetoides,  sechs  Körbchen- 
blüthler  Helichrysum  Nervii  und  fruticosum,  Senecio  Telekii  und  Meyeri 
Johannis,  Dianthoseris  Schimperi,  Carduus  leptacanthus  und  ein  Kreuzblüthler, 
die  Arabis  albida.  Darüber  hinaus  herrschen,  soweit  trockene  Stellen  in 
Frage  kommen,  nur  noch  Flechten  und  Moose."     (S.  315 — 316.) 

Diese  Wüste  ist  nicht  ohne  Oasen,  kleine  Mulden,  in  welchen  sich 
Regen-  bezw.  Schneeschmelzwasser  ansammelt  und  die  von  geschlossener  Ve- 
getationsdecke (Cyperaceen,  Subularia  monticola,  Eriocaulon  Volkensii,  Crassula 
Vaillantii  etc.)  bedeckt  sind.  Die  letzte  Oase  dieser  Art  wurde  von  Volkens 
bei  4500  m  gesehen,  nach  Hans  Meyer  durften  diese  Bildungen  noch  über 
5000  m  auftreten. 

Die  Schluchten  bewahren  länger  eine  etwas  tippigere  Vegetation.  Die 
letzten  krüppeligen  Erica -Bäume  verschwinden  in  denselben  bei  2900  m, 
dafür  tritt  ein  neues  Charaktergewächs  von  ganz  eigenartigem  Habitus  auf, 
der  baumartige  Senecio  Johnstonii  mit  schwammigem,  einfachem  oder  gabeligem 
Stamm,  dessen  Gipfel  eine  Rosette  armlanger  Blätter  und  einen  meterhohen 
dichten  Blüthenstand  trägt.     (Fig.  434.) 

Am  wenigsten  trägt  in  dieser  Region  Senecio  Johnstonii  die  alpine  Tracht. 
Bemerkenswerth  ist  aber,  dass  habituell  ähnliche  Gewächse  noch  anderwärts 
das  tropische  Hochgebirge  bewohnen.  Denn  ähnlich  sind  namentlich  die 
Vellozien  Brasilien's,  einigermaassen  auch  die  Espeletia- Arten  der  Cordilleren 
Venezuela^,  über  welche  im  Folgenden  Näheres  mitgetheilt  ist.  Im  Uebrigen 
ist  das  Gepräge  des  alpinen  Klima  in  deutlichster  Weise  der  Vegetation  auf- 
geprägt, namentlich  im  oberen  Theile  der  Region,  mit  seinen  Zwergpflanzen. 
Schutzmittel  gegen  Transpiration  sind  überall  stark  entwickelt,  namentlich  ist 
ein  dichter  Ueberzug  von  Wollhaaren  häufig. 


3.  Die  Regionen  im  tropischen  Amerika. 

Die  äquatoriale  Cordillere  in  Neu-Granada,  Ecuador  und  Ve- 
nezuela befindet  sich  mit  ihrer  basalen  und  montanen  Region  in  sehr  feuchtem 
Klima,  so  dass  beide  mit  Regenwald,  erstere  mit  tropischem,  letztere  mit 
temperirtem  überzogen  sind.  Der  temperirte  Regenwald  ist  die  Heimath  der 
meisten  Cinchonen.  Die  alpine  Region  setzt  mit  Krummholz  und  Gesträuch 
ein,  besteht  aber,  bis  zum  ewigen  Schnee,  wesentlich  aus  Steppen,  Paramos 
genannt,    die   bald   baumlos  sind,   bald   vereinzelte   knorrige  Zwergbäumchen 


78o 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


(Polylepis  lanuginosa  H.  B.  Kth.  am  Chimborazo)  tragen.  Weiter  südlich,  in 
Peru  und  Bolivien,  sind  die  Wälder  auf  die  regenreichen  östlichen  Abhänge 
beschränkt,  während  die  westlichen  von  WTüsten  und  Halbwüsten  bedeckt  sind. 
Die  hier  sehr  ausgedehnte  alpine  Region,  die  Puna,  hat  in  ihrer  ganzen  Aus- 
dehnung Wüstencharakter  (Fig.  438). 

Zwischen  schmalblätterigen  Gräsern  und  niedrigen  Stauden  erheben  sich 
auf  der  Paramo-Steppe  höchst  eigenartige  Compositen  von  stattlichem 
Wuchs,  welche  von  den  Eingeborenen  den  gemeinsamen  Namen  „Frailejon" 
erhalten  haben,   obwohl  sie  zu  zwei  Gattungen,  Espeletia  und  Culcitium  und 

zahlreichen  Arten  gehören.  Ihre 
armlangen ,  schwertförmigen  dicht 
behaarten  Blätter  bilden  Rosetten, 
die  bald  dem  Boden  angedrückt 
sind,  bald  einen  massiven,  von 
abgestorbenen  Blattbasen  gepanzer- 
ten Stamm  krönen. 

Beim  Uebergang  der  von 
häufigen  Regen  und  Nebeln  be- 
netzten Paramos  zu  den  trockenen 
P  u  n  a  s  verschwinden  derartige  hohe 
Gewächse  gänzlich.  Die  Landschaft 
wird  vorwiegend  von  einem  Grase, 
Stipa  Jehu,  beherrscht:  „Diese 
Grasbüschel  bilden  den  eigenthüm- 
lichen  Vegetationscharakter  des 
peru-bolivianischen  Plateaus.  Sie 
kommen  unter  11 — 12000  Fuss 
ü.  M.  nur  selten  vor,  messen  1 2  bis 
18  Zoll  im  Durchmesser,  sind 
meistens  kreisrund,  selten  länglich, 
steif,  dürr,  bürstenförmig  und  fast 
immer  in  der  Richtung  des  herr- 
schenden Windes,  versandet,  so 
dass  nur  ein  Segment  des  Kreises 
vegetirt,  und  da  auch  dieses  den 
grössten  Theil  des  Jahres  gelbgrau 
oder  schwärzlich  wie  abgebrannt 
aussieht,  so  vermögen  sie  nicht,  in  dem  monotonen  Wüstensande  eine  wohl- 
thuende  Abwechselung  hervorzubringen."     (Tschudi.) 

Die  alpine  Wüste  der  Punas  ernährt  jedoch  ausserdem,  namentlich  auf 
ihren  Steinfeldern ,  zahlreiche  Zwergsträucher ,  die  vorwiegend  zu  den  Com- 
positen gehören  und  natürlich  ausgesprochen  xerophil  gebaut  sind  (Fig.  4061. 
Rosettenpflanzen  von  typischer  alpiner  Tracht  (Fig.  408,  409,  412,  440), 
namentlich  aber  Polsterpflanzen  sind  in  grosser  Mannigfaltigkeit  vorhanden. 
Letztere  werden  oft  über  50  cm  hoch,  wie  die  Arten  der  Umbelliferengattung 
Azorella  (Fig.  441).   Auch  Verbenen  und  sogar  Cacteen  bilden  mächtige  Polster, 


Fig.  439.    Loricaria  ferruginea  Wedd.  (Composit.). 

Im  Niveau   des   ewigen   Schnees,   Neu -Granada 

und  Ecuador.     Nach  Weddell. 


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III.   Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


781 


während   am   ewigen   Schnee   kleine   Polster   und   sonstige   Zwergformen    von 
streng  alpinem  Habitus  zur  Alleinherrschaft  gelangen  (Fig.  408). 

Tschudi  entwirft  vom  Klima  der  Puna  in  Peru  folgende  Schilderung: 


Fig.  440.    Alpine  Rosettenpflanzen  der  Paramos  und  Pirnas.     /  Carmelita  formosa  (Composit.) 

Chile.    3200  m.    2  Eryngium  humile.   Neu -Granada  bis  Ecuador.    2900 — 3700  m.  3  Calycera 

eryngioides.     Chile.     Alle  nat.  Gr.     Nach  Weddell. 


„Kalte  West-  und  Südwestwinde  streichen  fast  das  ganze  Jahr  von  der 
beeisten  Cordillere  über  die  Fläche  und  bringen  mit  der  Regelmässigkeit, 
wie  dort,  während  vier  Monaten  täglich  heftige  Gewitterstürme,    von  Schnee- 


782 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


gestöber  begleitet.  Der  Mittelstand  des  Thermometers  ist  annäherungsweise 
während  der  kalten  Jahreszeit,  dem  sogenannten  Sommer  (weil  es  selten  schneit) 
des  Nachts  —  50  R.,  des  Nachmittags  — |—  9,7  °  R.,  im  Winter  sinkt  die  Queck- 
silbersäule selten  unter  den  Gefrierpunkt  und  hält  sich  zwischen  -[" x  un^ 
o  °  R.,  steigt  aber  am  Mittag  nur  auf  7  °  R.  Es  Lst  übrigens  fast  unmöglich, 
die  mittleren  Temperaturen  dieser  Gegenden  anzugeben,  da  sich  oft  in  wenig«:» 
Stunden  ein  Wärmeunterschied  von  18  bis  20  °  R>  zeigt,  der  für  den  Wanderer 
auf  diesen  Höhen  um  so  empfindlicher  ist,  da  das  Sinken  der  Temperatv 
gewöhnlich  von  scharfen,  schneidenden  Winden  begleitet  ist." 

Der  Ost-  und  Westabhang  des  mächtigen  Hochlandes  von  Mexico  ge- 
hören der  basalen  und  der  montanen  Region  an.  Die  alpine  Region  zeigi 
sich  nur  an  den  Vulcanen,  z.  B.  dem  5420  m  hohen  Popocateped  (Fig.  44s)  und 

dem  5384  m  hoben  Orizabo, 
die  beide  auf  ihren  Gipfeln 
ewigen  Schnee  tragen. 

Die  basale  Region  ist 
nur  im  Süden  fChiapas)  von 
zusammenhängendem  tropi- 
schen Regenwald  bedeckt; 
weiter  nördlich  ist  der  letz- 
tere auf  feuchte  Schluchten 
(barrancas)  beschränkt,  wäh- 
rend xerophile  Gehötefor- 
mationen,  mit  Cactaceen 
baumförmigen  LUiaceen, 
dornigen  Acacien  u.  s-  *■, 
die  heissen  Abhänge  bc- 
herrschen  (Fig.  442  u,  443 \ 
Von  ca+  1000  m  an  beginn! 
die  niederschlagreiche  moo* 
tane  Region»  mit  üppige» 
Regen wäldernt  in  rei- 
chen immergrüne  Eichen  die 
vorherrschenden  Bäume  sind. 
Weiter  aufwärts  nimmt  der 
Wald,  entsprechend  der  in  dieser  Breite  schon  ausgesprochenen  Winterkalte 
den  Charakter  des  temperirten  Sommerwaldes  an;  die  Eichen  sind 
gegen  Ende  des  Winters  ganz  unbelaubt.  Von  2000  m  an  treten  Coniferen 
auf  und  der  oberste  Waldgürtel  ist  ein  Nadelwald  mit  eingesprengten  sommer 
grünen  Laubbäumen,  wie  Eichen,  Erlen,  Linden.  Der  temperirt  -  mesoptiife 
Charakter  mit  Winterruhe  ist  hier  vollkommen  entwickelt  Entsprechend  der 
trocknenden  Winterkälte  fehlen  die  im  unteren  Theile  der  montanen  Region 
massenhaft  auftretenden  Epiphyten  (Fig.  444). 

Am  Pic  von  Orizaba  ragen  die  Erlen  noch  etwas  über  den  Coniferen- 
wald  hinaus.  Eigentliches  Krummholz  scheint  zu  fehlen;  seine  Stelle  wird 
einigermaassen  durch   die  krüppelhaften  Zwergbäume   von  Pinus  Montezumae 


Fig.  441.  Alpine  Andenflora  der  Puna:  Azorella  diapen- 
sioides,  sehr  häufig  in  Peru  und  Bolivia.  /  Habitus,  sehr 
verkleinert  2  Ein  blühender  Ast  Nat  Gr.   Nach  Weddell. 


III.    Die  Höhenregionen  in  den  Tropen. 


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Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


vertreten.     Steppe  und  Gesträuch  nehmen   den   unteren,    Wüste   den    oberen 
Gürtel  der  alpinen  Region  ein. 

Das  Küstengebirge  Brasiliens  erreicht  in  seiner  höchsten  Erhebung, 
dem  Itatiaia,  nur  2712  m  ü.  M.  Nichtsdestoweniger  zeigt  dasselbe  eine 
reiche   regionale  Gliederung,    die    ich    auf  der  unweit  vom   Itatiaia   sich  er- 


Fig.  446.  Aus  der  Flora  der  alpinen  Savanne  der  Serra  do  Picü,  Brasilien.    /  Baccharis  aphylla. 


hebenden  Serra  do  Picü  kennen  lernte.  Auf  den  typischen  tropischen 
Regenwald  der  basalen  Region  folgt  in  der  montanen  Region  der  temperirte 
Regenwald.  Letzterer  besitzt  nur  wenige,  dünnstämmige  Lianen  und  ist  sehr 
arm  an  Epiphyten;  auch  die  Moose  treten  nicht  massenhaft  auf.  Der  obere 
Gürtel   der   montanen   Region    ist   von    einem   beinahe    reinen   Bestand   von 


Fig.  443.    Mexico:  Basale  Region  des  Ostabhangs  des  Orizaba,  hinten  St.  Maria.    Pincenectetia  sp. 
(Liliaceae).     Nach  einer  Photographie  des  Herrn  Dr.  G.  Karsten. 


Fig.  444.    Platanenast  mit  Epiphyten  bei  Orizaba  (Mexico).    Montane  Region  (temper.  Regenwald). 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Prof.  Dr.  E.  Stahl. 


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Auswahl  der  Literatur.  785 

Araucaria  brasiliensis  eingenommen.  Der  Gipfel  ist  von  einer  Savannen- 
formation bedeckt,  welche  sowohl  systematisch  wie  ökologisch  mit  den  Campos 
des  Inneren  von  Minas  geraes  nahe  überstimmt,  und  als  „Campo  elevado" 
bezeichnet  wird.  Neben  den  Gräsern  herrschen  hier  blattlose  und  klein- 
blätterige Compositen  vor  (Fig.  446),  Melastomataceen  mit  kleinen  harten 
Blättern  und  eine  wollig  behaarte  Malpighiacee  (Banisteria  campestris)  zeigen 
sich  allenthalben,  stellenweise  von  einem  knorrigen  lederblätterigen  Bäumchen 
(Eugenia  sp.)  begleitet.  Eine  andere  Myrtacee,  ein  Psidium  mit  sehr  aroma- 
tischer Frucht  („Goyaba  dos  campos")  ist  als  Zwergstrauch  entwickelt  und  nicht 
grösser  als  die  umgebenden  Stauden  und  Halbsträucher.  Im  Gegensatz  zur 
montanen  Region  war  hier  zur  Zeit  meines  Besuchs  (December)  Alles  in 
voller  Bltithe.  Sämmtliche  Gewächse  dieser  Gipfelflora  besitzen  ausgeprägte 
xerophile  Structur,  im  Uebrigen  aber,  entsprechend  der  massigen  Erhebung, 
nur  Andeutungen  der  alpinen  Tracht. 

Die  alpine  Camposvegetation  der  Gebirge  des  Innern  Brasiliens  ist  stellen- 
weise durch  den  Besitz  von  Vellozia -Arten  ausgezeichnet,  massiven,  bis  2  m 
hohen  Liliaceen,  welche  physiognomisch  den  „Frailejon"  der  Paramos  ver- 
treten. Wie  letztere  besitzen  die  Vellozien  dicke,  einfache  oder  gabelig  ver- 
zweigte Stämme,  die  von  abgestorbenen  Blattbasen  beschuppt  sind  und  Rosetten 
langer  derber  Blätter.  Prächtige  grosse  Blüthen  machen  diese  Gewächse, 
trotz  ihrer  schwerfälligen  Tracht,  zu  den  grössten  Zierden  der  brasilischen 
Gebirgsflora. 


Auswahl  der  Literatur. 

Engler,  A.     Ueber  die  Hochgebirgsflora   des   tropischen  Afrika.     Abhandl. 

der  Königl.   preuss.  Akademie    der  Wissenschaften   zu  Berlin   vom  Jahre 

1891. 
Goebel,  K.   Die  Vegetation  der  venezolanischen  Paramos.  Pflanzenbiologische 

Schilderungen.     Thl.  IL     1891. 
Junghuhn,  Fr.     Java,   Pflanzendecke   und    innere  Bauart     Uebersetzt  von 

Hasskarl.     Bd.  I.     1852. 
Kurz,  S.     Preliminary  report   on   the   forest   and    other  Vegetation  of  Pegu. 

Calcutta  1875. 
Liebmann,  Fr.     Eine  pflanzengeographische  Schilderung   des  Vulcans  Ori- 

zaba.     Botanische  Zeitung  1844. 
Mey'en.     Pflanzengeographie.     1836. 

Seh  im  per,   A.    F.    W.     Die    Gebirgswälder    Java's.      Forstlich  -  naturwissen- 
schaftliche Zeitschrift.     II.  Jahrg.     1893. 
Schwacke,   W.      Ein   Ausflug   nach    der   Serra   de    Caparaö   (Staat   Minas. 

Brasilien).     Engler's  Jahrb.     Bd.  XII.     Beiblatt  28. 
Sievers,  W.     Venezuela  1888.     S.  128 — 170. 
Stapf,  O.     On  the  flora  of  Mount  Kina  balu  in  North  Borneo.    The  Trans- 

actions  of  the  Linnean  Society.     Vol.  IX,     1894. 
Volkens,  G.    Klima  und  Vegetation  des  Kilimandscharo.    S.  A.  aus  Volkens, 

Der  Kilimandscharo.     Berlin  1897. 


Schimper,  Pflansengeographie.  50 


IV.  Die  Höhenregionen  in  den  temperirten 

Zonen. 

1.   Begionen   in   den   tropenahnlichen  warm  temperirten  Gebieten.     §  i. 

Central-Asien.  Himalaya.  Regenwälder  in  Sikkim,  Sommerwald  im  westlichen  Himalaya. 
Pamir.  Tibet.  Regionen  im  Nan-Schan-  Gebirge  nach  Prschewalski.  Alpine  Wiesen. 
Geröllwüste.  Kwenlun -Wälder  am  Dschachar.  Das  tibetanische  Plateau.  —  §  2.  Neu- 
seeland. Montane  Region:  Xerophile  Gehölze.  Buchenwald.  Vegetation  trockener 
Triften.  Alpine  Region:  Krummholz.  Alpine  Steinwüste.  Polsterpflanzen.  —  §3.  Afrika: 
Natal.  Regionen  nach  Thode.  —  §  4.  Süd-Amerika.  Argentinische  Cordillere.  Sfid- 
Chile.  2.  Begionen  in  den  Gebieten  mit  Winterregen.  §  1.  Mediterranländer. 
Libanon.  Atlas.  Sierra  Nevada.  Mt.  Ventoux.  Apennin.  Aetna.  Süd  -  macedonische 
Gebirge.  Athos.  Canaren.  Lorbeerwald  in  der  montanen  Region  der  Canaren.  —  §  2. 
Amerika.  Californien.  Chile.  3.  Begionen  in  den  kalttemperirten  Gürteln.  §  1. 
Die  Schweiz.  Wälder  der  basalen  und  montanen  Region.  Alpine  Region.  Krummholz. 
Rhododendron.  Gesträuch.  Alpine  Grasfluren.  Felsenflora.  Flora  und  Klima  des  Theodul- 
Pass.  —  §  2.  Tabellen.  Regionen  in  der  Tatra;  in  den  Pyrenäen;  im  Kaukasus;  im 
Tien-Schan;  am  Altai;  am  Ontake;  in  den  White  Mountains;  in  den  Rocky  mountains; 
im  Feuerland. 

Die  Regionen  der  Vegetation  zeigen  wesentliche  ökologische 
Unterschiede  in  den  kalten  und  in  den  warmen  Gürteln  der  temperirten 
Zonen  und  in  letzteren  wiederum  ungleichen  Charakter,  wenigstens  in 
den  unteren  Theilen,  je  nachdem  das  Klima  tropenähnlich  ist,  d.  h.  mit 
Sommerregen  bezw.  mit  Regen  zu  allen  Jahreszeiten  oder  durch 
sommerliche  Trockenheit  und  nasse  Winter  ein  eigenartiges  Gepräge 
besitzt. 


1.   Regionen  in  den  tropenähnlichen  warmtemperirten 

Gebieten. 

§  I.  Central-Asien.  In  tropenartigem,  regenreichem  Klima  erhebt 
sich  der  Südabhang  des  östlichen  Himalaya.  In  Sikkim  bedeckt 
Regenwald,  unten  von  noch  rein  tropischem,  oben  von  temperirtem 
Charakter   die  Berghänge   bis  7400  Fuss.     Dann   macht   sich    die-  Ent- 


IV.   Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


787 


fernung     vom    Wendekreise     geltend.      Der    oberste    Waldgürtel    ist 
tropophil;     während     des    Winters     verlieren     viele    Bäume     (Eichen, 


Fig.   447-     Aus   dem   temperirten   Regenwald   des    östlichen   Himalaya   (montane   Region 
ca.  8000  Fuss)  bei  Darjeeling.     Nach  einem  Aquarell  von  Lady  Brandis. 


Birken  etc.)  ihre  Blätter.     Auch    der   systematische  Charakter   ist   kalt- 
temperirt. 

50* 


788 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


Der  westliche  Theil  des  Himalaya1)  ist  gleichzeitig  nördlicher  als 
der  östliche  '  gelegen  und  zeigt  schon 'an  seiner  Basis,  wo  Shorea 
robusta,  der  Salbaum,  den  Wald  beherrscht,   die   erste  Andeutung  von 


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Winterruhe,    welche    natürlich    bergaufwärts   zunimmt.     Das   Klima   ist 
ausserdem   viel   trockener   als    im   OstenVund  .verleiht   der  Vegetation 


!)  Brandis  1.  c. 


IV.    Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


789 


einen    mehr  xerophilen   Charakter;    echte   Regenwälder    kommen   hier 
nicht  vor. 

Bei   ca.   900  m   wird    der    bisher    noch    tropische    Charakter    der 
Vegetation  warmtemperirt  und  zeigt  einige  Anklänge  an  das  mediterrane 


Fig.  449.     Wüstenvegetation  im  Alitschur-  Pamir.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Lieutenant  Kaznakoflf. 


Fig.  450.     Kudara  im  Thale  Kudara.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Lieutenant  Kaznakoflf. 


Hartlaubgebiet  (Rhus  cotinus,  Celtis  australis),  mehr  jedoch  an  die 
klimatisch  ähnlicheren  Gebiete  des  warmtemperirten  China  und  Japan 
(Rhus  succedaneä,  semialata,  Cornus  macrophylla  etc.).  Eine  grosse 
Rolle  als  Waldbäume  spielen  in  diesem  warmtemperirten  Gürtel  Pinus 
longifolia   und,   oberwärts,    eine    immergrüne   Eiche,    Quercus   incana. 


790 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


Bei  2100  m  nimmt  der  Wald  tropophilen  Charakter  an;  hier  herrschen 
kalttemperirte  Nadel-  und  Laubbäume  mit  ausgeprägter  Winterruhe. 
Unter    den    Nadelbäumen    ragen    Cedrus    Deodara,    Abies    Webbiana 


Fig.  451.     Pamir:  Thal  am  Kainde-Se.  Juniperus  sp.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Lieutenant  Kaznakoff. 

(Fig.  446)  und  die  auch  auf  den  Gebirgen  Macedonien's  vorkommende 
Pinus  excelsa  durch  hohen  Wuchs  und  Häufigkeit  hervor.  Die  Laub- 
bäume   sind    theils    immergrüne    Eichen   (Q.    semecarpifolia ,    dilatata), 


Fiß-  452-     Pamir:  Jagatch -  Kurgan.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Lieutenant  Kaznakoff. 


theils  verschiedenartige  sommergrüne  Bäume,  die  meistens  mit  euro- 
päischen und  asiatischen  übereinstimmen  (Prunus  padus,  Juglans 
regia,    Aesculus    indica,    Arten    von  Acer,    Ulmus,    Carpinus,    Alnus, 


IV.   Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


791 


Fraxinus,  Salix  etc.).  Betula  Bhojpattra  bildet  bei  3660  m  die  Baum- 
grenze. Da  die  Schneelinie  bei  3900  m  liegt,  so  ist  für  die  eigentliche 
alpine  Region   nur   wenig  Raum  vorhanden.     Hier   wachsen   strauchige 


Fig.  453-     Vegetation  am  See  Karakul.     Eurotia  sp.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Lieutenant  Kaznakoflf. 

Rhododendron  (Rh.  Anthopogon  und  lepidotum)  und  boreale  Stauden 
(Ranunculaceen  etc.).  Ueber  die  alpinen  Formationen  des  Himalaya 
ist  übrigens  nichts  bekannt. 


Fig.  454.     Pamir:  Fluss  Schach -Dara.     Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Lieutenant  Kaznakoflf. 


Im  Nordosten  grenzt  das  Himalaya -Gebirge  an  das  gewaltige 
Hochland  des  Pamir,  wo  es  mit  den  anderen  hohen  Gebirgen  Central- 
Asiens  zusammentrifft :  Karakorum,  Hindukusch,  Kuen-Lün  und  Tienschan. 


792 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


Das  Pamir  bildet  ein  ungefähr  rechteckiges,  ausser  im  Westen  im 
Durchschnitt  ca.  3800  m  hohes,  durchweg  über  der  Baumgrenze 
gelegenes  gebirgiges  Gebiet,  wo  die  höchsten  Gipfel  sich  zu  7000  m 
erheben.  Näher  sind  wir  über  die  Pflanzenformationen  nicht  unter- 
richtet. Unsere  Bilder  zeigen,  dass  die  einen  beträchtlichen  Theil 
des  Landes  bildenden  flachen  Thäler  Wüstencharakter  besitzen,  indem 
die  einzelnen  Pflanzen  durch  grosse  Zwischenräume  von  einander  ge- 
trennt wachsen ;  weite  Landschaften  besitzen  Steppencharakter.  Unsere 
Figur  454  zeigt  die  Ufer  des  Flusses  Schach -Dara,  eines  Nebenflusses 
des  Pändsch,  von  dichtem  Gebüsch  umsäumt.  Noch  üppiger  ist  die 
Vegetation  am  westlichen  Abfall  des  Hochlands,  im  Schugnan,  wo 
unterhalb  7000  m  der  Baumwuchs  auftritt  (Fig.  455). 


Fig.  455.    Schugnan,  Ufer  eines  unbenannten  kleinen  Flusses.    Nach  einer  Photographie 
des  Herrn  Lieutenant  Kaznakoff. 

Der  mittlere  und  südliche  Gürtel  des  Nan-Schan  *)  im  nordöstlichen 
Tibet  besteht,  nach  Prschewalslri,  aus  Löss,  Kiesel,  zuweilen  Granitkies 
und  trägt  an  seinen  unteren  Abhängen  Wüstencharakter  (Kalidium 
gracile,  Reaumuria  songarica,  R.  trigyna,  Lasiagrostis  splendens  etc.). 
Nur  die  Ränder  der  Bäche  tragen  dichtes  Gesträuch  (Hedysarum  multi- 
jugum,  Nitraria  Schoberi,  Comarum  Salessowii,  Caryopteris  mongolica, 
Hippophae  etc.)  mit  Gräsern  (Hordeum  pratense,  Triticum  strigosum  etc. ) 
und  Kräutern  (Potentilla  bifurca,  P.  dealbata,  Calimeris  alyssoides, 
Adenophora  Gmelini,  Rheum  spiciforme  var.  etc.). 

Bei  3300  m  fängt  die  alpine  Region  an,  in  welcher  drei  Stufen 
erkennbar  sind:  1)  die  Alpen  wiesen;  2)  die  Geröllwüste;  3)  der  ewige 
Schnee. 

»)  1.  c.  S.  68  u.  f. 


IV.    Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


793 


Die  Alpenwiesen  liegen  im  Allgemeinen  zwischen  3300  und  3900  m 
und  besitzen  eine  mannigfaltige  Vegetation  (Oxytropis  falcata,  kan- 
suensis,  strobilacea  u.  a. ,  Astragalus- Arten;  Gentiana  decumbens, 
prostrata,   tenella;    Ranunculus   affinis;   Potentilla   multifida,    fruticosa; 


Fig.  456.     Tibet:  Ein  Thal  im  Kuen-Lün- Gebirge.     Nach  Piertzow. 


Allium  strobilaceum ;  Pedicularis  labellata;  Polygonum  viviparum; 
Taraxacum  glabrum;  Carex  ustulata  etc.). 

In  der  Steinwüste,  welche  im  Allgemeinen  bei  3780  bis  41 10  m 
beginnt,  ist  die  Vegetation  äusserst  dürftig  (Saxifraga  sp.;  Saussurea 
sorocephala;  Pyrethrum  sp.;  Thylacospermum  sp.).  Diese  Steinwüste 
hört  bei  4400  m  auf,  wo  der  ewige  Schnee  beginnt. 

Die   Kuen-Lün -Gebirge  (Fig.  456)   besitzen,    nach   Prschewalski's 


794  Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 

Schilderungen  zu  urtheilen,  ähnlichen  Charakter  wie  der  etwas  weiter 
nördlich  gelegene  Nan-Schan.  Doch  ist  das  im  östlichen  Theile  des 
Kuen-Lün-Systems  gelegene  hohe  Dschachar  ^-Gebirge  vegetationsreicher. 
Hier  sind  die  Abhänge  bis  3000  m  von  Wald  bewachsen  (Abies 
Schrenkiana,  Betula  Bhojpattra,  Juniperus  Pseudo-Sabina ,  Populus 
tremula,  Sorbus  aucuparia).  Die  alpine  Region  (3450  bis  4500  m)  ist 
unterwärts  von  alpinem  Gesträuch  eingenommen  (Rhododendron  capi- 
tatum,  Rh.  Prschewalskii ,  Caragana  jubata,  Arten  von  Rubus,  Ribes, 
Salix,  Potentilla  fruticosa).  Dem  Gesträuch  folgt  nach  oben  die  alpine 
Wiese  (Arten  von  Astragalus,  Oxytropis,  verschiedene  Umbelliferen, 
Meconopsis  racemosa,  M.  quintuplinervia ,  Caltha  palustris,  Trollius 
pumilus,  Corydalis -Arten,  Iris  ensata,  Polygonum  viviparum,  Anemone 
micrantha,  Primula  farinosa,  Rheum  pumilum  etc.).  Die  obersten 
Pflanzen  haben  nur  2 — 5  cm  Höhe.  Auch  hier  folgt  auf  die  Wiesen 
nach  oben  die  alpine  Steinwüste. 

Noch  reicher  ist,  bei  übrigens  ähnlichem  Charakter,  die  Vegetation 
am  Tetung-Gol  (102  °  W.,  37  °  N.). 

Das  tibetanische  Plateau  ist  äusserst  dürftig  bewachsen.  Prschewalski, 
welcher  dasselbe  allerdings  nur  im  Herbst  und  Winter  kennen  lernte, 
fand  dasselbe  baumlos;  eine  15  cm  hohe  Hippophae  war  der  höchste 
Strauch,  während  die  übrigen  Sträucher  (Potentilla  sp.,  Reaumuria  sp.) 
auf  dem  Boden  krochen;  sandiger  Boden  trug  einigen  Graswuchs. 

§  2.  Neu- Seeland.  Aus  der  südlichen  Hemisphäre  mag  hier  die 
Gebirgsflora  Neu-Seelands  und  zwar  diejenige  der  trockenen  Osthälfte 
der  Süd-Insel,  an  der  Hand  der  von  Herrn  L.  Cockäyne  hergestellten 
Photographieen,  eingehendere  Behandlung  erfahren.2) 

Während  im  feuchten  westlichen  Theile  der  Insel  der  temperirte 
Regenwald  in  die  montane  Region  hinaufsteigt  und  erst  im  oberen 
Theil  der  letzteren  durch  tropophilen  Buchenwald  abgelöst  wird, 
herrscht  im  östlichen  Theile  die  Steppe  vor.  Sie  bedeckt  auf  steinigem 
Boden  durch  xerophiles  Gesträuch  unterbrochen,  die  Thalsohlen  und 
Abhänge  (Fig.  457).  Erst  im  oberen  Theil  der  montanen  Region, 
zwischen  600  und  1000  m  zeigt  sich  an  geschützten,  feuchten  Stellen 
hochstämmiger  Buchenwald  (Fig.  458 — 460).  Derselbe  ist  wohl  immer- 
grün, aber  dennoch  von  tropophilem  Charakter.  Das  Unterholz  fehlt 
oder  ist  durch  Buchensämlinge  vertreten ;  die  Stämme  tragen  nur  einige 
Flechten  und  Moose  (Fig.  459).  Nur  an  den  Rändern  der  Gewässer 
wird  die  Vegetation  etwas  üppiger,  ohne  jedoch  diejenige  unserer  mittel- 
europäischen Regenwälder,  zu  übertreffen  (Fig.  458).  Liäneti  und  höhere 
Epiphyten  fehlen  durchaus. 


*)  Prschewalski  1.  c.  S.  216  u.  f. 
*)  Vgl.  darüber  auch  Diels  1.  c. 


Fig.  457.  Unterer  Theil  der  montanen  Region  Neu -Seelands  (Süd -Insel).  Im  Vordergrund 
Gesträuch  von  Veronica  Traversii  in  Blüthe.  Hinten  das  Craiguburn  -  Gebirge ,  von  Wiesen 
überzogen,  auf  dem  höchsten  Abhänge  rechts  sind  Buchenwälder.     Nach  einer  Photographie 

von  Herrn  L.  Cockaync. 


IV.   Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


795 


An  den  exponirten  Stellen  herrschen  in  diesem  oberen  Theile 
der  Region  trockene,  steinige  Gefilde1),  die  bald  mageren  Steppen- 
charakter aufweisen,  bald  in  grossen  Zwischenräumen  dorniges  Ge- 
sträuch und  spärliches  Gras,  namentlich  aber  höchst  eigenartige  Xero- 
phyten, Arten  von  Aciphyllum  und  Celmisia,  ernähren.  Die  Aciphyllen 
(Fig.  462)  sind  Umbelliferen ,  welche  aus  rübenförmigem  Wurzelstock 
eine  kugelige  Masse  dicht  gedrängter,  fester,  schwertförmiger  Blätter 
entwickeln.  Die  Celmisien  (Fig.  463)  sind  grasartige  Compositen,  deren 
Blattstructur  auffallende  Aehnlichkeit  mit  Steppengräsern  aufweist.    Nicht 


Fig.  458.    Das  Innere  des  Buchenwaldes  in  der  montanen  Region  der  Süd -Insel,  Neu -Seeland. 
Nach  einer  Photographie  von  Herrn  L.  Cockayne. 


minder  merkwürdig  ist  das  Auftreten  in  dieser  Formation  ericoider 
Gestalten  bei  Gattungen,  wo  man  solche  nicht  erwarten  würde,  nämlich 
bei  Veronica  cupressoides  (Fig.  461)  und  Senecio  cassinioides.  Alle 
diese  vom  systematischen  Typus  abweichende  Formen  sind  Producte  des 
trockenen  Klima;  dass  sie  aus  normal  gestalteten  Ahnen  hervorgingen 
zeigt  der  Umstand,  dass  nach  Cockayne  Veronica  cupressoides  und 
Senerio  cassinioides  abweichend  gestaltete  Primordialblätter  entwickeln2) 


*)  Von  Diels  als  Triften  bezeichnet. 
9)  Nach  Diels. 


796 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


und   dass    es    sogar'  Göbel    gelungen   ist,    durch  Cultur   der    ersteren 
Art  in  feuchter  Luft  breite  Blattspreiten  zu  erzielen. 


Fig»  459.   Montane  Region  in  Neu -Seeland  (Süd -Insel).    Im  Buchenwalde  (Fagus  cliffortioides). 
Das  Unterholz  von  jungen  Buchen  gebildet.     900  m.     Nach  einer  Photographie  des  Herrn 

L.  Cockayne. 


Oberhalb  des  Waldes   zeigt   sich  Krummholz   und  Gesträuch,  mit 
meist   reicher   und  dichter  Verzweigung,    relativ   dicken  Aesten,   deren 


Fig.    460.      Oberer    Gürtel   der    montanen    und    unterer   der   alpinen   Region    Neu  -  Seelands. 
Schlucht  des  Craiguburn- Flusses.     Im  Hintergrund    der  Buchenwald.     Links,    auf  den  Berg- 
höhen, „Shingle  slips"  mit  strauchigen  Arten  von  Veronica,  Celmisia,  Dracophyllum,  Coprosma, 
Podocarpus  nivalis  etc.     660  m  ü.  M.    Nach  einer  Photographie  von  Herrn  L.  Cockayne. 


IV.   Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


797 


rauhe  Borke  häufig  kleine  Flechten  trägt  und,  mit  seltenen  Ausnahmen 
(Coprosma  serrulata  Fig.  464,  /),  sehr  kleinen  Blättern  von  ausgeprägter 
Sklerophyllstructur.  Vorwiegend  sind  unter  ihnen  Arten  der  Epacri- 
daceen- Gattung  Dracophyllum  (Fig.  464,  2),  namentlich  aber  Compo- 
siten  aus  den  Gattungen  Olearia  (Fig.  464,  j)  und  Senecio.  Diels  be- 
zeichnet als  obere  Grenze  des  Knieholzes  auf  der  Süd-Insel  1350  m. 
Dasselbe  steigt  aber,  in  Flussthälern ,  oft  viel  tiefer  herab,  sogar  bis 
zum  Meeresstrande. 

Das  Knieholz  und  Gesträuch  bezeichnen  den  Anfang  der  alpinen 
Region,  welche  in  Neu-Seeland  auffallend  tief  beginnt.  Niedere  Sommer- 
temperatur, im  Osten  trockene  Winde  unterstützen  hier  die  Wirkungen 
des  Höhenklima.  Vorherrschend  sind  in  der  alpinen  Region  die 
Felsen  und  Geröllhalden,  namentlich 
letztere,  die  sogenannten  „shingle- 
slips",  welche  manchmal  die  Berg- 
hänge bis  zum  Tafellande  bekleiden. 
Diese  Bodenbeschaffenheit  verdankt 
ihren  Ursprung  einer  wahren  Wüsten- 
verwitterung,  d.  h.  der  Wirkung 
heftiger  Temperaturschwankungen  bei 
trockener  Luft.  Wir  können  in  der 
That  hier  von  einer  Hochwüste 
sprechen,  wie  in  den  Anden,  mit 
deren  Vegetation  diejenige  des  neu- 
seeländischen Hochgebirges  grosse 
Aehnlichkeit  aufweist.  Wie  dort  ist 
die  xerophile  Structur  extrem,  und 
zwar  namentlich  in  der  vorwiegend 
alpinen  Form  der  Polsterpflanzen  aus- 
gedrückt. Durch  Grösse  und  Dichtig- 
keit imponiren    in    erster    Linie    die 

„Pflanzenschafe**  Neu-Seelands,  die  wolligen  Arten  von  Raoulia  (Com- 
positae)  (Fig.  465).  Ihnen  ähnlich  ist  Helophyllum  Colensoi  (Fig.  466), 
eine  Candolleacee.  Kleinere,  aber  ebenfalls  äusserst  dichte  Polster 
bilden  verschiedene  Arten  von  Veronica,  Hectorella,  Dracophyl- 
lum etc.  Grosse,  aber  mehr  lockere  und  abgeplattete  Polster  bildet 
Celmisia  viscosa  (Fig.  463).  Auch  Luzula  pumila  (Fig.  463)  tritt  durch 
dichtes  Wachsthum  der  schmalen  Blätter  der  Polsterform  nahe.  Aehn- 
lich  wie  in  allen  alpinen  Höhen  kommen  auch  hier  kleine,  kriechende 
Sträucher  von  ausgesprochener  xerophiler  Structur  (Fig.  407)  und 
Rosettenpflanzen  mit  langen  Wurzeln  vor  (Fig.  410). 

§  3.     Afrika:    Natal.     Das  Küstenland  von  Natal   ist  aus  ätttfenweisen, 
bis  zum  Randgebirge   sich   erhebenden   breiten  Terrassen   aufgebaut.     Hoch- 


Fig.  461.     Veronica  cupressoides.     Neu- 
Seeland.     Nat.  Gr. 


798 


Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 


ebenen,  namentlich  nach  dem  Meere  offen,  sind  windig  und  daher  schon  für 
Baumwuchs  ungeeignet;  zudem  besitzt  Natal  überhaupt,  mit  seinen  trockenen 
Wintern  und  feuchten  Sommern  mit  häufigen  Niederschlägen  ein  typisches 
Grasflurklima.  Die  Zunahme  der  Niederschläge,  die  sich  namentlich  im  oberen 
Theile  der  montanen  Region  merklich  macht,  vermag  das  windige,  baum- 
feindliche Grasflurklima  in  Waldklima  nicht  umzuwandeln;  der  Wald  bleibt 
auf  die  Ufer  der  Bäche  in  geschützten  Thälern  beschränkt.  Die  Flanken 
gehören  der  Grasflur  an,  das  Ganze  hat  vorwiegend  xerophilen  Charakter. 
Folgende  Tabelle  ist  nach  den  Angaben  Thode's  zusammengestellt: 


Fig.  462.    Aciphylla  Colensoi,  auf  steinigem  Boden  in  der  Nähe  vom  Pearson  -  See,  600  m.  Ü.  M. 
Neu -Seeland,  Süd -Insel.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  Cockayne. 


Regionen    in    Natal. 

Niedere  Region bis  500  m. 

Montane  Region: 

Steppen  (stellenweise  mit  Acacien  und  Aloe)      „1500  m. 

Protea- Savannen „  2300  m. 

Alpine  Region: 

Gesträuch  und  Stauden bis  ca.  3500  m. 

Das  Klima  der  alpinen  Region  des  Drakenbergs  ist  sehr  stürmisch.  Ge- 
witter sind  im  Sommer,  Schneestürme  im  Winter  häufige  Erscheinungen.  Die 
mittlere  Jahrestemperatur  wird  von  Thode  auf  5  —  8°  R.  geschätzt,  starke 
Fröste  sind  in  den  Winternächten  gewöhnlich.    Buschwerk  (Leucosidea  sericea, 


IV.    Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


799 


Cliffortia,  Erica)  zeigt  sich  hier  und  da  in  den  Thalrissen;  die  Abhänge  sind 
von  Zwerggesträuch  (namentlich  Helichrysum  und  Ericaceen)  und  von  alpinen 
Stauden  (namentlich  Compositen)  überzogen.  Der  Blüthenreichthum  ist  ein 
sehr  grosser  und  die  Farben  sind  glänzend. 

§  4.  Süd-Amerika.  Die  nördlichen  Abhänge  der  Cordillere  Argen- 
tinien^ sind  dicht  bewaldet.  Lorentz  unterschied  in  den  subtropischen  Provinzen 
Oran  und  Tucuman  (ca.  250  S.  B.)  folgende  Stufen,  die  allerdings  nicht  überall 
vorhanden  sind: 


Fig.  463.    Alpine  Flora  Neu -Seelands.  Celmisia  viscosa  Hook.  f.  (in  der  Mitte)  und  Luzula 

pumfla  Hook.  f.  auf  Steintrift  („shingle  slips"  wachsend.    1470  m.    Craiguburn  Mts.  (Süd-Insel). 

Nach  einer  Photographie  des  Herrn  L.  Cockayne. 


Niedere  Region. 

Hygrophil.     Temperirter  Regenwald. 
Montane  Region. 

f Wald  von  Podocarpus  angustifolia. 
^      ^"'  \Aliso-Wald  (Alnus  ferruginea  var.  Alix). 

IQuenoa-Savanne  (Polylepis  racemosa). 
Alpine  Steppe. 
Alpine  Wüste  (Puna). 

Der  Queiioa-Baum,  der  zerstreut  im  unteren  Theile  der  alpinen  Grasflur 
wächst,  zieht  sich  in  der  Cordillere  von  Peru  zwischen  3000  und  4000  m,  wo 
er   ebenfalls    die   obere    Grenze    des   Baumwuchses    bezeichnet.      Es   ist    ein 


8oo 


Vierter  Abschnitt:  Die  Höhen. 


Fig.  464.    Neuseeländische  alpine  Sträucher :  /  Coprosraa  serrulata  (Rubiac).  2  DracophyHum 
uniflorum  (Epacrid.).   J  Olearia  nummularifolia  (Coraposit.).    4  Phyllocladus  alpinus  (Conif.) 

Nat.  Gr. 


Fig.  465.     Alpine  Flora  Neu  -  Seelands.     Raoulia  mamillaris  auf  felsiger  Unterlage  bei   1500  m. 
Craiguburn  Mts.     Nach  einer  Photographie  des  Herrn  L.  Cockayne. 


Fig.    466.      Alpine   Flora   Neu  -  Seelands.       Craiguburn    Mts.      1470   m.      Helophyllum    Colenosi 

Hook.    f.    (Candolleacee)    in   dichten   runden  Klumpen,    theilweise   von  Schnee   umgeben.     Am 

Felsen   rechts,    Dracophyllum   roomarinifolium   Hook,    f.,    ein  Zwergstrauch.      Das   Gras    oben: 

Danthonia  Raoulii  Steud.     Nach  einer  Photographie  von  Herrn  L.  Cockayne. 


IV.    Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen.  8oi 

knorriges,  sehr  dickstämmiges  und  hartholziges  Bäumchen  von   16 — 20'  Höhe. 
Er  ist  gewöhnlich  von  Tillandria  usneoides  behangen. 

Im  südlichen  Theile  der  argentinischen  Cordillere  bleibt  der  Charakter 
der  Vegetation  durchaus  xerophil.  Nach  den  Aufzeichnungen  von  F.  Kurz 
über  die  Cordillere  von  Mendoza  (ca.  33 °  S.  B.)  können  folgende  Gürtel 
unterschieden  werden: 

Montane  Region. 

Buschwald  und  Dornbüsche. 

Spärliches  Gesträuch  (Adesmia  pinifolia). 

Alpine  Region. 

Niederes  Gesträuch  (Berberis  empetrifolia,  Argylia  Bustillosii). 
Alpine  Zwergstauden. 


Fig.  467.    Vegetation  der  montanen  Region  im  Drakenberg,  Natal.    Nach  einer  Photographie. 

Zusammenhängende  Formationen  fehlen  in  der  alpinen  Region,  welche 
einen  wtistenartigen  Anblick  gewährt.  Die  kleinen,  aber  oft  gross-  und 
glänzendblüthigen  Pflänzchen  von  typischem  alpinen  Habitus  wachsen  nur 
auf  torfigem  Boden  gesellig,  während  sie  auf  den  Halden  nur  ganz  vereinzelt 
auftreten  und  häufig,  wegen  der  Farbenähnlichkeit  ihres  Laubes  mit  dem 
Felsen,  schwer  sichtbar  sind. 

Schirop er,  Pflanzengeographie.  51 


79* 


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IV.    Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen.  803 

Ueber  Charakter  und  Anordnung  der  Vegetation  im  nördlichen  Theile 
des  chilenischen  Waldgebiets  geben  folgende  nach  K.  Reiche's  Angaben 
zusammengestellte  Tabellen  das  Wesentliche: 

Cordillere  von  Nahuelbuta   (380  S.  B.,  1500  m). 
Montane  Region. 

Gemischter  Buchenwald  mit  einigen  Lianen  undEpiphyten  bis  1100  m. 
Araucaria-Wald  (A.  imbricata)  mit  sommergrünem  Buchen- 
gesträuch      „    1500  m. 

Cordillere  von  Chillan  (370  S.  B.,  ca.  3000  m). 
Montane  Region. 

Gemischter  Buchenwald bis  1860  m. 

Fagus  pumilio,  als  Gebüsch „    1900  m. 

Alpine  Region. 

Sträucher  (Berberis  empetrifolia ,  Empetrum  nigrum,  Es- 

callonia  carmelita) „    2000  m. 

Alpine  Stauden  auf  Geröll  und  Fels „    2200  m. 

Ewiger  Schnee. 

Die  gemischten  Buchenwälder  sind,  namentlich  in  ihrem  unteren  Theile, 
noch  den  temperirten  Regenwäldern,  wenn  auch  in  abgeschwächter  Form 
(letzteres  namentlich  auf  der  Chillan -Cordillere)  zuzurechnen;  nach  oben  zu 
nehmen  sie  mehr  xerophilen  Charakter  an. 


2.  Regionen  in  den  Gebieten  mit  Winterregen. 

§  1.  Mediterrangebiet.  Die  Gebirge  des  Mediterrangebiets  haben 
zum  grössten  Theile  den  ursprünglichen  Charakter  ihrer  Vegetation 
eingebüsst,  so  dass  die  natürlichen  Gürtel  aus  spärlichen  Resten  und 
nicht  immer  mit  Sicherheit  reconstruirt  werden  müssen.  Die  beiden 
wichtigsten  Gebirgsketten  des  südlichen  Theils  des  Gebiets,  der  Libanon 
und  der  Atlas,  haben,  wie  das  Tiefland,  trockene  Sommer  und  dem- 
entsprechend Hartlaubvegetation  auch  in  der  montanen  Region.  In 
den  nördlichen  Gebirgen  des  Mediterrangebiets  bedingt  die  Winter- 
kälte in  der  montanen  Region  eine  ausgeprägte  Ruheperiode,  während 
andererseits  reichlichere  Niederschläge  während  des  Sommers  die 
vegetative  Thätigkeit  befördern.  Dementsprechend  folgen  auf  die 
Hartlaubgehölze  ohne  Winterruhe  und  mit  träger  Sommervegetation 
die  mesophilen  Gehölze  mit  Winterruhe  und  lebhafter  Sommer- 
vegetation. Die  Aehnlichkeit  des  Klima  in  der  montanen  Region 
mit  derjenigen  des  mitteleuropäischen  Tieflands  ermöglichte  die  An- 
siedelung der  von  Norden  einwandernden  Bäume,  welche  nur  wenig 
oder  meist  gar  nicht  variirten. 

Nur  wenige  der  mediterranen  Gebirge  erheben  sich  in  die  alpine 
Region.    Eine  reiche  alpine  Flora  zeigt  sich  nur  auf  der  Sierra  Nevada, 

51* 


804  Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 

wo    dieselbe   ein    mehr   ausgeprägt   xerophiles  Gepräge   besitzt,   als  in 
nördlicheren  Gebirgen  und  viele  Endemismen  aufweist  (Fig.  470). 

Djurdjura  und  algierischer  Atlas  (Trabut). 
Montane  Region. 

Unterer  Gürtel  —  1300  m. 
Quercus  suber  —   1300  m. 
Chamaerops  humilis  —  1200  m. 

(Pinus  halepensis,  vorwiegend  zwischen  800 — 900  m  waldbildend, 
aber  von  der  Küste  bis  1700  m  auftretend). 
Oberer  Gürtel  —  1900  m. 

Quercus  Hex  var.  Ballota  1000 — 1600  m. 
Cedrus  attantica  und  Libani  1200 — 1900  m. 
Alpine  Region.     1900—2308  m  (Djurdjura). 

Kleine  Sträucher  und  Kräuter,  theils  endemisch,  theils  mit  stid-  und 
mitteleuropäischen  alpinen  Arten  identisch. 
N.  B.     Steppen  sind  auf  den  800 — 900  m  hohen  Hochebenen  des  süd- 
lichen Algerien's,  entsprechend  dem  Frühlingsregen,  entwickelt 

In  Marokko  bildet  Quercus  Hex  in  verkrüppelter  Form  die  Baumgrenze. 

Sierra  Nevada  (Boissier,  Willkomm). 
Montane  Region. 

Sklerophyllgürtel  —  5000' 

Mesophile  Wälder  (Pinus   silvestris   var.  nevadensis,    Castanea  vesca, 

Quercus  Tozza)  —  6500' 
Alpine  Region. 

Sträucher  8000' 

Stauden  n  ooo' 

Mont  Ventoux  (Martins)  Höhe  5880'. 

Montane  Region. 

Südabh.         Nordabh. 

Mediterraner  Sklerophyllgürtel —  354°r   —   2800' 

Mesophiler  sommergrüner  Laubwald  (Buchen).     —  5230'  —  4065' 
Mesophiler  Nadelwald   (Pinus   uncinata,   Abies 

excelsa) —  5570'  —  5340'. 

Alpine  Region. 

Steinige  Gefilde  mit  niedrigen  Stauden. 

Apennin   (Mittelwerthe.     Schouw). 
Montane  Region. 

Mediterraner  Sklerophyllgürtel  —   1200' 

Mesophiler    sommergrüner   Laubwald   Kastanie   —    3000' ,    Quercus 

pedunculata  —  3500' 

Mesophiler   Laubwald   (Buchen)    und    Nadelwald   (Abies   pectinata) 

—  6000'. 
Alpine  Region. 

6000'  —  9200'. 


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Fig.  47°'     Alpine  Flora  der  Sierra  Nevada,  Spanien.     /  Linaria  nevadensis  Boiss.  et  Reut. 

2    Linaria    glacialis    Boiss.      3    Viola    nevadensis    Boiss.      4    Artemisia    granatensis    Boiss. 

5  Dianthus  brachyanthus  Boiss.     6  Galium  pyrenaicum  Gou.    7  Ranunculus  acetosellaefolius 

Boiss.     8  Plantago  nivalis  Boiss.     Sämmtliche  nat.  Gr. 


806  Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 

Aetna  (Philippi). 
Montane  Region. 

Mediterraner  Sklerophyllgürtel  —  2200' 

Mesophiler  sommergrtiner  Laubwald  —  6000' 

(Kastanie  —  3900',  Quercus  pubescens  —  5500',  Buche  3000' — 6000' 

Mesophiler  Nadelwald  (Pinus  Laricio)  4000' — 6000'. 

Alpine  Region. 

Gesträuch  (Juniperus  hemisphaerica ,  Berberis  aetnensis  etc.,  auch  in 
der  montanen  Region)  7500',  Stauden  —  8950'. 

Süd-macedonische  Gebirge  (Grisebach). 

1.  Montane  Region. 

Mediterrane  Sklerophyllen  —  1245' 
Mesophiler  sommergrüner  Laubwald  —  4600' 
(Quercus  Cerris  —  2650',  Buche  —  4400  —  4600') 
Mesophiler  Nadelwald  (Pinus  Peuce)  —  5800'. 

2.  Alpine  Region. 

Juniperus  nana  5200 — 7200'. 

Athos  (Grisebach). 

1.  Montane  Region. 

Mediterrane  Sklerophyllen  —  1200' 

Mesophiler  sommergrüner  Wald  —  1200 — 3500' 

(Kastanie  3000',  Quercus  pubescens  3500') 

Mesophiler  Nadelwald  1700 — 5250' 

(Pinus  Laricio  3500 — 4500',  Abies  pectinata  1700 — 5250'). 

2.  Alpine  Region.     5250 — 6440'. 

Gesträuch  von  Daphne  jasminoides,  Prunus  prostrata  etc. 

Die  Canaren  und  Madeira  gehören  zu  den  wenigen  Punkten  der 
Sklerophyllgebiete,  wo  die  Bedingungen  für  den  temperirten  Regenwald 
in  der  montanen  Region  gegeben  sind:  Milder  Winter  und  reichliche 
Niederschläge  zu  allen  Jahreszeiten.  Am  Pico  de  Teyde  auf  Teneriffa 
unterhält  der  Nebel-Gürtel,  welcher  zwischen  700  und  1600  m  beinahe 
alltäglich,  auch  im  Sommer,  vorhanden  ist,  die  Feuchtigkeit  in  der 
montanen  Region;  doch  reicht  dieselbe  nur  in  Schluchten  zum  Ge- 
deihen eines  abgeschwächten  Regenwaldes  hin,  während  die  Abhänge 
Sklerophyllvegetation  ernähren.  Letztere  wird  oberhalb  des  Nebels 
wieder  alleinherrschend. 

Regionen  in  den  Canaren  (Christ). 
Niedere  Region. 

Succulenten  und  Sklerophyllen  bis  700  m. 
Montane  Region. 

Temperirter  Regenwald  (Lorbeerwald)  bis  1600  m. 

Pinus  canariensis  mit  Sklerophyllen  bis  2000  m. 


IV.   Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen.  807 

Alpine  Region  (Teyde). 

Laubloses  Gesträuch  von  Spartocytisus  nubigenus  und  Stauden. 

Besonderes  Interesse  beansprucht  der  Lorbeerwald,  gleichsam  ein  in 
temperirten  Regenwald  umgewandelter  Sklerophyllwald  oder  eine  Zwischen- 
stufe beider,  mit  grösserer  Annäherung  an  ersteren,  welchen  Christ  in  seiner 
meisterhaften  Monographie  anschaulich  beschreibt. 

Derselbe  besteht  vorwiegend  aus  Laurineen:  Persea  indica,  Lauras  ca- 
nariensis  (mit  Lauras  nobilis  nahe  verwandt),  Oreodaphne  foetens,  Phoebe 
barbusana.  Aus  anderen  Verwandtschaftskreisen  treten  vornehmlich  hinzu: 
Hex  canariensis,  Erica  arborea,  Myrica  Faya  und  andere  seltenere  Arten. 
Das  Unterholz  besteht  aus  Rhamnus  glandulosa,  Viburnum  rugosum,  Rubus- 
Arten,  Smilax  mauritanica  und  canariensis  etc.  Hedera  canariensis  kriecht 
auf  dem  Boden.  Bodenkräuter  sind  vorwiegend  Farne  in  üppiger  Entwicke- 
lung.  Die  schwache  Entwickelung  der  Lianen,  das  Fehlen  eigentlicher 
Epiphyten,  zu  welchen  nur  Davallia  canariensis  und  Asplenium  Hemionitis 
einen  schwachen  Anfang  bilden,  unterscheiden  diesen  Wald  vom  typischen 
Regenwald.  Mehrere  der  Holzarten  sind  mit  mediterranen  Sklerophyllen 
theils  identisch,  theils  nahe  verwandt. 

§  2.  Amerika.  Die  californische  Sierra  Nevada  erhebt  sich  mit  ihren 
westlichen  Abhängen  aus  einem  typischen  Sklerophyllgebiet.  Die  Sklerophyll- 
gehölze,  namentlich  immergrüne  Eichen,  steigen  stellenweise  bis  1800  m  in 
die  Höhe.  Grössere  sommerliche  Feuchtigkeit  bedingt  in  höheren  Lagen 
das  Auftreten  sommergrüner  Eichenwälder  (Q.  Kellogii);  sandig -kieseliger 
Boden  ist  durch  genügsame  Kiefern  behauptet  (P.  ponderosa).  Der  obere 
feuchtkühle  Gürtel  der  montanen  Region  gehört  dem  grossartigsten  gemischten 
Nadelwald  der  Erde,  der  Heimath  der  Sequoia  gigantea.  Ueber  diese  Wälder 
wurde  bereits  früher  berichtet. 

Ueber  die  alpine  Region  fehlt  es  an  Angaben. 

Im  chilenischen  Hartlaubgebiet  reichen  die  Niederschläge  auch  an  den 
Berghängen  nicht  hin,  um  eine  kräftigere  Vegetation  hervorzurufen;  die 
dürftige  xerophile  Vegetation  geht  in  die  noch  dürftigere  der  Hochwüste  oder 
Puna  über.  Nur  auf  dem  Frai  Jorge,  einem  Gipfel  der  sonst  überaus  trockenen 
Provinz  Coquimbo,  hat  ein  beständiger  Nebelgürtel,  ähnlich  wie  auf  den  Ca- 
naren,  die  Bedingungen  für  die  Existenz  des  temperirten  Regenwalds,  wenn 
auch  wiederum  in  abgeschwächter  Form,  geschaffen.  Auch  systematisch 
schliesst  sich  dieser  Wald  den  Regenwäldern  Valdivia's  an.  Seine  wichtigsten 
Bäume  sind  Aetoxicum  punctatum  und  Drimys  chilensis.1) 


3.  Regionen  in  den  kalttemperirten  Gürteln. 

§  I.  Die  Schweiz.  Unter  den  Hochgebirgen  der  nördlichen  kalt- 
temperirten Zone  sind  die  Alpen  botanisch  in  jeder  Hinsicht  am 
genauesten   untersucht   worden.     Namentlich   hat  H.    Christ   in   seinem 


l)  F.  Philippi. 


808  Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 

Pflanzenleben  der  Schweiz  ein  Bild  der  Vegetation  in  den  Schweizer- 
Alpen  entworfen,  welches,  in  den  Hauptzügen  fertig,  nur  noch  der 
feineren  Ausführung,  nach  der  von  ihm  bereits  angedeuteten  physio- 
logischen Richtung  bedarf,  um  die  gegenwärtig  erreichbare  Vollendung 
zu  zeigen. 

Die  folgende  Tabelle  hat  nicht  allgemeine  Gültigkeit  und  soll  nur 
zur  allgemeinen  Orientirung  dienen;  die  in  derselben  aufgezählten 
Stufen  sind  selten  sämmtlich  vorhanden. 

Mittlere  Höhenregionen   in  den  Schweizer-Alpen. 

Untere  Region 550 — 700  m. 

Montane  Region. 

Kastanienwald  (Südschweiz) bis    900  m. 

Buchenwald „   1200  m. 

Fichtenwald Soo — 1800  m. 

Lärche  und  Arve  (Central- Alpen)      .     .     .     bis  2100  m. 
Alpine  Region. 

Pinus  Pumilio  und  Alnus  viridis 2000  m. 

Rhododendron bis  2120  m. 

Juniperus  nana „    2500  m. 

Kräuter  und  Zwergsträucher  bis  zu  den  Gipfeln. 
(Schneegrenze  2700 — 3000  m.) 

Das  schweizerische  Tiefland  ist,  wie  das  mitteleuropäische  Tiefland 
überhaupt,  durch  die  Cultur  bis  zur  Unkenntlichkeit  verändert  worden. 
Wahrscheinlich  stellte  dasselbe  ursprünglich  eine  Parklandschaft  dar,  in 
welcher,  je  nach  Bodenbeschaflfenheit,  Wald  und  Grasflur  sich  in  den 
Raum  theilten.  Der  Wald  wird  wohl  meistens  Buchenwald,  stellenweise 
Eichenwald,  im  Süden  Kastanienwald,  auf  Sandboden  Kiefernwald 
gewesen  sein.  Die  Grasflur  hat  stellenweise  Steppencharakter  (Wallis), 
in  der  übrigen  Schweiz  wird  sie  wohl  stets  als  Wiese  ausgebildet 
gewesen  sein. 

Die  basale  Region  der  Schweizer- Alpen  hat  ebenfalls  durch  die 
Cultur  ein  verändertes  Gepräge  erhalten.  Doch  kann  angenommen 
werden,  dass,  entsprechend  der  reicheren  Niederschläge,  üppige  Wälder 
in  derselben  herrschend  waren  und  zwar  ähnliche  Laubwälder,  wie  sie 
im  Tieflande  auf  feuchtem  Boden  vorkommen.  Vorwiegend  waren  die 
noch  stellenweise  erhaltenen  Buchenwaldungen.  Andere  Baumarten, 
wie  Hagebuche  und  Spitzahorn,  sind  untergeordnete,  wenn  auch  häufige 
Nebenbestandtheile  jener  Buchenwälder,  die  Vogelkirsche  ist  seltener, 
die  Stechpalme  tritt  nur  als  Strauch  auf. 

Die  montane  Region  zeigt,  entsprechend  der  Abnahme  der 
Temperatur,  mehr  nordischen  Charakter.  Die  Wälder  bestehen  hier 
aus  Fichten ;  Laubbäume  treten  nur  vereinzelt  auf  und  sind  von  den- 
jenigen  des  Buchenwalds   verschieden,    wie   Acer   Pseudoplatanus   und 


IV.    Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


809 


Sorbus  aucuparia.  Das  Unterholz  ist  oft  reichlich  ausgebildet  und 
besteht  aus  Sambucus  racemosa,  Ribes  nigrum  und  petraeum,  Lonicera 
alpigena  und  nigra,  Salix  grandifolia  etc.  Schmale  und  lichte  Wälder 
der  Arve  und  Lärche,  erstere  mehr  hinaufsteigend  als  letztere, 
nehmen  den  oberen  Rand  der  montanen  Region  ein  und  bilden  die 
Baumgrenze. 

Das  Krummholz,  welches  in  vielen  Gebirgen  als  breiter  Gürtel  die 
Basis  der  alpinen  Region  einnimmt,  ist  in  der  Schweiz  nur  an 
wenigen  Punkten  von  Graubünden  und  Wallis  vertreten  und  besteht 
nur  aus  einer  Holzart,  der  Legföhre,  Pinus  montana  var.  Pumilio.  Als 
Zwergbäume  von  höchstens  Manneshöhe  mit  liegendem  Stamme  und 
langen   schlangenförmigen   Aesten   bedecken    die   Legföhren    trockene 


Fig.  471.     /     Rhododendron  ferrugineum.     2  Rh.  hirsutum.     2/8  nat.  Gr. 


Felsen  und  Gerolle,  namentlich  auf  Kalkboden.  Häufiger  als  das 
Krummholz  zeigen  sich  oberhalb  der  Baumgrenze  die  Gebüsche  der 
Grünerle,  Alnus  viridis.  Die  charakteristische  Gestalt  des  Krummholzes 
geht  diesem  bis  manneshohen  Strauche  ab. 

Am  gewöhnlichsten  setzt  die  alpine  Region  mit  Gesträuch  von 
Alpenrosen  ein.  Die  beiden  Arten  der  Schweiz,  Rhododendron  hirsutum 
auf  Kalk  und  Rh.  ferrugineum  auf  Kieselboden  besitzen  in  diesem  bis 
300  m  breiten  Gürtel  ihre  Massenverbreitung;  sie  treten  aber  sowohl 
tiefer,  als  Unterholz  des  Nadelwaldes,  wie  vereinzelt  auch  höher  bis 
gegen  2400  m  auf. 

Die  Alpenrosengebüsche  nehmen  steilere  Abhänge  ein,  wo  feinere 
erdige  Bestandtheile  von  der  Oberfläche  leicht  weggeschwemmt  werden, 
so  dass  die  Bodenbeschaffenheit  nur  für  tiefwurzelnde  Gewächse  geeignet 


8lO  Vierter  Abschnitt:    Die  Höhen. 

ist.  An  weniger  geneigten  Standorten  überwiegt  hier  schon  die  Gras- 
flur, und  dieselbe  wird  weiter  oben,  bis  zum  ewigen  Schnee,  wo  es  der 
Boden  nur  gestattet,  alleinherrschend.  Die  klimatischen  Bedingungen 
sind  allerdings  für  die  Grasflur  die  denkbar  günstigsten.  Während  des 
ganzen  Sommers  fallen  täglich  leichte  Niederschläge,  welche  die  oberste 
Bodenschicht  benetzend,  den  seichtwurzelnden  Gräsern  raschen  Ersatz 
für  den  starken  Transpirationsverlust  während  der  sonnigen  Stunden 
bringen.  Nur  steinige,  durchlässige  Standorte  werden  den  tiefwurzelnden 
Sträuchern  und  Stauden  überlassen.  Auch  der  Winter  kommt  der 
Grasflur,  wenn  auch  nur  indirect,  zu  Gute,  da  er  arm  ist  an  Nieder- 
schlägen und  viele  sonnigen  Tage  aufweist.  Wir  wissen  aber,  dass 
klare  Winter  in  Folge  ihrer  trocknenden  Wirkungen  baumfeindlich  sind. 
Dieses  ist  aber  in  alpinen  Höhen,  wo  die  kräftige  Insolation  die 
Transpiration  der  Zweige  fördert,  noch  weit  mehr  der  Fall  als  im  Tief- 
lande. Häufigkeit  der  sommerlichen  Nieder- 
jfc        gj*  schlage  und  tieferes  Niveau  bedingen,  dass  die 

Grasflur  in  den  Schweizer- Alpen  meist  weniger 
xerophiles  Gepräge  besitzt  als  in  den  Hoch- 
gebirgen wärmerer  Gebirge  und  eher  dem 
Wiesentypus  als  dem  Steppentypus  anzu- 
gliedern ist.  Die  Vegetationsdecke  ist  un- 
unterbrochen und  besitzt  nur  an  trockenen 
Stellen  harte  Gräser  mit  schmalen,  ein- 
gerollten Blättern  (z.  B.  Nardus  stricta,  Festuca 
ovina  var.  alpina)  und,  in  ihrer  Gesellschaft, 
Fig.  472.  Androsace  Helvetica.  stark  behaarte  Stauden,  wie  Leontopodium 
Nat.  Gr.  alpinum,  Potentilla  nivea,  Senecio  incanus  etc. 

Wo  das  Wasser  länger  verweilt,  ist  die  Structur 
der  meisten  Gewächse  weniger  xerophil.  Ausgesprochene  Trockenschutz- 
vorrichtungen zeigen  sich  auf  den  von  einer  dünnen  Erdschicht  überzogenen 
Felsen,  oder  in  Felsrissen,  wo  das  Wasser  schneller  verdunstet  bezw. 
herabfliesst.  An  solchen  Stellen  zeigen  sich  viele  der  bekanntesten  und 
charakteristischsten  Alpenpflanzen,  wie  Dryas  octopetala,  Globularia  cordi- 
folia,  die  alpinen  Crassulaceen  (Arten  von  Sedum,  Sempervivum,  Rhodiola 
rosea),  Saxifraga  Aizoon,  Draba  aizoides,  Primeln  und  Androsaceen. 
Nur  da,  aber  in  grosser  Menge,  wächst  auf  dem  Simplon  der  seltene 
Senecio  uniflorus,  während  Senecio  incanus  den  benachbarten  trockenen 
Rasen  bewohnt  und  der  Bastard  zwischen  beiden  genau  die  Mittellagen 
einnimmt.  Die  meisten  dieser  Pflanzen  haben  Rosetten-  oder  Polster- 
form. Rings  um  solche  Blöcke  dringt  das  Wasser  tief  in  den  Boden 
und  da  wachsen  daher  mit  Vorliebe  alpine  Sträucher,  die  sich  auf  der 
Felsoberfläche  ausbreiten,  wie  Juniperus  nana,  Azalea  procumbens, 
Arctostaphylos  alpina  etc. 


"%* 


v 


* 


IV.    Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 


811 


Trümmerfelder  nehmen  in  den  hohen  Lagen  der  Alpen,  wie  auf 
allen  Hochgebirgen,  weite  Räume  ein,  ohne  allerdings  ähnliche  Aus- 
dehnung zu  erhalten  als  auf  den  Wüstengebirgen  oder  in  Neu-Seeland. 
Solche  „Geröllhalden"  sind  oft  von  Zwerggesträuch  bewachsen;  sind 
sie  jedoch  neuen  Ursprungs,  so  weisen  sie  eine  eigenartige  Vegetation 
tiefwurzelnder  Stauden  auf,  welche  meist  auf  solche  Standorte  beschränkt 
sind,  wie  Linaria  alpina,  Oxyria  digyna,  Thlaspi  rotundifolium  etc. 
Kalkgerölle  trägt  eine  der  grössten  Zierden  der  Alpen,  Pavaver  alpinum, 
neben  Viola   cenisia  etc.     Fleischiges,   bläulich   bereiftes,    kahles   oder 


Fig.  473*     Salix  reticulata,  ein  kriechender  Strauch  der  Alpenmatten.     Nat.  Grösse. 


doch   nur    borstig   behaartes   Laub    ist    für    solche   Geröllpflanzen   be- 
zeichnend. 

Sie  alle  wurzeln  in  kaltnassem,  von  Gletscherwasser  berieseltem 
Boden.  Trotz  dem  Ueberfluss  an  Feuchtigkeit  ist  der  Standort  physio- 
logisch trocken  und  bedingt  die  Ausbildung  von  Schutzmitteln  gegen 
hohe  Transpiration.  Aehnliches,  aber  noch  weit  mehr  fleischiges  Laub 
hat  die  charakteristische  Uferpflanze  der  alpinen  Gletscherbäche,  Saxi- 
fraga  aizoides.  Solche  Gewächse  erinnern  in  ihrer  Structur  sehr  an  die 
Halophyten  nasser  Standorte;  sie  stimmen  mit  ihnen  in  ihren  physio- 
logischen Existenzbedingungen  allerdings  darin  überein,  dass  sie  nasse 
Standorte  bewohnen  und  doch  der  Gefahr  des  Wassermangels  aus- 
gesetzt sind.     Die   feuchte  Luft,    die  sie  umgiebt,    ist   der  Entstehung 


812 


Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 


von  Haaren  und    einer   dicken  Cuticula   hinderlich,   aber  auf  diejenige 
von  Wachs-  und  Harzüberzügen,  als  Schutzmittel  gegen  Transpiration, 

ohne  Einfluss. 

Oberhalb  der  alpinen  Grasflur  dehnen 
sich,  bis  zu  den  Gipfeln,  die  ewigen  Schnee- 
felder. Eine  obere  Grenze,  wie  wir  sie  für 
den  Kilimandscharo  kennen  lernten,  giebt  es 
für  die  Phanerogamenflora  der  Alpen  nicht, 
indem  auch  auf  den  grössten  Höhen  die  Luft 
noch  nicht  trocken  und  verdünnt  genug  ist, 
um  ihr  Gedeihen  zu  verhindern.  In  den 
Spalten  von  Felsen,  die  aus  Schnee  und  Eis 
hervorragten,  habe  ich  im  August  am  Kalt- 
wassergletscher auf  dem  Simplon ,  in  Menge 
und  in  voller  Blüthe  Eritrichium  nanum,  An- 
drosace  glacialis,  Aretia  Vitaliana,  Anemone 
glacialis  gefunden.  Ch.  Martius  hat  auf  dem 
3333  m  hohen  Theodulpass  13  Phanerogamen, 
nach  Christ  jedenfalls  nur  einen  Theil  der 
Flora  darstellend,  gesammelt.  Lindt  traf  auf 
dem  Finsteraarhorn ,  von  4000  m  aufwärts, 
Saxifraga  bryoides,  muscoides,  Achillea  atrata 
an  und  Calberta  auf  dem  Gipfel  des  Berges, 
bei  4270  m,  ein  anscheinend  einjähriges 
Exemplar   von  Ranunculus   glacialis    mit   zwei 


Fig.  474.     Primula  minima. 
Nat.  Gr. 


etwas  verkümmerten  Blüthen. 


Temperaturverhältnisse   des  Theodulpass,  3333  m. 
1.    Mittlere  Monatstemperaturen  (Celsius). 


Dec.  I     Jan.     |    Febr.  März    |  April    Mai      Juni     Juli   j  Aug.    Sept.     Oct.     Nov.  •  Dec 


-9.8    — 10.21 — 10.6      — 12.7   — 7.3 — 6.4     0.0       1.0    I    1.1    I    1.1    I    1.1    j  —  5.4—7.6 


2.    Beobachtungen  von  Ch.  Martins.      1865 — 1866. 
St.  Theodul  (3333  m)  1866— 1865. 


1866.     Mai 


Juni 


Tage  über  o° 


Tage  über  2° 


Nächte  über  o° 


7    Uhr 


7 

»> 

ii              j 

2 

i 

22                    1 

20 

9 

)} 

r3             1 

2 

IV.   Die  Höhenregionen  in  den  temperirten  Zonen. 
St.  Theodul  (Fortsetzung). 


813 


Juli          7     .. 

14 

8 

*          »» 

30 

25 

9      »» 

12 

5 

1865.     August     7      „ 

*5 

8 

1      „ 

29 

21 

9      »» 

14 

6 

September  7      „ 

16 

5 

1      >• 

29 

25 

9      »» 

20 

2 

October    7      „ 

— 

— 

*      >i 

2 

— 

9      „ 

— 

— 

§  2.  Tabellen.  Eine  monographische  Bearbeitung,  wie  sie  für  die 
Alpen  in  Christ's  Arbeiten  vorliegt,  wurde  neuerdings  von  Pax  für  die 
Karpathen  gegeben.1)  Man  hat  sich  sonst  im  Allgemeinen  begnügt, 
die  mittleren  oberen  Grenzen  der  wichtigsten  Formationen  und  einiger 
häufigen  oder  charakteristischen  Pflanzenformen  tabellarisch  zusammen- 
zustellen. Einige  dieser  Tabellen,  die  Regionen  der  wichtigsten  nord- 
temperirten  Gebirge  gebend,  sind  im  Folgenden  zusammengestellt. 

Regionen  in  der  Tatra  (Central-Karpathen,  n.  Wahlenberg). 

Montane  Region. 

Buche bis  3100' 

Lärche  und  Fichte „  4600' 

Arve  und  Birke „  4800' 

Alpine  Religion. 

Krummholz  (Pinus  pumilio) „  6000' 

Alpine  Stauden  und  Zwergsträucher      .     .     .  „  6900' 

Regionen    in  den  Pyrenäen  (Drude). 

Untere  und  montane  Region. 

Laubwald  herrschend bis  1600  m  (1700  m). 

Kastanie „      500  m    (800  m). 

Eiche  (Q.  Robur) „    1600  m. 

Buche 650 — 1600  m  (1850  m). 

Tanne „    1950  m. 

Nadelwald  herrschend 1600 — 2200  m  (2400  m). 

Fichte 1500 — 2400  m. 

Knieholz 2200 — 2400  m. 

Apine  Stauden  und  Zwergsträucher.     .      bis  2750  m(Schneelinie). 


*)  Dieselbe   erschien   während   des  Druckes   dieses  Buches  und  konnte  nicht  mehr  be- 
nutzt werden. 


glj.  Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 

Regionen  im  Kaukasus  (Abchasischer  Abhang,  Radde). 
Untere  und  montane  Region     .  .    bis  6600' 

Eschen  und  Ulmenwald. 

Buchenwald. 

Nadelwald  (P.  orientalis  und  Abies  Nordmanniana). 

Birken. 
Alpine  Region bis  9100'  (Passhöhe). 

Regionen  am  Tian-Schan  (Semenow). 

Basale  und  montane  Region      ...    bis  7600' 

Wüste „    40001 

Nadelwald  (Pinus  Schrenkiana)     .     .     .      „    76001 

Alpine  Region 7600 — 11540 

Alpine  Sträucher bis  90001 

Schneelinie „  11540 

Regionen   am    Altai   (Krassnow). 
Basale  und  montane  Region. 

Wüste bis    300  m. 

Kiefernwald  (mit  Birken  und  Espen     .      „      800  m. 

Lärchenwald  (mit  Abies  excelsa,  sibirica) 

Pinus  Cembra      .     .     .    1360  m  (N.-Seite),  1700  m  (S.-Seite). 
Alpine  Region. 

Schneegrenze 2100  m  (2300  m). 

Regionen  am  Vulkan  Ontake  (Japan,  350  N.  B.     Rein). 
Basale  und  montane  Region. 

Wiesen   und  Mischwald    aus  Laub-  und  Nadel- 
hölzern (Kiefern,  Tannen,  Retinospora,  Quercus, 

Fagus,  Acer  etc.) bis  4600' 

Nadelwälder  (Pinus  Tsuga  u.  bicolor  etc.)       .       „    5550' 
Alpine  Region. 

Knieholz  (Pinus  parviflora)  und  Gesträuch  (Birken, 

Erlen,  Rhododendron  etc.) „    6160' 

Zwerggesträucher  und  Stauden „    9200' (Gipfel). 

In  seinem  Werke  über  Japan  unterscheidet  Rein  (die  Zahlen  gelten  wohl 
vornehmlich  in  erster  Linie  für  Mittel- Japan)  folgende  Vegetationsgürtel: 

1.  Zone  des  Kiefernwaldes  und  des  Wachholders  bis  400  m.  ü.  M. 

2.  Zone  der  Cryptomerien ,    Cypressen    und  Eiben   400 — 1000  m.     Das 

Gebiet  des  unteren  sommergrünen  Waldes  mit  Kastanien,  Laurineen, 
Magnoliaceen  etc. 

3.  Zone  der  Abies  firma  und  des  mittleren  Laubwaldes  1000 — 1500  na. 

Der  immergrüne  Wald  mit  Eichen,  Buchen,  Ahornen  etc. 

4.  Zone  der  Tannen   und    Lärchen    1500 — 2000  m.      Oberer  Laubwald 

mit  Birken,  Erlen  etc. 

5.  Zone  des  Knieholzes,   der  Zwergsträucher   und    der   alpinen   Kräuter, 

oberhalb  2000  m. 


Auswahl  der  Literatur. 


815 


Darstellungen  der  Pflanzenformationen  auf  den  nordamerikanischen  Hoch- 
gebirgen fehlen.  Die  alpine  Region  ist,  wegen  der  Höhe  der  Waldgrenze 
in  den  Rocky-Mountains,  meist  schwach  entwickelt  und  scheint  hauptsächlich 
von  Felsen  und  Trümmerfeldern  eingenommen  zu  sein,  so  dass  es  zu  einer 
Ausbildung  der  alpinen  Grasfluren,  wenigstens  in  grösserem  Maassstabe  nicht 
kommt.  Die  folgenden  beiden  Tabellen  sind  Grisebach's  „Vegetation  der 
Erde"  entnommen;  neuere  Angaben  sind  mir  nicht  bekannt. 

White  Mountains  (440  N.  B„  Guyot). 

Basale  und  montane  Region. 

Eichen bis  8oo' 

Laub-  und  Coniferenwald .     .     .     .  800 — 1950' 
Nadelwald  (Pinus  alba  u.  balsamea)   1950 — 4500' 

Alpine  Region 4500 — 5^5°'  (Mt.  Washington). 

Rocky  Mountains:  Middle  Park  (400  N.  B.). 

Basale  und  montane  Region. 

Prärie bis  3700'  (6570') 

Nadelwald „  nooo' 

Alpine  Region „13350'. 

Für  die  südliche  kalttemperirte  Zone  besitzen  wir  einige  Angaben  DuseVs 
über  die  Vegetation  der  nur  bis  etwa  1000  m  hohen  Gebirge  Feuerland's. 
Der  Buchenwald  steigt  bis  etwa  300  m  empor,  als  Zwergbaum  zeigt  sich 
Fagus  antarctica  stellenweise  bis  400  m,  als  auf  dem  Boden  kriechender 
kleiner  Strauch  sogar  bis  600  m.  Welcher  Art  die  Formationen  zwischen  der 
Waldgrenze  und  der  unteren  Grenze  des  ewigen  Schnees,  bei  etwa  700  m 
sind,  lässt  sich  aus  Dusdn's  Darstellung  nicht  entnehmen.  Oberhalb  500  m 
soll  die  Vegetation  ausserordentlich  arm  sein;  an  der  Schneegrenze  sind  ober- 
halb derselben  nach  Dusdn  nur  noch  einige  Polster  von  Lebermoosen. 


Auswahl  der  Literatur. 

A 1  c  o  c  k ,  A.  W.   Report  on  the  natural  history  results  of  the  Pamir  boundary 

commission.     Calcutta,  1898. 
Brandis,  D.     Der  Wald  des  äusseren   nordwestlichen  Himalaya.     Verhandl. 

des  naturh.  Vereins  der  preuss.  Rheinlande  u.  Westfalens.    Bd.  XXXXII. 
Christ,   H.     I.   Vegetation   und   Flora   der   canarischen   Inseln.      S.  A.    aus 

Engler's  Jahrbüchern.     Bd.  VI.     1885. 
—  II.   Das  Pflanzenleben  der  Schweiz.     1877. 
Di  eis,    L.      Vegetations  -  Biologie    von   Neu -Seeland.      Engler's   Jahrbücher. 

Bd.  XXII.     1896. 
Drude,  O.     Deutschlands  Pflanzengeographie.     1896. 
Dusdn,  P.    Ueber  die  Vegetation  der  feuerländischen  Inselgruppe.    Engler's 

Botan.  Jahrbücher.     Bd.  24.     1897. 


8l6  Vierter  Abschnitt:   Die  Höhen. 

Kurtz,  F.  Dos  viajes  botanicos  al  Rio  Salado  superior  (Cordillera  de 
Mendoza).  Boletin  de  la  Academia  nacional  de  ciencias  de  Cordoba. 
T.   XIÜ.     1893. 

Lorentz,  P.  G.  Vegetationsverhältnisse  der  argentinischen  Republik.  Buenos 
Aires  1876. 

Martius,  Ch.     Von  Spitzbergen  zur  Sahara.     2tc  Aufl.     Jena  1872.    Bd.  I. 

Mayr,  Dr.  H.     I.   Die  Waldungen  von  Nordamerika.     1890. 

—  II.    Aus  den  Waldungen  Japan's.     München  1891. 

Pax,  F.  Grundzüge  der  Pflanzenverbreitung  in  den  Karpathen.  Theil  I. 
1898. 

Reiche,  Karl.  Die  botanischen  Ergebnisse  meiner  Reise  in  die  Cordilleren 
von  Nahuelbuta  und  von  Chillan.     Engler's  Jahrb.     Bd.  22.     1895. 

Rein,  Japan. 

Philip pi,  F.  Visit  to  the  northernmost  forest  of  Chile.  Journal  of  botany. 
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Sendtner,  O.     Vegetationsverhältnisse  Süd-Bayern's.     1854. 

Stebler,  F.  G.  u.  Schröter,  C.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Matten  und 
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Thode,  Gust  Die  botanischen  Höhenregionen  Natal's,  Engler's  Jahrb. 
Bd.  18.     Beiblatt  43.     1894. 

Trabut,  L.  Les  zones  botaniques  de  l'Algerie.  Association  francaise  pour 
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Willkomm,  M.  Grundzüge  der  Pflanzenverbreitung  auf  der  iberischen  Halb- 
insel.    1896. 


Fünfter  Abschnitt: 

Die  Vegetation  der  Gewässer. 


I.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der 
Wasserpflanzen. 

§  I.  Halophyten  und  Nichthalophyten.  Salzige,  süsse,  brackische  Gewässer. 
—  §  2.  Gliederung  der  Wasservegetation.  Horizontale  Gliederung.  Verticale 
Gliederung.  Lichtregionen.  Benthos,  Plankton,  Hemiplankton.  Physik  und  Chemie  des 
Substrats.  —  §  3.  Periodische  Erscheinungen.  —  §  4.  Specielle  Betrach- 
tung der  Factoren.     Salze.     Temperatur.     Licht. 

§  I.  Halophyten  und  Nichthalophyten.  Der  Einfluss  chemischer 
Factoren  auf  die  Gliederung  der  Vegetation,  welcher  auf  dem  Festlande 
demjenigen  klimatischer  Factoren  untergeordnet  ist,  kommt  für  die 
Gewässer  an  erster  Stelle  in  Betracht.  Jede  Eintheilung  der  Wasser- 
flora beginnt  mit  der  Trennung  der  salzigen  und  der  nichtsalzigen 
oder  süssen  Gewässer.  Allerdings  sind  beide  Hauptgruppen  durch 
Uebergangsglieder,  die  brackischen  Gewässer,  zu  welchen  Aestuarien 
und  die  meisten  Salzseen  des  Binnenlandes  gehören,  geschieden.  Die 
Grenzen  sind  jedoch  durch  die  brackischen  Gewässer  wenig  vermischt, 
da  letztere  einerseits  eine  geringe  Ausdehnung,  andererseits  eine  spär- 
liche Flora  besitzen. 

Während  es  kaum  einen  Landhalophyten  geben  dürfte,  der  nicht 
ohne  oder  doch  nur  mit  Spuren  von  Kochsalz  in  Cultur  gedeihen 
könnte,  wirkt  die  Verpflanzung  von  Salzwasserpflanzen  in  Süsswasser 
oder  umgekehrt  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  tödtend. 
Das  Fehlen  der  Landhalophyten  in  der  nicht  halophytischen  Landflora 
ist    nur  durch  ihre  Unfähigkeit,    erfolgreich  zu  kämpfen,    das  Fehlen 

Schimper,  Pflanzengtographie.  C2 


818  Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 

der  Wasserhalophyten  im  Süsswasser  dagegen  durch  ihre  Unfähigkeit 
darin  zu  leben  bedingt.  Der  Unterschied  zwischen  Halophyten  und 
Nichthalophyten  ist  demnach  im  Wasser  weit  tiefer  als  auf  dem  Fest- 
lande in  der  Organisation  begründet. 

§  2.  Gliederung  der  Wasservegetation.  Die  durch  das  Wärme- 
klima bedingte  zonare  Gliederung  kommt  in  den  Gewässern,  in 
Folge  der  gleichmässigeren  Temperatur  der  letzteren,  weniger  zur 
Geltung  als  auf  dem  Festlande.  Die  Regenverhältnisse  kommen  nur 
für  die  süssen  Gewässer  einigermaassen  in  Betracht.  Wichtiger  sind 
für  die  Meere  die  kalten  und  warmen  Strömungen,  welche  die 
Flora  der  Festländer  ebenfalls,  aber  nur  indirekt  beeinflussen. 

Wie  auf  den  Festländern  ist  auch  in  den  Gewässern  eine  vertikale 
Gliederung  erkennbar;  den  Höhenregionen  der  ersteren  entsprechen 
in  den  letzteren  Tiefenregionen.  Es  handelt  sich  dabei  jedoch 
um  ganz  ungleiche  Erscheinungen.  Der  im  Wasser  dabei  maassgebende 
Factor  ist  das  Licht,  während  der  Wärme  nur  eine  geringe  oder  gar 
keine  Bedeutung  zukommt.  Die  Tiefenregionen  der  Gewässer  sind 
Stufen  abnehmender  Beleuchtung ,  Lichtregionen.  Es  empfiehlt 
sich,  die  maassgebende  Bedeutung  des  Lichtes  auch  in  der  Benennung 
der  Regionen  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Drei  Hauptstufen  der  Hellig- 
keit können  unterschieden  werden:  I.  Die  photische  oder  helle 
Region,  in  welcher  die  Lichtintensität  für  die  normale  Entwickelung 
von  Makrophyten  genügt.  II.  Die  dysphotische  oder  dämmerige 
Region,  in  welcher  die  meisten  Makrophyten  nur  kümmerlich  oder  gar 
nicht  mehr  gedeihen,  während  gewisse  genügsame  assimilirende 
Mikrophyten  (namentlich  Diatomaceen)  noch  fortkommen.  in.  Die 
aphotische  oder  dunkele  Region,  in  welcher  nur  noch  nicht- 
assimilirende  Organismen  existiren  können.  Entsprechend  der  ungleichen 
Trübung  der  Gewässer  durch  suspendirte  Theilchen  liegen  die  Grenzen 
der  Regionen  in  den  Einzelfällen  sehr  ungleich  tief. 

Es  giebt  in  der  Luft  keine  schwebende  Flora,  denn  die  Bacterien 
und  Sporen  des  atmosphärischen  Staubs  sind  Erzeugnisse  der  Land- 
flora. In  den  Gewässern  ist  hingegen  zwischen  einer  festsitzenden  Flora 
oder  B  e  n  t  h  o  s  und  einer  frei  schwebenden,  bezw.  schwimmenden  oder 
Plankton  zu  unterscheiden. 

Sowohl  Benthos  wie  Plankton  zeigen  die  Gliederung  in  Licht- 
regionen. Das  letztere  ist  nur  oberhalb  grosser  Tiefen  typisch  ent- 
wickelt. In  den  Flachwässern  der  Küsten  und  in  seichten  Binnen- 
wässern ist  es  stets  mit  Formen  des  Benthos  vermischt  und  zeigt 
sich  auch  in  seinen  eigentlichen  Bestandteilen  weniger  vom  Boden 
unabhängig.  Die  schwebenden  und  schwimmenden  Gewächse  der 
Flachgewässer  sollen  daher  als  Hemiplankton  zusammengefasst 
werden. 


I.   Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Wasserpflanzen.  819 

Plankton  und  Benthos  werden  im  Meere  als  pelagisch,  in  den 
Süssgewässern  als  limnetisch  bezeichnet. 

Salzgehalt,  Wärme  und  Licht  bedingen  die  grossen  Trennungs- 
linien der  Wasservegetation.  Für  die  Gliederung  im  kleinen  treten 
andere  Factoren  hinzu,  unter  welchen  die  Bewegung  eine  hervor- 
ragende Rolle  spielt.  Der  rasche  Wechsel  der  Formationen  an  den 
Meeresküsten  ist  nicht  nur  durch  Licht  und  Schatten,  sondern  auch 
durch  Ruhe  und  Bewegung  (Brandung,  Ebbe  und  Flut)  bedingt.  Die 
stehenden  süssen  Gewässer  haben  eine  andere  Vegetation  als  die  strömen- 
den. Bewegtes  Wasser  setzt  bei  den  Pflanzen  andere  mechanische  Eigen- 
schaften als  ruhendes  voraus  und  ist  ausserdem  luftreicher  als  das  letztere. 

Ausserdem  kommen  bei  der  horizontalen  Gliederung  der  Regionen 
auch  die  physikalischen  Verhältnisse  des  Substrats  in  Betracht. 
Je  nach  harter,  steiniger,  oder  weicher,  schlammiger  oder  sandiger 
Beschaffenheit  desselben  zeigt  die  Vegetation  ein  anderes  Bild.  Die 
benthonische  Vegetation  des  Meeres  besteht  ganz  vorwiegend  aus  Litho- 
phyten,    diejenige  der   süssen  Gewässer   mehr  aus  Schlammbewohnern. 

Die  chemische  Natur  des  Substrats  hat  nur  für  die  kleineren 
süssen  Gewässer  Bedeutung,  deren  Flora  je  nach  Armuth  oder  Reichthum 
an  gelöstem  kohlensaurem  Kalk  grosse  Unterschiede  aufweist.  Eigen- 
artig ist  auch  die  Flora  der  Torf  graben.  Endlich  üben  auch  organische 
Verunreinigungen  thierischen  und  pflanzlichen  Ursprungs  ebenfalls  einen 
bedeutenden  Einfluss  auf  die  Zusammensetzung  der  Flora.  Alle  diese 
chemischen  Erscheinungen  sind  auf  Lokalitäten  geringer  Ausdehnung 
beschränkt. 

§  3.  Periodische  Erscheinungen.  Die  Periodicität  der  Wasser- 
vegetation ist  theilweise  von  anderen  Factoren  als  diejenige  der  Land- 
gewächse beherrscht.  Entsprechend  ihren  geringen  Schwankungen  ist 
die  Temperatur  weniger  wirksam.  Die  perennirenden  Meeresalgen 
besitzen  keine  Winterruhe;  meist  sind  sie  im  Sommer  hauptsächlich 
vegetativ,  im  Winter  reproductiv  thätig.  Schon  in  warmtemperirten 
Meeren,  wie  dem  Mittelmeer,  macht  sich  der  Wärmeunterschied  nicht 
mehr  geltend.  In  den  kleinen  Gewässern  des  Binnenlandes  kommt 
entsprechend  den  grösseren  Wärmeschwankungen  und  der  leichter 
eintretenden  Eisbildung  der  Unterschied  der  Jahreszeiten  mehr  zur 
Geltung,  doch  auch  da  weniger  als  auf  dem  Festlande.  Vielfach  be- 
dingen die  jahreszeitlichen  Schwankungen  des  Lichtes  eine  deutliche 
Periodicität,  so  namentlich  in  südlichen  Meeren.  Endlich  kommt  auch 
den  Unterschieden  der  Bewegung  zu  verschiedenen  Jahreszeiten  für 
das  Benthos  der  Meere  eine  nicht  unwesentliche  Bedeutung  zu. 

§  4.  Specielle  Betrachtung  der  Factoren.  Im  Folgenden  sollen 
die  wichtigeren  der  eben  aufgezählten  und  kurz  charakterisirten  Factoren, 
soweit  sie  allgemeine  Bedeutung  haben,  etwas  genauer  dargestellt  werden. 

52* 


820  Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 

Salzwasser  und  Süsswasser.  Der  Salzgehalt  des  Meerwassers  ist 
in  den  Binnenmeeren  ein  anderer  als  in  den  Oceanen  und  nimmt  ganz  all- 
gemein von  der  offenen  See  nach  der  Küste  ab.  Am  salzreichsten  ist  in 
Folge  grosser  Verdunstung  bei  spärlicher  Zufuhr  von  Süsswasser  das  Rothe 
Meer,  in  dessen  Wasser  bis  4.3 °/0  Salze  gefunden  wurden.  Sehr  salzarm  ist 
namentlich  die  Ostsee  mit  stellenweise  weit  unter  1  °/0  Salze.  Von  dem 
Salzgehalt  der  Oceane  mögen  folgende  Analysen  eine  Vorstellung  geben. 
Die  Wasserprobe  I  wurde  im  Hafen  von  Callao,  II  im  Atlantischen  Ocean 
unter  41  °  18'  n.  Br.  und  36 °  28'  w.  L.  geschöpft 


I  (Pacifik) 

1      n    (Atlantik) 

Betrag   der   Salze: 

!           328 

3-84 

Chlornatrium 

•   i             7  5.8o 

|              76.89 

Chlormagnesium 

8.87 
•   |               3.68 

8.05 

Chlorkalium 

3-33 

Bromnatrium 

1.23 

1.30 

Schwefelsaurer  Kalk 

4.54 

1              494 

Schwefelsaure  Magnesia 

.   |                5.88 

549 

I    '      IOO  I  IOO 

Ein  Liter  Wasser  des  Genfer  Sees  enthält  nach  Forel: 

Milligramm 

Natrium-  und  Kaliumchlorid 18 

Schwefelsaures  Natron 15.0 

Schwefelsaures  Ammoniak Spuren 

Schwefelsaurer  Kalk 47.9 

Salpetersaurer  Kalk 1.0 

Kohlensaurer  Kalk 73.9 

Kieselsäure 3.7 

Thonerde  und  Eisenoxyd 1.9 

Organische  Materie,  Verluste 11.9 

174.1. 

Temperatur.  Schon  die  Oberflächentemperatur  der  Gewässer  zeigt 
viel  geringere  Schwankungen  als  die  darüber  liegende  Luft,  und  der  Unter- 
schied wird  noch  weit  grösser,  wenn  die  Luft  des  Binnenlandes  zum  Vergleich 
herangezogen  wird,  denn  die  Gewässer  üben  einen  ebnenden  Einfluss  auf  die 
Temperaturwärme  der  benachbarten  Theile  der  Atmosphäre.  Die  höchste 
an  der  Meeresoberfläche  bis  jetzt  beobachtete  Temperatur  wurde  bei  Celebes 
mit  31  °  C.  festgestellt;  die  tiefste  entspricht  dem  Gefrierpunkt  des  Meeres- 
wassers —  3.6  °  C. 

Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Tiefe  ist  natürlich  weniger  gross 
in  den  polaren  als  in  den  temperirten  und  tropischen  Gewässern.  An  der 
Küste  von  Grönland  wurde  im  August  1877  an  der  Oberfläche  -f"  30,  bei 
37  m  Tiefe  o°,  bei  3000  m  Tiefe  auf  dem  Boden  —  1.5 °  gemessen.  Im 
äquatorialen  Theile  des  Pacifik  fand  die  Gazelle  an  der  Oberfläche  -f-  29°» 
in  3000  m  Tiefe  -j-  1.6  °  C. 


I.   Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Wasserpflanzen.  82  I 

Die  Tiefenisothermen  von  je  i°C.  Unterschied  folgen  sich  von  der  Ober- 
fläche nach  unten  zunächst  sehr  rasch,  dann  allmählich  langsamer.  So  nimmt 
die  Temperatur  im  äquatorialen  Pacifik  in  der  Tiefe  von  o  bis  200  Faden 
um  1  °  pro  1  o  Faden  ab.  Dann  werden  die  Abstände  rasch  grösser.  Die 
Isotherme  von  30  erstreckt  sich  von  1000  bis  1400  Faden  Tiefe,  dann 
herrscht  bis  zum  Boden  (2400  Faden)  eine  ziemlich  gleichmässige  Temperatur 
von  -j-  20.1)  Die  zuletzt  erwähnten  grossen  Tiefen  haben  für  das  Pflanzen- 
leben nur  ganz  untergeordnete  Bedeutung. 

Im  Mittelmeer  hören  die  täglichen  Temperaturschwankungen  in  18  m 
Tiefe,  die  jährlichen  in  400  m  Tiefe  auf;  in  der  Chinasee  hört  die  Wirkung 
der  Jahreszeiten  bereits  bei  185  m  mit  einer  Temperatur  von  -|-  15.60  C.  auf. 
Die  jährlichen  Schwankungen  betragen  in  der  tropischen  Zone  des  Atlantik 
2.4 °  C,  in  der  gemässigten  Zone  7.2 0.*)  Seichte  Meeresspiegel  und  Binnen- 
gewässer zeigen  grössere  Schwankungen  als  die  offene  See.  Folgende  Tabelle 
giebt  eine  Vorstellung  von  den  Temperaturverhältnissen  in  einem  mittel- 
europäischen Binnensee: 

Temperatur  des  Plöner- Sees  nach  Ule   1892  (U.)  und  Apstein  1893  (A.). 


Tag 
Monat 

II  (A.) 

19            30 
III  (A.)   IV  (A.) 

24 

V(U.) 

4               2 
VI(A.)    VII  (A.) 

11 
VIII  (U.) 

0  m     .     . 
4°m    .     . 

o.6° 
»•5° 

3-5°          8° 
2.5«         5« 

13-6° 
5-3° 

13-7°          15° 
5-5°        5-6° 

16.30 
6-3° 

In  den  Thermen  erreicht  das  Wasser  in  einigen  Fällen  (Japan,  Mexiko, 
Süd -Amerika,  Atlas)  über  90  °,  doch  kommen  dieselben  bezw.  ihre  Ausflüsse 
erst  unter  60  °  in  Betracht.  Der  sich  in  constant  hoher  Temperatur  befind- 
lichen Flora  der  Thermen  steht  die  in  constant  niedriger  Temperatur  befind- 
liche Schnee-  und  Eisflora  gegenüber. 

Licht  Die  Tiefe  bis  zu  welcher  das  Licht  in  das  Wasser  dringt, 
ist  natürlich  von  der  Klarheit  des  letzteren  abhängig  und  daher  in  hohem 
Grade  von  Ort  und  Zeit  beeinflusst.  Fol  und  Sarrasin  fanden  im  Genfer 
See,  im  September,  noch  bei  170  m  eine  leichte,  bei  120  m  aber  eine  kräf- 
tige Schwärzung  der  photographischen  Platte.  Im  April  war  sogar  bei  250  m 
Tiefe  das  Licht  noch  nicht  ganz  erloschen. 

Die  verschiedenen  Strahlen  des  Spectrums  werden  in  sehr  ungleicher 
Weise  absorbirt,  die  stärker  brechbaren  von  Grün  bis  Indigo  weniger  als  die 
schwach  brechbaren  im  Roth  und  Gelb.  So  lässt,  nach  Hüffner,  eine  1 80  cm 
lange  Säule  reinen  Wassers  nur  etwa  5o°/0  des  Roth,  aber  9o°/0  des  Grün 
und  95%  des  Indigo  durch.  Diese  Ungleichheit,  auf  welcher  die  Farbe  des 
Wassers  beruht,  scheint  ohne  Bedeutung  für  das  Pflanzenleben  zu  sein.  Viel- 
mehr wirkt,  nach  Versuchen  Oltmann's,  die  Farbe  des  Meeres  lediglich  als 
Schattendecke. 


1)  Alle  diese  Zahlen  nach  Walther,  Allgem.  Meereskunde. 

2)  Walther,  Einleitung. 


n.  Die  Vegetation  des  Meeres. 

Einleitung.  Die  Familien  der  Meeresflora.  1.  Das  Beilthos.  §  i.  Allgemeines. 
Lithophyten,  Sand-  und  Schlammpflanzen.  Epiphyten.  Photische  Region:  Auftauchender 
Gürtel,  untergetauchter  Gürtel.  Horizontale  Gliederung.  —  §  2.  Das  Benthos  der  tro- 
pischen Meere.  Sargassum.  Pflanzenarmuth  des  auftauchenden  Gürtels.  —  §  3.  Das 
Benthos  der  warmtemperirten  Meere.  Gliederung  desselben  im  Golf  von  Neapel, 
nach  Berthold.  Vorwiegende  Bedeutung  des  Lichtes.  Lichtperiodicität  und  Bewegungs- 
periodicität.  —  §  4.  Das  Benthos  der  kalttemperirten  Meere.  Vorherrschen  der 
Braunalgen.  Auftauchender  und  untergetauchter  Gürtel.  Zurücktreten  der  Lichtwirkungen. 
Temperatur  und  Periodicität.  Laubwechsel.  Südliche  temperirte  Meere.  —  §  5.  Das 
arktische  Benthos.  Grosse  Ueppigkeit  Rolle  der  Fucaceen  und  der  Laminariaceen. 
Standorte.  Periodicität.  2.  Das  pelagisohe  Flankton.  Systematische  Zusammensetzung. 
Oekologische  Eigenthtimlichkeiten.     Lichtregionen.     Klimazonen. 

Die  Flora  des  Meeres  weist  nur  wenige  Phanerogamen  auf,  die 
sogenannten  Seegräser,  die  sämmtlich  auf  das  Benthos  beschränkt  sind 
und  zu  zwei  Familien,  den  Potamogetonaceen  und  Hydrocharitaceen 
gehören. 

Die  Potamogetonaceen  sind  vertreten  durch  5  Arten  von  Zostera,  2  Phyllo- 
spadix,  2  Posidonia,  1  Ruppia  (mehr  brackisch),  7  Cymodocea,  2  Halodule. 
Die  Hydrocharitaceen  des  Meeres  sind  mehrere  Halophila,  1  Enhalus,  2  Tha- 
lassia  (Ascherson). 

Die  Pteridophyten  und  Bryophyten  fehlen  im  Meere  gänzlich. 
Die  Hauptmasse  der  Meeres  Vegetation  ist  von  Algen  gebildet,  die 
sich  auf  die  verschiedensten  Klassen  und  Ordnungen  vertheilen. 
Die  stattlicheren,  durch  ihre  Dimensionen  und  ihre  Gliederung  den 
Gefässpflanzen  und  Moosen  vergleichbaren  Algen  sind  Rhodophyceen, 
Phaeophyceen ,  weniger  Chlorophyceen.  Sie  gehören  sämmtlich  dem 
Benthos  an.  Die  kleinen,  mit  dem  blossen  Auge  eben  noch  oder  nicht 
mehr  sichtbaren  Algen  sind  vorwiegend  Cyanophyceen  (Oscillarieen), 
Diatomaceen  und  Peridineen,  weniger  Grünalgen  (Protococcaceen  etc.). 
Solche  mikrophytische  Algen  bilden  die  Hauptmasse  des  pflanzlichen 
Plankton,  sie  sind  aber  auch  im  Benthos  reichlich  vorhanden.    Die  Pilze 


II.    Die  Vegetation  des  Meeres.  823 

sind  im  Meere  nur  durch  wenige  mikroskopische  Formen  vertreten. 
Die  Bacterien  treten  im  Flachwasser  der  Küsten  massenhaft,  in  der 
Hochsee  nur  wenig  auf;  sie  bedingen  theilweise  die  Erscheinung  des 
diffusen  Meeresleuchtens. 


1.  Das  Benthos. 

§  I.  Allgemeines.  Die  Benthospflanzen  der  Meere  sind  ganz  vor- 
wiegend Lithophyten.  Ihre  massiven  Formen  sind  durch  starke  Haft- 
scheiben mit  der  Unterlage  verbunden  (Fig.  4760),  während  bei  kleinen 
Formen  entsprechend  einfachere  Vorrichtungen,  bei  den  Diatomaceen 
Gallertstiele  (Fig.  477)  zur  Verwendung  kommen.  Die  Zahl  der  auf  schlam- 
migem oder  sandigem  Boden  gedeihenden  Arten  ist  eine  geringe.  Solche 
Standorte  stellen  in  grösseren  Tiefen  oder  in  bewegtem  Wasser  Wüsten 
dar,  auf  welchen  nur  Steine,  Muscheln  und  Korallen  einige  Vegetation 
zeigen,  während  sie  allerdings  in  sehr  ruhigen  und  seichten  Buchten  von 
den  fluthenden  Wiesen  der  Seegräser  überzogen  zu  sein  pflegen.  Nur 
wenige  Algen  gedeihen  auf  Sand  oder  Schlamm,  so  z.  B.  die  Arten 
von  Caulerpa  und  einige  andere  Siphoneen,  welche  dementsprechend 
mit  wurzelähnlichen,  in  den  Boden  dringenden  Befestigungsorganen  ver- 
sehen sind  (Fig.  480). 

Die  Zahl  der  epiphytisch  lebenden  Algen  ist  eine  grosse.  Die- 
selben sind  vielfach  mit  den  Lithophyten  identisch  und  weisen  keine 
besonderen  Anpassungen  auf  (Fig.  476  d).  Auch  hemiparasitiche  Formen 
sind  namentlich  unter  den  Florideen  häufig  (Fig.  476^). 

Die  makrophytischen  Algen  sind  beinahe  ausschliess- 
lich, die  Phanerogamen  ausnahmslos  Bewohner  der  pho- 
tischen  Region.  Diese  Region  kann  wiederum  in  zwei 
Gürtel  zergliedert  werden,  den  auftauchenden  und  den 
untergetauchten. 

Der  auftauchende  Gürtel  erstreckt  sich  von  der  Ebbegrenze 
bis  um  so  höher  über  die  Fluthgrenze,  als  die  Brandung  stärker  ist. 
Seine  Flora  ist  eine  charakteristische  und  an  die  dort  gegebenen  Be- 
dingungen: Intensives  Licht,  starke  Bewegung,  Wechsel  von  Wasser 
und  Luft  gebunden.  Er  zeigt  sich  meistens  wiederum  in  Stufen  un- 
gleicherEmersionsdauer  eingetheilt.  Die  Gewächse  der  untersten 
Stufe  sind  dicht  oberhalb  der  Ebbegrenze  befestigt,  so  dass  sie  stets 
mit  dem  grössten  Theile  ihrer  Glieder  submers  bleiben;  hier  sind  die 
günstigsten  Bedingungen  und  daher  die  stattlichsten  Pflanzen  vorhanden. 
Die  oberste  Stufe  hingegen  bietet  die  Gefahr  der  Austrocknung  und 
ist  dementsprechend  kümmerlich  bewachsen.  Dichter,  niederer  Wuchs, 
starke  Verdickung  der  Membranen,   sparrige  straffe  Verzweigung  sind, 


Fig-  475-     Seegräser.     /  Zostera   marina  L. ,    Nordsee.      */«   nat    Gr.     2   Inflorescenz   ders. 
nat  Gr.    3  Posidonia  oceanica  Dec,  Mittelmeer.     1/i  nat.  Gr. 


II.    Die  Vegetation  des  Meeres. 


825 


für   die    meisten    auftauchenden   Gewächse   —    es    sind    ausschliesslich 
Algen  —  charakteristisch. 

Dem   untergetauchten    Gürtel    gehören    sämmtliche   Phane- 
rogamen    und    die    grosse  Masse   der  Algenvegetation   an.     Auch   hier 


F>g-  476.    Cladophora  pygmaea  Rice,  Basis  mit  Haftscheibe.    Vergr.  600.    b  Ralfsia  verrucosa 

Aresch.    sp.      1/9   nat.    Gr.      c  Chorda    filum.      Basalstück    l/r      d  Desmotrichum    balticum 

Kütz.  auf  Zostera  l\v     e  Microspongium  gelatinosum  Rke  epiphyt.  auf  Fucus  serratus. 


lassen  sich  Tiefenstufen  unterscheiden;  welche  jedoch  auf  der  Abnahme 
der  Beleuchtung  bei  zunehmender  Tiefe,  also  auf  einem  anderen  Factor 
beruhen,  als  im  auftauchenden  Gürtel. 

Vielfach  zeigen  sich  die  Grünalgen   hauptsächlich   im   oberen,    die 
Braunalgen  im  mittleren,  die  Rothalgen  im  untersten  Theile  des  Gürtels 


826 


Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 


vorherrschend;  doch  ist  solcher  Zusammenhang  zwischen  der  Farbe 
der  Algen  und  der  Tiefe  des  Standortes  keineswegs  so  allgemein  und 
so  ausgeprägt,  als  es  ältere  Autoren,  namentlich  Oersted,  annahmen, 
die  auf  demselben  sogar  eine  Gliederung  in  Regionen  gründeten. 
Namentlich  zeigen  sich  die  Phaeophyceen  im  oberen,  die  Chlorophyceen 
im  mittleren  Theile  des  Gürtels  manchmal  vorherrschend,  während  die 
Rhodophyceen  allerdings  die  untersten  Lichtstufen  zu  beherrschen 
pflegen.  Die  Rothalgen  kommen  übrigens  auch  deswegen  mit  zu- 
nehmender Tiefe  mehr  zur  Geltung,  weil  sie  überaus  lichtempfindlich 
sind  und  in  der  stärkeren  Beleuchtung  der  Oberfläche  einer  Verfärbung 
unterliegen,  die  nicht  nothwendig  eine  Beeinträchtigung  ihrer  Lebens- 
thätigkeit  bedingt. 

Für  die  horizontale  topographische  Gliederung  kommt  wiederum 
das  Licht   in    erster  Linie  in  Betracht;    manche  Arten   der  Tiefe,  z.  B. 

Florideen  kommen  an  schattigen  Stellen 
auch  in  der  Nähe  der  Oberfläche  vor.  Ferner 
ist  die  Stärke  der  Bewegung  von  Bedeutung. 
So  wachsen  viele  Corallineen  in  sehr  be- 
wegtem Wasser,  während  die  Cystoseiren 
und  Padina  Pavonia  auf  ruhigere  Standorte 
beschränkt,  die  Arten  des  Sandes  und 
Schlammes  nur  in  ganz  stillem  Wasser  ver- 
treten sind.  Wechsel  im  Salzgehalt  des 
Wassers,  z.  B.  in  der  Nähe  der  Flussmün- 
dungen, bedingt  wichtige  Unterschiede.  Neue 
Formen  treten  zum  Vorschein,  andere,  weit 
zahlreichere  verschwinden.  Aehnliches  gilt 
von  der  organischen  Verunreinigung  des 
Wassers  an  Cloaken  und  Canalmündungen. 
§  2.  Das  Benthos  der  tropischen  Meere.  Im  Gegensatz  zu  der 
Landvegetation  ist  die  tropische  Meeresvegetation  weniger  üppig  und 
anscheinend  weniger  formenreich  als  diejenige  der  temperirten  und 
polaren  Zonen.  Nur  wenige,  meist  kleine  Formenkreise  sind  aus- 
schliesslich oder  ganz  vorwiegend  tropisch,  wie  die  marinen  Hydro- 
charitaceen  (Halophila,  Enhalus,  Thalassia),  die  Arten  von  Halodule  und 
die  meisten  von  Cymodocea  unter  den  Potamogetonaceen ,  die  Valo- 
niaceen,  Dasycladaceen ,  Caulerpaceen ,  Codiaceen  unter  den  Chloro- 
phyceen. Rhodophyceen  sind  reich,  Phaeophyceen  schwach  vertreten. 
Doch  gehört  zu  der  letztgenannten  Klasse  eine  Gattung  besonders  statt- 
licher, reichgegliederter,  formenreicher  und  häufiger  Formen  der  tro- 
pischen Meere,  Sargassum,  allen  Seefahrern  bekannt  durch  das  Vor- 
kommen abgerissener,  an  der  Meeresoberfläche,  oft  weit  von  den  Küsten 
schwimmender  Aeste   von    gelblicher  Farbe.      Die  Erscheinung   ist  be- 


Fig.  477.  Cymbella  cistula  Hemp. 
(Diatomaceae).  Langgestielte  Co- 
lonie.     Verg.     Nach  W.  Smith. 


II.    Die  Vegetation  des  Meeres. 


827 


sonders  auffallend  im  tropischen  Atlantik,  und  hat  dort  zur  Fabel  eines 
„Sargassomeers"  geführt,  wo  die  Alge,  wohl  stets  Sargassum  bacciferum, 
schwimmende  Wiesen  bilden  sollte  (Fig.  479).  Nur  wenige  Algenarten, 
wenigstens  unter  denjenigen  grösserer  Verbreitung,  sind  auf  die  von 
den  Wendekreisen  begrenzte  Zone  eingeschränkt;  die  meisten  werden 
auch  ausserhalb  derselben  in  den  wärmeren  Theilen  der  Oceane  an- 
getroffen. Es  wird  daher  nöthig  sein,  die  tropische  Zone  der  Meeres- 
vegetation nach  Norden  und  Süden  über  die  Wendekreise  hinaus- 
zudehnen. Doch  zeigen  sich  schon  im  Mittelmeer  Erscheinungen  des 
Pflanzenlebens,  welche  mit  dem  Wechsel  der  Jahreszeiten  im  temperirten 
Klima  zusammenhängen  und  in  den  Tropen  undenkbar  sind. 


Fig.  478.    Navicula  Grevillii.  Ag.  (Diatom.).    Baumartige  Colonie.    A  Verzweigtes  Bäumchen. 
B  Einige  Schlauchenden  mit  Zellen.     C  Einzelzelle.    Nach  Schutt  in :  Nat.  Pflanzenfamilien. 


Die  Benthosvegetation  der  tropischen  Meere  ist  zur  Zeit  noch  sehr 
ungenau  bekannt.  Kein  wissenschaftlicher  Reisender  scheint  ihr  bis 
jetzt  eine  genauere  Untersuchung  gewidmet  zu  haben.  Auch  ich  habe 
derselben  auf  meinen  tropischen  Reisen  besondere  Aufmerksamkeit 
nicht  geschenkt.  Im  Vergleich  zu  den  Küsten  nördlicherer  Meere, 
z.  B.  denjenigen  der  Riviera,  ist  mir  der  auftauchende  Gürtel  ausser- 
ordentlich arm  an  Algen  erschienen,  so  auf  den  kleinen  Antillen,  an 
den  felsigen  Küsten  bei  Singapore  und  an  der  Küste  Java's.  Eine 
Ausnahme  machen  jedoch  in  der  neuen  wie  in  der  alten  Welt  die 
Mangroven,  deren  im  Bereich  der  Gezeiten  befindliche  Wurzeln  und 
Stammbasen  einen   dichten  Ueberzug  schmutzig  violetter  Florideen   (in 


828 


Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 


Süd-Brasilien:    Catenella  impudica  Kutz.  und  Bostrychia  radicans  Mont. 

f.  brasiliana)  *)  aufwiesen. 

Die  allerdings  sehr  flüchtige  Betrachtung  des  untergetauchten  Gürtels 

an  Korallenbänken  des  Javameeres  ergab  auch  dort  nur  geringe  Er- 
gebnisse. Eine  Ausnahme  machte  bloss 
eine  Halimeda,  wahrscheinlich  H.  Opun- 
tia,  welche  überall,  häufig  auch  am 
Ufer  angeschwemmt,  auftrat. 

Dass  eine  Zunahme  der  Vege- 
tation in  der  Tiefe  stattfindet,  erscheint 
bei  der  Lichtempfindlichkeit  der  mei- 
sten Algen  und  den  Verhältnissen  im 
Mittelmeer  wahrscheinlich.  Auch  die 
Ueppigkeit  des  Algenwachsthums  im 
Schatten  der  Mangrove  spricht  dafür. 
§  3.  Das  Benthos  der  warm- 
temperirten  Meere.  Die  warmtempe- 
rirten  Meere  sind  in  Bezug  auf  geo- 
graphische Verbreitung  der  Algen 
genauer  erforscht  worden  als  die  tro- 
pischen und  haben  das  Vorhandensein 
mehrerer  mehr  oder  weniger  scharf 
begrenzter  Bezirke  ergeben.  So  ist  die 
Algenflora  des  Rothen  Meeres  sehr 
verschieden  von  derjenigen  des  Mittel- 
meeres und  das  australische  Meer  ist 
floristisch  ebenso  eigenartig  wie  das 
australische  Festland.  Die  Unterschiede 
dürften  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
mehr  auf  historischen,  ent wickelungs- 
geschichtlichen, als  auf  gegenwärtigen, 
physiologischen  Ursachen  beruhen.  So 
ist  z.  B.  nicht  zu  ersehen,  welche 
physiologisch  wirkenden  Factoren  die 
grossen  Unterschiede  der  Meeresflora 
auf  beiden  Seiten  des  Suez -Isthmus 
bedingen  sollen.  Dass  in  anderen 
Fällen  gegenwärtige  Ursachen,  wie  Salz- 
gehalt, Beeinflussung  der  Temperatur 
Fig.  479.  Sargassum  baccifemm.  durch  Strömungen  etc. ,  mehr  oder 
Nat.  Gr.    Nach  Kützing.  weniger     an    den     Unterschieden    be- 


')  Nach  Bestimmung  von  Prof.  M.  Möbius,  mitgetheilt  von  Prof.  H.  Schenck. 


II.    Die  Vegetation  des  Meeres. 


829 


theiligt  sein  können,  erscheint  allerdings  nicht  ausgeschlossen.  Doch 
liegen  zur  Zeit  darüber  keine  Untersuchungen  vor. 

Berthold  hat  von  der  Algenvegetation  des  Golfes  von  Neapel  eine 
ökologisch  pflanzengeographische  Charakteristik  gegeben,  die  in  jeder 
Hinsicht  befriedigend  erscheint  und  für  die  anderen  warmtemperirten 
Meere  weitgehende  Gültigkeit  haben  dürfte. 

Die  Küste  des  Golfes  von  Neapel  ist  vornehmlich  felsig;  sie  weist 
aber  auch  schlammige  und  sandige  Standorte  auf.  Der  auftauchende  Gürtel 
ist,  wie  überall,  nur  $uf  steiniger  Unterlage  bewachsen.  Manche  Arten 
kommen   da  in  üppiger  Entwickelung   vor,    welche  im  untergetauchten 


Fig.  480.     Caulerpa   prolifera.     a  Wachsende  Spitze.       Fig.  48 1 .  Acetabularia  mediterranen. 
b  Junge  Thalluslappen.  rRhizoide.  */e  nat.  Gr.  L.  d.  B.  Nat.  Gr.     L.  d.  B. 


Gürtel  fehlen  oder  spärlich  sind,  z.  B.  Rhodophycecn  aus  den  Gattungen 
Porphyra,  Ceramium,  Callithamnion ,  Bangia  und  verschiedene  Chloro- 
phyceen,  namentlich  Ulva-Arten. 

Der  untergetauchte  Gürtel  besitzt  eine  viel  grössere  Breite  und 
eine  viel  reichere  Flora  als  der  übertauchende ;  er  ist  in  der  Nähe  von 
Capri  noch  bei  120 — 130  m  Tiefe  üppig  bewachsen.  Der  Sandboden  ist 
von  Wiesen  der  Posidonia  oceanica  überzogen,  die  bei  60  m  Tiefe  noch 
zusammenhängend  sind,  bei  80 — 100  m  aber  nur  noch  vereinzelte  Pflanzen 
aufweisen.  Bis  zur  Tiefe  von  15  m  tritt  Caulerpa  prolifera  (Fig.  480) 
mit  Posidonia  auf.  Doch  wächst  dieselbe  vornehmlich  auf  schlammigem 
Boden,  wo  Zostera  marina  und  minor  stellenweise  dichte  Bestände 
bilden.    Andere  Algen  dieser  Formationen  sind  Epiphyten  der  Seegräser 


8jO  Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 

oder  Lithophyten,  die  an  einzelnen  Steinen  oder  Muscheln  befestigt 
sind.  Eine  schon  massige  Bewegung  des  Wassers  durchwühlt  den 
lockeren  Boden  und  schliesst  jede  Vegetation  auf  demselben  aus. 

Die  formenreiche  Lithophytenvegetation  des  untergetauchten  Gürtels 
ist  in  mannigfache  Formationen  gegliedert,  deren  Unterschiede  namentlich 
durch  solche  der  Beleuchtung  bedingt  sind.  Die  Veränderung  der 
Flora  entsprechend  der  Lichtabnahme  in  der  Tiefe  ist  hier  sehr  aus- 
geprägt Sie  wiederholt  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  hori- 
zontaler Richtung,  entsprechend  den  durch  die  Unregelmässigkeit  der 
Küste  bedingten  mannigfachen  Abstufungen  von  Licht  und  Schatten. 
Doch  zeigen  sich  nicht  alle  Formen  der  Tiefe  an  den  gleichbeleuchteten 
Standorten  der  Oberfläche.  Die  schattenliebenden  Arten  sind,  wie 
überall,  vornehmlich  Rothalgen,  wie  Lithophyllum - ,  Lithothamnium- 
Arten  etc.  Dagegen  suchen  die  Braunalgen  vornehmlich  helle  Stellen 
auf.  Die  schirmförmige  grüne  Acetabularia  mediterranea  (Fig.  481),  die 
scheibenförmige  braune  Padina  pavonia  gehören  zu  den  ausgesprochenen 
Sonnenalgen.  Auch  einige  Florideen  sind  ausgesprochen  lichthold, 
z.  B.  Arten  von  Laurencia,  Ceramium;  sie  besitzen  in  solchen  Fällen 
düstere  Farben  und  nehmen  nur,  wenn  sie  zufällig  im  Schatten  wachsen, 
das  leuchtende  Roth  an,  das  ihre  lichtscheuen  Verwandten  auszeichnet. 

Die  Lichtempfindlichkeit  hat  bei  den  Algen  des  Mittelmeeres  — 
und  wahrscheinlich  aller  Meere  niederer  Breiten  —  Anpassungen  hervor- 
gerufen, welche  in  kälteren  Meeren  zwar  nicht  fehlen,  aber  der  geringeren 
Lichtintentisität  halber  weniger  stark  zur  Entwickelung  kamen.  Die  in 
einem  früheren  Abschnitte  dieses  Buches  (S.  66)  geschilderten  Schutz- 
vorrichtungen von  Algen  gegen  zu  starkes  Licht  sind  sämmtlich  von 
Berthold  bei  Neapel  entdeckt  worden  und  treten  auch  z.  B.  an  der  Riviera 
auf.  Die  Arten,  welchen  in  hohem  Grade  die  Fähigkeit  zukommt,  sich 
der  jeweiligen  Lichtintensität  anzupassen,  vermögen  ungleiche  Grade  der 
Helligkeit  unbeschädigt  zu  ertragen,  während  gewisse  Florideen,  in  Folge 
mangelnder  Plasticität,  so  lichtscheu  sind,  dass  sie  sich  noch  bei  60  m 
Tiefe  in  den  Schatten  verkriechen  (Palmophyllum,  Cruoriopsis  etc.). 

Die  im  Mittelmeer  und  wohl  noch  in  anderen  warmtemperirten 
Meeren  sehr  ausgeprägte  Periodicität  der  Meeresvegetation  steht  eben- 
falls wesentlich  mit  dem  Lichte  im  Zusammenhang. 

Ganz  allgemein  entspricht  im  Mittelmeer  die  Vege- 
tationszeit in  der  Nähe  der  Oberfläche  hauptsächlich 
den  Winter-  und  Frühjahrsmonaten,  in  der  Tiefe  den 
Herbst-  und  Sommermonaten,  entsprechend  den  Be- 
dingungen der  Beleuchtung. 

Namentlich  scharf  zeigt  sich  der  Wechsel  für  die  Phaeophyceen, 
welche  im  Hochsommer  in  der  Tiefe  die  Florideen  überwiegen,  während 


II.    Die  Vegetation  des  Meeres.  83  I 

letztere  in  anderen  Jahreszeiten  die  Herrschaft  in  allen  lichtschwachen 
Standorten  besitzen. 

Offene  Standorte,  die  während  des  Winters  in  üppiger  Vegetation 
prangen,  sind  zur  Sommerszeit  verödet.  Manche  Algenformen  der 
oberen  Gürtel  sind  im  Winter  Sonnenpflanzen  (z.  B.  Arten  von  Ploca- 
mium,  Caltithamnion ,  Phyllophora  nervosa,  Ph.  Heredia,  Cutleria  etc.). 
Viele  Arten  zeigen  sich  im  Winter  in  der  Höhe,  im  Sommer  in  der 
Tiefe  (z.  B.  Stilophoren,  Nereia  filiformis  etc.).  Ganz  besonders  merk- 
würdig aber  sind  Arten  mit  ungleichen,  der  jeweiligen  Beleuchtung 
entsprechenden  Winterform  und  Sommerform  mit  Unterschieden  in  der 
Behaarung  und  Verzweigung  (z.  B.  Stypocaulon  scoparium ,  Halopteris 
filicina  etc.). 

Andere  Factoren  als  das  Licht  nehmen  an  den  periodischen  Er- 
scheinungen nur  untergeordneten  oder  keinen  Antheil.  Namentlich 
gilt  dies  von  der  Wärme,  welche  ohne  sichtbare  Wirkungen  bleibt, 
während  dem  Wechsel  der  Bewegung  mit  der  Jahreszeit  an  einzelnen 
Standorten  in  der  Höhe  der  Oberfläche  grössere  Bedeutung  zukommt. 
So  ist  der  Wellenschlag  an  frei  exponirten  Felsen  des  Aussengolfs  von 
Neapel  während  des  Sommers  schwächer  als  während  des  Winters 
und  Frühjahrs.  Die  starker  Brandung  ausgesetzten  Felsen  sind  in  Folge 
dessen,  trotz  stärkerer  Lichtintensität,  im  Spätfrühjahr  und  Frühherbst, 
stellenweise  sogar  im  Sommer,  stärker  bewachsen  als  im  Winter. 

Das  im  Vorhergehenden,  wesentlich  nach  Berthold  Mitgetheilte 
bezieht  sich  nur  auf  die  photische  Region.  Ueber  die  dysphotische 
Region  des  Golfs  von  Neapel  sind  wir  schon  deswegen  wenig  unter- 
richtet, weil  Berthold  die  in  derselben  hauptsächlich  vertretenen  Dia- 
tomaceen  und  anderen  Mikrophyten  nicht  berücksichtigt  hat.  Er  sagt 
daher  nur,  dass  von  einer  gewissen,  je  nach  Durchleuchtung  des  Wassers, 
Exposition,  Bewegung  etc.  schwankenden  Tiefe  an  das  Leben  der  Algen 
kümmerlich  wird.  Ueber  die  aphotische  Region  ist  überhaupt  nichts 
bekannt.  Nach  den  später  zu  erwähnenden  Befunden  im  aphotischen 
Plankton  ist  anzunehmen,  dass  das  aphotische  Benthos  wenigstens 
Bacterien  besitzt. 

§  4.  Das  Benthos  der  kalttemperirten  Meere.  Es  ist  der  Algen- 
floristik  bereits  gelungen,  die  kalttemperirten  Meere  in  eine  Anzahl 
wohl  begrenzter  Bezirke  einzutheilen ,  von  welchen  jedoch  nur  zwei, 
die  Nordsee  und  die  Ostsee,  bis  jetzt  in  Bezug  auf  den  Charakter  ihrer 
Formationen  und  dessen  Abhängigkeit  von  äusseren  Factoren  näher 
untersucht  worden  sind.  Unsere  beiden  deutschen  Meere  bieten  übrigens 
grosse  Unterschiede  und  die  für  ihr  Benthos  gewonnenen  Gesichts- 
punkte dürften  daher  weitgehende  Gültigkeit  besitzen.  Die  Nordsee 
schliesst  sich  in  Bezug  auf  Salzgehalt  und  Gezeiten  dem  Atlantik 
an,  während  die  Ostsee,  ein  echtes  Binnenmeer,  nur  schwache  Gezeiten 


832 


Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 


besitzt  und  in  östlicher  Richtung  eine  steigende  Versüssung  erfahrt. 
Diesen  wesentlichen  Unterschieden  entsprechen  solche  der  Vegetation. 
Wie  überhaupt  in  den  kalttemperirten  Meeren,  kommt  auch  in 
der  Nord-  und  Ostsee,  in  Bezug  auf  Grösse  und  massenhaftes  Auftreten 
der  Individuen,  den  Braunalgen  die  erste  Stelle  zu.  Fucus  vesiculosus 
bedingt  den  Vegetationscharakter  unserer  felsigen  Küsten  in  den 
obersten  Gürteln,  Fucus  serratus  und  Laminaria-Arten  sind  in  grösserer 
Tiefe  nicht  weniger  gemein.  Noch  andere  Phacophycecnfamilien  sind 
durch  häufige  Arten  vertreten,  namentlich  die  Ectocarpaceen,  kleine, 
fadenförmige  Algen,  die  sich  überall  in  grossem  Formenrcichthum  zeigen. 
Die  Rhodophyceen  kommen  wohl  seltener  durch  so  massenhaftes  Auf- 
treten  zur  Geltung,   wie    es  an   manchen  Punkten  der  Mittel  meerküstc 

geschieht.  Sie  sind  nichts  destoweniger 
durch  zahlreiche,  häufige  Arten  von 
theilweise  ziemlich  beträchtlichen  Di- 
mensionen vertreten,  so  namentlich 
durch  solche  von  Porphyra,  Chondms, 
Gigartina  ,  Ph yllophora ,  Plocamiunu 
Delesseria,  Polysiphonia,  CallithatnnionT 
Ceramium,  Corallina  etc.  Die  Grün- 
algen bieten  weniger  Abwechselung; 
es  sind  Arten  von  Ulva,  En teroinorpha, 
Cladophora  etc.  Die  Phanerogamen 
sind  durch  eine  einzige,  allerdings  häu- 
fige und  gesellige  Art  vertreten ,  die 
Potamogetonacee  Zostera  marina. 

Die  Anordnung  der  Arten  in  hori- 
zontaler und  vertikaler  Richtung  ist 
von  ähnlichen  Factoren  wie  im  Mittel- 
meer abhängig,  die  letztere  jedoch 
weniger  ausgeprägt. 
Der  auftauchende  Gürtel  ist  viel  breiter  in  der  Nordsee  mit 
ihren  starken  Gezeiten,  als  in  der  Ostsee.  Er  ist  ausserdem  in  ersterer 
stets  eisfrei,  in  letzterer  stellenweise  während  des  Winters  vereist 
Diese  Unterschiede  bedingen  solche  der  Vegetation.  So  ist  an  der 
eisfreien,  starkem  Wechsel  von  Ebbe  und  Flut  ausgesetzten  Küste  Süd- 
Norwegens  der  auftauchende  Gürtel  reicher  bewachsen,  als  der  unter- 
getauchte, während  an  der  Küste  des  Kattegat  mit  fehlenden  Gezeiten 
und  häufiger  Vereisung  das  Verhältniss  sich  umkehrt  (Kjellman). 

Wie  im  Mittelmeer,  sind  nur  die  felsigen  Partieen  des  auftauchenden 
Gürtels  bewachsen,  während  Geröll-,  Sand-  und  Schlammboden  in  Folge 
der  Brandung  pflanzenleer  bleiben.  Auch  hier  sind  für  die  abwechselnd 
in  Luft  und  Wasser  befindlichen  Standorte  manche  Arten  charakteristisch. 


Fig.  483.      Fucus    vesiculosus.      Zweig- 
stück,    b  Blasen,    f  Conceptakelstände 
V,  nat.  Gr.     L.  d.  B. 


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II.   Die  Vegetation  des  Meeres..  833 

So  zeigt  sich  Fucus  vesiculosus  vornehmlich  im  auftauchenden  Gürtel 
und  bedeckt  für  sich  allein  weite  Strecken.  Auch  an  Ulva -Arten  fehlt 
es  nicht.  An  ähnliche  Bedingungen  gebunden  sind  Kjellman's  Nemalium- 
formation,  die  am  Kattegat  vornehmlich  von  Nemalium  multifidum  ge- 
bildet ist,  und  dessen  Porphyraformation  (Porphyra  vulgaris),  die  etwas 
oberhalb  der  Nemaliumformation  glatte  Felsenflächen  einnimmt. 

Der  untergetauchte  Gürtel  der  photischen  Region  zeigt  im  All- 
gemeinen eine  viel  formenreichere  und  üppigere  Vegetation  als  der 
auftauchende.  Hier  bedecken  Wiesen  der  Zostera  marina  den  sandigen 
oder  schlammigen  Boden  seichter,  stiller  Buchten;  sie  dehnen  sich, 
nach  Reinke,  in  der  Ostsee  bis  10  m  Tiefe  aus.  In  lockerem  Boden 
wurzelnde  Algen,  wie  die  Caulerpen  und  manche  andere  Siphoneen 
der  warmen  Meere  fehlen  hier  gänzlich.  Sämmtliche  Algen  sind  Litho- 
phyten,  Epiphyten  oder  Parasiten.  Die  Anordnung  der  Arten  in  verti- 
kaler und  horizontaler  Richtung  wird,  entsprechend  der  weniger  inten- 
siven Beleuchtung  auch  weniger  von  derselben  regulirt,  als  im  Mittel- 
meer. Eine  so  deutliche  Gliederung  der  photischen  Region  in  Licht- 
stufen, wie  sie  dort  durch  Berthold  nachgewiesen  wurde,  scheint  in  der 
Nord-  und  Ostsee  zu  fehlen ;  auch  der  Unterschied  schattiger  und  son- 
niger Standorte  gleicher  Tiefen  kommt  in  der  Vegetation  nur  wenig 
zum  Ausdruck.  Die  horizontale  Gliederung  wird  in  höherem  Grade 
durch  die  Stärke  der  Bewegung,  namentlich  aber  durch  den  Salzgehalt 
bedingt.  Die  Armuth  der  Algenflora  der  Ostsee  im  Vergleich  zur  Nord- 
see ist  durch  ihren  geringen  Salzgehalt  bedingt  und  nimmt,  entsprechend 
der  Abnahme  des  letzteren,  von  Westen  nach  Osten  zu. 

Die  periodischen  Erscheinungen  sind  in  den  kalttempe- 
rirten  Meeren  viel  weniger  von  den  Unterschieden  des  Lichts  als  den- 
jenigen der  Temperatur  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten  abhängig. 
Während  in  Meeren  mit  mildem,  massig  hellem  Winter  und  sehr  hellem 
Sommer  die  Algenvegetation  im  Winter  üppiger  ist  als  im  Sommer,  ist 
in  kalttemperirten  Meeren  die  winterliche  Algenvege- 
tation viel  schwächer  als  die  sommerliche. 

Kuckuck  entwickelt  folgendes  Bild  der  Algenvegetation  an  der  Küste 
Helgoland's  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten:  „Der  Winter  ist  ärmer  an 
Arten  als  der  Sommer.  Kommt  dann  der  Frühling  heran,  so  erscheinen  nach 
und  nach  die  Repräsentanten  der  einzelnen  Perioden.  So  bedeckt  sich  die 
sogenannte  Wittkliff,  ein  aus  Muschelkalk  bestehendes  Riff  an  der  Nordspitze 
der  Düne,  im  März  und  April  mit  den  frischgrünen  Büscheln  und  Rasen 
verschiedener  Cladophoren,  sowie  mit  den  gelbbraunen,  später  wieder  der 
Brandung  weichenden  Blättern  von  Laminaria  saccharina.  Mit  dem  vor- 
schreitenden Frühling  wird  diese  Vegetation  verdrängt  durch  die  immer 
kräftiger  heranwachsende  Polysiphonia  urceolata,  die  schliesslich  im  Mai  mit 
ihren  dunkelrothen,  bis  0.3  m  langen  Exemplaren  die  ganzen  Felsen  überzieht. 

Schimper,  Pflanzengeographie.  53 


834 


Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 


Im  Juni  fängt  sie  an  zurückzugehen  und  im  Juli  ist  sie  verschwunden,  um 
für  kurze  Zeit  einigen  rasch  vergänglichen  Enteromorpha-Arten  Platz  zu  machen. 
Im  August  und  September  dominirt  Cladostephus  spongiosus  und  färbt  die 
Klippe  braun,  bis  auch  diese  kahl  und  unscheinbar  wird.  Während  der 
kälteren  Wintermonate,  wo  die  emergirende  Klippe  sich  oft  mit  einer  Eis- 
kruste überzieht,  rinden  sich  dann  nur  die  krtippelhaften  Stümpfe  verschiedener 
Algen,  und  allein  knotenförmige  Algen,  wie  Ralfsia,  oder  rasenfbrmige ,  wie 
die  Klippenform  von  Corallina  officinalis,  scheinen  jetzt  gut  zu  gedeihen,  bis 
dann  Licht  und  Wärme  den  Jahrescyclus  von  Neuem  beginnen  lassen."1) 


Fig.  485.    Desmarestia  aculeata  (L.)  Lamx.    Nat.  Gr. 
Nach  Kjellman  in  Natürl.  Pflanzenfamilien. 


Fig.  486.      Laminaria    digitata  f. 

Cloustoni     Oben   das  alte,  unten 

das  neue  Thallusblatt    1/s  nat  Gr. 

L.  d.  B. 


Während  im  Mittelmeer  die  ungleichen  Winter-  und  Sommerformen 
mancher  Algen  Anpassungen  an  die  ungleiche  Beleuchtung  darstellen, 
sind  die  noch  viel  mehr  ausgeprägten  Unterschiede  der  Sommer-  und 
Wintervegetation  kälterer  Meere  durch  die  ungleiche  Temperatur  be- 
dingt. Die  Existenz  zahlreicher  kurzlebiger  Algenarten  der  Nord-  und 
Ostsee  spielt  sich  innerhalb  der  Sommermonate  ab  (z.  B.  Chorda  filum), 
während  nur  wenige  reine  Winterformen  sind.  Die  meisten  pe- 
rennirenden  Arten  sind  in  den  warmen  Monaten  vegetativ, 


l)  1.  c.  S.  446. 


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II.   Die  Vegetation  des  Meeres. 


835 


in  den  kalten  reproductiv  thätig. l)  Nur  wenige,  wie  die 
Fucus-Arten,  sind  hierin  von  der  Jahreszeit  unabhängig  und  diejenigen, 
welche  nur  im  Sommer  reproductiv  thätig  sind,  treten  ebenfalls  sehr 
zurück  (Polysiphonia  elongata  und  nigrescens,  nach  Kjellman). 

Die  auffallendsten  Unterschiede  zwischen  dem  sommerlichen  und 
winterlichen  Zustande  zeigen  sich  bei  den  Arten  mit  Laubwechsel, 
namentlich  denjenigen,  die  während  des  Winters  kahl  sind.  So  werfen, 
nach  Kuckuck,  unter  den  Braunalgen  Desmarestia  aculeata,  Cladostephus 
spongiosus  und  Cl.  verticillatus  im  Anfang  der  kalten  Jahreszeit  ihre 
assimilirenden  Aeste ,  wodurch  die  erstgenannte  auf  ein  stachliges  Ge- 
rippe reducirt  wird  (Fig.  485).  Die  entlaubten  Pflanzen  bedecken  sich 
mit  Reproductionsorganen.  Ver- 
schiedene Rhodophyceen  zeigen  ähn- 
liches Verhalten.  So  besitzt  Deles- 
seria  sanguinea  nur  im  Frühsommer 
ihre  grossen  blattförmigen  Glieder 
im  intacten  Zustande  (Fig.  488). 
Dieselben  werden  später  zerfetzt,  so 
dass  die  Pflanze  im  Winter  aus  den 
nackten  Mittelrippen  besteht,  welche 
aber  erst  dann  Antheridien,  Cysto- 
carpien  und  Tetrasporangien  er- 
zeugen. Die  neue  Periode  der 
vegetativen  Entwickelung  beginnt 
hier  nach  der  Entleerung  der  Karpo- 
sporen im  Januar  und  Februar  und 
wird  durch  den  Umstand,  dass  die 
Wintertemperatur  bei  Helgoland  dann 
am  tiefsten  sinkt,  nicht  gehemmt. 

Der  Laubwechsel  ist  bei  den  La- 
minarien  ebenfalls  mit  der  Jahreszeit  im 
Zusammenhang;  doch  sind  die  Pflanzen 
hier  zu  keiner  Zeit  entlaubt  (Fig.  486). 

,.Ende  October  beginnt  bei  einzelnen  Laminarien  die  Sorusbildung  und  Ende 
December,  wenn  dieselbe  bereits  allgemein  geworden  ist,  macht  sich  der  erste 
Ansatz  zum  Laubwechsel  bemerkbar.  Zwischen  Stiel  und  Basis  schiebt  sich 
als  kleine  rundliche  Ausbreitung  der  neue  Thallus  ein,  um  nach  und  nach 
zugleich  unter  Verlängerung  des  Stieles  heranzuwachsen,  bis  er  schliesslich  im 
März  und  April  eine  beträchtliche  Grösse  (bis  4  m  bei  L.  saccharina)  erreicht 
hat.  Während  dieses  Processes  ist  die  Ausbildung  der  Sporangien  beendet 
worden    und    hat    ihre  Entleerung   begonnen,    die  bis  in  das  Frühjahr   hinein 


Fig.  488. 


Delesseria  sanguinea.    1/9  nat.  Gr. 
L.  d.  B. 


*)  Vgl.    über    den    günstigen    Einfluss    niederer    Temperaturen    auf   die    reproductiven 
Functionen  bei  Landpflanzen  S.  54. 

53* 


836 


Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 


währt.  Das  alte  Laub,  grösstentheils  von  dem  breiten,  bandförmigen,  nach 
der  Entleerung  in  Folge  des  durchscheinenden  Markgewebes  weissen  Sorus 
eingenommen,  ist  nun  morsch  geworden  und  ein  massiger  Aequinoctialsturm 
genügt,  um  den  jungen  Nachwuchs  von  seinem  Ballast  zu  befreien." ') 

Die  photische  Region  erstreckt  sich  bis  ca.  40  m  Tiefe.  Die  dys- 
photische  Region  besitzt  nur  spärliche  und  kümmerliche  makrophytische 
Algen,  dagegen  viele  Diatomeen.  Wo  diese  aufhören  und  die  aphotische 
Region  beginnt,  ist  zur  Zeit  noch  unbekannt. 

Die  kalttemperirten  Meere  der  südlichen  Erdhälfte  besitzen  eine  von 
den  nördlichen  Meeren  sehr  abweichende  Flora.  Die  Seegräser  (Zostera 
Mülleri  Irm. ,  Z.  Capricorni  Aschr. ,  Z.  tasmanica  Mart,  Posidonia  australis 
J.  D.  Hook)  sind  zwar  an  den  Küsten  des  südlichen  Australiens,  Tasmaniens 
und  Neu-Seelands  häufig;  sie  kommen  aber  südlicher  nicht  vor.  Die  Fu- 
caceen,  welche  ihre  grösste  Formenentwickelung  in  den  australischen  Meeren 


Fig.  489.    Macrocystis  pyrifera  (Turn.)  Ag.    Sehr  stark  verkleinert.    Nach  Hooker  u.  Harvey. 


erfahren,  dehnen  sich  in  einer  geringen  Anzahl  Arten  noch  weiter  nach  Süden 
(Auckland,  Chatham-Inseln  etc.)  aus;  die  Gattung  Fucus  scheint  zu  fehlen. 
Die  auffallendste  Algenart  der  südlichen  temperirten  Meere  ist  die  alle 
anderen  Gewächse  an  Grösse  übertreffende,  bis  300  m  Länge  erreichende 
Macrocystis  pyrifera  (Turn.)  Ag.,  die  allerdings  im  nördlichen  Pacific,  an  der 
amerikanischen  Küste  wiederkehrt  (Fig.  489).  Eine  zweite  Art,  M.  angustifolia 
(Bory),  ist  auf  die  temperirte  Westküste  Südamerika^  beschränkt. 

§  5.  Das  arktische  Benthos.2)  Die  Algenflora  des  Arktik  ist  zwar 
artenarm  und  bedeckt  weniger  grosse  Areale  als  in  südlicheren  Meeren; 
dagegen  übertrifft  sie  diejenige  aller  anderen  Meere,  mit  Ausnahme  der 
antarktischen,    durch   die  stattliche  Entwickelung  eines  grossen  Theiles 


*)  Kuckuck  1.  c.  S.  443 — 444. 
2)  Kjellman  1.  c. 


II.    Die  Vegetation  des  Meeres.  837 

ihrer  Arten,  gerade  derjenigen,  die  gesellig  auftreten  und  die  Haupt- 
masse der  Vegetation  in  allen  Jahreszeiten  bilden.  „Man  steht,"  sagt 
Kjellman,    dem  wir    die   Kenntniss   der   arktischen   Algenvegetation   in 


Fig.  490.     Alaria  dolichorhachis,  jung.     8/ft  nat.  Gr.     Nach  Kjellman. 

erster  Linie  verdanken,  „wie  vor  einem  unlöslichen  Räthsel,  wenn  mit 
dem  Schleppnetze  aus  der  Tiefe  des  Meeres  diese  von  ungebeugter 
und  üppiger  Lebenskraft  zeugenden  kräftigen  Pflanzenformen  herauf- 
geholt werden,    während    eine    mächtige  Eisdecke  sich  über  das  Meer 


838  Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 

ausbreitet,  die  Temperatur  der  Luft  äusserst  niedrig  ist  und  nächtliche 
Finsterniss  auch  zur  Mittagszeit  herrscht."  Diese  Flora  wird  vornehm- 
lich von  Phaeophyceen  (Laminariaceen ,  Fucaceen)  und  Florideen  (na- 
mentlich Corallinaceen)  gebildet,  während  Grünalgen  zurücktreten  und 
im  Vergleich  zu  südlicheren  Meeren  eine  krüppelhafte  Entwickelung 
zeigen. 

Die  topographische  Vertheilung  zeigt  sich  auf  weniger  verschiedene 
Standorte  eingeschränkt,  als  in  den  temperirten  Küsten.  Sand-  und 
Schlammboden  sind  —  abgesehen  von  zerstreuten  Steinen  —  un- 
bewachsen; die  Seegräser  fehlen.  Der  auftauchende  Gürtel  ist  nur  in 
subarktischen  Meeren,  z.  B.  an  der  Küste  Norwegens  und  an  der  West- 


Fig.  491.     Lithothamnion  glaciale.     9/8  nat.  Gr.     Nach  Kjellman. 

küste  Grönlands  bewachsen.  Anderwärts  besitzt  er  keine  oder  nur 
eine  dürftige  Vegetation,  weil  die  Eismassen,  welche  Brandung  und 
Gezeiten  in  fortwährender  Bewegung  halten,  durch  Abreiben  der  Felsen 
jeden  Pflanzenwuchs  verhindern. 

Da  wo  der  auftauchende  Gürtel  den  zerstörenden  Wirkungen  des 
Eises  nicht  ausgesetzt  ist,  trägt  er,  wie  in  temperirten  Meeren,  vor- 
nehmlich Fucaceen.  Die  subarktischen  Meere  können  geradezu 
Fucaceen -Meere  genannt  werden.  Der  eigentliche  Arktik  hingegen 
ist  das  Meer  der  Laminariaceen.  Hier  bilden  in  gigantischen  Gestalten 
bei  3 — 10  Faden  Tiefe  Alaria-  und  Laminaria- Arten  ausgedehnte  For- 
mationen, in  deren  Schatten  lichtscheue  Formen  gedeihen  (Fig.  490). 
Stellenweise  treten  an  Stelle  der  Laminariaceen  weite  Corallinenbänke  auf, 


II.   Die  Vegetation  des  Meeres.  839 

namentlich  von  Lithothamnion-  und  Lithophyllum -Arten  gebildet,  denen 
ebenfalls  relativ  mächtige  Dimensionen  zukommen  (Fig.  491).  Die 
Armuth  der  grünen  Algenflora  ist  auf  schwache  Beleuchtung  zurück- 
zufuhren, da  die  Chlorophyceen  im  Allgemeinen  lichtliebend  sind. 

Die  untere  Grenze  der  photischen  Region  dürfte  bei  einer  Tiefe 
von  20  Faden  zu  ziehen  sein.  Die  dysphotische  Region  entbehrt  im 
norwegischen  Polarmeer  der  Makrophyten,  dagegen  hat  Kjellman  bei 
Spitzbergen  Delesseria  sinuosa  in  85  Faden  Tiefe,  Ptilota  pectinata  in 
der  Smeerenbergbai  in  150  Faden  Tiefe  und  noch  einige  andere  Arten 
in  ähnlichen  Tiefen  gefunden.  Ueber  die  zweifellos  vorhandenen  reich- 
licheren Mikrophyten  der  dysphotischen  Region  liegen  noch  keine 
Untersuchungen  vor. 

In  den  periodischen  Erscheinungen  schliessen  sich  die 
arktischen  Algen  den  nordtemperirten  an ;  doch  fehlt  es  an  Arten,  deren 
ganzer  Entwickelungskreis  weniger  als  ein  Jahr  beansprucht.  Im  All- 
gemeinen findet  wiederum  die  vegetative  Thätigkeit  während  des 
Sommers,  die  reproduktive  während  des  Winters  statt,  letztere  bei 
einer  Temperatur  von  —  i°  bis  —  2°  C. 

Trotz  ihrem  Zusammenhang  besitzen  die  verschiedenen  Abtheilungen 
des  Eismeers  ungleiche  Algenfloren,  deren  Unterschiede  sich  nur  theilweise 
mit  gegenwärtig  herrschenden  Ursachen,  wie  mildere  Temperatur  (West- 
küste Grönlands  und  Norwegens),  ungleicher  Salzgehalt  (das  sibirische 
Meer  ist  salzarm)  in  Verbindung  bringen  lassen.  Kjellman  unterscheidet 
namentlich  drei  Bezirke,  den  spitzbergischen ,  sibirischen  und  ameri- 
kanischen. Die  vorherrschenden  Laminariaceen  sind  in  diesen  Bezirken 
theilweise  ungleiche  Arten. 

2.  Das  pelagische  Plankton.1) 

Das  Pflanzenreich  ist  im  pelagischen  Plankton  hauptsächlich  durch 
Diatomaceen,  Peridineen  und  Cyanophyceen  vertreten.  Diatomaceen 
sind  überall  vorhanden  und  durch  Zahl  der  Formen  wie  der  Individuen 
gleich  hervortretend.  Die  Peridineen  sind  in  kalten  Meeren  individuen- 
reich, in  warmen  Meeren  formenreich.  Die  Cyanophyceen,  vornehmlich 
Oscillariaceen,  sind  nur  in  warmen  Meeren  massenhaft  entwickelt. 

Noch  einige  andere  Algenklassen  sind  im  Plankton  vertreten,  aber  meist 
weniger  häufig  oder  mehr  lokal.  Zwei  Arten  der  Protococcaceengattung  Halo- 
sphaera  haben  für  das  Plankton  warmer  Meere  einige  Bedeutung.  Die  eigent- 
lichen Flagellaten  sind  in  kalten  Meeren  u.  a.  durch  Dictyocha- Arten  vertreten ; 
die  Pyrocysteen,  eine  mit  den  Flagellaten  anscheinend  verwandte  Gruppe 
leuchtender  Algen,  kommen  in  warmen  Meeren  häufig  vor.     Bacterien  treten 


l)  Schutt  I  u.  II. 


840 


Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 


im  Hemiplankton  in  der  Nähe  der  Küsten  massenhaft  auf  und  rufen  mit 
einigen  ihrer  Arten  das  „diffuse  Meeresleuchten"  hervor.  •  In  der  Hochsee 
hingegen  sollen  sie  sehr  selten  sein. 

Die  Planktonbewohner  müssen  im  Stande  sein,  ihre  Existenz  ganz  oder 
doch  zum  grössten  Theile  im  freischwebenden  Zustande  zu  verbringen. 
Hiermit  stehen  verschiedene  Vorrichtungen  in  Zusammenhang,  welche 
bei    den   Formen    des   echten   Plankton    weit    vollkommener    zu    sein 


Fig.  492.     Antelminellia  gigas  Castr. 
Vergr.  26.     Nach  Schutt. 


1    •/  :■/  /  /'///,■ 


Fig.  493-    Planktoniella  Sol  (Well.)  Schott. 
Vergr.   190.     Nach  Schutt. 


Fig.  494.     Gossleriella  tropica  Schutt. 
Vergr.   150.     Nach  Schutt. 


Fig.  495-    Ornithocerus  splendidus.    Schutt 
(Peridinee).    Ventralscite.     Vergr.   150. 


pflegen  als  im  Hemiplankton,  dessen  Bestandtheile  daher  zeitweise, 
namentlich  in  der  Reproduktionsperiode,  zum  Boden  sinken.  Dies- 
bezügliche Anpassungen  haben  sich  nach  zwei  Richtungen  entwickelt. 
Verminderung  des  specifischen  Gewichtes  und  Ver- 
grösserung  der  Oberfläche,  letztere  bei  möglichst  geringer 
Verwendung  schweren  Materials ,  ermöglichen  entweder  gleichzeitig 
oder  erstere  für  sich  allein  das  dauernde  Schweben  der  Planktonalgen. 


II.    Die  Vegetation  des  Meeres. 


84I 


Die  specifisch  leichten  Inhaltsbestandtheile ,  deren  Auftreten  als 
Anpassung  an  das  Schweben  zu  betrachten  sind,  bestehen  nach  Klebahn, 
in  den  Cyanophyceen  des  Plankton  aus  Gasblasen,  die  unter  dem  Mikro- 
skop als  rothe  Pünktchen  erscheinen.  Auch  das  fette  Oel,  welches  von 
vielen  Planktonalgen,  z.  B.  von  Diatomeen  reichlich  erzeugt  wird,  trägt 


Fig.  496.     Ceratium -Arten  (Peridineen)  des  Plankton,    a—f  Warm  wasserformen,  g — h  Kalt- 
wasserformen: g  Ceratium  tripos  tergestinum,  h  C.  balticum.    Vergr.   125.     Nach  F.  Schutt. 


zur  Verminderung  des  specifischen  Gewichtes  bei,  ohne  eine  Anpassung 
an  diese  Function  darzustellen.  Mannigfacher  und  mehr  in  die  Augen 
fallend  sind  die  Vorrichtungen  zur  Vergrösserung  der  Oberfläche.  Einen 
sehr  einfachen  Fall  stellt  Antelminiella  Gigas  dar,  der  Riese  seiner 
Klasse,    das    bei    einem   Volum   von    mehreren    Cubikmillimetern   eine 


842  Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 

äusserst  dünne  Membran  besitzt.  In  vollkommener  Weise  wird  das  gleiche 
Ziel  durch  Auswüchse  verschiedener  Art  erreicht,  welche  oft  an  die  Flug- 
apparate der  Samen  und  Früchte  erinnern  und  sowohl  bei  Peridineen 
(Fig.  495  u.  496)  als  bei  Diatomaceen  (Fig.  492  u.  493)  eine  wunderbare 
Vollendung  erlangt  haben.  Bei  verschiedenen  Diatomeen  wird  die  Schwebe- 
fähigkeit durch  Verbindung  der  Zellen  erreicht  oder  erhöht.  Derartige 
Apparate  sind  natürlich  nur  in  Verbindung  mit  einem  demjenigen  des 
Wassers  ungefähr  übereinstimmenden  specifischen  Gewicht  von  Nutzen. 
Sie  verhindern  ein  rasches  Sinken  oder  das  Aufsteigen  zur  Oberfläche, 
entsprechend  der  durch  die  Produkte  der  Assimilation  bedingten 
Gewichtsschwankungen. 

Die  Lichtregionen  des  Plankton  sind  denjenigen  des  Benthos 
ähnlich.  Der  grösste  Theil  der  schwebenden  Algen  bewohnt  die  oberste 
Schicht  der  photischen  Region ;  doch  sind  ausschliesslich  die  Oscillaria- 
cen  der  Wasserblüthe ,  an  der  Oberfläche  schwimmende  Pflanzen.  So 
bedingt  das  im  Rothen  Meere  häufige  Trichodesmum  erythraeum  den 
rothen  Schimmer,  dem  dieses  Meer  seinen  Namen  verdankt.  Die 
dysphotische  Region  ist  auf  jeden  Fall  sehr  arm  an  vegetabilischem 
Plankton  und  die  aphotische  dürfte  höchtens  Bacterien  aufzuweisen 
haben.  So  fand  Russell  im  Golf  von  Neapel  bei  250  m  Tiefe  viele 
Bacterien,  bei  1100  m  Tiefe  nur  noch  wenige  (Walther). 

Wie  das  Benthos  zeigt  auch  das  Plankton  eine  Gliederung  in  Klima- 
zonen. Die  Begrenzung  derselben  hängt  mit  der  Temperatur  zusammen, 
denn  kalte  und  warme  Strömungen  sind  für  sie  maassgebend.  Die  Plank- 
tonexpedition konnte  im  atlantischen  Ocean  zwei  Zonen  unterscheiden, 
eine  tropische  warme  und  eine  nördliche  kalte.  Ihre  Grenze  ist  im  west- 
lichen Atlantik  eine  sehr  scharfe  und  fallt  mit  derjenigen  des  wannen 
Floridastroms  und  des  kalten  Labradorstroms  zusammen.  Im  Osten, 
wo  so  ausgeprägte  Strömungen  fehlen,  ist  der  Uebergang  ein  mehr 
allmählicher.  Jede  der  beiden  Planktonzonen  ist  durch  bestimmte  Leit- 
pflanzen charakterisirt.  So  sind  Antelminellia  gigas,  Gossleriella  tropica 
und  Planktonella  sol  sehr  charakteristisch  für  die  warmen  Gewässer, 
während  Ceratium  tripos  balticum  für  die  kalten  bezeichnend  ist. 

Jede  der  beiden  Zonen  zerfallt  in  eine  Reihe  von  Provinzen,  deren 
Unterschiede  nur  theilweise  mit  gegenwärtig  herrschenden  Bedingungen 
zusammenhängen  (Salzgehalt,  Temperatur,  Licht).  Schutt  unterscheidet 
folgende,  mehr  oder  weniger  gut  begrenzte  Provinzen  für  die  von  der 
Planktonexpedition  untersuchten  Meere :  Ostsee  (scharf  begrenzt), 
Nordsee  (weniger  abgeschlossen),  nordöstlichen  Golfstrom,  Irmingersee, 
Ostgrönlandstrom ,  Westgrönlandstrom ,  Labradorstrom ,  Floridastrom, 
Nordäquatorialstrom,  Guineastrom,  Südäquatorialstrom.  Alle  diese  Pro- 
vinzen sind  durch  Leitformen  charakterisirt.  (Vgl.  die  Erklärung  zu 
Fig.  496). 


Auswahl  der  Literatur.  843 

Auswahl  der  Literatur. 

Ascherson,  P.  I.  Die  geographische  Verbreitung  der  Seegräser.  Peter- 
mann's  Mittheil.   187 1. 

—  II.     Potamogetonaceae.      Hydrocharitaceae.     Engler,    Nattirl.   Pflanzenfam. 

IL  Theil,  Abth.  I. 

Berthold,  G.  Ueber  die  Vertheilung  der  Algen  im  Golfe  von  Neapel 
nebst  einem  Verzeichniss  der  bisher  daselbst  beobachteten  Arten.  Mit- 
theilungen a.  d.  zoologischen  Station  zu  Neapel.     Bd.  III.     1882. 

Bornet,  Ed.  Recherches  sur  le  Phucagrostis  major  Cavol.  Ann.  d.  Sciences 
nat.     Botan.  5C  s<*rie.     T.  I. 

Clavaud,  A.  Sur  le  verkable  mode  de  föcondation  du  Zostera  marina. 
Actes  de  la  socie*td  linn^enne  de  Bordeaux.     1878. 

Duchartre,  P.  Sur  la  fecondation  du  Zostera  marina.  Bullet,  de  la  soc. 
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Duval-Jouve,  A.  Particularite*s  des  Zostera  marina  L.  et  nana  Roth. 
Bullet,  soc.  bot.  de  France.     1873. 

Engelmann,  Th.  W.     Farbe  und  Assimilation.     Botanische  Zeitung  1883. 

Engler,  A.  Notiz  über  die  Befruchtung  von  Zostera  marina  und  das 
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Forbes,  E.  Report  on  the  Mollusca  and  Radiata  of  the  Aegean  Sea  and 
on  their  distribution,  considered  as  bearing  on  geology.  Report  of  the 
british  association  for  the  advancement  of  science.     1843. 

Gdneau  de  Lamarti&re,  L.  £tude  sur  la  flore  maritime  du  Golfe  de 
Gascogne.     Revue  generale  de  botanique.     Bd.  VII.     1895. 

H  a  e  c  k  e  1 ,  E.     Plankton-Studien.     Jena  1 890. 

Kj  eil  man,  F.  R.  I.  Ueber  die  Algenvegetation  des  Murmanschen  Meeres 
an  der  Westküste  von  Nowaja  Semlja  und  Wajgatsch.  Nova  Acta  regiae 
Societatis  scientiarum  Upsaliensis.     Ser.  3.     Upsaliae  1877. 

—  II.      The  Algae    of  the  Arctic  Sea.     A  survey   of  the   species,   together 

with  an  exposition  of  the  general  characters  and  the  development  of 
the  flora.  Kongl.  Svenska  Vetenskaps-Akademiens  Handlygar.  Ny  fölgd. 
20  Bd.     1882 — 1883. 

—  III.      Ueber   Algenregionen   und   Algenformationen    im   östlichen    Skager 

Rack.     Bihang    tili  K.  Svenska  vet.  Akad.  Handl.     Bd.   5,  no.  6.     1878. 

—  IV.     Aus  dem  Leben  der  Polarpflanzen.     In:   Nordenskjöld,   Studien 

und  Forschungen  veranlasst  durch  meine  Reisen  im  hohen  Norden. 
Leipzig  1885.     S.  506. 

—  V.      Norra   Ischafvets  Algflora.     Vega-Expeditioners   vetanskapliga  Jaktta- 

gelser.     Bd.  3.     1883.     (Nach  Ref.  in  Engler's  Jahrb.     Bd.  6.     1885.) 

—  VI.      Ueber  das  Pflanzenleben   während    des    Winters    im   Meere    an    der 

Westküste  von  Schweden.     Botan.  Centralblatt.     Bd.  26.     1886. 
Kuckuck,  P.     I.     Ueber  marine  Vegetationsbilder.     Ber.  d.  deutsch,  botan. 
Gesellschaft.     15.  Jahrg.     1897. 

—  IL     Beiträge  zur  Kenntniss  der  Meeresalgen.     S.  A.  aus :  Wissenschaftliche 

Meeresuntersuchungen.     N.  F.     II.  Bd.     1897. 
Lakowitz.      Vegetation    der   Ostsee    im   Allgemeinen    und   der   Algen    der 

Danziger  Bucht  im  Speciellen.     Schriften  d.  Naturf.  Gesellsch.  zu  Dan  zig. 

N.  F.     Bd.  VII.     1888. 
Lorenz,  R.    Physikalische  Verhältnisse  und  Vertheilung  der  Organismen  im 

Quarnerischen  Golf.     Wien   1863. 


844  Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 

Noll,  F.     Ueber  die  Cultur  von  Meeresalgen  in  Aquarien.     Flora  1892. 

O erste d,  A.  S.  De  regionibus  marinis.  Elementa  topographiae  historico- 
naturalis  freti  Oeresund.     Havniae   1844. 

Oltmanns,  Fr.  I.  Ueber  die  Cultur  und  Lebensbedingungen  der  Meeres- 
algen.    Pringsheim's  Jahrb.     Bd.  23.     1892. 

—  II.  Notizen  über  die  Cultur  u.  Lebensbedingungen  d.  Meeresalgen.  Flora  1895. 
Reinke,  J.  I.  Notiz  über  die  Vegetationsverhältnisse  in  der  deutschen  Bucht 

der  Nordsee.     Ber.  d.  deutsch,  botan.  Gesellsch.     1889.    S.  367. 

—  II.   Algenflora   der   westlichen    Ostsee.      6.   Bericht   der   Kommission   zur 

wissensch.  Untersuchung  der  deutschen  Meere.     1889. 

—  III.  Atlas  deutscher  Meeresalgen.    Berlin  1889 — 1892  mit  50  Tafeln- 

—  IV.    Das   botanische   Institut   und   die   botanische    Meeresstation    in    Kiel. 

Botan.  Centralblatt  1890. 
Schutt,  Fr.  I.  Das  Pflanzenleben  der  Hochsee.     Kiel  1893. 

—  II.  Analytische  Plankton -Studien.     1892. 

Warming,  E.  Lehrbuch  der  ökologischen  Pflanzengeographie.  Deutsch  von 
Knoblauch.     1896.    S.  120  u.  f. 


HI.  Die  Vegetation  des  Süsswassers. 

1.  Systematische  und  ökologische  Uebersicht.  Die  Pflanzen familien  des  Süss- 
wassers. Eintheilung  der  Formen  in  fünf  ökologische  Typen.  2.  Das  pflanzliche  Benthos 
des  Süsswassers.  §  i.  Allgemeines.  Vorherrschen  der  photischen  Region.  —  §  2. 
Gliederung  der  Vegetation.  Gürtelartige  Anordnung  in  der  photischen  Region.  Kalk- 
absondernde Cyanophyceen.  Dysphotische  Region.  3.  Das  limnetisehe  Plankton  der 
Büsswasserseen.  Floristisches  und  Oekologisches.  4.  Die  niessenden  Gewässer. 
Schwimmende  Vegetation.  Lithophyten  der  reissenden  Ströme.  Podostemaceen.  6.  Perio- 
dische Erscheinungen  der  Busswasserflora.  Benthos  und  Plankton  in  den  verschie- 
denen Jahreszeiten.  6.  Die  Schnee-  und  Eisflora.  Ursache  und  Verbreitung  des  rothen 
Schnees.     Sphaerella  nivalis.     Andere  Mikrophyten  des  Schnees  und  Eis. 

Während  die  Makrophytenflora  der  Meere  sich  in  erster  Linie  aus 
Braun-  und  Rothalgen,  weniger  aus  Grünalgen,  ganz  untergeordnet 
aus  Phanerogamen  zusammensetzt,  zeigt  diejenige  der  süssen  Gewässer, 
wenigstens  was  die  Masse  der  organischen  Substanz  betrifft,  dieselben 
Klassen  in  umgekehrter  Reihenfolge.  Hier  dominiren  die  Phanerogamen 
und  sind  von  Pteridophyten  und  Bryophyten  begleitet,  welche  in  den 
Meeren  fehlen.  Die  Bedeutung  der  Grünalgen  dürfte  ungefähr  die 
gleiche  sein;  dagegen  sind  Braun-  und  Rothalgen  im  Süsswasser  auf 
wenige,  meist  seltene  und  vereinzelte  Formen  beschränkt. 

Die  Mikrophytenflora  zeigt  in  beiden  Gruppen  von  Gewässern  eben- 
falls grosse  Unterschiede.  Zwar  behaupten  auch  im  Süsswasser  die 
Bacillariaceen  eine  dominirende  Stellung,  dagegen  sind  die  im  Meere 
so  häufigen  Peridineen  nur  durch  wenige  Formen  vertreten,  während  die 
in  ersteren  ganz  fehlenden  Desmidiaceen  im  Benthos  und  Hemiplankton 
der  Süsswasseransammlungen  massenhaft  vorhanden  sind.  Cyanophyceen 
und  Bacterien  sind  im  Süsswasser  allgemeiner  verbreitet  als  im  Meere. 

Die  Phanerogamen  der  süssen  Gewässer  gehören,  im  Gegensatz 
zu  denjenigen  der  Meere,  den  verschiedensten  Ordnungen  der  Angio- 
spermen an.  Besondere  Bedeutung  haben  unter  den  Dicotylen  die 
Nymphaeaceen ,  welche  sämmtlich  Süsswasserbewohner  sind,  ferner  die 
Wasserranunkeln  (Batrachium-Arten),  die  Ceratophyllaceen,  Elatinaceen, 


846  Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 

Callitrichaceen,  Podostemaceen,  Haloragidaceen  (Myriophyllum),  Utricu- 
lariaceen.  Unter  den  Monocotylen  bestehen  folgende  Familien  vor- 
nehmlich oder  ausschliesslich  aus  Wasserbewohnern :  Alismaceen,  Junca- 
ginaceen,  Potamogetonaceen ,  Aponogetonaceen ,  Najadaceen,  Hydro- 
charitaceen ,  Lemnaceen ,  Mayacaceen ,  Pontederiaceen.  Unter  den 
Pt endophyten  sind  namentlich  verschiedene  Salviniaceen,  Marsileaceen 
und  Isoetaceen  im  Süsswasser  vertreten.  Unter  den  Laubmoosen  sind 
vorwiegend  Fontinalaceen  und  Hypnaceen,  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
Sphagnaceen,  unter  den  Lebermoosen  Ricciaceen  wasserliebend.  Damit 
ist  aber  keineswegs  die  Liste  der  in  der  Süsswasserflora  vertretenen 
Gruppen  höherer  Pflanzen  erschöpft;  mit  Ausnahme  der  Gymnospermen, 
bei  welchen  jedoch  Sumpfbewohner  nicht  fehlen,  haben  die  meisten 
grösseren  Phanerogamengruppen  einzelne  Arten  von  mehr  oder  weniger 
aquatischer  Lebensweise  aufzuweisen.  Es  sei  in  dieser  Hinsicht  an 
Hottonia,  an  Limnanthemum ,  an  Lobelia  Dortmanna,  an  Aldrovandia 
vesiculosa,  an  Bidens  Beckii  erinnert. 

Structur  und  Lebensweise  der  höheren  limnetischen  Wasserpflanzen 
sind  ausserordentlich  mannigfach.  Gemeinsam  ist  der  Mehrzahl  von 
ihnen  nur  das  Fehlen  des  secundären  Dickenwachsthums,  welches  bloss 
bei  Isoetes  und  da  in  abweichender  Form  sich  zeigt.  Im  Uebrigen 
kann  man  nach  Structur  und  Lebensweise  folgende,  vielfach  durch 
Uebergänge  verbundene  ökologische  Typen  unterscheiden: 

1.  Isoetes-Typus.  Im  Boden  wurzelnde  völlig  untergetauchte 
Rosettenpflanzen  mit  meist  cylindrischen  Blättern :  Isoetes,  Pilularia,  Subu- 
laria,  Littorella,  Lobelia  Dortmanna. 

2.  Ny mphaea-Hippuris-Typus.  Im  Boden  wurzelnde  Pflanzen, 
welche  durch  langgestielte  Blätter  oder  durch  lange  Sprosse  die  Ober- 
fläche des  Wassers  erreichen  und  sich  dann  theilweise  in  der  Luft  be- 
finden. Hierher  gehören  die  Nymphaeaceen,  Limnanthemum,  MarstHa, 
Trapa,  Batrachium  aquatile,  Potamogeton  natans  etc.  mit  Schwimm- 
blättern, Hippuris,  Elatine  Aisinastrum  etc.  mit  auftauchenden  Spross- 
spitzen. 

3.  Najas-Typus.  Im  Boden  wurzelnde  oder  frei  schwebende 
völlig  untergetauchte  Pflanzen  mit  langen  fluthenden  Sprossen.  Cerato- 
phyllum  Aldrovandia  und  Utricularia  wurzellos;  Najas,  Zannichellia,  ver- 
schiedene Potamogeton-  und  Batrachium -Arten  etc.  mit  Wurzeln. 

4.  Hydrocharis-Typus.  Freischwimmende  Pflanzen  mit  kurzen 
Sprossen,  theils  ganz  submers  (Lemna  trisulca,  Riccia  fluitans),  zum 
grössten  Theile  submers  (Stratiotes),  halbsubmers  (Salvinia),  zum  grössten 
Theile  an  der  Oberfläche  schwimmend  (Hydrocharis,  Lemna  p.  p.,  Azolla, 
Riccia  natans),  zum  grössten  Theile  emers  (Pistia,  Eichhornia  etc.). 

5.  Podostemon-Typus.  An  Steinen  befestigte  submerse  Ge- 
wächse strömender  Gewässer  (Podostemaceen,  verschiedene  Moose). 


Fig.  497-     Wasserpflanzen   aus    dem   Longenier-See    in    den   Vogesen.     /   Isoetes   lacustris. 
2  Is.  echinospora.     9   Subularia  aquatica.     4  Sparganium  minimum   (Sp.  natans).    5  Myrio- 

phyllum  alternifloruni.     Nat.  Gr. 


848  Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 

Als  semiaquatisch  sollen  solche  im  Boden  wurzelnde  Pflanzen  be- 
zeichnet werden,  welche  keine  oder  nur  bald  schwindende  Wasserblätter 
entwickeln  und  im  Uebrigen  Luftpflanzen  sind,  wie  das  gewöhnliche 
Schilfrohr  (Phragmites  communis)  und  andere  Gräser,  Scirpus-,  Sparga- 
nium-,  Alisma -Arten  etc.  Manche  freischwimmende  Wasserpflanzen, 
wie  Pistia  etc.  sind  allerdings  ebenfalls  mehr  Luftpflanzen  als  Wasser- 
pflanzen. Ihre  Rolle  als  Glieder  von  Formationen  ist  aber  durchaus 
diejenige  von  Wasserpflanzen,  während  die  eben  erwähnten  halben 
Wasserpflanzen  räumlich  den  Uebergang  zur  Landvegetation  vermitteln. 

Die  eben  aufgestellte  Eintheilung  stützt  sich  in  erster  Linie  auf  die  für 
die  Formationslehre  vornehmlich  wichtige  räumliche  Anordnung.  Natürlich 
wird  man  nach  anderen  Gesichtspunkten  andere  Gruppirungen  vornehmen 
können.  So  habe  ich  gegen  die  von  Schenck  in  seiner  werthvollen  Biologie 
der  Wasserpflanzen  angenommene  Eintheilung  nichts  einzuwenden.  Sie  ent- 
spricht aber  weniger  der  räumlichen  Gruppirung  als  anderen  nicht  minder 
wichtigen  ökologischen  Eigenthümlichkeiten. 

Die  makrophytischen  Algen  des  Süsswassers  schliessen  sich  dem 
Najas -Typus  mehr  oder  weniger  an.  Namentlich  gilt  dieses  von  den 
Characeen,  die  in  ihrer  Lebensweise  mit  Najas  grosse  Aehnlichkeit 
zeigen. 

Die  mikrophytischen  Algen  und  die  wenigen  saprophilen  Wasser- 
pilze sind  theils  an  dem  Substrat  oder  an  anderen  Pflanzen  des  Benthos 
befestigt,  theils  schweben  oder  schwimmen  sie  frei  im  Wasser  als 
Plankton. 


2.  Das  pflanzliche  Benthos  der  Süsswasserseen. 

§  1 .  Allgemeines.  Irri  Gegensatz  zu  den  Meeren  sind  im  Süss- 
wasser  die  meisten  Makrophyten  im  Boden  bewurzelt.  Die  Lithophyten 
treten  unter  den  höheren  und  grösseren  Gewächsen  sehr  zurück  (Podo- 
stemon -Typus),  während  viele  Fadenalgen  an  Steinen  befestigt  vor- 
kommen. Letztere  kommen  zum  Theil  auch  als  Epiphyten  vor.  Vor- 
nehmlich jedoch  zeigt  sich  letztere  Lebensweise  bei  kleinen  flächen- 
förmig  ausgebreiteten  Algen  (Coleochaete  etc.). 

Die  Tiefenregionen  der  Vegetation  sind  in  den  süssen  Gewässern 
denjenigen  des  Meeres  ähnlich,  doch  nimmt  entsprechend  der  geringeren 
Ausdehnung  der  ersteren  die  photische  Region  ein  relativ  grösseres 
Areal  ein  und  ist  in  kleinen  Wasseransammlungen,  wie  Teiche,  Gräben, 
Bäche,  sogar  allein  vorhanden. 

Die  Grenze  der  photischen  und  dysphotischen  Region  liegt,  ent- 
sprechend der  ungleichen  Trübung  durch  suspendirte  Theilchen,  sehr 
ungleich  tief  zwischen  5  und  30  m.   Die  Flora  der  dysphotischen  Region 


III.    Die  Vegetation  des  Süßwassers. 


849 


ist   beinahe   ausschliesslich   von  Mikrophyten,   namentlich  Diatomaceen 
gebildet;   doch  sind  in  derselben  ausnahmsweise  einzelne  Makrophyten 
beobachtet    worden.      Die    Flora    der 
aphotischen  Region  ist  nicht  bekannt; 
jedenfalls  ist  sie  sehr  ärmlich. 

Die  stehenden  und  die  fliessenden 
Gewässer  bieten  der  Vegetation  sehr 
ungleiche  Bedingungen  und  sind  daher 
getrennt  behandelt. 

§  2.  Gliederung  der  Vegetation. 
Die  Süsswasserseen  stellen  den  Typus 
der  stehenden  süssen  Gewässer  dar,  in- 
dem die  seichten  Gewässer  der  Teiche 
und  Gräben  sich  in  ihrer  Vegetation 
zum  grossen  Theile  den  ruhigen  Buchten 
der  Seen  anschliessen.  Allerdings  be- 
sitzen manche  kleinen  Gewässer  eine 
eigenartige,  in  den  Seen  bisher  nicht 
beobachtete  Flora;  ja,  die  Wasser- 
linsen scheinen  den  letzteren  zu  fehlen. 
Grössere  Ruhe  des  Wassers,  besondere 
chemische  Bestandtheile  etc.  dürften 
solche  Unterschiede,  bedingen,  doch 
liegen  darüber  Untersuchungen  zur 
Zeit  nicht  vor. 

Die  Vegetation  der  Süsswassef- 
seen  ist  in  den  letzten  Jahren  mit 
wachsendem  Interesse  und  Erfolg  unter- 
sucht worden  —  bis  jetzt  allerdings 
beinahe  nur  in  Mitteleuropa.  Die 
folgenden  Ausführungen  beziehen  sich 
dementsprechend  lediglich  auf  die  Seen 
Deutschlands,  der  Schweiz  und  der 
Grenzgebiete.  In  allen  Seen  sind  Ben- 
thos  und  Plankton  wohl  von   einander 

unterscheiden,      während     seichte 


zu 


Wasseransammlungen,  die  nur  Hemi- 
plankton  besitzen,  eine  deutliche  Diffe- 
renzirung  nicht  aufweisen. 


Fig.  498.      Nuphar   pumilum   aus   dem 

Retournemer-See  in  den  Vogesen. 

Nat.  Gr. 


Das  limnetische  Benthos  der  Seen. 

Seichte  Seeufer   sind   ganz   gewöhnlich   von  dem  Festlande  durch 
einen  Gürtel  des   gewöhnlichen  Schilfrohrs  (Phragmites  communis)  ge- 

Schimper,  Pflanzengeographie.  54 


850  Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 

trennt,  welchem  sich  seewärts  ein  solcher  von  Scirpus  lacustris  an- 
schliesst.  Beide  Pflanzen  gehören  zu  denjenigen,  die  sich  nur  mit  ihrer 
Basis  im  Wasser  befinden  und  die  wir  daher  als  semiaquatische 
Pflanzen  bezeichnet  haben.  Sie  sind  manchmal  von  anderen  Pflanzen 
ähnlicher  Lebensweise  begleitet,  wie  Butomus,  Sagittaria,  Alisma  Plantago, 
Ranunculus  lingua.  Das  seichte  Wasser  zwischen  den  hohen  Sprossen 
ist  bereits  von  echten  Wasserpflanzen  entsprechend  geringerer  Dimen- 
sionen eingenommen,  die  seewärts  an  Zahl  und  Grösse  noch  rascher 
zunehmen  und  von  etwa  3  m  Tiefe  an  allein  herrschen. 

Der  zweite  Gürtel,  der  erste  der  acht  aquatischen,  ist  in  erster  Linie 
charakterisirt  durch  Nymphaeaceen  und  zwar,  wo  alle  drei  mitteleuro- 
päische Arten  vorkommen,  in  der  Reihenfolge:  Nymphaea  alba,  Nu- 
phar  luteum,  Nuphar  pumilum.1)  In  ihrer  Gesellschaft  zeigen  sich  andere 
Pflanzen  mit  Schwimmblättern  und  solche  mit  auftauchenden  Spross- 
spitzen (Nymphaea-Hippuris-Typus).  Für  die  meisten  dieser  Pflanzen 
ist  es  Lebensbedingung,  dass  sich  ein  Theil  ihrer  Organe  in  der  Luft 
befinde.  Nur  wenige  vermögen  sich  auch  im  völlig  untergetauchten 
Zustande  zu  behaupten  (Batrachium  aquatile).  Dem  oberen  Gürtel  ge- 
hören ferner  die  Pflanzen  des  Isoetes -Typus  an.  Dieselben  erlangen 
zwar  zum  Theil  (Isoetes)  eine  Verlängerung  ihrer  Blätter  mit  zunehmen- 
der Tiefe,  doch  nicht  in  hinreichendem  Maasse,  um  daraus  wesentlichen 
Vortheil  zu  erlangen. 

Der  dritte  Gürtel  gehört  den  ganz  submers  vegetirenden  fluthenden 
Phanerogamen  des  Najas -Typus,  welche  im  Gegensatz  zu  denjenigen 
des  Isoetes -Typus,  durch  Verlängerung  ihrer  Axen  dem  Lichte  ent- 
gegenwachsen. Hier  herrschen  unter  den  Phanerogamen,  namentlich 
Arten  von  Potamogeton,  in  noch  grösserer  Tiefe  solche  von  Najas. 
Von  6  m  Tiefe  an  kommen  die  Phanerogamen  nur  noch  vereinzelt 
vor.  Auch  die  frei  schwebenden  und  schwimmenden  Formen  des 
Hemiplankton  (Hydrocharis- Typus)  sind,  da  sie  periodisch  zur  Boden- 
vegetation gehören  (Ueberwinterung ,  Samen)  nur  in  den  äussersten 
Gürteln  vorhanden. 

Von  2  m  Tiefe  an  pflegen  Chara -Arten  einen  wesentlichen  Bestand- 
teil der  Vegetation  zu  bilden;  mit  zunehmender  Tiefe  treten  all- 
mählich Nitella -Arten  hinzu.  In  7  m  Tiefe  und  tiefer  ist  die  makro- 
phytische  Vegetation  beinahe  ausschliesslich  von  Nitella  syncarpa  ge- 
bildet. In  ihrer  Gesellschaft  zeigen  sich  in  wenigen  Exemplaren  Moose 
wie  Fontinalis  antipyretica  und  Hypnum  giganteum.  Die  Nitella- 
wiesen  gehen  in  klarem  Wasser  (Bodensee)  stellenweise  bis  30  m  Tiefe, 
wo  ihr  Aufhören  die  untere  Grenze  der  photischen  Region  bezeichnet. 


*)  Ueber  das  Vorkommen  von  Nymphaea  Candida  Presl.  ist   mir  nichts  bekannt;  die- 
selbe ist  übrigens  wohl  nicht  als  specifisch  verschieden  zu  betrachten. 


III.    Die  Vegetation  des  Siisswassers. 


851 


In  den  trüberen  Gewässern  des  Müggel-Sees  in  Baiern  hört  die 
Nitellavegetation  bereits  bei  12  m  auf  und  wird  bis  30  m  Tiefe  durch 
Fluren  von  Cladophora -Arten  ersetzt,  in  welchen  Cladophora  profunda 
Brand,  Cl.  cornuta  Brand  und  Rhizoclonium  profundum  Brand  vor- 
herrschen.1) 

Dem  makrophytischen  Benthos  der  photischen  Region  sind  Mikro- 
phyten  in  grosser  Anzahl  beigemengt.  Namentlich  bilden  Bacillariaceen 
auf  untergetauchten  Pflanzentheilen,  Steinen  etc.  braune  flockige  Ueber- 
züge.  Grösseres  Interesse  bieten  verschiedene  kalkabscheidende 
Cyanophyceen,  welche  auf  Steinen  an  sehr  seichten,  ruhigen 
Stellen  einiger  Seen  mürbe  Ueberzüge  bilden  und  in  immer  noch 
nicht  ganz  aufgeklärter  Weise  zur  Entstehung  mäandrischer  Furchen 
auf  der  Steinoberfläche  in  Beziehung  stehen.2) 

Trotzdem  bereits  eine  beträcht-  _^^^^^__ 
liehe  Litteratur  über  die  „sculptirten 
Steine"  der  Seen  vorliegt,  stehen  immer 
noch  über  deren  Entstehung  zwei  sehr 
ungleiche  Anschauungen  einander  gegen- 
über, die  möglicherweise  beide  berech- 
tigt sind,  da  ähnliche  Erscheinungen  in 
diesem  Falle  durch  ungleiche  Ursachen 
bedingt  sein  könnten.  Kirchner,  welcher 
hauptsächlich  die  Steine  des  Boden-Sees 
untersuchte,  ist  der  Meinung,  dass  der 
Algenüberzug  durch  seine  Kalkhülle  die 
Steine  gegen  die  auflösenden  Wirkungen 
des  Wassers  schützt  und  dass  Furchen 
da  entstehen,  wo  Insektenlarven  den 
Ueberzug  zerstören.  Chodat  dagegen, 
dem  namentlich  Steine  des  Genfer-Sees 

zur  Verfügung  standen,  rechnet  die  dieselben  überziehenden  Cyanophyceen  zu 
den  „Calcivoren"  oder  kalklösenden  Algen,  deren  Existenz  für  andere  Fälle  mit 
Sicherheit  nachgewiesen  worden  ist.  Die  von  Kirchner  beobachteten  Cyano- 
phyceen der  sculptirten  Steine  werden  von  ihm  als  Schizothrix  fasciculata 
Gom.,  Calothrix  parietina  Thur.  und  Phormidium  incrustatum  Gom.  bezeichnet; 
Chodat  erwähnt  Schizothrix -Arten  als  kalklösend. 

Mikrophyten  bilden  ferner  die  wesentliche  Vegetation  des  an  Seen 
nur  schmalen  auftauchenden  Gürtels.  Kirchner  erwähnt  für  die  „Spritz- 
zone" Cyanophyceen,  Bacillariaceen  und  nur  eine  grössere  Algenform: 
Spirogyra  adnata  Kütz. 

Die  dysphotische  Region  des  Benthos  der  Süsswasserseen 
besitzt   in   der  Regel    nur   eine  Mikrophytenvegetation ,   bestehend   aus 


Fig.  499«    Gefurchter  Stein  von  Langenargen 
am  Bodensee.    1/9  nat.  Gr.    Nach  Kirchner. 


»)  Vgl.  Brand  1.  c. 

*)  Vgl.  namentlich  Kirchner,  Bodensee  und  Chodat. 


54* 


852  Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 

Bacillariaceen,  Oscillarieen  und  Beggiatoen;  ausnahmsweise  zeigen  sich 
Grünalgen  (Scenedesmus,  Pediastrum)  und  Peridineen  (im  Züricher-See 
bei  60—90  m  Tiefe  nach  Imhof)  und  nur  einmal  ist  eine  höhere  Pflanze 
gefunden  worden,  nämlich  Thamnium  alopecurum  var.  Lemani  im 
Genfer -See  bei  ungefähr  60  m  Tiefe,  durch  Forel.  Einige  Arten 
scheinen  echte  Tiefenbewohner  oder  „dysphotische  Gewächse"  zu  sein; 
doch  sind  die  physiologischen  Eigenschaften,  welche  solche  Lebens- 
weise veranlassen,  nicht  bekannt.  In  den  grössten  untersuchten  Tiefen 
des  Boden -Sees  (160  m  und  240  m)  zeigte  sich  der  Schlamm  vege- 
tationslos bis  auf  einige  Exemplare  der  Diatomee  Cymatopleura  Solea 
Br£bisson.  Immerhin  zeigt  dieser  Befund,  dass  noch  in  solchen  Tiefen 
die  Existenz  an  das  Licht  gebundener  Organismen  möglich  ist.  Die 
dysphotische  Flora  des  Genfer- Sees  dürfte  etwas  reicher  sein,  da 
Forel  von  einem  organischen  Filze,  in  welchem  Diatomeen  herrschen, 
berichtet. 


3.  Das  limnetische  Plankton  der  Seen. 

Das  Hemiplankton  der  süssen  Gewässer  weist  einige  Phanerogamen 
auf,  diejenigen  des  Hydrocharis-Typus.  Hingegen  ist  das  echte  Plankton, 
wie  in  den  Meeren,  ausschliesslich  von  mikroskopischen  Algenarten 
gebildet,  welche  in  den  einzelnen  Seen,  sogar  in  den  verschiedenen 
Theilen  eines  Sees,  ungleich  sind  oder  doch  in  ungleichem  Verhältniss 
auftreten,  so  dass  das  limnetische  Plankton  eine  überraschende  Mannig- 
faltigkeit zeigt.  Manche  Arten  treten  in  einzelnen  Seen  massenhaft  auf, 
die  in  anderen  Seen  ganz  fehlen  oder  selten  sind,  wie  z.  B.  die  Diatomee 
Cyclotella  bodanica  im  Boden-  und  Genfer-See.  Die  Cyanophycee 
Gloeotrichia  echinulata  ist  auf  den  Plönsee  und  einige  benachbarte 
kleinere  Seen  des  Holsteinischen  beschränkt.  Dem  Bodensee  fehlt  die 
sonst  sehr  verbreitete  Erscheinung  der  „Wasserblüthe",  die  in  ihrer 
typischen  Form  durch  schwimmende  Oscillarieen  hervorgerufen  wird. 
Ob  jetzt  noch  herrschende  oder  historische  Ursachen  diese  Unterschiede 
bedingen,  ist  nicht  festgestellt.  Andererseits  fehlen  im  limnetischen 
Plankton  weitverbreitete  Organismen  nicht. 

So  sind  die  Diatomeen  Asterionella  formosa  und  gracillima,  Fragilaria 
crotonensis,  die  Cyanophycee  Clathrocystis  aeruginosa,  die  Peridinee  Ceratium 
hirundinella  in  den  meisten  Seen  Europa's  und  Nordamerika^,  theilweise  auch 
im  Himalaya  nachgewiesen  und  haben  wahrscheinlich  eine  noch  weit  grössere 
Verbreitung. 

Wie  im  pelagischen  sind  auch  im  limnetischen  pflanzlichen  Plankton 
die  Bacillariaceen  vorherrschend.  Sie  lassen  ähnliche  Anpassungen  an 
die  schwebende  Lebensweise  wie  ihre  Verwandten  der  Meere  erkennen, 


III.   Die  Vegetation  des  Süßwassers. 


853 


jedoch  ohne  so  vollkommene  Vorrichtungen,  wie  sie  z.  B.  der  Gossleriella 
tropica  oder  der  Asterionella  Sol  zukommen,  aufzuweisen.  Die  An- 
passungen an  das  Planktonleben  sind  weniger  weit  fortgeschritten.  Die 
nächstwichtige  Rolle  spielen  Cyanophyceen,  welche,  wie  im  Meere,  ihre 


Fig.  500.     Planktonalgen  des  Bodensees,     a  Fragilaria   crotonensis  Kitt     Vergr.  430. 

b  Cyclotella   comta   Ktz.   var.   radiosa.     Vergr.    430.     c  Asterionella   gracillima  Grün. 

Vergr.  430.    d  Cyclotella  bodanica  Eulenst.    Vergr.  430.     e  Botryococcus  Braunii  Ktz. 

Vergr.   140.    /— g  ders.     Vergr.  430.     Nach  Kirchner. 


Schwimmfähigkeit  kleinen  Luftblasen  verdanken.  Andere  Algengruppen 
sind  nur  durch  wenige,  meist  wenig  hervortretende  oder  lokal  vor- 
kommende Arten  vertreten.  Ziemlich  verbreitet  ist  die  namentlich  im 
Plankton  des  Bodensees  massenhaft   auftretende  Tetrasporacee  Botryo- 


854  Fünfter  Abschnitt:  Die  Vegetation  der  Gewässer. 

coccus  Braunii,  welche  hohlkugelige  Familien  bildet,  deren  Schwimm- 
fähigkeit durch  Luftblasen  in  der  von  Strängen  durchzogenen  centralen 
Höhlung  bedingt  ist  (Fig.  500  £ — g).  Wenig  Bedeutung  haben  einige 
Desmidiaceen  (Staurastrum),  Volvocaceen  (Volvox,  Eudorina,  Pando- 
rina),  Protococcaceen  (Pediastrum)  und  Peridineen  (Ceratium)  etc. 

Die  Grenze  zwischen  der  photischen  und  dysphotischen  Region 
liegt  für  das  limnetische  Plankton,  je  nach  der  geringeren  oder  grösseren 
Trübung  durch  suspendirte  Theilchen,  verschieden  tief.  Im  Züricher  See 
ist  nach  Heuscher  das  Plankton  bis  in  10  m  Tiefe  ziemlich  gleichmässig 
verbreitet  und  nimmt  dann  bis  25 — 30  m  langsam,  in  grösserer  Tiefe 
rasch  ab.  Man  kann  daher  25 — 30  m  als  das  untere  Niveau  der  pho- 
tischen Region  bezeichnen.  Die  verschiedenen  Algen  zeigen  eine 
schichtenartig  eintretende  Vertheilung.  Die  Cyanophyceen  dringen  nur 
wenige  Centimeter  tief,  so  dass,  wo  sie  reichlich  auftreten,  wie  in  den 
holsteinischen  Seen,  ein  besonders  dichtes  oberflächliches  Plankton  vor- 
handen ist.  Aehnliches  gilt  von  Botryococcus  Braunii  im  Bodensee. 
Dagegen  kommen  die  Diatomaceen  in  beträchtlicher  Tiefe  vor,  ohne 
zunächst  eine  Abnahme  aufzuweisen,  und  sind  in  den  grössten  unter- 
suchten Tiefen,  56  m  im  Bodensee  und  90  m  im  Züricher  See,  noch 
reichlich  nachgewiesen  worden. 

4.  Die  fliessenden  Gewässer. 

Die  fliessenden  Gewässer  unterscheiden  sich  bezüglich  der  Be- 
dingungen der  Vegetation  von  den  stehenden  Gewässern  natürlich  um 
so  mehr,  als  ihre  strömende  Bewegung  eine  stärkere  ist.  So  sah  ich 
den  St.  Johns-Fluss  in  Florida  streckenweise  von  schwimmenden  Fluren 
der  Pistia  stratiotes  bedeckt,  in  welchen  eine  Fortbewegung  nach  ab- 
wärts nicht  erkennbar  war.  Das  Wasser  war  in  solchen  Stellen  seicht 
und  seine  Strömung  schwach.  Auf  rasch  fliessenden  Gewässern  ist 
solche  schwimmende  Vegetation  ausgeschlossen  oder  besteht,  wie  die 
in  tropischen  Flüssen  nicht  selten  schwimmenden  Inseln,  aus  Bestand- 
teilen der  Flora  seichter  ruhiger  Stellen,  die  zufallig  in  den  Strom 
gerathen  sind.  Sogar  ein  aus  Mikrophyten  bestehendes  Plankton  kann 
sich  im  strömenden  Wasser  nicht  erhalten.  Die  Untersuchung  des 
Flusswassers  hat  dementsprechend  meist  zu  negativen  Erfolgen  gefuhrt; 
nur  in  wenigen  Fällen  sind  einige  schwebende  Bacillariaceen  nach- 
gewiesen worden.  Der  Umstand,  dass  an  fast  gleichen  Oertlichkeiten 
zu  verschiedenen  Zeiten  bald  positive,  bald  negative  Erfolge  erzielt 
wurden,  macht  es  wahrscheinlich,  dass  es  sich  beim  Potamoplankton 
nur  um  zugefuhrte  Bestandtheile  des  See-  und  Teichplankton  handelt. 
Höchstens  wird  sich  in  sehr  ruhig  fliessenden  Strömen  oder  in  stillen 
Buchten  Plankton  erhalten  und  fortentwickeln  können. 


Jf.  Jl/rtAiA^lt 


Fig.  501.    /— 3  Podostemon  Schenckii  Warming  (3  jung).    Nat.  Gr.    4 — 8  Podost.  Müllen 
Warm.  (4  u.  8  alt,  entblättert,  7  jung).     Nat  Gr.     Blumenau,  Süd -Brasilien. 


856  Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 

In  ruhigeren  Flüssen  ist  die  Makrophytenvegetation ,  wie  in  den 
stehenden  Gewässern  vornehmlich  im  Boden  gewurzelt,  in  reissenden 
Strömen,  namentlich  in  Bergbächen  und  Katarakten  sind  naturgemäss 
nur  Lithophyten  vorhanden.  Die  wurzelnden  Gewächse  der  Ströme  bei 
uns  und,  mit  wenigen  Ausnahmen,  in  den  temperirten  Zonen  überhaupt 
sind  mit  denjenigen  der  stehenden  Gewässer  specifisch  identisch,  aber 
durch  die  Bewegung  in  ihrer  Structur  etwas  verändert  Ganz  allgemein 
zeigen  sich  die  Axen  und  Sprosse  parallel  der  Stromrichtung  ver- 
längert (z.  B.  bei  Ranunculus  fluitans,  Scirpus  fluitans).  Potamo- 
geton  fluitans  entwickelt  periphere  Faserbündel,  die  in  stehenden  Ge- 
wässern constant  fehlen.  *)  Ferner  wirkt  die  Strömung  hemmend  auf 
die  Blüthenbildung. 

Die  Lithophyten  der  Ströme  sind,  mit  einer  gleich  zu  erwähnenden 
Ausnahme,  lediglich  Moose,  Algen  und  Flechten,  die  theilweise  für  das 
fliessende  Wasser  charakteristisch  sind,  wie  Arten  von  Fontinalis  und 
Cinclidotus  unter  den  Moosen.  In  den  Tropen  ist  hingegen  eine 
phanerogamische  Pflanzenfamilie,  diejenige  der  Podostemaceen *)  auf 
Ströme  mit  steinigem  Grunde  beschränkt  und  bewohnt  sogar  mit  Vor- 
liebe die  Wasserfälle.  Nur  eine  Art,  Podostemon  Ceratophyllum  ist 
extratropisch  und  kommt  in  Nordamerika  vor.  Die  Podostemaceen 
sind  sämmtlich  typische  Lithophyten  und  unter  normalen  Verhältnissen 
submers. 

Die  Figur  501  stellt  zwei  Podostemon -Arten,  P,  Mülleri  Warm,  und 
P.  Schenckii  Warm.,  die  ich  mit  Fr.  Müller  und  H.  Schenck  in  Wasser- 
fällen bei  Blumenau  in  Süd-Brasilien  sammelte.  Beide  Arten  gehören 
nicht  zu  denjenigen,  welche  die  auffallendsten  Eigenthümlichkeiten  der 
Familie  aufweisen.  Ihre  Sprosse  entspringen  den  bandartig  flachen, 
auf  den  Steinen  kriechenden  und  durch  Haftorgane  befestigten  Wurzeln, 
welche,  wie  in  der  Familie  überhaupt,  durch  Chlorophyll  tief  grün  ge- 
färbt sind.  Die  Rolle  der  Wurzeln  bei  der  Assimilation  ist  bei  Podoste- 
mon, entsprechend  ihrer  relativ  geringen  Entwicklung ,  untergeordnet, 
während  sie  bei  einigen  anderen  Gattungen  die  Hauptmasse  des  vege- 
tativen Apparats  und  hiermit  die  wichtigsten  Organe  der  Assimilation 
darstellen.  Eine  andere  wichtige  und  weit  seltenere  Eigenschaft  der 
Wurzeln  mancher  Arten  ist,  dass  sie  durch  Erzeugung  von  vegetativen 
und  fertilen  Adventivsprossen  die  Hauptrolle  bei  der  sexuellen  und 
asexuellen  Reproduktion  spielen.  Andererseits  fehlt  es  nicht  an  Formen, 
die  der  Wurzeln  ganz  entbehren. 

Die  Gliederung  in  Stamm  und  Blatt  ist  bei  den  hier  abgebildeten 
Arten   deutlich   sichtbar   und    ohne    weiteres   verständlich.     Axen   und 


!)  Schwendener,  Das  mechanische  Princip  im  anatom.  Bau  der  Monocotylen. 
*)  Warming  1.  c. 


III.   Die  Vegetation  des  Süsswassers.  857 

Blätter,  letztere  namentlich,  zeigen  auch  bei  solchen  morphologisch 
weniger  abweichenden  Formen  grosse  Mannigfaltigkeit.  Die  Blätter 
sind  z.  B.  bei  einigen  Arten  auf  winzige  Schuppen  reducirt,  während 
sie  bei  anderen  i1/^  m  lang  werden.  Andere  Arten  besitzen  eine  höchst 
eigenartige  Gestaltung,  die  bald  durch  das  Vorherrschen  der  Wurzeln, 
bald  durch  Verwachsung  der  Sprosse  zu  thallusartigen  Platten  bedingt  ist. 

Die  Blüthenanlagen  kommen  erst  beim  Sinken  des  Wassers  oder 
häufiger  sogar  beim  Auftauchen  der  Sprosse  zur  Entfaltung.  Zwei  dem 
Wachsthum  allgemein  günstige  Factoren,  Trockenheit  und  Licht,  machen 
sich  hier  in  augenfälliger  Weise  geltend.  Die  vom  Wasser  entblössten 
Blätter  vertrocknen  und  fallen  rasch  ab,  oft  mit  einem  Theile  der  Sprosse 
und  Wurzeln,  so  dass  es  mehr  oder  weniger  reducirte  Ueberreste  des  vege- 
tativen Systems  sind,  welche  Blüthen  und  Früchte  tragen  (Fig.  501 4U.8). 
Erstere  öffnen  sich  nur  in  der  Luft  und  werden  durch  Insekten  be- 
stäubt. Die  winzigen  Samen  keimen  bei  der  Befeuchtung  sofort  und 
die  Keimlinge  entwickeln  sehr  früh  Vorrichtungen  zur  Befestigung. 

Anatomisch  weichen  die  Podostemaceen  von  anderen  Wasser- 
phanerogamen  durch  die  sehr  schwache,  diejenige  gewöhnlicher  Land- 
pflanzen nicht  übertreffende  Entwickelung  der  luftfuhrenden  Intecellularen 
ab.  Das  rasch  bewegte  und  daher  luftreiche  Wasser  macht,  ebenso  wie  bei 
Pflanzen  des  bewegten  Meeres,  den  Besitz  eines  inneren  Durchlüftungs- 
systems entbehrlich.  Ferner  besitzen  sie,  im  Gegensatz  zu  den  Phanero- 
gamen  stehender  Gewässer,  ein  wohl  ausgebildetes  mechanisches  Ge- 
webe, welches  central,  um  die  Gefässbündel  herum  gelagert  ist  und  die 
bei  solcher  Lebensweise  nöthige  Zugfestigkeit  bedingt. 


5.  Periodische  Erscheinungen  der  Süsswasservegetation. 

Der  Einfluss  der  Jahreszeiten  auf  das  Pflanzenleben  der  süssen  Ge- 
wässer ist  nur  für  Mitteleuropa  etwas  näher  untersucht  worden.  Nur 
wenige  der  Makrophyten  des  Benthos  und  des  Hemiplankton  sind  ein- 
jährig, z.  B.  im  ersteren  Najas  minor  und  flexilis,  Subularia,  im  letzteren 
Salvinia  natans.  Die  meisten  Arten  perenniren  und  bleiben  theils  an- 
scheinend unverändert,  wie  Zannichellia ,  die  submersen  Batrachium- 
Arten  Vallisneria  etc.,  theils  fallen  sie,  in  Folge  der  Injection  der  Intercel- 
lularen,  auf  den  Boden  (Lemna,  Ceratophyllum),  theils  perenniren  sie  nur 
mit  ihren  Rhizomen  (Nymphaeaceen,  Potamogeton  natans),  theils  sogar 
nur  durch  besondere  Winterknospen  (Potamogeton -Arten,  Utricularia, 
Hydrocharis  etc.).  Im  Ganzen  zeigt  sich  also  ein  Zurückziehen  der 
Benthospflanzen  in  die  Tiefe,  wo  die  Temperatur,  ausser  in  ganz  seichten 
Gewässern,'  höher  ist  als  an  der  Oberfläche. l) 


')  Sehende  I,  S.  81  u.  f. 


858  Fünfter  Abschnitt:    Die  Vegetation  der  Gewässer. 

Limnetisches  Plankton  ist  das  ganze  Jahr  vorhanden,  jedoch,  nach 
der  Jahreszeit,  in  ungleicher  Zusammensetzung. l)  Im  Winter  sind  die 
Diatomeen  vorwiegend;  in  ihrer  Gesellschaft  zeigen  sich  einige  andere 
Algen  und  Peridineen,  dagegen  fehlen  eine  Anzahl  Formen,  die  in 
warmen  Jahreszeiten  vorhanden  sind,  wie  Ceratium  hirundinella,  die 
meisten  Cyanophyceen  und  Chlorophyceen.  Solche  Formen  bilden  im 
Anfang  des  Winters  Dauersporen,  welche  auf  den  Boden  sinken.  Einige 
Arten  sind  je  nach  der  Jahreszeit  durch  andere  Gestalten  vertreten. 
Die  Maxima  zeigen  sich  nach  Schröter  für  die  meisten  Arten,  im  Mai 
und  im  August. 

Apstein  gibt  für  das  Plankton  der  Seen  Holstein's  eine  Charakteristik, 
aus  welcher  die  auf  die  Pflanzen  bezüglichen  Stellen  hier  reproducirt  werden 
mögen : 

Die  Monate  Januar  und  Februar  sind  der  Ruhe  gewidmet:  „Viele  Algen 
verschwinden  ganz  aus  dem  Plankton,  sei  es  dass  sie  Sporen  gebildet  haben, 
wie  Gloiotrichia,  sei  es,  dass  sie  Cysten  hervorbringen,  wie  Ceratium,  die  alle 
auf  den  Seeboden  hinabsinken.  Andere  sind  recht  spärlich  geworden,  sind 
aber  stets  zu  finden,  so  die  Chroococcaceen,  Pediastrum  und  vor  allem  die 
Diatomeen." 

„Ganz  verschwunden  dagegen  sind  ausser  den  obengenannten  die  Dino- 
bryen,  die  sich  wohl  im  December  noch  in  einzelnen  Exemplaren  blicken 
lassen;  sie  haben  schon  in  der  Zeit  vom  Juli  bis  August  Cysten  gebildet, 
die  ebenfalls  untersinken  .  .  ." 

„Sobald  die  Sonne  stärker  zu  wirken  beginnt  und  namentlich  in  der 
Tiefe  das  Wasser  sich  erwärmt  (April),  dann  beginnt  ein  mächtiger  Umschwung. 
Die  Mehrzahl  der  Diatomeen  erscheint  in  gewaltigen  Mengen,  so  dass  sie  das 
Plankton  für  kurze  Zeit  ganz  beherrschen.  Von  anderen  Pflanzen  folgen  im 
Frühjahr  Dinobryen,  die  am  Ende  desselben  ihr  Maximum  erreichen,  dann 
noch  Gymnodinium  fuscum.  Alle  übrigen  Pflanzen  sind  auch  schon  zu  finden, 
befinden  sich  aber  im  Anfange  ihrer  Entwicklung  .  .  ." 

„Im  Sommer  hat  dann  das  Leben  seinen  Höhepunkt,  namentlich  was 
die  Mannigfaltigkeit  der  Arten  anbelangt,  erreicht.  Die  niederen  Algen,  wie  Nosto- 
caceen,  Rivulariaceen  und  Chroococcaceen  erreichen  ihre  höchste  Ausbildung 
und  sind  als  Wasserblüthe  dem  Auge  direkt  sichtbar.  Die  Palmellaceen  und 
Volvocineen  sind  zahlreich,  auch  gilt  dasselbe  für  die  Peridineen,  und 
manche  der  Diatomeen  bilden  jetzt  oder  zu  Beginn  des  Herbstes  noch  ein 
Maximum  .  .  ." 

„Im  Herbst  erreichen  viele  Diatomeen  noch  einmal  eine  mehr  oder 
weniger  bedeutende  Entwicklung,  die  anderen  pflanzlichen  Wesen  sind  aber 
in  der  Abnahme  begriffen,  die  bei  manchen  sehr  schnell  vor  sich  geht,  bei 
vielen  unter  Bildung  von  Dauerstadien  .  .  ."*) 


*)  Schröter.     Apstein. 
2)  1.  c.  S.   127—128. 


III.   Die  Vegetation  des  Süsswassers. 


859 


6.  Die  Schnee-  und  Bisvegetation. 


Der  ewige  Schnee  und  das  Eis  der  polaren  Zonen  und  der  Hoch- 
gebirge zeigen  hie  und  da  auffallende,  durch  mikroskopische  Algen  be- 
dingte Färbungen,  welche  für  den  Schnee  in  verschiedenen  Schattirungen 
von  Roth,  selten  von  Grün,  für  das  Eis  mehr  in  solchen  von  Braun 
bestehen.  Die  gefärbte  Schneeschicht  beträgt  bis  etwa  5  cm,  während 
das  Eis  nur  oberflächlich,  manchmal  an  die  Anwesenheit  feinen  Staubes 
(Kryokonit)  gebunden,  seine  Flora  ernährt. 

Seit  ihrer  Entdeckung  in  den  Alpen  von  Savoyen  durch  H.  de  Saus- 
sure ,  der  sie  irrthümlich  auf  Blüthenstaub  oder  eine  eigenartige  Erde 
zurückführen  wollte,  hat  die  Erscheinung  des  rothen  Schnees  die  Natur- 
forscher und  Reisenden  häufig  beschäftigt.  Ihre  wahre  Natur  wurde 
jedoch  erst  durch  Elias  Fries  (1822) 
und  Agardh(i823)  erkannt,  welche  in 
den  so  häufig  missdeuteten  rothen 
Kügelchen  eine  zu  den  Protococcaceen 
gehörige  Alge  nachwiesen,  die  der 
letzterwähnte  Forscher  Protococcus  ni- 
valis benannte.  Sommerfeit  hatte  kurz 
vorher  den  Organismus  des  rothen 
Schnees  mit  dem  Namen  Sphaerella 
nivalis  belegt,  welcher  der  gegenwärtig 
gebräuchliche  ist. 

In  neuerer  Zeit  ist  das  Vorkom- 
men von  rothen  Schneealgen  an  den 
verschiedensten  Punkten  der  arktischen 
und  antarktischen  Zonen  und  auf 
den  meisten  Schneebergen  (Pyrenäen, 

Alpen,  Karpathen,  skandinavische  Gebirge,  Ural,  Sierra  nevada  in 
Spanien,  äquatoriale  und  chilenische  Anden)  nachgewiesen  worden,  so 
dass  eine  allgemeine  Verbreitung  der  Erscheinung  anzunehmen  ist. 
Die  braune  Eisfärbung  wurde  bisher  vornehmlich  in  polaren  Gebieten 
beobachtet  und  der  grüne  Schnee  ist  eine  seltene  Erscheinung. 

Ausser  der  zuerst  entdeckten  und  alle  anderen  an  Häufigkeit  und 
massenhaftes  Auftreten  übertreffenden  Sphaerella  nivalis  bilden  noch 
zahlreiche  andere  Mikrophyten  die  Schnee-  und  Eisflora.  Wittrock 
zählt  in  seiner  Monographie  42  Arten  auf,  welche  sich  auf  die  Cyano- 
phyceen,  Diatomaceen,  Conjugaten,  Volvocaceen,  Pleurococcaceen  und 
Ulothrichaceen  vertheilen.  Unter  ihnen  besitzen  jedoch,  ausser  der 
Sphaerella,  nur  noch  zwei  Arten  grössere  Bedeutung,  die  Desmidtacee 
Ancylonema  Nordenskiöldii  Berggr.,  ein  Organismus  mit  violettem  Safte, 


Fig.  502.    Schnee-  und  Eisalgen. 

/ — 3  Sphaerella  nivalis.    4  Raphidium 

nivale.  5 — 6 Ancylonema  Nordenskjöldii. 

Vergr.  Nach  Chodat. 


8ÖO  Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 

welcher  zuerst  im  grönländischen  Eis,  dem  es  eine  braune  Färbung 
verleiht,  entdeckt,  seitdem  im  Schnee  des  Mont  Blanc  und  Pichincha 
nachgewiesen  wurde,  und  die  Cyanophycee  Scytoneipa  gracile,  welche 
stellenweise  den  Hauptbestandtheil  der  grönländischen  Inland  eis  Vegeta- 
tion bildet. 

Ausser  den  Algen  hat  bereits  Wittrock  chlorophylllose  Mikrophyten 
in  der  Eis-  und  Schneevegetation  nachweisen  können,  namentlich  das 
auf  Sphaerella  nivalis  schmarotzende  Chytridium  Haematococci  AI.  Br. 
Endlich  sind  einige  Moosprotonemata  hin  und  wieder  beobachtet  wor- 
den, welche  niemals  beblätterte  Pflanzen  entwickelt  hatten. 

Wittrock's  Liste,  welche  sich  allerdings  nur  auf  Skandinavien  und 
die  arktische  Zone  bezieht,  aber  doch  alle  damals  bekannten  Schnee- 
und  Eisgewächse  umfasste,  erhielt  in  neuester  Zeit  Zuwachs,  namentlich 
durch  Lagerheim,  welcher  als  Urheber  des  rothen  Schnees  auf  dem 
Pichincha  drei  bisher  unbekannte  Chlamydomonas -Arten  erkannte,  näm- 
lich Chi.  sanguinea,  Chi.  asterosperma  und  Chi.  nivalis,  welche  allerdings, 
nach  Chodat,  nurEntwickelungsformen  der  polymorphen  Sphaerella  nivalis 
sein  sollen.  In  Gesellschaft  der  Rothalgen  zeigten  sich  zwei  einzellige  Algen, 
das  bereits  erwähnte  Ancylonema  Nordenskiöldii  und  die  Pleurococcacee 
Raphidium  nivale  (Lagerh.  sub  Raphidonema),  welches  von  Chodat  seit- 
dem im  Schnee  des  Mont  Blanc  wiedergefunden  wurde  (Fig.  502^),  ferner 
ein  einzelliger  Pilz,  Solenotila  nivalis  Lagerh.,  der  an  Zahl  der  Indivi- 
duen die  Algen  übertraf.  Die  Gesammtzahl  der  Schneepflanzen  des 
Pichincha  beläuft  sich  nach  Lagerheim  auf  21  Arten,  welche  zu  den 
Cyanophyceen ,  Diatomaceen,  Desmidiaceen ,  Volvocaceen,  Tetraspora- 
ceen,  Pleurococcaceen,  Chytridiaceen  und  Laubmoosen  (Protonemata), 
also,  abgesehen  von  der  systematisch  unsicheren  Solenotila,  denselben 
Gruppen  gehören,  wie  in  der  Arktis  und  auf  den  Hochgebirgen  der 
temperirten  Zonen. 

Die  Ökologie  der  Schnee-  und  Eisvegetation  ist  noch  nicht  er- 
forscht worden. 


Auswahl  der  Literatur« 

Apstein,    Carl.     Das    Süsswasserplankton.     Methode    und    Resultate    der 

quantitativen  Untersuchung.    Kiel  und  Leipzig.     1896. 
Berggren,  S.   Alger  frän  Grönlands  inlandsis.    Oefversigt  of  Kongl.  Vetens- 

kaps-Akad.  Förhandlingar.     28.  Jahrg.    Stockholm  1872. 
Bornet  et  Flahault.     Sur   quelques  plantes  vivant   dans   le   test   calcaire 

des  mollusques.    Bullet,  de  la  socidtd  botanique  de  France.    Bd.  XXXVI. 

1889. 


Auswahl  der  Literatur.  86 1 

Brand.    Ueber  die  Vegetationsverhältnisse  des  Würm-Sees  und  seine  Grund- 
algen.    Botan.  Centralblatt.     Bd.  65.     1896. 
Caspary,  R.     Die  Hydrilleen.     Pringsheim's  Jahrb.     Bd.  I.     1858. 

—  Aldrovandia  vesiculosa.     Bot.  Zeit     1859.     1862. 

Chodat,   R.   I.   Sur   la   flore    des   neiges    du   col  des  Ecandies  (Massif.  du 
Ml-  Blanc).     Bulletin  de  l'Herbier  Boissier.     Tome  IV.     1896. 

—  II.    Algues  incrustantes   et  perforantes.     Arch.   des  sciences   physiques  et 

naturelles.     4e   pdr.   Tome  III.     1897. 

—  III.   Recherches   sur  les    Algues    p&agiques   de  quelques   lacs   suisses    et 

francais.     Bulletin  de  l'Herbier  Boissier.     1897. 
Drude,  O.    Deutschlands  Pflanzengeographie.    Bd.  I.     1886.    S.  363  u.  f. 
Fol  et  Sarrasin.     Penetration   de  la   lumtere  du  jour  dans  les   eaux    du 

lac  de  Gen&ve  et  dans  Celles  de  la  M^diterrande.     M£m.  de  la  Soctete 

de  physique  et  d'histoire  naturelle  de  Gen£ve.    Tome  29.     1887. 
Forel.     Etüde  sur   les   variations   de  la  transparence   des   eaux   du   Ldman. 

Arch.  des  sciences  phys.  et  naturelles  de  Gen&ve.    T.  59.     1877. 
Gobi,  Ch.    Die  Algenflora  des  Weissen  Meers  und   der  demselben  zunächst 

liegenden  Theile    des   nördlichen  Eismeers.     M6m.  de  l'Acad.  imp.  des 

sciences  de  Sl-  P&ersbourg.     Sdr.  7.     Tome  26. 
Göbel,  K.     Pflanzenbiolog.  Schilderungen.     II.  Theil.     VI.   Wasserpflanzen. 

1891. 
Hegelmaie r.     I.   Die  Lemnaceen.     Leipzig  1868. 

—  II.   Wolffia  microscopica.     Bot  Zeitung  1885. 

Huber  et  Jadin.    Sur  une  algue  perforante  d'eau  douce.    Comptes  rendus 
et  l'Ac.  des  sciences  de  Paris.     1892. 

—  Sur  une  riouvelle  algue  perforante   d'eau  douce.     Journal  de  botanique 

1892. 
Irmisch,  Th.   Beitrag  zur  Naturgeschichte  des  Stratiotes  aloides.   Flora  1865. 
Istvanffy,    G.    v.     Die  Vegetation   der   Budapester   Wasserleitung.     Botan. 

Centralbl.     XVI.  Jahrg.     1895. 
Jägg*>   J-     Die  Wassernuss,   Trapa  natans  L.  und    der  Tribulus   der  Alten. 

Zürich   1883. 
Kleb  ahn,   H.     Ueber  wasserblütebildende  Algen,   insbesondere    des  Plöner 

Seengebiets,  und  über  das  Vorkommen  von  Gasvacuolen  bei  den  Phyco- 

chromaceen.     Forschungsberichte   aus   der   biologischen  Station  zu  Plön. 

Tbl.  IV.     1896. 
Kurz,  F.     Preliminary  report  of  the  forest  and  other  Vegetation  of  Pegu. 
Lagerheim,  G.  de.     I.   Die  Schneeflora  des  Pichincha.     Ber.  der  deutsch. 

botan.  Gesellsch.     Bd.  X.     1892. 

—  IL   Bidrag   tili   Kännedomen   om   Snöfloran   i   Luleä   Lappmark.      Botan. 

Notiser.     1883. 
Lauterborn,  R.     Ueber  das  Vorkommen  der  Diatomeengattungen  Attheya 

und   Rhizosolenia   in   den   Altwassern   des  Oberrheins.     Ber.  d.  deutsch. 

botan.  Gesellschaft     Bd.  XIV.     1896. 
Magnin.     Recherches  sur  la  vdg&ation  des  lacs  du  Jura.     Revue   g^ndrale 

de  botanique.     Tome  V.     1893. 
Schenck,  H.     I.   Die  Biologie  der  Wassergewächse.     Bonn  1886. 

—  II.   Ueber  die  Bedeutung  der  Rheinvegetation  für  die  Selbstreinigung  des 

Rheines.     Centralbl.  für  allgemeine  Gesundheitspflege.     Bonn  1893. 
Schieiden,    M.     Beiträge  zur  Kenntniss  der  Ceratophylleen.     Beiträge  zur 
Botanik.     Leipzig   1844. 


862  Fünfter  Abschnitt:   Die  Vegetation  der  Gewässer. 

Schröder,   B.     I.    Attheya,    Rhizosolenia   und   andere   Planktonorganismen 

im  Teiche  des  botanischen  Gartens  zu  Breslau.     Ber.  d.  deutsch,  botan. 

Gesellschaft.     Bd.  XV.     1897. 
—  II.    Ueber   das   Plankton   der   Oder.     Ber.    d.    deutsch,   botan.    Gesellsch. 

Bd.  XV.     1897. 
Schröter,    C.  und  Kirchner,    O.     Die  Vegetation  des  Bodensees.     Der 

Bodenerforschungen  9.  Abschnitt.     Lindau  i.  B.     1896. 
Schröter,    C.      Die    Schwebeflora    unserer    Seen.      (Das    Phytoplankton). 

Neujahrsblatt  der  naturf.  Gesellsch.  in  Zürich  auf  d.  J.  1897.   Bd.  XCIX. 

(Nur  im  Referat  Naturw.  Rundschau  XIII.  Jahrg.  zugänglich.) 
Strasburger,  Ed.     Ueber  Azolla.     Jena  1873. 

Van  Hören.    Observations  sur  la  physiologie  des  Lemnac^es.    Gand  1869. 
Warming,    E.      Familien    Podostemaceae.      Kgl.    Danske    Vidensk.    Selsk. 

skrifter.     1881,  82,  88. 
W  e  d  d  e  1 1.   Sur  les  Podostdmacöes  en  gtfndral  et  leur  distribution  göographique 

en    particulier.      Bullet   de   la   soc.    botanique   de   France.      S£ance  du 

22  janvier  1877. 
Weed,  W.  H.    Formation  of  travertine  and  siliceous  sinter  by  Vegetation  of 

hot    Springs.      9    Annual    report    of    United    states    geologicai    survey 

1887— 88. 
Witt  rock,   V.  B.     Ueber  die  Schnee-  und  Eisflora   besonders    in  den  ark- 
tischen Gegenden.     In  A.  E.  v.  Nordenskjöld,  Studien  und  Forschungen. 

Deutsche  Ausgabe  1885. 
Zacharias,  O.    Die  Thier-  nnd  Pflanzenwelt  des  Süsswassers.    Bd.  I.    1891. 

(I.    Forel.      Allgemeine   Biologie    eines   Süsswassersees.      II.    Migula. 

Die   Algen.     III.    Ludwig,    Fr.      Zur   Biologie    der   phanerogamischen 

Süsswasserflora.     V.   Migula.     Die  Flagellaten). 


Register. 


Abchasien  610. 
Acacia  660,  560  u.  f. 

—  armata  562.  marginata  562.  deci- 
piens  562. 

—  Catechu  407. 

—  cornigera   154. 
--  linearis  564. 

—  floribunda  564. 

—  planifrons  290. 
Acanthosicyos  663. 
Acetabularia  mediterranea  829. 
Achillea  atrata  117. 

—  moschata  117. 
Achsenfadenranken  211. 
Aciphylla  Colensoi  798. 
Actinodaphne  166. 
Adansonia  392. 

—  digitata  393. 
Adenia  globosa  649. 
Adenostoma  fasciculatum  566. 
Aegiceras  428. 
Aerenchym  81. 

Aetna  806. 
Afrika  797. 

—  Trop.,  Klima  299. 

—  Trop.,  Regenwald  321. 

—  Wüsten  637  u.  f. 
Agathosma  capitatum  557. 
Agave  applanata  673. 

—  in  Mexico  678. 
Agropyrum  junceum  687 . 
Akklimatisation  55. 
Alang- Alang  176. 
Alaria  dolichorhachis  837. 
Alaska,  Wälder  596. 
Alchemilla  javanica  770. 


Alectoria  721. 
Algen  822  u.  f. 

—  als   Landpflanzen    in   den  Tropen 
246. 

—  Verhalten  gegen  das  Licht  66. 
Alhagi  maurosum  645. 
Allephanies.   Wälder  604  u.  f. 
Aloe  450. 

—  dichotoma  660.  661. 

Alpen,  Bestäubung  der  Blüthen   140. 
Alpine  Flora  der  Alpen  809. 

—  —  der  Anden  780. 

!  —  —  des  Kilimandscharo   774   u.  f. 

—  —  des  Kinabalu  772. 
Natal's  798. 

—  —  Neu  -  Seeland's  797. 
Alpine  Gesträuche  740. 

—  Grasfluren  740. 

—  Gräser  742. 

—  Pflanzen.     Vorkommen  in  tieferen 
Regionen  751. 

—  Region  737. 

—  Region.  Verfärbung  der  vegetativen 
Organe  747. 

—  Steppen  763. 

—  Vegetation.      Vergleich     mit    der 
polaren  752. 

—  Structur  740. 

—  Wüsten  740. 

Alpines  Klima.   Aetherische  Oele  751. 
!  —  —  Licht  749. 
1    —  —  Niedere  Temperatur  750. 

—  —  Stoffwechsel  750. 

—  —  Trocknende  Eigenschaften  7  50. 

—  —  Zuckerbildung  in  den  Nektarien 

7  5°- 
Alseusosmia  macrophylla  506. 


864 


Register. 


Alstonia  verticillata  353. 
Altai  814. 

Ameisen,  Bedeutung  für  die  Pflanzen 
147   u.  f. 

—  blattschneidende  149. 

—  pilzzüchtende  149. 

—  Schutzmittel  der  Pflanzen  gegen 
dieselben  153. 

Ameisenpflanzen   154. 

Amerika  779.  Vgl.  die  verschiedenen 
Länder,  sowie  Nordamerika,  Süd- 
amerika. 

Amherstia  nobilis  357. 

Ammophila  arenaria  687. 

Amphithalea  ericifolia  546. 

Amurland  625. 

Anaphalis  javanica  761. 

Anastaticahierochuntica  (unnächte  Rose 
v.  Jericho)  642. 

Anden.    Flora  740.  779. 

Andira  inermis  399. 

—  laurifolia  376. 
Anemophile  Vorrichtungen  89. 
Androsace  helvetica  810. 
Angraecum  eburneum  143. 
Anisosperma  Passiflora  213. 
Anona  senegalensis  391. 
Antelminellia  gigas  840. 
Apennin  804. 

Aphotische  Region  818. 
Aphyllen  11. 
Arabien  648. 
Araceen  252. 

Arctostaphylos  tomentosa  566. 
-Areca  250. 

—  Catechu,  254. 
Areg  640. 
Arenga  250. 
Argentinien  799. 

—  Klima  487. 

—  Pampas   532. 

—  Wälder  502.  523.  524. 
Aristida  661. 

—  pungens  647. 
Aristotelia  maqui   571. 
Arktische  Meere  836. 

—  Pflanzenformationen  721. 

—  Vegetation  710. 

—  —  Vergleich     mit     der     alpinen 

752- 
Bestäubung  141. 


Arktische     Vegetation.       Floristischer 
Charakter  718. 

—  —  Periodicität  705. 
Arktisches  Klima  697. 
Artemisia  658.  675. 

—  frigida  658. 

—  maritima  658. 

—  tridentata  671.  672. 
Artocarpus  255. 
Arundinaria  macrosperma  502. 
Asien  786. 

—  trop.  Regenwald  315. 

—  Wüsten  637  u.  f. 
Asplenium  adulterinum  104. 

—  Nidus  317.  760. 

—  serpentini   104. 

Assimilation  der  polaren  Gewächse  712. 

Astelia  508.  514. 

Asterionella  gracillima  853. 

Atlas  804. 

Athos  806. 

Aufthauen.    Schädl.  Wirk.  43. 

Auftauchender  Gürtel  823. 

Australien,  Grasfluren  534. 

—  Hartlaubgehölze  558. 

—  Klima  492.  493. 

—  Periodische  Erscheinungen  475. 

—  Trop.  Regenwald  324. 

—  Scrub  559  u.  f. 

—  Wälder  514.  525. 

—  Wüste  664. 
Auerrhoa  Bilimbi  329. 
Avicennia  428  u.  f. 

—  officinalis  429.  431. 
Azorella  741.  780.  782. 


Baccharis  rosmarinifolia  571. 

—  serrulata  398. 

—  rufescens  398. 
Balanophoreen  364. 
Bambusa  251.  410. 
Bambusen,  kletternde  335. 

—  Wachsthum  235. 

—  s.  a.  Cephalostachyum. 
Bambuswald  408. 
Banane  85.  253. 

—  ornithophil   136. 
Banksia  marginata  563. 

—  serrata  $63. 

—  ericaefolia  563. 


Register. 


865 


Banksia  spinulosa  563. 
Banyan  344. 
Baobab  392. 
Basale  Region  737. 
Batis  maritima   11. 
Baumfarne  247. 
Baumgrenze  183. 
Bauhinia  212.  339.  341. 

—  kletternd  338  u.  f. 
Bäume,  Fassbäume  375. 

—  Etagenform  372. 

—  Eigenthüml.  der,  im  trop.  Regen- 
walde 326. 

—  hygrophile   179. 

—  Schirmform  372. 

—  Transpiration   179. 

—  Verzweigung  in  den  Tropen  330. 

—  Wasserbehälter  375. 

—  xerophile  180.  371. 
Benthos  818.  823.  836.  848.  849. 
Berzelia  abrotanoides  557. 
Bestäubungsvorrichtungen   133. 
Bewegungen  des  Wassers  819. 
Bigelovia  graveolens  67$.  676. 
Blatt  7   u.  f. 
Blattfadenranken  210. 
Blattkletterer  210. 
Blattsucculenten   1 1 . 

Blüthen.     Abhängigkeit  von  niederen 
Temperaturen  54. 

—  —  von  der  Trockenheit  233. 

—  alpiner  Gewächse  743.  747. 

—  knospen  im  trop.  Regenwald  358. 
Boden  93  u.  f. 

—  chemische  Eigenschaften  96. 

—  Durchlässigkeit  94. 

—  Erhitzung  durch  Schichtung  49. 

—  Physikalische  Eigenschaften  93. 

—  Salzgehalt  6.   96. 

—  Trockenheit  6. 

—  Versumpfung  93. 

—  Wassercapacität  94. 
Bodensee  852. 
Bodenwasser  192. 
Böhmerwald  607. 
Bombax  malabarium  372. 
Borneo,  alpine  Flora  772. 

—  Regionen  am  Kinabalu  766. 
Boronia  crenulata  561. 
Borrecia  eryngioides  402. 
Botryococcus  Braunii  853. 

Schi mp er,  Pflanzengeographie. 


Bouteloua  oligostachya  675. 
Brachysema  undulatum  561. 
Brackische  Gewässer  817. 
Brasilien   501.  784. 

—  Klima  293. 
Brickellia  pinifolia  398. 
Brodbaum  255. 

—  Bromeliaceen  253. 

—  epiphyt.  348  u.  f. 
Brownea  hybrida  356. 
Brugmeria  428  u.  f. 

—  caryophyllata  430. 

—  parviflora  427. 

—  gymnorhiza  428.  430.  432. 
Buchenwald  in  Neu-Seeland  795  u.  f. 
Buchloe  dactyloides  631   u.  f.  675. 
Büffelglas  s.  Buchloe. 

Bulbilis  s.  Buchloe. 
Buschwald   176. 


Caatinga  s.  Catinga. 
Cacteen  in  Mexiko  678. 
Cakile  maritima  687. 
Calciumcarbonat  105. 
Californien  597. 

—  Chaparral  569. 

—  Hartlaubgehölze  565. 

—  Wälder  567. 

—  Wüste  668. 

—  Wüstenklima  668. 
Calligonum  651. 
Calluna  vulgaris  689. 
Calophyllum  eugenioides  773. 
Calytrix  glabra  561. 
Camargue.     Vegetation  202. 
Campos  39. 

—  Klima  295. 
Capoes  385. 

Capparis  spinosa  var.  aegyptiaca  647. 
Capura  165. 
Carapa  obovata  430. 
Cardinalgrade     42.  50. 
Cardinalpunkte  42. 
Cassiope  tetragona   13.  723. 
Cassinia  fulvida  692. 
Cassytha  365. 

Casuarina  montana  762.  763.  764. 
Catinga  386. 
Cattleya  bicolor  12. 
Caulerpa  prolifera  829. 
55 


866 


Register. 


Caulerpa.      Wachsthum    in    luftarmem 

Wasser  81. 
Cauliflorie  360. 
Ceanothus  cuneatus  566. 

—  papillosus   566. 
Cecropia  154. 
Celebes,  Regionen  766. 

—  Pandanuswald  771. 
Celmisia  sessiliflora  744. 
--  viscosa  798. 
Centralasien.    Wüsten  650  u.  f. 
Cephalostachyum  pergracile  Fig.  187. 
Ceratium  841. 

Cereus  polylophus  Fig.  128. 
Chaparral  $69. 
Chasmophyten   193. 
Ceylon  768.  773. 
Chara  850. 
Chile  803.  807. 

—  Hartlaubgehölze  570. 

—  Klima  480.  494. 

—  Periodische  Erscheinungen  473. 

—  Wälder  518. 
Chlornatrium  98. 
Chorda  filum  825. 
Chorizema  triangularis  561. 
Cisternepiphyten  341. 
Cistus  550. 

—  crispus  551. 
Chylokaulen   12. 
Chylophyllen   11. 
Cladina  721. 

Chadophora  pygmaea  825. 
Clerodendron  160. 

—  Minahassae  359. 
Cliffortia  ilicifolia  558. 
Clusia,  epiphyt  343  u.  f. 

—  grandiflora  354. 
Cneorum  tricoccum  546. 
Cochlearia  fenestrata  44.  45.  713. 
Cocos  nucifera  249.  250. 
Codonanthe  Devosii   342. 
Coleonema  album  557. 
Colliguaya  odorifera  571. 

—  integerrima  571. 
Copernicia  tectorum  397. 
Coprosma  acerosa  692. 

—  foetidissima  506. 

—  Hookeri  768.  772. 

—  serrulata  800. 
-  sundana  767. 


Cordia  nodosa   161.    163. 
Cordillere,  Regionen  779. 
Cordyline  australis  453. 
Croton  antisyphiliticus  402. 
Crumenaria  erecta  402. 
Culturen  im  Höhenklima  745. 
Cunonia  capensis  559. 
Cupressus  macrocarpa  570. 

—  sempervirens  $50. 
Cüscuta  europaea  220. 
Cycadaceen  248.  249. 

—  in  der  temp.  Zone  449. 
Cyclotella  bodanica  853. 

—  comta  853. 
Cymbella  cistula  826. 
Cypresse  549.  550. 


Dacrydium  cupressinum  513. 
Dalechampia  ficifolia  213. 
Dalbergia  variabilis  211. 
Damaraland  660. 
Dammara  australis  513. 
Daphne  Gnidium  553. 
Death  Valley  668. 
Delesseria  sanguinea  835. 
Dendrocalamus  giganteus  234. 
Dendromecon  rigidum  567. 
Desmarestia  aculeata  834. 
Desmoschoenus  spiralis  197.  692. 
Desmotrichum  balticum  825. 
Dianthus  glacialis  745. 
Dillenia  ochreata  353. 
Dionysia  19. 
Dioon  edule  248. 
Diosma  succulentum  557. 
Dismal  swamp  606. 
Djotiwald  380. 
Djurdjura  804. 

Dorngehölze,  temperirte  523. 
Dornenwald  281.  282. 

—  klimatische  Bedingungen  291.  297. 
491. 

—  in  Amerika  385. 

—  in  Ostafrika  384. 
Draba  723. 

—  alpina  714. 
Dracophyllum  uniflorum  800. 
Drakenberg  798. 

Drapetes  ericoides  768.  772. 
Drift  33. 


Register. 


867 


Drimys  Winteri  616. 
Dryandra  mucronulata  563. 
Dünen   195.  688.  689. 

—  an  Süsswasserseen  198  u.  f. 

—  Vegetation   196.  204. 

—  in  den  Wüsten  640. 
Duroia  160. 

Dunkelheit    Wirkungen  auf  das  Pflan- 
zenleben 63. 
Dysphotische  Region  818. 


Edaphisch  5. 

Edaphische  Wirkungen  in  den  tempe- 
rirten  Zonen  684. 

—  —  in  den  Tropen  404. 
Eisflora  859. 

Elymus  arenarius  687.  689. 
Empetrum  nigrum  723. 
Endochylen   13. 
Entomophilie   139. 
Epiphyllen  351.  352. 
Epiphyten  213. 

—  Beziehungen  zur  alpinen  Flora  752. 

—  in  Monsunwäldern  378. 

—  im  Sommerwalde  589. 

—  in  den  Savannen  376. 

—  im  temperirten  Regenwald  508  u.  f. 

—  im  trop.  Regenwalde  314.  315  u.  f. 

340. 
Eremanthus  sphaerocephalus  399. 
Erfrieren  43. 
Erica  multiflora  553. 
Ericinella  Mannii  777. 
Erigeron  pulvinatum  742. 
Eryngium  ebracteatum  402. 

—  maritimum  688. 
Escallonia  arguta  571. 
Espeletia  780. 
Espinalformation  488. 

Eucalyptus  525.  526.  527.   560  u.  f. 

—  globulus  525. 
Eugenia  dysenterica  374. 
— '  Jaboticaba  374. 
Eupatorium  horminoides  398. 
Euphorbia  395.  662. 
Eurotia  lanata  675.  676. 
Europa.     Urwälder  607. 
Euryops  dacrydioides  777. 
Euterpe  edulis  307. 
Exostema  floribundum   145. 


Fagus,  im  antarktischen  Walde  615  u.  f. 

—  cliffortioides  796. 

—  fusca  506. 

—  Solandri  506. 

Farne,  epiphytische  341    u.  f. 

—  in  den  Tropen  247. 
Feijoa   138  u.  f. 
Felspflanzen   193. 
Festuca  thalassica  687. 
Fettbäume  466. 
Feuerland,  Wälder  615. 

Ficus  254.  342.  343.  362.  397. 

—  aurea  501. 

—  bengalensis  344.   345. 

—  epiphyt  343  u.  f. 

—  inaequalis   161   u.  f. 

—  religiosa,  Träufelspitze  22. 
Fiederblätter  13. 

Flechten  721. 

Fleischfressende  Pflanzen  695. 
Fliessende  Gewässer  855. 
Florida,  Wälder  501   u.  f. 
Forciren  51.  466. 
Formationen  173.   175. 

—  klimatische   176. 

—  edaphische   176. 

—  Zusammenleben  der  Pflanzen  204. 
Fragilaria  crotonensis  853. 
Frailejon  780. 

Freycinetia  334. 
Fucus  vesiculosus  832. 
Fumarolen  413. 


Galeriewald   192. 
Galmei  104. 
Garcinia  ferrea  353. 
Garigues  548. 
i  Gebiete  228. 
Gefrieren  43. 
Gehölz  176. 

Gehölzfeindliches  Klima   188. 
Gehölzklima   178.   188. 

—  in  den  Tropen  297. 

—  in  den  temperirten  Zonen  573. 
Genfer  See  852. 

Geselliges  Wachsthum  205. 

—  —    im  tropischen  Regen walde  313. 
Genossenschaften   208. 

Gentiana  acaulis   116, 

55* 


868 


Register. 


Gentiana  excisa   116. 

—  quadrifida  766. 
Gerolle  194. 
Gesträuch   176. 
Glaucium  flavum  688. 
Gleichenia  linearis  247. 
Globularia  alypum  553. 
Gnaphalium  involucratum  769. 
Gnetum  scandens  332. 
Gnidia  pinifolia  557. 

Gobi  650  u.  f. 
Gomphrena  jubata  401. 
Gossleriella  tropica  840. 
Gouania  urticaefolia  212. 
Gourliea  decorticans  523. 
Grammatophyllum  speciosum  346. 
Gräser,  alpine  742. 
Grasflur  176. 

Grasfluren,    temperirte  528  u.  f.  622 
u.  f. 

—  in  den  Tropen  282.  387. 
Grasflurfeindliches  Klima  189. 
Grasflurklima   189. 

—  in  den  Tropen   282. 

—  in    den    temperirten    Zonen    481 

u.  *"•  573- 

—  tropisches  295.  301. 
Grasnarbe,  Existenzbedingungen    188. 
Grayia  polygaloides  676. 
Grenzwerthe     der    pflanzlichen    Func- 
tionen 42. 

Grönland  725. 

—  Bestäubung  der  Blüthen   141. 
Grubbia  stricta  543. 
Grundwasser  s.  Bodenwasser. 
Gürtel  der  Wasservegetation  823. 
Gymnospermen,  in  der  temp.  Zone  449. 

—  in  den  Tropen   249. 

H. 

Hakea  saligna  564. 
Hakenklimmer  211. 
Halbwüste   177. 

Halophyten   101.   196.   202.  817. 
Halostachys  occidentalis  676. 
Haloxylon  ammodendron  656.  657. 
Hamada  640. 
Harpagophytum  665. 
Hartlaubgehölze   538. 

—  Klima  493. 
Hedycarya  dentata  506. 


Heide  689. 

Helianthemum  vulgare  im  Höhenklima 

748. 
Helichrysum  Lentii   775. 
Heliconia  Bihai  359. 
Helm  687. 
Hemiepiphyten  340. 
Hemiplankton  818. 
Hemisaprophyten  219. 
Himalaya  786. 
Hinterhubera  ericoides  740. 
Hippophae  rhamnoides  688. 
Hochmoore  691. 
Höhen  727. 

—  Culturen  745. 

—  Obere   Grenze   des  Pflanzenlebens 

753. 
Höhenklima  727. 
Honigvögel  als  Bestäuber  135. 
Homalium  tomentosum  Fig.   125. 
Honkenya  peploides  687. 
Humboldtia  160. 

—  laurifolia  162. 
Humus  94.   118. 

—  in  den  Tropen  408. 

—  pflanzen  124. 

—  säuren  6. 
Hydathoden  23. 
Hydnophytum  162. 
Hydnora  africana  661. 
Hygrophyten  4. 

—  Klima  5. 

—  Structur  20. 
Hymenophyllaceen  331. 
Hyptis  virgata  402. 


Indien,  Klima  282.   291. 

—  Wald  388. 

—  Wüste  650. 

Inselfloren,  Bestäubung  d.  Blüthen  141. 
Ionopsis  216. 
Ipomoea  399. 

—  pes  caprae   198.  414.  415.  416. 
Isoetes  echinospora  847. 

—  lacustris  847. 
Isothermen  227. 
Japan  814. 

—  Wälder  516.  614. 

—  Periodische  Erscheinungen  47  1 . 

—  Klima  479. 


Register. 


869 


Java,  Regionen  759. 

—  Strandformation   196. 

—  Wald  315. 

Juan    Fernandez ,     Blüthenbestäubung 

142. 
Juniperns  communis  41.   186. 
Jussiaea,  Pneumatophoren  83. 

—  peruviana  83. 


Kadsura  cauliflora  361. 
Kageneckia  angustiflora  571. 

—  oblonga  571. 
Kalahari  660. 
Kalk   105. 

—  Einfluss  auf  die  Pflanzenstructur  107. 

—  in  den  Tropen  407. 

—  giftige  Wirkungen  107. 

—  Einfluss  auf  den  Stoffwechsel   108. 

—  boden  u.  Florencharakter  in. 

—  pflanzen   in   u.  f. 

Kälte,  Angebliche  Schutzmittel  gegen 
dieselbe  717. 

—  grösste  auf  der  Erde  46. 

—  physiologische  Vorgänge  auslösend 

54. 

—  Structur  der  Pflanzen  polarer  Ge- 
biete 41. 

—  Widerstandsfähigkeit   der   Pflanzen 

43- 

—  Wirkungen  41.  835. 
Kamtschatka  614. 
Kandelia  425. 

Kapland,  Hartlaubgehölze  555. 

—  Klima  482. 

— >  Periodische  Erscheinungen  474. 

Karroo  659.  661. 

Kaspimeer,  Wüste  an  demselben  650 
u.  f. 

Kaukasus  814. 

Keimung.  Abhängigkeit  von  der  Tem- 
peratur 52. 

Kiefernwälder  505. 

Kieselpflanzen   in   u.  f. 

Kilimandscharo  648.  769. 

—  alpine  Flora  774  u.  f. 
Kinabalu  766.  772. 
Kleinmannia  silvicola  506. 

Klima.  Vgl.  Temperirte  Zonen,  Tropen, 

alpines  K.  etc. 
Knightia  excelsa  506. 


Knospen,    im    tropischen  Regenwalde 

354- 
Kochsalz  s.  Chlornatrium. 
Kolibris  als  Bestäuber  133. 
Königspalme  250. 
Krakatau   200. 
Krummholz  740.  760. 


Landpflanzen,  in  Wasser  wachsend  26. 
Lasiagrostis  splendens  658. 
Laterit  406. 
Laubentwickelung  im  trop.  Regenwalde 

355- 
Laubwald,  sommergrüner  537. 
Lavendula  Stoechas  553. 
Lavendel  551. 
Leontodon  Taraxacum  im  Höhenklima 

746. 
Lepidium  intennedium  673. 
Leptospermum  floribundum  761.  762. 

—  resiniferum  564. 
Leucadendron   555. 

—  argenteum  556.   560. 
Leucopogon  Cunnighami   564. 

—  javanicus  763.  768. 
Lianen  209. 

—  im  japanischen  Walde  615. 

—  im  Sommerwalde  589. 

—  im  trop.  Regen walde  332. 

—  in  Monsunwäldern  378. 
Licht  61   u.  f. 

—  im  alpinen  Klima  749. 

—  Concentration  durch  Schattenblätter 

—  Einfluss  der  verschiedenen  Strahlen- 
gattungen 67. 

—  Optima  67   u.  f. 

—  Schädlichkeit  intensiven  L.  66. 

—  Schutzmittel  gegen  intensives  L.  66. 

—  Messung  der  Intensität  62. 

—  im  Wasser  819. 

—  Wirkung  auf  Reproduktionsorgane 

65. 

—  Wirkungen    verschiedener    Intensi- 
tät 64. 

-    Wirkung  auf  Transpiration  6. 

—  Streben  nach  Licht  im  Regenwald 

3M. 

—  Wirkung  dauernden  Lichtes. 
Lichtwirkungen  in  den  Tropen   241. 


870 


Register. 


Lichtregionen  818. 

Limnetisch  819. 

Lippia  rotundifolia  402. 

Lithophyten   193. 

Lithothamnion  glaciale  838. 

Llanos  397. 

Lodoicea  Sechellarum   252. 

Lorbeer  551. 

Loricaria  ferruginea  780. 

Lousiana,  Wälder  502. 

Luft  in  den  Gewässern  80. 

—  Wirkung  hoher  Lufttemperatur  649. 

—  Verdünnung  6. 

Luftdruck.     Wirkungen    verminderten 

und  erhöhten  L.  78. 
Lufttemperaturen,  hohe  6.  49. 
Lycopodium    nummulariaefolium   316. 

—  Phlegmaria  316. 
Lysipoma  aretioides  742. 


Macroplectrum  146 
Maja  compacta  742. 

—  cuntellata  134. 
Makrothermen  227. 

Malayische  archipel.  Regionen  759. 
Mangifera  indica  358. 
Mangrove  423  u.  f. 

—  Algen  827. 
Maquis  548. 
Marcgravia   134. 

—  umbellata   134. 
Mediterrangebiet  803. 
Meer.  Vegetation  822  u.  f. 
Meere  arktische  836. 

—  temperirte  831. 

—  tropische  826. 
Meeresstrand   196. 
Melaleuca  densa  561. 
Melastomaceen,  Myrmecophilie   166. 
Mendozia  Vellosiana  359. 
Merope  aretioides  742. 
Mesembryanthemum  662. 

—  cristallinum  647. 
Mesothermen  227. 
Metrosideros  lucida  506. 

—  viminalis   564. 
Mexico  782. 

—  Klima  677. 

—  Wälder  503. 

—  Wüsten  675. 


Mezquite   529. 
Micania  officinalis  398. 
Microspongium  gelatinosum  825. 
Mikronesien,  trop.  Regenwald  324. 
Mikrothermen  227. 
Mittelmeergebiet.    Klima  495. 
—  Hartlaubgehölze  547. 
Monsunwald  281.  371.  378.  383. 
Monotropa  Hypopitys   121. 
Montane  Region  737. 
Monteformation  488. 
Moore  690. 

Moose.    Structur  in  Polarländern  41. 
Mull   118. 
Musa  253. 
Mycorhiza   120. 
Myoporum  tuberculatum  561. 
Myrcia  longipes  374. 
Myriophyllum  alterniflorum  847. 
Myrmecodia  162. 
Myroine  Urvillei  506. 
Myrmecophilie   154. 
Myrte  551. 
Myrtus  bullata  506. 


Nadelwälder  594. 

Natal  797.  802. 

Navicula  Grevillii  827. 

Neapel,  Algenvegetation  im  Golf  von 

829. 
Nebraska,  Prärie  628. 
Nektarien,  extranuptiale  167. 
Nepenthes  695. 
Nertera  depressa  761. 
Nesodaphne  Jawa  506. 
Nestepiphyten  340. 
Neu -Mexico,  Savannen  528. 
Neurada  procumbens  647. 
Neu -Seeland  794  u.  f. 

—  Bestäubung  d.  Blüthen   142. 

—  Wälder  506. 
Nidularium  Innocentii  348. 
Niederholz   186. 

Nitella  850. 
Nitraria  Schoben  658. 
Nord -Amerika.       Atlantische     Wälder 
597.  601   u.  f. 

—  Klima  574. 

—  Pacifische  Wälder  597. 

—  Prärie  626  u.  f. 


Register. 


871 


Nord  -  Amerika.     Wälder  595. 

—  Wüsten  665. 

Nord- Carolina.    Wälder  604. 

Nothofagus  795  u.  f. 

Nullpunkte  des  Pflanzenlebens  42. 

—  untere  43. 
Nuphar  luteum  850. 

—  pumilum  849.   850. 
Nymphaea  850. 
Nymphaeaceen  850. 


Oasen   192.  640. 

Octomeria  12. 

Odontospermum  pygmaeum  643. 

Oelbaum  550. 

Oleä  europaea  539.  550. 

—  capensis  542. 

—  montana   5°  6. 
Oleander  551. 

Olearia  nummularifolia  800. 

Olinia  acuminata  543. 

Ombrophil  4. 

Ombrophilie  in  den  Tropen  244. 

Ombrophob  4. 

Ombrophobie  in  den  Tropen  244. 

Optimum  42. 

—  absolutes  50. 

—  harmonisches  50. 

—  ökologisches  50. 
Opuntia  oligostachya  675. 
Orchideen,  epiphy tische  341   u.  f. 

—  saprophytische  363. 
Oreodoxa  regia  250. 
Oriastrum  pusillum  742. 
Ornithocerus  840. 
Ornithophilie   133. 

Ost -Asien,  Kalttemp.  Klima  583. 

—  Regionen  759. 
Oxyanthus  hirsutus   145. 


Palmen  250.   504. 

—  kletternde  333. 

—  in  d.  temper.  Zone  452. 
Pamir  789  u.  f. 

Pampas  532. 

—  Klima  488  u.  f. 

Pandanus  252.   253.  417.  418.   766. 

77*- 

—  Sechellarum   243. 


Paramos  742.  779. 
Parasiten   125.   219. 

—  im  trop.  Regenwalde  363. 
Passerina  hirsuta  553. 
Patagonien.    Klima  489. 

—  Wüste  679. 
Pelagisch  819. 
Pelargonium  undulatum  661. 
Pendjab  639. 

Perichylen   13. 

Periodische  Erscheinungen  der  Wasser- 
pflanzen 819. 

—  —  in  der  Arktis  705. 

—  —  bei  Meeresalgen  830. 833.  857. 

—  —  in  den  temperirten  Zonen  460. 

—  —   in  den  Tropen  260. 
Peru  781. 

Pes-caprae  -  Formation  415.  416. 
Phänologie  42. 
Phebalium  nudum  506. 
Phillyrea  media  553. 
Philodendron  melanochrysum  337. 

—  cannifolium  343. 
Phoenix  251. 

—  silvestris  251. 
Phormium  tenax  510. 
Photinia  integrifolia  765. 
Photische  Region  818. 
Photometrische  Methoden  62. 
Phylica  ericoides  546. 
Phyllocladus  alpinus  800. 

—  glaucus  513. 
Physikalische  Feuchtigkeit  4. 

—  Trockenheit  4. 

—  Bodentheorie   113. 
Physiologische  Feuchtigkeit  4. 

—  Trockenheit  4. 
Phytelephas  251. 
Pickeringia  montana   566. 
Pidurutallagalla  768. 
Pilze  in  den  Tropen  246. 
Pimelea  spectabilis  561. 
Pine  barrens  606. 

Pinie  548.  549. 

Pinus  montana  var.  Pumilio  740. 

—  Pinea  203.   540. 

—  Pumilio  s.  P.  montana  var.   P. 

—  strobus  601   u.  f. 
Pistacia  550. 

—  Lentiscus  552. 
Pittosporum  Colensoi    506. 


872 


Register. 


Pittosporum  phillyraeoides  564. 

Plankengerüste  an  tropischen  Bäumen 
326  u.  f. 

Plankton  818.  839.  852. 

Planktoniella  Sol  840. 

Pflanzenleben,  obere  Grenze  im  Hoch- 
gebirge 753. 

Platycerium  grande  347. 

Platysma  721. 

Pneumatophoren  82.  430  u.  f. 

Podocarpus  507. 

—  ferruginea  513. 

—  Totara  513. 
Podostemaceen  856. 
Podostemon  Mülleri  855. 

—  Schenckii  855. 

Polare  Gewächse.     Structur  ders.  41. 

—  —  Resistenz  gegen  Kälte  45. 
Polsterpflanzen  741.  742. 
Polygala  myrtifolia  546. 
Polylepis  lanuginosa  780. 

—  racemosa  799. 
Posidonia  oceanica  824. 
Polytrichum  721. 
Posoquiera  hirsuta  145^» 
Primula  imperialis  761. 

—  nivalis  708. 
Pritchardia  filifera  669. 
Prosopis  alba  522. 

—  juliflora  529. 

Protea  Kilimandscharica  776. 

—  speciosa  137. 
Proteaceen  541.  556  u.  f.  563. 

—  ornithophil   136  u.  f. 
Protoepiphyten  340. 
Prunus  ilicifolia  568. 
Psamma  arenaria  689. 
Psammophyten   195. 
Psilotum  flaccidum  316. 
Psychotria  pyrifolia  521. 
Pteris  aquilina  763. 
Puna  742.  780. 
Pyrenacantha  malvifolia  649. 
Pyrenäen  813. 

—  Bestäubung  d.  Blüthen   140. 

Q. 

Quenoa  799. 

Quercus  chrysolepis  540.  545. 

—  coccifera  554. 

—  dumosa   566. 


Quercus  Hex  547.  548. 

—  pruinosa  762. 

—  Suber  550. 

—  virens  502. 
Quillaja  Saponaria  571. 


Rafflesia  364. 
Ralfsia  verrucosa  825. 
Rankenpflanzen  210. 
Ranunculus  fluitans  28. 

—  javanus  761. 

—  pygmaeus  723. 
Raoulia  741. 

—  Hastii  685. 

—  mamillaris   19. 
Ravenala  254. 

—  madagascariensis   254. 

—  ornithophil   136. 

Regen,  Bedeutung  für  den  Wald   180. 
Regenwald  281. 

—  subtropischer  500. 

—  temperirter  auf  Ceylon  773. 

—  temperirter  505  u.  f.  759. 

—  —  Klima  479. 

—  tropischer  282  u.  f.  305.  306  u.  f. 

—  —  in  Afrika  321. 

—  —  in  Asien  315. 

—  —  Oekologie  326. 
Region,  Photische  818. 

—  aphotische  818. 

—  dysphotische  818. 
Regionen  228.  736. 

—  in  den  tropischen  Anden  779. 

—  in  Argentinien  799. 

—  am  Athos  806. 

—  am  Aetna  806. 

—  in  den  Alpen  808. 

—  am  Altai  814. 

—  am  Apennin  804. 

—  in  den  Canaren  806. 

—  in  Chile  803.  807. 

—  am  Djurdjura  und  Atlas  804. 

—  im  Himalaya  786. 

—  in  Brasilien  784. 

—  im  Kaukasus  814. 

—  am  Kilimandscharo  769. 

—  in  Mexico  782. 

—  in  Natal  798. 

—  am  Ontake  (Japan)  814. 

—  in  Ost- Asien  759. 


Register. 


873 


Regionen,  Pflanzenleben  739. 

—  in  den  Pyrenäen  813. 

—  i.  d.  Rocky  Mountains  815. 

—  in  der  Sierra  Nevada  (Californien) 
806. 

—  in  Süd-Macedonien  807. 

—  in  der  Tatra  813. 

—  in  den  temperirten  Zonen  786. 

—  am  Tian-Schan  814. 

—  in  Tibet  792. 

—  Tiefenregionen  818. 

—  Lichtregionen  818. 

—  in  den  Tropen  757. 

—  am  Ml-  Ventoux  804. 

—  Vergleich  mit  den  Zonen  737. 

—  in  den  White  Mountains  815. 
Retama  Raetam  642. 

Rhipsalis  342. 

Rhizophora  419.  424.  426  u.  f. 
Reproduction,  Abhängigkeit  von  äusse- 
ren Einflüssen  30. 
Rhododendron  ferrugineum  808. 

—  hirsutum  808. 
Rhus  caustica  571. 
Riencourtia  oblongifolia  398. 
Rocky  Mountains  815. 

Rose  v.  Jericho  s.  Anastatica,  Ondon- 

tospermum. 
Rosettenstauden,  alpine  741. 
Rosmarin  551. 
Rozites  gongylophora  151. 
Russland,  Klima  576. 

—  Steppen  629. 

—  Uebergang  der  Steppe  in  das  Wald- 
gebiet 633. 

S. 

Sabal  Palmetto  503. 

Sachalin  610  u.  f.  626. 

Sagebrush  s.  Artemisia  tridentata  675. 

Sagopalme  251. 

Sahara  637   u.  f. 

Sal  s.  Shorea. 

Salicornia  202.  686. 

—  herbacea  688. 

—  macrostachya  202. 
Salix  polaris  712. 

—  reticulata  811. 
Salpeter  103. 
Salsola  Kali  687. 


Salze  des  Bodens.    Wirkungen  auf  die 

Pflanze  96  u.  f. 
Salzpflanzen  s.  Halophyten. 
Samen.  Dauer  der  Schwimmfähigkeit  34. 

—  Schwimmvorrichtungen  32. 

—  Widerstand  gegen  Kälte  44. 
Sandpflanzen  195. 
Saprophyten  218. 

—  im  trop.  Regenwalde  363. 
Sarienanthus  utilis  335. 
Sarcobatus  Baileyi  667. 

—  vermiculatus  676. 
Sarcocaulon  662.  663. 
Sargassomeer  827. 
Sargassum  bacciferum  828. 
Satureja  virgata  571. 
Saussurea  tridactyla  753. 
Savanne     176.  282. 

—  tropische  389. 

—  in  Afrika  390. 

—  in  Amerika  397. 
Savannenwald  281.  282.  524.  525. 

—  in  Afrika  384. 

—  in  Amerika  385. 

—  in  Indien  379. 
Saxaul  s.  Haloxylon. 
Saxifraga  723. 
Schatten  68. 

Schattenblätter,  metallener  Glanz  71. 
Schattenpflanzen  70  u.  f. 
Schattige  Standorte  69. 
Schinopsis  Lorentzii   524. 
Schistotega,  Lichtwirkungen  70  u.  f. 
Schizolobium  excelsum  328 
Schleichera  trijuga  Fig.   123. 
Schmarotzer  s.  Parasiten. 
Schneeflora  859. 
Schorre  195. 
Schugnan  792. 
Schwarzes  Meer.    Küstenwälder  610. 

—  Steppe  im  Gebiet  dess.  629. 
Schweiz  807. 

Schwimmfähigkeit  der  Samen  34. 
Schwimmgewebe  32. 
Schwimmvo'rrichtungen    bei    Früchten 

und  Samen  32. 
Scitamineen  252. 

Erscheinung  im  tropischen  Regen- 

—  walde  313. 
Scrub  559  u.  f. 
Securidaca  lanceolata  215. 


874 


Register. 


Securidaca  Sellowiana  210. 
Seen,  Süsswassers.,  Dünen  200. 

—  Vegetation  845.  848. 
Senecio  Johnstonii  774.  779. 

—  vaccinioides  740. 
Sequoia  gigantea  600. 

—  sempervirens  596. 
Serpentin   103. 
Sertäo,  Klima  296  u.  f. 
Sha- Wälder  407. 
Shorea  robusta  409. 
Sibirien,  Klima  46. 

—  Wälder  611. 
Sida  linifolia  402. 

Sierra  Nevada  (Californien)   597.  807. 

—  —  (Spanien)  804. 
Sklerokaulen  1 1 . 
Sklerophyllen   11. 
Sieversia  glacialis  724. 
Solfataren,  Flora  752. 
Sommerregen  181. 
Sommerwald  587  u.  f. 

—  im  Himalaya  790. 

—  in  Mexico  782. 

—  im     Neu -Seeländischen     Hochge- 
birge 794. 

Sonnenpflanzen  70. 
Sonneratia  429  u.  f. 

—  acida  429. 
Sonnige  Standorte  68. 
Sonora- Region  668. 
Spaltöffnungen,  Verschluss  bei  trocke- 
nem Wetter  15. 

Sparganium  minimum  847. 
Sphagnum  691. 

—  cymbifolium  694. 

—  fimbriatum  694. 
Spinifex  hirsutus  666. 

—  squarrosus  197. 
Spreizklimmer  209. 
Steppe  282. 

Strand  d.  Meeres   196. 
Strelitzia  137    u.  f. 

—  ornithophil  136. 
Stammsucculenten   12. 
Stapelia  662. 

—  caralluma  649. 
Stärkebäume  466. 
Steppe  176.  626. 
Strand,  temper irter  686. 

—  Vegetation  in  den  Tropen  416. 


Strandstimpfe  686. 

Strandwald   419    u.  f.  vgl    auch  Man- 

grove. 
Strandwiesen  687. 
Sträucher  der  Savannen   375. 
Strychnos  triplinervia  211. 
Styphelia  squarrosa  561. 

—  verticillata  561. 
Subtropische  Gebiete  478. 
Subularia  aquatica  847. 
Succulenten  1 1 . 
Südafrika,  Klima  482. 

—  Grasfluren  530. 

—  Wüsten  658. 

—  vgl.  auch  Kalahari,  Kapland,  Karroo. 
Südamerika,  nördl.  Klima  298. 

—  temper.  Klima  487. 

—  temper.  Grasfluren  532. 

—  westliches,  Wüsten  679. 

—  Vgl.    auch  Brasilien,    Argentinien, 
Guiana,  Patagonien,  Chile,  Peru. 

Sümpfe  in  den  Tropen  411. 

Sumpfwald  411. 

Symplocos  buxifolia  768.  772. 


I  Tabernaemontana  dichotoma  354. 
'  Taeniophyllum  Zolllingeri   237. 

Taimyrland  709.  722. 

Tamarix  654. 

—  Pallarii  658. 
Tatra  813. 

Taxodium.     Pneumatophoren  s.  83. 
Tectona  378.  380  u.  f. 

—  Hamiltonii  353. 
Temperatur  des  Bodens,  hohe  49. 

—  günstigste  51. 

—  niedere.      Physiologische     Bedeu- 
tung 54. 

—  Einfluss  auf  Keimung  52. 

—  —  auf  Wachsthum  52. 

—  —  auf  Gasaustausch  53. 

—  niedere,  des  Bodens  6. 

—  Vgl.  Akklimatisation,  Kälte,  Wärme. 
Temperaturen,  hohe  49. 

—  niedere  46. 

Temperirte  Zonen,    Gehölzklima    und 
Grasflurklima  573  u.  f. 

—  —  Grasfluren  622  u.  f. 

—  —   Periodicität  460. 
Texas,  Savannen  528. 


Register. 


875 


Thiere  132  u.  f. 

Thlaspi  calaminarium  105. 

Thon  im  Boden  95. 

Thurmann's  Bodentheorie  112. 

Thymian  55  *. 

Tian-Shan  814. 

Tibet  792. 

Tibouchina  frigidula  402. 

Tiefenregionen  818. 

Tiekbaum  s.  Tectona. 

Tillandsia  349  u.  f. 

—  stricta  var.  Schlumbergeri  352. 

—  usneoides  350. 
Tjemoro  762. 
Tococa  lancifolia   168. 
Torf  120. 

Torfmoore.      Xerophile    Structur    der 
Vegetation   18. 

—  Vgl.  auch  Moore. 
Transkaspische  Wüste  650  u.  f. 
Transpiration  6. 

—  der  Hygrophyten   21. 

—  der  Xerophyten  21. 
Träufelspitze  22. 

Trichomanes  angustatum  sinuosum  331. 
Triplaris   160. 

—  americana   162. 

—  caracasana   162. 
Trockenheit  des  Bodens  6. 

—  Einfluss    auf    die    Reproductions- 
organe  30. 

—  Trockenpflanzen     s.     Xerophyten, 
Xerophil. 

—  Tropen.  Blüthenbestäubung  1 44  u.  f. 

—  edaphishe  Wirkungen  405. 

—  Flora  245. 

—  Gebiete  mit  Trockenzeiten  371. 

—  Gehölze    in   periodisch   trockenen 
Gebieten  377. 

—  Grasfluren  282. 

—  Hydrometeore  229.  244. 

—  Klima  229. 

—  Klimatische  Formationen  281. 

—  Klimatische  Beding,  d.  Hochwaldes 

282. 

—  —  d.  Grasfluren  293  u.  f. 
-  Licht  232.  241. 

—  Periodische  Erscheinungen  260. 

—  Regenwald  305  u.  f. 
--  Regionen  757. 

—  Transpiration  238. 


Trockenheit.     Wachsthum  235. 

—  Wärme  231 

—  Wirkungen  ders.   233. 
Tropische  Gewächse.     Erfrieren   über 

o°  43. 

—  Meere  826. 
Tropophil  24. 
Tropophile  Wälder  587. 
Tropophyten  5.  24. 

—  Klima  5. 
Tulipa  657. 
Tundra  721. 

U. 

Uhrfederranker  211. 
Umbellularia  californica  544. 
Untergetauchter  Gürtel  833. 

V. 

Vaccinium  myrtoides  767. 

—  uliginosum  711. 
Ventoux,  Ml-  804. 
Verbena  minima  742. 

Vereinigte  Staaten  v.  Nordamerika  574. 

595-  597-  601.  626.  665. 
Vernonia  desertorum  400. 

—  elegans  398. 
Veronica  cupressoides  797. 
Viola  calcarata  140. 

—  calaminaria   105. 

—  granulosa  745. 

—  pygmaea  745. 

—  tricolor  140. 
Vriesea  Fig.   157. 

Vulkane,  Vegetation  200  u.  f. 

W. 

Wachsthum,  Abhängigkeit  von  der  Tem- 
peratur 52. 
Wald.  Bedeutung  des  Regens  180. 

—  in  Indien  378. 

—  in  Ostafrika  382. 

—  Strand wälder  der  Tropen  419. 

—  tropophiler  in  Indien  378. 

—  tropophiler  in  Afrika  383. 

—  Vgl.   auch   Dornwald,    Regenwald, 
Savannenwald,  Sommerwald. 

Wärme  40  u.  f. 

—  Widerstandsfähigkeit    gegen    hohe 
Grade  47. 

Wämeoasen  der  Tundra  722. 
Wärmewirkungen  in  den  Tropen  233. 


876 


Register. 


Washingtonia  filifera  669. 
Wasser,  Bewegung  819. 

—  Chemische  Zusammensetzung  820. 

—  Einfluss  auf  die  Pflanzenstructur  26. 

—  Einfluss  auf  die  Reproduction  30. 

—  Einfluss  der  Tiefe  auf  die  Sexual- 
organe 31. 

—  Einfluss  strömender  Bewegung  auf 
die  Blüthenbildung  31. 

—  Wirkungen    auf  die  Pflanzenstruc- 
tur 3. 

—  Samen  Verbreitung  d.  d.  W.  32. 

—  stagnirendes   193. 

—  Temperatur  820. 

—  s.  Bodenwasser,  Salzwasser. 
Wasseraufnahme.        Dieselbe      herab- 
setzende Factoren  6. 

Wasserdampf  183. 
Wassergewebe  13. 
Wasserpflanzen  817. 

—  Entstehung  aus  Luftpflanzen  27. 

—  Periodicität  819. 

—  Vegetationsorgane   26. 

—  Wasserform  und  Luftform  28. 
Wasserspeicher  13. 
Wassertracheiden   14. 
Welwitschia  662.  664. 
Weymouthskiefer  601  u.  f. 
White  Mountains  815. 

Wiese  176.  624. 
Wiesenmoore  691. 

Wind,  Schutz    der  Bäume  gegen  den- 
selben 374. 

—  trockenkalter  183. 

—  Wirkungen  auf  die  Vegetationsor- 

gane 84  u.  f. 

auf  die  Reproduction  88  u.  f. 

Windepflanzen  209. 

Winterfeuchte      temperirte      Gebiete, 

Klima  493. 
Winterregen   180. 
Wolga,  Wüste  658. 
Wormia  Burbidgei   355. 


Wormia  triquetra  353. 
Wurzelkletterer  209. 
Wüste   176.  282.  626. 

—  alpine  in  Neu -Seeland  797. 

—  —  in  den  Anden  780  s.  a.  Punas. 

—  in  Australien  664. 

—  in  Mexico  675. 

—  in  d.  Pamir  791. 

—  in  Tibet  792. 

—  in  Patagonien  679. 

—  in  Südafrika  659. 

—  im  westlichen  Südamerika  679. 

—  an  der  Wolga  658. 

X. 

Xanthorrhoea  452. 
Xerophile  Structur  7. 

—  —  bei  polaren  Gewächsen  713. 

—  Wälder  s.  Savannenwald,  Dornwald, 
Hartlaubgehölze. 

Xerophyten  4.  6. 

—  Blätter  13. 

—  Klima  5. 

—  Bedingungen  ihres  Auftretens  6. 

—  Transpiration  22. 

—  Vorkommen  ders.   1 1 . 

—  Wechselbeziehungen       verschiede- 
ner Standorte  15. 

Xylia  dolabriformis  Fig.   125 

Y. 

Yucca,  Bestäubung  146. 

—  brevifolia  669. 

—  macrocarpa  670. 

—  filamentosa  146. 

—  glauca  677. 

Z. 

Zamia  integrifolia  449. 
Zillia  spinosa  644. 
Zonen  227. 
Zostera  marina  824. 
Zweigkletterer  210. 
Zygophyllum  cornutum   1 1 . 


Druck  von  Fischer  &  Wittig  in  Leipzig. 


Druckfehler  -Verzeichniss. 


Seite  105 
146 
250 
251 
252 
313 
324 
326 

331 
343 
353 
355 
355 
376 
376 
396 
416 
418 
418 
428 
512 
524 
534 
554 
569 
570 
626 
626 
627 
627 
627 
629 
640 
671 
672 
675 
7U 
715 


8.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  53  statt  Fig.  52. 

7.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  66  statt  Fig.  67. 

19.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  226  statt  Fig.  224. 

8.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  226,  227  statt  Fig.  224,  225. 
3.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  207  statt  Fig.  205. 

7.  Zeile  von  oben  lies  Fig.   178  statt  Fig.   176. 
18.  Zeile  von  unten  lies  Fig.   152  statt  Fig.  352. 
5.  Zeile  von  oben  lies  Fig.   151   statt  Fig.   150. 
n.  Zeile  von  unten  lies  Fig.   146  statt  Fig.   147. 
Auf  dem  Tafelbild  lies  Fig.   159  statt  Fig.   157. 
10.  Zeile  von  unten  lies  Fig.   172  statt  Fig.   170. 

12.  Zeile  von  oben  lies  Fig.   172,5  statt  Fig.   170,5. 

9.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  172  statt  Fig.  170. 
Auf  dem  Tafelbild  lies  Fig.  189  statt  Fig.  187. 
Auf  dem  Tafelbild  lies  Fig.  190  statt  Fig.  188. 
Auf  dem  Tafelbild  lies  Fig.   199  statt  Fig.   197. 

3.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  210  statt  Fig.  211. 

4.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  211   statt  Fig.  213. 

9.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  212  statt  Fig.  213. 

10.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  213  statt  Fig.  214. 

5.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  250  statt  Fig.  251. 
5.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  258  statt  Fig.  28$. 
17.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  267  statt  Fig.  266. 
14.  Zeile  von  unten  lies  coccifera  statt  conifera. 

5.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  300,  2  statt  Fig.  500,  2. 

4.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  306  statt  Fig.  304. 

I.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  324  statt  Fig.  325. 

I.  Zeile  von  oben  lies  Fig.   323,  325  statt  Fig.  326 — 328. 

8.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  336  statt  Fig.  337. 
3.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  335  statt  Fig.  336. 

1.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  335  statt  Fig.  336. 
3.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  335  statt  Fig.  336. 
22.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  344  statt  Fig.  334. 

2.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  381  statt  Fig.  382. 
16.  Zeile  von  oben  lies  Fig.   374  statt  Fig.  371. 

13.  Zeile  von  oben  lies  polyacantha  statt  oligostachya. 
2.  Zeile  von  oben  lies  Fig.  403  statt  404. 

7.  Zeile  von  unten  lies  Fig.  404  statt  405. 


Seh 


Karte  1. 


MITTLERER 
JÄHRLICHER  REGELFALL  ! 


Schi 


Karte  2. 


L  HbnnjQe  tropische  Regenseit  mit  H&upttrockenxeit 
im  Winter  und  Frühling  • 

R.  HSnterregen    Sommer  regenarm  . 

CZ3  H.  Hefen  im  Frühling  oder  JTrtth.  - 
Sommer  meist  such. Im  Herb  st 

oder  Vorwinter,  trockener  Spftt- 
Sommer  . 


i  y_st 


m$M 


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'{///, 


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'//' 


(__3  Yff.AILe  Monate 
regenarm  (weniger  als 
6  Regentage     unregelmas- 
siges  Hinüber  greifen  spärli- 
cher Regen  ans    den   anstossen 
dem  Gebieten. 


CXZZ  Gebiete  mit  Trockenxetten,,  resp.  mit  Mo- 
naten,, deren-  normale  JUgathäuftgkeit  unter  0,20 
(-6 Regentage-  im,  Monat)  sinkt. 


Goma. 


BNdih  ERDE 


Xkrte3. 


Scliimper ,  Pflanz  eng  eo 


Karte  4. 


* 


ErhrlariLug  eiL  : 


HB  JTa9.elnrald.er 

I        I  Prairle  mit  -wnenid 

1        I  Baumloses  Land, 


3 


Gotha  :  Justus  Perthes 


m^m^^mm  Grenze  zwischen,  dem 
atlantischen  iLpacißsclienWaldgeD. 

Grenze  der TJnteraoteihuigeiL 

suß*    beider  Waldg  c Mete ,  und.  zwar  : 

**  Atlantis  ch.es  Waldgeoiet. 

1  ITördl.  atlantiscne  WaldprovinT 

2  Pravins  der  WeyhmoutlLS  Kiefer 

(  Pinus  Stroous) 

3  Südlicne  Küstenprovinz 
4,SammergrunerXa-iibvaia  des 

Mississippi  Beckens  und  der 
fftisntui  dhen  K"b  eneu 
5  D  er  lialb  tropische  "Wald 

Pazifisches  "Waldgebiet . 

AEorälicne  TValdproidtnz 
Blustenwald 
$    C  "Wälder  des  Binnenlandes 
DMexikanisclieT  "Wald 


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